active
active
active
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
es die Oberkatastrophen, wie zum<br />
Beispiel die Erdbebenkatastrophe in<br />
Japan, die gleichzeitig auch mit einer<br />
Reaktorkatastrophe verbunden war,<br />
damit ein Umdenken einsetzt. Bei der<br />
Finanzkrise 2008 dachte man, es habe sich<br />
im Anschluss vieles verändert. De facto<br />
hat es das aber nicht getan, weder an<br />
den Kontrollmechanismen noch an den<br />
Mechanismen der Finanzinstitutionen.<br />
Schneller Erfolg, die Gier nach mehr, hohe<br />
und höchste Renditen, Rücksichtslosigkeit,<br />
kurzfristiges Denken herrschen vor. Und<br />
dieses wird begründet mit „Systemzwang“.<br />
? müssen wir Bürger uns gefallen<br />
lassen, wie eine kleine Schar<br />
höchstdotierter angehöriger einer<br />
finanzelite kokainrauschgleich die<br />
Grundwerte eines funktionierenden<br />
wirtschaftslebens ruinieren?<br />
Ralf Kaspers, Frankfurter Bõrse, 2008<br />
! Die Bürger, teilweise auch die Medien<br />
und natürlich auch die Politik stehen dem<br />
ohnmächtig gegenüber. Wir lassen uns vom<br />
Primat des Geldes und des Marktes zu sehr<br />
beeinflussen. Es gibt nach wie vor keine<br />
Personen und Institutionen, die hier Titfor-Tat<br />
sagen und handeln. Mehrere Punkte<br />
kommen dabei zusammen:<br />
• Das Phänomen Too-Big-to-Fail: Wir<br />
haben Institutionen, wie zum Beispiel<br />
Banken, bei denen man sich sagt, sie<br />
seien zu groß, als dass sie untergehen<br />
dürften, weil sonst das gesamte System<br />
zusammenbricht.<br />
• Der Lobbyismus der Banken und<br />
Finanzinstitutionen und deren Ignoranz.<br />
• Und das internationale Spiel, bei dem<br />
nationale Politik und nationale Alleingänge<br />
machtlos sind.<br />
Ich wünschte, ich könnte sagen: „Die Bürger<br />
müssen sich gar nichts gefallen lassen.“ Aber<br />
sie sind hilflos. Gefragt ist die Führung<br />
in der Politik und zwar sowohl national<br />
wie international in Form gemeinsamen<br />
Handelns. Gefragt ist aber auch Führung<br />
an den Universitäten, wo hochrangige<br />
Wissenschaftler sich mehr positionieren<br />
müssen. Aber von denen hört man ja, von<br />
Ausnahmen abgesehen, nichts.<br />
? deswegen ist es ja schon mal gut,<br />
wenn Sie jetzt die Stimme erheben.<br />
! Einen Aha-Effekt hatte ich durch den<br />
Beitrag von Frank Schirrmacher in der<br />
FAZ, in dem er sagte, er glaube, dass die<br />
Linken Recht hatten und dass die so genannten<br />
Reichen unser Wirtschaftssystem<br />
kaputtmachen (siehe ders., „Ich beginne<br />
zu glauben, dass die Linke recht hat”, in:<br />
FAZ.NET vom 15. 8. 2011). Ich glaube, da<br />
ist etwas Wahres dran. Wobei ich die Lage<br />
noch wesentlich dramatischer einschätze.<br />
Es bricht ja noch viel mehr über das<br />
bürgerliche Lager herein.<br />
Bedenken Sie doch einmal, wie viele<br />
Kehrtwendungen in der jüngsten Vergan-<br />
genheit stattgefunden haben. Die Mitglieder<br />
der bürgerlichen Schicht gingen doch bisher<br />
eigentlich davon aus, dass sie die Guten<br />
sind, die nicht betrügen. Und plötzlich<br />
wurde einem Freiherrn zu Guttenberg genau<br />
das Gegenteil nachgewiesen. Und mit ihm<br />
einigen weiteren Vertretern des politischen<br />
Lebens. Sie alle hatten sich akademische<br />
Würden erschummelt.<br />
Ein anderes Beispiel ist die Atompolitik.<br />
Da haben die meisten Anhänger konservativer<br />
Parteien über Jahrzehnte hinweg<br />
allen, die es hören wollten – oder auch nicht<br />
– vorgebetet, diese Technologie sei sicher,<br />
ohne Risiko und würde die Energiefrage für<br />
die Zukunft nachhaltig sichern. Und dann<br />
passiert Fukushima und die Konservativen<br />
müssen sich fragen, ob die Anti-Atomkraft-<br />
Aktivisten nicht doch Recht hatten.<br />
Und zum Schluss – zumindest hoffe<br />
ich, dass das der Schluss ist – stellt sich die<br />
Frage, ob der Markt wirklich alles so viel<br />
besser regeln kann oder ob nicht doch nur<br />
einige wenige superreich werden und der<br />
Mittelstand nichts davon hat, sondern in die<br />
Röhre schaut und verarmt.<br />
? was verstehen Sie unter dem<br />
„bürgerlichen lager“ oder den<br />
„konservativen“?<br />
! Konservativ bedeutet für mich, ein<br />
gefestigtes Wertegerüst zu haben, von dem<br />
aus man neue Entwicklungen beurteilt<br />
und im Prinzip begrüßt, sofern diese<br />
Neuerungen in Einklang zu bringen sind<br />
mit diesem Wertegerüst. Aber da liegt<br />
aus meiner Sicht der Hase nur allzu oft<br />
im Pfeffer. Es wird zu wenig klar und zu<br />
wenig überlegt auf richtige Neuerungen<br />
eingegangen, sie durchdacht und integriert.<br />
Im Gegenteil: Erst wird zu lange im Alten<br />
verharrt und dann, wenn es gar nicht<br />
mehr anders geht, aktionistisch „gehudelt“,<br />
wie der Bayer sagt. Manchmal aber wird<br />
auch gar nichts getan, obwohl dringender<br />
Handlungsbedarf besteht. Das gilt vor