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20 BunDESLIGA<br />
fortsetzung von Seite 19<br />
setzten, auf jeden Fall den Rückstand<br />
zu den Champions-League-<br />
Plätzen aufholen zu müssen. Der<br />
Berufsanfänger Keller sollte also im<br />
Handumdrehen wiedergutmachen,<br />
was sein renommierter Vorgänger<br />
in den Augen der Klubführung<br />
verbockt hatte. und schließlich<br />
bekam Keller eine Mannschaft<br />
an die Hand, die sich zwar gerne<br />
pflegeleicht gibt, aber viel zu wenig<br />
sportlichen Zusammenhalt<br />
aufweist. Die Reaktionen der Profis<br />
Kurzes Hallo: Trainer Mike Büskens (hier mit S04-<br />
Manager Horst Heldt) siegte mit Fürth auf Schalke.<br />
Kommentar<br />
von kicker-Chefredakteur Jean-Julien Beer<br />
Die fünf Schalker Probleme<br />
chalke steckt in<br />
Sder Klemme.<br />
nicht nur wegen der<br />
niederlage gegen<br />
den Tabellenletzten<br />
Fürth. Sondern<br />
wegen der Probleme, die sich inzwischen<br />
türmen. Probleme, die nicht<br />
erkannt oder nicht gelöst wurden.<br />
Problem 1: Der Kader. In der Breite<br />
fehlt es extrem an Qualität, in<br />
der Spitze an Mentalität. Im Vergleich<br />
zur nationalen Konkurrenz<br />
hat Schalke hier gravierende Fehler<br />
begangen. Vor Magath. Mit Magath.<br />
und nach Magath. Selten war ein<br />
Schalker Kader fehlerhafter besetzt.<br />
Problem 2: Die Leistung. Taktisch<br />
sind selbst die Mittelklasse-Klubs<br />
der Liga den Königsblauen inzwischen<br />
enteilt. Gemessen an Anspruch<br />
und Investitionen der Schalker<br />
vernichtend. Der Formverfall<br />
gleich mehrerer Leistungsträger<br />
gibt Anlass für grundsätzliche Fragen<br />
– in alle Richtungen.<br />
Problem 3: Der Trainer. Jens Keller<br />
wurde, kurz vor der Winterpause,<br />
zu einem undankbaren Zeitpunkt<br />
installiert. Er konnte aber seither<br />
auf den nächsten Tiefpunkt gegen<br />
Fürth waren entlarvend. Jermaine<br />
Jones (31) beklagte, zwar durchaus<br />
treffend, die permanente unruhe<br />
von Außen. Doch lässt er dabei<br />
völlig die Verantwortung der Spieler<br />
außer Acht, gerade solch kritische<br />
Situationen mannschaftlich<br />
geschlossen zu bestehen. Durch<br />
besondere Leidenschaft fiel außer<br />
Kapitän Benedikt Höwedes (24)<br />
keiner auf. Lobreden auf Keller wie<br />
von Roman neustädter (24, „wir<br />
trainieren sehr gut“) sind da peinliche<br />
Lippenbekenntnisse. Dass neustädter<br />
dem Team<br />
auch noch „eine<br />
gute Spielanlage“<br />
attestierte, wirft die<br />
Frage auf, ob mancher<br />
in seiner ganz<br />
eigenen Welt vor<br />
sich hinwurstelt.<br />
Genau hier muss<br />
aber auch die Kritik<br />
an Keller ansetzen.<br />
Selbst nach dem<br />
Debakel gegen den<br />
Letzten lobte der<br />
Coach seine Trup-<br />
pe als „intakt“,<br />
schwärmte von<br />
„richtig guter Trai-<br />
weder Aufbruchstimmung erzeugen<br />
noch den Trend stoppen.<br />
Problem 4: Die Identifikation.<br />
Dass die Fans ihre einstigen<br />
Helden Mike Büskens und Gerald<br />
Asamoah feiern, ist nicht<br />
schlimm, sondern Schalker Kultur.<br />
Zu erfolgreicheren Zeiten bediente<br />
Schalke nicht nur Konten,<br />
sondern Emotionen. Mentalität<br />
schlug Qualität. Das war keine<br />
Folklore, sondern eine Strategie.<br />
Diese Vergangenheit kühl hinter<br />
sich zu lassen, statt sie als Basis<br />
für eine bessere Zukunft zu nutzen,<br />
war in der neuzeit bisher<br />
noch kein tauglicher Weg.<br />
Problem 5: Die fehlende Idee.<br />
Einfach so weiterwurschteln war<br />
unter Clemens Tönnies noch nie<br />
eine Lösung. Schalke braucht<br />
dringend eine Vision, wie es ab<br />
Sommer weitergehen soll. Zum<br />
Beispiel eine richtungsweisende<br />
Personalie. Die Summe unglücklicher<br />
oder falscher Entscheidungen<br />
reicht aus, sich als dritte Kraft<br />
im Land abzuschaffen. Aus den<br />
Schalker Möglichkeiten kann und<br />
muss man mehr machen.<br />
ningsarbeit“. Damit nährt er selbst<br />
den Verdacht, nicht genügend Autorität<br />
zu besitzen, um die Stars<br />
auch mal mit harter Hand zu führen.<br />
Kellers Dilemma gipfelt letztlich<br />
darin: Ein Trainer, den sein<br />
Team aus welchen Gründen auch<br />
immer im Stich lässt, hat seinen<br />
Job verfehlt. Mag das auch noch so<br />
ungerecht erscheinen. Kellers Chef<br />
und Förderer Horst Heldt (43) will<br />
davon (noch) nichts wissen: „Ich<br />
handle nicht gegen meine Überzeugung.<br />
Jens leistet gute Arbeit.<br />
Er wird bis Saisonende sicher unser<br />
Trainer bleiben.“ Zu glauben, solche<br />
WieSe und hoffenheiM<br />
Schnelle<br />
Wende.<br />
Aber<br />
kein Ende. 29.<br />
1Am Sonntag übte er im Kraftraum,<br />
am Dienstag soll er laut Plan<br />
wieder mit dem Team auf dem Trainingsplatz<br />
stehen – Tim Wiese (31)<br />
ist schneller wieder da, als viele es<br />
vermutet haben. „Aus Schutz“ vor<br />
dem „unmenschlichen Druck“, so<br />
die Begründung von Hoffenheims<br />
Coach Marco Kurz und Manager<br />
Andreas Müller, war er aus dem<br />
Kader genommen worden. Doch<br />
Wiese will sich nicht verstecken,<br />
sondern kämpfen. Schon am<br />
Neuer Winter-Rekord<br />
Nie holten die 18 Bundesligisten in der Wintertransferperiode<br />
mehr Spieler als in dieser Saison.<br />
Allerdings floss deutlich weniger Ablöse als in den<br />
beiden Vorjahren.<br />
Saison Zugänge Mio. Abgänge Mio.<br />
2012/13 46 38,525 51 22,810<br />
2011/12 39 45,030 49 30,670<br />
2010/11 35 52,250 58 70,950<br />
2009/10 36 15,750 63 6,960<br />
2008/09 41 21,225 61 32,900<br />
2007/08 45 47,370 49 19,620<br />
2006/07 25 16,725 35 7,600<br />
2005/06 30 12,775 46 2,400<br />
2004/05 34 9,185 47 8,365<br />
2003/04 30 6,685 48 1,620<br />
Treueschwüre hätten bei anhaltendem<br />
Misserfolg kein Verfallsdatum,<br />
wäre jedoch grenzenlos naiv.<br />
Derweil dämmert Heldt, dass<br />
weniger die Besetzung des Trainerpostens<br />
das grundsätzliche<br />
Problem sein könnte als die Zusammensetzung<br />
des Teams. Für beides<br />
ist hauptsächlich der Manager verantwortlich.<br />
Womöglich hatte Heldt<br />
auch das im Kopf, als er formulierte:<br />
„Ich darf mich nicht selbst belügen.“<br />
Dem Sportvorstand ist dabei weniger<br />
der Kader an sich vorzuhalten,<br />
den er parallel zur finanziellen Konsolidierung<br />
zusammengestellt hat.<br />
Februar 2012: Wiese bei<br />
seinem sechsten Länderspiel.<br />
Samstag, als die Kollegen einen<br />
erlösenden 2:1-Sieg über Freiburg<br />
feierten, zeigte er sich vor dem Spiel<br />
demonstrativ am Geländer über der<br />
Pressetribüne. Später ging er wie<br />
Mäzen Dietmar Hopp (72) in die<br />
Kabine um zu gratulieren. Vom kicker<br />
auf die für ihn vermeintlich<br />
schwierige Situation angesprochen,<br />
entgegnete Wiese lachend: „Wieso<br />
schwierig? Meine Situation ist<br />
überragend, ganz entspannt. Ich<br />
habe doch ein schönes Leben – im<br />
Gegensatz zu euch.“<br />
Es ist wie so oft, Wiese<br />
lässt nicht hinter seine<br />
coole Fassade blicken.<br />
Dabei dürfte es tief in<br />
seinem Innern brodeln.<br />
Drei der vier Saisonsiege<br />
fuhr Hoffenheim nun<br />
schon ohne ihn ein.<br />
Gegen Freiburg musste<br />
er von der Tribüne aus<br />
mit ansehen, wie der<br />
neue Torwart Heurelho<br />
Gomes (31) zumindest<br />
im ersten Spiel all das<br />
schaffte, was Wiese vorher<br />
über Monate fast nie<br />
gelungen war: Sicherheit<br />
auszustrahlen auf die