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herunterladen - Berliner Liedertafel

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Fragen zum<br />

Wert der Musik<br />

„Musik du himmlisches Gebilde...“ so lautet<br />

die Anfangszeile des bekannten Chorwerkes<br />

mit dem Titel „Trösterin Musik“ von Anton<br />

Bruckner (1877) Dabei ist es interessant<br />

einmal über den Wert der Musik und das<br />

grundsätzliche Problem der musikalischen<br />

Ästhetik sich Gedanken zu machen.<br />

Viele befassen sich mit dem Thema…<br />

In der scheinbar paradoxen Frage: Ist etwas<br />

schön, weil es gefällt oder gefällt es, weil es<br />

schön ist, liegt das Wesen des ewigen<br />

Streites der Musikwissenschaft über die<br />

Grundlagen des Wertes in der Musik. Die<br />

Frage nach dem objektiven und subjektiven<br />

Charakter des Schönen in der Musik, des<br />

musikalischen Wertes, wird immer neu<br />

gestellt. Ist die „Schönheit“ einer Musik die<br />

Eigenheit des Werkes selbst, so wie Glanz<br />

und Schwere die Eigenheit des Goldes, oder<br />

ist sie vielleicht nur eine ästhetische Intension<br />

des Menschen auf die Musik? Die Frage der<br />

Ästhetik betrifft im Prinzip jedes Kunstwerk.<br />

Wie ist es zu erklären, das ein Musikstück, in<br />

dem dieselben objektiven Eigenschaften<br />

vorhanden sind, dem Einen gefällt, dem<br />

Anderen dagegen nicht?<br />

Dass Menschen der gleichen Generation und<br />

Bildung, desselben Kulturkreises ein und<br />

dasselbe Musikstück unterschiedlich<br />

bewerten? Das manche die moderne Musik<br />

nur als Lärm empfinden, die nichts mit Musik<br />

zu tun hat, während andere in ihr Werte<br />

entdecken, die ihrem heutigen Lebensgefühl<br />

entspricht. Die Relativität ästhetischer Urteile<br />

ist schwer erklärbar, angesichts der<br />

Tatsache, das es auch Meisterwerke gibt, die<br />

über Jahrhunderte hinweg, für verschiedene<br />

Generationen und gesellschaftliche Gruppen,<br />

für neue multikulturelle Lebensformen, immer<br />

Werte der unvergänglichen Schönheit<br />

darstellen, deren Kriterien allerdings<br />

verschieden sein können. Wie fremd klingen<br />

in unseren Ohren die orientalische Musik und<br />

kultischen Gesänge, deren symbolische und<br />

magische Bedeutung wir nur erahnen<br />

können. Ebenso fremd und unverständlich<br />

wird für viele Menschen der Welt unsere<br />

Klassische Musik klingen, von der wir im<br />

Allgemeinen annehmen, sie hätte in ihrem<br />

Wert etwas Universales. Bis heute begeistert<br />

Mozart (1756-1791), das Wunderkind aus<br />

Salzburg, mit seinen Werken voller<br />

Optimismus und Heiterkeit die Freunde der<br />

Klassik. Im „Mozartjahr 2006“ wurde des<br />

250. Geburtstags des Musikgenies gedacht.<br />

Die Einschätzung der Werte wird immer<br />

wieder von der Geschichte einer Revision<br />

unterzogen. Die Veränderlichkeit der<br />

musikalischen Bewertung kann dazu führen,<br />

dass ein zu seiner Zeit hoch gelobtes<br />

Schaffen für spätere Generationen seine<br />

Bedeutung einbüßt und nahezu vergessen -<br />

oder neu entdeckt wird. Man kann in einem<br />

Musikwerk in seiner Zeit unterschiedliche<br />

Werturteile fällen, und beide werden objektiv<br />

wahr sein. Ist demnach die „Schönheit“ in der<br />

Musik und der musikalische Wert etwas<br />

Relatives? In der Musikästhetik stehen sich<br />

zwei Auffassungen in dieser Frage<br />

gegenüber. Die Anhänger der<br />

objektivistischen Konzeption suchen im Werk<br />

selbst die Grundlage für die Eigenschaft des<br />

Wohlklanges und die Anhänger der<br />

subjektivistischen Richtung dagegen suchen<br />

die Grundlage der Bewertung im Verhältnis<br />

zum Hörer und seiner Harmoniefähigkeit. Der<br />

Wert der Musik ist also immer ein Wert für<br />

Jemanden in seiner Zeit. Der Mensch, der<br />

das betreffende Werk aus einer ästhetischen<br />

Position aufnimmt, wenn er diesen Wert<br />

aufgrund seines Erlebens und<br />

Stimmungszustandes entdeckt.<br />

Der Wert eines musikalischen Werkes ist<br />

dessen Fähigkeit, beim Hörer eine<br />

spezifische Art des Wohlgefühles zu wecken,<br />

das an kein anderes Wohlgefühl erinnert und<br />

dessen Fehlen ein Verlust an Lebensqualität<br />

bedeutet. Es gibt bestimmte stabile<br />

Musikeigenheiten, die wir als wertvoll<br />

anerkennen, und die Tatsache, dass unsere<br />

Urteile einer Änderung unterliegen, weist<br />

darauf hin, dass es in der Musik auch andere,<br />

veränderliche Eigenheiten gibt. Es ist ein<br />

Komplex von Wertequalitäten, die den<br />

Gesamtwert eines Musikwerkes bestimmen.<br />

Der menschlichen Stimme mit seinen<br />

verschiedenen Tonlagen und<br />

Ausdrucksformen kommt eine ganz<br />

besondere Bedeutung zu. Sie ist oft das<br />

tragende Element bei der Bewertung eines<br />

Musikstückes. Es gibt eine spezielle<br />

Musikliteratur, die den Chorgesang als<br />

Voraussetzung für die musikalische<br />

Umsetzung eines Werkes beinhaltet. In der<br />

Art der vermittelten Ideen, Emotionen und<br />

Vorstellungen liegt auch die Grundlage für<br />

die Einteilung in Klassische- und<br />

Unterhaltungsmusik und zugleich deren<br />

individuellen Bewertung.<br />

Jedes Werk ist das Produkt seiner Zeit und<br />

hat Bedeutung für die Evolution der Stile und<br />

hat letztlich den Wert eines Kulturdenkmals.<br />

Dank der überlieferten Noten und Tonträger<br />

ist die Musik immer wieder reproduzierbar<br />

und kehrt zum Leben zurück. Die moderne<br />

Tontechnik hat eine erstaunliche Perfektion<br />

erreicht, so dass die Musik vom Original nicht<br />

mehr zu unterscheiden ist. Im Geist des<br />

Heute und seiner Hörgewohnheit assimilieren<br />

wir die Musik.<br />

Verfälschen wir sie damit? Zweifellos ja,<br />

aber es ist ein ehernes Gesetz der<br />

Geschichte, das wir, die Nachgeborenen, die<br />

Vergangenheit immer nur durch unser<br />

eigenes Weltbild filtriert erleben, dass wir die<br />

Musik im Geist der Gegenwart „modifizieren“,<br />

wie andere Generationen vor uns auch.<br />

Einen Ausweg aus der „Befangenheit der<br />

Gegenwart“ gibt es nicht, und das ist aber<br />

auch das Schöne daran und lässt uns den<br />

Wert der Musik im Konzertsaal oder in den<br />

Medien ständig neu erleben.<br />

Ulrich Nowraty<br />

(Der Verfasser war mehrere Jahre hinweg aktiver Sänger im<br />

2. Bass der <strong>Berliner</strong> <strong>Liedertafel</strong> und kommt hoffentlich bald<br />

wieder.)

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