28.02.2013 Aufrufe

Volker Tesmer - Deutsche Geodätische Kommission

Volker Tesmer - Deutsche Geodätische Kommission

Volker Tesmer - Deutsche Geodätische Kommission

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

36<br />

2. Grundlagen der geodätischen VLBI<br />

nur sehr langsam um das Zentrum unserer Galaxie dreht, ist die dadurch verursachte Raumkrümmung zeitlich<br />

quasi konstant und wird durch Systematiken in den baryzentrischen Koordinaten der Radioquellen aufgefangen.)<br />

Orientierung der Erde im Raum<br />

Die Koordinaten des Rotationspols der Erde (bzw. des CEP) x P und y P bezüglich des terrestrischen Referenzrahmens<br />

können von allen globalen geodätischen Beobachtungsverfahren bestimmt werden. Die Bestimmung der<br />

Nutationswinkel und ∆UT1 gelingt nur mit den Beobachtungen von VLBI mit hoher Qualität, da der von VLBI<br />

verwendete raumfeste Referenzrahmen (Abschnitt 2.1.2) durch zeitlich quasi nichtveränderliche Punkte realisiert<br />

wird. Die raumfesten Referenzrahmen der anderen geodätischen Beobachtungsverfahren realisieren sich durch die<br />

Bahnen von Erdsatelliten. Ihre Positionen sind ebenfalls in einem quasi-inertialen Raum darstellbar, allerdings<br />

sind sie zeitlich veränderlich und deshalb zur Realisierung eines zälestischen Referenzrahmens nur bedingt geeignet<br />

(siehe dazu auch den Absatz zuvor unter „zälestischer Referenzrahmen“). Nach SEEBER (1989, S. 129) haben<br />

künstliche Erdsatelliten eine Höhe von bis zu 36000 km über der Erdoberfläche, wobei geostationäre Satelliten die<br />

maximale Höhe besitzen, der Mond ist ca. 400 000 km entfernt. Ausführliche Grundlagen der Satellitengeodäsie<br />

werden in SCHNEIDER (1988) gegeben.<br />

Der Mond ist keinen nicht-konservativen Kräften durch die Atmosphäre und dem Strahlungsdruck der Sonne<br />

ausgesetzt. Auch Störkräfte im Erdschwerefeld beeinflussen seine Bahn kaum, weshalb auch mit Laser-<br />

Entfernungsmessungen zum Mond („Lunar Laser Ranging“ (LLR)) die Orientierung der Erde im Raum über<br />

längere Zeit stabil bestimmt werden kann. Obwohl die mit LLR bestimmten Parameter von untergeordneter<br />

Genauigkeit sind, haben sie durch die Länge der von 1970 bis heute reichenden Beobachtungsreihe eine besondere<br />

Bedeutung (siehe z.B. MÜLLER et al. 1999, MÜLLER und TESMER 2002).<br />

Die Positionen (Ephemeriden) künstlicher Erdsatelliten sind mit abnehmender Höhe über der Erde immer stärkeren,<br />

schwerer zu beschreibenden, gravitativen und nicht-gravitativen Kräften ausgesetzt, und ihre Bahnen lassen<br />

sich nicht mehr ausreichend genau durch die Anfangsbedingungen und wenige Kräfteparameter beschreiben.<br />

Deshalb werden die Störkräfte mit zusätzlichen, meist empirischen Parametern modelliert. Bei der Bestimmung<br />

der Positionen der Satelliten im Raum kann so nicht mehr zwischen Bahnparametern und Parametern der Orientierung<br />

der Erde im Raum unterschieden werden (z.B. ROTHACHER 1999a): Die Rektaszension des aufsteigenden<br />

Bahnknotens Ω , Bahnneigung gegenüber dem Äquator (Inklination) i und Breite zur Zeit der Oskulationsepoche<br />

u0 sind direkt abhängig von der scheinbaren Greenwicher Sternzeit (GAST) θ , die auch als Rotationsphase<br />

∆UT1 dargestellt werden kann, der Nutation in Schiefe ∆ ε und Nutation in Länge ∆ ψ . Obwohl die Parameter<br />

der Orientierung der Erde im Raum ∆UT1, ∆ ε und ∆ ψ deshalb unter keinen Umständen direkt abzuleiten sind,<br />

kann es gelingen, die zeitlichen Änderungen dieser drei Parameter zu bestimmen. Dafür muss die Modellierung<br />

der Störkräfte bei einer stückweisen Formulierung der Satellitenbahnen zumindest innerhalb eines Bahnbogens,<br />

am besten aber stetig über möglichst viele Bahnbögen hinweg, gut genug gelingen.<br />

Besonders gute Voraussetzungen dafür hat das Verfahren GPS. In globalen GPS-Lösungen werden üblicherweise<br />

sehr viele (ca. 27) GPS-Satelliten gleichzeitig von sehr vielen, global verteilten Bodenstationen (ca. 150) beobachtet.<br />

Dadurch ist die Beobachtungsgeometrie auch in sehr kurzen Beobachtungszeiträumen sehr stabil. In WEBER et<br />

al. (2000) ist zum Beispiel ein Ansatz beschrieben, bei dem die Bahnparameter zwar nur für wenige Tage Gültigkeit<br />

haben, aufeinander folgende Bahnen aber Stetigkeitsbedingungen erfüllen müssen. Werden gute Anfangswerte<br />

verwendet, können so in den Nutationswinkeln Perioden mit bis zu 20 Tagen Länge stabil bestimmt werden.<br />

Laser-Entfernungsmessungen zu künstlichen Erdsatelliten („Satellite Laser Ranging“ (SLR)) unterliegen prinzipiell<br />

denselben Bedingungen wie GPS-Messungen. SLR-Satelliten werden aber üblicherweise primär zur Bestimmung<br />

des Schwerefelds der Erde eingesetzt. Deshalb fliegen sie mit 1000 bis 6000 km deutlich tiefer über der<br />

Erdoberfläche als GPS-Satelliten (20 000 km) und sind stärkeren Störkräften ausgesetzt. Zusätzlich ist die Geometrie<br />

von SLR-Beobachtungen vor allem in kurzen Zeitintervallen deutlich instabiler, weswegen SLR üblicherweise<br />

weder zur Bestimmung von ∆UT1 noch der Nutationswinkel und der zeitlichen Änderungen der Nutation<br />

verwendet wird.<br />

Terrestrischer Referenzrahmen<br />

Fast alle Anwendungen der Geodäsie erfordern einen terrestrischen Referenzrahmen. Anders als z.B. für die<br />

Astronomie hat der quasi-absolute Bezug eines solchen Rahmens für Geodäten oft eher eine wissenschaftliche, für<br />

viele Anwendungen untergeordnete Bedeutung. Terrestrische Referenzrahmen haben deshalb einen besonderen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!