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zunehmende Verminderung des Lichts.<br />
Zunehmendes Licht ist abnehmendes<br />
Dunkel – und umgekehrt.<br />
? Gibt es eine tageszeit, in der Sie<br />
am liebsten arbeiten?<br />
! Ja, bildnerisch nach der Mittagszeit<br />
bis abends um zehn. Und vormittags eher<br />
am Schreibtisch oder im Garten.<br />
? Sie sagten einmal: „ich wollte<br />
immer alt werden.“<br />
! Ich wollte nicht. Ich will! Das Eigentliche<br />
ist noch nicht getan.<br />
? ist das wichtigste werk noch nicht<br />
geschaffen?<br />
! Das eigentliche Werk ist das Gesamte, wo<br />
im Ganzen das Einzelne erkennbar bleibt.<br />
„daS eiGentliche iSt<br />
noch nicht Getan.“<br />
? kommen wir zu ihrer arbeitsweise<br />
ganz konkret. ich finde, wenn man sich<br />
als Betrachter einem werk nähert, sollte<br />
man den arbeitsabstand des künstlers<br />
zur leinwand einhalten, um zu fühlen,<br />
was ihn dabei bewegt und gezwungen hat.<br />
! Jeder Schritt zurück, den der Künstler<br />
vor seinem Werk tut, ist der Abgrund. Man<br />
darf nie vor seinem Werk zurücktreten,<br />
um eine Korrektur anzubringen. Dieses<br />
vor und zurück ist eine alte Praxis, die auf<br />
Korrekturen beruht, in dem Sinne, dass der<br />
Künstler eine bestimmte Vorstellung hat, die<br />
er verwirklichen will und für die er dauernd<br />
seine Arbeit korrigiert. Dabei verfälscht er<br />
sich über viele Schritte hinweg. Was ja auch<br />
ein interessanter Prozess ist. Gerade habe<br />
ich die Willem de Kooning-Ausstellung in<br />
New York gesehen: erschütternd, existenziell<br />
ringend – er und die Malerei. Er ist der Stier<br />
und der Torero zugleich, ringend um diese<br />
„Women Faces“, dieses Zahn-orientierte<br />
Lachen.<br />
? ringen Sie auch mit der leinwand?<br />
! Ich ringe schon mit dem Material. Es<br />
wird ja nicht nur eine Leinwand gespannt<br />
oder auf eine Holzplatte aufgebracht,<br />
sondern verwurschtelt. Es geschieht auf dem<br />
flachen Boden oder hängend oder gespannt.<br />
Das Material wird so behandelt, wie man<br />
früher die Wäsche gewaschen hat, wo die<br />
Frauen noch am Fluss die Wäschestücke<br />
auf den Stein geschlagen haben: die<br />
Verlorenheit des Jüngferlichen in der<br />
Aussage als Hervorbringung von Ausdruck.<br />
Da ist der Ausdruck in seiner Präsenz<br />
erfahrbar.<br />
? hören Sie dabei musik?<br />
! Nein, nein. Wenn Sie mich sehen<br />
könnten, wie ich arbeite, dann würden Sie<br />
denken, wie mein Vater sagte: „Der Junge<br />
ist nicht ganz normal.“ Wenn ich arbeite,<br />
arbeite ich sehr intensiv – auch immer<br />
allein in Obsession und erwecke mich dann<br />
aus diesem Zustand, der manchmal auch<br />
der Endzustand des Bildes ist. Aber das<br />
hat etwas Manisch-Konvulsivisches. Das<br />
geschieht in einer großen Geschwindigkeit<br />
und ist wie eine platzende Kaugummiblase,<br />
die in die Zeit hinausplatzt. Der Atem, der<br />
in die Zeit und den großen Raum platzt. Es<br />
sind ganz große Selbsterfahrungen auf den<br />
Spuren der sichtbar werdenden Erinnerung.<br />
Darin offenbart sich etwas, von dem ich<br />
sage: „Das ist also in mir.“<br />
Damit muss man ja erst mal umgehen –<br />
ohne Korrektur – und sagen: „Ah, da könnte<br />
man im Sinne einer Vorstellung von Kunst<br />
korrigieren, was es werden soll.“<br />
Diesen Prozess sehr konzentriert<br />
durchzuhalten, dauert Stunden, Tage<br />
manchmal auch nur wenige Zeit. Und<br />
Spirale 2008, 90 x 90 cm,<br />
Nägel, Latex, Leinwand, Holz