Volker Tesmer - Deutsche Geodätische Kommission
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∆l(t) Offset Rate 1 1 0 Rate 2 2 1<br />
Rate n n-1<br />
= ∆l + ∆l ( t − t ) + ∆l ( t − t ) + K + ∆l ( t − t ) .<br />
2. Grundlagen der geodätischen VLBI<br />
Die Raten repräsentieren in der Regel eine Zeitspanne zwischen 20 Minuten und 2 Stunden; bei einer Intervalllänge<br />
von weniger als einer Stunde muss aber davon ausgegangen werden, dass die Parameter wegen einer ungünstigen<br />
geometrischen Verteilung der beobachteten Quellen gelegentlich sehr schlecht bestimmt sind. Einem solchen<br />
„Auseinanderfallen“ des Gleichungssystems, das sich z.B. durch das Auftreten hoher Abhängigkeiten zwischen<br />
Parametern zeigt, wird durch Pseudobeobachtungen („Constraints“) der Raten mit dem Parameterwert Null und<br />
einem kleinen Gewicht entgegengewirkt. Ist das Normalgleichungselement dieses Parameters z.B. aus zuvor<br />
genannten Gründen schwach, bleibt so das Gleichungssystem stabil. Der geschätzte Wert der Rate ist aber in der<br />
Regel dem Betrag nach ein wenig zu klein und somit in seiner physikalischen Bedeutung als Änderung des Zenit-<br />
Delays leicht verfälscht. Das Ansetzen der Pseudobeobachtungen ist außerdem für eine teilweise Automatisierung<br />
der VLBI-Auswertung von großem Vorteil, da so einzelne Intervalle ohne Beobachtungen in einer Lösung keine<br />
Singularitäten hervorrufen. Auch diese Thematik wird ausführlich in NOTHNAGEL (2000, S. 40ff) diskutiert.<br />
Die troposphärische Refraktion ist aber nicht nur elevations- und zeitabhängig, sondern auch nicht immer in alle<br />
topozentrisch-azimutale Richtungen gleich. Beobachtungen von Stationen mittlerer Breite in Nord-Süd-Richtung<br />
können sogar systematisch durch azimutale troposphärische Gradienten beeinflusst werden.<br />
In CHEN und HERRING (1997) wurde der aus gemessenen, globalen meteorologischen Modellen abgeleitete Einfluss<br />
der Troposphäre auf VLBI-Beobachtungen untersucht. Unter Annahme azimutaler Kugelsymmetrie des<br />
Einflusses der Troposphäre werden danach Beobachtungen von Stationen mittlerer Breite im Azimut 0° unter<br />
einer Elevation von 10° um bis zu 1.4 cm systematisch verfälscht. Dabei ist zu beachten, dass tägliche Schwankungen<br />
bis zu 1 cm um einen solchen Mittelwert auftreten, nach CHEN und HERRING (1997) kann der Effekt für<br />
Beobachtungen unter 10° Elevation sogar bis zu 3 cm betragen. Laut SOVERS et al. (1998, S. 61) entspricht dieser<br />
Effekt systematischen Nord-Süd-Gradienten der Atmosphäre für Temperatur, Druck und Luftfeuchte. In Ost-<br />
West-Richtung treten Gradienten in der Regel nur kurzfristig durch sich bewegende Wettersysteme auf, weshalb<br />
ihr Mittelwert üblicherweise Null ist. Ihre Variabilität ist vergleichbar mit der von Nord-Süd-Gradienten.<br />
Zu azimutalen troposphärischen Gradienten können nur sehr wenige, allgemein gültige Aussagen getroffen werden,<br />
weshalb sie bis jetzt in der Regel nicht a priori modelliert, sondern nur bei der Parameterbestimmung als<br />
Unbekannte angesetzt werden. Dafür kann der in CHEN und HERRING (1997) gegebene Zusammenhang dienen,<br />
oder vereinfacht folgender z.B. in DAVIS et al. (1993) oder MACMILLAN (1995) verwendete Ansatz:<br />
∆l Az<br />
North<br />
East<br />
( ε, α)<br />
= m(<br />
ε)<br />
⋅ cot( ε)<br />
⋅[<br />
G cos α + G sin α]<br />
.<br />
(2-30)<br />
(2-29)<br />
Nach NOTHNAGEL (2000, S. 17) wird hierbei der Einfluss einer Beobachtung unter beliebiger Elevation mit einer<br />
Mapping-Funktion m ( ε)<br />
entsprechend (2-26) in den Einfluss in Zenitrichtung umgerechnet. Mit dem Faktor<br />
cot ( ε)<br />
wird der Anstieg der horizontalen Änderung der Refraktionszahl mit abnehmender Elevation erfasst. Die<br />
Faktoren GNorth und GEast [mm] sind die Integrale über die Gradienten in Nord-Süd-Richtung bzw. Ost-West-<br />
Richtung, die mit cos α bzw. sin α vom Azimut 0° in die tatsächliche Beobachtungsrichtung projiziert werden.<br />
Ein Wert GNorth = 1 mm (im Azimut 0°) entspricht bei 10° Elevation einer Laufzeitverzögerung von 33 mm.<br />
Schätzungen von Gradienten, bei denen GNorth und GEast als unbekannte Parameter eingeführt werden, decken sich<br />
z.B. nach CHEN und HERRING (1997) meistens gut mit Werten, die aus gemessenen meteorologischen Modellen<br />
abgeleitet wurden. In vielen Arbeiten, wie z.B. MACMILLAN und MA (1997), wird beschrieben, dass vor allem<br />
Lösungen, die Beobachtungen bis zu einer Elevation von 7° und tiefer verwenden, dadurch stabilisiert werden<br />
können. Lösungen mit bzw. ohne Schätzung troposphärischer Gradienten können sich auch systematisch voneinander<br />
unterscheiden. Nach MACMILLAN und MA (1997) werden durch das Mitschätzen der Gradienten systematische<br />
Fehler in VLBI-Zielparametern behoben: Positionen von Radioquellen unterscheiden sich in der Nähe des<br />
Äquators - abnehmend zu polnahen Quellen hin - um bis zu 0.5 mas, das Stationsnetz kann z.B. eine Änderung<br />
des Maßstabs um bis zu 0.7 ppb erfahren.<br />
Wie die zuvor erwähnte stückweise stetige Funktion zur Modellierung des Zenit-Delays werden auch die unbekannten<br />
Parameter GNorth und GEast in der Regel jeweils mit einer Pseudobeobachtung des Parameterwerts Null<br />
und einem bestimmten Gewicht versehen, wodurch auch die Schätzwerte der Gradienten leicht verfälscht werden.<br />
Vor allem die Gradienten in Nord-Süd-Richtung, die oft im Mittel von Null abweichen, können dadurch sogar