Altlandkreis Ausgabe Juli/August 2018 - Das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel
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Stolz präsentieren die<br />
Hohenpeißenberger Landfrauen<br />
ihren Kräuterstamm.<br />
Einige Ausflügler kamen vorbei,<br />
zeigten sich überrascht von diesem<br />
besonderen Brauch am Bayerischen<br />
Rigi und bemerkten <strong>den</strong><br />
intensiven Geruch in der Garage.<br />
Auch Goldrute, Zitronenmelisse,<br />
Lavendel oder die bunten Blumen<br />
dazwischen wandelten die Garage<br />
wahrlich in eine Kräuterküche.<br />
Die Frauen arbeiteten dabei sehr<br />
strukturiert, einige schnitten das<br />
Material zunächst auf gut zehn<br />
Zentimeter Länge, andere legten<br />
es zu kleinen Büscheln zusammen<br />
und Silvia Bauer befestigte zusammen<br />
mit Karin Graf die gereichten<br />
Kräuter in 26 Ringen schließlich<br />
am Stamm. Mehr als fünf Rollen<br />
Draht haben die bei<strong>den</strong> eingesetzt,<br />
bis der schöne Kräuterstamm mit<br />
Sonnenblumen und Maisblättern<br />
seinen Abschluss fand. Als der<br />
Kräuterstamm fertig war, wurde er<br />
umgehend in der Wallfahrtskirche<br />
aufgestellt und vor dem Aufräumen<br />
gönnten sich die Frauen eine kleine<br />
Kaffeepause.<br />
Der Frauentag im<br />
katholischen Bayern<br />
Seit dem siebten Jahrhundert feiert<br />
die katholische Kirche <strong>den</strong> 15.<br />
<strong>August</strong> als die Aufnahme Mariens<br />
in <strong>den</strong> Himmel. In Bayern ist er nur<br />
noch in <strong>den</strong> Gebieten mit überwiegend<br />
katholischer Bevölkerung ein<br />
arbeitsfreier Feiertag. Eine Legende<br />
besagt, dass die Apostel bei der<br />
Grabesöffnung Mariens keinen<br />
Leichnam vorfan<strong>den</strong>, da<strong>für</strong> soll die<br />
Grabstelle mit Blumen bedeckt und<br />
ein „wundersamer Kräuterduft“<br />
<strong>den</strong> Raum erfüllt haben. Dadurch<br />
ist der Brauch der Kräuterbuschen<br />
etwa im zehnten Jahrhundert entstan<strong>den</strong>.<br />
Früher wurde darauf geachtet,<br />
dass eine magische Anzahl<br />
an Kräutern, etwa sieben <strong>für</strong> die<br />
Wochen- oder Schöpfungstage,<br />
neun (dreimal die Dreifaltigkeit),<br />
zwölf (Zahl der Apostel) bis hin<br />
zu 77 oder 99 Kräutern im Strauß<br />
beinhaltet waren. Die geweihten<br />
Kräuter wur<strong>den</strong> bei Krankheiten<br />
<strong>den</strong> Menschen zu Tee aufgebrüht,<br />
<strong>den</strong> Tieren ins Futter gemischt oder<br />
bei Blitz und Unwettern im Ofen<br />
verbrannt. Im Volksmund heißt der<br />
Feiertag „Frauentag“, welchen die<br />
Hohenpeißenberger Landfrauen<br />
noch besonders pflegen. Zahlreiche<br />
Kräuterbuschen und -sträuße<br />
in unterschiedlichster Machart<br />
wur<strong>den</strong> vor dem Gottesdienst zum<br />
Altar getragen.<br />
Salbei, Ringelblume<br />
und Schafgarbe<br />
Und da 2017 der große Kräuterstamm<br />
in der Wallfahrtskirche<br />
stand, gab Silvia Bauer auch ein<br />
paar Erläuterungen zu diesem<br />
Brauch. „Nach altem Volksglauben<br />
blühen die Kräuter in dieser Zeit am<br />
schönsten und sind am heilkräftigsten“,<br />
sagte sie unter anderem.<br />
Trachtenkinder brachten anschließend<br />
die neun wichtigsten Kräuter<br />
zum Altar. Diese sind Königskerze,<br />
Johanniskraut, Kamille, Ringelblume,<br />
Salbei, Holunder, Schafgarbe,<br />
Ysop und Pfefferminze.<br />
Beeindruckt von diesem gelebten<br />
Brauchtum zeigte sich Pfarrer Dr.<br />
Robert Kröpfl, der erstmals die<br />
Segnung der Kräuter in der Wallfahrtskirche<br />
vornehmen durfte. Er<br />
selbst hat ebenfalls eine enge Bindung<br />
zu Mariae Himmelfahrt, <strong>den</strong>n<br />
es ist sein Geburtstag und so wurde<br />
nach der feierlichen Messe noch<br />
zu einem kleinen Empfang vor der<br />
Wallfahrtskirche gela<strong>den</strong>.<br />
rg<br />
juli / august <strong>2018</strong> | 59