Homosexual's Film Quarterly - Sissy
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frisch ausgepackt<br />
Jérôme Angers Versuch, Coming Out-Drama<br />
und Polizeithriller zu verbinden, ist originell<br />
und fesselnd erzählt.<br />
shelter<br />
USA 2007, Regie: jonah Markowitz, Pro-Fun Media<br />
Der junge Zach hat<br />
wenig Gelegenheiten,<br />
ein ‚Teenager‘ zu sein<br />
– er muss seine Familie<br />
unterstützen und sich<br />
um seinen kleinen Neffen<br />
kümmern. Schwierige<br />
Voraussetzungen<br />
für ein Coming Out.<br />
„Wie sich schließlich<br />
alles für alle Beteiligten trefflich fügt, mag<br />
man als große Gunst des Schicksals betrachten<br />
– oder auch als unbedingten Willen des<br />
Drehbuchautors Jonah Markowitz zu einem<br />
umfassenden Happy End. Doch darüber sieht<br />
man gern hinweg, nicht nur wegen der – zumal<br />
in den von Kulturkämpfen geschüttelten USA<br />
– ausgesprochen politischen Botschaft, der<br />
zufolge Familie und ein ideales Umfeld für<br />
Kinder nicht unbedingt aus Mama und Papa<br />
zu bestehen brauchen. Auch erzählt Markowitz<br />
in seinem Spielfilmregieerstling seine<br />
Geschichte von einem Coming Out, generellem<br />
Selbstfinden und Erwachsenwerden, Aufopferung<br />
und Verantwortung einfühlsam und mit<br />
einer schönen Balance aus Zurückhaltung und<br />
Direktheit.“ (Jan Gympel in der SISSY 1/09)<br />
GeGen die schwerkrAft<br />
(defyinG GrAvity)<br />
USA 1997, Regie: john Keitel, Edition Salzgeber<br />
Solange ‚sexuelle Orientierungen’<br />
ein Thema<br />
sind, wird es Coming<br />
Out-<strong>Film</strong>e geben. Auch<br />
Gegen die Schwerkraft<br />
gehört dazu – die sexuelle<br />
Identitätsfindung<br />
eines jungen Mannes ist<br />
sein zentrales Thema.<br />
Trotzdem ist dieser<br />
kleine <strong>Film</strong> eine Entdeckung. Berührend ist die<br />
Ernsthaftigkeit, mit der Keitel in der sonnigen<br />
südkalifornischen College-Welt aus lärmenden<br />
Buddies und kichernden Mädchen das Drama<br />
ausmacht, den naiven, bei allen beliebten Sonnyboy,<br />
der glaubt, diese Rolle ewig weiterspielen<br />
zu können, so lange er seine Gefühle nur<br />
heimlich auslebt. Den Ehrlichkeit einfordernden<br />
Freund kann er so lange ignorieren, bis<br />
dieser Opfer eines Unfalls wird und dadurch<br />
als Sparringspartner für die Selbstfindung<br />
ausfällt. Erst auf sich allein gestellt, gelingt<br />
sie schließlich und der Freund wird aus dem<br />
Koma wachgeküsst. Dieses wunderschön kit-<br />
schige Happy-End ist kein Drehbuch-Trick – es<br />
wundert sich über Probleme, die eigentlich gar<br />
keine waren.<br />
phoenix<br />
USA 2006, Regie: Michael D. Akers, CMV Laservision<br />
Es wird viel geweint<br />
in diesem <strong>Film</strong>. Über<br />
Beziehungen, die einfach<br />
nicht funktionieren.<br />
Über falsch investierte<br />
Gefühle. Über<br />
Verletzungen, die riskiert<br />
und erlitten werden.<br />
Zwei Männer stellen<br />
fest, dass sie Partner<br />
und Geliebter des selben Mannes gewesen<br />
sind. Sie können ihn nicht zur Rechenschaft<br />
ziehen, da er sich aus dem Staub gemacht hat,<br />
also haben sie nur einander. Mit dem Mut der<br />
Verzweiflung werden Schlussstriche gezogen<br />
und Neuanfänge gewagt, bis sie begreifen, dass<br />
sie erst mal verarbeiten müssen, was ihnen<br />
passiert ist. Michael Akers hat wieder einen<br />
Low-Budget-Spielfilm gedreht, der mit großer<br />
Ernsthaftigkeit das Gefühlsleben seiner beziehungssehnsüchtigen<br />
Protagonisten erkundet,<br />
zwischen jugendlicher Naivität und reifem<br />
Zynismus. Dafür kann man sich schon mal 86<br />
Minuten Zeit nehmen.<br />
kiss the Bride<br />
USA 2007, Regie: C. jay Cox, Pro-Fun Media<br />
Hochzeit als Thema<br />
und Variation. Schon<br />
an der schwulen wird<br />
kein gutes Haar gelassen,<br />
gelingt es Lifestyle-Magazin-Redakteur<br />
Matt doch kaum,<br />
Models für einen Titel<br />
über die Homo-Ehe zu<br />
finden. Die heterosexuelle<br />
Ehe allerdings, noch dazu die seines besten<br />
Freundes, in den er immer noch verliebt ist,<br />
ist für ihn eine persönliche Katastrophe. Und<br />
ihre Verhinderung seine Mission. Zurück in<br />
der Provinz, die vielen abschreckenden Beispiele<br />
dauerbetrunkener Hetero-Ehepaare vor<br />
Augen, kommt er erneut seinem Traummann<br />
nahe, doch eine ‚Bekehrung‘ sieht anders aus.<br />
Klarheit schafft die Ehefrau in spe, die die beiden<br />
Männer noch mal aufeinander loslässt,<br />
um potentielle Lebenslügen zu verhindern. So<br />
scharf die Dialoge auch sind, so böse der Blick<br />
auf die Heuchelei der rechtschaffenen Landeier,<br />
so ironisch das Gerede von den „guten<br />
und den schlechten Zeiten“: am Ende machen<br />
alle auf unkonventionelle Art ihren Frieden<br />
mit der gesellschaftlichen Institution und der<br />
Höhepunkt dieses <strong>Film</strong>s darf doch wieder eine<br />
Hochzeit in üppigster Pracht und ironiefreiem<br />
Pathos sein. Und das schöne Titelbild zur<br />
Homo-Ehe wird auch noch gefunden.<br />
out At the weddinG<br />
USA 2007, Regie: Lee Friedlander, Pro-Fun Media<br />
Chaos and the City –<br />
in dieser Screwball-<br />
Comedy um Geschlechterverwirrung<br />
und<br />
va riable sexuelle Orientierungen<br />
ist nichts,<br />
wie es auf den ‚normalen’<br />
Blick scheint. „Die<br />
zwangsläufig folgenden<br />
Verwicklungen stellen<br />
alle vor große Herausforderungen, und ausgerechnet<br />
während ihres ersten ‚Ausflugs‘ als<br />
Lesbe läuft Lexie ihrem zukünftigen Schwiegervater<br />
in die Arme. Katastrophe! Da hilft<br />
nur eins: das Spiel mit noch größerem Einsatz<br />
weiterspielen… Geistreich, selbstironisch,<br />
turbulent, scharf beobachtend und herrlich<br />
schräg spielt Out at the Wedding mit Klischees<br />
und entlarvt genau diese äußerst charmant.<br />
Bevor der <strong>Film</strong> auf sein fulminantes Ende und<br />
einen großartigen Showdown zusteuert, müssen<br />
noch einige Klippen umschifft und harte<br />
Schläge eingesteckt werden, bis am Ende alle<br />
etwas Elementares dazu gelernt haben und<br />
jede das bekommt, was sie immer schon wollte,<br />
auch wenn das nicht vorhersehbar war.“ (Sharon<br />
Adler in SISSY 1/09)<br />
poster Boy<br />
USA 2004, Regie: Zak Tucker, Pro-Fun Media<br />
Eigentlich sollte dieser<br />
<strong>Film</strong> zur US-Präsidentschaftswahl<br />
2004<br />
erscheinen und damit<br />
zur Wahlhilfe für den<br />
demokratischen Kandidaten<br />
John Kerry werden.<br />
Doch die Produktion<br />
bekam kalte Füße,<br />
die Regisseure wechselten,<br />
der A-Cast wurde durch unbekannte<br />
Schauspieler ersetzt und der <strong>Film</strong> kam fern<br />
jeglicher Wahlkämpfe 2006 in die US-Kinos.<br />
Was nichts aussagt darüber, wie interessant<br />
dieser Low-Budget-Independent-<strong>Film</strong> ist.<br />
Die einfache Geschichte (es stellt sich heraus,<br />
dass der Sohn eines republikanischen Senators<br />
schwul ist und daher kaum noch zur Unterstützung<br />
des homophoben Wahlkampfs seines<br />
Vaters taugt) füllt Regisseur Zak Tucker durch<br />
viele interessante Nebenschauplätze und einen<br />
bösen Humor auf, so dass daraus am Ende das<br />
Drama eines permanent manipulierten Menschen<br />
wird, der keine Chance hat, ein eigenes<br />
Leben zu leben. Das Drehbuch riskiert viel<br />
dabei, ohne sein Potential dabei zu verschenken<br />
und die Kameraarbeit ist alles andere als<br />
TV-Standard. Ein fiebrig nervöser Trip durch<br />
die Untiefen politischen Handels, das nicht<br />
davor zurückschreckt, in die Sexualität von<br />
Menschen einzugreifen.<br />
kAtmiete | speed dAtinG.<br />
D 2007, Regie: Gregor Buchkremer, Edition Salzgeber<br />
Deutsche <strong>Film</strong>emacher<br />
versuchen es ja immer<br />
wieder mit den klassischen<br />
Genres: Thriller,<br />
Science-Fiction, Horror.<br />
Wenn man die ersten<br />
<strong>Film</strong>e des noch jungen<br />
Gregor Buchkremer<br />
gesehen hat, hat man<br />
Grund zur Hoffnung,<br />
dass es auch mal jemand kann. Mehr über<br />
Buchkremers queeren Zugang zu klassischen<br />
Erzählformen auf Seite 24.<br />
Boystown (chuecAtown)<br />
ES 2007, Regie: juan Flahn, Pro-Fun Media<br />
Schwule Gentrifizierung.<br />
Madrids ehemaligerRotlichtbezirk<br />
Chueca, von den<br />
Schwulen und Lesben<br />
mit viel Liebe und Kreativität<br />
wieder lebenswert<br />
gemacht, soll<br />
saniert und in ein bürgerliches<br />
Wohngebiet<br />
umgebaut werden – in ein schwullesbisches,<br />
versteht sich. Was da allerdings noch stört, sind<br />
die alten Bewohner, demographisch korrekt:<br />
die Omas, die einfach nicht weichen wollen. In<br />
Juan Flahns drastischer Komödie werden sie<br />
deshalb von einem skrupellosen (heterosexuellen)<br />
Immobilienhai ermordet – soweit die hübsche<br />
Spielfilmidee. Doch wie man es von vielen<br />
spanischen Komödien kennt, läuft’s im Drehbuch<br />
nicht ganz so geschmiert. Hysterisches<br />
Geplapper, skurrile Nebenfiguren, absurde<br />
Konflikte, überraschende <strong>Film</strong>figuren-Tode,<br />
dramatisches Minenspiel stürzen so geballt auf<br />
den Zuschauer ein, dass er vorsichtshalber zwei<br />
Bier trinken sollte, um der Handlung durch<br />
Reduktion von Komplexität folgen zu können.<br />
Als witzige Hauptfiguren fungiert ein nicht<br />
allzu helles Bärenpaar, das ganz sicher nicht<br />
zur angestrebten Zielgruppe des Immobilienmaklers<br />
zählt. Ihrer hundsgemeinen (Schwieger-)<br />
Mutter wünscht man allerdings bald das<br />
für sie bestimmte Gentrifizierungs-Schicksal.<br />
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