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! SPECIAL Healthcare/Medizintechnik „Umfeld mit echter Konkurrenz“ Herr Lippe, was reizt Sie besonders an Ihrer Branche: die Medizin oder die Technik? Gerade das Feld dazwischen ist spannend. Das Übersetzen von technischer Innovation in Anwendungen für die Medizin steht bei meiner Arbeit im Mittelpunkt. Aus der Sicht eines studierten Physikers ist es spannend, dass man hier nicht ins Leere hinein entwickelt, sondern an Produkten beteiligt ist, die einen persönlichen Bezug zu den Menschen haben. Viele Naturwissenschaftler zieht es ja zunächst in die Forschung. Ich habe meine Diplomarbeit an einer Forschungsstelle geschrieben. Dort wurde mir bald klar, dass ich die Früchte meiner Arbeit sehen möchte. Das ist in der reinen Grundlagenforschung manchmal etwas schwer. Funktioniert die Branche auch schneller? Die Innovationszyklen verlaufen mit einer höheren Geschwindigkeit. Außerdem gibt es – im Gegensatz zur For- 20 | Staufenbiel Naturwissenschaftler 2011/12 Die Medizintechnik steht im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Politik. Rouven Lippe von Philips Healthcare erklärt, was das Besondere am Gesundheitsmarkt ist und wieso es ihn reizte, als Physiker im Vertrieb zu starten. schung – ein Umfeld mit echter Konkurrenz. Das macht die Sache aber gerade spannend. Was sind die wichtigsten Trends im Bereich Healthcare? Aktuell gibt es zwei große Trends. Zum einen die Emerging Marktes der Schwellenländer, also China, Indien oder Brasilien. Das sind Regionen, in denen sich der Lebensstandard hebt und der Bedarf an Medizintechnik steigt. Dort geht es darum, Produkte anzubieten, die das Lebensniveau verbessern. Auf der anderen Seite steht die alte Welt. Hier ist die wichtigste Aufgabe, das aktuelle Niveau der Medizintechnik zu halten. Und zwar bei gleichzeitigem Kostendruck und einer alternden Bevölkerung. Die Healthcare-Branche wird von vielen Faktoren beeinflusst, von Wissenschaft, vom Gesundheitsmarkt und auch von der Politik. Wie spüren Sie das bei Ihrer Arbeit? In der Branche geht es um Produkte, von denen das Leben von Menschen abhängt. Dadurch ist die Regulierung natürlich strenger als etwa in der reinen Forschung. Dieser Verantwortung müssen wir gerecht werden. Auf der anderen Seite finanzieren sich unsere Kunden auch sehr über staufenbiel.de/naturwissenschaftler © PHILIPS
die politischen Rahmenbedingungen, und davon sind wir natürlich abhängig. Wie sind Absolventen auf diese Bedingungen vorbereitet? Das kommt immer darauf an, wie man die Schwerpunkte im Studium gelegt hat. Mir hat mein Nebenfach Medizinische Physik geholfen. Dadurch wusste ich viel über die Produkte und hatte einen Einblick, wie so ein MR funktioniert, was ein CT ist – und solche Dinge. Üblicherweise haben wir in unserem Unternehmen ein sehr ausführliches Ausbildungsprogramm, das hilft, wenn man von der Universität kommt und in den Vertrieb gehen möchte. Hier werden Einsteiger genau auf dieses spezielle Marktumfeld vorbereitet. Es kommen ja noch ganz andere Aspekte dazu, die man im Studium mit Sicherheit nicht in der Breite kennengelernt hat. Sie sind nach dem Studium zuerst in den Vertrieb gegangen? Ja, in den Vertrieb der Medizintechnik. Prinzipiell kann man sagen: Man hat als Naturwissenschaftler nach dem Studium das Rüstzeug einzusteigen und ein unglaubliches Spektrum an möglichen Aufgabenbereichen. Was macht die Branche für einen Physiker interessant? Ich bin im Bereich bildgebende Systeme tätig und dort für Magnetresonanztomographie verantwortlich. Aber wenn ich die Frage auf den kompletten Bereich bildgebende Systeme ausweite, egal, ob das jetzt mit Röntgenstrahlen zu tun hat, Nuklearmedizin, Magnetresonanztomographie – das sind alles Bereiche, in denen physikalische Kenntnisse eine ganz wichtige Rolle spielen. Für Quereinsteiger ist die Branche also nichts? Ich glaube, der naturwissenschaftliche Hintergrund hilft, weil wir auch im Marketing und Vertrieb mit Wissenschaftlern zu tun haben. Wir agieren ja in einem Forschungsumfeld. Aber auch für Quereinsteiger, etwa aus der Psychologie oder aus der Chemie, ist die Branche offen. Natürlich müssen physikalische Grundlagen dazukommen. Aber das ist keine Pflichtvoraussetzung. Wie verläuft ein typischer Einstieg? Bei uns gibt es die Möglichkeit, über ein Trainee-Programm einzusteigen, etwa für Account Manager. Hier werden grundlegende Kenntnisse über unsere Produkte, das Gesundheitssystem und unseren Markt vermittelt. Und alles, was mit dem Verkauf von Investitionsgütern zu staufenbiel.de/naturwissenschaftler tun hat. Ich selbst bin über solch ein Programm eingestiegen. Natürlich kann man auch den Direkteinstieg nach dem Studium wählen, etwa im Produktmanagement. Gibt es einen hohen Bedarf an Naturwissenschaftlern? Viele Absolventen fragen sich, warum sie das Studium auf sich genommen haben. Aber die Möglichkeiten für Naturwissenschaftler nach dem Studium sind beeindruckend. Sie können in allen Bereichen Teile ihres Wissens einbringen. Natürlich kann ich im Marketing kein Grundlagenforschungswissen In der Branche geht es um Produkte, von denen das Leben von Menschen abhängt. SPECIAL ! Healthcare/Medizintechnik anwenden. Aber die Bandbreite, die mein Studium mir gegeben hat, und die Möglichkeiten, schnell Wissen zu verarbeiten, hilft mir jeden Tag. Es gibt die Vorstellung, dass der Forscher längere Zeit alleine vor sich hinarbeitet. Das ist ein aussterbendes Klischee. Auch an den Universitäten wird heute alles in Teams organisiert. In unserem Forschungslabor werden Teams ebenfalls für bestimmte Aufgaben zusammengestellt. Den vereinsamten Forscher gibt es längst nicht mehr. Wie sieht die Forschung bei Philips aus? Unser Forschungslabor ist eigenständig und nicht Bestandteil einer Vertriebsorganisation oder einer Fabrik. Direkte Produktforschung hat damit nichts zu tun. Es handelt sich aber auch nicht um freie Grundlagenforschung, wo über fundamentale Fragen nachgedacht wird. Natürlich gehen wir dabei Problemen nach, die in irgendeiner Art und Weise Bezug zum menschlichen Körper haben. Ist Praxiserfahrung wichtiger als die Abschlussnote? Ja, und vor allem eine Affinität zu Medizin und Medizintechnik. Bewerber sollten außerdem Interesse am Menschen mitbringen. Ihre Kunden sind Ärzte und Krankenhäuser – und sie arbeiten am Ende gemeinsam für das Patientenwohl. Interview: Edgar Naporra Zur Person Rouven Lippe, Jahrgang 1979, studierte Physik an der Universität Hamburg. 2004 stieg er bei Philips Healthcare als Werkstudent in den Vertrieb ein. Heute ist er dort Business Unit Manager HR. Staufenbiel Naturwissenschaftler 2011/12 | 21
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