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Volker Tesmer - Deutsche Geodätische Kommission

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2. Grundlagen der geodätischen VLBI<br />

struiert werden können. Die derzeitig größte Bewegung zweier Platten gegeneinander findet zwischen der pazifischen<br />

Platte und der vor Südamerika liegenden Nazca-Platte statt, die sich mit ca. 16 cm pro Jahr voneinander<br />

entfernen (z.B. GORDON 1995). Vertikale Bewegungen der Erdkruste sind verglichen mit horizontalen Bewegungen<br />

meist kleinräumig und von kurzer Dauer bzw. über einen langen Zeitraum von mehreren Millionen Jahren<br />

nicht linear. Deshalb werden sie in der Regel von einfachen Modellen der Plattentektonik nicht erfasst.<br />

Das in DEMETS et al. (1990) erstmals vorgestellte Modell NUVEL-1 („Northwestern University Velocity Model“)<br />

beschreibt die relativen Bewegungen von zwölf als in sich stabil angenommenen Platten durch geozentrische<br />

Rotationsvektoren. Mit den drei Komponenten eines Vektors (z.B. Winkelgeschwindigkeit, Breite und Länge des<br />

Rotationspols, um den sich die Platte dreht), kann die Rotation einer Platte auf einer Kugel vollständig beschrieben<br />

werden. DEMETS et al. (1990) berichten, dass für das NUVEL-1 Modell ca. viermal so viele Daten wie in<br />

älteren Modellen wie z.B. P071 (CHASE 1978) oder RM2 (MINSTER und JORDAN 1978) verwendet wurden. Durch<br />

die wesentlich bessere globale Verteilung der Beobachtungen und durch Einsatz zum Teil modernster, hoch<br />

genauer Methoden konnten deutliche Verbesserungen erzielt werden. Für NUVEL-1 wurden insgesamt 1122<br />

geophysikalische Beobachtungen an 22 Plattengrenzen ausgewertet:<br />

- 277 „sea floor spreading rates“, mit denen die Geschwindigkeit der Plattenbewegung an Plattengrenzen im<br />

Meeresboden bestimmt wird. Dabei wird ausgenutzt, dass beim Auseinanderdriften von Platten flüssiges<br />

Gestein austritt, das im momentanen Polarisierungszustand des Magnetfelds der Erde erstarrt. Die Polung<br />

kehrt sich unregelmäßig alle 50 000 bis einige Millionen Jahre um. Kann das Alter des Gesteins bestimmt<br />

werden, lassen sich so Geschwindigkeiten ableiten.<br />

- 121 „transform fault azimuths“, mit denen die Richtung der Bewegung zweier Platten gegeneinander ermittelt<br />

wird. Sie kann von dem Azimut abgeleitet werden, das von dem Spreitungsrücken und quer verlaufenden<br />

Störungen an der Plattengrenze eingeschlossen wird.<br />

- 724 „earthquake slip vectors“, der Richtung der plötzlichen Bewegung von Platten während eines Erdbebens.<br />

Diese Beobachtungen werden durch Auswertung der Richtung des Erstausschlags mehrerer Seismogramme<br />

gewonnen (Herdflächenlösungen), bei denen Longitudinalwellen genutzt werden.<br />

Die in dem Modell NUVEL-1 angegebenen Plattengeschwindigkeiten sind relativ zu der pazifischen Platte. Wie<br />

in ARGUS und GORDON (1991) beschrieben, gibt es auch Ansätze, absolute Plattengeschwindigkeiten, also Bewegungen<br />

von Teilen der Kruste gegenüber dem Mantel (Mesosphäre) der Erde, zu bestimmen. Realisiert werden<br />

solche Modelle z.B. durch das Fixieren vulkanischer Hotspots an Stelle der pazifischen Platte. Hotspots sind Orte<br />

auf der Erdoberfläche, an denen Material aus dem Kern direkt durch den Mantel und schließlich durch die Erdkruste<br />

gelangt. Es wird angenommen, dass die Hotspots ihre Lage zum Mantel nicht verändern. Darüber hinweggleitende<br />

Platten können Inselketten, wie z.B. Hawaii, ausbilden. Ein weiteres Konzept der Realisierung quasiabsoluter<br />

Plattengeschwindigkeiten ist ein „No-Net-Rotation“-Ansatz, bei dem gefordert wird, dass das Integral<br />

der Bewegungen über die gesamte Erdoberfläche gleich Null sein soll. Er wurde bei der Berechnung von NNR-<br />

NUVEL-1 angewendet (ARGUS und GORDON 1991) und wird von GORDON (1995) wegen der geringen Anzahl<br />

existierender Hotspots und der ungenauen Bestimmbarkeit ihrer Lage gegenüber den Platten als der Ansatz eingeschätzt,<br />

der die Bewegungen der Kruste gegenüber dem Mantel besser beschreibt.<br />

In DEMETS et al. (1994) wird das plattentektonische Modell NUVEL-1a mit Geschwindigkeiten relativ zur pazifischen<br />

Platte beschrieben. Dort ist auch eine Rotation angeben, mit der sich NUVEL-1a in ein Modell umrechnen<br />

lässt, das eine No-Net-Rotation-Bedingung erfüllt. Der Unterschied zu den älteren Berechnungen NUVEL-1 bzw.<br />

NNR-NUVEL-1 ist nur ein um ca. 4% kleinerer Maßstab der Plattengeschwindigkeiten. Er wird mit neueren<br />

Erkenntnissen zu der Altersbestimmung der magnetisierten Gesteine in den Konvektionszonen von Ozeanrücken<br />

begründet.<br />

Da viele der Beobachtungen, die zur Bestimmung der NUVEL-Modelle beigetragen haben, geophysikalische<br />

Prozesse der letzten 3 Millionen Jahre nachvollziehen, repräsentieren die so abgeleiteten Plattenbewegungen<br />

mittlere Bewegungen während dieses langen Zeitraums. Obwohl geodätische Beobachtungen erst seit Ende der<br />

siebziger Jahre ausreichend genau sind, bestätigen sie in der Regel die geophysikalisch bestimmten Modelle. Das<br />

plattentektonische Modell „Actual Plate Kinematic Model (APKIM)“ (DREWES 1998) ist ausschließlich aus<br />

geodätischen, nicht aus geophysikalischen Beobachtungen berechnet. Von APKIM werden bis auf die Cocos-<br />

Platte alle Hauptplatten erfasst. Anders als bei den NUVEL-Modellen werden in APKIM die vier Deformationszonen<br />

Mittelmeer, Japan, Kalifornien und südamerikanische Anden gesondert behandelt. Für einen Messpunkt in

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