Weihnachtspfarrbrief 2004 - Pfarramt St. Christophorus
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selbst, noch seine Vasallen und dem Volk<br />
zuvor Kunde zu geben.<br />
Da war ein großes Wehklagen und vielerlei<br />
Unverständnis im Lande. Wieso<br />
denn der König gehen musste, wer denn<br />
nun König anstelle des Königs sein müsse,<br />
und so fort? Der Hofstaat, gelernte Minister<br />
und Advokaten, Hofnarren und<br />
Edelfrauen, vielerlei Fähigkeiten versammelt<br />
auf engstem Raum, aber beruhigten<br />
das Volk und sprachen: „Das Land ist gut<br />
bestellt.“ Kommt und seht und ihr werdet<br />
finden eine Idee von Regierung, die allen<br />
gut tut und der Wahl eines neuen Königs<br />
höchst förderlich sei.“ Derlei gab es viel<br />
Disputation und Reformation. Die Aufgaben<br />
des Königs lagen auf vielen wohl gestärkten<br />
Schultern, das Land erblühte erneut<br />
in Erinnerung an den alten König und<br />
in Erwartung eines neuen.<br />
Bald kam Nachricht nicht von der Ruhr,<br />
sondern von dem mächtigen Haus,<br />
das in der Nähe des Sees der Aa liegt.<br />
„Wohlan, hier ist ein Neuer, so ihr alle<br />
wollt, werde das euer Neuer!“ Gesagt und<br />
beraten hinter dicken Mauern aus <strong>St</strong>ein,<br />
fiel ein Wort des Dankes und doch sprach<br />
man gegenseitig: Jeder gehe seinen eigenen<br />
Weg, denn das Los führe nicht zusammen.<br />
Das Mauerwerk hielt dicht, nicht aber<br />
die ehrwürdige Tafelrunde und im<br />
Reich des alten Königs reichten die Porzellanläden<br />
und die Zoos kaum aus, den<br />
Nachschub für Scherben und Elefanten zu<br />
liefern. Eine schwere Zeit für den Hofstaat<br />
23<br />
Weihnachten <strong>2004</strong><br />
brach an, gefüllt mit reichlich Besenarbeit,<br />
denn irgendeiner musste ja die Spuren von<br />
Tier und Geschirr beseitigen.<br />
Und wieder kam Kunde, nicht in Westfalen<br />
angezeigt, sondern von der festen<br />
Burg Überwasser. Hurra es lebe der<br />
neue König, ein Prinz von <strong>St</strong>atur und passender<br />
Natur, den nehmt und gehabt euch<br />
wohl, denn so bleibt ihr stark und eure<br />
Landesnachbarn werden erblassen! Allein:<br />
der so erwählte Prinz erblasste und<br />
das nicht nur einmal. Über diesen Farbwechsel<br />
kam allerdings nicht die Regenbogenpresse<br />
ins Geschäft, sondern wieder<br />
trieben es andere zu bunt. Und wöchentlich<br />
schaute der Hofstaat in die Postillen,<br />
um über sich das Neueste zu erfahren.<br />
So denn berieten die BeraterInnen und<br />
meinten: Nur ein guter König ist ein<br />
guter König, und: Gut Ding will Zeit haben,<br />
und überhaupt: Lebt das Land vom<br />
Herrn allein oder gibt es da nicht auch die<br />
Frohe Kunde, das Testament, das auch der<br />
alte König schon zu Lebzeiten als das seine<br />
handhabte, wo geschrieben steht: „Das<br />
Land war ein Herz und eine Seele, alle hatten<br />
alles zusammen. Die Herrschenden<br />
waren fest und überzeugend, weil sie dem<br />
obersten Herrn vertrauten. Keiner litt<br />
Not.“<br />
So kam es, dass die königlose Zeit zusehends<br />
königlicher wurde und der<br />
Ruf des Hofstaates streng adventlich dem<br />
kommenden Herrn gewidmet wird, und<br />
das geschieht jährlich, es sei denn das<br />
Land sieht die Parusie. 2<br />
2 Parusie: endgültige Wiederkehr des Messias am Ende aller Tage, biblische ZeitgenossInnen kannten allerdings<br />
auch die Naherwartung.