2005 – 2006, nummer 1 - Thauma
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Buch Theodor Lessing, Otto Meyerhof, Leonard Nelson<br />
<strong>–</strong> Bedeutende Juden in Niedersachsen, Hannover 1964.<br />
Er weist jedoch nicht darauf hin, dass seine<br />
Informationen aus dem unbearbeiteten Nachlass<br />
stammen, er gibt keine Quellen an.<br />
Der zweite Teil des Nachlasses befand sich<br />
in den Händen eines Freundes Lessings, dessen<br />
Identität man nicht rekonstruieren konnte und<br />
der 1938 von Prag aus nach New York<br />
auswanderte, wo er sich im selben Jahr das Leben<br />
genommen hat. Dadurch sind alle Papiere, die<br />
sich in diesem Teil der Nachlass befanden,<br />
verloren gegangen. Es wird auch vermutet, dass<br />
in dem Teil des Nachlasses, der in New York<br />
war, sich eine Fortsetzung von Lessings<br />
Autobiographie Einmal und nie wieder befunden<br />
haben könnte, die aber natürlich nicht mehr<br />
gefunden ist.<br />
Dieses Zitat von Lessing aus seinem Buch<br />
Nietzsche passt sehr schön auf die gegenwärtige<br />
Editionspolitik im Allgemeinen:<br />
„Nachwelt ist immer wiederholte Mitwelt.<br />
Die Zeit der Einsamen ist vorüber. In<br />
Amerika, Australien, bald auch in Europa,<br />
sind Erscheinungen wie Goethe, Schopenhauer,<br />
Nietzsche schon unmöglich. Denn der Betrieb<br />
des Geistes ist so durchorganisert, daß auch<br />
Wirkung, Ruhm, Erfolg Faktoren großer<br />
Rechenexempel geworden sind und zuletzt ihre<br />
Technologie haben werden. Die Frage lautet<br />
nicht mehr: Was ist er? Die Frage lautet: Zu<br />
welcher Richtung gehört er? Welche Gruppe<br />
trägt ihn? Welche Machtzwecke nehmen an ihm<br />
Anteil? Welches Vorurteil hat ihn nötig?“ 17<br />
Es wird denn auch das Beste sein, es mit<br />
diesem Zitat gesagt zu sein lassen und sich jetzt<br />
der Gestalt der neuen Theodor Lessing Ausgabe<br />
zuzuwenden. Es ist anzumerken, dass es eine<br />
andere Lessingausgabe begonnen wurde, die von<br />
Jörg Wollenberg herausgegeben wird, doch diese<br />
Ausgabe verzichtet weitgehend auf einen<br />
wissenschaftlichen Apparat und editorischen<br />
Bericht.<br />
Die jetzt entstehende Theodor Lessing<br />
Edition ist auf circa 10 bis 12 Bände angelegt.<br />
Der Band Nachtkritiken, der jetzt erscheint,<br />
beinhaltet die Schriften von 1906/7. Es ist eine<br />
Überlegung, den Band Schopenhauer, Nietzsche,<br />
Wagner gesondert erscheinen zu lassen. Weiterhin<br />
sind die Bände für die Jahre 1895-1905 <strong>–</strong> Lessings<br />
Jugendschriften, wenn man so will <strong>–</strong> und der<br />
Band für die Jahre 1908-1912 in Vorbereitung. Es<br />
wurde bei der Veröffentlichung der Edition nicht<br />
mit dem chronologisch ersten Band mit den<br />
frühsten Schriften Lessings angefangen, weil man<br />
zuerst Schriften veröffentlicht sehen wollte, die<br />
noch nicht gedruckt waren. Die Texte in dem<br />
[11]<br />
THAUMA <strong>2005</strong>-<strong>2006</strong> NUMMER 1<br />
Band Nachtkritiken sind nicht thematisch, wohl<br />
aber chronologisch geordnet. Vor allem befinden<br />
sich Lessings Theaterkritiken in dem Band, seine<br />
pädagogischen Schriften (Die Landerziehungsheime<br />
1907) und das kleine Buch Theater-Seele. Theater-<br />
Seele war schon einmal gedruckt, die<br />
Theaterkritiken jedoch nicht. Wohl aber wurden<br />
diese Theaterkritiken schon für die Biographie<br />
benutzt.<br />
Theater-Seele. Studie über Bühnenästhetik und<br />
Schauspielkunst Berlin 1907 <strong>–</strong> In dieser kleinen<br />
Studie geht Lessing den hypnotischen und<br />
suggestiven Effekten, die das Theater auf die<br />
Schauspieler und Zuschauer hat, nach.<br />
Was gibt es sonst noch in den Nachtkritiken?<br />
Die Broschüre Über Hypnose und Autosuggestion von<br />
1907. Die Broschüre Hypnose und Suggestion<br />
passt gut zu den Theatertexten, weil Lessing über<br />
Hypnose und Suggestion und Manipulation und<br />
deren Vorraussetzungen schreibt und das ist<br />
wichtig für Theaterpsychologie. Wenn man dann<br />
in der Folge Lessings Schriften anschaut, kann<br />
man erkennen, dass seine Schriften über die<br />
Psychologie des Theaters im gewissen Sinne<br />
vorbereitend sind für Lessings Schriften, die die<br />
teleologische Geschichtsschreibung kritisieren.<br />
Das bedeutet, dass Lessings Geschichtskritik<br />
nicht journalistisch, sondern psychologisch<br />
motiviert ist.<br />
Im Band Nachtkritiken gibt es<br />
Theaterkritiken zu Ibsens Stücken Rosmersholm,<br />
Stützen der Gesellschaft und auch eine über die<br />
Wildente. Lessing sagt über Gregers und Relling,<br />
welche beide verschiedene Typen der Lebenslüge<br />
darstellen, folgendes:<br />
„Relling und Gregers (die äußersten<br />
Extreme) scheitern beide .Dieser, weil er von<br />
den Menschen zu wenig fordert und das laisser<br />
faire predigt, jener,weil er mit der ‚idealen<br />
Forderung’ das Leben vergewaltigt.“ 18<br />
Ich bin mir nicht sicher, ob Lessing recht<br />
hat mit seiner Einschätzung von Relling, denn er<br />
fordert durchaus den Menschen einiges ab, indem<br />
er sie darauf hinweist, dass sie sich zu weit von<br />
sich selbst entfernt haben um einem Ideal näher<br />
zu kommen, das nicht erreichen und deshalb eine<br />
Lebenslüge leben. Hier waren sich Relling und<br />
Lessing ähnlich. So denke ich denn zu enden mit<br />
Rellings Schlussbefund aus Ibsens Wildente:<br />
“Ach, das Leben könnte doch noch ganz<br />
schön sein, wenn wir nur Frieden hätten vor<br />
diesen famosen Gläubigern, die uns armen<br />
Leuten das Haus einlaufen mit der idealen<br />
Forderung.” 19<br />
Noten: zie pagina 30