herunterladen - Berliner Liedertafel
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Damals war´s –<br />
vor 100 Jahren<br />
1908: Sängerreise<br />
in den Orient<br />
Fortsetzung des Berichts („Merker“ 04/2008)<br />
Gegen 5 Uhr nachmittags Abmarsch zum<br />
Schloss, um dort im Thronsaal vor den<br />
Majestäten und der Hofgesellschaft ein<br />
„Vor“-Konzert zu geben.<br />
Seidene Fahnenbänder<br />
(links: Geschenk der Damen der<br />
Bukarester Deutschen <strong>Liedertafel</strong>;<br />
rechts: Geschenk der Damen der<br />
Deutschen Kolonie in Konstantinopel)<br />
Danach kamen alle Gäste in den Schloss-<br />
Saal, wo ein sehr reichhaltiges Buffet<br />
aufgestellt war; bemerkenswert, dass sich<br />
auch hier das Herrscherpaar über die<br />
ganze Zeit aufhielt: „Der König bewegte<br />
sich mit vielbewunderter Leutseligkeit unter<br />
den Mitgliedern“, schriebt der Chronist in<br />
unserem Reisebericht. Nach diesem<br />
Ereignis blieb den BL-Mitgliedern nur<br />
wenig Zeit, um sich zu dem zu 09.00 Uhr<br />
abends angesetzten großen Konzert im<br />
Nationaltheater vorzubereiten.<br />
Der festlich beleuchtete und geschmückte<br />
Konzertsaal war trotz der sehr hohen<br />
Eintrittspreise vollkommen ausverkauft.<br />
Werke u.a. von Wagner, Strauss, Kaun,<br />
Kremser, Hegar und Grell entfachten<br />
große Begeisterung – den Sängern<br />
wurden Lorbeer- und Eichkränze mit<br />
Widmungsschleifen auf die Bühne<br />
gereicht. Als Zugabe sang der Chor<br />
Brahms Wiegenlied und unseren<br />
Wahlspruch „Fest und klar – treu und<br />
wahr!“.<br />
Dem Konzert folgte ein Ball und<br />
gemütliches Beisammensein in den<br />
Räumen der Bukarester <strong>Liedertafel</strong>.<br />
Vorsichtige packten noch in der Nacht ihre<br />
Koffer – der Vormittag des nächsten Tages<br />
war vorgesehen für ein Frühstück und den<br />
Abschiedsschoppen im Heim der<br />
Vereinigung der Reichsdeutschen in<br />
Bukarest. Leider war es nicht möglich, die<br />
Abschiedsstunden voll auszukosten – der<br />
Sonderzug zur Weiterfahrt nach Konstanza<br />
stand zur Abfahrt um 12.30 Uhr bereit.<br />
Einige Ereignisse auf diesem<br />
Streckenabschnitt sorgten für einen<br />
abwechslungsreichen Verlauf der<br />
Bahnreise. Zunächst ging es in schneller<br />
Fahrt dem neuen Ziel, Konstanza<br />
entgegen; aber bald gab es kleine<br />
betriebliche Zwischenfälle. Ein Wagen<br />
musste wegen heißer Radachse<br />
ausgewechselt werden. Die Insassen<br />
konnten zum Glück unverzüglich mit ihrem<br />
Brücke König Karl I. bei Cernavoda; Entwurf: Anghel Saligny<br />
Gepäck in einen angehängten<br />
Ersatzwagen umsteigen. Noch vor<br />
Erreichen der Dobrudscha (einer<br />
historischen Landschaft in Südost-<br />
Rumänien und Nordost-Bulgarien<br />
zwischen dem Unterlauf der Donau und<br />
dem Schwarzem Meer) brannte es auch in<br />
diesem Wagen und nötigte die Herren zu<br />
erneutem Umzug. Ein weiterer<br />
Ersatzwagen konnte nicht zur Verfügung<br />
gestellt werden; so wurde denn das<br />
Gepäck der Betroffenen auf die besetzten<br />
Abteile verteilt. Die Männer fanden im<br />
Speisewagen Platz. Leicht verärgert über<br />
ihr Missgeschick trösteten sie sich mit<br />
einer „kühlen Blonden“ (Molle) – und bald<br />
war alles auch wieder gut!<br />
Unliebsame Fahrtunterbrechungen kamen<br />
nun nicht mehr vor. Aber dann, doch<br />
wieder ein Halt auf freier Strecke – was<br />
war denn nun wieder los? Vor einer<br />
großen Eisenbahnbrücke bei Cernavoda<br />
hieß es: „Alles aussteigen!“.<br />
Auf Anordnung des Königs sollte diese<br />
Brücke, ein beeindruckendes technisches<br />
Meisterwerk des rumänischen Ingenieurs<br />
Saligny, den <strong>Berliner</strong> Herren vorgeführt<br />
werden. Unter Leitung von Bahnbeamten<br />
und in Begleitung einiger Freunde von der<br />
Bukarester <strong>Liedertafel</strong>, die bis Konstanza<br />
unseren Chor begleiteten und mit Rat und<br />
Tat zur Seite standen, ging es zu Fuß in 40<br />
m Höhe über die 750 m lange<br />
Gitterbrücke. Aus luftiger Höhe bot sich ein<br />
reizvoller Rundblick auf die Gegend der<br />
Dobrudscha und auf das Städtchen<br />
Cernavoda. Ein plötzlicher Regenschauer<br />
trieb die Gruppe schnellstens in den Zug<br />
und die Fahrt ging nun direkt dem<br />
nächsten Ziel, Konstanza, entgegen.<br />
Wegen der Unterbrechungen im Verlauf<br />
der Bahnfahrt, fuhr der Zug durch den<br />
Stadtbahnhof hindurch und gleich zur<br />
Hafenanlage. Vom Empfangskomitee<br />
waren Leuten beordert, die das Gepäck<br />
aufs Schiff brachten und verstauten.<br />
Zur Begrüßung hatten sich Herren vom<br />
Deutschen Schubertbund und der<br />
deutschen Kolonie in Konstanza<br />
eingefunden. Wegen der eingetretenen