23.12.2020 Aufrufe

Programmheft des Deutschen Literaturarchivs Marbach, 1/2021

Mit dem Veranstaltungsprogramm für die Zeit von Januar bis Juni 2021, Texten über die Frage "Was ist Literatur?" von Hannes Bajohr, Hans Ulrich Gumbrecht und Hannelore Schlaffer sowie Einblicken in den neuen OPAC von Archiv und Bibliothek, unser Projekt "Fehlt Ihnen / Dir Schiller?" sowie zahlreiche Ausstellungen. #Hölderlin2020 #Schiller #Kafka #HeinrichMann #GabrieleTergit #Kracauer #Löwith #Archivbox #Archivkino #Zoomkapsel

Mit dem Veranstaltungsprogramm für die Zeit von Januar bis Juni 2021, Texten über die Frage "Was ist Literatur?" von Hannes Bajohr, Hans Ulrich Gumbrecht und Hannelore Schlaffer sowie Einblicken in den neuen OPAC von Archiv und Bibliothek, unser Projekt "Fehlt Ihnen / Dir Schiller?" sowie zahlreiche Ausstellungen. #Hölderlin2020 #Schiller #Kafka #HeinrichMann #GabrieleTergit #Kracauer #Löwith #Archivbox #Archivkino #Zoomkapsel

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_3<br />

Programm 1/<strong>2021</strong><br />

Was ist<br />

Literatur<br />

?


Tabaksdosen<br />

aus Schillers<br />

<strong>Marbach</strong>er<br />

Nachlass


_3<br />

Was ist Literatur? Zum Beispiel<br />

ein Denkbild, das Körper und<br />

Geist umfasst. Das Attribut, das<br />

der junge Friedrich Schiller<br />

zu seinem gemacht hat, mutet auf<br />

den ersten Blick recht seltsam<br />

an: Als er sich von der Freundin<br />

Dora Stock das erste Mal als<br />

freier Schriftsteller porträtieren<br />

lässt, ruht seine<br />

Hand ausgerechnet auf einer<br />

Schnupftabaksdose.<br />

„Dumm ist mein Kopf und schwer<br />

wie Blei, / die Tobaksdose<br />

ledig / Mein Magen leer –<br />

der Himmel sei / dem Trauerspiele<br />

gnädig“, klagt der<br />

„Haus- und Wirtschafts-<br />

Dichter F. Schiller“, der<br />

in dem Scherzstück Körners<br />

Vormittag oder Ich habe mich<br />

rasieren lassen unter anderem<br />

in dieser Rolle auftritt:<br />

„als Schiller. Somermanchester.<br />

gelbe Pantoffel. Tobak.“<br />

In Schillers Tabaksdose steckt<br />

nicht nur Schnupftabak, sondern<br />

eine Poetik der Tragödie im<br />

Kleinen. Der antike Philosoph<br />

Aristoteles sah in der kátharsis,<br />

der seelischen Reinigung, die<br />

wichtigste gesellschaftliche<br />

Funktion der Tragödie, weil deren<br />

Zuschauer durch das ästhetische<br />

Erleben von Gefühlen wie Trauer<br />

und Angst von diesen Erregungszuständen<br />

befreit würden.


Editorial<br />

Was ist ein Literaturarchiv in<br />

Zukunft? Als der Philosoph Wilhelm<br />

Dilthey im Jahr 1889 über die<br />

Errichtung eines <strong>Literaturarchivs</strong><br />

nachdachte, gab es zwar einen<br />

Markt für Manuskripte, private<br />

Sammlungen und Bibliotheken,<br />

jedoch wenig mehr. Heute existiert<br />

ein ganzer Kosmos von Archiven.<br />

Je<strong>des</strong> Archiv sucht dort seinen je<br />

spezifischen Ort. Den Ort und Auftrag<br />

<strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Literaturarchivs</strong><br />

<strong>Marbach</strong> hat sein Trägerverein, die<br />

Deutsche Schillergesellschaft,<br />

formuliert: Im Zentrum stehen das<br />

Sammeln, Erschließen, Erforschen<br />

und Vermitteln von Literatur.<br />

Der Literaturbegriff ist dabei (auch<br />

das folgt Dilthey) weit angelegt:<br />

Literatur meint solche Texte, die dafür<br />

gehalten werden – mitsamt ihren<br />

Ausdrucksformen in Schrift, Bild,<br />

Bewegtbild und Ton sowie den in<br />

ihr wirkmächtigen philosophischen<br />

Texten.<br />

Da seine Sammlungen nicht<br />

abgeschlossen sind, wächst das<br />

Deutsche Literaturarchiv unendlich<br />

bzw. solange es Literatur gibt.<br />

Das setzt eine besondere Dynamik<br />

frei, auch auf Seiten <strong>des</strong> Gegenstan<strong>des</strong>:<br />

Neue Literatur will sich<br />

in der Auseinandersetzung mit<br />

der etablierten bewähren, andere<br />

Schwerpunkte und Themen aufgreifen,<br />

kontroverse Fragen formulieren,<br />

anspruchsvolle ästhetische Formen<br />

finden, innovative Medien entdecken.<br />

Kurz: Literatur, die sich als solche<br />

ernst nimmt, ist potenziell disruptiv.<br />

Sie zerstört oder rekombiniert<br />

das Alte, um Neues zu schaffen.<br />

Archive hingegen zielen auf<br />

Gegenläufiges: darauf, disruptive<br />

Energie einzufangen, abzulegen<br />

und in etablierte Ordnungssysteme<br />

einzupassen. Dieser ambivalente<br />

Prozess lässt sich am besten als<br />

Archivparadoxon beschreiben, das<br />

erlaubt, dass die unterschiedlichen<br />

literarischen Zeit- und Materialschichten,<br />

die Generationen von<br />

Autor:innen mit ihren Zu- und<br />

Abneigungen, Vorbildern und Gegnern<br />

es nebeneinander aushalten.<br />

Die Möglichkeiten und Chancen<br />

dieses Miteinanders, das nicht nur<br />

disruptive, sondern auch produktive<br />

Energien freisetzt, diskutieren<br />

wir seit 2019 intensiv. Durch die<br />

Pandemie sind diese Diskussionen<br />

zwar erschwert, aber zugleich<br />

beflügeln uns gute Nachrichten:<br />

Wir haben von unseren Zuwendungsgebern<br />

in Bund und Land Bau- und<br />

Stellenmittel erhalten, die es uns<br />

erlauben, für die Zukunft zu planen.


4_5<br />

Das bedeutet zunächst vor allem,<br />

dass wir uns den Herausforderungen<br />

der Gegenwart stellen, Bau- und<br />

Sanierungsarbeiten bewältigen, uns<br />

auf Umzüge in unseren Häusern<br />

und in Interimslösungen vorbereiten<br />

müssen.<br />

Weil ein Denken ins Offene auch<br />

etwas Schönes ist, möchten wir in<br />

diesem Jahr öfter innehalten und<br />

uns, unsere Vorlassgeber:innen,<br />

Benutzer:innen und Besucher:innen<br />

wiederholt fragen: Was ist ein<br />

Literaturarchiv in Zukunft?<br />

Die Archiv- und Bibliothekskataloge,<br />

Ausstellungen, Tagungen und<br />

Veranstaltungen <strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong><br />

<strong>Literaturarchivs</strong> weisen – das wurde<br />

durch die Pandemie besonders<br />

deutlich – analoge und virtuelle<br />

Dimensionen auf. Sie finden im<br />

Hier und Jetzt statt, aber eben auch<br />

im Dort und Einst und Demnächst.<br />

Gefühlt haben sich die Räume <strong>des</strong><br />

<strong>Deutschen</strong> <strong>Literaturarchivs</strong> durch<br />

seine virtuellen Seiten, Türen und<br />

Fenster schon jetzt vervielfacht.<br />

Beim Einräumen von grünen Kisten,<br />

beim Einsortieren von Büchern<br />

und Planen von Ausstellungen denken<br />

wir schon jetzt die Vorläufigkeit<br />

dieser Arbeit mit, weil sich Ort und<br />

Platz bald umgestalten werden.<br />

Bücher und grüne Kästen müssen<br />

flexible Standorte finden, Ausstellungen<br />

leicht verschiebbar sein,<br />

spontan verdichtet und ergänzt<br />

werden können.<br />

Sandra Richter<br />

Auch ein <strong>Marbach</strong>er<br />

Magazin wird dazu<br />

erscheinen: #Literatur<br />

ArchivDerZukunft, mit<br />

Beiträgen von zahlreichen<br />

Kolleg:innen<br />

aus dem DLA sowie<br />

von Theresia Bauer,<br />

Heinrich Detering,<br />

Susanne Fischer,<br />

Friedrich Forssman,<br />

Julia Franck, Petra<br />

Gehring, Peter Gerjets,<br />

Monika Grütters,<br />

Christoph Hein, Nicola<br />

Leibinger-Kammüller,<br />

Katrin Kohl, Kai Uwe<br />

Peter, Stephan Schwan,<br />

Volker Weidermann<br />

und Iris Wolff.


Inhalt<br />

Themen und Dialoge<br />

Was kann ein<br />

virtueller<br />

Ausstellungsund<br />

Leseraum?<br />

Hannelore Schlaffer,<br />

10<br />

18<br />

22<br />

28<br />

Was kann ein<br />

34<br />

Fehlt Ihnen/Dir Schiller?<br />

Laurent Chétouane,<br />

Christian Holtzhauer,<br />

Burkhard Kosminski,<br />

Jagoda Marinić,<br />

Kathrin Röggla,<br />

Elisabeth Schweeger<br />

Online-Katalog?<br />

Was ist Literatur?<br />

Hans Ulrich Gumbrecht<br />

und Hannes Bajohr<br />

Was kommt in die<br />

Literaturarchiv-Box<br />

der Zukunft?


6_7<br />

Ausstellungen<br />

42<br />

SateLIT 1 + 2:<br />

Planet Motzstraße.<br />

Else Lasker-Schülers<br />

Lebenszeichen aus Berlin /<br />

Salon Hollywood. Salka<br />

Viertels Erinnerungen<br />

46<br />

48<br />

52 54<br />

58<br />

Narrating<br />

Africa<br />

Step by<br />

Step<br />

Hölderlin, Celan<br />

und die Sprachen<br />

der Poesie<br />

Kalender<br />

Laß leuchten!<br />

Peter Rühmkorf –<br />

selbstredend<br />

und selbstreimend<br />

Die Seele<br />

Schiller, Hölderlin,<br />

Kerner, Mörike


Themen und Dialoge


_9<br />

#schillerfreispiel<br />

„Die Poesie soll<br />

ihren Weg nicht durch<br />

die kalte Region <strong>des</strong><br />

Gedächtnisses nehmen,<br />

soll nie die Gelehrsamkeit<br />

zu ihrer<br />

Auslegerin, nie den<br />

Eigennutz zu ihrem<br />

Fürsprecher machen.<br />

Sie soll das Herz<br />

treffen, weil sie<br />

aus dem Herzen floß,<br />

und nicht auf den<br />

Staatsbürger in dem<br />

Menschen, sondern auf<br />

den Menschen in dem<br />

Staatsbürger zielen.“<br />

Friedrich Schiller,<br />

Über das Pathetische, 1793


Was<br />

ist<br />

Litera-


10_11<br />

Entwurf von<br />

Jean Paul<br />

Sartre zu<br />

seinem Essay<br />

Qu’est-ce<br />

que la<br />

littérature?<br />

von 1947,<br />

aus der<br />

Autographen-<br />

Sammlung<br />

von Iring<br />

Fetscher<br />

Und: Ist das Kunst oder kann das<br />

weg? Auch Literaturarchive und<br />

-museen provozieren diese Fragen,<br />

weil sie mit ihren Sammlungen<br />

und Ausstellungen an die Ränder der<br />

Literatur stoßen – an die Übergänge<br />

zwischen Leben und Kunst, Schrift,<br />

Ton, Stimme, Bild, Vorstellung,<br />

Bewegung, Gefühl, Körper. „Was ist<br />

Literatur?“ ist daher die Titelfrage<br />

unserer <strong>Programmheft</strong>e, die wir<br />

dieses Mal einer Literaturwissenschaftlerin<br />

und zwei Literaturwissenschaftlern<br />

gestellt haben:


teratur?<br />

Fahnenkorrekturen<br />

in Max Benses<br />

Theorie<br />

der Texte<br />

von 1962


12_13


Hannelore Schlaffer:<br />

Littera – der Buchstabe; viele Buchstaben<br />

– Literatur!<br />

Literatur ist die Sprache, die in<br />

Buchstaben festgehalten wird. Was<br />

ich sage, ist nicht Literatur, was ich<br />

schreibe, könnte! es sein. Jedoch:<br />

nicht jeder Buchstabe ist Literatur,<br />

aber jede Literatur besteht zuallererst<br />

aus Buchstaben. Auf jeden Fall: einmal<br />

muss das, was Literatur werden<br />

und sein soll, auf Stein, auf Schiefer,<br />

Pergament, Papier geschrieben, muss<br />

Schrift-Bild geworden sein, so wie<br />

ja auch das Gesicht einer wirklichen<br />

Person nie ein Kunstwerk wäre, wenn<br />

der Maler nicht Farbe nähme und<br />

mit ihr das Antlitz auf die Leinwand<br />

auftrüge.<br />

Das Zerlegen der Wörter in Buchstaben<br />

und ihre erneute Vereinigung auf<br />

dem Schreibmaterial macht das Gesagte<br />

wiederholbar und erfüllt so die<br />

Sehnsucht, die jede Kunst zu stillen<br />

sucht, die nach Dauer, gar nach Ewigkeit.<br />

Ein Gedicht, das ich mit zwanzig<br />

Jahren gelesen habe, kann ich mit<br />

achtzig wieder lesen, die Worte, die<br />

meine Freundin mir damals sagte, und<br />

andere, die sie vielleicht heute noch<br />

sagt, sind verloren. Die Niederschrift<br />

<strong>des</strong> Wortes macht es zwar nicht ewig,<br />

aber sie erweckt den Glauben, dass<br />

es ewig sei. Je höher die Qualität<br />

einer Literatur eingeschätzt wird,<br />

<strong>des</strong>to stärker ist der Glaube an ihre<br />

ewige Gültigkeit. Literatur ist ein<br />

trügerisches Mittel gegen die Vergänglichkeit<br />

– und damit bleibt sie<br />

allezeit der Religion verwandt.<br />

Es braucht allerdings, da nun einmal<br />

die Worte auf Papier und auf Dauer<br />

festgehalten sind, zur Wahrnehmung<br />

<strong>des</strong>sen, was Literatur sagt und meint,<br />

immer das Auge. Man kann Literatur<br />

vorlesen, der Schauspieler kann sie<br />

vortragen, aber ehe dies geschieht,<br />

muss ein Auge gewesen sein, das sie<br />

gelesen und verstanden hat. So wenig<br />

wie man, trotzt Auto und Rollstuhl,<br />

die Fortbewegung von der Ausstattung<br />

<strong>des</strong> Menschen mit Beinen<br />

ablösen kann, so wenig die Literatur<br />

vom Auge, das liest.<br />

Aber so wie das Notat der schönen<br />

Worte nur eine Technik ihrer Verewigung<br />

auf Stein oder Papier ist,<br />

so dient auch das Auge nur als technisches<br />

Hilfsmittel, um das Buchstabengitter,<br />

das nun das Papier<br />

überzieht und zum Text sich sammelt,<br />

wieder in Bild, in Sinn, Gefühl und<br />

Erlebnis zurückzuholen. Von der<br />

Literatur geht der Appell aus, mir eine<br />

Wirklichkeit, eine Welt vorzustellen,<br />

die bislang mir unbekannt war. Die<br />

Wörter, die gedruckt stehen, müssen<br />

durch Verstand und Phantasie in Sinn<br />

und Bild zurückverwandelt werden.<br />

So ist denn jeder Leser auch Dichter,<br />

und ohne seine Lese-Arbeit wäre<br />

der Dichter verloren. Die Mitarbeit<br />

<strong>des</strong> Lesers bei der Erschaffung <strong>des</strong><br />

Werkes ist die wichtigste Bedingung<br />

für die Existenz von Literatur und ein<br />

eigentümliches Merkmal der Sprachkunst,<br />

das sie von anderen Kunstarten<br />

unterscheidet. Ein Mädchenkopf,<br />

schön gemalt, bleibt immer der, der<br />

da schon seit langem hängt und von


vielen gesehen wurde. Der Mädchenkopf<br />

Gretchens oder der Effi Briests<br />

erstehen in jedem Leserhirn in<br />

anderer Gestalt.<br />

Nun könnte man sagen, auch der<br />

Befehl, der geschrieben steht, bedarf<br />

der Mitarbeit <strong>des</strong> Gehorchenden,<br />

damit er gilt. Durch diesen Gehorsam<br />

wird die Welt verändert, das Gebot<br />

wird Wirklichkeit durch seine Erfüllung<br />

und macht sich somit überflüssig.<br />

Die Literatur hingegen enthält keinen<br />

Appell – auch wenn sich die Interpretation<br />

<strong>des</strong> literarischen Werkes, vor<br />

allem die politische, redlich bemüht,<br />

die Literatur zur Vorgabe, ja gar zur<br />

Vorschrift für den Leser zu machen.<br />

Die Literatur ist eine Erregung, eine<br />

Verführung, keine Verpflichtung.<br />

Die Literatur leitet nicht zum Handeln<br />

an, sondern nur zur Einkehr und zur<br />

Rückkehr in ein Werk, das auch dann<br />

ganz für sich selbst fortbesteht, wenn<br />

der Leser, dieser Gast, wieder geht.<br />

Hannelore Schlaffer hat für<br />

unser Forschungsprojekt „Literatur<br />

digital lesen“ Leseszenen von<br />

Luise Duttenhofer kommentiert, die<br />

im Literaturmuseum der Moderne<br />

ausgestellt sind: www.dla-marbach.de/<br />

museen/blaetterbuecher-zu-denausstellungen/<br />

14_15<br />

Hans Ulrich Gumbrecht:<br />

Das Wort Literatur – und es gibt<br />

entsprechende Wörter in allen europäischen<br />

Sprachen: literature, littérature,<br />

litteratur, literatuur, literatura,<br />

letteratura – hat im Lauf der Zeit<br />

ganz verschiedene Bedeutungen<br />

angenommen, so dass es nicht eine<br />

einzig verbindliche Definition geben<br />

kann. Die Bedeutung, die wir im<br />

<strong>Deutschen</strong> noch heute mit „Literatur“<br />

verbinden, ist um 1800 entstanden<br />

und setzt ein besonders enges, ja<br />

vertrauliches Verhältnis von Leser und<br />

Autor voraus: Wir haben das Gefühl,<br />

dass uns ein Autor aus dem Herzen<br />

spricht. In seinem berühmten Text<br />

Was ist Literatur? von 1947 beschrieb<br />

Jean-Paul Sartre die Literatur<br />

als einen Pakt der Großherzigkeit<br />

zwischen Autor und Leser: „Der<br />

Schriftsteller appelliert an die Freiheit<br />

<strong>des</strong> Lesers, daß sie an der Produktion<br />

seines Werkes mitarbeite.“ Er ist<br />

der Gastgeber für einen freiwillig<br />

Träumenden, den er nicht persönlich<br />

kennt.<br />

Literatur ist das Medium einer<br />

bestimmten Grundsituation, die<br />

sich historisch verändert, aber zwei<br />

wiederkehrende Momente hat: Sie<br />

ist eine Form <strong>des</strong> Spiels und mit<br />

ästhetischen Erfahrungen verbunden.<br />

Als Spiel hat sie – wie Brett-, Karten-,<br />

Ball- oder Versteckspiele – Regeln.<br />

Das können metrische Regeln sein<br />

oder stilistische oder erzählerische.<br />

Diese Regeln sorgen für Strukturen<br />

und geben eine Form vor für den Pakt,<br />

der Leser und Autoren via Literatur<br />

verbindet:


Sie können mit Erwartungen spielen,<br />

Regeln übererfüllen oder unterlaufen,<br />

auslegen oder erklären. Diese Art und<br />

Weise, innerhalb von Regeln eigene<br />

Impulse zu verwirklichen, wird als<br />

individuelle Freiheit erlebt. Daher<br />

können wir imaginierte Vertrauensverhältnisse<br />

in der Literatur aufbauen<br />

und einen Prozess der Seelenwanderung<br />

vollziehen. Wir leihen auf Zeit<br />

einem Text Herz, Kopf und Seele,<br />

identifizieren uns mit Figuren, verkörpern<br />

deren Sprache. Diese Seelenwanderung<br />

ist oft mit ästhetischen<br />

Erfahrungen verbunden. Das heißt:<br />

Wir setzen uns mit einem literarischen<br />

Text neben der Bedeutung<br />

immer auch in ein räumliches und in<br />

ein sinnliches Verhältnis zur Welt.<br />

Wenn ich ein Gedicht vorlese, dann<br />

hat dieses Gedicht nicht nur einen<br />

Inhalt, sondern auch Rhythmus<br />

und Klang. Wenn ich einen Roman<br />

lese, so hat er nicht nur einen Plot,<br />

sondern auch eine haptische Qualität:<br />

Er ist als Buch gegenwärtig, mit<br />

einem bestimmten Papier und einem<br />

bestimmten Volumen. Bei<strong>des</strong>, Gedicht<br />

und Roman, bringen unseren Körper<br />

in eine bestimmte Haltung, die wir uns<br />

freiwillig suchen: Wir sitzen, stehen<br />

oder liegen beim Lesen, ohne dass der<br />

Körper dabei eine andere Aufgabe<br />

erfüllen muss.<br />

Anders als eine Kommunikationssituation<br />

zwischen Lehrer und<br />

Schüler, Arzt und Patient, Pastor und<br />

Gemeinde ist der Pakt zwischen Autor<br />

und Leser einer zwischen gleichberechtigten<br />

Partnern. Literatur ist<br />

daher häufig auch ein Ort gewesen,<br />

um die eigene Menschlichkeit zu<br />

entdecken – in der Hoffnung, dass alle 16_17<br />

Menschen gleich und frei sein sollen.<br />

Die Idee von der Autonomie der Kunst<br />

um 1800 ist eng verbunden mit diesem<br />

Erleben von menschlicher Freiheit.<br />

Der Text ist die schriftliche und gekürzte<br />

Ausarbeitung einer halbstündigen<br />

Online-Vorlesung, die Hans Ulrich<br />

Gumbrecht in Stanford für uns<br />

aufgenommen hat: www.dla-marbach.<br />

de/museen/wechselausstellungen/<br />

hoelderlin-celan-und-die-sprachender-poesie-digital/<br />

Hannes Bajohr:<br />

Literatur gibt es nicht, jedenfalls nicht<br />

ohne die Verabredung dazu. Literatur<br />

ist vor allem die Geste, sie dazu<br />

zu erklären. Diese Gestenhaftigkeit,<br />

diese Äußerlichkeit der Literatur<br />

bedeutet, dass man zwar mit einigem<br />

Recht vermuten kann, ein unbekannter<br />

Text sei literarisch, aber umgekehrt<br />

nie auszuschließen vermag, er sei es<br />

nicht – vielleicht hat man nur die<br />

Geste übersehen, die ihn dazu macht.<br />

Diese literarische Entgrenzung ist<br />

das Resultat einer Radikalisierungsbewegung,<br />

die durch die Avantgarden<br />

<strong>des</strong> zwanzigsten Jahrhunderts – von<br />

Dada über Konkretismus bis Oulipo –<br />

begonnen wurde und die von denen<br />

<strong>des</strong> einundzwanzigsten Jahrhunderts<br />

– in konzeptueller und digitaler<br />

Literatur – fortgeführt wird. Gerade


die beiden letzteren drängen die<br />

Literatur noch weiter über ihre traditionellen<br />

Parameter hinaus: den Text<br />

als Grundbedingung von Literatur und<br />

die Grenze zur Welt, die sie darstellt.<br />

Konzeptuelle Literatur erklärt die<br />

Geste selbst zum Text. Wie Duchamp<br />

ein Urinal zur Kunst machte, indem<br />

er es als Kunst auswies, nimmt sie<br />

gewöhnlich nicht als literarisch gelesene<br />

Texte und erklärt sie zu Literatur.<br />

Schreiben Sie auf eine Bedienungsanleitung<br />

„Roman“ und er wird dazu<br />

– niemand kann Ihnen das Gegenteil<br />

beweisen. Wie der Konzeptkunst ist<br />

dieser Literaturform der Gedanke<br />

wichtiger als sein Produkt, was heißt,<br />

dass im Extremfall gar kein Text<br />

mehr für das Werk nötig ist: Elisabeth<br />

Tonnards Invisible Book ist rein imaginär,<br />

wurde nie gedruckt – aber die<br />

Geste, die das Buch zum Buch erklärt,<br />

ließ Tonnard alle „Exemplare“ der auf<br />

200 limitierten Auflage verkaufen, so<br />

dass es nun in Bibliotheken verzeichnet<br />

ist und auf Ebay gehandelt wird.<br />

Macht die konzeptuelle Literatur im<br />

Extremfall den Text selbst überflüssig,<br />

geht die digitale Literatur den umgekehrten<br />

Weg und besteht auf der radikalen<br />

Textlichkeit einer Welt, die heute<br />

vollends digital zu werden verspricht.<br />

Das ist, anders als die alte Metapher<br />

von der Welt als Buch, durchaus<br />

wörtlich zu verstehen. Im Digitalen<br />

ist tatsächlich alles Text, denn es ist<br />

alphanumerisch codiert – Bilder, Töne,<br />

sogar Text selbst ist, auf einer tieferen<br />

Ebene, Text, der wiederum bearbeitet,<br />

prozessiert und transcodiert werden<br />

kann. Damit wird das, was manchen<br />

als die große Gefahr der Gegenwart<br />

erscheint – die Manipulierbarkeit<br />

digitaler Daten – zur Chance einer<br />

Literatur, die diese Daten selbst als<br />

literarisch auffasst und sich auf den<br />

Code der Welt versteht.<br />

Literatur gibt es nicht. Sie ist Verabredung,<br />

die vor allem vom Jenseits ihrer<br />

Ränder her, aus dem Raum <strong>des</strong> Nichtmehr-Literarischen,<br />

immer aufs Neue<br />

auf die Probe gestellt und bestimmt<br />

wird. Nur so lernt man die Gesten zu<br />

erkennen, in der die künftige Literatur<br />

beschlossen liegt – vielleicht jenseits<br />

<strong>des</strong> Texts, vielleicht in <strong>des</strong>sen Überhandnehmen.<br />

Traditionalisten mögen<br />

diese Tendenz beklagen und sie für<br />

eine Profanierung <strong>des</strong> Literarischen<br />

halten. In Wirklichkeit ist es das<br />

Gegenteil: die tatsächliche und endgültige<br />

Poetisierung der Welt.<br />

Hannes Bajohr hat 2015 für seinen<br />

Roman Durchschnitt alle Bücher aus<br />

dem 2002 von Marcel Reich-Ranicki<br />

herausgegebenen zwanzigbändigen<br />

Kanon der deutschen Literatur als<br />

Textkorpus verwendet, mit Hilfe der<br />

Programmiersprache Python <strong>des</strong>sen<br />

durchschnittliche Satzlänge bestimmt<br />

(18 Wörter), dann alle Sätze anderer<br />

Länge aussortiert und das Ergebnis<br />

anschließend alphabetisch geordnet.<br />

2018 veröffentlichte er den Gedichtband<br />

„Halbzeug. Textverarbeitung“,<br />

in dem ebenfalls Methoden der digitalen<br />

Textanalyse als Verfahren der Textproduktion<br />

genutzt werden. Hannes<br />

Bajohr nimmt an unserem „Poesie-<br />

Hackathon“ im Juni mit einem Vortrag<br />

über Poesie und KI teil.


ox der Zuk<br />

Einer von<br />

44.000<br />

säurefreien<br />

grünen<br />

Kästen im<br />

Archiv<br />

18_19<br />

An zwei Wochenenden<br />

im Frühjahr und Sommer<br />

<strong>2021</strong> sprechen wir mit<br />

14 Schriftsteller:innen über<br />

deren möglichen Nachlass.<br />

Was erwarten sie von<br />

einem Literaturarchiv, was<br />

erhoffen sie sich? Was sollte<br />

unbedingt in ein Archiv?<br />

as kommt i<br />

iteraturar


n die<br />

chivunft?


Was muss in die Box für <strong>Marbach</strong><br />

und was sollte besser im Müll<br />

verschwinden? Diese Frage ist so alt<br />

wie das Archivieren selbst und<br />

stellt sich doch immer wieder neu.<br />

Als zum Beispiel Hans Magnus<br />

Enzensberger 2013 zunächst sehr<br />

skeptisch über sein Archiv<br />

nachdachte, erlebte er plötzlich einen<br />

kreativen Schub und schrieb sein<br />

autobiografisches Buch Tumult.<br />

Dem Spiegel gegenüber gestand er:<br />

„Eines Tages kamen zwei Herren vom<br />

<strong>Marbach</strong>er Literaturarchiv. Ich gab<br />

den beiden den Kellerschlüssel:<br />

Meinetwegen könnt ihr euch diesen<br />

Komposthaufen gern anschauen.<br />

Die haben dort zwei Tage lang<br />

gestöbert. Es stellte sich heraus:<br />

So blöd war der gar nicht, der diese<br />

Notizen geschrieben hat. Ziemlich<br />

scharf beobachtet!“ Enzensbergers<br />

jüngerer Kollege Wilhelm Genazino<br />

stellte einmal fest: „Die Sachen,<br />

die ich nach <strong>Marbach</strong> gegeben habe,<br />

sind weitgehend ausgebeutet.“<br />

Dennoch enthalten gerade seine<br />

„Werknotizen“ unzählige poetische<br />

Miniaturen, die auch seine Romane<br />

noch einmal in einem ganz neuen<br />

Licht erscheinen lassen. Genazino<br />

ahnte das vermutlich, sonst hätte er<br />

diese Notizen nicht so sorgfältig<br />

über Jahrzehnte hinweg gesammelt.<br />

Durchaus auch spielerisch soll es an<br />

diesen zwei Wochenenden um Themen<br />

gehen, die nicht nur für unsere<br />

literarische Überlieferung, sondern<br />

ebenso für das Selbstverständnis von<br />

Autorschaft substanziell sind: Im<br />

Vorfeld packt jede Schriftstellerin<br />

und jeder Schriftsteller vor laufender<br />

Kamera eine „Kiste für <strong>Marbach</strong>“<br />

(Thomas Kling), die dann im Gespräch<br />

ausgepackt wird. Einen nicht nur<br />

akustischen Kontrapunkt setzen<br />

sechs Beatbox- und Spoken-Word-<br />

Künstler:innen mit spontanen<br />

Performances.<br />

Archiv-Box 1 + 2<br />

wird gefördert von „Neustart Literatur“,<br />

dem Programm <strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong> Literaturfonds<br />

im Rahmen von „Neustart<br />

Kultur“ der Beauftragten der Bun<strong>des</strong>regierung<br />

für Kultur und Medien.<br />

Termine: 24. und 25. April sowie<br />

11. und 12. September. Geplant als<br />

Open-Air-Veranstaltungen.


20_21<br />

„Time capsules“ – Zeitkapseln –<br />

nannte Andy Warhol seine<br />

Pappschachteln, in denen er<br />

Dinge für die Nachwelt sammelte<br />

und verschloss. Seit 2005<br />

können Besucher:innen <strong>des</strong> DLA<br />

in der Veranstaltungsreihe<br />

Zeitkapsel<br />

Begleitend geben Mitarbeiter:innen<br />

<strong>des</strong> DLA in der YouTube-Reihe<br />

Archivkino<br />

Einblicke in ihre Arbeitsbereiche und<br />

die von ihnen betreuten Nachlässe.<br />

Die ersten Archivkinos gelten u.a.<br />

Siegfried Kracauer (mit Kyra Palberg,<br />

wiss. Mitarbeiterin der Bibliothek<br />

für das Projekt „Quellenrepertorium<br />

der Bibliotheken von Exilautoren im<br />

<strong>Deutschen</strong> Literaturarchiv <strong>Marbach</strong>:<br />

Siegfried Kracauer“, Caroline Jessen,<br />

wiss. Mitarbeiterin <strong>des</strong> Forschungsverbunds<br />

<strong>Marbach</strong> – Weimar – Wolfenbüttel,<br />

und Enke Huhsmann, Leiterin<br />

der Bestandserhaltung und eines<br />

von der Koordinierungsstelle für die<br />

Erhaltung <strong>des</strong> schriftlichen Kulturguts<br />

geförderten Modellprojekts zur Bestandserhaltung<br />

der Provenienz- und<br />

Arbeitsspuren in Kracauers Bibliothek)<br />

und Karl Löwith (mit Ulrich<br />

von Bülow, dem Leiter der Abteilung<br />

Archiv).<br />

miterleben, wie verborgene Schätze<br />

aus Nachlässen ans Licht geholt<br />

werden. <strong>2021</strong> übersetzen wir diese<br />

Reihe pandemiebedingt in ein<br />

digitales Format: die<br />

Zoom-Kapsel.<br />

Die ersten Termine und Themen:<br />

25. Januar (Nicole Henneberg ordnet<br />

mit Jan Bürger und Heike Gfrereis<br />

den Nachlass von Gabriele Tergit),<br />

3. Februar (Andreas Platthaus,<br />

Sandra Richter und Ulrich von<br />

Bülow lesen einen neuerworbenen<br />

Brief von Franz Kafka) und 10. März<br />

(Veronica Fuechtner, Gunilla<br />

Eschenbach und Jan Bürger schauen<br />

zu Heinrich Manns 150. Geburtstag<br />

in <strong>des</strong>sen Teilnachlass).


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Von Mai bis Juli <strong>2021</strong> stellen wir<br />

diese Frage sechs Persönlichkeiten<br />

aus dem Bereich der Literatur und<br />

<strong>des</strong> Theaters und 24 von ihnen nominierten<br />

Stipendiat:innen in einem<br />

virtuellen Ausstellungsraum, in dem<br />

Schillers Texte und sein <strong>Marbach</strong>er<br />

Nachlass im Mittelpunkt stehen und<br />

von allen Beteiligten kommentiert<br />

werden können. Mitmachen ist<br />

möglich: Einfach eine E-Mail an<br />

museum@dla-mabach.de schreiben<br />

oder unter dem Hashtag #Schiller-<br />

FreiSpiel in den sozialen Medien<br />

posten.<br />

Wir haben unsere Projektpartner:-<br />

innen nach einer allerersten Antwort<br />

gefragt: Fehlt Ihnen/Dir Schiller?<br />

chiller?<br />

Laurent Chétouane: Nein. Schiller<br />

fehlt mir nicht. Wirklich nicht. Aber<br />

er steht am Ursprung <strong>des</strong> deutschen<br />

Theaters als kulturelle Institution.<br />

Er ist <strong>des</strong>sen Gespenst – der Geist<br />

unter der Bühne, <strong>des</strong>sen Stimme noch<br />

Gehör geschenkt werden sollte. Ob<br />

wir sie mögen oder nicht. Sie spricht<br />

sowieso. Als Nachhall.<br />

Christian Holtzhauer: Fehlt mir<br />

Schiller? Nein, denn schließlich hat<br />

er ja selbst dafür gesorgt, dass wir ihn<br />

nicht vergessen, und uns die eine<br />

oder andere harte Nuss hinterlassen,<br />

die wir erst noch knacken müssen.<br />

Burkhard Kosminski: Ein Visionär und<br />

„junger Wilder“ wie Schiller würde<br />

uns heute guttun!


22_23<br />

Jagoda Marinić: Ja, das Ungebändigte,<br />

das Treten gegen die Obrigkeit<br />

und die Lust daran, seine Zeit zu<br />

überfordern.<br />

Kathrin Röggla: Ich habe die<br />

Frage zunächst nicht verstanden,<br />

ich dachte, es geht um Schiller, aber<br />

eigentlich geht es um das Theater,<br />

um das fehlende Theater, um die<br />

fehlende Präsenz, also um Präsenz.<br />

Und die fehlt natürlich, aber das ist<br />

schwer zu beschreiben, also man<br />

weiß gar nicht, wo man anfangen soll.<br />

Aber wenn es doch um Schiller gehen<br />

soll, wenn die Frage wirklich auf<br />

ihn hinausläuft, dann müsste ich sie<br />

weiter präzisieren: Wo fehlt mir<br />

Schiller? Und welcher Schiller könnte<br />

mir fehlen? Und zu welchen Zeiten?<br />

Also wo genau? Und als einzelner<br />

oder viele Personen? Der von der<br />

Spieltheorie, also aus den Briefen<br />

über die ästhetische Erziehung <strong>des</strong><br />

Menschen oder der von den Räubern?<br />

Der deckungsgleiche Schiller oder<br />

der sich selbst überschreitende?<br />

Der Konfliktschiller, der Balladenschiller,<br />

der Geheimnisschiller oder<br />

der einfach aus Weimar? Einfach<br />

aus Weimar? Nein, ich meine, der<br />

von damals oder der von heute?<br />

Der heutige Schiller, der vielleicht, ja.<br />

Aber niemals gründlich!<br />

„Fehlt Ihnen / Dir Schiller?“ wird<br />

gefördert vom Ministerium für<br />

Wissenschaft, Forschung und Kunst<br />

Baden-Württemberg im Rahmen<br />

<strong>des</strong> Impulsprogramms „Kunst<br />

trotz Abstand“. Termine vor Ort:<br />

2. Mai und 14. Juli. Geplant als<br />

Open-Air-Veranstaltungen. Mehr:<br />

www.literatursehen.com/fehltschiller<br />

Die Stipendiat:innen: Lisa Wentz,<br />

Jona Spreter und Jacko Jahnke<br />

(Laurent Chétouane), Özlem Özgül<br />

Dündar, Pinar Karabulut und<br />

Christoph Bornmüller (Christian<br />

Holtzhauer), Mesut Bayraktar,<br />

Annalisa Engheben und Sarah<br />

Tzscheppan (Burkhard Kosminski),<br />

Lin Hierse, Ronya Othman und Deniz<br />

Utlu (Jagoda Marinić), Miriam Emefa<br />

Dzah, Christian Hödl und Anna Yeliz<br />

Schentke (Kathrin Röggla), Julian<br />

Mahid Carly, Amanda Lasker-Berlin<br />

und Rafael Ossami Saidy (Elisabeth<br />

Schweeger).<br />

Elisabeth Schweeger: Schiller fehlt<br />

mir nicht, er ist Teil meines Wissens<br />

und kulturellen Verständnisses –<br />

die Aufklärung ist noch lange nicht<br />

beendet.


1<br />

8<br />

2<br />

7


24_25<br />

4<br />

3<br />

5<br />

10<br />

9<br />

11<br />

6


Vorhergehende<br />

Seiten: die<br />

„Schiller-<br />

Favoriten“<br />

der Museumsabteilung<br />

<strong>des</strong> DLA<br />

26_27<br />

1 das in <strong>Marbach</strong> erhaltene kleinste<br />

Teilchen aus einer Schiller-Handschrift<br />

(ausgewählt von Lea Kaiser,<br />

Assistentin der Abteilungsleitung,<br />

weil der gerade einmal 4 x 4,2 cm<br />

große Manuskript-Schnipsel in seiner<br />

vermeintlichen Belanglosigkeit und<br />

Unscheinbarkeit den herausragenden<br />

Wert vermittelt, den Schiller in<br />

der deutschsprachigen Literaturgeschichte<br />

einnimmt) 2 Dora Stocks<br />

Schiller-Porträt (ausgewählt von<br />

Toni Bernhart, Projektleiter von<br />

„Literatur digital lesen“, weil er als<br />

kleiner Junge gern solche Haare<br />

wollte) 3 Schillers Handwärmer<br />

aus Keramik (ausgewählt von Daniel<br />

Knaus, wiss. Hilfskraft, weil sie<br />

an die Handarbeit <strong>des</strong> Schreibens<br />

erinnern) 4 „Schiller liest im<br />

Bopserwald ‚Die Räuber‘ vor“<br />

(ausgewählt von Julia Schneider,<br />

Museumspädagogin, weil man auf<br />

den ersten Blick sieht, dass es bei<br />

Schiller nicht nur um das stille Lesen<br />

geht, sondern die Performanz, das<br />

Aufführen und Darstellen mit dem<br />

ganzen Körper) 5 Johann Heinrich<br />

Danneckers Entwurf für eine Kolossalbüste<br />

(ausgewählt von Heike<br />

Gfrereis, weil erstens genau so der


Schiller ihrer Jugend aussah: mehr<br />

Winnetou als Schriftsteller, und<br />

zweitens unmittelbar sichtbar wird,<br />

wie uns Archive durch ihre menschlichen<br />

Größenverhältnisse berühren<br />

können: mit Hilfe der Bleistift-<br />

Kreuzchen übertrug Dannecker das<br />

Modell in die überlebensgroße<br />

Ausführung) 6 Schillers Korrekturen<br />

am Wallenstein (ausgewählt<br />

von Martin Kuhn, wiss. Volontär,<br />

weil die heftigen Korrekturen die<br />

Vorstellung widerlegen, die Literatur<br />

entspringe einem Geniestreich)<br />

7 Schillers Tintenfass in der Form<br />

eines Homerkopfs (ausgewählt von<br />

Alina Palesch, wiss. Volontärin, weil<br />

es schön aussieht, aber eben auch<br />

zeigt, wie eng Lesen und Schreiben<br />

miteinander verknüpft sind)<br />

8 Schillers Band gegen Kopfweh<br />

und Schillers Strümpfe (ausgewählt<br />

von Janina Schindler, die das Ausstellungssekretariat<br />

betreut, weil<br />

Schiller mit diesen beiden Objekten<br />

von Kopf bis Fuß lebendig wird<br />

und wir nebenbei viel über sein<br />

psycho-somatisches Wissen und<br />

seinen Modegeschmack erfahren)<br />

9 Schiller auf einem Esel, 1787<br />

porträtiert von seinem Freund Johann<br />

Christian Reinhart (ausgewählt von<br />

Vera Hildenbrandt, wiss. Mitarbeiterin<br />

im Museum und Projektleiterin für<br />

„LiteraturBewegt“, weil Schiller<br />

„reisescheu“ war und sich nach eigener<br />

Aussage „immer am übelsten auf<br />

Reisen befand“: Während Schillers<br />

Reisen im realen Raum in vergleichsweise<br />

engen Grenzen stattfinden,<br />

sind seine Werke weltumfassend und<br />

öffnen sich in nie gesehene Landschaften)<br />

10 Rätselantwort aus<br />

Schillers Turandot-Bearbeitung<br />

(ausgewählt von Verena Staack,<br />

Leiterin <strong>des</strong> Referats Literaturvermittlung,<br />

weil diese Verse zu Corona-<br />

Zeiten noch einmal eine andere<br />

Bedeutung erhalten: „Dies leichte<br />

Schiff, das mit Gedankenschnelle /<br />

Mich durch die Lüfte ruhig trägt, /<br />

Sich selbst nicht von dem Ort bewegt,<br />

/ – Das Sehrohr ist’s, das in die<br />

Ferne / Den Blick beflügelt bis ins<br />

Land der Sterne.“ 11 Cem Özdemirs<br />

Button, den er 2018 bei einem<br />

Staatsbankett mit dem türkischen<br />

Präsidenten Recep Erdogan getragen<br />

hat: „Geben Sie Gedankenfreiheit“<br />

(ausgewählt von Heike Gfrereis,<br />

weil Cem Özdemir diesen Akt <strong>des</strong><br />

Protests als Leseakt kommentiert hat:<br />

„Insofern kann Erdogan jetzt sagen,<br />

er hat Schiller gelesen.“ Humor<br />

und Aufklärung gehören zusammen,<br />

auch bei Schiller.)


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Kallias, der seit 1999 zugängliche<br />

Online-Katalog <strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Literaturarchivs</strong>,<br />

bietet fünf Sucheinstiege:<br />

„Handschriften“ für (Werk-)Manuskripte,<br />

Briefe und Lebensdokumente;<br />

„Bibliothek“ für Bücher, Zeitschriften,<br />

Beiträge in Zeitschriften und Sammelwerken,<br />

Rezensionen, E-Books und<br />

E-Journals, literarische Weblogs,<br />

Hörfunk- und Fernsehmanuskripte,<br />

audio-visuelle Materialien und Mikroformen;<br />

„Bilder und Objekte“ für<br />

Skulpturen, Gemälde, Grafiken, Fotografien<br />

und Gegenstände; „Bestände“<br />

für allgemeine Beschreibungen<br />

sämtlicher Bestände (Nachlässe,<br />

Sammlungen, Archive etc.) der ver-<br />

-<br />

schiedenen Abteilungen; „Namen“<br />

für Informationen über Personen und<br />

Körperschaften (Institutionen),<br />

die in den Beständen <strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong><br />

<strong>Literaturarchivs</strong> eine Rolle spielen.<br />

Nun wird bis zum Frühjahr <strong>2021</strong><br />

der neue OPAC freigeschaltet.<br />

Ein Gespräch mit Karin Schmidgall,<br />

Leiterin <strong>des</strong> OPAC-Projekts in der<br />

Bibliothek.<br />

Was ist neu am neuen OPAC?<br />

Der neue Katalog ermöglicht<br />

Benutzer:innen neben dem gezielten<br />

Finden auch das Entdecken von<br />

Wissenszusammenhängen. Im aktuellen<br />

Katalog mit seinen fünf Einstiegen<br />

und über 100 Suchfeldern hängt die<br />

Qualität der Ergebnisse davon ab,<br />

wie gut man das den Daten zugrunde<br />

liegende Regelwerk kennt. Unser<br />

Suchverhalten hat sich jedoch inzwischen<br />

stark verändert, und unsere<br />

Erwartungen sind von kommerziellen<br />

Anbietern wie Google und Amazon<br />

und dem direkten Zugang zu Text, Ton<br />

und Bild geprägt.<br />

Die Startseite <strong>des</strong> neuen Katalogs<br />

besteht aus einem einfachen Suchfeld<br />

und sechs Teasern, die u.a. auf „Unerwartetes“<br />

und „Neues im Katalog“<br />

aufmerksam machen. „Man fühlt sich<br />

willkommen“ war der Kommentar<br />

einer Benutzerin in einem Usability<br />

Test. Mit einer einfachen Suche<br />

können Handschriften, Gedrucktes,<br />

Bilder, Gegenstände, Audio- und<br />

Video-Dokumente sowie digitale<br />

Objekte gemeinsam gefunden werden.<br />

Materialspezifisch separat aufbewahrte<br />

und unterschiedlich verzeichnete<br />

Teile eines Nachlasses werden<br />

virtuell vernetzt und so auch in ihren<br />

Provenienz-Zusammenhängen<br />

rekonstruierbar.


30_31<br />

Hackathon zur OPAC-Entwicklung mit Felix<br />

Lohmeyer, Sebastian Meyer (OCC Projektleitung<br />

und Datenprozessierung), Christopher Timm<br />

(Typo3/Web-Entwicklung, effective WEBWORK),<br />

Markus Mandalka (Solr), Kai Mertens (Design),<br />

Foto: Heinz Werner Kramski


Autoren und ihre Werke und Verlage<br />

stehen als „Normdaten“ im Zentrum<br />

unserer Sammlungen, unserer Erwerbungs-<br />

und Erschließungsarbeit. Das<br />

wird im neuen OPAC auf den ersten<br />

Blick sichtbar: Autoren, Werke und<br />

Verlage sind als Eingabehilfe im<br />

Suchfeld anlegt, so dass in der Trefferliste<br />

an erster Stelle die zwei<br />

Normsätze als „Werbetreffer“ angezeigt<br />

werden, die am häufigsten im<br />

Suchergebnis verlinkt sind. So kann<br />

man als Benutzer:in Zusammenhänge<br />

sehen, aber auch Überraschen<strong>des</strong><br />

entdecken.<br />

In der Detailansicht sind die Normdaten<br />

der Wegweiser zu den ausleihbaren<br />

oder digital verfügbaren<br />

Beständen im DLA und verbinden den<br />

Katalog mit externen Informationsquellen<br />

wie Wikidata oder biografischen<br />

Onlinelexika. Facettensuchen<br />

wie „Medium“, „Sprache“, „Art<br />

und Inhalt“, „Personen“, „Zeitspanne“<br />

unterstützen das explorative Suchen.<br />

Benutzer:innen kennen diese Filter<br />

als Hilfsmittel zum Stöbern aus dem<br />

Onlinehandel, wo sich so Treffermengen<br />

einschränken lassen. Wir hoffen,<br />

dass sie so im neuen Katalog nicht<br />

nur Objekte gezielt suchen können,<br />

sondern darüber hinaus auch<br />

mehr „glückliche Funde“ machen.<br />

Mein Tipp für Liebhaber <strong>des</strong> aktuellen<br />

Katalogs: Denken Sie im neuen<br />

Katalog vor einer Suche nicht viel<br />

über die richtige Suchstrategie nach,<br />

suchen Sie einfach darauflos und<br />

fürchten Sie sich nicht vor zu großen<br />

Treffermengen, denn diese können<br />

nachträglich sortiert und weiter<br />

eingeschränkt werden.<br />

Welche Möglichkeiten bietet der<br />

neue OPAC dem <strong>Deutschen</strong> Literaturarchiv?<br />

Können Sammlungen anders<br />

erschlossen werden?<br />

Die strukturierte Katalogisierung und<br />

hohe Erschließungsqualität, die seit<br />

1999 mit der Software aDIS/BMS bei<br />

uns geleistet wird, ist die wichtigste<br />

Grundlage für den neuen Onlinekatalog.<br />

Erschließung ist internationalen<br />

Standards und Regelwerken<br />

unterworfen, die wir zukünftig mehr<br />

aus Sicht der Benutzer:innen denken<br />

möchten. Damit Facettensuchen gut<br />

funktionieren, bedarf es mehr medienübergreifender<br />

Normierung. Man<br />

sollte zum Beispiel bei Suchen zwischen<br />

Manuskripten und Typoskripten<br />

unterscheiden können oder zwischen<br />

Primär- und Sekundärliteratur. Und<br />

mit Volltexten und Strukturdaten bei<br />

der Erschließung von Digitalisaten<br />

und Digital Borns erhalten wir auch<br />

eine neue Erschließungstiefe. Das ist<br />

aber aktuell noch ein sehr weites<br />

neues Feld.<br />

Wie ist der neue OPAC entstanden?<br />

Am Anfang stand die Idee, ein Pflichtenheft<br />

für eine klassische Ausschreibung<br />

erstellen zu lassen. Nach drei<br />

vergeblichen Stellenausschreibungen<br />

entschieden wir uns, beraten von<br />

Open Culture Consulting (OCC),<br />

für einen anderen Weg: eine agile<br />

Prototyp-Entwicklung auf Open<br />

Source Basis. Wer sind „wir“? Das ist<br />

eine Arbeitsgruppe mit Vertretern<br />

aus Archiv (Handschriften, Bilder und<br />

Objekte), Bibliothek, Entwicklung,<br />

Forschung und seit letztem Jahr auch<br />

aus dem Museum.


32_33 Die OPAC-AG arbeitet eng mit Open<br />

Source-Entwicklern zusammen, ein<br />

„Scrum-Master“, eine Art Coach, hält<br />

die Fäden der agilen Entwicklung zusammen.<br />

Ein tolles Team, bei dem ich<br />

last but not least die Benutzer:innen<br />

nicht vergessen möchte, die uns<br />

im Usability Test Feedback geben.<br />

Die Entwicklungsdauer mit drei<br />

Jahren ist lang, aber entstanden ist<br />

ein Katalog, der es dem <strong>Deutschen</strong><br />

Literaturarchiv ermöglicht, zukünftig<br />

flexibler und schneller auf Impulse<br />

und Forschungsinteressen reagieren<br />

zu können.<br />

Welche Anschlussprojekte wären<br />

reizvoll?<br />

Erst müssen wir nächstes Jahr noch<br />

unsere Hausaufgaben machen: ein<br />

Benutzerkonto und Schnittstellen, die<br />

es ermöglichen, mit unseren Daten<br />

weiterzuarbeiten; sie sollen zitiert,<br />

exportiert und vernetzt werden. Aber<br />

wir denken schon mit dem Museum<br />

über mögliche Verbindungen zwischen<br />

dem Katalog und virtuellen, aber<br />

auch analogen Ausstellungen nach.<br />

Für die neue Ausstellung im Schiller-<br />

Nationalmuseum möchten wir im<br />

Rahmen <strong>des</strong> von der Beauftragten für<br />

Kultur und Medien geförderten Projekts<br />

„SchillerHochDrei“ aus schon<br />

katalogisierten Objekten ein digitales<br />

Miniaturmodell eines literarischen<br />

Gedächtnisspeichers um 1800 erstellen,<br />

das dann mit Hilfe unterschiedlicher<br />

Anwendungen aus verschiedenen<br />

Perspektiven erkundet, erforscht<br />

und erfahren werden kann.<br />

Visualisierungen können eine neue<br />

Sicht auf die Katalogdaten bieten.<br />

Hier probieren wir auch mit dem<br />

Institut für Visualisierung und Interaktive<br />

Systeme (VIS) der Universität<br />

Stuttgart erste Möglichkeiten aus.<br />

Teilsichten <strong>des</strong> Katalogs könnten<br />

in themenbezogene Portalseiten<br />

eingebunden werden, z.B. eine DLA-<br />

Website zu Friedrich Schiller, die<br />

den Zugang zur Personalbibliografie,<br />

den Nachweisen und Digitalisaten<br />

im Katalog informativ bündelt. Der<br />

Katalog wird in den nächsten Jahren<br />

mit mehr Digitalisaten (Text, Ton<br />

und Bild) angereichert, über Citizen<br />

Science-Projekte könnten z.B. Transkriptionen<br />

hinzukommen. Vieles ist<br />

denkbar. Wir freuen uns hier sehr über<br />

Ideen und Kooperationsprojekte mit<br />

anderen Institutionen, zum Beispiel zu<br />

einer virtuellen Rekonstruktion von<br />

Schillers Bibliothek.


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Unter<br />

www.literatu<br />

Die Sammlungen <strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong><br />

<strong>Literaturarchivs</strong> speichern analog und<br />

digital das, was wir Menschen durch<br />

künstlerische Sprachen erfinden,<br />

darstellen, ausdrücken, erfahren,<br />

empfinden, vermitteln, denken, verstehen,<br />

erforschen, analysieren und<br />

reflektieren können. Die Ausstellungen,<br />

Veranstaltungen und Forschungsprojekte<br />

öffnen diese Sammlungen<br />

auf unterschiedlichste Weise für<br />

individuelle Zugänge, Sichtweisen<br />

und Erfahrungen. Nun werden vom<br />

Frühjahr <strong>2021</strong> an Ausstellungs- und<br />

Forschungsprojekte auch in einem<br />

virtuellen Raum sichtbar, der Exponate<br />

und ihre Kombinationen und<br />

Kommentare sowie begleitende<br />

Veranstaltungen versammelt und<br />

über die Ausstellungslaufzeit hinaus<br />

dokumentiert, vor allem aber das<br />

kooperative Kuratieren von Ausstellungen<br />

ermöglicht.<br />

finden Besucher:innen zum Auftakt<br />

im Frühjahr <strong>2021</strong> das Open-Space-<br />

Projekt Narrating Africa, Teile der<br />

großen Jubiläumsausstellung<br />

Hölderlin, Celan und die Sprachen der<br />

Poesie, die Denkwerkstatt Fehlt Ihnen/<br />

Dir Schiller? sowie die Vorarbeiten<br />

zu unserer vom Auswärtigen Amt<br />

geförderten Ausstellung Wie Literatur<br />

Welt + Politik macht, die zwei Forschungsschwerpunkte<br />

aufgreift:<br />

„Literatur im Systemkonflikt“ und<br />

„Verlage als internationale Kulturvermittler“.<br />

Im Herbst kommt die<br />

überarbeitete Dauerausstellung<br />

Die Seele im Literaturmuseum der<br />

Moderne mit Schwerpunkten zu den<br />

Themen Schreiben, Schrift und<br />

Zeichen sowie Lesen, (De)codieren<br />

und Medienwechsel hinzu.<br />

Durch verschiedene Social-Readingund<br />

-Curating „Tools“ können<br />

Menschen an unterschiedlichen<br />

Orten in den virtuellen Räumen von<br />

www.literatursehen.com zusammenarbeiten,<br />

Exponate markieren und<br />

ergänzen, mit Texten, Bildern, Audios<br />

und Videos kommentieren, in<br />

individuelle Schreib-, Lese- und Aufführungszusammenhänge<br />

stellen,<br />

Themen diskutieren, weiterentwickeln<br />

oder neu setzen.<br />

ww<br />

Räume entwerfen:<br />

Gestalterbesprechung für<br />

www.literatursehen.com<br />

auf der Terrasse <strong>des</strong><br />

Literaturmuseums der<br />

Moderne im November 2020


36_37<br />

rsehen.com<br />

Vom Sommer <strong>2021</strong> an ist ein<br />

virtueller Leseraum<br />

w.literaturlesen.com<br />

mit 50 kanonischen Texten der<br />

So werden <strong>2021</strong> unter anderem Paul<br />

deutschsprachigen Literatur und ihren Celans Hölderlin-Lektüren ausgestellt,<br />

Aggregatzuständen im Archiv online. die unterschiedliche Dimensionen<br />

Durch Nutzen dieser gemeinsam der ästhetischen Erfahrung von<br />

mit dem Leibniz-Institut für Wissensmedien<br />

Tübingen entwickelnden sucht.<br />

Hölderlins Hälfte <strong>des</strong> Lebens unter-<br />

Lese-App können alle, die gern historische<br />

Literatur lesen, die Erforschung „Literatur digital lesen: Forschung<br />

<strong>des</strong> digitalen Lesens unterstützen. in Aktion“ wird im Rahmen der<br />

Im Kontrast dazu steht im Literaturmuseum<br />

der Moderne das Erforschen Baden-Württemberg gefördert.<br />

Digitalisierungsstrategie <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong><br />

<strong>des</strong> analogen Lesens im Mittelpunkt.


Auf den<br />

folgenden<br />

Seiten:<br />

Momentaufnahmen<br />

von<br />

Besucherbewegungen<br />

beim Lesen<br />

(Gesten)<br />

und Hören<br />

(Pulsschlag)<br />

von Hölderlins<br />

Gedicht<br />

„Hälfte<br />

<strong>des</strong> Lebens“<br />

in unserer<br />

Ausstellung<br />

„Hölderlin,<br />

Celan und<br />

die Sprachen<br />

der Poesie“.<br />

Die Laborstationen<br />

dort sind<br />

Teil eines<br />

Projekts zur<br />

empirischen<br />

Leseforschung<br />

mit<br />

dem Leibniz-<br />

Institut für<br />

Wissensmedien<br />

Tübingen.


38_39


Ausstellungen


_41<br />

#schillerfreispiel<br />

„Die Schönheit der<br />

poetischen Darstellung<br />

ist freie Selbsthandlung<br />

der Natur in den<br />

Fesseln der Sprache.“<br />

Friedrich Schiller<br />

an Gottfried Körner,<br />

25. Januar 1793


Eine Ausstellungsreihe der<br />

Stiftung Brandenburger Tor<br />

und <strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong><br />

<strong>Literaturarchivs</strong> <strong>Marbach</strong><br />

SateLIT<br />

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1 + 2:<br />

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SateLIT konfrontiert das Publikum<br />

anhand eines überraschenden literarischen<br />

Kerns mit anderen Sichtweisen<br />

und letztlich mit sich selbst. Denn<br />

Literatur verändert unser Leben: Sie<br />

schult den Umgang mit Mehrdeutigkeit,<br />

Mehrsprachigkeit, mit historischem<br />

Zufall und dem Wechsel von<br />

Rollen. Literatur vervielfältigt die Perspektiven.<br />

Ausgehend von <strong>Marbach</strong>er<br />

Fundstücken erkunden wir, wie sich<br />

diese Wirkmächtigkeit der Literatur<br />

vermitteln lässt und welche Rolle<br />

Literaturarchive dabei spielen.<br />

Ab September ist in der Stiftung<br />

Brandenburger Tor die vom Hauptstadtkulturfonds<br />

geförderte<br />

zweite Ausgabe von SateLIT ausgestellt:<br />

Salon Hollywood. Salka<br />

Viertels Erinnerungen (Auftakt<br />

im Juli im Literaturmuseum der<br />

Moderne).<br />

Salka Viertel, 1889 als Salomea Sara<br />

Steuermann in Sambor/Ungarn<br />

geboren, spielte 1911 in Berlin unter<br />

Max Reinhardts Regie Schillers Maria<br />

Stuart und wechselte dann an die<br />

44_45<br />

Bis zum 27. Juni <strong>2021</strong> ist im Literaturmuseum<br />

der Moderne die erste<br />

Ausgabe von SateLIT zu sehen, in<br />

der Else Lasker-Schülers zusammen<br />

mit Judith Kuckart und Thomas<br />

Sparr gesichtete Briefe und Postkarten<br />

an den holländischen<br />

Gymnasialrektor Nicolaas Beversen<br />

im Mittelpunkt stehen.


Neue Bühne nach Wien, dann ans<br />

Schauspielhaus Hamburg. 1928<br />

zog sie mit ihrem Ehemann, dem<br />

Regisseur und Autor Berthold Viertel,<br />

in die Nähe von Hollywood. Ernst<br />

Lubitsch, Sergej Eisenstein und<br />

Charlie Chaplin zählten zu ihren<br />

Freunden. Mit Bertolt Brecht wollte<br />

sie ein nicht-kommerzielles Drehbuch<br />

schreiben. Für ihre Freundin Greta<br />

Garbo wurde Salka Viertel selbst zur<br />

Drehbuchautorin und brachte<br />

Hollywood mit den Vorlagen für die<br />

Garbo-Filme Königin Christine<br />

(1933), Anna Karenina (1935) und Maria<br />

Walewska (1938) Sinn für Geschichte<br />

und Literatur bei. In Salka Viertels<br />

Erinnerungen, die für den SateLIT<br />

mit zwei bekannten Künstler:innen<br />

gesichtet werden, spiegeln sich<br />

die Spannungen zwischen Theaterkultur<br />

und Filmindustrie, Europa und<br />

Amerika.<br />

Mehr: www.stiftungbrandenburgertor.de<br />

sowie im YouTube-Kanal <strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong><br />

<strong>Literaturarchivs</strong> und im Podcast<br />

der Kulturstiftung der Länder (https:<br />

//www.kulturstiftung.de/podcasts/).<br />

Salka Viertel<br />

mit Sergej<br />

Eisenstein am<br />

Strand von<br />

Santa Monica


Hölderlin-Blumenlese<br />

im unteren Foyer<br />

<strong>des</strong> Literaturmuseums<br />

der Moderne mit<br />

Leseerinnerungen.<br />

Die kanadische<br />

Schriftstellerin<br />

Ann Carson erinnerte<br />

sich in ihrem<br />

Essay on Threat im<br />

Kapitel „Swimming<br />

in Hölderlin“ an<br />

einen Vers von<br />

Hölderlin, den sie<br />

aber in keinem Buch<br />

mehr finden kann:<br />

„Mein Herz, es<br />

schwimmt in Zeit.“<br />

Eine Wechselausstellung<br />

im<br />

Literaturmuseum<br />

der Moderne<br />

bis 1. August <strong>2021</strong><br />

46_47<br />

ölderlin,<br />

elan<br />

nd die<br />

prachen<br />

er<br />

oesie<br />

„Hölderlin ist eine dem <strong>Deutschen</strong><br />

verwandte Sprache“, schrieb Oskar<br />

Pastior 1995. Mit über 150 Objekten<br />

und Stationen erstreckt sich die<br />

Ausstellung Hölderlin, Celan und die<br />

Sprachen der Poesie über nahezu alle<br />

Räume <strong>des</strong> Literaturmuseums der<br />

Moderne, um die unterschiedlichen<br />

Dimensionen dieser Sprache<br />

auszuloten.<br />

Im Mittelpunkt stehen Hölderlins<br />

Gedichte und ihre Wirkungen aus<br />

unterschiedlichen Perspektiven:<br />

Was geschieht beim Lesen eines<br />

Hölderlin-Gedichts mit uns? Wie wirkt<br />

ein Hölderlin-Gedicht, wenn wir es in<br />

der Handschrift lesen? Was verändert<br />

sich, wenn wir es im Raum lesen?<br />

Welche Hölderlin-Erfahrungen sind in<br />

Archiv und Bibliothek überliefert und<br />

welcher Text und was daran ‚wirkte‘<br />

jeweils wie? Auf dem Hölderlin-Leser<br />

Paul Celan, <strong>des</strong>sen umfangreicher<br />

Nachlass sich im <strong>Deutschen</strong><br />

Literaturarchiv befindet, liegt dabei<br />

ein besonderer Schwerpunkt.<br />

Gefördert von der Baden-Württemberg<br />

Stiftung.


48_49<br />

Eine Wechselausstellung der<br />

Arno Schmidt Stiftung<br />

im Schiller-Nationalmuseum,<br />

bis 1. August <strong>2021</strong><br />

aß<br />

euchten!<br />

eter<br />

ühmkorf –<br />

elbstredend<br />

nd selbsteimend<br />

Der vielfach preisgekrönte Lyriker<br />

Peter Rühmkorf (1929 – 2008) war<br />

lange Jahre in Hamburg an der Elbe<br />

zu Hause, doch seine Manuskripte<br />

‚wohnen‘ bereits seit 1980 als<br />

sogenannter Vorlass im <strong>Deutschen</strong><br />

Literaturarchiv <strong>Marbach</strong>, wo nun<br />

die Arno Schmidt Stiftung Rühmkorfs<br />

Leben und Werk mit einer umfangreichen<br />

Ausstellung präsentiert.<br />

Rühmkorf publizierte seine Gedichte<br />

nicht nur in Büchern, sondern<br />

entdeckte neue Orte für die Lyrik.<br />

Gemeinsam mit befreundeten<br />

Musikern trug er sie auch als „Jazz &<br />

Lyrik“ in Kellerclubs, Kirchen<br />

und auf öffentlichen Plätzen vor.<br />

Er sammelte Kinder- und Spottverse,<br />

studierte und rezensierte Kollegen,<br />

bewunderte Dichter vergangener<br />

Jahrhunderte, schrieb Theaterstücke<br />

und erreichte mit seinem Erinnerungs-


Ausstellungseröffnung<br />

mit Sandra<br />

Richter,<br />

Jan Philipp<br />

Reemtsma<br />

und Nico<br />

Bleutge<br />

buch Die Jahre die Ihr kennt ein großes<br />

Publikum. Rühmkorf arbeitete als<br />

Redakteur der Zeitschrift konkret, als<br />

Lektor <strong>des</strong> Rowohlt Verlags und<br />

engagierte sich in der Studentenund<br />

Friedensbewegung.<br />

Die Ausstellung zeigt Rühmkorfs<br />

Werk und sein Leben als Künstler<br />

und streitbarer Intellektueller in<br />

allen Facetten. Zentrales Element<br />

der Ausstellung ist der „Raum der<br />

Gedichte“, in dem zehn Gedichte<br />

Rühmkorfs in Großprojektionen<br />

inszeniert werden. Eine Auswahl<br />

weitgehend unbekannter Filmaufnahmen<br />

seiner Jazz & Lyrik-<br />

Programme aus mehreren Jahrzehnten<br />

ergänzt die Gedichtprojektionen.<br />

Themenstationen widmen sich<br />

wichtigen Aspekten in Schaffen und<br />

Leben <strong>des</strong> Dichters, stellen einzelne<br />

Werkphasen vor und erläutern sein<br />

poetisches Konzept. Eine fünfzig<br />

Quadratmeter große Wandinstallation<br />

verdeutlicht am Beispiel <strong>des</strong><br />

Gedichts Selbst lll/88 Rühmkorfs<br />

aufwändigen Arbeitsprozess.<br />

Zusammen mit Hölderlin, Celan<br />

und die Sprachen der Poesie<br />

verwandelt die Ausstellung die<br />

<strong>Marbach</strong>er Literaturmuseen<br />

in einen Ort, an dem die kleine<br />

literarische Form <strong>des</strong> Gedichts<br />

die Hauptrolle spielt und<br />

Besucher:innen auf Poesie in<br />

unterschiedlichsten Erscheinungsweisen<br />

treffen – gereimt und<br />

gezählt, bewegt und still, laut<br />

und zart, dunkel und leuchtend.


„Laß leuchten“<br />

Peter Rühmkorf<br />

– selbstredend<br />

und<br />

selbst reimend<br />

im Schiller-<br />

Nationalmuseum:<br />

Blick in<br />

die Kapitel<br />

„Sammeln“<br />

und „Erinnern<br />

& Schreiben“


_51


Wie erzählen wir von Afrika: von<br />

einem Kontinent und seiner Vielfalt?<br />

Welche Bilder und Stereotype,<br />

welche kolonialen und nationalen<br />

Ideologien bestimmen die Literatur<br />

über Afrika und werden von ihr<br />

geprägt, verbreitet oder zerlegt?<br />

In einer Open-Space-Ausstellung<br />

diskutieren wir das mit Texten,<br />

Archivfunden, Lecture Performances<br />

und Gesprächen u.a. mit<br />

Partner:innen aus Namibia und<br />

Schriftsteller:innen aus Afrika.<br />

Gefördert vom Ministerium für<br />

Wissenschaft, Forschung und Kunst<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Baden-Württemberg.<br />

Termin: Internationales Literaturfestival<br />

Narrating Africa, 7. bis 9. Mai.<br />

Eine Open-Space-Ausstellung<br />

im Literaturmuseum der Moderne<br />

bis 19. September <strong>2021</strong><br />

arrating<br />

frica<br />

tep by<br />

tep<br />

#limodivis<br />

#closedbutopen<br />

Zoom-Führung<br />

in der<br />

Ausstellung<br />

mit Projektleiterin<br />

Stefanie<br />

Hundehege


52_53


ie<br />

eele<br />

Die Dauerausstellung zum<br />

20. Jahrhundert im Literaturmuseum<br />

der Moderne bis<br />

1. August <strong>2021</strong><br />

Die über 280 Exponate, die wir aus<br />

den über 1.400 Schriftsteller- und<br />

Gelehrtennachlässen mit rund<br />

50 Millionen Einzelblättern, Büchern<br />

und Gegenständen <strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong><br />

<strong>Literaturarchivs</strong> ausgewählt haben,<br />

zeigen eine besondere Literaturgeschichte<br />

<strong>des</strong> Schreibens und Lesens.<br />

Von 1899 bis 2001, von Hermann Hesse<br />

zu W.G. Sebald, unter anderem mit<br />

Exponaten von Rainer Maria Rilke,<br />

Hugo von Hofmannsthal, Franz Kafka,<br />

Gottfried Benn, Alfred Döblin, Walter<br />

Benjamin, Joseph Roth, Stefan Zweig,<br />

Else Lasker-Schüler, Mascha Kaléko,<br />

Hannah Arendt, Hilde Domin, Siegfried<br />

Lenz, Sarah Kirsch, Martin<br />

Walser, Thomas Bernhard und Hans<br />

Magnus Enzensberger.<br />

Schiller,<br />

Hölderlin,<br />

Kerner,<br />

Mörike<br />

Eine Interimsausstellung<br />

im Literaturmuseum der<br />

Moderne bis Herbst<br />

Für das Schiller-Nationalmuseum<br />

erarbeiten wir zur Zeit ein neues<br />

Ausstellungskonzept. Daher sind vier<br />

Schriftsteller – Schwaben von<br />

2022r<br />

Geburt und Autoren von Weltrang –<br />

vorläufig ins Literaturmuseum der<br />

Moderne umgezogen. Wir haben<br />

Dinge eingepackt, die ihre poetisch<br />

besonderen Seiten zeigen: Friedrich<br />

Schillers unterschiedliche Spiele,<br />

Justinus Kerners Tintenklecksbilder<br />

und die eigenwilligen Aufschreibesysteme<br />

von Friedrich Hölderlin und<br />

Eduard Mörike. Alle vier Schriftsteller<br />

stammen aus der Umgebung <strong>des</strong><br />

Museums: Schiller wurde 1759 in<br />

<strong>Marbach</strong> geboren, Hölderlin 1770 in<br />

Lauffen, Kerner 1786 und Mörike 1804<br />

in Ludwigsburg. Ergänzt wird die<br />

Ausstellung um ein Leselabor mit<br />

Scherenschnitten von Luise<br />

Duttenhofer.<br />

Die Seele wird am 7. November <strong>2021</strong> in<br />

veränderter Form wieder eröffnet.


54_55 Vier von<br />

über 150<br />

Exponaten<br />

der Interimausstellung<br />

„Schiller,<br />

Hölderlin,<br />

Kerner,<br />

Mörike“<br />

Schiller<br />

Mörike<br />

Schiller-<br />

Erinnerungs-<br />

M 8<br />

51<br />

muster<br />

S 17<br />

91<br />

ot<br />

Zur Interimsausstellung und zu<br />

unserem Projekt „Fehlt Ihnen/<br />

Dir Schiller?“ sind vier digitale<br />

Hefte erschienen (Schillers Spiele,<br />

Hölderlins Handschriften, Kerners<br />

Kleckse und Mörikes Zeichen):<br />

www.dla-marbach.de/museen/<br />

blaetterbuecher-zu-den-ausstellungen.<br />

Die Ausstellugskataloge zu<br />

Planet Motzstraße. Else Lasker-<br />

Schülers Lebenszeichen aus Berlin,<br />

Laß leuchten! Peter Rühmkorf –<br />

selbstredend und selbstreimend<br />

und Hölderlin, Celan und die<br />

Sprachen der Poesie sowie zu<br />

Die Seele können im Online-Shop<br />

<strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Literaturarchivs</strong><br />

und vor Ort erworben werden.<br />

punkt-<br />

Ich-<br />

Hölderlin<br />

Kerner<br />

K 4<br />

H 10<br />

pup-<br />

pen<br />

Achtzehn<br />

55<br />

27


Kalender


_57<br />

#schillerfreispiel<br />

„Ich bin auf den<br />

Bergen, Dresden zu,<br />

herumgeschweift<br />

weil es da oben schon<br />

ganz trocken ist.<br />

Wirklich habe ich<br />

diese Bewegung höchst<br />

nöthig gehabt, denn<br />

diese paar Tage, auf<br />

dem Zimmer zugebracht<br />

haben mir, nebst<br />

dem Biertrinken, das<br />

ich aus wirklicher<br />

Desperation angefangen<br />

habe, dumme<br />

Geschichten im<br />

Unterleib zugezogen,<br />

die ich sonst nie<br />

verspürt habe. […]<br />

und wenn ich, Motion<br />

halber, in meinem<br />

Zimmer springe, so<br />

zittert das Hauß<br />

und der Wirth fragt<br />

erschrocken, was<br />

ich befehle.“<br />

Friedrich Schiller am<br />

22. April 1787 an Christian<br />

Gottfried Körner


Zur Eindämmung von Covid-19<br />

werden wir alle schon geplanten<br />

Veranstaltungen in jedem Fall<br />

virtuell durchführen und kurzfristig<br />

bekanntgeben, ob und auf welche<br />

Weise sie vor Ort stattfinden können.<br />

Alle aktuellen Veranstaltungstermine<br />

finden Sie in unserem Website-<br />

Kalender, in der Presse und in den<br />

sozialen Medien; Zoom-Links zu<br />

Veranstaltungen finden Sie am<br />

Vortag ab 9 Uhr ebenfalls im Kalender<br />

der DLA-Website. Newsletter-<br />

Abonnenten erhalten die Termine<br />

und Zoom-Links zugeschickt:<br />

https://www.dla-marbach.de/<br />

newsletter/<br />

Januar<br />

Mittwoch, 20. Januar, 11 Uhr<br />

Jahrespressekonferenz<br />

Erwerbungen, Forschungs-,<br />

Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm<br />

<strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Literaturarchivs</strong><br />

<strong>Marbach</strong>. Anmeldung:<br />

presse@dla-marbach.de<br />

Montag, 25. Januar, 19 Uhr<br />

Zoom-Kapsel 1: Erinnerungen<br />

an den Kurfürstendamm.<br />

Der Nachlass von Gabriele Tergit<br />

Nicole Henneberg mit Jan Bürger<br />

und Heike Gfrereis<br />

Februar<br />

Mittwoch, 3. Februar, 19 Uhr<br />

Zoom-Kapsel 2: Franz Kafkas<br />

Brief vom 11. September 1922<br />

an Max Brod<br />

Andreas Platthaus mit Ulrich<br />

von Bülow und Sandra Richter


58_59<br />

Donnerstag, 18. März,<br />

und Freitag, 19. März<br />

Tagung<br />

Wandlungszonen: Zeitschriften<br />

und Öffentlichkeit 1945 bis 1969<br />

März<br />

Montag, 8. März, und 15. März,<br />

jeweils 15.30 bis 18 Uhr<br />

Fortbildung<br />

Koloniale Spuren in der<br />

Kinderliteratur<br />

Die Fortbildung für pädagogische<br />

Fachkräfte in Kindergärten und<br />

Kindertagesstätten und Grundschullehrer:innen<br />

(auch in Ausbildung)<br />

findet als Kooperationsprojekt<br />

zwischen dem Stuttgarter Linden-<br />

Museum, dem DLA und dem Institut<br />

für diskriminierungsfreie Bildung<br />

Berlin statt und will einen sensiblen<br />

Umgang mit den Einflüssen der<br />

Kolonialgeschichte im Kinderlese-<br />

und Bilderbuchkanon schulen.<br />

Im Mittelpunkt der u.a. von Julia<br />

Schneider, Verena Staack und<br />

Rosalie Möller geleiteten Fortbildung<br />

steht dabei Jim Knopf von<br />

Michael Ende. Anmeldung bis 3. März:<br />

fuehrung@lindenmuseum.de<br />

Zeitschriften, insbesondere Kulturzeitschriften,<br />

die sich zwischen Kunst,<br />

Wissenschaft und Politik bewegen,<br />

haben bei der Gestaltung von Öffentlichkeit<br />

in Europa und darüber hinaus<br />

schon immer eine entscheidende<br />

Rolle gespielt. Von den Broschüren<br />

der Aufklärung bis hin zu den Theoriezeitschriften<br />

der 1960er-Jahre und<br />

den Zines von Underground und Punk<br />

war das Journalmachen eine wichtige<br />

Kulturtechnik, die die Art und Weise,<br />

wie wir argumentieren, erzählen,<br />

schreiben und denken, stark beeinflusst<br />

hat. Ausgehend von den zahlreichen<br />

Redaktionsarchiven im<br />

<strong>Deutschen</strong> Literaturarchiv (wie dem<br />

Archiv der Wandlung und der<br />

Alternative, <strong>des</strong> Merkur und <strong>des</strong> Ruf<br />

sowie den Nachlässen von Herausgebern<br />

wie Dolf Sternberger, Joachim<br />

Moras, Hans Paeschke und Curt Vinz)<br />

werden Zeitschriften als Orte der<br />

Reflexion und der Zirkulation von<br />

Ideen untersucht – u.a. von Rainer<br />

M.E. Jacobi, Gunilla Eschenbach,<br />

Moritz Neuffer, Barbara Picht,<br />

Roman Yo und Pawel Zajas.<br />

In Verbindung mit dem Arbeitskreis<br />

kulturwissenschaftliche Zeitschriftenforschung<br />

und dem Leibniz-Zentrum<br />

für Literatur- und Kulturforschung<br />

Berlin (ZfL). Gefördert durch die<br />

Wüstenrot Stiftung.


Mittwoch, 10. März, 19 Uhr<br />

Zoom-Kapsel 3:<br />

Die Frauen um Heinrich Mann<br />

Die digitale Konferenz #LiteraturarchivDerZukunft<br />

bringt in Impulsreferaten<br />

und Plenumsdiskussionen<br />

Wissenschaftler:innen und<br />

Journalist:innen zusammen, von<br />

denen einige das Deutsche Literaturarchiv<br />

auch aus der eigenen Arbeit als<br />

Benutzer oder Besucher kennen, alle<br />

aber, frei nach Schiller, an der Frage<br />

interessiert sind: Was heißt und zu<br />

welchem Ende betreibt man ein Literaturarchiv<br />

im 21. Jahrhundert?<br />

Veronika Fuechtner mit Gunilla<br />

Eschenbach und Jan Bürger<br />

Anmeldung:<br />

direktion@dla-marbach.de<br />

Mittwoch, 24. März, 10 bis 17 Uhr<br />

Konferenz<br />

#LiteraturarchivDerZukunft<br />

Langfristige Konzeptionen und Planungen<br />

sind nötig, um eine Institution<br />

zukunftsfähig zu halten, die durch<br />

die unabgeschlossenen Sammlungen<br />

beständig wächst und vielfältigen und<br />

hohen Ansprüchen diverser Publika<br />

gerecht werden will. Der Digitalisierungsschub,<br />

spätestens in der<br />

Corona-Pandemie zum Digitalisierungsdruck<br />

geworden, wird bei allen<br />

nötigen Transformationsprozessen<br />

eine wichtige Rolle spielen. Auf dem<br />

Weg in die Zukunft ist der satzungsgemäße<br />

Auftrag der <strong>Deutschen</strong><br />

Schillergesellschaft als Trägerverein<br />

<strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Literaturarchivs</strong> im<br />

Auge zu behalten und zugleich Neues<br />

zu wagen. Der Gegenstand ‚Literatur‘<br />

in allen seinen medialen Formen<br />

ist dabei Ausgangs- und Zielpunkt<br />

aller Überlegungen.<br />

April<br />

Samstag, 24. April,<br />

und Sonntag, 25. April<br />

Archiv-Box 1<br />

Geplant als Open-Air-Veranstaltung.


60_61<br />

Mai<br />

Sonntag, 2. Mai, 11 Uhr<br />

Fehlt Ihnen/Dir Schiller?<br />

Mit Laurent Chétouane, Christian<br />

Holtzhauer und Elisabeth<br />

Schweeger. Geplant als Open-<br />

Air-Veranstaltung.<br />

Freitag, 7. Mai, bis Sonntag, 9. Mai<br />

Internationales Literaturfestival:<br />

Narrating Africa #StepTwo<br />

Schreiben ohne sich auf die Geschichte<br />

zu beziehen und ohne sich<br />

selbst in ein Verhältnis mit der Welt<br />

zu bringen, ist nicht möglich.<br />

Wie erzählen wir heute von „Afrika“?<br />

Welche Geschichten und Mythen betreffen<br />

uns heute? Und wie beziehen<br />

sich afrikanische Schriftsteller:innen<br />

auf afrikanische und westliche<br />

schriftliche und mündliche Traditionen?<br />

Welche fiktiven Traditionen<br />

funktionieren als ästhetische<br />

Prinzipien? Kann von Afrika nur im<br />

Verhältnis zu einem westlichen<br />

Kanon erzählt werden? Zwei Tage lang<br />

diskutieren Schriftsteller:innen<br />

aus Afrika, Amerika und Europa diese<br />

Fragen in Lesungen, Vorträgen und<br />

in Auseinandersetzung mit der Ausstellung<br />

Narrating Africa. Diese wird<br />

dabei ergänzt, umgeschrieben und<br />

neu gefügt.<br />

Writing without referencing that<br />

which has gone before and without<br />

positioning oneself in relation to the<br />

outside world, is impossible. How<br />

do we write about “Africa” today?<br />

How do we narrate “Africa”? Which<br />

stories, narratives, and myths do<br />

we feel connected to today? In what<br />

ways do African authors in the<br />

twenty-first century draw on African<br />

and Western, written and oral –<br />

traditions and incorporate them into<br />

their works? Are there fictitious,<br />

imagined traditions that function as<br />

poetic aesthetic principles? Is it<br />

possible to narrate “Africa” only in<br />

relation to the Western canon? Does<br />

it necessarily mean writing “against”<br />

it or writing “back”? In order to<br />

explore these questions, the German<br />

Literature Archive in <strong>Marbach</strong> is<br />

hosting an international authors’ festival.<br />

Guests are invited to join us for<br />

live performances, lectures, and readings,<br />

presented by writers, scholars,<br />

and artists from Africa, Europe, and<br />

the USA in relation to the exhibition<br />

which will be supplemented, rewritten<br />

and newly compiled in the process.<br />

U.a. mit Sulaiman Addonia, Oladipo<br />

Agboluaje, Julia Augert, Penda<br />

Diouf, Nuruddin Farah, Jennifer<br />

Nansubuga Makumbi, Ildevert


Méda, Nelson Mlambo, Fiston<br />

Mwanza Mujila, Rémy Ngamije,<br />

Sylvia Schlettwein, Sami Tchak,<br />

Uwe Timm und Lisa Tuyala.<br />

In Kooperation mit Annette Bühler-<br />

Dietrich, Universität Stuttgart.<br />

Gefördert vom Ministerium für<br />

Wissenschaft, Forschung und Kunst<br />

Baden-Württemberg.<br />

Ergänzend finden zwei Werkstattgespräche<br />

im Stuttgarter Linden-<br />

Museum in Kooperation mit dem<br />

DLA statt: Re-Narrating Histories<br />

(Dienstag, 11. Mai, 19.30 Uhr, mit<br />

lldevert Méda, Rémy Ngamije<br />

und Sylvia Schlettwein) und<br />

Koloniale Spuren in Kinder- und<br />

Jugendliteratur (Mittwoch, 19. Mai,<br />

19.30 Uhr, mit Josephine Apraku,<br />

Annette Bühler-Dietrich und<br />

Katharina Schäfer).<br />

Samstag, 15. Mai,<br />

und Sonntag, 16. Mai<br />

Internationaler Museumstag <strong>2021</strong><br />

Hölderlin. Leise<br />

Am 15. und 16. Mai steht das<br />

Literaturmuseum der Moderne allen<br />

Besucher:innen als Rückzugszone<br />

kostenlos offen. Wer möchte, kann ein<br />

Buch zum Lesen mitbringen oder<br />

einfach nur dasitzen und tagträumen.<br />

Am 16. Mai wird die Stille zwei Mal<br />

durchbrochen: Um 11 Uhr spricht<br />

Norbert Gstrein über die Schönheit<br />

der Abstraktion und wie man<br />

Hölderlin mathematisch lesen kann<br />

(Moderation: Carsten Otte),<br />

um 15 Uhr führt Bas Böttcher in<br />

den Klangkörper von Hölderlins<br />

Gedichten ein (Moderation: Verena<br />

Staack).<br />

Poetische<br />

Angleichungsdynamik<br />

oder<br />

schlicht nur<br />

ein Fehler?<br />

Von Robert<br />

Gernhardt<br />

inszenierter<br />

Verschreiber<br />

in einem<br />

seiner<br />

„Brunnen-<br />

Hefte“<br />

Gefördert im Rahmen <strong>des</strong> Literatursommers<br />

2020 – Eine Veranstaltungsreihe<br />

der Baden-Württemberg<br />

Stiftung. Geplant als Open-Air-<br />

Veranstaltung.


_63


64_65<br />

Freitag, 18. Juni, bis Sonntag, 20. Juni<br />

Der Poesie-Hackathon:<br />

Schiller, Mörike, Hölderlin, Celan<br />

Juni<br />

Sonntag, 13. Juni<br />

Laß leuchten! Ein Sonntag mit<br />

Jazz und Lyrik für Peter Rühmkorf<br />

Mit Jan Philipp Reemtsma,<br />

Joachim Kersten, Bernd<br />

Rauschenbach u.a. sowie<br />

dem Leszek Zadlo Quartett und<br />

einer von Jan Bürger geöffneten<br />

Zeitkapsel mit Rühmkorf-<br />

Neuentdeckungen aus dem Nachlass<br />

von Jürgen Manthey.<br />

Literarische Kunstwerke als Daten<br />

zu begreifen, zu beobachten, zu<br />

bearbeiten, zu analysieren und – auch<br />

visuell gestaltend – zu interpretieren,<br />

wandelt sich derzeit vom Affront<br />

der Philologie zu einem zwar noch<br />

ungewöhnlichen, aber möglichen<br />

philologischen Handwerk: zum Handwerk<br />

einer digitalen Philologie, das<br />

wiederum für die Philologie gar nicht<br />

so ungewöhnliche Praktiken in<br />

den Vordergrund rückt wie etwa das<br />

Zählen, das Vergleichen, das Ordnen,<br />

das Strukturieren. Anders als andere<br />

Methoden der Philologie wird dieses<br />

Handwerk in der Regel interdisziplinär<br />

und kollaborativ betrieben: Die<br />

digitalphilologische Arbeit an Daten,<br />

an Korpora erfolgt in geisteswissenschaftlichen<br />

Sozial- und Interaktionsformen,<br />

bei denen der kollektive<br />

Arbeitsgruppencharakter im Vordergrund<br />

steht.<br />

Diesen Gedanken, den Heike Gfrereis<br />

und Peer Trilcke exemplarisch und<br />

ausstellungsvorbereitend 2018 im<br />

(computer-)philologischen Hackathon<br />

Der Fontane Code (zusammen mit<br />

dem Theodor-Fontane-Archiv und<br />

dem Digital Humanities-Netzwerk der<br />

Universität Potsdam) aufgegriffen<br />

haben, möchten wir in einem Poesie-<br />

Hackathon weiter verfolgen, der<br />

die Ausstellung Hölderlin, Celan und<br />

die Sprachen der Poesie ergänzt:<br />

Interdisziplinäre Teams aus Philologie,<br />

Informationswissenschaften,


Computerlinguistik und Gestaltung<br />

sowie Freefloater führen mit kuratierten<br />

Daten zu den Gedichten von<br />

Schiller, Mörike, Hölderlin und Celan<br />

digitale Analysen durch, diskutieren<br />

ihre Methoden und Ergebnisse miteinander<br />

und versuchen sich in Interpretationen<br />

dieser Ergebnisse. Ein festes<br />

Programm gibt es nicht. Nur einen<br />

Raum gemeinsamen Fragens: Was ist<br />

Poesie, wenn wir sie als Ansammlung<br />

von Daten betrachten, bearbeiten,<br />

analysieren? Was für Strukturen, was<br />

für Muster lassen sich erkennen?<br />

Was fangen wir mit diesen an – was<br />

können sie uns über Poesie sagen,<br />

was können wir dazu erzählen? Und,<br />

das wäre eine unserer Hypothesen:<br />

ist die Poesie gegenüber den typischen<br />

computerphilologischen bzw.<br />

computerlinguistischen Routinen<br />

widerständiger als andere literarische<br />

Gattungen? Welches Erkenntnispotenzial<br />

liegt dann in dieser Widerständigkeit?<br />

In Kooperation mit dem Forschungsverbund<br />

<strong>Marbach</strong> Weimar Wolfenbüttel,<br />

dem SDC4Lit und dem Netzwerk<br />

für Digitale Geisteswissenschaften der<br />

Universität Potsdam.<br />

Mittwoch, 23. Juni, 19.30 Uhr<br />

Hölderlin lesen –<br />

materiell, digital, empirisch?<br />

Hölderlin lesen, das ist, wenn man<br />

in der Geschichte seiner Rezeption<br />

zurückgeht, Vieles und sehr Unterschiedliches:<br />

Wilhelm Dilthey<br />

versucht sich die biographischen<br />

Momente zu vergegenwärtigen,<br />

in denen Hölderlins Gedichte entstanden,<br />

Norbert von Hellingrath<br />

konstruiert aus Hölderlins Fragmenten<br />

den Dichter als Seher, Werner<br />

Vortriedte untersucht Substantiv-<br />

Adjektiv-Kombinationen, Martin<br />

Heidegger lässt Bernhard Böschenstein<br />

Worthäufigkeiten zählen,<br />

Paul Celan baut Einzelteile als Fremdwörter<br />

in seine eigenen Gedichte<br />

ein, Dietrich E. Sattler zeigt Hölderlins<br />

Manuskripte als unendliche Textur.<br />

Welche Art zu lesen hat welche Vorund<br />

Nachteile? Was macht sie jeweils<br />

aus? Wie lassen sich unterschiedliche<br />

literaturwissenschaftliche Methoden<br />

(wie die Material Studies, die Textkritik,<br />

die Hermeneutik, die digitale<br />

Textanalyse und die empirische<br />

Ästhetik) miteinander verbinden,<br />

wo widersprechen sie sich?<br />

Mit Vera Hildenbrandt, Roland<br />

Reuß und Winfried Menninghaus,<br />

Moderation: Lothar Müller.


Freitag, 25. Juni, bis Sonntag, 27. Juni<br />

66_67<br />

Da capo al fine:<br />

Hölderlin und Hegel zum<br />

251. Geburtstag<br />

Nachdem der Literatursommer 2020<br />

durch Corona nicht eröffnet<br />

werden konnte und zum großen Teil<br />

verschoben werden musste,<br />

versuchen wir es <strong>2021</strong> noch einmal:<br />

Freitag, 25. Juni, ab 18 Uhr<br />

Abschlussveranstaltung <strong>des</strong><br />

Literatursommers<br />

„Hölderlin und Hegel - 250 Jahre<br />

Sprache und Vision“<br />

Auf einen Espresso + einen Wein<br />

mit Hölderlin + Hegel<br />

Welche visionäre poetische und<br />

philosophische Kraft besitzt<br />

die Sprache? Wie z.B. denken und<br />

handeln wir in und mit der Literatur?<br />

Darüber sprechen in einem<br />

imaginären Dialog beim Espresso<br />

drei Autor:innen, für die Hegel<br />

und Hölderlin jeweils eine ganz<br />

eigene Bedeutung besitzen: Ulrike<br />

Almut Sandig, Jürgen Kaube<br />

und Karl-Heinz Ott, Moderation:<br />

Denis Scheck. Auftaktgespräch:<br />

Christoph Dahl und Sandra<br />

Richter.<br />

Musik und Performances von György<br />

Kurtag, Aribert Reimann und Gerhard<br />

Stäbler, gesungen und gespielt<br />

von Angelika Luz, Alumni und Studierenden<br />

der Staatlichen Hochschule<br />

für Musik und darstellende Kunst<br />

Stuttgart, rahmen den Abend.<br />

Eine Veranstaltung der Baden-<br />

Württemberg Stiftung in Kooperation<br />

mit dem <strong>Deutschen</strong> Literaturarchiv<br />

<strong>Marbach</strong>.


Sonntag, 27. Juni, 10 bis 17 Uhr<br />

Hölderlin. Innen<br />

Wie verstehen wir Gedichte? Wie<br />

nähern wir uns dem an, was wir als<br />

Verstehen bezeichnen? Wie hat<br />

Literatur überhaupt ein Innen und<br />

Außen?<br />

Anne-Dore Krohn und Denis<br />

Scheck prüfen um 11 Uhr Robert<br />

Walsers These: „Hölderlin hielt<br />

es für angezeigt, d.h. für taktvoll<br />

im 40. Lebensjahr seinen gesunden<br />

Menschenverstand einzubüssen,<br />

wodurch er zahlreichen Menschen<br />

Anlass gab, ihn aufs Unterhaltendste,<br />

Angenehmste zu beklagen. Rührung<br />

ist ja etwas überaus Bekömmliches,<br />

mithin Willkommenes. Über einen<br />

grossen und zugleich unglücklichen<br />

Menschen weinen, wie schön ist das!<br />

Wieviel zarten Gesprächsstoff liefern<br />

solche unalltägliche Existenzen.“<br />

Von 14 bis 16 Uhr wird das Literaturmuseum<br />

der Moderne zum Klangkörper,<br />

in dem Erfahrungen <strong>des</strong> Verklingens<br />

und Verinnerlichens erkundet<br />

werden: Katharina Mewes spricht<br />

nach einer choreographischen<br />

Idee von Louise Wagner Hölderlin-<br />

Gedichte, das Diotima-Quartett<br />

führt Luigi Nonos Streichquartett auf:<br />

Fragmente – Stille, An Diotima.<br />

Gefördert im Rahmen <strong>des</strong> Literatursommers<br />

2020 – Eine Veranstaltungsreihe<br />

der Baden-Württemberg Stiftung.<br />

In Kooperation mit den Ludwigsburger<br />

Schlossfestspielen.


68_69<br />

Der ausgebildete Mediziner<br />

Schiller beschäftigte sich<br />

mit unterschiedlichen Arten<br />

der körperlichen Reinigung.<br />

Er wurde über Fieber und<br />

die Selbstheilungskräfte<br />

<strong>des</strong> Körpers promoviert und<br />

kokettierte damit, dass<br />

auch seine Texte ästhetische<br />

Rosskuren seien – das einzige<br />

erhaltene Rezept <strong>des</strong> Arztes<br />

Schiller löst eine Purgation<br />

aus: die Lösung von drei<br />

Gran Brechweinstein in vier<br />

Unzen heißem Wasser ist ein<br />

stark dosiertes Brechmittel.<br />

In einer Selbstrezension der<br />

anonym erschienenen Räuber<br />

schrieb Schiller über sich:<br />

„Er soll ein Arzt bei einem<br />

wirtembergischen Grenadier-<br />

Bataillon sein [...]. So<br />

gewiß ich sein Werk verstehe,<br />

so muss er starke Dosen in<br />

Emeticis [Brechreiz Erregendem]<br />

eben so lieben<br />

als in Aestheticis, und ich<br />

möchte ihm lieber zehen<br />

Pferde als meine Frau zur<br />

Kur übergeben.“


Das einzige<br />

erhaltene<br />

Rezept, das<br />

der Arzt<br />

Schiller<br />

verschrieben<br />

hat


Corona sowie verschiedene<br />

Bauarbeiten auf der Schillerhöhe<br />

machen für uns zur Zeit verlässliche<br />

Planungen schwer. Bitte beachten<br />

Sie daher zu allen Veranstaltungen,<br />

zum Besuch der Museen und zur<br />

Benutzung von Archiv und Bibliothek<br />

die aktuellen Hinweise auf unserer<br />

Homepage.<br />

Wir haben seit März 2020 unser<br />

digitales Angebot erweitert: Über<br />

250 Video-Clips zeigen auf dem<br />

YouTube-Kanal „Deutsches Literaturarchiv<br />

– Literaturmuseen“ unterschiedliche<br />

Archiv- und Bibliotheksbestände,<br />

Ausstellungen, Führungen<br />

und Veranstaltungen. Neu ist die<br />

Reihe Archivkino. Mehr über Ausstellungen<br />

und damit verbundene<br />

Forschungsprojekte können Sie vom<br />

Frühjahr <strong>2021</strong> an auch in unserem<br />

neuen virtuellen Ausstellungsraum<br />

erfahren: www.literatursehen.com.<br />

Zur Eindämmung von Covid-19<br />

werden wir alle schon geplanten<br />

Veran staltungen in jedem Fall virtuell<br />

durchführen und kurzfristig bekanntgeben,<br />

ob und auf welche Weise sie<br />

vor Ort stattfinden können. Alle aktuellen<br />

Veranstaltungstermine finden<br />

Sie in unserem Website-Kalender, in<br />

der Presse und in den sozialen Medien;<br />

Zoom-Links zu Veranstaltungen<br />

finden Sie am Vortag ab 9 Uhr ebenfalls<br />

im Kalender der DLA-Website.<br />

Newsletter-Abonnenten erhalten die<br />

Termine und Zoom-Links zugeschickt:<br />

https://www.dla-marbach.de/<br />

newsletter/<br />

Auf<br />

einen<br />

Blick


70_71<br />

Max Brod<br />

11. September 1922 an<br />

Franz Kafkas Brief vom<br />

Zoom-Kapsel 2:<br />

Mittwoch, 3. Februar, 19 Uhr<br />

Februar<br />

Gabriele Tergit<br />

Der Nachlass von<br />

Kurfürstendamm.<br />

Erinnerungen an den<br />

März<br />

Montag, 8. März, und 15. März,<br />

jeweils 15.30 bis 18 Uhr<br />

Fortbildung<br />

Koloniale Spuren in der<br />

Kinderliteratur<br />

Mittwoch, 10. März, 19 Uhr<br />

Zoom-Kapsel 3: Die Frauen<br />

um Heinrich Mann<br />

Donnerstag, 18. März,<br />

und Freitag, 19. März<br />

Tagung<br />

Wandlungszonen:<br />

Zeitschriften und<br />

Öffentlichkeit 1945 bis 1969<br />

Mittwoch, 24. März,<br />

10 bis 17 Uhr<br />

Konferenz<br />

#LiteraturarchivDerZukunft<br />

Freitag, 7. Mai,<br />

bis Sonntag, 9. Mai<br />

Internationales<br />

Literaturfestival:<br />

Narrating Africa #StepTwo<br />

Samstag, 15. Mai,<br />

und Sonntag, 16. Mai<br />

Internationaler<br />

Museumstag <strong>2021</strong><br />

Hölderlin. Leise<br />

Der Poesie-Hackathon:<br />

Schiller, Mörike, Hölderlin,<br />

Celan<br />

Mittwoch, 23. Juni, 19.30 Uhr<br />

Hölderlin lesen –<br />

materiell, digital, empirisch?<br />

Freitag, 25. Juni,<br />

bis Sonntag, 27. Juni<br />

Da capo al fine:<br />

Hölderlin und Hegel zum<br />

251. Geburtstag<br />

Freitag, 25. Juni, ab 18 Uhr<br />

Abschlussveranstaltung<br />

<strong>des</strong> Literatursommers<br />

„Hölderlin und Hegel –<br />

250 Jahre Sprache<br />

und Vision“<br />

Auf einen Espresso +<br />

einen Wein mit<br />

Hölderlin + Hegel<br />

Sonntag, 27. Juni, 10 bis 17 Uhr<br />

Hölderlin. Innen


Zoom-Kapsel 1:<br />

_72<br />

Montag, 25. Januar, 19 Uhr<br />

Mittwoch, 20. Januar, 11 Uhr<br />

Jahrespressekonferenz<br />

Januar<br />

Auf<br />

einen<br />

Blick<br />

April<br />

Samstag, 24. April,<br />

und Sonntag, 25. April<br />

Archiv-Box 1<br />

Mai<br />

Sonntag, 2. Mai, 19 Uhr<br />

Fehlt Ihnen/Dir Schiller?<br />

Juni<br />

Sonntag, 13. Juni<br />

Laß leuchten! Ein Sonntag<br />

mit Jazz und Lyrik für<br />

Peter Rühmkorf<br />

Freitag, 18. Juni,<br />

bis Sonntag, 20. Juni


Deutsches Literaturarchiv <strong>Marbach</strong><br />

Schiller-Nationalmuseum und<br />

Literaturmuseum der Moderne<br />

Schillerhöhe 8 – 10,<br />

71672 <strong>Marbach</strong> am Neckar<br />

Tel. 0 71 44/848-0, Fax 0 71 44/848-299<br />

info@dla-marbach.de<br />

Öffnungszeiten<br />

Impressum<br />

© 2020 Deutsche Schillergesellschaft,<br />

<strong>Marbach</strong> am Neckar<br />

Herausgeber:<br />

Deutsches Literaturarchiv <strong>Marbach</strong><br />

Redaktion:<br />

Jan Bürger, Heike Gfrereis, Vera<br />

Hildenbrandt und Dietmar Jaegle<br />

Gestaltung:<br />

Diethard Keppler und Andreas Jung<br />

Gesamtherstellung:<br />

Offizin Scheufele, Druck & Medien<br />

GmbH & Co. KG, Stuttgart<br />

Schiller-Nationalmuseum und<br />

Literaturmuseum der Moderne:<br />

Dienstag bis Sonntag, 10 – 17 Uhr,<br />

montags geschlossen (außer an<br />

Feiertagen).<br />

Bitte beachten Sie, dass unsere<br />

Ausstellungen, Führungen und Veranstaltungen<br />

(vor Ort und virtuell)<br />

fotografisch und filmisch dokumentiert<br />

werden und die Aufnahmen bei der<br />

Berichterstattung über diese Veranstaltungen<br />

in Print- und digitalen<br />

Medien veröffentlicht werden können.<br />

Die Deutsche Schillergesellschaft<br />

wird gefördert durch die<br />

Bun<strong>des</strong>republik Deutschland,<br />

das Land Baden-Württemberg,<br />

den Landkreis Ludwigsburg<br />

und die Städte Ludwigsburg und<br />

<strong>Marbach</strong> am Neckar.<br />

Fotos:<br />

Heike Gfrereis, Chris Korner,<br />

Heinz Werner Kramski, Martin Kuhn<br />

und Jens Tremmel


Social Media<br />

twitter.com/DLA<strong>Marbach</strong><br />

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www.instagram.com/dla_marbach/<br />

www.youtube.com/user/LiMo606<br />

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