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Volker Tesmer - Deutsche Geodätische Kommission

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2. Grundlagen der geodätischen VLBI<br />

terwert Null stabilisiert werden. So werden zusätzlich Singularitäten vermieden, die in Intervallen mit sehr wenigen<br />

bzw. ohne Beobachtungen auftretenden können. Wie bei der Schätzung eines quadratischen Uhrenpolynoms<br />

ist die Referenzuhr auch hier zu fixieren. Anders als der troposphärische Zenit-Delay ist der Zusammenhang<br />

zwischen den Uhrenparametern und den Beobachtungen nicht unmittelbar mit der Beobachtungsgeometrie verknüpft.<br />

Obwohl zwischen der Uhren- und der Troposphärenschätzung unter Umständen große Abhängigkeiten<br />

bestehen können, sind die Raten der stückweise stetigen Funktion des Uhrenverhaltens deshalb in der Regel<br />

stabiler zu schätzen als die des troposphärischen Einflusses.<br />

In SOVERS et al. (1998, S. 53) wird darauf hingewiesen, dass wegen des linearen Zusammenhangs zwischen den<br />

Beobachtungen und dem Uhrenverhalten auch andere, kleine instrumentelle Effekte die geschätzten Uhrenparameter<br />

beeinflussen können. Verhalten sie sich gutmütig, variieren sie also nicht sehr schnell oder stark, werden<br />

die Zielparameter einer VLBI-Lösung dadurch in der Regel nicht bedeutend verfälscht.<br />

Kabel- und Phasenkalibrierung<br />

Die Mikrowellensignale durchlaufen, wie z.B. in TAKAHASHI et al. (2000, S. 33ff) ausführlich beschrieben, von<br />

der Antenne zum Recorder mehrere Verbindungskabel und werden dabei in vielen Bauteilen elektrotechnisch<br />

einige Male umgewandelt. Eine detaillierte Erläuterung des Datenerfassungssystems wird ausführlich in CLARK<br />

und ROGERS (1982) und CLARK et al. (1985) gegeben. Der Einfluss des technischen Empfangssystems der Antennen<br />

auf die aufgezeichneten Signale wird in der Regel von zwei Kalibrierungssystemen kontrolliert, dem Kabelkalibrierungssystem<br />

und dem Phasenkalibrierungssystem.<br />

Die elektronischen Bauteile, die die Mikrowellen des X- und des S-Bandes bis zum Recorder durchlaufen, beeinflussen<br />

nicht immer alle Frequenzen gleich, weshalb Teile des aufgezeichneten Spektrums phasenverschoben oder<br />

in der Amplitude verfälscht werden können. In SORGENTE und PETROV (1999) wird berichtet, dass solche Effekte<br />

häufig mit täglicher oder halbtäglicher Periode oder anderem systematischen Verhalten auftreten. Da die eingesetzte<br />

Elektronik sehr empfindlich ist, ist dies nur schwer zu verhindern. Ein Phasenkalibrierungssystem kann aber<br />

eine Korrektur ermöglichen. Dafür wird nach SOVERS et al. (1998, S. 10) ein Signal bekannter Phase und Amplitude<br />

am Anfang des Signalwegs in jeden Kanal mit eingespeist. Kann es bei der Ableitung der eigentlichen VLBI-<br />

Beobachtungen durch die Korrelation (Abschnitt 2.2) rekonstruiert werden, ist eine Korrektur der einzelnen<br />

Frequenzkanäle möglich und der Effekt kann rückgängig gemacht werden. Eine ausführliche Beschreibung dieses<br />

Vorgangs wird z.B. in TAKAHASHI et al. (2000, S. 36 und S. 84) gegeben.<br />

Das Kabelkalibrierungssystem überwacht nach SCHUH (1987, S. 70) mit einer Genauigkeit von wenigen Millimetern<br />

elektrische Längenänderungen des Kabels, mit dem das Zeitsystem und das Erregerhorn der Antenne verbunden<br />

werden. Vor allem die Temperatur des in der Regel einige 10 m langen Kabels spielt dabei eine entscheidende<br />

Rolle. Eine VLBI-Beobachtung kann so um einige 100 ps bzw. mehrere cm verfälscht werden. Der absolute<br />

Betrag und die systematischen, langwelligen Anteile des Einflusses des Kabels können bei der späteren Parameterschätzung<br />

leicht von den Uhr-Parametern mit aufgefangen werden. Laut SHAFFER (1995) wird das Kabelkalibrierungssystem<br />

beim MKIII-System technisch durch Messung der Phase einer stehenden Welle realisiert.<br />

Relativistische Modellierung<br />

In CAMPBELL (2000) wird skizziert, wie schon Anfang der siebziger Jahre VLBI-Beobachtungen nicht nur mit<br />

dem in Gleichung (2-3) beschriebenen, rein geometrischen Zusammenhang entsprechend Newton’scher Mechanik<br />

modelliert wurden. Beobachtungen waren z.B. wegen des allgemein-relativistischen Effekts der Raumkrümmung<br />

durch große Massen zu korrigieren. Wird ein Quasar unter einem Winkel von 1° vom Rand der Sonne entfernt<br />

beobachtet, können Beobachtungen einer 6000 km Basislinie um bis zu 45 Nanosekunden (ca. 15 m) durch das<br />

Gravitationspotential der Sonne verfälscht werden (SCHUH 1987, S. 22). Zusätzlich wurden damals bereits speziell-relativistische<br />

Korrekturen wegen täglicher und jährlicher Aberration verwendet, die durch Relativbewegung<br />

der zwei Teleskope einer Basislinie bei der täglichen Rotation der Erde („retarded baseline effect“ genannt), bzw.<br />

der Rotation der Erde um die Sonne bedingt sind.<br />

Auch heute formuliert man Newton’sche VLBI-Beobachtungsgleichungen und versieht sie mit relativistischen<br />

Korrekturen, wie z.B. in SOFFEL (1989) kurz beschrieben. Der in den IERS Conventions 2003 (MCCARTHY und<br />

PETIT 2003) erläuterte Algorithmus ermöglicht im Regelfall eine auf Pikosekunden genaue Modellierung. Er<br />

entspricht dem schon in MCCARTHY (1992) beschriebenen Modell, das von Fachleuten 1990 auf einem Workshop<br />

als „consensus model“ ausgearbeitet und beschlossen wurde und ausführlich in EUBANKS (1991) erläutert ist.

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