05.03.2013 Aufrufe

musik 21 Fetsival Programm 2008 LY14 - Musik 21 Niedersachsen ...

musik 21 Fetsival Programm 2008 LY14 - Musik 21 Niedersachsen ...

musik 21 Fetsival Programm 2008 LY14 - Musik 21 Niedersachsen ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Musik</strong> <strong>21</strong> Festival <strong>2008</strong> <strong>Programm</strong> 4. Oktober, Winsen/Luhe<br />

4<br />

im weiteren Verlauf sämtlich in gesteigertem Tempo wiederkehren . Das Quartett<br />

endet mit einer Weiterführung des eröffnenden Cellosolos durch die erste Geige in<br />

aufsteigender Bewegung .<br />

Zurückblickend aus dem Jahr 1994 erkenne ich, dass dieses Quartett, welches<br />

einen solchen Wendepunkt in meiner Entwicklung bedeutete, mein extremstes<br />

Abenteuer darstellt in Hinblick auf »metrische Modulation« . Diese Kompositionsmethode<br />

entwickelte sich aus meinem sehr frühen Interesse für Polyrhythmen, die<br />

ich bei Skrjabin und bei Ives fand, dessen 1 . Violinsonate im 1 . Satz des Quartetts<br />

zitiert wird . Damals diskutierte ich diese Ideen mit Conlon Nancarrow, dessen<br />

»Player Piano Study No . 1« die Anfangstakte des »Variations«-Satzes anregte .<br />

Dieses Quartett ist in erster Linie ein lineares, melodisches Werk, wie viele meiner<br />

frühen Werke, und unterscheidet sich von meinen späteren, die mit anderen<br />

Fragen umgehen . Elliott Carter<br />

Franz Schubert, »Quartettsatz« c-Moll (D 70 ) (1820)<br />

Der Quartettsatz c-Moll fällt in Schuberts Zeit des verzweifelten Experimentierens<br />

. Nach seiner eigenen Datierung entstand das Werk im Dezember 1820 und<br />

war, wie die Überschrift des Autographs zeigt, ursprünglich als viersätziges Streichquartett<br />

geplant . Die Arbeit am 2 . Satz, einem As-Dur-Andante voller schöner Ideen,<br />

brach er nach 24 Takten aus unbekannten Gründen ab . Schroffe Kontraste zwischen<br />

Lyrik und Dramatik prägen den Kopfsatz, der mit drei Themengruppen in freier<br />

Sonatenform angelegt ist und effektvoll mit düsterem Tremolo beginnt . Dem Hauptthema<br />

in c-Moll von großer dramatischer Aussagekraft stehen zwei Seitenthemen<br />

in As-Dur und G-Dur mit weit ausholender, eingängiger Melodik gegenüber . Das<br />

aus fallenden Achtel-Wechselnoten zusammengesetzte, prägnante Eingangsmotiv<br />

durchwebt den gesamten Satz in immer neuen Varianten . Plötzlich hereinbrechende<br />

Stimmungswechsel erzeugen eine fast bühnen<strong>musik</strong>alische Dramatik .<br />

Das Werk gelangte nach Schuberts Tod zusammen mit vielen anderen Handschriften<br />

in den Besitz seines Bruders Ferdinand . Glücklicherweise ließ sich die Nachwelt,<br />

wie auch im Fall der h-Moll-Symphonie, nicht vom fragmentarischen Zustand des<br />

Quartetts beirren . Sein fertig gestellter 1 . Satz ist ein wichtiges Bindeglied zwischen<br />

Schuberts frühen und späten Streichquartetten und ein in sich vollendetes Meisterwerk,<br />

das zu Recht seinen Platz im Konzertleben gefunden hat . Der heute geläufige<br />

Titel Quartettsatz c-Moll geht auf keinen geringeren als Johannes Brahms zurück:<br />

Er erwarb das Werk, organisierte die Erstaufführung am 1 . März 1867 im <strong>Musik</strong>vereinssaal<br />

Wien durch das Helmesberger-Quartett und veranlasste die Erstausgabe,<br />

die 1870 bei Bartholf Senff in Leipzig erschien . Der unvollendete 2 . Satz wurde erst<br />

1897 in der Alten Schubert-Gesamtausgabe veröffentlicht . (Anke Schmitt)<br />

Sarah Nemtsov, »Im Andenken« für Streichquartett (2007)<br />

Die Komposition setzt sich mit der <strong>Musik</strong> Schuberts, speziell dem Fragment<br />

des »Andante« (2 . Satz) zu seinem Quartettsatz c-Moll, auseinander . Schuberts<br />

allgemeine kompositorische Prinzipien, sowie die in dem Fragment angelegten<br />

Elemente werden abstrahiert für mein eigenes Schreiben verwendet . Ab der<br />

Stelle innerhalb meines Quartetts, an der ich sozusagen »bei mir angekommen«<br />

bin, lasse ich untergründig eine von Schubert verwendete Form laufen: Die nachfolgende<br />

Entwicklung stützt sich auf den formalen Aufbau des Durchführungsteils,<br />

bzw . B-Teils – bis hin zur Reprise – aus dem »Andante un poco moto« (2 .<br />

Satz) des Streichquartetts G-Dur D 887 . Auf diese subkutane Form verweise ich<br />

strukturell, mitunter inhaltlich, stärker oder schwächer . Die <strong>Musik</strong> begegnet diesem<br />

Leitfaden, reagiert, konterkariert ihn, kann ihn in Auszügen zitieren und<br />

ebenso ignorieren . Überhaupt geht es auch um die Thematisierung von Nähe<br />

und Ferne: Es ist doch so, dass die <strong>Musik</strong> Schuberts uns heute als das Vertraute<br />

erscheint, wenngleich sie mit ihrem historischen Kontext weit entfernt von uns<br />

sein müsste und vielmehr das Zeitgenössische, das Aktuelle Nähe aufweisen sollte<br />

. Zuletzt erklingt daher der Beginn des Schubertschen Fragments »con sordino«<br />

und fast doppelt so langsam gespielt – der Zeit entrückt, von Ferne .<br />

Sarah Nemtsov<br />

Wolfgang Rihm, »Grave« (in memoriam Thomas Kakuska) (2005)<br />

Nachdem die <strong>Musik</strong> mit einem mehrfach angespielten, leisen, doch dis-<br />

sonanten Akkord begonnen hat, entwickelt sich im sanften Duett der Violinen<br />

eine Melodie, begleitet vom Violoncello – die Bratsche schweigt . Allmählich beginnt<br />

sie sich als verborgen wahrnehmbare Farbe am Geschehen zu beteiligen .<br />

Nach klanglicher Verschärfung mündet der Abschnitt ins Geräuschhafte . Erst jetzt<br />

tritt die Bratsche hervor – zunächst mit einer sanft absteigenden Linie, dann mit<br />

einem gehauchten Motiv, dessen quasi-tonale Struktur die Passage noch eine Weile<br />

bestimmen wird . Immer wieder passieren Fragmente das Ohr des Hörers, die<br />

vage Erinnerungen auslösen, ohne dabei je den Eindruck einer naiven Rückkehr<br />

zum Vertrauten zu wecken . Regelmäßig unterbrochen durch »auf dem Steg« gespielte,<br />

geräuschhafte Momente, bewegt sich die <strong>Musik</strong> durch unterschiedliche<br />

Empfindungslagen . Etwa in der Mitte des Stücks kommt es gar zu einem beinahe<br />

tänzerischen Abschnitt, bei dem die Bratsche stimmführend ist . Darauf folgt eine<br />

hymnisch anmutende Episode, die jedoch in vierfachem pianissimo den Charakter<br />

stiller Trauer annimmt . Der Schluss gestaltet sich vorerst durch gehäuft<br />

dissonante, fast gewaltsame Gesten, um darauf in immer stärker zerklüfteter Motivik<br />

zu verebben . Die letzten Akkorde schlagen einen Bogen zum Anfang, ohne<br />

dabei – wie sonst oft bei Wolfgang Rihm – den Eindruck eines Kreislaufs, eines<br />

möglichen Neubeginns zu evozieren: Dynamik wie Harmonik formieren unmissverständlich<br />

einen Schluss . (Eike Fess)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!