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die linke. münster - Draußen

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Bericht | Text: Lisa Haalck | Foto: Sigi Nasner<br />

„Mission possible“<br />

Erfolgsmodell Bahnhofsmission<br />

Sie ist für kleine und große Probleme<br />

da, hilft jenen, <strong>die</strong> sich verlaufen oder<br />

verletzt haben oder verwirrt sind, <strong>die</strong><br />

ihren Fahrschein verloren haben oder<br />

einfach nur ein Ohr zum Zuhören brauchen:<br />

<strong>die</strong> Bahnhofsmission Münster.<br />

Unsere Praktikantin Lisa Haalck wollte<br />

es genauer wissen und berichtet über<br />

<strong>die</strong> „blauen Engel“ von Gleis 12.<br />

_Münster Hauptbahnhof. Gleis 12. Gut zu<br />

erreichen. Mittendrin. Die Tür des kleinen<br />

Backsteinhäuschens lässt sich kaum<br />

öffnen, denn dahinter stehen 5 Männer<br />

geduldig vor einem kleinen Fensterchen<br />

in einem kurzen Flur. Rechts ein grüner<br />

quadratischer Raum mit ein paar Tischen,<br />

einer besetzt. Der Mann vor mir lacht<br />

mich an und drückt mir seine gelbe Tasse<br />

mit dampfendem Kaffee in <strong>die</strong> Hand.<br />

Ein freundliches Gesicht erscheint am<br />

Fenster und bittet mich in <strong>die</strong> Küche.<br />

„Dorothea, dein Gast ist da!'' Hier ist es<br />

warm und heimelig; Geschirr klappert,<br />

Stimmengewirr und Kaffeeduft. Eine<br />

junge Frau belegt Brötchen, eine Ältere<br />

unterhält sich.<br />

_Dann sitzt sie vor mir: Dorothea Büker.<br />

Seit 10 Jahren arbeitet sie schon hier,<br />

seit fast 3 Jahren leitet sie <strong>die</strong> Bahnhofsmission<br />

Münster. Das Tonbandgerät<br />

läuft und sie beginnt zu erzählen. Ihre<br />

Augen leuchten. „Der Schwerpunkt der<br />

Bahnhofsmission ist das Gespräch: <strong>die</strong><br />

direkte, vorbehaltlose, menschliche<br />

Begegnung“ heißt es in dem gelben Flyer,<br />

den sie mir in <strong>die</strong> Hand drückt. „Der<br />

Becher Kaffee ist immer und egal mit<br />

wem ein Einstieg zum Gespräch, eine<br />

Einladung und Frage: Was kann ich für<br />

Sie tun?'' , erklärt mir Dorothea. Genauso<br />

empfinde ich auch meine Tasse Kaffee<br />

und fühle mich sehr eingeladen!<br />

_“Für wen ist <strong>die</strong> Bahnhofsmission da?“<br />

Und während ich das frage und mich<br />

umsehe, habe ich das Gefühl, sie ist<br />

genauso für mich wie für den Mann, der<br />

sein Hab und Gut in einer Plastiktüte<br />

über den Bahnsteig trägt, <strong>die</strong> junge<br />

Mutter, <strong>die</strong> ihr Baby stillen möchte, <strong>die</strong><br />

irritierte ältere Dame, <strong>die</strong> ihren Zug verpasst<br />

hat. Oder den jungen Geschäftsmann,<br />

der neulich mit einem losen<br />

Knopf an seinem Anzug vor einem wichtigen<br />

Vorstellungsgespräch gekommen<br />

war. „Gut, dass ich da war an dem Tag,<br />

<strong>die</strong> jungen Mitarbeiter können vielleicht<br />

gar nicht nähen'', lacht Dorothea. ,,Die<br />

Bahnhofsmission ist offen für jeden. Jeder<br />

ist willkommen mit seinem Anliegen<br />

- gleichwertig, ohne Anmeldung, ohne<br />

Einschränkung, ganz unverbindlich,<br />

gratis und für den Hilfesuchenden anonym.<br />

Man wird hier als Gast willkommen<br />

geheißen. Dorothea betont das<br />

Wort „Gast“: Die Menschen kommen,<br />

verweilen und gehen - und kommen<br />

vielleicht noch einmal wieder. Oder<br />

zweimal. Und das seit nun mehr als 100<br />

Jahren an 100 Bahnhöfen in Deutschland.<br />

Ähnliche Einrichtungen gibt es<br />

auch in Österreich, der Schweiz und<br />

Frankreich; da wird dann sogar grenzübergreifend<br />

gearbeitet. Ich bin beeindruckt.<br />

Das Ziel der Bahnhofsmission hat<br />

sich in den vergangenen 100 Jahren<br />

nicht geändert. Damals wie heute kommen<br />

Menschen in <strong>die</strong> Bahnhofsmission,<br />

<strong>die</strong> Hilfe brauchen! Ein ruhiger, trockener<br />

Ort zum Warten, ein offenes Ohr, ein<br />

Butterbrot und eine Tasse Kaffee, eine<br />

helfende Hand, ein Pflaster, Reisebegleitung<br />

für alleinreisende Kinder, ältere<br />

Menschen oder Menschen mit Behinderungen,<br />

egal ob mit Rollstuhl, Gepäckwagen<br />

oder Hebebühne. Jeder Tag<br />

bringt andere Menschen, andere Fragen,<br />

andere Anliegen. Die Bahnhofsmission<br />

hilft bei akuten Nöten genauso wie bei<br />

existenziellen Notlagen. Sie erkennt sehr<br />

früh Veränderungen in der Sozialpolitik,<br />

denn sie ist Knotenpunkt im Netz der<br />

Sozialen Arbeit und macht darauf aufmerksam.<br />

Mittlerweile kommen auch<br />

viele arbeitslose Männer und Frauen<br />

mittleren Alters zum Gleis 12. Viele schämen<br />

sich, wollen keine Hilfe, sondern<br />

nur ein Butterbrot, weil einfach das<br />

Geld für's Essen nicht reicht. Und es<br />

sind viele, <strong>die</strong> zu essen haben wollen<br />

und das, obwohl <strong>die</strong> Bahnhofsmission<br />

keine Essensausgabestelle ist. Aber im<br />

Leitbild der Bahnhofsmission steht,<br />

dass hungrigen Menschen etwas zu<br />

essen gegeben wird, also werden sie<br />

eingeladen zu essen.<br />

_Eine etwa 30-köpfige Gruppe von ehrenamtlichen<br />

Mitarbeitenden ist zur Zeit<br />

blaue Orientierung im tristen, trubeligen<br />

Bahnhofsgrau in Münster. Viele Menschen<br />

unterstützen <strong>die</strong> Bahnhofsmission<br />

mit ihren persönlichen Fähigkeiten<br />

und Möglichkeiten. Das Hilfesystem ist<br />

sehr umfangreich, <strong>die</strong> Aufgaben vielseitig;<br />

der Umgang mit den vielen, verschiedenen<br />

Menschen bereichernd.<br />

„Wenn <strong>die</strong> Menschen reden, sich anvertrauen,<br />

ist da ganz schnell eine Vertrauensbasis<br />

„, sagt Dorothea. Manchmal<br />

kann <strong>die</strong> Arbeit aber auch sehr<br />

belasten und man muss immer auf eine<br />

gewisse Distanz zu den Gästen achten,<br />

um professionell handeln zu können.<br />

_Was muss ich als Mitarbeiter mitbringen?<br />

Engagement und eine gewisse<br />

soziale Begabung. „Guten Tag“ und<br />

„Guten Weg“ zu wünschen sollte einem<br />

nicht schwer fallen. Die persönliche<br />

Einarbeitungszeit wird sehr ernst genommen.<br />

„Hier gibt es keine Rangordnung.<br />

Alle arbeiten gleichberechtigt ne-<br />

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