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Ideologische Feindbilder des 20 - Geschichtswerkstatt Jena eV

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politischer und ökonomischer Interessen fand, nach wie vor beruhend auf dem Prinzip der<br />

politischen Ausgrenzung der arbeitenden Masse, fand die „unterdrückte Klasse“ im<br />

Marxismus ihren „neuen Glauben“ an eine gerechtere Welt. Beide entfalteten sich unmittelbar<br />

und parallel in einem bis heute die Gesellschaft bestimmenden Prozess der durchgreifenden<br />

Säkularisierung. Die Abwendung von der Religion als alleiniger „heilsbringender Ideologie“<br />

wurde so allmählich abgelöst von einem sich überlagernden Nationalismus auf der einen Seite<br />

und auf der anderen Seite von der Utopie eines alle Menschen befriedigenden<br />

Gesellschaftssystems, dem Kommunismus. 11<br />

Erste Höhepunkte in der politisch-ideologischen Auseinandersetzungen in Deutschland waren<br />

nach dem „Erringen“ der nationalen Einheit (Deutsch-Französischer Krieg 1870/71) der<br />

politische Kampf Bismarcks gegen die katholische Kirche (Kirchenkampf) sowie die<br />

Bekämpfung der politisch aufstrebenden Arbeiterschaft (Sozialistengesetze). Nach dem<br />

Ausscheiden Bismarcks (Der Lotse geht von Bord) versuchte Kaiser Wilhelm II., alle Seiten<br />

„zufrieden zu stellen“. 12 Der angestrebte „Platz an der Sonne“ in Gestalt eines deutschen<br />

Kolonialismus bediente einerseits nationale Großmachtträume in Abgrenzung zu den anderen<br />

europäischen Großmächten, andererseits beförderte er den furiosen ökonomischen Aufstieg<br />

Deutschlands. Daran partizipierte die Arbeiterschaft, die zugleich Ende <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts<br />

die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung stellte, kaum, was deren Politisierung verstärkte.<br />

Auch koloniale Auswanderungsprogramme änderten daran nichts. Vor allem die Schwer- und<br />

Großindustrie profitierten von der kaiserlichen Kolonialpolitik. Letztere verwirklichte zudem<br />

durch den Bau zahlreicher Kriegsschiffe die kaiserliche Vision von einer mächtigen<br />

Kriegsflotte. 13<br />

Das „kurze“ <strong>20</strong>. Jahrhundert<br />

11 Sombart, Werner: Der proletarische Sozialismus (Marxismus), zehnte Ausgabe der Schrift „Sozialismus und<br />

Soziale Bewegung“, erster Band „Die Lehre“, <strong>Jena</strong> 1924, S. 116 f. und S. 248 ff. Zur Psychologie der Masse als<br />

Ausdruck der neuen sozialen Bewegungen im 19. und Anfang <strong>20</strong>. Jahrhundert vgl. Le Bon: Psychologie der<br />

Massen, Stuttgart 1957, S. 3: „Heute werden Forderungen der Massen nach und nach immer deutlicher und<br />

laufen auf nichts Geringeres als auf den gänzlichen Umsturz der gegenwärtigen Gesellschaft hinaus, um sie<br />

jenem primitiven Kommunismus zuzuführen, der vor dem Beginn der Kultur der normale Zustand aller<br />

menschlichen Gesellschaft war.“<br />

12 Zum Wirken Bismarcks u.a. Cranksahw, Edward: Bismarck, München 1983, S. 269 ff. Zur zeitgeschichtlichen<br />

Wertung der Rolle von Bismarck und Kaiser Wilhelm II. vgl.: Graf Ernst von Reventlow: Von Potsdam nach<br />

Doorn, 12. Auflage, Berlin 1940, S. 118 u. 190 f.<br />

13 Eingebettet in den europäischen Kontext vgl. Gordon A. Craig: Geschichte Europas 1815-1980. Vom Wiener<br />

Kongreß bis zur Gegenwart, München 1983, S. 284 ff.; vgl. auch Mann, Golo: Deutsche Geschichte <strong>des</strong> 19. und<br />

<strong>20</strong>. Jahrhunderts., Frankfurt a. M 1993, S. 452 ff.

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