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!ticket thema: liebe&passion<br />
Eine kleine Liebeserklärung<br />
Es gibt nur wenige Dinge, die uns auf so einfache Weise mit<br />
Glück erfüllen können und dabei derart präsent sind wie die Musik.<br />
TEXT: STEFAN BAUMGARTNER<br />
Sie prägt uns bereits im Mutterleib,<br />
sie berührt uns im tiefsten Inneren<br />
unser ganzes Leben hinweg und kann<br />
uns zu Höchstleistungen treiben: die Musik.<br />
Tatsächlich gibt es nur wenige Dinge, die<br />
unser Leben derart konstant und gleichzeitig<br />
intensiv bereichern. Für viele gehört Musik<br />
neben den lebensnotwendigen und -erhaltenden<br />
Funktionen mit zur wichtigsten<br />
Hauptsache der Welt, und sei es nur unterbewusst,<br />
leise und im Hintergrund.<br />
Musik hilft insbesondere in der tristen Jahreszeit,<br />
morgens aus den Federn und in die<br />
Gänge und gerade Narkoleptikern, nächtens<br />
überhaupt erst zur Ruhe zu kommen. Im<br />
Berufsverkehr verhindert sie, sich allzu früh<br />
dem Geschwätz der Mitverkehrenden widmen<br />
zu müssen, der Arbeitsalltag wird mit<br />
ihr erträglich. Abends sorgt die Musik im<br />
Lokal für lässig-entspannte Atmosphäre,<br />
wer joggt, lässt sich von seinen Lieblingsstücken<br />
zu Spitzenleistungen antreiben.<br />
Und wenn kleine Kinder schreiend aus einem<br />
Albtraum erwachen, hilft oft nur ein<br />
sanftes Schlaflied.<br />
Musik, so zeigt sich, wirkt auf allen Ebenen<br />
des Gehirns und hat direkten Zugang zu<br />
Emotionen – so versöhnt sie uns bis heute<br />
in einer vornehmlich von Sprache und Verstand<br />
geprägten Welt mit uralten emotionalen<br />
Grundbedürfnissen oder verstärkt<br />
situative Gemütsbewegungen. Der Psychologe<br />
Robin Dunbar von der University of<br />
Liverpool („All you need is love / Love is<br />
all you need“) argumentiert, dass schon<br />
frühe Hominiden ihre Gehirne durch gemeinsames<br />
Musizieren und Tanzen quasi<br />
in beglückenden Endorphinen gebadet hätten<br />
– tatsächlich als Äquivalent zum gegenseitigen<br />
Lausen der Affen, das zu einer<br />
Dopamin-Ausschüttung führt und soziale<br />
Strukturen festigt. Musik, so Dunbar, schließe<br />
heutzutage die „Endorphin-Lücke“, eine<br />
emotive Kälte, die seit der Entstehung der<br />
verstandesbetonten Kommunikation durch<br />
die Sprache entstanden sei.<br />
Musik als Glücksproduzent<br />
Eine Unterstützung für die These liefert die<br />
Neuroforscherin Valori Salimpoor von der<br />
kanadischen McGill University. Sie konnte<br />
das Gänsehautgefühl, das Musik zuweilen<br />
erzeugt, mithilfe bildgebender Verfahren<br />
sichtbar machten und zeigte so, dass in den<br />
intensiv erlebten Momenten seiner Lieblingsmusik<br />
der Nucleus accumbens im Gehirn<br />
der Rezipienten mit Dopamin regelrecht<br />
überflutet wurde. Diese entwicklungsgeschichtlich<br />
alte Hirnregion ist Teil des<br />
Belohungssystems, das uns Wohlgefühle<br />
beim Essen, Sex und Drogenkonsum beschert.<br />
Aber noch viel mehr: Auch eine verwandte<br />
Hirnstruktur, der Nucleus caudatus,<br />
wurde mit einem noch größerenDopamin-<br />
Ausstoß bedacht. Dieser ist für Erwartungshaltungen<br />
verantwortlich, etwa wenn uns<br />
beim Duft von Essen das Wasser im Mund<br />
zusammenläuft oder sich beim Anblick<br />
eines schönen Menschen im Schritt etwas<br />
regt. Musik bedient uralte Mechanismen<br />
unserer Psyche und spielt auf der <strong>gesamt</strong>en<br />
Klaviatur der menschlichen Motivation –<br />
und das von Klassik über Schlager bis hin<br />
zu Pop und Rockmusik, sowohl in der allein<br />
seligmachenden Fokussierung oder im Taumel<br />
der Lust des Kollektivs: live!<br />
Ganz begreifen werden wir die Faszination,<br />
die Magie der Musik wohl nie. Wie entstehen<br />
musikalische Ideen, die dann ihren Siegeszug<br />
um die Welt antreten und mitunter<br />
unsterblich werden? Es gibt – auch wenn<br />
die ähnlich klingenden Charts den Eindruck<br />
erscheinen lassen – kein Reißbrett für Musik,<br />
dafür sind die Geschmäcker und Bedürfnisse<br />
zu divers. Musik, ist etwas, das man nicht<br />
beschreiben kann, etwas, das man nur fühlt<br />
– so wie die ganz große, einzig wahre Liebe.<br />
Fotos: Fotolia, Markus Morianz (Conchita Wurst), FMS (Lovely Days), Show Factory (All You Need Is Love!), Tatiana Back (Nik P.)<br />
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