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!ticket fun&action<br />
Spieglein, Spieglein, …<br />
Kabarett ist mehr als nur ein loser Schenkelklopfer, es ist auch<br />
Regulator des Zeitgeists und der Kabarettist in seinem Beruf eigentlich<br />
einer, der der Menschheit den Spiegel vorhält ... TEXT: STEFAN BAUMGARTNER<br />
termine<br />
Unter anderem folgende Herren halten der Gesellschaft<br />
den dringend benötigten Spiegel vor:<br />
Der bayerische Kultgrantler Harry G kommt mit<br />
seinem neuen Programm „#HarrydieEhre“ im<br />
Jänner nach Salzburg, Wien, Linz und Innsbruck.<br />
Zwischen Dezember und März präsentiert Rudi<br />
Fußi mit „Jetzt rede ich!“ in der Wiener Kulisse<br />
und im Wiener Orpheum eine Einführung in die<br />
österreichische Politik und das Leben an sich.<br />
Von Österreichs wütendstem Bauern, Petutschnig<br />
Hons, heißt es in seinem zweiten Programm<br />
„Gusch!“, u. a. in Fürstenfeld, St. Veit an<br />
der Glan, in Wien, Graz und Kapfenberg.<br />
Du, ja genau: du! Der bayerische Grantler Harry G hält erfrischend bissig und politisch unkorrekt den<br />
Mitmenschen den Spiegel vor und bringt dabei so manche Absurdität zutage.<br />
Professor Joesi Prokopetz hat einen<br />
überdeutlichen Anspruch an seine<br />
Monologe: Das Kabarett sollte<br />
dem Zuschauer einen neuen, provokanten<br />
Blickwinkel auf die Welt und seinen<br />
Lebensentwurf liefern.<br />
Sein Kollege Michael Mittermeier geht<br />
sogar noch ein Stück weiter, sieht den<br />
Comedian als letzte Bastion der Redefreiheit:<br />
„Er muss nicht die Stimme der<br />
Vernunft sein, er kann auch die Stimme<br />
des Wahnsinns sein“, erklärt er lachend<br />
und führt aus: „Die Stimme des Wahnsinns,<br />
die dann den Wahnsinn mit<br />
Wahnsinn bekämpft. Ein griechischer<br />
Kollege und Freund hat einmal zu mir<br />
gesagt: ,Stand-up Comedy is the last bastion<br />
of free speech.‘ Da ist etwas dran.“<br />
Der Wutbürger<br />
Dieser Anspruch an das Kabarett – viel<br />
mehr noch als an die etwas geerdetere<br />
Comedy – war, wenn wir die Kulturgeschichte<br />
Revue passieren lassen,<br />
„schon immer so“: Das Kabarett war<br />
seit Anbeginn in seiner Motivation gesellschaftskritisch.<br />
Breitenwirksam thematisiert<br />
werden diese Agenden jedoch<br />
erst, seit Kabarettist Roland Düringer<br />
vor ziemlich genau fünf Jahren bei<br />
„Dorfers Donnerstalk“ mit einem Aufschrei,<br />
mit seiner „Wutrede“ aufhorchen<br />
ließ: „Wir sind keine Radikalen,<br />
wir sind keine Anarchisten, wir sind<br />
die so genannte Mittelschicht. Wir sind<br />
all jene Systemtrottel, die es schön langsam<br />
satt haben, im Hamsterrad zu laufen<br />
und all jenen, die vom System profitiert<br />
haben, den Deppen zu machen.“<br />
Dieser Appell an den Durchschnittsbürger,<br />
die eigene Stimme zu erheben<br />
und „Wut“ zu zeigen, fand massiven<br />
Zuspruch und sorgte für reichlich Diskussionen<br />
– Kabarett-Veterane Werner<br />
Schneyder meinte damals sogar poin-<br />
Foto: Mike Heider<br />
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