Volker Tesmer - Deutsche Geodätische Kommission
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2. Grundlagen der geodätischen VLBI<br />
nur sehr langsam um das Zentrum unserer Galaxie dreht, ist die dadurch verursachte Raumkrümmung zeitlich<br />
quasi konstant und wird durch Systematiken in den baryzentrischen Koordinaten der Radioquellen aufgefangen.)<br />
Orientierung der Erde im Raum<br />
Die Koordinaten des Rotationspols der Erde (bzw. des CEP) x P und y P bezüglich des terrestrischen Referenzrahmens<br />
können von allen globalen geodätischen Beobachtungsverfahren bestimmt werden. Die Bestimmung der<br />
Nutationswinkel und ∆UT1 gelingt nur mit den Beobachtungen von VLBI mit hoher Qualität, da der von VLBI<br />
verwendete raumfeste Referenzrahmen (Abschnitt 2.1.2) durch zeitlich quasi nichtveränderliche Punkte realisiert<br />
wird. Die raumfesten Referenzrahmen der anderen geodätischen Beobachtungsverfahren realisieren sich durch die<br />
Bahnen von Erdsatelliten. Ihre Positionen sind ebenfalls in einem quasi-inertialen Raum darstellbar, allerdings<br />
sind sie zeitlich veränderlich und deshalb zur Realisierung eines zälestischen Referenzrahmens nur bedingt geeignet<br />
(siehe dazu auch den Absatz zuvor unter „zälestischer Referenzrahmen“). Nach SEEBER (1989, S. 129) haben<br />
künstliche Erdsatelliten eine Höhe von bis zu 36000 km über der Erdoberfläche, wobei geostationäre Satelliten die<br />
maximale Höhe besitzen, der Mond ist ca. 400 000 km entfernt. Ausführliche Grundlagen der Satellitengeodäsie<br />
werden in SCHNEIDER (1988) gegeben.<br />
Der Mond ist keinen nicht-konservativen Kräften durch die Atmosphäre und dem Strahlungsdruck der Sonne<br />
ausgesetzt. Auch Störkräfte im Erdschwerefeld beeinflussen seine Bahn kaum, weshalb auch mit Laser-<br />
Entfernungsmessungen zum Mond („Lunar Laser Ranging“ (LLR)) die Orientierung der Erde im Raum über<br />
längere Zeit stabil bestimmt werden kann. Obwohl die mit LLR bestimmten Parameter von untergeordneter<br />
Genauigkeit sind, haben sie durch die Länge der von 1970 bis heute reichenden Beobachtungsreihe eine besondere<br />
Bedeutung (siehe z.B. MÜLLER et al. 1999, MÜLLER und TESMER 2002).<br />
Die Positionen (Ephemeriden) künstlicher Erdsatelliten sind mit abnehmender Höhe über der Erde immer stärkeren,<br />
schwerer zu beschreibenden, gravitativen und nicht-gravitativen Kräften ausgesetzt, und ihre Bahnen lassen<br />
sich nicht mehr ausreichend genau durch die Anfangsbedingungen und wenige Kräfteparameter beschreiben.<br />
Deshalb werden die Störkräfte mit zusätzlichen, meist empirischen Parametern modelliert. Bei der Bestimmung<br />
der Positionen der Satelliten im Raum kann so nicht mehr zwischen Bahnparametern und Parametern der Orientierung<br />
der Erde im Raum unterschieden werden (z.B. ROTHACHER 1999a): Die Rektaszension des aufsteigenden<br />
Bahnknotens Ω , Bahnneigung gegenüber dem Äquator (Inklination) i und Breite zur Zeit der Oskulationsepoche<br />
u0 sind direkt abhängig von der scheinbaren Greenwicher Sternzeit (GAST) θ , die auch als Rotationsphase<br />
∆UT1 dargestellt werden kann, der Nutation in Schiefe ∆ ε und Nutation in Länge ∆ ψ . Obwohl die Parameter<br />
der Orientierung der Erde im Raum ∆UT1, ∆ ε und ∆ ψ deshalb unter keinen Umständen direkt abzuleiten sind,<br />
kann es gelingen, die zeitlichen Änderungen dieser drei Parameter zu bestimmen. Dafür muss die Modellierung<br />
der Störkräfte bei einer stückweisen Formulierung der Satellitenbahnen zumindest innerhalb eines Bahnbogens,<br />
am besten aber stetig über möglichst viele Bahnbögen hinweg, gut genug gelingen.<br />
Besonders gute Voraussetzungen dafür hat das Verfahren GPS. In globalen GPS-Lösungen werden üblicherweise<br />
sehr viele (ca. 27) GPS-Satelliten gleichzeitig von sehr vielen, global verteilten Bodenstationen (ca. 150) beobachtet.<br />
Dadurch ist die Beobachtungsgeometrie auch in sehr kurzen Beobachtungszeiträumen sehr stabil. In WEBER et<br />
al. (2000) ist zum Beispiel ein Ansatz beschrieben, bei dem die Bahnparameter zwar nur für wenige Tage Gültigkeit<br />
haben, aufeinander folgende Bahnen aber Stetigkeitsbedingungen erfüllen müssen. Werden gute Anfangswerte<br />
verwendet, können so in den Nutationswinkeln Perioden mit bis zu 20 Tagen Länge stabil bestimmt werden.<br />
Laser-Entfernungsmessungen zu künstlichen Erdsatelliten („Satellite Laser Ranging“ (SLR)) unterliegen prinzipiell<br />
denselben Bedingungen wie GPS-Messungen. SLR-Satelliten werden aber üblicherweise primär zur Bestimmung<br />
des Schwerefelds der Erde eingesetzt. Deshalb fliegen sie mit 1000 bis 6000 km deutlich tiefer über der<br />
Erdoberfläche als GPS-Satelliten (20 000 km) und sind stärkeren Störkräften ausgesetzt. Zusätzlich ist die Geometrie<br />
von SLR-Beobachtungen vor allem in kurzen Zeitintervallen deutlich instabiler, weswegen SLR üblicherweise<br />
weder zur Bestimmung von ∆UT1 noch der Nutationswinkel und der zeitlichen Änderungen der Nutation<br />
verwendet wird.<br />
Terrestrischer Referenzrahmen<br />
Fast alle Anwendungen der Geodäsie erfordern einen terrestrischen Referenzrahmen. Anders als z.B. für die<br />
Astronomie hat der quasi-absolute Bezug eines solchen Rahmens für Geodäten oft eher eine wissenschaftliche, für<br />
viele Anwendungen untergeordnete Bedeutung. Terrestrische Referenzrahmen haben deshalb einen besonderen