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Homosexual's Film Quarterly - Sissy

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frisch ausgepackt<br />

neu auf DvD<br />

von jan künemund<br />

Good Boys<br />

iL 2005, Regie: Yair Hochner, Gmfilms<br />

Dieser kompromisslose<br />

Spielfilm über zwei<br />

Stricher in Tel Aviv<br />

war die erste Regiearbeit<br />

von Yair Hochner,<br />

der ursprünglich nur<br />

das Drehbuch schreiben<br />

wollte. In 16 Tagen<br />

gedreht, ohne Geld und<br />

Unterstützung durch<br />

das israelische <strong>Film</strong>system, auf der Grundlage<br />

freiwilliger Mitarbeit von Freunden, eroberte<br />

dieser <strong>Film</strong> die schwullesbischen Festivals und<br />

brachte es hierzulande sogar zu einem kleinen<br />

Kinostart. Hochners raue Tel Aviver Nachtstudie<br />

macht das, was man mit einer geringen<br />

Ausstattung machen kann: er bleibt dicht an<br />

der vorgefundenen Realität. Er begleitet die<br />

beiden Jungs durch 1 ½ Tage, in skurrilen und<br />

gefährlichen Situationen ihrer Arbeit und lässt<br />

dabei immer wieder Öffnungen zu einem ‚besseren<br />

Leben‘ aufscheinen: dass die Jungs Halt<br />

in ihrer Szene, dass zwei Stricher vielleicht<br />

miteinander die Liebe finden. Doch Good Boys<br />

ist realistisch genug, um keine einfache Abfahrt<br />

zu nehmen. Sein eigentliches Thema findet der<br />

<strong>Film</strong> im Aufspüren einer Würde, die oft genug<br />

ohne Selbstbestimmung hergestellt wird. Nicht<br />

nur darin gelingt die Verbeugung vor Godards<br />

Vivre sa vie, den Hochner für den besten <strong>Film</strong><br />

hält, der jemals über die Prostitution gemacht<br />

wurde.<br />

AntArticA<br />

iL 2008, Regie: Yair Hochner, Pro-Fun Media<br />

Zeitgleich zu seinem<br />

Debüt Good Boys ist<br />

jetzt auch Yair Hochners<br />

zweiter <strong>Film</strong> in<br />

Deutschland auf DVD<br />

erschienen. Der israelische<br />

Regisseur ist mittlerweile<br />

ein angesehener<br />

<strong>Film</strong>kritiker und<br />

hat 2006 das TLVFest<br />

(Tel Aviv Int. LGBT <strong>Film</strong> Festival) mitgegründet,<br />

dessen künstlerischer Leiter er ist. Anders<br />

als sein radikales Debüt versteht sich Antartica<br />

als leichter urbaner Flirt-Reigen einiger attraktiver<br />

20- und 30somethings in der hippen<br />

Homoszene Tel Avivs, die sich nicht mit den<br />

28<br />

düsteren Seiten der Stadt auseinander setzen<br />

müssen. Doch liegen auch hier die Dramen und<br />

Untiefen der Figuren nicht allzu tief unter der<br />

Oberfläche – denn so verstrickt und verknotet<br />

sich die Szene hier auch darstellt, gerät der<br />

oder die Einzelne doch immer in die Gefahr,<br />

zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Im<br />

Erzählgeflecht des <strong>Film</strong>s weiß man bis zum<br />

Ende nicht, wer denn nun zu wem finden wird<br />

– und ob jemand gar auf der Strecke bleibt. Und<br />

es gelingt Hochner dabei, die schönen Singles<br />

hinreichend komplex zu zeichnen, so dass zum<br />

genussvollen Anschauen auch das Mitfühlen<br />

hinzukommt.<br />

otto; or, up with deAd people<br />

D/CA 2008, Regie: Bruce LaBruce, Gmfilms<br />

„Otto; Or, Up With Dead<br />

People ist ein schwuler<br />

Zombiefilm. Keine reine<br />

Parodie, sondern auch<br />

die vielleicht logischste<br />

Fortführung des Genres<br />

seit langer Zeit. Die<br />

Geschichte um Otto,<br />

einen jungen Zombie,<br />

der sich in einem<br />

unwirklich inszenierten Berlin auf die Suche<br />

nach seiner Todesursache begibt und dabei fast<br />

von der kulturellen Interpretationsmaschine<br />

geschluckt wird, ist ein wahres Heldenepos.<br />

Das Publikum dringt in Welten vor, die ganz<br />

vertraut aber doch unwirklich erscheinen, und<br />

kann nie sicher sein, ob es den <strong>Film</strong> falsch versteht<br />

oder ob man Otto… überhaupt richtig verstehen<br />

kann. Und ob es nicht vielleicht einzig<br />

und allein um das shock-value der Bilder geht,<br />

wenn LaBruce seinen essgestört dürren, aber<br />

ätherisch schönen Hauptdarsteller an scheinbar<br />

echten Hasenleichen herumnagen lässt<br />

oder Untote sich in erst durch Verwesung entstandene<br />

Körperöffnungen hinein begatten. So<br />

sieht heldenhafte Konsequenz aus: für Durchschnittsaugen<br />

eben immer auch ein bisschen<br />

nach Lizzie Borderline.“ (Paul Schulz in der<br />

SISSY 01/09)<br />

der trAuriGste junGe der welt.<br />

kurzfilme von jAmie trAvis<br />

CA 2003–06, Regie: jamie Travis, Edition Salzgeber<br />

Das (wir hoffen: vorläufige) Gesamtwerk des<br />

jungen kanadischen <strong>Film</strong>emachers Jamie<br />

Travis ist ein Katalog aus hysterischen Innen-<br />

einrichtungen,traurigen Kindern und allen<br />

Arten von Mustern (von<br />

Tapeten und von filmischen<br />

Erzählweisen).<br />

In Anlehnung an die<br />

Bezeichnung für <strong>Film</strong>emacher<br />

wie Wes Anderson,<br />

Alexander Payne<br />

oder Todd Solondz darf<br />

man Jamie Travis den ersten der „Canadian<br />

Eccentrics“ nennen. Mehr dazu auf Seite 26.<br />

cominG of AGe, vol. 1<br />

USA/GB/FR 1994–2004, Regie: Raoul o’Connell, W.i.Z.,<br />

Armand Lameloise, CMV Laservision<br />

„Coming of Age“ ist<br />

der unscharfe Begriff<br />

für einen Zwischenzustand.<br />

Der aber schon<br />

impliziert, dass am Ende<br />

der vollwertige Erwachsene<br />

steht, der über sich<br />

Klarheit gewonnen hat<br />

und diese nach außen<br />

auch vermitteln kann.<br />

Jede Lesbe und jeder Schwule wird zwangsläufig<br />

das Coming Out damit verbinden und für<br />

diesen gedanklichen Kurzschluss ist der Klassiker<br />

A Friend of Dorothy von 1994 ein schönes<br />

und sehr charmantes Beispiel. Hier fängt<br />

ein junger Mann, seinen Eltern entronnen,<br />

an zu leben. Zwar mit der Hilfe von Barbara<br />

Streisand, aber das ist spätestens dann nicht<br />

mehr so wichtig, als er einen hübschen Judy-<br />

Garland-Fan trifft. Wie man aber für einen<br />

erotischen Schwebezustand Bilder findet, zeigt<br />

die Kurzfilmentdeckung Baby des Music-Clip<br />

(u.a. für Oasis und Massive Attack)-Regisseurs<br />

W.I.Z. Der schickt seine Figur „Little<br />

Joe“ mit den grünen Augen von Ben Whishaw<br />

durch eine Welt aus erotischen Impulsen, aus<br />

Schwänzen und Stöckelschuhen, Schwimmbädern<br />

und Zeitschriftenauslagen. Hier ist nichts<br />

festgelegt und nichts funktional, hier reift niemand<br />

und gibt niemand Bekenntnisse ab. Es<br />

sind ‚einfach‘ nur 12 Minuten Erregung eines<br />

15-Jährigen.<br />

junGe helden<br />

USA/CA/F/DK 2002–2008., Edition Salzgeber<br />

Ein Sechsjähriger,<br />

ordentlich frisiert und<br />

im feinen Anzug, tritt<br />

vor der versammelten<br />

Familie an ein Mikrophon<br />

und verkündet: „I<br />

am a homosexual!“ Der<br />

stürmische Beifall, den<br />

er damit erntet, spottet<br />

jeglicher Erfahrung und<br />

machte aus Celebration einen Kurzfilmklassiker.<br />

Was Jungs wagen, wenn sie die ersten<br />

Schritte zur Veröffentlichung ihres Anders-<br />

Seins machen, erzählen die anderen <strong>Film</strong>e<br />

dieser Kompilation in vielen Varianten. Schön<br />

sind vor allem die <strong>Film</strong>e, die dicht an einer<br />

jugendlichen Wahrnehmung bleiben – Lloyd<br />

Neck zum Beispiel, der über die Frage der sexuellen<br />

Orientierung hinaus von Freundschaft<br />

und familiären Allianzen erzählt, ohne dass<br />

ein Aspekt dabei die Oberhand gewinnt; oder<br />

Candy Boy von Pascal-Alex Vincent, der souverän<br />

die Möglichkeiten der Animation einsetzt,<br />

um das zu erzählen, was über eine realistische<br />

Wahrnehmung hinausgeht.<br />

GAy fun shorts<br />

D/USA/CA/F/Fi/iS/UK/AUS 2003–08, Edition Salzgeber<br />

Dass Schwule über sich<br />

selbst lachen können,<br />

ist bekannt. Man hat<br />

Übung im Einfühlen in<br />

die ‚andere‘ Perspektive<br />

und lernt fast zwangsläufig,<br />

sich selbst zu<br />

beobachten. Ein Versuch<br />

über schwulen<br />

Humor in 11 <strong>Film</strong>en ist<br />

allerdings gewagt, reicht doch da die Spannbreite<br />

von Ralf König bis Noel Coward. Also<br />

reicht auch hier das Spektrum von <strong>Film</strong>en<br />

mit witziger Pointe (Love Bite, 41 Sekunden),<br />

<strong>Film</strong>en mit witziger Ausgangssituation (Gay<br />

Zombie), über Tragikkomisches (Wrestling,<br />

Der Steingarten), Hysterisches (Die Bedröhnten<br />

und die Getönten, Meins!), bis zu äußerst<br />

Kompliziertem (Ein Harter Schlag, 2 Minuten<br />

nach Mitternacht) – und dann gibt es noch<br />

zwei wirkliche Perlen, die so gar keine Erwartungen<br />

bedienen: Tango Finlandia lässt zwei<br />

Bilderbuch-Männer beim Tanzen schwach<br />

werden, Karaoke Show dagegen ist ein mehrfach-mutiger<br />

Selbstversuch: nackt sein und<br />

Moonwalk tanzen, so dass es gut aussieht. Das<br />

klappt niemals im Leben, aber im <strong>Film</strong> gibt’s<br />

Special Effects. Von einer Kurzfilmsammlung<br />

zum Thema „Männer, die tanzen“ könnte man<br />

sich ziemlich viel erwarten.<br />

freundinnen<br />

D/CH 2007–2008, Edition Salzgeber<br />

Eine Kurzfilmsammlung<br />

zum Thema lesbische<br />

Liebe aus rein<br />

deutschsprachigen<br />

Arbeiten, verschafft<br />

einen guten Überblick<br />

über den Stand des geografisch<br />

nahen <strong>Film</strong>h<br />

o c h s c h u l - O u t p u t s<br />

(denn vor allem dort<br />

werden Kurzfilme gemacht). Die Beiträge sind<br />

grundverschieden in Stil, Ton und filmischem<br />

Zugang. Glioblastom erzählt frei heraus seine<br />

absurde Familiengeschichte mit skurrilem<br />

Humor und Mut zum Nonsense. 510 Meter über<br />

dem Meer dagegen trifft genau und konzentriert<br />

die Stimmung einer Nacht des Wartens,<br />

zwischen Schlafen und Wachen, Müdigkeit und<br />

Sehnsucht – ein <strong>Film</strong>, der selbst irgendwann<br />

zu schweben beginnt. Originell auch Antje &<br />

Wir, in dem lauter gutaussehende junge Menschen<br />

von ihrer erotischen Erfahrung mit ein<br />

und derselben Frau erzählen, die aber im <strong>Film</strong><br />

selbst gar nicht auftaucht. Der <strong>Film</strong>, den man<br />

hier nicht sieht, geht in leuchtenden Farben im<br />

eigenen Kopf los.<br />

die verBorGene welt<br />

ZA/UK 2007, Regie: Shamim Sarif, Pro-Fun Media<br />

Die Autorin und <strong>Film</strong>emacherin<br />

Shamim<br />

Sarif bereichert das<br />

Queer Cinema gerade<br />

durch multimediale<br />

und multikulturelle<br />

lesbische Geschichten.<br />

Die Tochter südasiatischer<br />

Eltern, in Südafrika<br />

aufgewachsen,<br />

heute in London lebend, ist dazu übergegangen,<br />

ihre eigenen preisgekrönten Romane zu<br />

verfilmen. Die verborgene Welt ist ihr Debüt<br />

und macht es sich nicht leicht: Es erzählt in<br />

einem entfernten historischen Setting (Südafrika<br />

in den 1950ern, zu Beginn der Apartheid-<br />

Politik) ein sehr spezifisches Kulturthema (die<br />

Situation von Indern in einem in Schwarz und<br />

Weiß getrennten Land). Darin allerdings entwickelt<br />

sich die universelle Liebesgeschichte<br />

zweier sehr unterschiedlicher Frauen als zarte<br />

Romanze kleiner, versteckter Gesten, gegen<br />

die die Umwelt in Gestalt von prügelnden Ehemännern,<br />

sadistischen Polizisten und böswilliger<br />

Nachbarinnen hartes Geschütz auffährt. „I<br />

wish I’d knew how it feels to be free“ singt Nina<br />

Simone gleich zu Beginn. Diese Blues-Variation<br />

von Grüne Tomaten nimmt sich dennoch das<br />

Recht zum Happy-End heraus.<br />

i cAn’t think strAiGht<br />

UK 2007, Regie: Shamim Sarif, Pro-Fun Media<br />

Auch ihren neuen <strong>Film</strong><br />

I can’t think straight<br />

drehte Shamim Sarif<br />

nach ihrem eigenen<br />

Roman. Diesmal spielt<br />

die Liebesgeschichte<br />

zweier Frauen allerdings<br />

in einer urbanen<br />

Gegenwart, im multikulturellen<br />

London, wo<br />

die christliche Jordanierin palestinensischer<br />

Herkunft Tala auf die muslimische Inderin<br />

Leyla trifft. Das lesbische Coming Out ist in beiden<br />

Fällen kompliziert, von einer gemeinsamen<br />

Beziehung ganz zu schweigen. Sarif vertraut in<br />

diesem Gewirr an kulturellen und emotionalen<br />

Voraussetzungen auf ein kluges Drehbuch, das<br />

all diese Fäden und Kontexte miteinander zu<br />

verknüpfen weiß und profitiert reichlich von<br />

der Schönheit ihrer beiden Hauptdarstellerinnen<br />

Lisa Rey und Sheetal Sheth, die sich einen<br />

Spaß daraus machen, ihre Rollen aus Die verborgene<br />

Welt im neuen <strong>Film</strong> zu tauschen. Visuell<br />

deutet hier nichts auf ein kleines Budget<br />

hin – auch die Songauswahl geht in die Vollen,<br />

Katy Perry’s „I kissed a girl“ inklusive.<br />

mit Geschlossenen AuGen –<br />

trAGe liefde<br />

nL 2007, Regie: Boudewijn Koole, Edition Salzgeber<br />

Ein junger Mann findet<br />

seinen schwulen Vater,<br />

der gar nichts von ihm<br />

weiß, und geht eine<br />

riskante Beziehung zu<br />

ihm ein. Ein mutiges<br />

und radikales Drama,<br />

von mehreren schmerzvollen<br />

Versionen von<br />

Gershwin’s „Summertime“<br />

unterlegt. „Boudewijn Koole erzählt<br />

seine Geschichte eher bruchstückhaft und deutet<br />

vieles nur an. So bleibt Raum für die Fantasie<br />

des Zuschauers, der andererseits womöglich<br />

auf falsche Fährten gelockt und dazu gebracht<br />

wird, Verbindungen herzustellen, die es gar<br />

nicht gibt, und sich Falsches zusammenzureimen.“<br />

(Jan Gympel in der SISSY 1/09)<br />

Autopsy<br />

F 2007, Regie: jérôme Anger, Edition Salzgeber<br />

frisch ausgepackt<br />

Ein harter Cop, der<br />

in seinem Revier klar<br />

kommt, vielleicht etwas<br />

jähzornig, aber so kennt<br />

man das aus Krimis.<br />

Eine Familie steht im<br />

Hintergrund, eine Frau<br />

und ein pubertierender<br />

Sohn – doch der Vater<br />

ist ein einsamer Wolf,<br />

der die Dinge auf eigene Faust regelt. Wie einsam<br />

er ist, merkt er, als sein Männlichkeitskonzept<br />

ins Wanken gerät – er muss einen Serienkiller<br />

stellen, der es auf alte Schwule abgesehen<br />

hat, und er verliebt sich aus heiterem Himmel<br />

in einen Mann, der kaum weniger ‚männlich’<br />

ist als er selbst. Stéphane Freiss spielt das großartig:<br />

einen Mann, der die Konfrontation sucht<br />

und deshalb auch nicht lange fackelt, wenn es<br />

darum geht, sein bisheriges Leben aufzugeben.<br />

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