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Altlandkreis Ausgabe Juli/August 2018 - Das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel

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Tabu-Thema „häusliche Gewalt“<br />

Geschlagene Männer<br />

<strong>Altlandkreis</strong> | Häusliche Gewalt wird<br />

unterschie<strong>den</strong> in psychologische,<br />

sexuelle und körperliche. Wie viele<br />

Kinder, Frauen und Männer tatsächlich<br />

von häuslicher Gewalt betroffen<br />

sind, können weder Polizei<br />

noch Therapeuten konkret sagen.<br />

Es gibt Statistiken, unter anderem<br />

die vom Bundeskriminalamt, wonach<br />

beispielsweise im Jahr 2017<br />

deutschlandweit mehr als 130 000<br />

Menschen von Häuslicher Gewalt<br />

betroffen waren, darunter 80 Prozent<br />

Frauen. Die Realität sieht Expertenschätzungen<br />

zufolge jedoch<br />

ganz anders aus. „Die Dunkelziffer<br />

ist beim Thema häusliche Gewalt<br />

generell sehr hoch, weil es eines<br />

der größten Tabus in unserer Gesellschaft<br />

ist“, sagt Ian Pye. Der<br />

aus England stammende Psychotherapeut<br />

mit Wohnsitz in Schongau<br />

und Praxis in Weilheim (www.<br />

praxis-pye.de) hat sich unter anderem<br />

auf die Therapie von Männern<br />

spezialisiert, kümmert sich somit<br />

um die vermeintlich seltensten Fälle<br />

häuslicher Gewalt. Vermeintlich!<br />

„Allen voran dann, wenn Männer<br />

von Frauen geschlagen wer<strong>den</strong>,<br />

bekommt das so gut wie niemand<br />

mit.“ Der Grund: <strong>Das</strong> Gesellschaftsbild<br />

des Mannes – der große, starke<br />

Beschützer und Ernährer von<br />

Frau und Kind. Der soll tatsächlich<br />

von seiner eigenen Frau geschlagen<br />

wer<strong>den</strong>? „Ein Mann würde<br />

das niemals zugeben.“ Wenn doch,<br />

ist die Gefahr groß, dass er nicht<br />

ernstgenommen wird mit seinem<br />

Problem. Vor allem von Freun<strong>den</strong>,<br />

Arbeitskollegen, sogar <strong>den</strong> eigenen<br />

Eltern. Und in der Tat: wer<br />

darüber spricht, wird in <strong>den</strong> meisten<br />

Fällen ausgelacht. Kurz um:<br />

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein<br />

Mann, der von seiner eigenen Frau<br />

geschlagen wird, sich Hilfe sucht,<br />

geht gegen Null. „Deshalb gibt es<br />

wesentlich mehr Fälle von häuslicher<br />

Gewalt, in <strong>den</strong>en Männer das<br />

Opfer sind, als viele glauben.“<br />

Probleme wer<strong>den</strong><br />

verschwiegen<br />

Ian Pye ist gerade dabei, seine<br />

Doktorarbeit fertigzuschreiben.<br />

Sie handelt vom Verhalten älterer<br />

Männer. Und sie erklärt anhand<br />

vieler Aspekte eindrucksvoll, warum<br />

Männer, die Opfer häuslicher<br />

Gewalt sind, die Tortur über Jahre<br />

und Jahrzehnte hinweg totschweigen.<br />

Mit <strong>den</strong> eigenen Kindern darüber<br />

re<strong>den</strong>? „Unwahrscheinlich,<br />

weil ein Vater sein Kind nicht damit<br />

belasten möchte.“ Mit der eigenen<br />

Frau? „Sie ist in der Regel der<br />

erste und meist einzige Ansprechpartner<br />

<strong>für</strong> Probleme des Mannes,<br />

aber in diesem Falle ja der<br />

Täter.“ Mit Eltern, Freun<strong>den</strong> und<br />

Bekannten re<strong>den</strong>? „Die Angst, von<br />

<strong>den</strong> eigenen Leuten bloßgestellt<br />

zu wer<strong>den</strong>, ist in <strong>den</strong> allermeisten<br />

Fällen tatsächlich zu groß.“<br />

Und alles nur, weil das Bild des<br />

Mannes in der Öffentlichkeit völlig<br />

falsch dargestellt wird? „Rein biologisch<br />

betrachtet unterschei<strong>den</strong><br />

sich Mann und Frau viel weniger,<br />

als von der breiten Masse wahrgenommen.“<br />

Sie haben die gleichen<br />

Sorgen, die gleichen Krankheiten,<br />

ähnliche Stärken und Schwächen.<br />

Nur gehen sie unterschiedlich mit<br />

gleichen oder ähnlichen Dingen<br />

um. Schlägt ein Mann seine Frau,<br />

ruft diese womöglich ihre beste<br />

Freundin an und leitet damit automatisch<br />

erste hilfreiche Maßnahmen<br />

ein. Der Mann dagegen<br />

Ian Pye hat sich auf die Therapie von Männern spezialisiert. Aktuell<br />

schreibt er eine Doktorarbeit über das männliche Verhalten im Alter.<br />

würde sich <strong>für</strong> diesen Anruf bei<br />

einem Kumpel – Männer haben<br />

ohnehin nur selten richtig enge<br />

Freunde, mit <strong>den</strong>en sie über alles<br />

re<strong>den</strong> – in Grund und Bo<strong>den</strong> schämen.<br />

Heißt: Während Frauen mehr<br />

dazu tendieren, sich Probleme von<br />

der Seele zu re<strong>den</strong>, schweigen sich<br />

Männer aus, um das in der Öffentlichkeit<br />

dargestellte Bild „des coolen,<br />

starken Typen von nebenan“<br />

aufrechtzuerhalten.<br />

Darum sterben<br />

Männer früher<br />

Englische Wissenschaftler haben<br />

sich mit der allgemein bekannten<br />

Tatsache auseinandergesetzt, dass<br />

Männer durchschnittlich früher<br />

sterben als Frauen. Sie fan<strong>den</strong> heraus,<br />

dass vor allem Männer im Alter<br />

zwischen 18 und 64 Jahren <strong>den</strong><br />

Schnitt von männlichen Verstorbenen<br />

nach unten drücken – also<br />

Männer, die nicht altersbedingt<br />

sterben, sondern ohnehin viel zu<br />

früh aus dem Leben gerissen wer<strong>den</strong>.<br />

Es gibt viele junge männliche<br />

Unfalltote, weil Fahranfänger die<br />

PS ihres Motorrades oder Autos<br />

ausreizen möchten, um vor anderen<br />

lässig dazustehen. Männer<br />

rauchen und trinken wesentlich<br />

mehr als Frauen, weil sie meinen,<br />

als „stärkeres“ Geschlecht es sich

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