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Sicherheitsdossier Fussverkehr Unfallgeschehen ... - BfU

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<strong>Fussverkehr</strong><br />

<strong>Unfallgeschehen</strong>, Risikofaktoren<br />

und Prävention<br />

03<br />

<strong>Sicherheitsdossier</strong><br />

Esther Walter<br />

Mario Cavegn<br />

Gianantonio Scaramuzza<br />

Steffen Niemann<br />

Roland Allenbach<br />

Bern 2007<br />

Schweizerische<br />

Beratungsstelle<br />

für Unfallverhütung


Schweizerische<br />

Beratungsstelle<br />

für Unfallverhütung<br />

<strong>Fussverkehr</strong><br />

<strong>Unfallgeschehen</strong>, Risikofaktoren<br />

und Prävention<br />

Esther Walter<br />

Mario Cavegn<br />

Gianantonio Scaramuzza<br />

Steffen Niemann<br />

Roland Allenbach<br />

Bern 2007<br />

03<br />

<strong>Sicherheitsdossier</strong>


Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Schweizerische Beratungsstelle<br />

für Unfallverhütung bfu<br />

Laupenstrasse 11<br />

CH-3008 Bern<br />

Tel. +41 (0)31 390 22 22<br />

Fax +41 (0)31 390 22 30<br />

E-Mail info@bfu.ch<br />

Internet www.bfu.ch<br />

Bezug http://shop.bfu.ch<br />

Autoren:<br />

Esther Walter, lic. phil., Abteilung Forschung, bfu<br />

Mario Cavegn, lic. phil., Abteilung Forschung, bfu<br />

Gianantonio Scaramuzza, dipl. Ing. ETH, Abteilung Forschung, bfu<br />

Steffen Niemann, M.A., Abteilung Forschung, bfu<br />

Roland Allenbach, dipl. Ing. ETH, Stv. Leiter Abteilung Forschung, bfu<br />

Redaktion:<br />

Stefan Siegrist, Dr. phil., Leiter Abteilung Forschung, bfu<br />

Druck:<br />

Bubenberg Druck- und Verlags-AG<br />

Montbijoustrasse 61<br />

CH-3007 Bern<br />

1/2007/400 1/2007/600<br />

© bfu/FVS 2007Alle Rechte vorbehalten; Reproduktion (z. B. Fotokopie),<br />

Speicherung und Verbreitung sind mit Quellenangabe (Schweizerische<br />

Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu/Fonds für Verkehrssicherheit FVS,<br />

<strong>Fussverkehr</strong> [<strong>Sicherheitsdossier</strong> Nr. 03], 2007) gestattet.<br />

Dieser Bericht wurde hergestellt mit finanzieller Unterstützung durch den<br />

Fonds für Verkehrssicherheit (FVS).<br />

Aus Gründen der Lesbarkeit verzichten wir darauf, konsequent die männliche<br />

und weibliche Formulierung zu verwenden. Wir bitten die Leserschaft<br />

um Verständnis.


Inhalt<br />

Inhalt<br />

I. ABSTRACT / RÉSUMÉ / COMPENDIO 1<br />

1. Deutsch 1<br />

2. Français 2<br />

3. Italiano 3<br />

II. KURZFASSUNG / VERSION ABRÉGÉE / RIASSUNTO 4<br />

1. Kurzfassung 4<br />

1.1 Auftrag 4<br />

1.2 Methodik 5<br />

1.3 <strong>Unfallgeschehen</strong> 5<br />

1.4 Risikofaktoren 7<br />

1.5 Prävention 11<br />

1.6 Fazit 20<br />

2. Version abrégée 22<br />

2.1 Mandat 22<br />

2.2 Aspects méthodologiques 23<br />

2.3 Accidentologie des piétons 23<br />

2.4 Facteurs de risque 25<br />

2.5 Prévention 29<br />

2.6 Conclusions 38<br />

3. Riassunto 39<br />

3.1 Mandato 39<br />

3.2 Metodica 40<br />

3.3 Sinistrosità 40<br />

3.4 Fattori di rischio 42<br />

3.5 Prevenzione 46<br />

3.6 Conclusione 54<br />

III. EINLEITUNG 56<br />

1. Auftrag 56<br />

2. Zielsetzung 56<br />

3. Fragestellungen 57<br />

4. Aufbau/Leseanweisung 57<br />

IV. RAHMENBEDINGUNGEN 58<br />

1. Einleitung 58<br />

2. Mobilitätsverhalten 58<br />

3. Gesellschaftlicher Stellenwert 60<br />

4. Relevante verkehrspolitische Tendenzen 62<br />

5. Gesetzliche Rahmenbedingungen 65


Inhalt<br />

V. METHODIK 68<br />

1. Einleitung 68<br />

2. Definition von Schlüsselbegriffen 68<br />

2.1 Fussgänger 68<br />

2.2 Risikofaktor 68<br />

2.3 Verkehrsexposition und Risikoexposition 69<br />

2.4 Risikogruppen 70<br />

2.5 Personenschäden: Leicht-/Schwerverletzte, Getötete 70<br />

3. Vorgehensweise in drei Analysestufen 71<br />

4. Datengrundlagen zum <strong>Unfallgeschehen</strong> 74<br />

5. Auswertung der verfügbaren Unfalldaten 76<br />

5.1 Beschreibung des <strong>Unfallgeschehen</strong>s 76<br />

5.2 Bestimmung von Risikofaktoren 76<br />

VI. UNFALLGESCHEHEN 79<br />

1. Fussgängerunfälle im Vergleich 79<br />

1.1 Ausgangslage 79<br />

1.2 Vergleich Schweiz – Europa 80<br />

1.3 Vergleich Fussgängerunfälle – übriges Unfall-<br />

geschehen Schweiz 82<br />

2. Fussgänger 87<br />

2.1 Betroffene Personen 87<br />

2.2 Unfalltyp 91<br />

2.3 Verletzungen 93<br />

3. Kollisionsobjekte 97<br />

4. Kollisionsgegner 99<br />

5. Infrastruktur 103<br />

6. Umwelteinflüsse 107<br />

7. Unfallursachen 110<br />

7.1 Systematik der Ursachenerfassung 110<br />

7.2 Übersicht 110<br />

7.3 Fussgänger 112<br />

7.4 Kollisionsgegner und Kollisionsobjekte 113<br />

8. Zusammenfassung und Fazit 117<br />

VII. RISIKOFAKTOREN 119<br />

1. Einleitung 119<br />

2. Fussgänger 121<br />

2.1 Einleitung 121<br />

2.2 Eignung: Wahrnehmung und Informationsverarbeitung 122<br />

2.3 Eignung: Spielmotiv 128<br />

2.4 Eignung: Körpergrösse 130<br />

2.5 Kompetenz: Verkehrsrelevantes Wissen 132<br />

2.6 Kompetenz: Gefahrenbewusstsein / sicherheits-<br />

bewusste Einstellungen 133<br />

2.7 Fähigkeit: Alkoholkonsum 135<br />

2.8 Verhalten: Regelwidriges Verhalten 136<br />

2.9 Verhalten: Sichtbarkeit 139<br />

2.10 Risikogruppen 141<br />

2.11 Zusammenfassung und Fazit 144<br />

3. Lenkende der Kollisionsobjekte 145<br />

3.1 Einleitung 145<br />

3.2 Fahrverhalten: Geschwindigkeitswahl 147


Inhalt<br />

3.3 Fahrverhalten: Vortrittsmissachtung am<br />

Fussgängerstreifen 150<br />

3.4 Fahrverhalten: Tagfahrlicht 152<br />

3.5 Fahrverhalten: Unvorsichtiges Rückwärtsfahren 154<br />

3.6 Fahrfähigkeit: Alkohol 155<br />

3.7 Fahrfähigkeit: Drogen 159<br />

3.8 Fahrfähigkeit: Medikamente 161<br />

3.9 Fahrfähigkeit: Müdigkeit 163<br />

3.10 Fahrfähigkeit: Unaufmerksamkeit und Ablenkung 164<br />

3.11 Fahrkompetenz: Fahrzeugbedienung 166<br />

3.12 Fahrkompetenz: Gefahrenkognition und Selbst-<br />

kontrolle 167<br />

3.13 Fahreignung: Sensorische Einschränkungen 169<br />

3.14 Fahreignung: Körperlich-motorische Einschrän-<br />

kungen 172<br />

3.15 Fahreignung: Kognitive Leistungseinschränkungen 173<br />

3.16 Menschliche Leistungsgrenzen: Visuelle Wahr-<br />

nehmung 174<br />

3.17 Soziodemographische Risikogruppen 177<br />

3.18 Zusammenfassung und Fazit 179<br />

4. Kollisionsobjekte 182<br />

4.1 Einleitung 182<br />

4.2 Motorisierung 182<br />

4.3 Einspurige vs. zweispurige Motorfahrzeuge 183<br />

4.4 Masse 185<br />

4.5 Frontprofil 186<br />

4.6 Frontsteifigkeit 188<br />

4.7 Frontschutzbügel 190<br />

4.8 Beleuchtungsanlage 191<br />

4.9 Fahrzeugfarbe 192<br />

4.10 Technischer Qualitätszustand 193<br />

4.11 Zusammenfassung und Fazit 194<br />

5. Von der Strasseninfrastruktur ausgehende Risikofaktoren 196<br />

5.1 Einleitung: Netzgedanken 196<br />

5.2 Risikofaktor: Fehlende Netzplanung 198<br />

5.3 Defizitäre Infrastruktur für den querenden <strong>Fussverkehr</strong><br />

innerorts 200<br />

5.4 Defizitäre Infrastruktur für den in Längsrichtung<br />

gehenden <strong>Fussverkehr</strong> 205<br />

5.5 Zusammenfassung und Fazit 208<br />

6. Zusammenfassung Risikofaktoren 209<br />

VIII. PRÄVENTION 212<br />

1. Einleitung 212<br />

2. Einführung in die Thematik 212<br />

2.1 Präventionsmöglichkeiten 212<br />

2.2 Grundarten von Förderungsmassnahmen 214<br />

3. Fussgänger und Fussgängerinnen 215<br />

3.1 Einleitung 215<br />

3.2 Eignung: entwicklungs- und alterungsbedingte Defizite 216<br />

3.3 Kompetenz: Wissen und Gefahrenbewusstsein und<br />

deren Auswirkungen auf konkrete Verhaltensweisen 224<br />

3.4 Zusammenfassung 231<br />

4. Lenkende der Kollisionsobjekte 233<br />

4.1 Einleitung 233<br />

4.2 Fahreignung: Psychomotorische Beeinträchtigungen 234


Inhalt<br />

4.3 Fahrfähigkeit: Psychoaktive Substanzen 239<br />

4.4 Fahrfähigkeit: Unaufmerksamkeit, Ablenkung und<br />

Müdigkeit 248<br />

4.5 Fahrkompetenz: Gefahrenkognition und Selbst-<br />

kontrolle 254<br />

4.6 Fahrverhalten: Geschwindigkeit 257<br />

4.7 Fahrverhalten: Vortrittsgewährung 265<br />

4.8 Zusammenfassung und Fazit 270<br />

5. Kollisionsobjekte 272<br />

5.1 Einleitung 272<br />

5.2 Betriebssicherheit 273<br />

5.3 Fahrzeugfronten 275<br />

5.4 Beleuchtungsanlage 282<br />

5.5 Elektronische Fahrassistenzsysteme 285<br />

5.6 Zusammenfassung und Fazit 294<br />

6. Strasseninfrastruktur 296<br />

6.1 Einleitung 296<br />

6.2 Basis für adäquate Infrastrukturelemente: die<br />

Netzplanung 298<br />

6.3 Geschwindigkeitsregime innerorts 300<br />

6.4 Querung auf zwei Ebenen 309<br />

6.5 Punktuelle Querung auf einer Ebene mit Vortritt 312<br />

6.6 Punktuelle Querung auf einer Ebene ohne Vortritt 333<br />

6.7 Flächige Querung 336<br />

6.8 Abschnitte entlang von Strassen innerorts 343<br />

6.9 Abschnitte entlang von Strassen ausserorts 347<br />

6.10 Umsetzung 350<br />

6.11 Zusammenfassung und Fazit 358<br />

7. Zusammenfassung Prävention 359<br />

IX. VERZEICHNISSE 363<br />

1. Literaturverzeichnis 363<br />

2. Tabellenverzeichnis 377<br />

3. Abbildungsverzeichnis 383<br />

X. ANHANG 387<br />

1. Geltendes Schweizer Recht 387<br />

1.1 Strassenverkehrsgesetz (SVG) 387<br />

1.2 Verordnung über die technischen Anforderungen<br />

an Strassenfahrzeuge (VTS) 391<br />

1.3 Verkehrsregelnverordnung (VRV) 394<br />

1.4 Verkehrszulassungsverordnung (VZV) 396<br />

1.5 Signalisationsverordnung (SSV) 399<br />

1.6 Verordnung über die Typengenehmigung von<br />

Strassenfahrzeugen (TGV) 400<br />

1.7 Ordnungsbussenverordnung (OBV) 400<br />

1.8 Obligationenrecht (OR) 400<br />

1.9 Bundesgesetz vom 4. Oktober 1985 über Fuss<br />

und Wanderwege (FWG) 401


Abstract / Résumé / Compendio 1<br />

I. ABSTRACT / RÉSUMÉ / COMPENDIO<br />

1. Deutsch<br />

Die Aussagen im vorliegenden <strong>Sicherheitsdossier</strong> beruhen auf einer umfassenden<br />

Analyse der Verkehrsunfälle von Fussgängern in der Schweiz.<br />

Bei der Bestimmung von Risikofaktoren und der Bewertung von Sicherheitsmassnahmen<br />

wurden auch anderweitig vorliegende Forschungsergebnisse<br />

sowie Expertenurteile berücksichtigt.<br />

Ziel der Studie war es, Massnahmen zur Sicherheitssteigerung des <strong>Fussverkehr</strong>s<br />

zu erarbeiten. Als wichtigste haben sich dabei die folgenden<br />

herauskristallisiert:<br />

• Durch Netzplanung und Berücksichtigung der Bedürfnisse des <strong>Fussverkehr</strong>s<br />

lückenlose Fusswegnetze erstellen sowie insbesondere bei<br />

Querungen adäquate fussgängerspezifische Infrastrukturelemente<br />

projektieren.<br />

• Durch bauliche, rechtliche und edukative Massnahmen ein fussgängerfreundliches<br />

Geschwindigkeitsmanagement des motorisierten<br />

Verkehrs erwirken (Tempo 30 auf siedlungsorientierten Strassen sowie<br />

spezifische Gestaltungselemente auf verkehrsorientierten Strassen,<br />

Geschwindigkeitskontrollen, Kampagnen in Kombination mit Enforcement,<br />

Sensibilisierung im Rahmen der Fahrausbildung).<br />

• Optimierung der PW-Fronten hinsichtlich Partnerschutz.<br />

• Fördern eines partnerschaftlichen Fahrstils, insbesondere der<br />

Einhaltung der Anhaltepflicht an Fussgängerstreifen.<br />

• Obligatorische Verkehrserziehung für Kinder und Jugendliche (1.–9.<br />

Klasse) durch Fachpersonen mit Schwerpunkt <strong>Fussverkehr</strong> in den<br />

ersten Jahren.


2 Abstract / Résumé / Compendio<br />

2. Français<br />

Pour constituer le présent dossier de sécurité, les auteurs se sont basés<br />

sur une analyse complète des accidents de la circulation routière impliquant<br />

des piétons en Suisse. La détermination des facteurs de risque et<br />

l’évaluation des mesures de sécurité ont également été réalisées sur la<br />

base de résultats de recherches externes ainsi que de divers avis<br />

d’experts.<br />

Le but de l’étude était d’élaborer des mesures visant à accroître la sécurité<br />

du trafic piéton. Les mesures les plus importantes qui se sont profilées<br />

sont les suivantes:<br />

• planification du réseau et prise en compte des besoins du trafic piéton<br />

pour tisser des réseaux de chemins pour piétons ininterrompus<br />

et prévoir des éléments d’infrastructure spécifiques appropriés au<br />

niveau des traversées notamment;<br />

• mesures éducatives, légales et constructives pour obtenir une gestion<br />

de la vitesse du trafic motorisé respectueuse des piétons (zones<br />

30 pour les routes d’intérêt local, éléments d’aménagement spécifiques<br />

sur les routes à orientation trafic, contrôles de vitesse, campagnes<br />

de prévention associées à des contrôles de police, sensibilisation<br />

dans le cadre de la formation à la conduite);<br />

• optimisation des parties frontales des voitures de tourisme pour<br />

une meilleure protection des autres usagers de la route;<br />

• encouragement à l’adoption d’une conduite respectueuse des autres<br />

usagers, en particulier disposition à s’arrêter aux passages<br />

pour piétons;<br />

• éducation routière obligatoire pour les enfants et les jeunes (de la 1 re<br />

à la 9 e année scolaire), dispensée par des spécialistes et mettant<br />

l’accent sur le trafic piéton durant les premières années.


Abstract / Résumé / Compendio 3<br />

3. Italiano<br />

Le conclusioni cui giunge il presente dossier sicurezza sono basate su<br />

un'analisi globale degli incidenti pedonali in Svizzera. I fattori di rischio<br />

sono stati stabiliti e le misure di sicurezza sono state valutate anche tenendo<br />

conto di altre ricerche e perizie.<br />

L'obiettivo della ricerca è quello di elaborare misure volte a incrementare<br />

la sicurezza del traffico pedonale. I provvedimenti principali si sono rivelati<br />

essere i seguenti:<br />

• realizzare reti di percorsi pedonali mediante la pianificazione di una<br />

rete pedonale e l'integrazione dei bisogni dei pedoni nonché progettare<br />

particolarmente agli attraversamenti degli elementi infrastrutturali<br />

adeguati e specifici per i pedoni;<br />

• ottenere una gestione della velocità dei veicoli motorizzati favorevole<br />

per i pedoni mediante misure architettoniche, giuridiche ed educative<br />

(30 all'ora sulle strade a funzione di servizio ed elementi di arredo specifici<br />

sulle strade a funzione di traffico, controlli della velocità, campagne<br />

legate a enforcement, sensibilizzazione nel quadro della scuola<br />

guida);<br />

• ottimizzare il frontale delle automobili in materia di protezione degli<br />

altri utenti della strada;<br />

• promuovere uno stile di guida all'insegna del rispetto e in particolare<br />

la disponibilità di fermarsi davanti ai passaggi pedonali;<br />

• istituire lezioni obbligatorie di educazione stradale per bambini e adolescenti<br />

(1a – 9a classe) impartite da specialisti e imperniate - nei primi<br />

anni - sul traffico pedonale.


4 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

Wissensbasierte<br />

Entscheidungsgrundlage<br />

für den Fonds für<br />

Verkehrssicherheit<br />

Abbildung 1:<br />

Beiträge des Wissensmanagements<br />

im<br />

Problemlösungskreis<br />

der Unfallverhütung<br />

II. KURZFASSUNG / VERSION ABRÉGÉE / RIASSUNTO<br />

1. Kurzfassung<br />

1.1 Auftrag<br />

Der Fonds für Verkehrssicherheit will seine Vergabepolitik auf Schwerpunkte<br />

im <strong>Unfallgeschehen</strong> und wirksame Massnahmen ausrichten. Dazu<br />

ist er auf wissensbasierte Entscheidungsgrundlagen angewiesen. Er hat<br />

deshalb die Forschungsabteilung der Beratungsstelle für Unfallverhütung<br />

bfu beauftragt, die Schwerpunkte im <strong>Unfallgeschehen</strong> zu analysieren.<br />

Diese Analyse soll eine Beschreibung des aktuellen <strong>Unfallgeschehen</strong>s<br />

und dessen Entwicklung umfassen, ausserdem die Bestimmung von Risikofaktoren<br />

und deren Bedeutung, eine Beurteilung präventiver Massnahmen<br />

sowie konkrete Empfehlungen für die Unfallverhütung in der<br />

Schweiz. Dabei sollen so weit wie möglich Ergebnisse aus der deskriptiven<br />

und analytischen Epidemiologie, aus Marktforschung, Potenzialabschätzungen<br />

und Evaluationsstudien beigezogen werden. Abbildung 1<br />

zeigt, wie die Beantwortung dieser Fragen zur Optimierung des Problemlösungsprozesses<br />

der Unfallverhütung beitragen kann. Ergänzende Bewertungen<br />

und Expertenurteile sollen als solche deklariert und nachvollziehbar<br />

dargestellt werden.<br />

Beschreibung des<br />

Sicherheitsniveaus<br />

(Was passiert?)<br />

Untersuchung der<br />

Umsetzung,<br />

Wirkungsweise und<br />

Auswirkungen von<br />

Massnahmen<br />

(Was wirkt?)<br />

Erfolgskontrolle<br />

(Evaluation)<br />

Durchführung<br />

und Koordination<br />

von Massnahmen<br />

Situationsanalyse<br />

(Monitoring)<br />

Präventionsprogramme<br />

Zielsetzung<br />

Bestimmung von<br />

Risikofaktoren<br />

und -gruppen<br />

(Wie passiert es?)<br />

Analyse von<br />

Interventionsmöglichkeiten<br />

(Wie kann es<br />

verhindert werden?)


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 5<br />

Empfehlungen<br />

aufgrund von vier<br />

Analyseschritten<br />

Pro Jahr 100 tödlich<br />

und 800 schwer<br />

verletzte Fussgänger<br />

Kinder und Senioren<br />

besonders stark<br />

betroffen<br />

1.2 Methodik<br />

Die vorliegende Arbeit umfasst vier Schritte, die in ihrer Summe gewährleisten,<br />

dass die ausgesprochenen Empfehlungen nicht bloss auf Plausibilitätsannahmen<br />

und Alltagswissen beruhen, sondern einerseits auf wissenschaftlich<br />

fundierter Basis stehen und andererseits von massgeblicher<br />

Relevanz für das <strong>Unfallgeschehen</strong> der Fussgänger sind (Abbildung 2).<br />

Gewisse Themen wurden trotz ihrer geringen Bedeutung beibehalten, da<br />

sie für die Öffentlichkeit oder bestimmte Gruppen von besonderer Wichtigkeit<br />

sind. Als Präventionsmöglichkeiten wurden auch innovative Ansätze<br />

mit noch wenig Evidenz zur Diskussion gestellt (z. B. Fahrerassistenzsysteme<br />

oder Vorkehrungen zur Verbesserung der Anhaltequote vor<br />

Fussgängerstreifen).<br />

1.3 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Pro Jahr erleiden durchschnittlich 2'700 zu Fuss Gehende unfallbedingte<br />

Verletzungen, davon verunfallen jährlich um die 800 Fussgänger schwer<br />

und 100 tödlich. Die Verletzungsschwere von Fussgängern ist im Vergleich<br />

zu den übrigen Opfern im Strassenverkehr sehr hoch. Im Durchschnitt<br />

über alle Verkehrsteilnehmergruppen werden pro 10'000 Verunfallte<br />

rund 180 Personen tödlich verletzt (sog. case fatality). Dieser Wert<br />

ist bei den Fussgängern mehr als doppelt so hoch – pro 10'000 verunfallte<br />

Fussgänger verletzen sich knapp 390 tödlich. Die case fatality von Fussgängern<br />

hängt neben der Kollisionsgeschwindigkeit stark vom Alter der<br />

betroffenen Person und der Art des Kollisionsgegners ab.<br />

Kinder bis 14 Jahre und Senioren ab 65 Jahren sind überdurchschnittlich<br />

stark von schweren Fussgängerunfällen betroffen. Die Verletzungsschwere<br />

steigt mit zunehmendem Alter. Senioren zwischen 65 und 74<br />

Jahren weisen eine rund 2-fach, Senioren über 74 Jahre sogar eine 3fach<br />

erhöhte Verletzungsschwere gegenüber dem Durchschnitt aller verunfallten<br />

Fussgänger auf.


6 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

Abbildung 2:<br />

Analyseschritte<br />

und Informationsquellen<br />

Typischer Unfall:<br />

Kollision beim Queren<br />

im Innerortsbereich<br />

Verletzungsschwere<br />

abhängig von vielen<br />

Einflussfaktoren<br />

Mehr als 70 % der schweren und tödlichen Verletzungen erleiden die<br />

Fussgänger beim Queren der Fahrbahn (v. a. innerorts). Die häufigsten<br />

Kollisionsgegner sind Personenwagen, die schwersten Verletzungen ziehen<br />

sich Fussgänger aber bei Unfällen mit Sachentransportfahrzeugen<br />

(Lastwagen, Lieferwagen) und Bussen zu.<br />

Ausprägungen der Einflussfaktoren, welche die Verletzungsschwere der<br />

Fussgänger erhöhen, sind u. a.: Senioren als Fussgänger, Männer als<br />

Fussgänger, Unfall in Längsrichtung, schwere/grosse Kollisionsgegner,


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 7<br />

Bei mehr als der<br />

Hälfte aller Unfälle<br />

sind nur die Fahrzeuglenkenden<br />

schuld<br />

Bezüglich der<br />

Fussgängersicherheit<br />

besteht Handlungsbedarf <br />

Unfallwahrscheinlichkeit<br />

durch kognitive<br />

und motivationale<br />

Aspekte beeinflusst<br />

70 % der verunfallten<br />

Kinder wird ein<br />

Fehlverhalten<br />

zugeschrieben<br />

auf Ausserortsstrassen, abseits von Fussgänger-Streifen, Steigung, erhöhte<br />

Geschwindigkeit, Nachtunfälle.<br />

Die Polizeirapporte zeigen, dass bei 54 % der Fälle ausschliesslich die<br />

Kollisionsgegner der Fussgänger bemängelt wurden, bei 28 % ausschliesslich<br />

die Fussgänger und bei 18 % waren beide Parteien mitschuldig.<br />

Die häufigsten Ursachen bei den Fussgängern sind „Unvorsichtiges<br />

Queren (Gehen)“ und „Springen/Laufen über die Fahrbahn“, diejenige auf<br />

Seiten der Kollisionsgegner ist „Missachten der Anhaltepflicht vor dem<br />

Fussgängerstreifen“.<br />

Obwohl die Schweiz im europäischen Vergleich bzgl. Fussgängersicherheit<br />

nicht abfällt – sie befindet sich im Mittelfeld – und obwohl die Fussgänger<br />

(expositionsbereinigt) seltener verunfallen als die meisten anderen<br />

Verkehrsteilnehmer, besteht Handlungsbedarf. Die hohe Verletzungsschwere<br />

und die spezielle Gefährdung von Kindern verlangt nach Massnahmen<br />

zur Erhöhung der Sicherheit der zu Fuss Gehenden im Strassenverkehr.<br />

1.4 Risikofaktoren<br />

Der <strong>Fussverkehr</strong> ist durch eine Vielzahl von Risikofaktoren gefährdet. Betrachtet<br />

wurden Risikofaktoren auf allen drei Systemebenen: Mensch,<br />

Fahrzeug und Infrastruktur (vgl. Tabelle 1, S. 10).<br />

Bei den Fussgängern selbst bestehen vor allem Risiken im Zusammenhang<br />

mit Entwicklungs- und Alterungsprozessen. Kinder und ältere Menschen<br />

sind insbesondere durch kognitive Defizite in der Wahrnehmung<br />

und der Informationsverarbeitung gefährdet. Kinder sind zudem durch<br />

motivationale Aspekte – insbesondere durch ihre Vertieftheit ins Spielen –<br />

zusätzlich gefährdet.<br />

Kinder bis 14 Jahre machen rund 22 % der schwer oder tödlich verunfallten<br />

Fussgänger aus. Dieser Anteil liegt deutlich über ihrem Bevölkerungsoder<br />

ihrem Expositionsanteil. Das überdurchschnittliche Unfallrisiko ist<br />

zwar auf diverse Faktoren zurückzuführen; es ist aber davon auszugehen,<br />

dass die defizitäre Kognition ein wesentlicher ist: Ein Kind, das z. B. die


8 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

Senioren verunfallen<br />

oft unschuldig – sie<br />

können nicht adäquat<br />

auf Fehler anderer<br />

reagieren<br />

Fussgänger durch<br />

unangepasste<br />

Verhaltensweisen der<br />

MFZ-Lenkenden<br />

gefährdet<br />

Geschwindigkeit eines herannahenden Fahrzeugs nicht richtig einschätzt,<br />

riskiert beim Queren der Strasse schnell einmal sein Leben. Es verwundert<br />

nicht, dass sowohl den 0- bis 6-Jährigen als auch den 7- bis 14-Jährigen<br />

im Fall einer Kollision zu rund 70 % eigenes Fehlverhalten zugeschrieben<br />

wird.<br />

Weniger sicherheitsrelevant für die Fussgänger insgesamt sind die Faktoren<br />

geringe Körpergrösse der Kinder, mangelhaftes verkehrsrelevantes<br />

Wissen oder ungenügendes Gefahrenbewusstsein der Fussgänger und<br />

Fussgängerinnen.<br />

Schwer verletzte und getötete zu Fuss Gehende ab 65 Jahren machen<br />

rund einen Drittel der total schwer oder tödlich verunfallten Fussgänger<br />

aus. Senioren erleiden auf einem zu Fuss zurückgelegten Kilometer um<br />

ein Mehrfaches häufiger schwere oder tödliche Verletzungen als jüngere<br />

Erwachsene: Ab 70 Jahren rund doppelt so oft, ab 85 Jahren mehr als<br />

fünfmal so oft. Das hängt nicht nur mit ihrer hohen Vulnerabilität zusammen.<br />

Da 70 % der schwer verletzten oder getöteten Senioren ohne eigenes<br />

Verschulden verunfallen, liegt die Vermutung nahe, dass Senioren zu<br />

Schaden kommen, weil sie nicht auf die Fehler der anderen (z. B. Anhaltemissachtung<br />

vor Fussgängerstreifen) reagieren können. Bei den von<br />

den Senioren verschuldeten Unfällen liegt die Ursache in 60 % der Fälle<br />

beim unachtsamen Betreten der Strasse – das sicher auch, weil Senioren<br />

relevante Informationen falsch wahrnehmen und verarbeiten.<br />

Die Lenkenden der Kollisionsobjekte gefährden Fussgänger vor allem<br />

durch unangepasste Verhaltensweisen. Am negativsten wirken sich Überschreitung<br />

der Geschwindigkeitslimite und unangepasste Geschwindigkeitswahl,<br />

Vortrittsmissachtung an Fussgängerstreifen und unvorsichtiges<br />

Rückwärtsfahren aus. Dahinter stecken oft mangelnde Gefahrenkognition<br />

und Selbstkontrolle. D. h., die Fahrzeuglenkenden haben keine grundlegenden<br />

Schwierigkeiten, ihr Fahrzeug zu lenken, sondern sie verkennen<br />

die Gefährlichkeit ihres Handelns. Ein weiterer Problembereich stellen<br />

Ablenkungen dar, die sowohl visueller als auch mentaler Natur sein können<br />

(z. B. Blick nicht auf den Verkehrsraum gerichtet oder in Telefongespräch<br />

vertieft).


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 9<br />

Fussgänger vor allem<br />

durch zweispurige<br />

Motorfahrzeuge<br />

gefährdet<br />

Fussgänger durch<br />

lückenhaftes<br />

Fusswegnetz und<br />

suboptimale<br />

Infrastrukturelemente<br />

gefährdet<br />

Fazit:<br />

Die Sicherheit der<br />

Fussgänger hängt vor<br />

allem von Faktoren<br />

ab, die sie selber<br />

wenig beeinflussen<br />

können<br />

Als weniger belastend für das <strong>Unfallgeschehen</strong> der Fussgänger wurde<br />

das Fahren unter Substanzen (Alkohol, illegale Drogen und Medikamente)<br />

oder in übermüdetem Zustand, mangelhafte Fahrzeugbeherrschung und<br />

Leistungsbeeinträchtigung in den Bereichen Wahrnehmung, Motorik und<br />

Kognition eingestuft.<br />

Fussgänger kollidieren hauptsächlich mit zweispurigen Motorfahrzeugen.<br />

Demgegenüber sind einspurige Motorfahrzeuge und insbesondere Fahrräder<br />

von untergeordneter Bedeutung.<br />

Entscheidend sind insbesondere die beiden strukturgeometrischen Fronteigenschaften:<br />

Form und Steifigkeit. Ein erhöhtes Risiko für schwere<br />

Verletzungen besteht vor allem bei einer hohen und gleichzeitig steilen<br />

Front sowie bei ausgeprägter Festigkeit. Durch eine hohe und steile Front<br />

besteht die Gefahr eines primären (Kopf-)Aufpralls mit einem anschliessenden<br />

Wegschleudern und einem sekundären Aufprall auf der Strasse.<br />

Die Festigkeit der Fronten lässt kaum Deformationsmöglichkeiten zu, wodurch<br />

beim Aufprall hohe Beschleunigungsbelastungen entstehen.<br />

Von geringer Unfallrelevanz sind demgegenüber die Fahrzeugmasse,<br />

Frontschutzbügel, dunkle Fahrzeugfarbe oder starre Lichtkegel der konventionellen<br />

Scheinwerfer.<br />

Das Gefährliche an der Infrastruktur ist für den <strong>Fussverkehr</strong> insbesondere<br />

deren primäre Ausrichtung auf den motorisierten Verkehr. Oft fehlt eine<br />

umfassende Netzplanung, die auch den Bedürfnissen des <strong>Fussverkehr</strong>s<br />

gerecht wird. Die Folge sind ein lückenhaftes <strong>Fussverkehr</strong>snetz sowie<br />

fehlende Informationen zu Konfliktstellen. Ein lückenloses Netz ist notwendig<br />

– insbesondere was Querungselemente anbelangt –, aber noch<br />

nicht hinreichend. Hinreichende Sicherheit ist nur gegeben, wenn bei den<br />

Konfliktstellen adäquate Elemente (im Sinne von best-practice) projektiert<br />

sowie korrekt und behindertengerecht ausgeführt werden.<br />

Insgesamt wurde deutlich, dass Risikofaktoren, die von der Infrastruktur<br />

ausgehen, für die Fussgänger die grösste Relevanz aufweisen. Es folgen<br />

Risikofaktoren, die bei den Motorfahrzeuglenkenden und ihren Fahrzeugen<br />

anzusiedeln sind. Im Vergleich zu diesen sind Risiken, die von den<br />

Fussgängern selbst ausgehen – mit Ausnahme der defizitären Kognition


10 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

Tabelle 1:<br />

Die Bedeutung<br />

verschiedener<br />

Risikofaktoren<br />

von Kindern und älteren Menschen, die aber kaum zu eliminieren ist – für<br />

die Fussgänger insgesamt weniger relevant.<br />

Eignung<br />

Kompetenz<br />

Fähigkeit<br />

Verhalten<br />

Fahrverhalten<br />

Fahrfähigkeit<br />

Fahrkompetenz<br />

Fahreignung<br />

Risikofaktor<br />

Fussgänger<br />

Unfallrelevanz<br />

(schwer und<br />

tödlich<br />

verunfallte<br />

Fussgänger)<br />

Defizitäre Kognition bei Kindern und älteren Menschen ****<br />

Ablenkung durch Spiel bei Kindern **(*)<br />

Geringe Körpergrösse *<br />

Mangelhaftes verkehrsrelevantes Wissen **<br />

Sicherheitsabträgliche Einstellung / ungenügendes<br />

Gefahrenbewusstsein<br />

Übermässiger Alkoholkonsum *(*)<br />

Regelwidriges Verhalten **<br />

Ungenügende Sichtbarkeit ***<br />

MFZ-Lenkende<br />

Überschreitung der Geschwindigkeitslimite und<br />

unangepasste Geschwindigkeitswahl<br />

**<br />

**** ( * )<br />

Missachten des Vortrittsrechts am Fussgängerstreifen *****<br />

Verzicht auf Tagfahrlicht *<br />

Unvorsichtiges Rückwärtsfahren ****<br />

Fahren im angetrunkenen Zustand **<br />

Fahren unter Einfluss von illegalen Drogen (inkl.<br />

Mischkonsum mit Alkohol)<br />

Fahren unter leistungsbeeinträchtigenden<br />

Medikamenten<br />

Fahren in übermüdetem Zustand *<br />

Visuelle und mentale Ablenkung von der Fahraufgabe ** ( * )<br />

Mangelhafte Fahrzeugbeherrschung<br />

Mangelnde Gefahrenkognition und Selbstkontrolle ***<br />

Beeinträchtigtes Tagessehvermögen<br />

(Visus, Akkomodation, Gesichtsfeldausfälle)<br />

Beeinträchtigtes Nachtsehvermögen (Blendempfindlichkeit<br />

und Dämmerungssehen)<br />

Beeinträchtigtes Hörvermögen (Frequenzbereich,<br />

Schwellenwert)<br />

Körperlich-motorische Einschränkungen *<br />

Kognitive Leistungsbeeinträchtigungen *<br />

*<br />

*<br />

( * )<br />

*<br />

*<br />

-


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 11<br />

– Fortsetzung Tabelle 1 –<br />

Front<br />

MFZ<br />

Formaggressive Frontpartien *** ( * )<br />

Steifigkeitsaggressive Frontpartien *****<br />

Frontschutzbügel massiver Bauart *<br />

Starre/eingeschränkte Scheinwerferkegel **<br />

Dunkle Fahrzeugfarben *<br />

Technische MFZ-Mängel *<br />

Infrastruktur<br />

Fehlende Netzplanung ****<br />

Defizitäre Infrastruktur für den querenden <strong>Fussverkehr</strong><br />

innerorts<br />

Beispiele hierfür sind:<br />

• Fehlende oder zu schmale Fussgänger-Schutzlinsel<br />

• Fussgängerstreifen über mehr als zwei Spuren<br />

• Konfliktgrün bei lichtsignalanlagengesteuerten<br />

Kreuzungen<br />

• Nicht benutzerfreundliche Über- oder Unterführung<br />

Defizitäre Infrastruktur für den in Längsrichtung<br />

gehenden <strong>Fussverkehr</strong><br />

Beispiele hierfür sind:<br />

• Fehlendes oder zu schmales Trottoir<br />

• Fussgängerlängsstreifen als Trottoirersatz<br />

*****<br />

* Risikofaktor mit relativ geringer Bedeutung für die Entstehung unfallbedingter Verletzungen<br />

****** Risikofaktor mit grosser Beutung<br />

***(*) bedeutet eine Mischform zwischen *** und **** oder auch, dass es schwierig ist, die<br />

Sachlage präzise einzuschätzen.<br />

1.5 Prävention<br />

Auf der Risikoanalyse aufbauend werden Lösungen gesucht, um die aufgedeckten<br />

Problemfelder zu reduzieren. Dabei wurden in einem ersten<br />

Schritt die Ziele festgelegt und aufgezeigt, was sich bei der Infrastruktur,<br />

bei den Fahrzeugen und bei den Verkehrsteilnehmenden ändern muss,<br />

damit die Sicherheit des <strong>Fussverkehr</strong>s erhöht werden kann. Diese als<br />

Präventionsmöglichkeiten definierten Ziele wurden nach ihrem Rettungspotenzial<br />

bewertet. Das Rettungspotenzial hängt von der beeinflussbaren<br />

Anzahl Unfälle oder Verletzungen ab. Folgende Präventionsmöglichkeiten<br />

weisen ein grosses bis sehr grosses Potenzial auf:<br />

**


12 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

Bei allen<br />

Systemelementen<br />

besteht<br />

Handlungsbedarf<br />

Einzelne Präventionsmöglichkeiten<br />

weisen<br />

ein geringes Potenzial<br />

auf<br />

Infrastruktur:<br />

• Netzplanung unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des <strong>Fussverkehr</strong>s,<br />

mit dem Ziel eines lückenlosen Fusswegnetzes und der Identifikation<br />

von Konfliktstellen<br />

• Für den <strong>Fussverkehr</strong> adäquate Geschwindigkeitsregimes innerorts<br />

(Tempo 30 auf siedlungsorientierten Strassen, Tempo 50 auf verkehrsorientierten<br />

Strassen mit sicheren Querungsmöglichkeiten)<br />

• Adäquate und korrekt ausgeführte fussgängerspezifische Infrastrukturelemente<br />

beim punktuellen Queren auf einer Ebene mit Fussgänger-<br />

Vortritt und ohne Fussgänger-Vortritt sowie beim flächigen Queren<br />

Motorfahrzeuglenkende:<br />

• Reduzierung der Anhaltemissachtung am Fussgängerstreifen<br />

• Förderung situationsangemessener Fahrgeschwindigkeiten<br />

• Erhöhung des Gefahrenbewusstseins<br />

• Verhinderung von Unaufmerksamkeit und Ablenkung<br />

• Förderung von sicherem Rückwärtsfahren<br />

Motorfahrzeuge:<br />

� Sicherheitsoptimierte Frontkonstruktionen (Formoptimierung, Steifigkeitsreduktion,<br />

aktive Motorhaube, Aussenairbags)<br />

� Fahrerassistenzsysteme (insbesondere Bremsassistent, elektronische<br />

Objekterfassungssysteme mit integrierter Notbremsfunktion, Rückfahrsensoren,<br />

Lenkerüberwachungssysteme)<br />

Fussgänger und Fussgängerinnen:<br />

� Förderung von verkehrsrelevantem Wissen, sicherheitsbewussten Einstellungen<br />

und adäquatem Gefahrenbewusstsein bei Kindern<br />

Andere Präventionsmöglichkeiten weisen demgegenüber ein geringes<br />

Rettungspotenzial auf. Für den <strong>Fussverkehr</strong> wenig ergiebig dürften beispielsweise<br />

Bemühungen zur Förderung eines zurückhaltenderen (defensiven)<br />

Begehens von Fussgängerstreifen sein, die über den heutigen<br />

Stand hinausgehende Förderung der Betriebssicherheit der Motorfahrzeuge<br />

oder die Fokussierung auf das Vermeiden von Fahrten in übermüdetem<br />

Zustand.


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 13<br />

Weniger Unfälle dank<br />

besserer Infrastruktur<br />

und tieferen<br />

Geschwindigkeiten …<br />

… dank moderner<br />

Technologien im<br />

Fahrzeug …<br />

Im Anschluss wurde geprüft, wie diese Präventionsmöglichkeiten oder -ziele<br />

umgesetzt werden können. Konkrete Förderungsmassnahmen wurden<br />

hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit überprüft, wobei die Kosten-Nutzen-Relation,<br />

die soziale und politische Akzeptanz sowie die technische Machbarkeit<br />

berücksichtigt wurden (Tabelle 2, S. 16).<br />

Das Resultat ist eine breit gefächerte Zusammenstellung von Handlungsmöglichkeiten,<br />

die im Folgenden nach den drei Phasen primäre, sekundäre<br />

und tertiäre Prävention dargestellt werden:<br />

Primäre Prävention (Verhinderung von Unfällen): Infrastruktur und<br />

Abläufe im Strassenverkehr sind so zu gestalten, dass die Kollisionswahrscheinlichkeit<br />

zwischen Fussgängern und Motorfahrzeugen (MFZ) drastisch<br />

gesenkt wird. Die Einführung eines vom Autoverkehr komplett getrennten<br />

Fusswegnetzes ist aus praktischen und finanziellen Gründen unrealistisch.<br />

Deshalb ist eine Netzplanung von zentraler Bedeutung, mit dem Ziel, ein<br />

lückenloses <strong>Fussverkehr</strong>snetz zu erstellen und Konfliktstellen zu erkennen.<br />

Bei der Projektierung der spezifischen Infrastrukturelemente müssen<br />

unbedingt die sicherheitstechnischen Aspekte der VSS-Normen oder die<br />

aktuellen Erkenntnisse zur Sicherheit von <strong>Fussverkehr</strong>s-Anlagen einfliessen.<br />

Sonst besteht nicht nur die Gefahr, dass die erhoffte Sicherheitssteigerung<br />

ausbleibt, sondern dass das Unfall- und Verletzungsrisiko sogar<br />

steigen könnte. Neben fussgängerspezifischen Infrastrukturelementen<br />

stellt eine Maximalgeschwindigkeit von 30 km/h in Wohnquartieren eine<br />

zentrale Sicherheitsmassnahme dar.<br />

Die Umsetzung verkehrssicherheitsverträglicher Infrastrukturlösungen<br />

kann primär durch die Ausbildung und Sensibilisierung von Ingenieuren<br />

und Planern, der Durchführung von Safety Audits sowie der Vervollständigung<br />

und Umsetzung von VSS-Normen gefördert werden.<br />

Auch bei den Fahrzeugen kann angesetzt werden, um die Unfallwahrscheinlichkeit<br />

zu reduzieren. Bereits heute sind einige erfolgversprechende<br />

Technologien wie z. B. Rückfahrsensoren und Bremsassistenten<br />

erhältlich. Darüber hinaus sind die primärpräventiven Möglichkeiten bei<br />

den MFZ gegenwärtig eher gering. Künftig werden jedoch hochwirksame


14 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

… aber auch dank<br />

vorsichtigem<br />

Querungsverhalten<br />

und defensivem<br />

Fahrstil<br />

Weniger schwere<br />

Verletzungen dank<br />

tieferen<br />

Geschwindigkeiten<br />

und optimierter<br />

Fahrzeuggestaltung<br />

Technologien zur Kollisionsvermeidung zur Verfügung stehen, die auf einer<br />

elektronischen Objekterfassung mittels Radar- oder Infrarotsensoren<br />

beruhen.<br />

Um die Technologien zum fahrzeugseitigen Fussgängerschutz zu implementieren,<br />

bedarf es der internationalen Zusammenarbeit (z. B. Einsitz in<br />

den Arbeitsgruppen der UN/ECE). Alleingänge der Schweiz als Nicht-EU-<br />

Miglied, als Land ohne eigene Automobilindustrie und mit verhältnismässig<br />

kleinem Absatzmarkt sowie aufgrund des Übereinkommens über<br />

technische Handelshemmnisse sind nur eingeschränkt möglich.<br />

Doch auch die Verkehrsteilnehmenden und zwar sowohl die Fussgänger<br />

und Fussgängerinnen selbst als auch die MFZ-Lenkenden als potenzielle<br />

Kollisionsgegner können zur Sicherheit des <strong>Fussverkehr</strong>s einen bedeutenden<br />

Beitrag leisten. Generell muss durch eine Kombination von edukativen<br />

und repressiven Massnahmen ein sicherheitsorientiertes und<br />

partnerschaftliches Fahrverhalten gefördert werden. Dabei müssen bei<br />

den Fussgängern insbesondere sichere Verhaltensweisen beim Queren<br />

(mit und ohne Vortritt) gefördert werden und bei den MFZ-Lenkenden die<br />

Einhaltung der Anhaltepflicht an Fussgängerstreifen und eine situationsangepasste<br />

Geschwindigkeitswahl sichergestellt werden.<br />

Edukative Bemühungen bei Kindern sollten in Form einer kontinuierlichen,<br />

professionellen Verkehrserziehung stattfinden. Das ist notwendig, aber<br />

nicht hinreichend, denn Kinder werden auch durch Verkehrserziehung nie<br />

zu verlässlichen Verkehrspartnern werden. Die Verkehrserziehung der<br />

Motorfahrzeuglenkenden (z. B. im Rahmen der Fahrausbildung oder<br />

durch massenmediale Kampagnen) hat vermutlich eine grössere unfallreduzierende<br />

Wirkung – vor allem in Kombination mit Polizeikontrollen.<br />

Sekundäre Prävention (Verhinderung von Verletzungen): Da Unfallereignisse<br />

nie ganz ausgeschlossen werden können, muss durch Massnahmen<br />

sichergestellt werden, dass im Ereignisfall die Verletzungen<br />

möglichst gering sind. Auch hier leistet ein wirksames Geschwindigkeitsmanagement<br />

einen wichtigen Beitrag. Da Fussgänger keine schützende<br />

Knautschzone haben, müssen vor allem sicherheitsoptimierte Fahrzeugfronten<br />

gefördert werden. Die PW-Fronten müssen so gestaltet sein, dass<br />

sie Energie besser absorbieren können. In der Schweiz können zumindest<br />

die Konsumenten dahingehend informiert werden, dass sie beim


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 15<br />

Schnellere<br />

medizinische Hilfe =<br />

weniger schwerer<br />

Verletzungsverlauf<br />

Erwerb eines Fahrzeugs neben dem Insassen- auch den Partnerschutz<br />

berücksichtigen.<br />

Tertiäre Prävention (Verhinderung von Spätfolgen): Da der Schwerpunkt<br />

in der vorliegenden Arbeit bewusst auf die erste und zweite Präventionsphase<br />

gelegt wurde, sind tertiärpräventive Massnahmen nur am<br />

Rande thematisiert. Eine wichtige Massnahme liegt darin, die Zeitdauer<br />

zwischen Unfallereignis und Eintreffen der Rettungskräfte zu verkürzen.<br />

Das gelingt durch Einrichtungen zur automatischen oder manuellen Auslösung<br />

und Übertragung eines Notrufs (inklusive der Standortkoordinaten)<br />

zu den zuständigen Rettungskräften.<br />

Nachfolgende Tabelle fasst die Endbeurteilung aller thematisierten Massnahmen<br />

zusammen. Dabei wird nicht nur der eigentliche Sicherheitsnutzen<br />

für die Fussgänger berücksichtigt, sondern zusätzlich auch die<br />

Effizenz (das Kosten-Nutzen-Verhältnis) und die politische Machbarkeit.<br />

Diese umfassende Massnahmenbewertung soll verhindern, dass die vorhandenen<br />

finanziellen Ressourcen in Massnahmen investiert werden, deren<br />

Implementierung von vornherein aussichtslos erscheint bzw. einen<br />

nur sehr geringen oder ungewissen Gegenwert mit sich bringt. Die Bewertung<br />

deckt einen Zeithorizont von rund fünf Jahren. Die Umsetzung<br />

der als (sehr) empfehlenswert eingestuften Massnahmen gewährleistet,<br />

dass die investierten Mittel einen möglichst hohen Sicherheitsgewinn für<br />

die Fussgänger generieren.


16 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

Tabelle 2:<br />

Überblick über alle Massnahmen zur Förderung der Fussgängersicherheit<br />

Betriebssicherheit<br />

Fahrzeugfronten<br />

Beleuchtung<br />

Elektronische<br />

Fahrassistenz-<br />

systeme<br />

Massnahmen Bewertung<br />

Fussgänger<br />

Informieren der Eltern und weiterer Bezugspersonen über die<br />

entwicklungsbedingten Defizite von Kindern bis 9 Jahren und<br />

Aufforderung für verstärkte Sicherheitsmassnahmen etwa bzgl.<br />

punktuellem Begleiten, Wegwahl, Sichtbarkeit, Querungsverhalten<br />

Informieren der Angehörigen und anderer Bezugspersonen (Ärzte,<br />

Spitex, Pro Senectute) bzgl. der alterungsbedingten Defizite der<br />

Senioren und Aufforderung für verstärkte Sicherheitsmassnahmen etwa<br />

bzgl. punktuellem Begleiten, Wegwahl, Sichtbarkeit, Querungsverhalten<br />

Altersgerechte, obligatorische Verkehrserziehung (1.–9. Klasse) durch<br />

Fachpersonen mit Schwerpunkt <strong>Fussverkehr</strong> in den ersten Jahren<br />

Kampagnen zur Wissensvermittlung und Steigerung des<br />

Gefahrenbewusstseins von Fussgängern<br />

Kampagnen zur Förderung eines zurückhaltenderen (defensiven)<br />

Begehens von Fussgängerstreifen<br />

MFZ<br />

Verschärfung der Kontrollsituation von MFZ<br />

(Typenprüfung und amtliche Nachkontrollen)<br />

Informierung/Sensibilisierung potenzieller Autokäufer bzgl. Partnerschutz<br />

mittels Print- und elektronischer Medien<br />

In internationaler Zusammenarbeit Anforderungen an PW-Fronten zum<br />

Fussgängerschutz festlegen<br />

Globales Verbot aller Frontschutzbügel<br />

Über die EU-Richtlinie (2003/102/EG) hinausgehende Forderungen zum<br />

fahrzeugseitigen Fussgängerschutz<br />

Informierung/Sensibilisierung potenzieller Autokäufer bzgl. lichttechnisch<br />

optimierter Frontscheinwerfer mittels Print- und elektronischer Medien<br />

Kundeninformation zu bereits etablierten und neu auf dem Markt<br />

erhältlichen Fahrzeugtechnologien<br />

Rückfahrsensoren für die Inverkehrsetzung von Fahrzeugen ohne<br />

inneren Rückspiegel (insbesondere Kleintransporter) gesetzlich<br />

vorschreiben<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(Wirksamkeit schwer<br />

abzuschätzen; hohe Kosten<br />

bei eher geringem<br />

Rettungspotenzial)<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(Wirksamkeit schwer<br />

abzuschätzen; hohe Kosten<br />

bei eher geringem<br />

Rettungspotenzial)<br />

Sehr empfehlenswert<br />

(als Sockelmassnahme<br />

notwendig, wenn auch nicht<br />

hinreichend)<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(schwierige Zielsetzung;<br />

hohe Kosten bei eher<br />

geringem<br />

Rettungspotenzial)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(hohe Kosten bei geringem<br />

Rettungspotenzial)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da schlechtes Kosten-<br />

Nutzen-Verhältnis)<br />

Empfehlenswert<br />

Empfehlenswert<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(kein Nutzen, da Bügel nur<br />

erlaubt sind, wenn<br />

Sicherheit erhöht wird)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(politisch nicht umsetzbar)<br />

Empfehlenswert<br />

Empfehlenswert<br />

Empfehlenswert


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 17<br />

– Fortetzung Tabelle 2 –<br />

Fahreignung<br />

Fahrfähigkeit: Substanzbedingte Beeinträchtigungen<br />

Anreizsysteme zur Förderung von Fahrzeugtechnologien mit hohem<br />

Sicherheitspotenzial<br />

Kampagnen zur Akzeptanzsteigerung von negativ beurteilten<br />

Fahrzeugtechnologien<br />

MFZ-Lenkende<br />

Erweiterung des obligatorischen Sehtests: Überprüfung des<br />

Dämmerungssehvermögens und der Blendempfindlichkeit<br />

Periodische Kontrollen des (Tages- und Nacht-)Sehvermögens<br />

gesetzlich vorschreiben<br />

Informationsbroschüren zur Sensibilisierung und Informierung bzgl.<br />

sensomotorischer Defizite und ihrer Auswirkungen<br />

Verschärfung der Fahreignungsabklärung<br />

Massenmediale Kampagne zur Sensibilisierung und Informierung bzgl.<br />

sensomotorischer Defizite und ihrer Auswirkungen<br />

Nachschulungskurse bereits bei erstmaligem Führerausweisentzug<br />

anbieten<br />

BAK-Grenzwert für Neulenkende in Probephase auf 0.0 ‰ senken<br />

Erhöhung vorangekündigter, gut sichtbarer (anlassfreier)<br />

Alkoholkontrollen in Kombination mit massenmedialer Kampagne<br />

Piktogramm auf Medikamenten-Beipackzettel zur Warnung vor<br />

Beeinträchtigungen der Fahrfähigkeit<br />

Beschleunigung des Sanktionsverfahrens<br />

Anlassfreie Drogenkontrollen gesetzlich erlauben und Resultate der<br />

Drogenschnelltests rechtskräftig machen<br />

Lenkerüberwachungssysteme zur Kontrolle der Fahrfähigkeit<br />

Massenmediale Kampagne zum Thema Betäubungs- und Arzneimittel<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da Machbarkeit und<br />

Wirksamkeit noch unklar)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da schlechtes Kosten-<br />

Nutzen-Verhältnis)<br />

Empfehlenswert<br />

Empfehlenswert<br />

Empfehlenswert<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

ungünstiges<br />

Kosten-Nutzen-Verhältnis)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

schlechtes<br />

Kosten-Nutzen-Verhältnis)<br />

Empfehlenswert<br />

Empfehlenswert<br />

(mit bescheidenem Nutzen<br />

für Fussgänger)<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

ungünstiges<br />

Kosten-Nutzen-Verhältnis)<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

ungünstiges<br />

Kosten-Nutzen-Verhältnis)<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

ungünstiges<br />

Kosten-Nutzen-Verhältnis)<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da Qualität der Diagnosegeräte<br />

noch nicht<br />

ausreichend)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

schlechtes<br />

Kosten-Nutzen-Verhältnis)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

schlechtes<br />

Kosten-Nutzen-Verhältnis)


18 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

– Fortetzung Tabelle 2 –<br />

Fahrfähigkeit: Endogene Beeinträchtigungen<br />

Fahrkompetenz<br />

Fahrverhalten: Geschwindigkeit<br />

Informationen zur Problematik des Telefonierens am Steuer mittels<br />

Broschüren, Internet etc.<br />

Innerortsspezifisches Verbot zu telefonieren (inkl. Freisprechanlage)<br />

Globales Verbot zu telefonieren<br />

(inkl. Freisprechanlage)<br />

Kampagne, um die Verkehrsteilnehmenden zum Thema ‚Müdigkeit am<br />

Steuer’ zu sensibilisieren<br />

Förderung technischer Systeme zur Überwachung der Müdigkeit und<br />

der visuellen Ablenkung<br />

Empfehlenswert<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da politische Machbarkeit<br />

unklar)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da momentan politisch nicht<br />

durchsetzbar)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

schlechtes<br />

Kosten-Nutzen-Verhältnis)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

schlechtes<br />

Kosten-Nutzen-Verhältnis )<br />

Korrekte Umsetzung der neuen Fahrausbildung fördern Sehr empfehlenswert<br />

Fahreinschränkungen für Neulenkende<br />

Periodische, obligatorische Wiederholungskurse für MFZ-Lenkende<br />

Kombination von Kampagne und intensivierten Geschwindigkeitskontrollen<br />

innerorts (stationär an Gefahrenpunkten, ansonsten mobil mit<br />

Vorankündigung und Rückmeldung)<br />

Reine massenmediale Kampagne zum Geschwindigkeitsverhalten<br />

Strafpunktesystem statt Kaskadensystem einführen<br />

Aufstellen von Geschwindigkeitsanzeigegeräten<br />

Kampagne mit Fokus auf Extremgruppe<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(nur wenn 2-Phasenausbildung<br />

Wirkungslücken<br />

aufweisen sollte)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

schlechtes<br />

Kosten-Nutzen-Verhältnis)<br />

Sehr empfehlenswert<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da eher in Kombination mit<br />

Polizeikontrolle sinnvoll)<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(nur wenn Kaskadensystem<br />

nicht greifen sollte)<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

ungünstiges<br />

Kosten-Nutzen-Verhältnis/<br />

negative Effekte nicht<br />

ausgeschlossen)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da schlechtes Kosten-<br />

Nutzen-Verhältnis)


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 19<br />

– Fortetzung Tabelle 2 –<br />

Fahrverhalten: Vortrittsgewährung<br />

Ausbildung der Ingenieure und Planer<br />

Instrumente zur<br />

Sicherheits-Überprüfung<br />

Normen<br />

Kombination von Kampagne und polizeilicher Kontrollen zur Einhaltung<br />

des Vortrittsrechts am Fussgängerstreifen<br />

Reine massenmediale Kampagne zur Förderung der Vortrittsgewährung<br />

Informationsbroschüren zur Problematik des Rückwärtsfahrens<br />

Sanktionen für Vortrittsmissachtung erhöhen<br />

Kampagne gegen unvorsichtiges Rückwärtsfahren<br />

Infrastruktur<br />

Erstausbildung: Sensibilisierung bzgl. Verkehrssicherheit sowie<br />

Vermittlung fachspezifischen Grundwissens<br />

Weiter-/Fortbildung: Organisation und Koordination von fachspezifischen<br />

Tagungen sowie Weiterbildungs-Obligatorium<br />

Sowohl in der Erstausbildung als auch in der Weiter-/Fortbildung sind<br />

schwerpunktmässig folgende Themen zu behandeln:<br />

• Grundsätze zur Sicherheit des <strong>Fussverkehr</strong>s (inkl. Aspekte der<br />

falschen Sicherheit)<br />

• Umfassende Netzplanung<br />

• <strong>Fussverkehr</strong>sfreundliche Querungen<br />

• Spezialthemen (Tempo 30/50-Modell, fussgängerfreundlicher<br />

Strassenunterhalt)<br />

• Technische und gesetzliche Grundlagen in ihrer Gesamtheit<br />

Sehr empfehlenswert<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da eher in Kombination mit<br />

Polizeikontrolle sinnvoll)<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da Wirksamkeit schwierig<br />

abzuschätzen)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da bei gegebener Situation<br />

kaum Sicherheitseffekte zu<br />

erwarten)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da schlechtes Kosten-<br />

Nutzen-Verhältnis)<br />

Sehr empfehlenswert<br />

Road Safety Audits als standardmässige Projektphase einführen Sehr empfehlenswert<br />

Road Safety Inspections bei Querungen durchführen Sehr empfehlenswert<br />

Black Spot Management<br />

Rechtliche Bedeutung der VSS-Normen erhöhen, indem sie zu<br />

Weisungen des UVEK erklärt werden oder in den Baugesetzen zum<br />

Stand der Technik erklärt werden<br />

Unterstützung der aktuellen Bestrebungen, die VSS-Normen mit Bezug<br />

zum <strong>Fussverkehr</strong> zu vervollständigen (insbesondere das Normpaket<br />

„Querungen“<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(Unfälle dispers verteilt)<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(Akzeptanz gering,<br />

Verlangsamen von<br />

Veränderungen)<br />

Sehr empfehlenswert


20 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

– Fortetzung Tabelle 2 –<br />

Rechtliche Möglichkeiten<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Bedeutung<br />

Infrastruktur<br />

aufwerten<br />

Klage gegen Betreiber defizitärer Infrastruktur bei Unfällen<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(Hürden und finanzielle<br />

Risiken zu hoch)<br />

Einforderung der (aktualisierten) Netzplanungen seitens des Bundes Empfehlenswert<br />

Finanzielle Unterstützung bei infrastrukturellen Projekten für den<br />

<strong>Fussverkehr</strong> (Infrastruktur-Fonds)<br />

Sensibilisierung der Öffentlichkeit für den Nutzen von<br />

sicherheitsfördernden Infrastruktur-Massnahmen<br />

Enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden. Durchführen von<br />

fachtechnischen Beratungen/Kolloquien/Weiterbildungskursen/Foren<br />

1.6 Fazit<br />

Sehr empfehlenswert<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da ungünstiges Kosten-<br />

Nutzen-Verhältnis)<br />

Empfehlenswert<br />

Gegenstand dieses Berichts ist die Sicherheit von Fussgängern im Strassenverkehr.<br />

Auf der Basis einer umfassenden Analyse des <strong>Unfallgeschehen</strong>s,<br />

von vorliegenden Forschungsergebnissen und Expertenurteilen<br />

wurden die wichtigsten Risikofaktoren, Präventionsmöglichkeiten und<br />

Förderungsmassnahmen zur Sicherheitssteigerung des <strong>Fussverkehr</strong>s abgeleitet.<br />

Die empfehlenswertesten Massnahmen sind:<br />

• Durch Netzplanung und Berücksichtigung der Bedürfnisse des <strong>Fussverkehr</strong>s<br />

lückenlose Fusswegnetze erstellen sowie insbesondere bei<br />

Querungen adäquate fussgängerspezifische Infrastrukturelemente<br />

projektieren.<br />

• Durch bauliche, rechtliche und edukative Massnahmen ein fussgängerfreundliches<br />

Geschwindigkeitsmanagement des motorisierten<br />

Verkehrs erwirken (Tempo 30 auf siedlungsorientierten Strassen sowie<br />

spezifische Gestaltungselemente auf verkehrsorientierten Strassen,<br />

Geschwindigkeitskontrollen, Kampagnen in Kombination mit Enforcement,<br />

Sensibilisierung im Rahmen der Fahrausbildung).<br />

• Optimierung der PW-Fronten hinsichtlich Partnerschutz.<br />

• Fördern eines partnerschaftlichen Fahrstils insbesondere der Beachtung<br />

der Anhaltepflicht an Fussgängerstreifen.


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 21<br />

• Obligatorische Verkehrserziehung für Kinder und Jugendliche (1.–9.<br />

Klasse) durch Fachpersonen mit Schwerpunkt <strong>Fussverkehr</strong> in den<br />

ersten Jahren.


22 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

Base de décision<br />

documentée pour le<br />

Fonds de sécurité<br />

routière<br />

Fig. 1:<br />

Contributions de la<br />

gestion des<br />

connaissances dans le<br />

processus de<br />

résolution des<br />

problèmes liés à la<br />

prévention des<br />

accidents<br />

2. Version abrégée<br />

2.1 Mandat<br />

Le Fonds de sécurité routière souhaite orienter sa politique d’attribution<br />

de fonds selon les accidents dominants et les mesures qui s’avèrent efficaces<br />

dans ce domaine. A cet égard, il lui faut disposer de bases de décision<br />

documentées. Par conséquent, le Fonds a chargé la section Recherche<br />

du Bureau suisse de prévention des accidents bpa d’analyser les accidents<br />

dominants. Cette analyse doit englober une description de la situation<br />

en matière d’accidents et de son évolution, une présentation des<br />

facteurs de risque ainsi que de leur importance, une évaluation des mesures<br />

préventives possibles ainsi que des recommandations concrètes pour<br />

la prévention des accidents en Suisse. Dans ce but, il convient de prendre<br />

en considération, autant que faire se peut, les résultats provenant de<br />

l’épidémiologie analytique et descriptive, des études de marché réalisées,<br />

des estimations de potentiel ainsi que des études d’évaluation. La fig. 1<br />

montre de quelle manière les réponses apportées aux questions posées<br />

peuvent contribuer à optimiser le processus de résolution des problèmes<br />

liés à la prévention des accidents. Les évaluations complémentaires et les<br />

avis d’experts doivent être indiqués comme tels.<br />

Description du niveau<br />

de sécurité<br />

(Que se passe-t-il?)<br />

Examen de la mise en<br />

œuvre, de l’efficacité et<br />

des répercussions des<br />

mesures<br />

(Quelles mesures portent<br />

des fruits?)<br />

Contrôle des<br />

résultats<br />

(évaluation)<br />

Réalisation et<br />

coordination<br />

des mesures<br />

Analyse de la<br />

situation<br />

(monitorage)<br />

Programmes de<br />

prévention<br />

Objectifs<br />

Détermination des<br />

facteurs de risque et<br />

des groupes concernés<br />

(Comment l'accident<br />

se passe-t-il?)<br />

Analyse des<br />

possibilités d'intervention<br />

(Comment empêcher<br />

l’accident?)


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 23<br />

Recommandations<br />

découlant de quatre<br />

volets d’analyse<br />

100 piétons tués et<br />

800 grièvement<br />

blessés chaque<br />

année<br />

Enfants et seniors<br />

particulièrement<br />

touchés<br />

2.2 Aspects méthodologiques<br />

Le présent travail comprend quatre volets qui garantissent que les recommandations<br />

formulées ne reposent pas simplement sur des suppositions<br />

plausibles et sur des connaissances courantes. Ces recommandations<br />

s’appuient au contraire sur des fondements scientifiques et sont d’une importance<br />

déterminante pour la prévention des accidents impliquant des<br />

piétons (cf. fig. 2). Si certains thèmes ont été maintenus malgré un intérêt<br />

limité, c’est qu’ils se révèlent importants pour la population en général ou<br />

pour certains groupes en particulier. Des propositions innovantes pour lesquelles<br />

on ne dispose que de peu de faits concrets à l’heure actuelle ont<br />

également été intégrées dans les possibilités de prévention afin de les soumettre<br />

à la discussion (p. ex. systèmes d’assistance à la conduite ou mesures<br />

destinées à accroître la proportion de véhicules qui s’arrêtent aux passages<br />

pour piétons).<br />

2.3 Accidentologie des piétons<br />

Chaque année, 2700 piétons en moyenne subissent des blessures<br />

d’origine accidentelle; elles sont graves chez quelque 800 d’entre eux et<br />

mortelles pour 100 autres. La gravité des blessures des piétons est très<br />

importante comparée à celle des autres accidentés de la route. Pour<br />

l’ensemble des groupes d’usagers, quelque 180 personnes accidentées<br />

en moyenne sur 10 000 décèdent des suites de leurs blessures (indicateur<br />

appelé létalité). Cette valeur représente plus que le double chez les<br />

piétons: près de 390 tués pour 10 000 accidentés. La létalité des piétons<br />

dépend fortement de la vitesse de collision, mais également de l’âge du<br />

piéton accidenté et de l’autre usager impliqué dans la collision.<br />

Les enfants jusqu’à 14 ans et les seniors de 65 ans et plus sont touchés<br />

plus fréquemment que la moyenne par les graves accidents de piétons.<br />

La gravité des blessures augmente avec l’âge. Elle est environ deux fois<br />

plus élevée que pour la moyenne des piétons accidentés chez les<br />

65-74 ans, et même trois fois plus chez les plus de 74 ans.


24 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

Fig. 2:<br />

Volets d’analyse et<br />

sources d’information<br />

Accident typique:<br />

collision lors d’une<br />

traversée en localité<br />

Les piétons subissent plus de 70% des blessures graves ou mortelles en<br />

traversant la chaussée (surtout en localité). Les autres usagers impliqués<br />

dans les collisions sont principalement des conducteurs de voitures de<br />

tourisme, mais les blessures les plus graves sont dues, chez les piétons,<br />

à des accidents avec des véhicules destinés au transport de choses (camions,<br />

véhicules de livraison) ou des bus.


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 25<br />

Gravité des<br />

blessures: de<br />

nombreux facteurs<br />

d’influence<br />

Dans plus de la moitié<br />

des accidents de<br />

piétons: conducteurs<br />

seuls responsables<br />

Sécurité des piétons:<br />

des mesures<br />

s’imposent<br />

Risque d’accident:<br />

agir sur les aspects<br />

cognitifs et<br />

motivationnels<br />

Comportement erroné<br />

chez 70% des enfants<br />

accidentés<br />

Les facteurs ayant une influence négative sur la gravité des blessures des<br />

piétons sont notamment: âge avancé du piéton, sexe masculin du piéton,<br />

accident de type croisement longitudinal, véhicule antagoniste lourd/de<br />

grande taille, accident hors localité, accident hors des passages pour<br />

piétons, situation en montée, vitesse excessive, accident se produisant la<br />

nuit.<br />

Selon les procès-verbaux de police, la faute est attribuée exclusivement<br />

aux autres usagers impliqués dans 54% des cas, au seul piéton dans<br />

28% des cas et aux deux parties dans 18% des cas. Les principales causes<br />

sont: «traversée imprudente (en marchant)» et «traversée en courant/sautant»<br />

chez les piétons; «refus de l’arrêt obligatoire devant un passage<br />

pour piétons» chez les usagers antagonistes.<br />

Bien que la Suisse se défende au niveau européen en matière de sécurité<br />

des piétons (elle se situe en milieu de tableau) et que les piétons aient, à<br />

exposition égale, moins d’accidents que la plupart des autres usagers de<br />

la route, des mesures s’imposent en raison de la gravité des blessures et<br />

du danger particulier encouru par les enfants.<br />

2.4 Facteurs de risque<br />

Les facteurs de risque pour le trafic piéton sont nombreux. Ils relèvent des<br />

trois niveaux du système routier: l’être humain, le véhicule et l’infrastructure<br />

(cf. tableau 1, p. 28).<br />

Chez les piétons, les risques sont surtout en relation avec les processus<br />

de développement et de vieillissement. Les enfants et les personnes<br />

âgées sont menacés en particulier en raison de déficits cognitifs liés à la<br />

perception et au traitement des informations. Les enfants présentent en<br />

outre un surrisque dû à des aspects motivationnels, notamment à leur<br />

absorption par le jeu.<br />

Les enfants jusqu’à 14 ans représentent quelque 22% des piétons grièvement<br />

ou mortellement accidentés, soit un taux nettement supérieur à<br />

leur représentation dans la population ou à leur proportion de l’exposition.<br />

Si ce risque d’accident supérieur à la moyenne s’explique par divers fac-


26 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

Seniors souvent pas<br />

en cause, mais<br />

incapables de réagir<br />

correctement aux<br />

erreurs des autres<br />

usagers<br />

Piétons mis en<br />

danger par le<br />

comportement<br />

inadapté des<br />

conducteurs de<br />

véhicules à moteur<br />

teurs, les déficits cognitifs constituent certainement l’un des plus significatifs:<br />

un enfant qui ne parvient p. ex. pas à estimer correctement la vitesse<br />

du véhicule qui s’approche est exposé à de grands risques en traversant<br />

la chaussée. De fait, il n’est pas surprenant qu’une erreur de comportement<br />

soit imputée à 70% environ des 0-6 ans tout comme des 7-14 ans<br />

impliqués dans une collision.<br />

En revanche, les facteurs «faible taille corporelle des enfants», «connaissances<br />

de la réalité routière insuffisantes» ou «prise de conscience des<br />

dangers insuffisante» sont, chez les piétons en général, moins importants<br />

pour leur sécurité.<br />

Les 65 ans et plus représentent environ un tiers des piétons grièvement<br />

ou mortellement accidentés. Pour un kilomètre parcouru à pied, les blessures<br />

graves ou mortelles sont bien plus fréquentes chez les seniors que<br />

chez les adultes plus jeunes: environ deux fois plus à partir de 70 ans et<br />

plus de cinq fois plus à partir de 85 ans. Ceci ne s’explique pas seulement<br />

par la grande vulnérabilité de ces usagers. Etant donné que 70% des seniors<br />

grièvement blessés ou tués dans des accidents ne sont pas en<br />

cause dans ceux-ci, on peut supposer que les aînés subissent des dommages<br />

car ils ne sont pas en mesure de réagir aux erreurs des autres<br />

usagers (p. ex. absence de disposition des conducteurs à s’arrêter aux<br />

passages pour piétons). Dans 60% des accidents causés par les seniors,<br />

ceux-ci s’engagent négligemment sur la chaussée, en partie aussi car ils<br />

perçoivent et traitent des informations importantes de manière erronée.<br />

Les conducteurs des véhicules impliqués dans les collisions avec des<br />

piétons mettent ces derniers en danger surtout en raison d’un comportement<br />

inadapté. Excès de vitesse, vitesse inadaptée, refus de priorité aux<br />

passages pour piétons et marches arrière imprudentes ont les conséquences<br />

les plus négatives. Un manque de connaissance des dangers ou<br />

de maîtrise de soi en sont souvent à l’origine: les conducteurs n’ont fondamentalement<br />

pas de difficultés à conduire leur véhicule, mais méconnaissent<br />

les dangers liés à leurs actes. Autre problème: les distractions<br />

tant visuelles que mentales (p. ex. regard non dirigé vers l’espace routier<br />

ou attention absorbée par une conversation téléphonique).


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 27<br />

Piétons surtout mis en<br />

danger par les<br />

voitures automobiles<br />

Piétons mis en<br />

danger par les<br />

lacunes des réseaux<br />

de chemins pour<br />

piétons et par des<br />

éléments<br />

d’infrastructure non<br />

optimaux<br />

En revanche, la conduite sous l’influence de substances (alcool, drogues<br />

illicites ou médicaments) ou en état de fatigue excessive, le manque de<br />

maîtrise du véhicule, de même que les troubles de la perception, de la<br />

motricité ou de la cognition ont une moindre influence sur les accidents<br />

des piétons.<br />

Les piétons ont des collisions avec des voitures automobiles principalement<br />

(véhicules automobiles ayant au moins quatre roues). Les véhicules<br />

motorisés à deux roues et, surtout, les vélos ne jouent quant à eux qu’un<br />

rôle mineur.<br />

La géométrie (forme) et la structure (rigidité) de la partie frontale des véhicules,<br />

en particulier, sont déterminantes. Le risque de blessures graves<br />

est notamment plus élevé si la partie frontale est haute et inclinée, ou si<br />

elle est très rigide. Une partie frontale haute et inclinée fait courir le risque<br />

d’un premier impact (de la tête), suivi d’une projection du corps puis d’un<br />

second impact sur la chaussée. La rigidité de la partie frontale, quant à<br />

elle, empêche le véhicule de se déformer, ce qui génère d’importantes<br />

forces d’accélération lors de l’impact.<br />

Par contre, le poids du véhicule, les pare-buffles, les couleurs foncées<br />

des véhicules ou les faisceaux lumineux fixes des phares classiques n’ont<br />

que peu d’importance sur les accidents.<br />

Si l’infrastructure routière est dangereuse pour les piétons, c’est surtout<br />

parce qu’elle est essentiellement axée sur le trafic motorisé. Une planification<br />

globale du réseau incluant également les besoins du trafic piéton<br />

fait souvent défaut. Conséquences: un réseau piétonnier lacunaire et un<br />

manque d’informations sur les zones de conflit potentielles. Un réseau<br />

ininterrompu est certes nécessaire – en particulier en ce qui concerne les<br />

éléments de traversée –, mais n’est pas suffisant. Un niveau de sécurité<br />

suffisant ne peut être atteint que si l’on prévoit des éléments appropriés<br />

(bonnes pratiques) pour les zones de conflit potentielles, et qu’on les met<br />

en place correctement ainsi qu’en tenant compte des besoins des personnes<br />

handicapées.


28 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

Conclusion:<br />

la sécurité des<br />

piétons dépend<br />

surtout de facteurs<br />

sur lesquels ils n’ont<br />

que peu d’influence<br />

Tableau 1:<br />

Importance des<br />

différents facteurs<br />

de risque<br />

Aptitude<br />

Capacité Compétences<br />

Comportement<br />

Comportement<br />

de conduite<br />

Capacité de conduire<br />

Compétences<br />

de<br />

conduite<br />

Aptitude à la<br />

conduite<br />

On constate que les facteurs de risque liés à l’infrastructure ont le plus<br />

d’importance pour les piétons. Viennent ensuite les facteurs qui relèvent<br />

des conducteurs de véhicules à moteur et de ces véhicules. En comparaison,<br />

les risques qui proviennent des piétons eux-mêmes – à l’exception<br />

des déficits cognitifs chez les enfants et les personnes âgées, qui sont par<br />

ailleurs difficiles à éliminer – ont dans l’ensemble une moindre importance<br />

pour ce groupe d’usagers.<br />

Facteur de risque<br />

Influence sur<br />

les acc. avec<br />

piétons<br />

grièvement/<br />

mortellement<br />

blessés<br />

Piétons<br />

Déficits cognitifs chez les enfants et les personnes âgées ****<br />

Distraction due au jeu chez les enfants **(*)<br />

Faible taille corporelle *<br />

Connaissances de la réalité routière insuffisantes **<br />

Attitudes préjudiciables à la sécurité, prise de conscience des<br />

dangers insuffisante<br />

Consommation excessive d’alcool *(*)<br />

Comportement irrespectueux des règles de la circulation **<br />

Visibilité insuffisante ***<br />

Conducteurs de véhicules à moteur<br />

Excès de vitesse et vitesse inadaptée ****(*)<br />

Refus de priorité aux passages pour piétons *****<br />

Feux de croisement non allumés de jour *<br />

Marches arrière imprudentes ****<br />

Conduite en état d’ébriété **<br />

Conduite sous l’emprise de drogues illicites (y compris<br />

consommation combinée de drogues et d’alcool)<br />

*<br />

Conduite sous l’influence de médicaments entraînant des<br />

troubles de la vigilance<br />

Conduite en état de fatigue excessive *<br />

Distraction visuelle ou mentale **(*)<br />

Manque de maîtrise du véhicule (*)<br />

Manque de connaissance des dangers, de maîtrise de soi ***<br />

Acuité visuelle diurne réduite (accommodation, rétrécissement<br />

du champ visuel)<br />

Acuité visuelle nocturne réduite (sensibilité à l’éblouissement,<br />

vision à l’aube et au crépuscule)<br />

*<br />

Capacité auditive réduite (domaine de fréquences, valeur seuil) –<br />

**<br />

*<br />

*


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 29<br />

– Suite du tableau 1 –<br />

Partie frontale<br />

Limitations motrices / physiques *<br />

Limitations des capacités cognitives<br />

Véhicules à moteur<br />

*<br />

Partie frontale haute et verticale ***(*)<br />

Partie frontale rigide *****<br />

Pare-buffle massif *<br />

Faisceaux lumineux fixes / restreints **<br />

Véhicule de couleur foncée *<br />

Insuffisances techniques du véhicule *<br />

Infrastructure<br />

Insuffisances de la planification du réseau ****<br />

Infrastructure déficitaire pour le trafic piéton transversal en<br />

localité<br />

Exemples:<br />

- absence de refuge piéton ou refuge piéton trop étroit<br />

- passage pour piétons sur plus de deux voies<br />

- feu vert conflictuel au niveau des carrefours régis par des feux<br />

de circulation<br />

- passage inférieur ou supérieur peu confortable à utiliser<br />

Infrastructure déficitaire pour le trafic piéton longitudinal<br />

Exemples:<br />

- absence de trottoir ou trottoir trop étroit<br />

- bande longitudinale pour piétons remplaçant un trottoir<br />

*****<br />

* facteur de risque dont l’influence est relativement faible<br />

****** facteur de risque dont l’influence est importante<br />

***(*) signifie que le facteur se situe entre *** et ****, ou qu’il est difficile d’évaluer<br />

précisément l’influence du facteur en question<br />

2.5 Prévention<br />

Fondée sur l’analyse des risques, la recherche de solutions aux domaines<br />

problématiques identifiés a consisté dans un premier temps à fixer des<br />

objectifs et à définir les changements devant intervenir au niveau de<br />

l’infrastructure, des véhicules et des usagers afin d’améliorer la sécurité<br />

du trafic piéton. Ces objectifs appelés possibilités de prévention ont été<br />

évalués dans l’optique de leur potentiel de réduction du nombre<br />

d’accidents ou de blessures. Voici les possibilités qui ont été retenues du<br />

fait qu’elles présentent un potentiel important, voire très important.<br />

**


30 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

Des mesures<br />

s’imposent pour tous<br />

les éléments du<br />

système routier<br />

Certaines possibilités<br />

de prévention ont un<br />

faible potentiel<br />

Infrastructure:<br />

• Planification du réseau tenant compte des besoins du trafic piéton,<br />

dans l’objectif de mettre en place un réseau de chemins pour piétons<br />

ininterrompu et d’identifier les zones de conflit potentielles<br />

• Régime de vitesses en localité adapté au trafic piéton (zones 30 pour<br />

les routes d’intérêt local; vitesse limitée à 50 km/h sur les routes à<br />

orientation trafic et aménagement de possibilités de traversées sûres)<br />

• Eléments d’infrastructure spécifiques appropriés et réalisés correctement<br />

en cas de traversée locale à niveau avec ou sans priorité du trafic<br />

piéton de même qu’en cas de zone de traversée libre<br />

Conducteurs de véhicules à moteur:<br />

• Plus grande disposition à s’arrêter aux passages pour piétons<br />

• Incitation à adopter une vitesse adaptée à la situation<br />

• Plus grande prise de conscience des dangers<br />

• Prévention de l’inattention et de la distraction<br />

• Sécurisation des marches arrière<br />

Véhicules à moteur:<br />

� Parties frontales optimisées du point de vue de la sécurité (optimisation de<br />

la forme, réduction de la rigidité, capot actif, airbags extérieurs)<br />

� Systèmes d’assistance à la conduite (en particulier assistance au freinage,<br />

système électronique de détection d’objets avec fonction de freinage<br />

d’urgence intégrée, détecteurs d’obstacles arrière, systèmes de surveillance<br />

de l’état du conducteur)<br />

Piétons:<br />

� Amélioration des connaissances de la réalité routière, encouragement<br />

à adopter une attitude reflétant une prise de conscience de la sécurité<br />

et incitation à une prise de conscience adéquate des dangers chez les<br />

enfants<br />

Quant aux autres possibilités, leur potentiel est faible. Il serait p. ex. peu<br />

efficace d’encourager un comportement plus préventif lors de l’engagement<br />

sur les passages pour piétons, de promouvoir une plus grande


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 31<br />

Moins d’accidents<br />

grâce à une meilleure<br />

infrastructure et à des<br />

vitesses moins<br />

élevées…<br />

… à des véhicules<br />

équipés de<br />

technologies<br />

modernes…<br />

sécurité fonctionnelle des véhicules à moteur ou de s’employer à éviter un<br />

état de fatigue excessive chez les conducteurs.<br />

Enfin, l’analyse a porté sur les modalités de mise en œuvre des possibilités<br />

de prévention. Des mesures d’encouragement concrètes ont fait l’objet<br />

d’un examen de faisabilité; cet examen englobait les aspects du rapport<br />

coût-efficacité, de l’acceptation politique et sociale ainsi que de la faisabilité<br />

sur le plan technique (cf. tableau 2, p. 34).<br />

Il en résulte une palette très variée de possibilités d’action, classées cidessous<br />

selon la phase de prévention: primaire, secondaire ou tertiaire.<br />

Prévention primaire (éviter les accidents): il convient d’aménager<br />

l’infrastructure et l’organisation du trafic de façon à réduire de manière<br />

significative le risque de collision entre piétons et véhicules à moteur.<br />

Pourtant, l’introduction d’un réseau de chemins pour piétons complètement<br />

séparé du trafic automobile n’est pas réaliste pour des raisons pratiques<br />

et financières.<br />

La planification du réseau s’avère donc un élément déterminant; elle doit<br />

viser à mettre en place un réseau piétonnier sans lacunes et à identifier<br />

les zones de conflit potentielles. Les éléments d’infrastructure spécifiques<br />

au trafic piéton doivent absolument satisfaire aux aspects techniques de<br />

sécurité des normes VSS ou se fonder sur les connaissances actuelles en<br />

matière de sécurité des installations pour piétons. Sinon, l’amélioration de<br />

la sécurité escomptée risque de ne pas se réaliser, et même, les risques<br />

d’accident et de blessures pourraient s’en trouver accrus. Outre les éléments<br />

d’infrastructure spécifiques aux piétons, une vitesse limitée à<br />

30 km/h dans les quartiers résidentiels constitue aussi une mesure de<br />

sécurité primordiale.<br />

La réalisation de telles solutions, qui interviennent au niveau de<br />

l’infrastructure, peut être favorisée en premier lieu par la formation et la sensibilisation<br />

des ingénieurs et des planificateurs, par la réalisation de road<br />

safety audits ainsi que par l’application des normes VSS et leur étoffement.<br />

Il est aussi possible d’intervenir au niveau des véhicules pour réduire le<br />

risque d’accident. Un certain nombre de technologies prometteuses sont<br />

d’ores et déjà disponibles, comme les détecteurs d’obstacles arrière ou


32 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

… mais aussi grâce à<br />

un comportement<br />

prudent lors des<br />

traversées et à une<br />

conduite préventive<br />

Moins de blessures<br />

graves grâce à des<br />

vitesses moins<br />

élevées et à une<br />

configuration<br />

optimisée des<br />

véhicules<br />

l’assistance au freinage. Au-delà de cela, les possibilités de prévention<br />

primaire sont peu nombreuses à l’heure actuelle en ce qui concerne les<br />

véhicules. A l’avenir, toutefois, des technologies hautement efficaces, basées<br />

sur un système électronique de détection d’objets grâce à des capteurs<br />

radar ou infrarouges, permettront de diminuer sensiblement le risque<br />

de collision.<br />

L’implantation des technologies automobiles de protection des piétons<br />

nécessite une collaboration internationale (p. ex. participation à des groupes<br />

de travail de l’ONU ou de la CEE). N’étant pas membre de l’UE,<br />

n’ayant pas d’industrie automobile et ne représentant qu’un marché relativement<br />

restreint, la Suisse peut difficilement faire cavalier seul, de surcroît<br />

en raison de l’accord sur les obstacles techniques au commerce.<br />

Cependant, ce sont aussi les usagers de la route, et donc autant les piétons<br />

que les conducteurs de véhicules à moteur, qui peuvent contribuer à<br />

améliorer considérablement la sécurité du trafic piéton. De façon générale,<br />

il convient d’encourager des comportements préventifs et sûrs par<br />

une combinaison de mesures éducatives et répressives. Plus précisément,<br />

il faut notamment inciter les piétons à adopter des comportements<br />

sûrs lors des traversées (avec ou sans priorité), et les conducteurs de véhicules<br />

à moteur à s’arrêter aux passages pour piétons et à adapter leur<br />

vitesse à la situation.<br />

Chez les enfants, les mesures éducatives devraient consister en une<br />

éducation routière continue et professionnelle. Si elle est nécessaire, elle<br />

est loin d’être suffisante car les enfants ne seront jamais des usagers de<br />

la route fiables. L’éducation routière des conducteurs de véhicules à moteur<br />

(réalisée dans le cadre de la formation à la conduite ou par le biais de<br />

campagnes dans les médias, p. ex.) a probablement un plus grand impact<br />

sur la réduction du nombre d’accidents, surtout associée à des contrôles<br />

de police.<br />

Prévention secondaire (éviter les blessures): étant donné qu’il ne sera<br />

jamais possible d’éliminer complètement les accidents, il faut s’assurer<br />

par des mesures adéquates que les blessures causées par un accident<br />

soient le moins graves possible. Dans ce contexte également, une gestion<br />

efficace des vitesses peut y contribuer largement. Du fait que les piétons<br />

n’ont pas de zone déformable protectrice, il faut avant tout faire en sorte


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 33<br />

Aide médicale plus<br />

rapide =<br />

conséquences des<br />

blessures moins<br />

graves à long terme<br />

que les parties frontales des véhicules soient adaptées en vue d’optimiser<br />

la sécurité. Les parties frontales des voitures de tourisme doivent être<br />

conçues de façon à pouvoir absorber davantage d’énergie. En Suisse, les<br />

consommateurs au moins peuvent être incités à veiller, lors de l’achat<br />

d’un véhicule, à la protection non seulement des occupants mais aussi<br />

des autres usagers.<br />

Prévention tertiaire (éviter les séquelles): vu que, dans le cadre du<br />

présent travail, l’accent a volontairement été mis sur la première et sur la<br />

deuxième phase de prévention, les mesures de prévention tertiaire ne<br />

sont traitées que de façon subsidiaire. Une mesure importante consiste à<br />

réduire le laps de temps qui s’écoule entre le moment de l’accident et<br />

l’intervention des secours. Ce but peut être atteint grâce à des dispositifs<br />

qui se déclenchent automatiquement ou manuellement, et qui transmettent<br />

un signal d’alarme (avec les coordonnées du lieu de l’accident) aux<br />

services de secours compétents.<br />

Le tableau suivant récapitule les appréciations portées sur l’ensemble des<br />

mesures envisagées, appréciations qui ne tiennent pas seulement compte<br />

des bénéfices de sécurité pour les piétons, mais également du rapport<br />

coût-efficacité et de la faisabilité politique. Cette évaluation complète doit<br />

permettre d’éviter l’investissement des ressources financières dans des<br />

mesures dont la réalisation paraît d’entrée de jeu vouée à l’échec ou dont<br />

la contrepartie n’est que très faible ou incertaine. Elle couvre un horizon<br />

temporel de cinq ans environ. La mise en œuvre des mesures qualifiées<br />

de recommandées ou de vivement recommandées garantit que les<br />

moyens investis génèrent le gain de sécurité le plus élevé possible pour<br />

les piétons.


34 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

Tableau 2:<br />

Récapitulation de toutes les mesures de sécurisation du trafic piéton<br />

Sécurité<br />

fonctionnelle<br />

Partie frontale<br />

Éclairage<br />

Systèmes<br />

électroni-<br />

ques<br />

Mesure Evaluation<br />

Piétons<br />

Information des parents et d’autres personnes de référence<br />

concernant les déficits liés au développement des enfants jusqu’à<br />

9 ans, et incitation à renforcer les mesures de sécurité relatives<br />

notamment au choix des itinéraires, à la visibilité, au comportement<br />

lors des traversées<br />

Information des familles et d’autres personnes de référence<br />

(médecins, organisations d’aide à domicile, Pro Senectute)<br />

concernant les déficits liés à l’âge des seniors, et incitation à<br />

renforcer les mesures de sécurité relatives notamment au choix des<br />

itinéraires, à la visibilité, au comportement lors des traversées<br />

Education routière obligatoire adaptée à l’âge des élèves (de la 1 re à<br />

la 9 e année scolaire), dispensée par des spécialistes et mettant<br />

l’accent sur le trafic piéton durant les premières années<br />

Campagnes axées sur la transmission de connaissances et la prise<br />

de conscience des dangers par les piétons<br />

Campagnes en faveur d’un comportement plus préventif lors de<br />

l’engagement sur les passages pour piétons<br />

Véhicules à moteur<br />

Intensification des contrôles des véhicules à moteur<br />

(expertise des types et contrôles périodiques cantonaux)<br />

Information / sensibilisation, par le biais de la presse écrite et des<br />

médias électroniques, des acheteurs potentiels de voitures de<br />

tourisme en ce qui concerne la protection des autres usagers<br />

En collaboration internationale, définition d’exigences concernant les<br />

parties frontales des voitures de tourisme en vue de la protection<br />

des piétons<br />

Interdiction générale de toutes les sortes de pare-buffles<br />

Exigences plus strictes que celles prévues dans la directive<br />

européenne (2003/102/CE) pour les véhicules en matière de<br />

protection des piétons<br />

Information / sensibilisation, par le biais de la presse écrite et des<br />

médias électroniques, des acheteurs potentiels de voitures de<br />

tourisme en ce qui concerne les phares avant avec éclairage<br />

optimisé<br />

Information des clients concernant les nouvelles technologies<br />

automobiles et celles déjà bien établies<br />

Obligation légale d’équiper les véhicules sans rétroviseur intérieur<br />

(en particulier fourgonnettes) de détecteurs d’obstacles arrière<br />

Recommandé sous réserve<br />

(efficacité difficile à évaluer;<br />

coûts élevés pour un potentiel<br />

de réduction du nombre<br />

d’acc./de blessures plutôt faible)<br />

Recommandé sous réserve<br />

(efficacité difficile à évaluer;<br />

coûts élevés pour un potentiel<br />

de réduction du nombre<br />

d’acc./de blessures plutôt faible)<br />

Vivement recommandé<br />

(mesure fondamentale<br />

indispensable mais non<br />

suffisante)<br />

Recommandé sous réserve<br />

(fixation des objectifs difficile;<br />

coûts élevés pour un potentiel<br />

de réduction du nombre<br />

d’acc./de blessures plutôt faible)<br />

Pas recommandé<br />

(coûts élevés pour un faible<br />

potentiel de réduction du<br />

nombre d’acc./de blessures)<br />

Pas recommandé<br />

(mauvais rapport coûtefficacité)<br />

Recommandé<br />

Recommandé<br />

Pas recommandé<br />

(aucune utilité, les pare-buffles<br />

n’étant autorisés que s’ils<br />

permettent un gain de sécurité)<br />

Pas recommandé<br />

(pas réalisable sur le plan<br />

politique)<br />

Recommandé<br />

Recommandé<br />

Recommandé


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 35<br />

– Suite du tableau 2 –<br />

Aptitude à la conduite<br />

Capacité de conduire: entraves dues à la consommation<br />

de certaines substances<br />

Systèmes incitatifs visant à promouvoir les technologies automobiles<br />

avec un fort potentiel de sécurité<br />

Campagnes visant une meilleure acceptation des technologies<br />

automobiles souffrant d’une image négative<br />

Conducteurs de véhicules à moteur<br />

Extension du test obligatoire de la vue: examen de l’acuité visuelle à<br />

l’aube et au crépuscule ainsi que de la sensibilité à l’éblouissement<br />

Obligation légale de faire contrôler périodiquement l’acuité visuelle<br />

(diurne et nocturne)<br />

Brochures d’information pour sensibiliser les conducteurs aux déficits<br />

sensori-moteurs et à leurs conséquences<br />

Examen plus strict de l’aptitude à la conduite<br />

Campagne dans les médias pour sensibiliser et informer la<br />

population sur les déficits sensori-moteurs et leurs conséquences<br />

Recommandé sous réserve<br />

(faisabilité et efficacité encore<br />

incertaines)<br />

Pas recommandé<br />

(mauvais rapport coût-efficacité)<br />

Recommandé<br />

Recommandé<br />

Recommandé<br />

Recommandé sous réserve<br />

(rapport coût-efficacité<br />

défavorable en ce qui concerne<br />

la sécurité des piétons)<br />

Pas recommandé<br />

(mauvais rapport coûtefficacité<br />

en ce qui concerne<br />

la sécurité des piétons)<br />

Cours d’éducation routière proposé dès le premier retrait de permis Recommandé<br />

Abaissement à 0,0‰ du taux limite d’alcool pour les conducteurs<br />

novices durant la période probatoire<br />

Multiplication des contrôles de l’alcoolémie (sans indice d’ébriété)<br />

annoncés et bien visibles, en combinaison avec une campagne dans<br />

les médias<br />

Pictogramme sur les notices d’emballage des médicaments mettant<br />

en garde contre les effets négatifs de ceux-ci sur la capacité de<br />

conduire<br />

Procédure de sanction accélérée<br />

Autorisation légale de procéder à des contrôles inopinés de<br />

consommation de stupéfiants et validité juridique des résultats des<br />

tests rapides<br />

Systèmes de surveillance de l’état du conducteur en vue du contrôle<br />

de la capacité de conduire<br />

Campagne dans les médias sur le thème des médicaments et des<br />

stupéfiants<br />

Recommandé<br />

(utilité limitée pour les piétons)<br />

Recommandé sous réserve<br />

(rapport coût-efficacité<br />

défavorable en ce qui concerne<br />

la sécurité des piétons)<br />

Recommandé sous réserve<br />

(rapport coût-efficacité<br />

défavorable en ce qui concerne<br />

la sécurité des piétons)<br />

Recommandé sous réserve<br />

(rapport coût-efficacité<br />

défavorable en ce qui concerne<br />

la sécurité des piétons)<br />

Recommandé sous réserve<br />

(fiabilité des appareils encore<br />

insuffisante)<br />

Pas recommandé<br />

(mauvais rapport coût-efficacité<br />

en ce qui concerne la sécurité<br />

des piétons)<br />

Pas recommandé<br />

(mauvais rapport coût-efficacité<br />

en ce qui concerne la sécurité<br />

des piétons)


36 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

– Suite du tableau 2 –<br />

Capacité de conduire:<br />

entraves endogènes<br />

Compétences de<br />

conduite<br />

Comportement au volant: vitesse<br />

Information de la population au moyen de brochures, d’Internet, etc.,<br />

sur la problématique des communications téléphoniques au volant<br />

Interdiction de téléphoner au volant en localité (y compris avec un<br />

dispositif mains libres)<br />

Interdiction générale de téléphoner au volant (y compris avec un<br />

dispositif mains libres)<br />

Campagne de sensibilisation des usagers de la route à la fatigue au<br />

volant<br />

Promotion de systèmes techniques de surveillance de la vigilance et<br />

de la distraction visuelle<br />

Recommandé<br />

Recommandé sous réserve<br />

(faisabilité politique pas claire)<br />

Pas recommandé<br />

(actuellement pas réalisable sur<br />

le plan politique)<br />

Pas recommandé<br />

(mauvais rapport coût-efficacité<br />

en ce qui concerne la sécurité<br />

des piétons)<br />

Pas recommandé<br />

(mauvais rapport coût-efficacité<br />

en ce qui concerne la sécurité<br />

des piétons)<br />

Réalisation correcte de la nouvelle formation à la conduite Vivement recommandé<br />

Restrictions de conduite pour les nouveaux conducteurs<br />

Cours de répétition périodiques obligatoires pour les conducteurs de<br />

véhicules à moteur<br />

Combinaison d’une campagne et de contrôles de vitesse renforcés<br />

en localité (fixes aux endroits dangereux, mobiles ailleurs avec<br />

préavis et feed-back)<br />

Campagne médias seule sur le comportement relatif à la vitesse<br />

Introduction d’un système de permis à points pour remplacer le<br />

système en cascade<br />

Mise en place de panneaux indicateurs de vitesse<br />

Campagne avec point de mire sur le groupe d’usagers caractérisés<br />

par un comportement extrême<br />

Recommandé sous réserve<br />

(seulement si modèle en deux<br />

phases devait être moins<br />

efficace qu’escompté)<br />

Pas recommandé<br />

(mauvais rapport coût-efficacité<br />

en ce qui concerne la sécurité<br />

des piétons)<br />

Vivement recommandé<br />

Recommandé sous réserve<br />

(plutôt pertinent en combinaison<br />

avec des contrôles de police)<br />

Recommandé sous réserve<br />

(seulement si le système en<br />

cascade devait ne pas<br />

s’imposer)<br />

Recommandé sous réserve<br />

(rapport coût-efficacité<br />

défavorable en ce qui concerne<br />

la sécurité des piétons / effets<br />

négatifs pas exclus)<br />

Pas recommandé<br />

(mauvais rapport coût-efficacité)


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 37<br />

– Suite du tableau 2 –<br />

Comportement au volant:<br />

respect des priorités<br />

Formation des ingénieurs et<br />

des planificateurs<br />

Instruments de<br />

contrôle de la<br />

sécurité<br />

Normes<br />

Possibilités<br />

juridiques<br />

Combinaison d’une campagne et de contrôles de police visant à faire<br />

respecter la priorité aux passages pour piétons<br />

Campagne médias seule sur le respect des priorités<br />

Brochures d’information sur la problématique des marches arrière<br />

Renforcement des sanctions en cas de refus de priorité<br />

Campagne de lutte contre les marches arrière imprudentes<br />

Infrastructure<br />

Formation initiale: sensibilisation aux questions de sécurité routière et<br />

transmission de connaissances spécifiques de base<br />

Formation continue / perfectionnement: organisation et coordination de<br />

rencontres spécialisées ainsi que formation continue obligatoire<br />

Tant pendant la formation initiale que pendant la formation continue et<br />

le perfectionnement, l’accent doit être mis sur les sujets suivants:<br />

• principes guidant la sécurité du trafic piéton (y compris faux<br />

sentiment de sécurité);<br />

• planification globale du réseau;<br />

• traversées adaptées aux piétons;<br />

• thèmes spéciaux (régime de vitesses 30/50 selon le modèle du bpa,<br />

entretien des routes respectueux des piétons);<br />

• bases légales et techniques dans leur ensemble.<br />

Vivement recommandé<br />

Recommandé sous réserve<br />

(plutôt pertinent en<br />

combinaison avec des<br />

contrôles de police)<br />

Recommandé sous réserve<br />

(efficacité difficile à évaluer)<br />

Pas recommandé<br />

(peu d’effets supplémentaires<br />

sur la sécurité à escompter<br />

compte tenu du niveau de<br />

sanctions actuel)<br />

Pas recommandé<br />

(mauvais rapport coûtefficacité)<br />

Vivement recommandé<br />

Intégration systématique des safety audits dans les projets Vivement recommandé<br />

Réalisation de road safety inspections aux traversées<br />

Gestion des points noirs (black spot management)<br />

Importance juridique plus grande à accorder aux normes VSS, en en<br />

faisant des instructions du DETEC ou en les reconnaissant comme<br />

état de la technique dans les lois sur les constructions<br />

Soutien des efforts actuels visant à compléter les normes VSS en<br />

rapport avec le trafic piéton (en particulier le groupe de normes sur les<br />

traversées)<br />

Plainte contre l’exploitant d’une infrastructure déficitaire en cas<br />

d’accident<br />

Récupération par la Confédération des planifications du réseau<br />

(actualisées)<br />

Soutien financier de projets infrastructurels consacrés au trafic piéton<br />

(Fonds pour le trafic d’agglomération et les routes nationales)<br />

Vivement recommandé<br />

Pas recommandé<br />

(dispersion des accidents)<br />

Recommandé sous réserve<br />

(faible acceptation,<br />

changements ralentis)<br />

Vivement recommandé<br />

Recommandé sous réserve<br />

(obstacles et risque financier<br />

trop grands)<br />

Recommandé<br />

Vivement recommandé


38 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

– Suite du tableau 2 –<br />

Relations<br />

publiques<br />

Valoriser l’importance<br />

de<br />

l’infrastructure<br />

Sensibilisation de la population quant à l’importance des mesures<br />

portant sur l’infrastructure et améliorant la sécurité<br />

Etroite collaboration avec les autorités compétentes; réalisation de<br />

conseils techniques, colloques, cours de formation continue, forums<br />

2.6 Conclusions<br />

Recommandé sous réserve<br />

(rapport coût-efficacité<br />

défavorable)<br />

Recommandé<br />

Le présent rapport traite de la sécurité des piétons dans la circulation routière.<br />

Sur la base d’une analyse complète des accidents, des résultats de<br />

recherche existants et d’avis d’experts, les facteurs de risque les plus importants<br />

ont été dégagés; des possibilités de prévention et des mesures visant à<br />

améliorer la sécurité du trafic piéton ont ensuite été déduites. Mesures le<br />

plus vivement recommandées:<br />

• planification du réseau et prise en compte des besoins du trafic piéton<br />

pour tisser des réseaux de chemins pour piétons ininterrompus<br />

et prévoir des éléments d’infrastructure spécifiques appropriés au<br />

niveau des traversées notamment;<br />

• mesures éducatives, légales et constructives pour obtenir une gestion<br />

de la vitesse du trafic motorisé respectueuse des piétons (zones<br />

30 pour les routes d’intérêt local, éléments d’aménagement spécifiques<br />

sur les routes à orientation trafic, contrôles de vitesse, campagnes<br />

de prévention associées à des contrôles de police, sensibilisation<br />

dans le cadre de la formation à la conduite);<br />

• optimisation des parties frontales des voitures de tourisme pour<br />

une meilleure protection des autres usagers de la route;<br />

• encouragement à l’adoption d’une conduite respectueuse des autres<br />

usagers, en particulier disposition à s’arrêter aux passages<br />

pour piétons;<br />

• éducation routière obligatoire pour les enfants et les jeunes (de la 1 re<br />

à la 9 e année scolaire), dispensée par des spécialistes et mettant<br />

l’accent sur le trafic piéton durant les premières années.


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 39<br />

Base decisionale<br />

attendibile per il<br />

Fondo di sicurezza<br />

stradale<br />

Figura 1:<br />

Contributi della<br />

gestione della<br />

conoscenza nel ciclo<br />

di risoluzione dei<br />

problemi nella<br />

prevenzione degli<br />

infortuni<br />

3. Riassunto<br />

3.1 Mandato<br />

Il Fondo di sicurezza stradale intende impostare la propria politica di ripartizione<br />

dei contributi sulla riduzione dei punti ad alta sinistrosità e sull'adozione<br />

di misure efficaci. A tal fine necessita di basi decisionali attendibili.<br />

Pertanto il Fondo ha incaricato la sezione Ricerca dell'Ufficio prevenzione<br />

infortuni upi di far analizzare i punti ad alta incidentalità del traffico<br />

stradale. Più precisamente l'analisi doveva descrivere lo stato e l'evoluzione<br />

dell'incidentalità, individuare i fattori di rischio e la loro importanza,<br />

valutare misure preventive e formulare raccomandazioni concrete<br />

per la prevenzione degli incidenti in Svizzera. Questo avvalendosi per<br />

quanto possibile dei risultati evidenziati dall'epidemiologia descrittiva e<br />

analitica, dalle ricerche di mercato, da studi dell'impatto potenziale e dell'utilità<br />

effettiva delle misure. La figura 1 mostra come la risposta a questi<br />

interrogativi permette di ottimizzare il processo di risoluzione dei problemi<br />

nel campo della prevenzione degli incidenti. Le valutazioni aggiuntive e i<br />

pareri degli esperti sono dichiarati come tali e presentati in modo comprensibile.<br />

Descrizione del<br />

livello di sicurezza<br />

(cosa succede?)<br />

Verifica<br />

dell’attuazione,<br />

effetti e ripercussioni<br />

delle misure<br />

(cosa funziona?)<br />

Controllo<br />

dei risultati<br />

(valutazione)<br />

Attuazione<br />

e coordinamento<br />

delle misure<br />

Analisi della<br />

situazione<br />

(monitoraggio)<br />

Programmi di<br />

prevenzione<br />

Obiettivi<br />

Definizione<br />

dei fattori di rischio<br />

e dei gruppi a rischio<br />

(come succede?)<br />

Analisi delle possibilità<br />

d’intervento<br />

(come si può evitare?)


40 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

Raccomandazioni<br />

basate su quattro fasi<br />

analitiche<br />

100 pedoni morti e<br />

800 feriti gravi l'anno<br />

I bambini e gli anziani<br />

sono particolarmente<br />

a rischio<br />

3.2 Metodica<br />

Il presente studio si articola in quattro fasi che nella loro somma garantiscono<br />

che le raccomandazioni formulate non siano basate unicamente su<br />

ipotesi e conoscenze generali, ma abbiano una solida base scientifica e una<br />

rilevanza significativa per la sinistrosità dei pedoni (figura 2). Pur essendo<br />

secondari, alcuni temi sono stati trattati poiché rivestono un'importanza<br />

particolare per l'opinione pubblica o per determinati gruppi. Sono stati<br />

elaborati anche approcci innovativi di prevenzione che presentano ancora<br />

una bassa evidenza di discussione (p. es. sistemi di assistenza alla guida<br />

o provvediementi per migliorare la quota dei veicoli che si fermano davanti<br />

al passaggio pedonale).<br />

3.3 Sinistrosità<br />

Ogni anno, mediamente 2700 pedoni subiscono lesioni dovute a un incidente,<br />

di questi annualmente 800 pedoni restano coinvolti in un incidente<br />

grave e 100 in uno mortale. La gravità di ferita dei pedoni è molto alta rispetto<br />

alle altre vittime della circolazione stradale. Mediamente su tutti i<br />

gruppi di utenti della strada, su 10 000 vittime circa 180 persone riportano<br />

lesioni mortali (case fatality). Tra i pedoni questo valore è più che due<br />

volte superiore: su 10 000 pedoni coinvolti in un incidente quasi 390 riportano<br />

lesioni mortali. La case fatality dei pedoni dipende - oltre che dalla<br />

velocità di collisione - fortemente anche dall'età della persona coinvolta e<br />

dall'altro utente coinvolto nella collisione.<br />

I bambini fino a 14 anni e gli anziani di 65 anni e più sono coinvolti in misura<br />

superiore alla media in incidenti pedonali gravi. La gravità delle lesioni<br />

aumenta con la maggiore età. Gli anziani tra i 65 e i 74 anni presentano<br />

una gravità di lesione quasi 2 volte superiore, gli anziani di oltre<br />

74 anni persino una 3 volte superiore rispetto alla media di tutti i pedoni<br />

coinvolti in un incidente.


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 41<br />

Figura 2:<br />

Fasi analitiche e<br />

fonti<br />

d'informazione<br />

Incidente tipico:<br />

collisione<br />

nell'attraversare su<br />

una strada urbana<br />

Gravità delle lesioni<br />

dipende da numerosi<br />

fattori<br />

I pedoni subiscono oltre il 70% delle lesioni gravi e mortali quando attraversano<br />

la carreggiata (in part. nell'abitato). I veicoli antagonisti più frequenti<br />

sono gli automobilisti, ma per i pedoni le lesioni più gravi risultano<br />

negli incidenti con un veicolo commerciale (autocarro, autofurgone) o un<br />

bus.<br />

Le peculiarità dei fattori che aumentano la gravità delle lesioni dei pedoni<br />

sono per esempio: anziani, uomini, collisione longitudinale, utente coinvolto<br />

nella collisione pesante/grande, strada extraurbana, non sul passaggio<br />

pedonale, salita, velocità elevata, incidenti notturni.


42 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

Oltre la metà di tutti<br />

gli incidenti sono<br />

causati solo dai<br />

conducenti di un<br />

veicolo<br />

La sicurezza dei<br />

pedoni necessità<br />

misure appropriate<br />

Probabilità d'incidente<br />

influenzata da aspetti<br />

cognitivi e<br />

motivazionali<br />

Al 70% dei bambini<br />

coinvolti in un<br />

incidente viene<br />

attribuito un<br />

comportamento<br />

erroneo<br />

Dai verbali della polizia emerge che il 54% delle collisioni con pedone<br />

sono imputabili esclusivamente agli altri utenti coinvolti nell'incidente, che<br />

il 28% è imputabile esclusivamente ai pedoni e che nel 18% le colpe si<br />

suddividono equamente tra i due utenti. Le cause principali tra i pedoni<br />

sono l'"attraversamento imprudente (camminare)" e l'"attraversare la carreggiata<br />

di corsa", mentre per gli altri utenti coinvolti nella collisione la<br />

causa più frequente è la "non osservanza dell'obbligo di fermarsi davanti<br />

al passaggio pedonale".<br />

Benché nel paragone europeo la Svizzera si collochi nella media classifica<br />

e benché i pedoni si infortunino più raramente rispetto alla maggior<br />

parte degli altri utenti della strada, sono necessarie delle misure appropriate.<br />

Oltre a essere particolarmente esposti ai rischi della circolazione<br />

stradale, i bambini riportano anche lesioni di elevata gravità, pertanto si<br />

impongono misure che aumentano la sicurezza pedonale.<br />

3.4 Fattori di rischio<br />

Il traffico pedonale si vede confrontato con molteplici fattori di rischio.<br />

Sono stati esaminati i fattori di rischio di tutti e tre i livelli di sistema: essere<br />

umano, veicolo e infrastruttura (vedi tabella 1, p. 45).<br />

Tra i pedoni sussistono principalmente rischi legati ai processi dello sviluppo<br />

e dell'età. I bambini e gli anziani corrono rischi in particolare per<br />

causa dei deficit cognitivi e per quelli legati all'elaborazione delle informazioni.<br />

Nel caso dei bambini, inoltre, la maggiore esposizione ai rischi è<br />

dovuta agli aspetti motivazionali (in particolare quando sono assorti nel<br />

gioco).<br />

I bambini fino a 14 anni rappresentano il 22% circa dei pedoni coinvolti in<br />

un incidente grave o mortale. Tale quota supera nettamente la loro quota<br />

rispetto alla popolazione o all'esposizione. Il rischio d'incidente superiore<br />

alla media è riconducibile a diversi fattori. Tuttavia è presumibile che la<br />

cognizione deficitaria sia uno dei fattori principali: un bambino che per<br />

esempio non valuta corretamente la velocità di un veicolo che si avvicina,<br />

rischia facilmente di essere investito mortalmente mentre attraversa la<br />

strada. Non sorprende pertanto che ai bambini tra 0 e 6 anni e a quelli tra


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 43<br />

Gli anziani coinvolti in<br />

un incidente sono<br />

spesso innocenti; non<br />

sono in grado di<br />

reagire in modo<br />

adeguato agli errori<br />

altrui<br />

Pedoni in pericolo per<br />

il comportamento<br />

inadeguato dei<br />

conducenti di veicoli a<br />

motore<br />

7 e 14 anni in caso di collisione venga imputato al 70% circa un comportamento<br />

erroneo.<br />

Globalmente meno rilevanti in materia di sicurezza sono per i pedoni i seguenti<br />

fattori: esigua altezza dei bambini, lacunose nozioni fondamentali<br />

relativi alla circolazione stradale, insufficiente consapevolezza dei pericoli<br />

da parte dei pedoni.<br />

I pedoni gravemente feriti e morti che hanno superato i 65 anni, raggiungono<br />

quasi un terzo di tutti i pedoni coinvolti in un incidente grave o mortale.<br />

Su un chilometro percorso, gli anziani subiscono per un multiplo più<br />

spesso lesioni gravi o mortali rispetto agli adulti più giovani: a partire dai<br />

70 anni quasi due volte più frequentemente e a partire da 85 anni più di<br />

cinque volte più spesso. Questo fatto non dipende solo dall'elevata vulnerabilità.<br />

Visto che il 70% degli anziani feriti gravemente o morti restano<br />

coinvolti in un incidente senza propria colpa, è ben probabile che gli anziani<br />

riportino lesioni perché non riescono a reagire agli errori degli altri<br />

utenti della strada (p. es. non osservanza dell'obbligo di doversi fermare<br />

davanti al passaggio pedonale). Il 60% degli incidenti imputabili agli anziani<br />

sono dovuti al fatto che la persona non fa attenzione quando accede<br />

sulla strada; e questo certamente anche perché l'anziano percepisce ed<br />

elabora in modo erroneo le informazioni.<br />

Specialmente il comportamento inadeguato dei conducenti dei veicoli<br />

coinvolti nella collisione rappresenta un pericolo per i pedoni. I fattori più<br />

negativi sono: superamento del limite di veolcità, velocità inadeguata,<br />

mancato rispetto del diritto di precedenza davanti al passaggio pedonale<br />

e retromarcia imprudente. Questi sono spesso riconducibili a una cognizione<br />

del pericolo e a un autocontrollo insufficienti. Ciò significa che i conducenti<br />

non presentano difficoltà basilari a guidare il veicolo, ma non realizzano<br />

la pericolosità delle loro azioni. Un ulteriore problema è rappresentato<br />

dalle distrazioni che possono essere sia di natura visuale che<br />

mentale (p. es. sguardo non rivolto sull'area di circolazione oppure conversazione<br />

telefonica).<br />

Meno considerevole per la sinistrosità dei pedoni è stata classificata la<br />

guida sotto l'effetto di sostanze (alcol, droghe illegali, medicamenti) o in


44 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

Autoveicoli sono fonte<br />

di pericolo principale<br />

per i pedoni<br />

Rete di percorsi<br />

pedonali lacunosa ed<br />

elementi<br />

infrastrutturali<br />

subottimali sono fonti<br />

di pericolo per pedoni<br />

Conclusioni:<br />

La sicurezza dei<br />

pedoni dipende<br />

soprattutto da fattori<br />

che questi possono<br />

influenzare solo poco.<br />

stato di eccessiva stanchezza, l'insufficiente padronanza del veicolo e la<br />

ridotta capacità negli ambiti percezione, motorica e cognizione.<br />

I pedoni sono coinvolti principalmente in collisioni con autoveicoli. Per<br />

contro, i motoveicoli e le biciclette in particolare sono di importanza secondaria.<br />

Decisive sono specialmente le due caratteristiche geometricostrutturali del<br />

frontale dell'auto: forma e rigidità. Un rischio maggiorato di subire lesioni<br />

gravi sussiste soprattutto se il frontale dell'auto è alto, ripido e rigido. Un<br />

frontale dell'auto alto e ripido comporta contemporaneamente il pericolo di<br />

un primario urto (della testa) con conseguente proiettamento e un secondario<br />

urto sulla strada. La rigidità del frontale non lascia quasi possibilità a<br />

deformazioni, comportando di conseguenza elevati carichi d'accelerazione.<br />

Di esigua rilevanza per l'incidente sono per contro la massa del veicolo, i<br />

bull bar, la vernice scura o i fasci luminosi rigidi dei fari convenzionali.<br />

L'infrastruttura presenta il seguente pericolo principale per il traffico pedonale:<br />

è destinato primariamente al traffico motorizzato. Spesso manca<br />

una pianificazione globale della rete che tiene conto anche dei bisogni del<br />

traffico pedonale. Ne consegue una rete lacunosa per il traffico pedonale<br />

e vengono a mancare anche le informazioni relative ai potenziali punti<br />

nevralgici. Una rete capillare è necessaria – in particolare per quanto riguarda<br />

gli elementi di attraversamento – ma non è ancora sufficiente. Sicurezza<br />

sufficiente è data solo se per i potenziali punti nevralgici si progettano<br />

elementi adeguati (nel senso di best-practice) e se questi sono<br />

realizzati in modo corretto e a misura di disabili.<br />

Complessivamente è emerso che i fattori di rischio provenienti dall'infrastruttura<br />

presentano la principale rilevanza per i pedoni. Seguono fattori di<br />

rischio che sono da collocare tra i conducenti di un veicolo a motore e i<br />

loro veicoli. In rapporto a questi, i rischi provenienti dai pedoni stessi – fa<br />

eccezione la cognizione deficitaria di bambini e anziani che però non può<br />

quasi essere eliminata – sono complessivamente meno rilevanti per i pedoni.


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 45<br />

Tabella 1:<br />

Il significato di diversi<br />

fattori di rischio<br />

Idoneità<br />

Competenza<br />

Capacità<br />

Comportamento<br />

Comportamento<br />

alla guida<br />

Capacità di guida<br />

Competenza<br />

di guida<br />

Idoneità alla guida<br />

Frontale<br />

dell'auto<br />

Fattore di rischio<br />

Pedoni<br />

Rilevanza<br />

incidente<br />

(pedoni che<br />

hanno subito<br />

incidente grave<br />

e mortale)<br />

Cognizione deficitaria tra bambini e anziani ****<br />

Bambini distratti da attività ludica **(*)<br />

Statura piccola *<br />

Conoscenze insufficienti della realtà stradale **<br />

Atteggiamento pregiudizievole per la sicurezza /<br />

insufficiente senso del pericolo<br />

Consumo eccessivo di alcol *(*)<br />

Comportamento illecito **<br />

Visibilità insufficiente ***<br />

Conducenti<br />

Superamento del limite di velocità e scelta di una<br />

velocità inadeguata<br />

Non osservanza del diritto di precedenza davanti al<br />

passaggio pedonale<br />

**<br />

**** ( * )<br />

*****<br />

Rinuncia all'uso delle luci di circolazione diurne *<br />

Retromarcia imprudente ****<br />

Guida in stato di ebrietà **<br />

Guida sotto l'influsso di droghe illegali (compresa<br />

assunzione congiunta con alcol)<br />

*<br />

Guida sotto l'influsso di farmaci limitanti le capacità *<br />

Guida in stato di eccessiva stanchezza *<br />

Distrazione visiva e mentale dalla guida **(*)<br />

Scarsa padronanza del veicolo<br />

Scarsa cognizione del pericolo e scarso autocontrollo ***<br />

Capacità visive diurne ridotte<br />

(visus, accomodazione, deficit del campo visivo)<br />

Capacità visive notturne ridotte (sensibilità<br />

all'abbagliamento e visione mesopica)<br />

Capacità uditive ridotte (campo audio, valore di soglia) -<br />

Limitazioni fisico-motorie *<br />

Limitazioni delle capacità cognitive *<br />

Veicoli a motore<br />

Frontali dalle forme aggressive *** ( * )<br />

Frontali troppo rigidi *****<br />

Bull bar massicci *<br />

Fascio di luce fisso/limitato **<br />

Carrozzeria di colore scuro *<br />

( * )<br />

*<br />

*


46 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

Tutti gli elementi di<br />

sistema necessitano<br />

di interventi<br />

– Continuazione tabella 1 –<br />

Difetti tecnici del veicolo *<br />

Infrastruttura<br />

Assenza di pianificazione di una rete ****<br />

Infrastruttura carente per i pedoni che attraversano<br />

nell’abitato<br />

Esempi:<br />

• isola salvagente mancante o troppo stretta<br />

• passaggio pedonale ubicato su più di due corsie<br />

• luce verde con traffico in conflitto negli incroci<br />

semaforizzati<br />

• cavalcavia o sottopassaggio non a misura di utente<br />

Infrastruttura carente per il traffico pedonale in direzione<br />

longitudinale<br />

Esempi:<br />

• marciapiede mancante o troppo stretto<br />

• corsia pedonale longitudinale al posto di marciapiede<br />

*****<br />

* Fattore di rischio relativamente<br />

incidente<br />

ufficienti tivo per la comparsa di lesioni dovute a un<br />

****** Fattore di rischio di elevata rilevanza<br />

***(*) Significa una forma ibrida tra *** e **** oppure anche che è difficile valutare con<br />

precisione la fattispecie.<br />

3.5 Prevenzione<br />

In base all’analisi del rischio si cercano soluzioni per ridurre i problemi<br />

evidenziati. Dapprima sono stati fissati gli obiettivi ed è stato mostrato<br />

cosa deve cambiare nell’ambito dell’infrastruttura, dei veicoli e degli utenti<br />

della strada affinché possa essere aumentata la sicurezza del traffico pedonale.<br />

Questi obiettivi definiti possibilità di prevenzione sono stati valutati<br />

secondo il loro potenziale di riduzione del numero delle vittime. Il potenziale<br />

di riduzione del numero delle vittime dipende dal numero di incidenti<br />

o lesioni influenzabile. Le seguenti possibilità di prevenzione presentano<br />

un potenziale elevato/molto elevato.<br />

Infrastruttura<br />

• Pianificare una rete tenendo conto delle esigenze del traffico pedonale<br />

perseguendo l’obiettivo di realizzare una rete di percorsi pedonali capillare<br />

e di identificare i punti nevralgici<br />

**


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 47<br />

Singole possibilità di<br />

prevenzione<br />

denotano un esiguo<br />

potenziale<br />

• Limiti di velocità adeguati per il traffico pedonale nell’abitato (30 km/h<br />

sulle strade a funzione di servizio, 50 km/h sulle strade a funzione di<br />

traffico con attraversamenti sicuri)<br />

• Elementi infrastrutturali specifici per i pedoni adeguati e ufficient a regola<br />

d’arte per l’attraversamento puntuale su un piano con precedenza<br />

per i pedoni e senza precedenza per i pedoni nonché per gli attraversamenti<br />

sparsi<br />

Conducenti di un veicolo a motore<br />

• riduzione della non osservanza dell’obbligo di doversi fermare davanti al<br />

passaggio pedonale<br />

• Promuovere la velocità adeguata alla situazione<br />

• Aumentare il senso del pericolo<br />

• Evitare disattenzione e distrazione<br />

• Promuovere retromarcia sicura<br />

Veicoli a motore<br />

� Frontale dell’auto migliorato dal punto di vista della sicurezza (migliorare<br />

forma, ridurre rigidità, cofano motore attivo, airbag esterni)<br />

� Sistemi di assistenza alla guida (in particolare sistema di frenatura, sistemi<br />

elettronici di rilevamento di un oggetto con freno d’emergenza integrato,<br />

sensori per la retromarcia, sistemi di sorveglianza del conducente)<br />

Pedoni<br />

� Promozione delle conoscenze in materia di traffico, degli atteggiamenti<br />

sicuri e di un adeguato senso del pericolo tra i bambini<br />

Altre possibilità di prevenzione denotano invece un esiguo potenziale di<br />

riduzione del numero delle vittime. Per il traffico pedonale dovrebbero risultare<br />

poco utili per esempio gli impegni per promuovere un uso moderato<br />

(difensivo) dei passaggi pedonali, la promozione della sicurezza di<br />

funzionamento dei veicoli a motore che va oltre lo stato attuale o la focalizzazione<br />

mirante a prevenire la guida in stato di eccessiva stanchezza.<br />

In seguito sono state analizzate le modalità di realizzazione delle possibilità o<br />

degli obiettivi di prevenzione. È stata vagliata l’attuabilità di concrete mi-


48 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

Meno incidenti grazie<br />

a miglioramento<br />

dell’infrastruttura e a<br />

riduzione della<br />

velocità …<br />

… grazie a tecnologie<br />

moderne nel veicolo …<br />

sure di promozione in considerazione del rapporto costi/utilità, dell’approvazione<br />

sociale e politica e della fattibilità tecnica (tabella 2, p. 50).<br />

Ne è risultata una gamma molto variata di possibilità d’intervento suddivise<br />

in tre fasi e presentate di seguito come prevenzione primaria, secondaria<br />

e terziaria.<br />

Prevenzione primaria (prevenzione di incidenti): occorre impostare<br />

l’infrastruttura e l’organizzazione del traffico stradale in modo da ridurre<br />

drasticamente le probabilità di collisione tra pedoni e veicoli a motore. La<br />

realizzazione di una rete di percorsi pedonali completamente separata dal<br />

traffico automobilistico è irrealistico per ragioni pratiche ed economiche.<br />

Pertanto è fondamentale progettare una rete che mira a una rete di percorsi<br />

pedonali capillare e all’individuazione dei punti di conflitto. Quando si<br />

progetta gli elementi infrastrutturali specifici, è imperativo tener conto degli<br />

aspetti in materia di sicurezza e tecnica delle norme VSS oppure dello<br />

stato dell’arte relativo alla sicurezza degli impianti per il traffico pedonale.<br />

Altrimenti si rischia non solo di mancare l’obiettivo di una maggiore sicurezza,<br />

ma potrebbe persino aumentare il rischio d’incidenti o di riportare<br />

lesioni. Oltre agli elementi infrastrutturali specifici per il traffico pedonale,<br />

anche il limite di 30 km/h riveste importanza centrale per la sicurezza nei<br />

quartieri residenziali.<br />

L’attuazione di soluzioni infrastrutturali compatibili con la sicurezza stradale<br />

può in prima linea essere incentivata con una formazione e sensibilizzazione<br />

degli ingegneri e pianificatori, con l’esecuzione di Safety Audit e<br />

con il completamento e l’attuazione delle norme VSS.<br />

Per ridurre la probabilità di incidente, si può intervenire anche sui veicoli.<br />

Già oggi sono in commercio alcune tecnologie promettenti come p. es. i<br />

sensori di retromarcia e gli assistenti alla frenata. Oltre questo campo, per<br />

i veicoli a motore le possibilità di prevenzione primaria sono alquanto esigue.<br />

Per prevenire una collisione, in futuro saranno tuttavia a disposizione<br />

tecnologie efficacissime basate sul rilevamento radar o a sensori infrarossi<br />

dell’oggetto.<br />

L’implementazione delle tecnologie di protezione pedoni relative al veicolo<br />

necessita della collaborazione internazionale (p. es. partecipazione nei


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 49<br />

… ma anche grazie a<br />

un attraversamento<br />

prudente e una guida<br />

difensiva<br />

Meno lesioni gravi<br />

grazie a velocità<br />

ridotte e migliore<br />

struttura del veicolo<br />

Soccorso medico più<br />

rapito = decorso<br />

meno grave delle<br />

lesioni<br />

gruppi di lavoro di ONU/ECE). L’Alleingang (cioè l’azione unilaterale) della<br />

Svizzera è possibile solo limitatamente per i seguenti motivi: la Svizzera<br />

non è membro dell’Ue, è priva di industria automobilistica propria, dispone<br />

di un piccolo mercato di vendita, esistono accordi sulle barriere al libero<br />

scambio.<br />

Tuttavia anche gli utenti della strada – quali potenziali utenti antagonisti,<br />

siano essi pedoni o conducenti di un veicolo a motore – possono contribuire<br />

notevolmente alla sicurezza del traffico pedonale. In un’ottica generale<br />

va promosso un comportamento alla guida cooperativo e improntato<br />

alla sicurezza in combinazione di provvedimenti educativi e repressivi.<br />

Occorre incoraggiare i pedoni ad attraversare la strada (con e senza precedenza)<br />

in modo sicuro e i conducenti dei veicoli a motore a rispettare<br />

l’obbligo di doversi fermare davanti al passaggio pedonale e a circolare a<br />

una velocità adeguata.<br />

Le misure educative per i bambini dovrebbero svolgersi sotto forma di<br />

un’educazione stradale continua e professionale. Benché i bambini non<br />

diventino mai partner della strada affidabili, i provvedimenti citati prima<br />

sono necessari ma non ufficienti. L’educazione stradale dei conducenti<br />

di un veicolo a motore (p. es. durante la scuolaguida o tramite campagne<br />

massmediali) si ripercuote probabilmente di più sulla riduzione degli incidenti,<br />

specialmente se questa è affiancata da controlli di polizia.<br />

Prevenzione secondaria (prevenzione di lesioni): gli incidenti non si<br />

possono mai escludere del tutto, pertanto bisogna adottare le misure atte<br />

a contenere il più possibile le lesioni. Anche in questo caso, una gestione<br />

efficace della velocità apporta un contributo essenziale. I pedoni sono<br />

privi di zona deformabile, perciò i frontali dei veicoli devono essere ottimizzati<br />

dal punto di vista della sicurezza. I frontali delle automobili devono<br />

essere costruiti in modo tale da assorbire meglio le energie. Al momento<br />

dell’acquisto di un veicolo, in Svizzera si potrebbe almeno invitare i consumatori<br />

a tener conto non solo della protezione per il passeggero bensì<br />

anche della protezione degli altri utenti della strada.<br />

Prevenzione terziaria (prevenzione di lesioni a lungo termine): poiché<br />

la presente ricerca è imperniata volutamente sulla prevenzione primaria e<br />

secondaria, le misure di prevenzione terziaria sono trattate solo a titolo<br />

marginale. Una misura importante consiste nel ridurre l’intervallo tra il


50 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

momento in cui si verifica l’incidente e l’arrivo dei soccorsi. A tale scopo si<br />

potrebbe ricorrere a dispositivi di attivazione e trasmissione automatica o<br />

manuale delle chiamate di soccorso (comprese le coordinate geografiche)<br />

ai servizi di soccorso competenti.<br />

La seguente tabella riassume la valutazione finale di tutte le misure prese<br />

in considerazione. La tabella non tiene solo conto dell’utilità in materia di<br />

sicurezza pedonale ma valuta anche l’efficacia (rapporto costi/utilità) e la<br />

fattibilità politica. La valutazione globale delle misure vuole evitare che le<br />

risorse economiche a disposizione vengano investite in misure la cui implementazione<br />

appare fallimentare sin dall’inizio oppure che comporti solo<br />

un esiguo o incerto controvalore. La valutazione copre un arco di circa<br />

cinque anni. La realizzazione delle misure valutate (molto) consigliabili<br />

garantisce che i mezzi investiti generino il più alto guadagno possibile in<br />

materia di sicurezza pedonale.<br />

Tabella 2:<br />

Panoramica dei provvedimenti per la promozione della sicurezza dei pedoni<br />

Misure Valutazione<br />

Pedoni<br />

Informare i genitori e le altre persone responsabili di un bambino sui<br />

deficit dovuti allo sviluppo dei bambini fino a 9 anni e chiedere maggiori<br />

misure di sicurezza (p. es. accompagnamento puntuale, scelta di<br />

percorso, visibilità, comportamento di attraversamento)<br />

Informare i parenti e i medici, il personale Spitex/Pro Senectute sui<br />

deficit dovuti all’età degli anziani e chiedere maggiori misure di sicurezza<br />

(p. es. accompagnamento puntuale, scelta di percorso, visibilità,<br />

comportamento di attraversamento)<br />

Educazione stradale obbligatoria e a misura dell’età (1° – 9° classe)<br />

impartite da specialisti e imperniate – nei primi anni – sul traffico<br />

pedonale.<br />

Campagne informative e incremento del senso del pericolo dei pedoni<br />

Campagne per promuovere un uso moderato (difensivo) dei passaggi<br />

pedonali<br />

Raccomandato con riserva<br />

(efficacia difficile da valutare<br />

costi elevati con potenziale<br />

di riduzione del numero<br />

delle vittime piuttosto<br />

esiguo)<br />

Raccomandato con riserva<br />

(efficacia difficile da valutare<br />

costi elevati con potenziale<br />

di riduzione del numero<br />

delle vittime piuttosto<br />

esiguo)<br />

Molto raccomandato<br />

(misura base necessaria<br />

anche se non sufficiente)<br />

Raccomandato con riserva<br />

(obiettivo difficile; costi<br />

elevati con potenziale di<br />

riduzione del numero delle<br />

vittime piuttosto esiguo)<br />

Non raccomandato<br />

(costi elevati con potenziale<br />

di riduzione del numero<br />

delle vittime esiguo)


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 51<br />

– Continuazione tabella 2 –<br />

Sicurezza<br />

di funzionamento<br />

Frontali dell'auto<br />

Illuminazione<br />

Sistemi elettronici di<br />

assistenza alla guida<br />

Idoneità alla guida<br />

Veicoli a motore<br />

Inasprimento della situazione di controllo dei veicoli a motore<br />

(esame del tipo e controlli successivi ufficiali)<br />

Informare/sensibilizzare i potenziali acquirenti di autoveicoli sulla<br />

protezione degli altri utenti della strada mediante stampa e media<br />

elettronici<br />

In collaborazioni internazionali stabilire i requisiti dei frontali delle auto<br />

per la protezione dei pedoni<br />

Divieto globale di tutti i bull bar<br />

Richieste che vanno oltre la direttiva Ue (2003/102/CE) relativa alla<br />

protezione dei pedoni in caso di urto con un veicolo a motore<br />

Informare/sensibilizzare i potenziali acquirenti di autoveicoli<br />

sull'ottimizzazione tecnica dell'illuminazione dei fari anteriori mediante<br />

stampa e media elettronici<br />

Informare i clienti sulle tecnologie che si sono già imposte e che sono<br />

nuove sul mercato<br />

Sensori di retromarcia per la messa in circolazione di veicolo privi di<br />

specchio retrovisore interno (in particolare furgoncini) obbligatori<br />

Incentivi per la promozione ti tecnologie ad elevato potenziale di<br />

sicurezza<br />

Campagne per aumentare l'accettazione di tecnologie valutate<br />

negativamente<br />

Conducenti<br />

Ampliamento dell'esame alla vista obbligatorio: controllo della visione<br />

mesopica e della sensibilità all'abbagliamento<br />

Prescrivere per legge il controllo periodico della visione diurna e<br />

notturna<br />

Opuscoli per sensibilizzare e informare sui deficit sensomotori e le loro<br />

conseguenze<br />

Inasprimento dell'esame di idoneità alla guida<br />

Campagna massmediale per sensibilizzare e informare sui deficit<br />

sensomotori e le loro conseguenze<br />

Non raccomandato<br />

(rapporto costi/utilità<br />

sfavorevole)<br />

Raccomandato<br />

Raccomandato<br />

Non raccomandato<br />

(nessuna utilità, bull bar<br />

permessi solo se risulta<br />

maggiore sicurezza)<br />

Non raccomandabile<br />

(politicamente non<br />

realizzabile)<br />

Raccomandato<br />

Raccomandato<br />

Raccomandato<br />

Raccomandato con riserva<br />

(fattibilità ed efficacia ancora<br />

da chiarire)<br />

Non raccomandato<br />

(rapporto costi/utilità<br />

sfavorevole)<br />

Raccomandato<br />

Raccomandato<br />

Raccomandato<br />

Raccomandato con riserva<br />

(rapporto costi/utilità<br />

sfavorevole in rapporto a<br />

sicurezza dei pedoni)<br />

Non raccomandato<br />

(rapporto costi/utilità<br />

sfavorevole in rapporto a<br />

sicurezza dei pedoni)


52 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

– Continuazione tabella 2 –<br />

Capacità di guida: alterazioni dovute a sostanze<br />

Capacità di guida: alterazioni endogene<br />

Competenza di guida<br />

Offrire corsi già dopo la prima revoca della licenza di condurre Raccomandato<br />

Ridurre il valore limite di alcolemia allo 0.0‰ per i neopatentati nel<br />

periodo di prova<br />

Aumentare i controlli dell'alito (inopinati) annunciati e ben visibili in<br />

combinazione con campagne massmediali<br />

Pittogramma su foglietto illustrativo di medicine per avvertire da<br />

alterazioni della capacità di guida<br />

Accelerare la procedura di sanzioni<br />

Permettere per legge che l'assunzione di stupefacenti possa essere<br />

controllata in modo inopinato e far passare in giudicato i risultati dei test<br />

rapidi<br />

Sistemi di sorveglianza del conducente per controllare la capacità di<br />

guida<br />

Campagna massmediale su stupefacenti e farmaci<br />

Informare mediante opuscoli, Internet ecc. sulla problematica dell'uso<br />

del telefono al volante<br />

Divieto di telefonare nell'abitato (compreso vivavoce)<br />

Divieto generale di telefonare (compreso vivavoce)<br />

Campagna per sensibilizzare gli utenti della strada sulla ‚stanchezza al<br />

volante’<br />

Promuovere sistemi tecnici per controllare la stanchzza e la distrazione<br />

visiva<br />

Promuovere la corretta applicazione della nuova formazione dei<br />

conducenti<br />

Limitazioni di guida per i neopatentati<br />

Corsi di ripetizione obbligatori e periodici per conducenti di veicoli a<br />

motore<br />

Raccomdandato<br />

(utilità modesta per pedoni)<br />

Raccomandato con riserva<br />

(rapporto costi/utilità<br />

sfavorevole in rapporto a<br />

sicurezza dei pedoni)<br />

Raccomandato con riserva<br />

(rapporto costi/utilità<br />

sfavorevole in rapporto a<br />

sicurezza dei pedoni)<br />

Raccomandato con riserva<br />

(rapporto costi/utilità<br />

sfavorevole in rapporto a<br />

sicurezza dei pedoni)<br />

Raccomandato con riserva<br />

(qualità degli apparecchi<br />

ancora insufficienti)<br />

Non raccomandato<br />

(rapporto costi/utilità<br />

sfavorevole in rapporto a<br />

sicurezza dei pedoni)<br />

Non raccomandato<br />

(rapporto costi/utilità<br />

sfavorevole in rapporto a<br />

sicurezza dei pedoni)<br />

Raccomandato<br />

Raccomandato con riserva<br />

(fattibilità politica non chiara)<br />

Non raccomandabile<br />

(per il momento<br />

politicamente non<br />

realizzabile)<br />

Non raccomandato<br />

(rapporto costi/utilità<br />

sfavorevole in rapporto a<br />

sicurezza dei pedoni)<br />

Non raccomandato<br />

(rapporto costi/utilità<br />

sfavorevole in rapporto a<br />

sicurezza dei pedoni)<br />

Vivamente raccomandato<br />

Raccomandato con riserva<br />

(solo se formazione in 2 fasi<br />

dovesse presentare lacune<br />

di efficacia)<br />

Non raccomandato<br />

(rapporto costi/utilità<br />

sfavorevole in rapporto a<br />

sicurezza dei pedoni)


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 53<br />

– Continuazione tabella 2 –<br />

Comportamento alla guida: velocità<br />

Comportamento alla guida: dare la precedenza<br />

Formazione di ingegneri e pianificatori<br />

Combinare campagna e controlli della velocità più intensi nell'abitato<br />

(controlli stazionari in punti nevralgici, altrimenti controlli mobili<br />

annunciati e pubblicazione di risultati)<br />

Pura campagna massmediale su comportamento relativo alla velocità<br />

Introdurre sistema a punti anziché a cascata<br />

Ubicare rilevatori della velocità<br />

Campagna focalizzata su pirati della strada<br />

Combinare campagna e controlli della polizia per far rispettare il diritto di<br />

precedenza sul passaggio pedonale<br />

Campagna meramente massmediale per promuovere che venga<br />

concessa la precedenza<br />

Opuscoli informativi sulla retromarcia<br />

Innalzare le sanzioni per la non osservanza del diritto di precedenza<br />

Campagna contro la retromarcia imprudente<br />

Infrastruttura<br />

Formazione di base: sensibilizzare nei confronti di sicurezza stradale e<br />

trasmettere nozioni tecniche di base<br />

Formazione continua: organizzare e coordinare congressi e obbligo di<br />

formazione continua<br />

Sia nella formazione di base che in quella continua approfondire i<br />

seguenti punti principali:<br />

• principi relativi a sicurezza del traffico pedonale (compresi aspetti di<br />

sicurezza falsa)<br />

• pianificazione olistica di rete<br />

• attraversamenti a misura di pedone<br />

• argomenti speciali (modello 30/50 km/h, manutenzione stradale a<br />

misura di pedone)<br />

• basi tecniche e legislative nella loro complessività<br />

Vivamente raccomandato<br />

Raccomandato con riserva<br />

(sensato piuttosto in<br />

combinazione con controllo<br />

della polizia)<br />

Raccomandato con riserva<br />

(solo se sistema a cascata<br />

non risulta efficace)<br />

Raccomandato con riserva<br />

(rapporto costi/utilità<br />

sfavorevole rispetto a<br />

sicurezza pedoni, effetti<br />

negativi non esclusi)<br />

Non raccomandato<br />

(rapporto costi/utilità<br />

sfavorevole)<br />

Vivamente raccomandato<br />

Raccomandato con riserva<br />

(sensato piuttosto in<br />

combinazione con controllo<br />

della polizia)<br />

Raccomandato con riserva<br />

(efficacia difficile da valutare)<br />

Non raccomandato<br />

(in data situazione quasi<br />

nessun effetto di sicurezza<br />

da attendersi)<br />

Non raccomandato<br />

(rapporto costi/utilità<br />

sfavorevole)<br />

Vivamente raccomandato


54 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />

– Continuazione tabella 2 –<br />

Strumenti per verificare<br />

sicurezza<br />

Norme<br />

Possibilità giuridiche<br />

Relazioni<br />

pubbliche<br />

Rivalutare il<br />

significato<br />

dell’infrastruttura<br />

Introdurre i Road Safety Audit come fase di progetto standard Vivamente raccomandato<br />

Sottoporre gli attraversamenti a Road Safety Inspection Vivamente raccomandato<br />

Management dei punti neri<br />

Aumentare il significato giuridico delle norme VSS, dichiarandole per<br />

esempio istruzioni del DATEC o che vengano dichiarate stato dell'arte<br />

nelle leggi sull'edilizia.<br />

Sostenere le attuali attività che mirano a completare le norme VSS con<br />

riferimento a traffico pedonale (in particolare il pacchetto norme<br />

„Attraversamenti“).<br />

In caso di incidente, querelare gestore di infrastruttura carente.<br />

Non raccomandato<br />

(incidenti distribuiti in modo<br />

sparso)<br />

Raccomandato con riserva<br />

(approvazione bassa,<br />

rallentamento di<br />

cambiamenti)<br />

Vivamente raccomandato<br />

Raccomandato con riserva<br />

(ostacoli e rischi economici<br />

troppo alti)<br />

Esigere dalla Confederazione le (attuali) pianificazioni della rete Raccomandato<br />

Sussidio economico per progetti infrastrutturali per il traffico pedonale<br />

(fondo infrastrutturale)<br />

Sensibilizzare la popolazione nei confronti dell'utilità di misure<br />

infrastrutturali di sicurezza.<br />

Collaborazione stretta con autorità competenti. Organizzare<br />

consulenze/colloqui/formazioni/forum tecnici.<br />

3.6 Conclusione<br />

Vivamente raccomandato<br />

Raccomandato con riserva<br />

(rapporto costi/utilità<br />

sfavorevole)<br />

Raccomandato<br />

La sicurezza dei pedoni nella circolazione stradale è l'oggetto del presente<br />

rapporto. Sulla base di un'analisi globale della sinistrosità, di dati<br />

scientifici disponibili e di perizie sono stati dedotti i principali fattori di rischio,<br />

le possibilità di prevenzione e le misure di promozione per incrementare<br />

la sicurezza pedonale. Le misure più consigliabili sono:<br />

• realizzare reti di percorsi pedonali mediante la pianificazione di una<br />

rete pedonale e l'integrazione dei bisogni dei pedoni nonché proget-


Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 55<br />

tare particolarmente agli attraversamenti degli elementi infrastrutturali<br />

adeguati e specifici per i pedoni;<br />

• ottenere una gestione della velocità dei veicoli motorizzati favorevole<br />

per i pedoni mediante misure architettoniche, giuridiche ed educative<br />

(30 all'ora sulle strade a funzione di servizio ed elementi di arredo specifici<br />

sulle strade a funzione di traffico, controlli della velocità, campagne<br />

legate a enforcement, sensibilizzazione nel quadro della scuola<br />

guida);<br />

• ottimizzare il frontale delle automobili in materia di protezione degli<br />

altri utenti della strada;<br />

• promuovere uno stile di guida all'insegna del rispetto e in particolare<br />

l'osservanza dell'obbligo di doversi fermare davanti ai passaggi<br />

pedonali;<br />

• istituire lezioni obbligatorie di educazione stradale per bambini e adolescenti<br />

(1a – 9a classe) impartite da specialisti e imperniate - nei primi<br />

anni - sul traffico pedonale.


56 Einleitung<br />

<strong>Sicherheitsdossier</strong>s<br />

im Auftrag des FVS<br />

Ziel: Erarbeitung von<br />

Handlungsempfehlungen<br />

III. EINLEITUNG<br />

1. Auftrag<br />

Der Fonds für Verkehrssicherheit FVS verfolgt eine Vergabepolitik, die auf<br />

Unfallschwerpunkte und wirksame Massnahmen ausgerichtet ist. Voraussetzung<br />

für eine solche Vergabepolitik ist ein umfassendes Wissensmanagement.<br />

Die Verwaltungskommission des FVS hat an der Sitzung<br />

vom 8. September 2004 beschlossen, der bfu einen langfristig angelegten<br />

Leistungsauftrag für die Erarbeitung der dazu notwendigen Grundlagen zu<br />

erteilen. Ein Teilauftrag umfasst eine allgemeine Analyse des <strong>Unfallgeschehen</strong>s<br />

(SINUS-Reports), ein zweiter die präventionsorientierte Analyse<br />

von Unfallschwerpunkten (<strong>Sicherheitsdossier</strong>s).<br />

Die Analyse der Unfallschwerpunkte ist eine Voraussetzung für die Erarbeitung<br />

wirksamer Präventionsmassnahmen. Das <strong>Sicherheitsdossier</strong><br />

<strong>Fussverkehr</strong> ist das Dritte in der Reihe der <strong>Sicherheitsdossier</strong>s, die von<br />

der Forschungsabteilung der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung<br />

bfu im Auftrag des FVS erarbeitet und periodisch aktualisiert<br />

werden. Dieses Dossier behandelt den Unfallschwerpunkt <strong>Fussverkehr</strong>.<br />

2. Zielsetzung<br />

Ziel dieses <strong>Sicherheitsdossier</strong>s ist die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen<br />

zur Verbesserung der Sicherheit von zu Fuss Gehenden im Strassenverkehr.<br />

Dieses Dossier hat damit den Anspruch, den aktuellen Wissensstand<br />

wiederzugeben und wissensbasierte Entscheidungen im Bereich Strassenverkehrsunfallprävention<br />

zu ermöglichen.<br />

Die Publikation richtet sich nicht nur an den FVS, sondern generell an<br />

Personen und Institutionen, die für die Planung und Finanzierung von<br />

Präventions- oder anderen sicherheitsrelevanten Massnahmen im Strassenverkehr<br />

verantwortlich sind.


Einleitung 57<br />

Kern der Arbeit:<br />

– <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

– Risikofaktoren<br />

– Prävention<br />

3. Fragestellungen<br />

Die Hauptfragestellungen lauten:<br />

• Wo, wann und unter welchen Bedingungen passieren die meisten schweren<br />

Fussgängerunfälle und welche Personengruppen sind davon besonders<br />

betroffen?<br />

• Welche personen-, fahrzeug- und infrastrukturbezogenen Gefahrenquellen<br />

führen zu schweren Fussgängerunfällen?<br />

• Welche Erfolg versprechenden Möglichkeiten existieren, um schwere<br />

Fussgängerunfälle zu verhindern und wie können sie in Anbetracht der<br />

schweizerischen Rahmenbedingungen realisiert werden?<br />

4. Aufbau/Leseanweisung<br />

Kern der Arbeit bilden die drei Hauptkapitel <strong>Unfallgeschehen</strong>,<br />

Risikofaktoren und Prävention. Diese entsprechen den oben genannten<br />

drei Fragestellungen. Innerhalb der Kapitel Risikofaktoren und Prävention<br />

werden jeweils die vier Strassenverkehrselemente zu Fuss Gehende, Kollisionsgegner,<br />

Kollisionsobjekte und Strasseninfrastruktur diskutiert. Lesende,<br />

die sich nur für eines der genannten vier Systemelemente interessieren,<br />

können in den Kapiteln Risikofaktoren und Prävention nur den entsprechenden<br />

Bereich studieren. Um aber die am Ende der Arbeit empfohlene<br />

Präventionsstrategie mit einer Priorisierung und Favorisierung<br />

bestimmter Präventionshandlungen nachvollziehen zu können, ist eine<br />

integrative Sicht aller vier Systemelemente unumgänglich.<br />

Neben den drei genannten Hauptkapiteln bieten die Kapitel Rahmen-<br />

bedingungen (Kap. I, S. 1) und Methodik die Möglichkeit, zum Thema<br />

<strong>Fussverkehr</strong> bzw. zur Entstehung der vorliegenden Arbeit vertiefte Informationen<br />

zu erhalten.


58 Rahmenbedingungen<br />

Absolute und relative<br />

Zunahme des<br />

<strong>Fussverkehr</strong>s<br />

Tabelle 3:<br />

Gegenüberstellung<br />

der enthaltenen<br />

Informationen in den<br />

zur Verfügung<br />

stehenden<br />

Unfalldatenbanken<br />

IV. RAHMENBEDINGUNGEN<br />

1. Einleitung<br />

Um das <strong>Unfallgeschehen</strong> der zu Fuss Gehenden, aber auch Sicherheitsmassnahmen<br />

besser einordnen zu können, ist es erforderlich, einige<br />

grundlegende Rahmenbedingungen des <strong>Fussverkehr</strong>s zu betrachten. In<br />

diesem Sinne werden nachfolgend das Mobilitätsverhalten (Kap. IV.2, direkt<br />

anschliessend), der gesellschaftliche Stellenwert des <strong>Fussverkehr</strong>s<br />

(Kap. IV.3, S. 60), relevante verkehrspolitische Tendenzen (Kap. IV.4,<br />

S. 62) und die wichtigsten gesetzlichen Rahmenbedingungen (Kap. IV.5,<br />

S. 65) in knapper Form dargestellt.<br />

2. Mobilitätsverhalten<br />

Die Informationen in den folgenden Abschnitten sind – wo nichts anderes<br />

vermerkt ist – dem Bericht „Mobilität in der Schweiz“ (Bundesamt für Raumentwicklung<br />

ARE & Bundesamt für Statistik BFS, 2001) entnommen.<br />

Tabelle 3 zeigt, dass sich der <strong>Fussverkehr</strong> zwischen 1984 und 2000 fast<br />

verdoppelt hat. Während 1984 täglich pro Person durchschnittlich ein Kilometer<br />

zu Fuss zurückgelegt wurde, waren es im Jahr 2000 1.7 km. In<br />

Bezug auf das allgemeine Verkehrsaufkommen hat der <strong>Fussverkehr</strong> leicht<br />

an Bedeutung zugenommen (von 3.4 % auf 4.5 % vom totalen Verkehrsaufkommen).<br />

Zu Fuss<br />

zurückgelegte<br />

km pro Person<br />

und Jahr<br />

Prozentualer Anteil des<br />

<strong>Fussverkehr</strong>s am Total<br />

des Verkehrsaufkommens <br />

Verkehrsaufkommen<br />

aller<br />

Verkehrsteilnehmer<br />

in km pro Jahr<br />

1984 365 3.4 % 10’730<br />

1998 365 3.0 % 12’153<br />

1994 547 4.4 % 12’407<br />

2000 623 4.5 % 13’963


Rahmenbedingungen 59<br />

Lange zu Fuss<br />

unterwegs, aber nur<br />

für kurze Distanzen<br />

Kinder und Senioren<br />

legen die meisten<br />

ihrer Etappen zu Fuss<br />

zurück<br />

Frauen legen<br />

anteilmässig mehr km<br />

zu Fuss zurück als<br />

Männer<br />

Im Jahr 2000 legten Personen mit ständigem Wohnsitz in der Schweiz<br />

täglich je 1,7 km zu Fuss zurück. Dafür benötigten sie annähernd eine<br />

halbe Stunde (29 Minuten). Länger waren die Befragten nur mit dem Auto<br />

unterwegs, nämlich täglich durchschnittlich 35 Minuten (davon 25 Min. als<br />

Lenkende und 10 Min. als Mitfahrende). Alle anderen Verkehrsmittel wie<br />

Bahn (5 Min.), Velo (5 Min.), Tram/Bus (4 Min.) oder Postauto (0.5 Min.)<br />

kamen deutlich weniger zum Einsatz.<br />

Die Fusswegetappen erreichen im Ausbildungsverkehr einen Anteil von<br />

55 %, im Einkaufsverkehr 45 %, im Freizeitverkehr 42 % sowie im Arbeitsverkehr<br />

33 %. Dennoch ist die Bedeutung des zu Fuss Gehens vielen<br />

kaum bewusst, da die einzelnen Etappen im Allgemeinen sehr kurz sind:<br />

Zwei Drittel der Fussetappen sind nicht länger als 500 m. Gemessen an<br />

den Tagesdistanzen schwindet die Bedeutsamkeit des zu Fuss Gehens<br />

im Mobilitätsgeschehen: weniger als 5 % der Tagesdistanzen (km) werden<br />

zu Fuss zurückgelegt.<br />

Kinder der Altersgruppe 5–6 Jahre legen fast 60 % ihrer Etappen zu Fuss<br />

zurück. Der entsprechende Wert für Kinder zwischen 10 und 14 Jahren<br />

beträgt noch immer fast 50 % und auch 15- bis 17-Jährige bewältigen<br />

45 % ihrer Etappen zu Fuss. Auch bei Personen ab 65 Jahren dominiert<br />

mit einem Anteil von rund 40 bis 65 % (je nach Alter und Geschlecht) das<br />

zu Fuss Gehen die täglich zurückgelegten Etappen.<br />

Frauen legen sowohl werktags als auch sonntags je 6 % ihrer Tagesdistanzen<br />

zu Fuss zurück. Sonntags sind Männer ebenso häufig zu Fuss<br />

unterwegs wie Frauen. Werktags hingegen gehen sie nur 3 % ihrer zurückgelegten<br />

Distanzen zu Fuss.<br />

Von Massnahmen zur Förderung eines sicheren <strong>Fussverkehr</strong>s profitieren<br />

somit insbesondere Kinder (Hüttenmoser, 1999) sowie Frauen und ältere<br />

Menschen (Vollmer, 1999).


60 Rahmenbedingungen<br />

Zu Fuss Gehende<br />

fühlen sich oft nicht<br />

als Verkehrsteilnehmer<br />

<strong>Fussverkehr</strong> wird oft<br />

lediglich über das<br />

Thema Fussgängerstreifenwahrgenommen<br />

Mitgliedschaft in<br />

einem Fachverband<br />

Institutionelle<br />

Hindernisse des<br />

Langsamverkehrs<br />

3. Gesellschaftlicher Stellenwert<br />

Menschen, die sich zu Fuss fortbewegen, sind sich ihrer Rolle als Verkehrsteilnehmer<br />

viel weniger bewusst als diejenigen, die mit einem Fahrzeug<br />

unterwegs sind. Das hat vermutlich damit zu tun, dass für diese<br />

Fortbewegungsart kein Hilfsmittel notwendig ist und keine Prüfung dafür<br />

abgelegt werden muss.<br />

Die öffentliche Wahrnehmung des <strong>Fussverkehr</strong>s, die persönliche Meinungsbildung<br />

oder die Berichterstattung in den Medien kreist – neben<br />

Meldungen zu tragischen Unfällen – meist um das Thema „Fussgängerstreifen“.<br />

So gibt etwa die seit 1994 neu geltende Vortrittsregelung immer<br />

wieder Anlass zu Diskussionen (in Form von Leserbriefen, parlamentarischen<br />

Vorstössen1 usw.). Erweitert hat sich das öffentliche Interesse am<br />

Fussgängerstreifen im Zusammenhang mit den vermehrt eingeführten<br />

Tempo-30-Zonen. Dass dadurch Fussgängerstreifen wegfallen, führt bei<br />

Sessionen der parlamentarischen Räte ebenso zu hitzigen Debatten wie<br />

an Gemeindeversammlungen oder bei nachbarschaftlichen Gesprächen.<br />

Wer über einen Führerschein verfügt, ist oft auch Mitglied eines Verkehrsclubs.<br />

Offenbar können diese die Automobilisten vom Nutzen einer Mitgliedschaft<br />

überzeugen. 2 Auch die IG-Velo zählt landesweit 23'000 Mitglieder.<br />

Nur knapp 2’000 der zu Fuss Gehenden – und das ist jeder und<br />

jede – sind aber Mitglied von <strong>Fussverkehr</strong> Schweiz, dem Fachverband der<br />

Fussgängerinnen und Fussgänger in der Deutschschweiz. 3<br />

Dieser sekundäre Stellenwert des zu Fuss Gehens im individuellen Bewusstsein<br />

beeinflusst das gesellschaftliche Bewusstsein (und umgekehrt).<br />

So erstaunt nicht, dass der <strong>Fussverkehr</strong> mit institutionellen Hindernissen<br />

zu kämpfen hat. So stellt etwa Sauter (1999, S.1) fest, dass sich Begriffe<br />

und Definitionen häufig am motorisierten Verkehr orientieren und die Datengrundlage<br />

für den <strong>Fussverkehr</strong> mangelhaft ist. Das hat nach Sauter zur<br />

1 Nationalrat Simon Schenk verlangte 1996 durch eine Motion und 1999 durch<br />

eine parlamentarische Initiative die Abschaffung der seit Juni 1994 geltenden<br />

Vortrittsregelung an Fussgängerstreifen. Das Ansinnen wurde beide Male<br />

abgelehnt; jene von 1999 aber nur sehr knapp (mit 13 zu 12 Stimmen in der<br />

zuständigen Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen).<br />

2 Mitgliederzahlen: TCS 1.4 Mio.; VCS 126'000; ACS rund 100’000<br />

3 In der Romandie ist der <strong>Fussverkehr</strong> in der „Revue de l’Avenir“ und im Tessin<br />

im „Il gruppo per la moderazione del traffico nella Svizzera italiana“ organisiert.


Rahmenbedingungen 61<br />

Verkehrsplanung<br />

setzte Priorität lange<br />

beim MIV<br />

<strong>Fussverkehr</strong> in den<br />

VSS-Normen nur<br />

punktuell integriert<br />

Folge, dass der <strong>Fussverkehr</strong> bei politischen Entscheiden vernachlässigt<br />

wird.<br />

Diese Vernachlässigung auf institutioneller Ebene widerspiegelt sich auch<br />

in der Tatsache, dass das Bundesamt für Strassen erst vor wenigen Jahren<br />

den so genannten Langsamverkehr – als dritte Säule im Personenverkehr<br />

– dem motorisierten Individualverkehr und dem öffentlichen Verkehr<br />

gleichstellte (s. Kap. IV.4 Relevante verkehrspolitische Tendenzen,<br />

S. 62).<br />

Die Berücksichtigung des <strong>Fussverkehr</strong>s in der Verkehrsplanung war lange<br />

Zeit höchstens am Rande des Planungsprozesses ein Thema. In der Planung<br />

des Strassenraums wurde (und wird zum Teil immer noch) der<br />

<strong>Fussverkehr</strong> (neben dem Veloverkehr) oft erst in einem zweiten Schritt<br />

berücksichtigt. Die rasche und flüssige Abwicklung des motorisierten Verkehrs<br />

steht bei der Verkehrsplanung meistens im Vordergrund.<br />

Das zeigt sich z. B. auch in den Normen des Schweizerischer Verbands<br />

der Strassen- und Verkehrsfachleute VSS: Es lässt sich feststellen, dass<br />

der <strong>Fussverkehr</strong> lange Zeit nur bruchstückhaft in den primär auf den motorisierten<br />

Verkehr ausgelegten Normen verankert war. Zu Fuss Gehende<br />

wurden in den Normen nur punktuell behandelt, beispielsweise in der<br />

Normengruppe „Geometrisches Normalprofil“, in welcher lediglich das<br />

Lichtraumprofil eines Fussgängers definiert ist.<br />

Der Nachholbedarf ist in der VSS erkannt worden und die Erarbeitung von<br />

Normen für den Langsamverkehr ist etabliert. Doch diese Nachkorrektur<br />

im weitläufigen Normenwerk ist nicht unproblematisch:<br />

Einerseits sind Grundlagennormen genauso dringend wie detaillierte<br />

Normen für spezifische Anlagen. So kam es, dass beispielsweise das<br />

Normenpaket für die Querungen von Strassen vor der Erarbeitung einer<br />

Grundlagennorm für den <strong>Fussverkehr</strong> (zurzeit in Bearbeitung) in Angriff<br />

genommen wurde.<br />

Andererseits stellt sich immer wieder die Frage, wie mit den Aspekten des<br />

Langsamverkehrs umgegangen werden soll. Ist es effizienter, sie bestehenden<br />

Normen "anzuhängen" oder soll der langwierige, dafür ganzheitliche<br />

Weg der Revision ganzer Normgruppen eingeschlagen werden? Be-


62 Rahmenbedingungen<br />

Der Langsamverkehr<br />

soll gefördert werden<br />

Leitbild<br />

Langsamverkehr<br />

zeichnend für diesen Sachverhalt ist, was sich zurzeit in der Normengruppe<br />

"Knoten" abspielt. Seit 1998 ist diese Gruppe so aufgebaut, dass<br />

eine Grundnorm die grundsätzlichen Aspekte regelt. Eine Norm „Knotenelemente“<br />

regelt die Knotenführung primär aus dem Blickwinkel des motorisierten<br />

Verkehrs. Dieser ist die Norm „Führung des Fussgängerverkehrs“<br />

angehängt. Der Ansatz, dass Knoten von Grund auf unter Berücksichtigung<br />

aller Verkehrsteilnehmenden geplant werden müssen (und nicht in<br />

einem zweiten Schritt die Bedürfnisse des Fuss- und Veloverkehrs berücksichtigt<br />

werden), wird in der anstehenden Revision einfliessen.<br />

4. Relevante verkehrspolitische Tendenzen<br />

Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und<br />

Kommunikation UVEK will den Anteil des Langsamverkehrs am<br />

Gesamtverkehr erhöhen (UVEK, n. d./a). Eine stärkere Entwicklung des<br />

Langsamverkehrs (zu Fuss gehen, Velofahren, Wandern usw.) in der<br />

Schweiz soll dazu beitragen, dass die heutigen und künftigen<br />

Mobilitätsbedürfnisse möglichst umweltschonend, gesundheitsfördernd<br />

und volkswirtschaftlich effizient befriedigt werden können.<br />

Mit diesem Auftrag hat das Bundesamt für Strassen ASTRA in den Jahren<br />

2001 und 2002 zusammen mit den interessierten Bundesämtern, Vertretungen<br />

verschiedener Kantone und Agglomerationen sowie privaten<br />

Fachorganisationen den Entwurf eines Leitbildes erarbeitet (Eidgenössisches<br />

Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation<br />

UVEK, n. d./b), das Vision, Grundstrategie sowie Leitsätze und Massnahmen<br />

zur Förderung des Langsamverkehrs umfasst.<br />

Darin bildet der Langsamverkehr (LV) neben dem motorisierten Individualverkehr<br />

(MIV) und dem öffentlichen Verkehr (ÖV) die dritte zentrale<br />

Säule in der Verkehrspolitik des Bundes. Gemäss Rudolf Dieterle (2004)<br />

kommt dem LV insbesondere im Agglomerationsverkehr eine zentrale<br />

Bedeutung zu. Dieterle hält in seinem Referat fest, dass jede Staatsebene<br />

(also neben dem Bund die Kantone, Gemeinden und Agglomerationen)<br />

stufengerecht zur Förderung des LV beitragen soll.


Rahmenbedingungen 63<br />

Umsetzung des<br />

kommunizierten<br />

politischen Willens<br />

harzig<br />

Aktueller Stand<br />

„Leitbild<br />

Langsamverkehr“<br />

Mehr <strong>Fussverkehr</strong> =<br />

mehr verunfallte<br />

Fussgänger?<br />

Safety in numbers<br />

Gerade auf Bundesebene mussten aber im Rahmen der Aufgabenverzichtsplanung<br />

2005 des Bundes im Bereich Langsamverkehr – mehr<br />

als in anderen Bereichen – Projekte zurückgestellt werden. So lässt auch<br />

die Weiterführung des Entwurfs „Leitbild Langsamverkehr“ – im Anschluss<br />

an die Vernehmlassung – auf sich warten.<br />

Das UVEK hielt im Herbst 2006 auf seiner Homepage zum aktuellen<br />

Stand des Leitbilds Folgendes fest:<br />

Im Vernehmlassungsverfahren, welches das UVEK zwischen<br />

Dezember 2002 und Mai 2003 durchführte, fand das Grundanliegen<br />

des Leitbildes, dass sich der Langsamverkehr neben<br />

dem motorisierten Individualverkehr und dem öffentlichen Verkehr<br />

zu einem gleichberechtigten dritten Pfeiler einer effizienten<br />

Personenverkehrspolitik entwickeln soll, breite Unterstützung.<br />

Die Bedeutung des Langsamverkehrs bestätigte sich dabei nicht<br />

nur als eigenständige Mobilitätsform, sondern auch als Zubringer<br />

zu den anderen Verkehrsträgern (kombinierte Mobilität;<br />

Transportketten). Grundsätzliche Einwände gegen die Förderung<br />

des Langsamverkehrs ergaben sich bei der Finanzierungsfrage,<br />

bei der Aufgabenteilung Bund, Kantone und Private sowie<br />

bei der Verfassungsmässigkeit einzelner Handlungsfelder.<br />

Gegenwärtig überarbeitet das ASTRA das Leitbild, sodass es<br />

bis etwa Mitte 2006 als Grundlage für die Beantwortung des<br />

Postulats bereit liegt. Der Bericht des Bundesrates dürfte dem<br />

Parlament voraussichtlich Ende 2006 zugeleitet werden können.<br />

(offizielle Sprachregelung des ASTRA, Stand Dez. 2005)<br />

Eine Zunahme des Langsamverkehrs ist zweifellos wünschenswert, es<br />

muss aber im Auge behalten werden, dass eine Verschiebung des Modal<br />

Split zu mehr schwer verletzten oder getöteten Fussgängern führen kann.<br />

Das ist insbesondere aufgrund der überaus hohen case fatality (Getötete<br />

pro 10'000 Verunfallte) des <strong>Fussverkehr</strong>s zu befürchten.<br />

Allerdings hält Jacobsen (2003) fest, dass die Anzahl Kollisionen nicht mit<br />

der zunehmenden Anzahl zu Fuss Gehender linear ansteigt, was in Studien<br />

punktuell (z.B. an Übergängen mit viel oder wenig zu Fuss Gehen-


64 Rahmenbedingungen<br />

Via sicura als<br />

Verkehrssicherheitspolitik<br />

des Bundes<br />

den) nachgewiesen werden konnte. Auf der Strasse herrscht gemäss Jacobsen<br />

nicht dieselbe Situation wie auf dem Billardtisch: eine Verdoppelung<br />

der Kugeln führt nicht zu einer Verdoppelung der Kollisionen. Jacobsen<br />

widmet sich der Fragestellung auf einer übergeordneten, bevölkerungsbezogenen<br />

Ebene. Er ermittelt aufgrund mehrerer, voneinander unabhängiger<br />

bevölkerungsbezogener Datensätze, dass eine Gesellschaft,<br />

die ihr Fussgängeraufkommen verdoppelt (z.B. zurückgelegte Kilometer<br />

pro Kopf und Tag), lediglich mit einem vergleichsweise geringen Anstieg<br />

von Fussgängerunfällen um 32 % rechnen muss. Das individuelle Risiko,<br />

als zu Fuss Gehender von einem Motorfahrzeug angefahren zu werden,<br />

reduziert sich dabei (bei einer angenommenen Verdoppelung der Fussgängerzahl)<br />

um 34 %. Auf Populationsebene ist somit bei zunehmender<br />

Anzahl zu Fuss Gehender zwar mit einem Anstieg an Unfällen zu rechnen<br />

(jedoch bei weitem nicht linear), auf individueller Ebene ergibt sich gar<br />

eine Reduktion des Unfallrisikos. Somit resultiert für den Einzelnen ein<br />

Schutzfaktor alleine durch die Anzahl Personen, die zu Fuss unterwegs<br />

sind (Safety in numbers). Aus Sicht der Public Health ist allerdings anzumerken,<br />

dass primär das populationsbezogene Risiko interessiert. Wichtig<br />

ist, dass der <strong>Fussverkehr</strong> durch diverse Massnahmen sicher stattfinden<br />

kann. Dadurch wird sich die Attraktivität erhöhen, was zu einer zunehmenden<br />

Zahl zu Fuss Gehender führt – ohne dass das <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

des <strong>Fussverkehr</strong>s auf Bevölkerungsebene steigt.<br />

Die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden soll durch „Via sicura“ gewährleistet<br />

werden. Der Bundesrat hat Ende 2005 dieses Handlungsprogramm<br />

beraten und seinen Willen bekräftigt, die Verkehrssicherheit in<br />

der Schweiz weiter zu erhöhen. Er will die Zahl der auf der Strasse Getöteten<br />

und Schwerverletzten signifikant senken. Das UVEK wird dem Bundesrat<br />

ein konkretes Massnahmenpaket in verschiedenen Varianten vorlegen<br />

(Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie,<br />

Kommunikation UVEK, 2005).


Rahmenbedingungen 65<br />

Gegenseitige Rechte<br />

und Pflichten<br />

Vorschriften für<br />

Fahrzeuglenkende<br />

5. Gesetzliche Rahmenbedingungen<br />

Im Strassenverkehrsgesetz SVG 4 und in der Verkehrsregelnverordnung<br />

VRV5 sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für den <strong>Fussverkehr</strong> geregelt<br />

(die wichtigsten Gesetzesartikel für Fussgänger sind im Anhang, S.<br />

387, im Originalwortlaut zusammengestellt). Hierbei kann unterschieden<br />

werden zwischen Vorschriften, die von den Fahrzeuglenkenden gegenüber<br />

den zu Fuss Gehenden zu befolgen sind, und denjenigen, welche<br />

die zu Fuss Gehenden selber zu befolgen haben.<br />

Die wichtigsten Vorschriften für die Fahrzeuglenkenden (inkl. Radfahrende)<br />

sind folgende (sinngemäss formuliert):<br />

- Sie haben den Fussgängern das Überqueren der Fahrbahn in angemessener<br />

Weise zu ermöglichen (Art. 33 Abs. 1 SVG).<br />

- Auf Strassen ohne Fussgängerstreifen muss dann angehalten werden,<br />

wenn Kolonnenverkehr herrscht und ein Fussgänger bzw. eine<br />

Fussgängerin die Strasse überqueren will (Art. 6 Abs. 3 VRV).<br />

- Vor Fussgängerstreifen ohne Verkehrsregelung muss jedem zu Fuss<br />

Gehenden Vortritt gewährt werden, der sich bereits auf dem Streifen<br />

befindet oder davor wartet und ersichtlich die Fahrbahn überqueren<br />

will; um dieser Pflicht nachzukommen, muss vor Fussgängerstreifen<br />

besonders vorsichtig gefahren und nötigenfalls angehalten werden<br />

(Art. 6 Abs. 1 VRV). Wenn keine Gefährdung des <strong>Fussverkehr</strong>s vorliegt,<br />

kann das Nichtgewähren des Vortritts seit dem 1.03.06 im Ordnungsbussenverfahren<br />

geahndet werden. Die Bussen betragen CHF<br />

140.– im Fall von Motorfahrzeugführenden bzw. CHF 40.– im Fall von<br />

Radfahrenden/Führenden von Motorfahrrädern (Anh. 1 Ziff. 337 und<br />

623 OBV6 ). Wird ein Fussgänger durch das Nichtgewähren des Vortritts<br />

gefährdet oder verletzt, kann bzw. muss ein strafrechtliches<br />

Verfahren eingeleitet werden.<br />

4 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958, SR 741.01<br />

5 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962, SR 741.11<br />

6 Ordnungsbussenverordnung vom 4. März 1996, SR 741.031


66 Rahmenbedingungen<br />

Vorschriften für zu<br />

Fuss Gehende<br />

- In Tempo-30-Zonen sind Fahrzeuge vortrittsberechtigt; sie müssen<br />

aber besonders vorsichtig und rücksichtsvoll fahren (Art. 22a SSV7 ).<br />

Fussgänger dürfen die Strasse überall queren, sofern weniger als<br />

50 m entfernt keine Fussgängerstreifen sind.<br />

- In Begegnungs- und Fussgängerzonen ist der <strong>Fussverkehr</strong> vortrittsberechtigt;<br />

Fahrzeuge dürfen aber nicht unnötig behindert werden (Art.<br />

22b SSV bzw. Art. 22c SSV). Die Höchstgeschwindigkeiten betragen<br />

20 km/h respektive Schritttempo.<br />

Die zu Fuss Gehenden haben unter anderem folgende Vorschriften zu<br />

befolgen (ebenfalls sinngemäss formuliert):<br />

- Sie müssen die Trottoirs benützen, und wo solche fehlen, haben sie<br />

am linken Strassenrand zu gehen, insbesondere ausserorts in der<br />

Nacht (Art. 49 Abs. 1 SVG); die Strasse soll nach Möglichkeit auf einem<br />

Fussgängerstreifen überquert werden (Art. 49 Abs. 2 SVG).<br />

- Sie müssen Fussgängerstreifen, Über- oder Unterführungen benützen,<br />

wenn diese weniger als 50 m entfernt sind (Art. 47 Abs. 1 VRV); auf<br />

Fussgängerstreifen ohne Verkehrsregelung dürfen sie nicht von ihrem<br />

Vortrittsrecht Gebrauch machen (das ihnen durch Art. 6 Abs. 1 VRV<br />

gewährt wird), wenn ein Fahrzeug bereits so nahe ist, dass es nicht<br />

mehr rechtzeitig anhalten könnte (Art. 47 Abs. 2 VRV).<br />

- Ausserhalb von Fussgängerstreifen sind die Fahrzeuge vortrittsberechtigt<br />

(Art. 47 Abs. 5 VRV) (auch in Tempo-30-Zonen). Allerdings<br />

haben Fussgänger in Begegnungszonen (Art. 22b SSV) und in Fussgängerzonen<br />

(Art. 22c SSV) Vortritt.<br />

Weiter ist am 1. August 2002 eine Veränderung der VRV in Kraft getreten<br />

(mit Auswirkungen auch auf die Verordnung über die technischen Anfor-<br />

derungen an Strassenfahrzeuge VTS8 , auf die Signalisationsverordnung<br />

SSV sowie auf die Ordnungsbussenverordnung OBV), welche die fahrzeugähnlichen<br />

Geräte betrifft ('fäG', z. B. Inline-Skates, Rollbretter, Mini-<br />

Trottinette). Seit diesem Zeitpunkt werden fäG rechtlich als Verkehrsmittel<br />

betrachtet, die von bestimmten Personengruppen je nach Verwendungs-<br />

7 Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV), SR 741.21<br />

8 Verordnung vom 19. Juni 1995 über die technischen Anforderungen an<br />

Strassenfahrzeuge (VTS), SR 741.41


Rahmenbedingungen 67<br />

Weitere<br />

Bestimmungen des<br />

Strassenverkehrsrechts<br />

Fuss- und<br />

Wanderweggesetz<br />

zweck auf definierten Verkehrsflächen benützt werden dürfen. Die Benützer<br />

von fäG sind gegenüber dem Fahrzeugverkehr rechtlich den zu Fuss<br />

Gehenden gleichgestellt; auf gemeinsam benützten Flächen liegt das<br />

Vortrittsrecht jedoch bei den zu Fuss Gehenden.<br />

Verschiedene weitere Bestimmungen, die für einen konfliktfreien Umgang<br />

zwischen <strong>Fussverkehr</strong> und motorisiertem Verkehr wichtig sind, finden sich<br />

im Strassenverkehrsrecht; insbesondere im Strassenverkehrsgesetz SVG<br />

(vor allem im 3. Titel), der Verkehrsregelnverordnung VRV sowie in der<br />

Signalisationsverordnung SSV.<br />

Darüber hinaus ist auch das Fuss- und Wanderweggesetz FWG von 1987<br />

für die Sicherheit der zu Fuss Gehenden relevant. Darin wird vorgeschrieben,<br />

dass die Kantone ein möglichst gefahrlos begehbares Netz von<br />

Fuss- und (Wander-)Wegen für wichtige Ziele des <strong>Fussverkehr</strong>s gewährleisten<br />

müssen.


68 Methodik<br />

Risikofaktoren können<br />

sich auf den Unfalleintritt<br />

oder auf<br />

dessen Folgen<br />

beziehen<br />

V. METHODIK<br />

1. Einleitung<br />

Das Kapitel Methodik soll in erster Linie einen Einblick in die gewählte<br />

Vorgehensweise geben (Kap. V.3, S. 71). Zudem werden die beiden wichtigsten<br />

Datenquellen (Kap. V.4, S. 74) und die damit verbundenen<br />

Analysemöglichkeiten und Einschränkungen aufgezeigt (Kap. V.5, S. 76).<br />

Eingangs werden zunächst einige zentrale Begriffe und Konzepte definiert<br />

und erläutert (Kap. V.2, direkt nachfolgend).<br />

2. Definition von Schlüsselbegriffen<br />

2.1 Fussgänger<br />

In der Statistik der polizeilich registrierten Unfälle werden neben zu Fuss<br />

Gehenden auch Personen als Fussgänger erfasst, die mit fahrzeugähnlichen<br />

Geräten (fäG) wie Rollschuhen, Skateboards und Trottinettes im<br />

öffentlichen Strassenverkehr unterwegs sind. Personen, die beim oder<br />

nach dem Ein- oder Aussteigen verunfallen, gelten nur als Fussgänger,<br />

wenn sie das Fahrzeug ganz verlassen haben und bereits die Fahrbahn<br />

überqueren. Selbstunfälle von Fussgängern werden von der Statistik nicht<br />

erfasst.<br />

2.2 Risikofaktor<br />

Risikofaktoren sind Gegebenheiten, die das <strong>Unfallgeschehen</strong> massgeblich<br />

beeinflussen. Diese können sich auf die Eintrittswahrscheinlichkeit<br />

eines Unfalles beziehen oder auf die Wahrscheinlichkeit, dass bei eingetretenem<br />

Unfallereignis ein schwerer Personenschaden entsteht. Nachfolgend<br />

werden diese als Unfallrisiko- und Verletzungsrisikofaktoren<br />

bezeichnet (Abbildung 3).<br />

Die beiden Arten von Risikofaktoren stehen auch in Zusammenhang mit<br />

den Präventionsbemühungen. Während sich die primäre Prävention auf


Methodik 69<br />

Abbildung 3:<br />

Schematische<br />

Darstellung der zwei<br />

Grundarten von<br />

Risikofaktoren sowie<br />

ihres Zusammenhangs<br />

zur Prävention<br />

Unfall- und<br />

Verletzungsrisikofaktoren<br />

stimmen<br />

weitgehend überein<br />

Verkehrsexposition<br />

bezeichnet km-<br />

Leistung<br />

Risikofaktoren der Unfallwahrscheinlichkeit bezieht, zielen sekundäre und<br />

tertiäre Prävention auf Verletzungsrisikofaktoren (Abbildung 3).<br />

Unfallrisikofaktoren<br />

Primäre Prävention<br />

Sekundäre und<br />

tertiäre Prävention<br />

keine oder<br />

höchstens leichte<br />

Verletzungsfolgen<br />

Es kann davon ausgegangen werden, dass die beiden Arten von Risikofaktoren<br />

weitgehend übereinstimmen. So führt beispielsweise eine überhöhte<br />

Geschwindigkeit sowohl zu einer höheren Unfallwahrscheinlichkeit<br />

(infolge des verlängerten Reaktions-/Bremsweges) als auch zu schwereren<br />

Verletzungen (infolge der grösseren Energieeinwirkung). Dennoch<br />

existieren Einflussfaktoren, die entweder nur die Unfallwahrscheinlichkeit<br />

(z. B. reflektierende Kleidung für Fussgänger) oder nur die Verletzungsschwere<br />

(z. B. sicherheitsoptimierte Fahrzeugfronten) in signifikantem<br />

Ausmass verändern.<br />

2.3 Verkehrsexposition und Risikoexposition<br />

Kein Unfall<br />

Unfallereignis<br />

Verletzungsrisikofaktoren<br />

schwere oder<br />

tödliche<br />

Verletzungsfolge<br />

Verkehrsexposition bezeichnet die Kilometerleistung oder Zeitdauer im<br />

Verkehr. Bei der Interpretation des <strong>Unfallgeschehen</strong>s spielt diese Kenngrösse<br />

eine zentrale Rolle. Bei einer Unfallverteilung (z. B. Anzahl Unfälle<br />

auf und abseits von Fussgängerstreifen) stellt sich stets die Frage, inwieweit<br />

die aufgedeckten Unterschiede expositionsbedingt sind und inwieweit<br />

sie aufgrund einer besonderen Gefahrenquelle entstehen. Erst durch die<br />

Berücksichtigung der Exposition lassen sich vergleichende Aussagen<br />

über die Gefährlichkeit machen. Oder anders ausgedrückt: Ist unter be-


70 Methodik<br />

Risikoexposition =<br />

einem gefährlichen<br />

Einflussfaktor<br />

ausgesetzt<br />

Verkehrs- und Risikoexposition<br />

beeinflussen<br />

<strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Risikogruppen =<br />

Personengruppe mit<br />

überdurchschnittlich<br />

hoher Unfallbelastung<br />

Offizielle Unfallstatistik<br />

unterscheidet<br />

drei Verletzungsschweregrade<br />

stimmten Gegebenheiten (z. B. Querungen abseits von Fussgängerstreifen)<br />

eine Unfallhäufung zu beobachten, darf daraus nicht geschlossen<br />

werden, dass mit dieser Gegebenheit eine erhöhte Gefahr einhergeht<br />

(dass also Querungen abseits von Fussgängerstreifen gefährlicher sind).<br />

Risikoexposition bedeutet, dass ein Verkehrsteilnehmer während seiner<br />

Verkehrsexposition einem konkreten Risikofaktor (z. B. Alkoholkonsum)<br />

ausgesetzt ist, so dass die Unfall- bzw. Verletzungswahrscheinlichkeit<br />

ansteigt.<br />

Das <strong>Unfallgeschehen</strong> kann als eine Funktion der Verkehrsexposition und<br />

der Risikoexposition betrachtet werden. Je höher die Kilometer- oder<br />

Stundenleistung im Verkehr ist, desto mehr Unfälle geschehen, insbesondere<br />

dann, wenn die Fussgänger vielen oder starken Risikofaktoren ausgesetzt<br />

sind – sprich eine hohe Risikoexposition haben.<br />

2.4 Risikogruppen<br />

Als Risikogruppen werden soziodemographisch definierbare Personengruppen<br />

bezeichnet, die im Vergleich zu ihrer Populationsgrösse überdurchschnittlich<br />

häufig verunfallen. Hierbei ist es nicht von Belang, ob die<br />

erhöhte Unfallbelastung auf besondere Gefahrenquellen (Risikofaktoren)<br />

zurückzuführen ist, oder nur deshalb entsteht, weil sie häufiger zu Fuss<br />

unterwegs sind als ihre Vergleichsgruppen.<br />

2.5 Personenschäden: Leicht-/Schwerverletzte, Getötete<br />

Im Rahmen der polizeilichen Unfallprotokollierung werden bei Personenschäden<br />

drei Verletzungsschweregrade definiert:<br />

Leicht verletzt: geringe Beeinträchtigung, z. B. oberflächliche Hautverletzungen<br />

ohne nennenswerten Blutverlust, leichte Einschränkungen der<br />

Bewegungen, die aber das Verlassen der Unfallstelle aus eigener Kraft<br />

erlauben, evtl. ambulante Behandlung im Spital oder durch einen Arzt.<br />

Schwer verletzt: schwere sichtbare Beeinträchtigung, die normale Aktivitäten<br />

zu Hause für mindestens 24 Stunden verhindert (z. B. Bewusst-


Methodik 71<br />

1. Schritt:<br />

Beschreibung des<br />

<strong>Unfallgeschehen</strong>s<br />

mittels deskriptiver<br />

Epidemiologie und<br />

Literaturstudium<br />

losigkeit, Knochenbruch [exkl. Fingerbruch] oder Spitalaufenthalt von<br />

mehr als einem Tag).<br />

Getötet: Personen, die an der Unfallstelle ihr Leben verlieren oder innert<br />

30 Tagen nach der Kollision an den Unfallfolgen sterben.<br />

3. Vorgehensweise in drei Analysestufen<br />

Die vorliegende Arbeit umfasst im Kern drei Schritte, die in ihrer Summe<br />

gewährleisten, dass die ausgesprochenen Empfehlungen nicht bloss auf<br />

Plausibilitätsannahmen und Alltagswissen beruhen, sondern auf wissenschaftlich<br />

fundierter Basis stehen.<br />

In einem ersten Schritt werden in Anlehnung an die Methodik der deskriptiven<br />

Epidemiologie empirische Befunde erstellt, um ein Bild des <strong>Unfallgeschehen</strong>s<br />

von Fussgängern zu erhalten. Hierzu werden mittels statistischer<br />

Analyse die Unfalldatenbanken des BFS und der SSUV ausgewertet<br />

(s. Kap. V.4 Datengrundlagen zum <strong>Unfallgeschehen</strong>, S. 74). Um<br />

ein möglichst vollständiges Bild zu erhalten, werden weitere empirische<br />

Studien herangezogen, die es erlauben, Rückschlüsse auf das <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

zu ziehen. Dieser erste Schritt soll einerseits das Unfallausmass<br />

und andererseits Schwerpunkte und Auffälligkeiten im <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

von Fussgängern aufdecken. Dabei werden nur schwere Personenschäden<br />

betrachtet, da eine Erhöhung der öffentlichen Gesundheit<br />

insbesondere durch eine Reduktion der Anzahl Schwerverletzter und<br />

Getöteter erreicht wird. Um Zielgruppen zukünftiger Präventionsarbeiten<br />

identifizieren zu können, wird das <strong>Unfallgeschehen</strong> – wo sinnvoll – spezifisch<br />

nach verschiedenen Altersgruppen und dem Geschlecht ausgewertet.<br />

Die detaillierte Beschreibung des <strong>Unfallgeschehen</strong>s erlaubt es, Hypothesen<br />

zur Unfallentstehung zu generieren, welche im nachfolgenden Schritt<br />

überprüft werden können.


72 Methodik<br />

2. Schritt: Eruieren<br />

von Gefahren mittels<br />

analytischer<br />

Epidemiologie und<br />

theoretischem Fachwissen<br />

Der zweite Schritt hat zum Ziel, das <strong>Unfallgeschehen</strong> mittels Risikofaktoren<br />

zu erklären. Risikofaktoren sind Merkmale, die das <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

massgeblich beeinflussen. Zur Ergründung von Risikofaktoren können<br />

grundsätzlich zwei Vorgehensweisen unterschieden werden: Sie lassen<br />

sich einerseits mittels statistischer Analyse empirischer Daten und<br />

andererseits theoriegeleitet identifizieren.<br />

Beim empirischen Weg wird mit den Methoden der analytischen Epidemiologie<br />

überprüft, ob bestimmte Merkmale (z. B. Alkoholkonsum) in<br />

einem Zusammenhang mit dem Auftreten von Unfällen bzw. deren<br />

Schwere stehen. Ein Risikofaktor ist demnach ein Merkmal, welches bei<br />

Verunfallten unter Berücksichtigung der Verkehrsexposition häufiger vorkommt<br />

als bei Nicht-Verunfallten. Zusätzlich leisten experimentelle Untersuchungen<br />

von Wirkmechanismen einen wichtigen Beitrag zur Bestimmung<br />

von Risikofaktoren. Auf diese Weise lässt sich ein Katalog von Einflussfaktoren<br />

des <strong>Unfallgeschehen</strong>s generieren.<br />

Bei der zweiten Vorgehensweise werden im Gegensatz zur ersten Variante<br />

nicht empirische Daten ausgewertet, sondern der allgemeine wissenschaftliche<br />

Kenntnisstand im Sinne von verhaltenspsychologischem,<br />

biomechanischem, medizinischem, physikalischem und verkehrstechnischem<br />

Fachwissen einbezogen. Eine systematische Literaturrecherche<br />

stellt sicher, dass alle relevanten und publizierten Arbeiten im Themengebiet<br />

berücksichtigt werden (vgl. Anhang, S. 387).<br />

In einem umfassenden Forschungsprozess schliessen sich die beiden<br />

Vorgehensweisen gegenseitig nicht aus, sondern ergänzen sich: Die statistische<br />

Unfallanalyse ermöglicht die Ermittlung jener Faktoren, die den<br />

stärksten Einfluss auf das <strong>Unfallgeschehen</strong> haben und die Berücksichtigung<br />

von theoretischem Wissen ist notwendig, um ein vertieftes Verständnis<br />

der empirisch ermittelten Risikofaktoren zu erhalten. Wenn sich<br />

beispielsweise das vorschulpflichtige Alter als Risikofaktor zeigt, so deckt<br />

diese Information keinesfalls den Erklärungsbedarf. Es stellt sich nämlich<br />

die Frage, warum das Alter die Unfallwahrscheinlichkeit erhöht. Welche<br />

dahinter liegenden Faktoren führen dazu, dass das Vorschulalter zu einem<br />

Risikofaktor wird? Um eine vollständige Antwort zu erhalten, können<br />

im erwähnten Beispiel psychologische Entwicklungsprozesse in den Erklärungsansatz<br />

einbezogen werden. Diese detaillierte Betrachtung ist<br />

notwendig, um adäquate und effektive Präventionsvorschläge erarbeiten<br />

zu können.


Methodik 73<br />

3. Schritt: Sammlung<br />

von Präventionsmöglichkeiten<br />

und<br />

Förderungsmassnahmen<br />

Alle Risikofaktoren werden (soweit wie möglich und sinnvoll) hinsichtlich<br />

ihrer Bedeutung für das <strong>Unfallgeschehen</strong> der Fussgänger beurteilt. Dabei<br />

wird die Unfallrelevanz auf einer fünfstufigen Skala angegeben: Ein<br />

Sternchen (*) steht für Risikofaktoren mit geringer Bedeutung für die Entstehung<br />

unfallbedingter Verletzungen und fünf Sternchen (*****) kennzeichnen<br />

Risikofaktoren mit grosser Bedeutung. Als Grundlage zur Beurteilung<br />

der Unfallrelevanz werden insbesondere das Gefahrenpotenzial<br />

(Ausmass der Risikoerhöhung) und die Verbreitung des Risikofaktors in<br />

unfallrelevanten Situationen herangezogen.<br />

Der dritte Schritt kann in zwei Aspekte unterteilt werden. Der erste Aspekt<br />

besteht in der Sammlung von Präventionsmöglichkeiten zur Steigerung<br />

der Sicherheit von Fussgängern, mit welchen die im vorhergehenden<br />

Schritt bestimmten Risikofaktoren entschärft werden können. Sie zeigen<br />

auf, was bei den Systemelementen Mensch, Fahrzeug und Umwelt<br />

geändert werden muss und stellen somit eine Art Zielsetzung dar (z. B.<br />

Reduktion von FiaZ, Änderung der PW-Front, sichere Querungen für<br />

Fussgänger). Die Zusammenstellung der Präventionsmöglichkeiten beruht<br />

weitgehend auf den Erkenntnissen der ersten beiden Schritte.<br />

Alle Präventionsmöglichkeiten werden hinsichtlich ihres Nutzens für die<br />

Fussgänger (Rettungspotenzial) auf einer fünfstufigen Skala bewertet. Als<br />

Beurteilungsgrundlage wird wo immer möglich auf empirische Fakten<br />

zurückgegriffen. Wenn diese fehlen, basiert die Beurteilung auf der<br />

Grundlage von Expertenwissen.<br />

Der zweite Aspekt besteht darin, aufzuzeigen mit welchen Förderungsmassnahmen<br />

(d. h. mit welchen Mitteln) die Präventionsmöglichkeiten<br />

realisiert werden können. Während für eine längerfristige Perspektive<br />

auch wenig ausgereifte oder nicht mehrheitsfähige Präventionsmöglichkeiten<br />

relevant sind, müssen in der kurz- und mittelfristigen Präventionsarbeit<br />

(wie es Ziel der vorliegenden Arbeit ist) realisierbare Massnahmen<br />

im Mittelpunkt stehen. Mittelfristig nicht realisierbar sind Massnahmen,<br />

welche technisch nicht ausgereift sind (z. B. Motorfahrzeug erkennt<br />

schwache Verkehrsteilnehmer und reagiert autonom), kaum gesellschaftliche<br />

und politische Unterstützung finden (z. B. Verkehrsteilnahme von<br />

Kindern nur in Begleitung Erwachsener) oder mit exorbitanten Kosten<br />

verbunden wären (z. B. vollständige Trennung der Verkehrswege von


74 Methodik<br />

Verschiedene Quellen<br />

liefern Unfall- und<br />

Expositionsdaten<br />

BFS-Datenbank und<br />

UVG-Statistik bilden<br />

das <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

nicht vollständig ab<br />

Fussgängern und motorisiertem Verkehr). Um die verfügbaren finanziellen<br />

und personellen Ressourcen möglichst nutzbringend einzusetzen, ist es<br />

zudem notwendig, die Effizienz der Massnahme zu berücksichtigen.<br />

Mit den genannten Kriterien werden alle Förderungsmassnahmen bewertet<br />

(sehr empfehlenswert, empfehlenswert, bedingt empfehlenswert, nicht<br />

empfehlenswert). Dieses Vorgehen erlaubt eine wissensbasierte Auswahl<br />

und Favorisierung von Massnahmen, welche aufzeigt, wo die Präventionsarbeit<br />

verfügbare Ressourcen idealerweise einsetzen sollte.<br />

4. Datengrundlagen zum <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Die empirische Analyse der Unfälle basiert insbesondere auf Grundlage<br />

von zwei Datenquellen: Die erste, die polizeilich registrierten Strassenverkehrsunfälle,<br />

wird vom Bundesamt für Statistik BFS geführt und die<br />

zweite von der Sammelstelle für die Statistik der Unfallversicherung UVG9 (SSUV). Die im Folgenden als UVG-Statistik bezeichnete Datenbank enthält<br />

eine 5 %-Stichprobe aller Unfälle von obligatorisch nach dem Unfallversicherungsgesetz<br />

(UVG) versicherten Personen. Auswertungen zur<br />

Verkehrsexposition basieren auf dem Mikrozensus Verkehr, der seit 1974<br />

von Are und BFS alle fünf Jahre durchgeführt wird. Die aktuellsten zur<br />

Verfügung stehenden Daten stammen aus dem Jahr 2000. Für die internationalen<br />

Vergleiche werden Daten der International Road Traffic and<br />

Accident Database IRTAD der OECD herangezogen.<br />

Sowohl BFS-Datenbank als auch UVG-Statistik bilden das <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

nicht vollständig ab, so dass sich bei weitem nicht alle interessierenden<br />

Fragen beantworten lassen. Bei der UVG-Statistik muss die eingeschränkte<br />

Populationsabdeckung beachtet werden: Nur ungefähr die Hälfte<br />

der Schweizer Wohnbevölkerung ist nach dem UVG unfallversichert,<br />

nämlich alle Arbeitnehmenden, die 8 Stunden oder mehr pro Woche arbeiten.<br />

Das heisst, neben selbstständig Erwerbenden und im Haushalt<br />

tätigen Personen werden insbesondere Kinder und Senioren nicht erfasst.<br />

Bei der BFS-Datenbank muss mit einer hohen Dunkelziffer bei den Fussgängerunfällen<br />

gerechnet werden. Viele Unfälle (insbesondere die leichte-<br />

9 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG), SR 832.20


Methodik 75<br />

Tabelle 4:<br />

Gegenüberstellung<br />

der enthaltenen<br />

Informationen in den<br />

zur Verfügung<br />

stehenden<br />

Unfalldatenbanken<br />

ren Unfälle und Selbstunfälle) werden polizeilich nicht registriert (vgl.<br />

hierzu auch Thoma, 1990).<br />

Ihrem Erhebungszweck entsprechend, werden in beiden Datenquellen<br />

zudem unterschiedliche Information zu Unfällen erfasst (vgl. Tabelle 4).<br />

Abdeckungsbereich<br />

Populationsabdeckung Alle (Schweizer und<br />

Ausländer), die auf<br />

Schweizer Boden<br />

verunfallen<br />

(Territorialstatistik)<br />

Abgedeckter<br />

Unfallbereich<br />

Zusatzbedingung für die<br />

Registrierung<br />

BFS-Unfalldaten UVG-Statistik<br />

Unfälle auf öffentlichen<br />

Strassen<br />

Polizei herbeigerufen, von<br />

dieser registriert und ans<br />

BFS gemeldet<br />

Erfasste unfallbezogene Informationen<br />

Soziodemographische<br />

Angaben<br />

Art der Verkehrsteilnahme<br />

Situative Rahmenbedingungen<br />

Arbeitnehmende (ca. ½<br />

der Schweizer Population)<br />

Unfälle auf öffentlichen<br />

Strassen und im Bereich<br />

„Sport und Spiel“<br />

Dem UVG-Versicherer<br />

mittels Formular gemeldet<br />

Alter, Geschlecht Alter, Geschlecht,<br />

Zivilstand, Stellung im<br />

Beruf, Jahresverdienst<br />

Unterscheidung von PW,<br />

Velo, Fussgänger etc.<br />

Verschiedene Situationsmerkmale<br />

wie<br />

Strassenart, Ortslage,<br />

Strassenzustand, Lichtverhältnisse,<br />

Witterung,<br />

Vortrittsregelung etc.<br />

Unfallverursacher Nein Nein<br />

Unfallursachen Hauptursache wird nicht<br />

erfasst, jedoch pro unfallbeteiligtemVerkehrsteilnehmer<br />

bis zu 3 unfallrelevante<br />

Mängel<br />

(mögliche Einflussfaktoren)<br />

Unfallfolgen Grobe Kategorisierung:<br />

unverletzt, leicht verletzt,<br />

schwer verletzt, getötet<br />

Unterscheidung von PW,<br />

Velo, Fussgänger etc.<br />

Unfallhergang, Unfallort,<br />

beteiligte Transportmittel<br />

Nein<br />

Bis zu 20 medizinische<br />

Diagnosen nach ICD-9 10<br />

10 ICD-9: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter<br />

Gesundheitsprobleme (9. Revision)


76 Methodik<br />

Gefahr der voreiligen<br />

Schlussfolgerung<br />

Verzerrungsfehler<br />

müssen bei<br />

Interpretation<br />

berücksichtigt werden<br />

5. Auswertung der verfügbaren Unfalldaten<br />

5.1 Beschreibung des <strong>Unfallgeschehen</strong>s<br />

Für die Beschreibung des <strong>Unfallgeschehen</strong>s wird das Auftreten folgenschwerer<br />

Unfallverletzungen in Abhängigkeit von leicht zugänglichen<br />

Merkmalen der Unfallsituation und der beteiligten Personen analysiert.<br />

Für die Interpretation muss beachtet werden, dass die Ergebnisse durch<br />

nicht berücksichtigte Merkmale oder andere Effekte „verzerrt“ sein können.<br />

Solche systematischen Fehler in der statistischen Analyse können<br />

aus folgenden Gründen entstehen:<br />

• unbekannte Expositionsunterschiede von Fussgängern bei verschiedenen<br />

(Umwelt-)Bedingungen (z. B. schöne Witterung vs. Niederschläge,<br />

Tag vs. Nacht, innerorts vs. ausserorts etc.)<br />

• unbekannte motorisierte Verkehrsmenge bei verschiedenen (Umwelt-)<br />

Bedingungen<br />

• Registrierungswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit der Verletzungsschwere<br />

und der Art der Verkehrsteilnahme<br />

• alters- und teilweise auch geschlechtsabhängige Vulnerabilität und<br />

Mortalität (d. h. gleiche Energieeinwirkung hat unterschiedliche Folgen)<br />

• unbekannte Entwicklung der Kilometerleistung und Expositionszeit im<br />

Verlauf der Jahre<br />

Durch Verzerrungsfehler und den Einfluss möglicher Störfaktoren ist die<br />

Interpretation der ermittelten empirischen Befunde nicht immer offensichtlich.<br />

Oftmals müssen alternative Erklärungsmöglichkeiten berücksichtigt<br />

werden, um ein gesichertes Bild der Entstehungshintergründe und der<br />

Problempunkte von Fussgängerunfällen zu erhalten. Die Beschreibung<br />

des <strong>Unfallgeschehen</strong>s liefert dennoch wichtige Anhaltspunkte für die Präventionsarbeit,<br />

da sie aufzeigt, in welchen Bereichen Handlungsbedarf<br />

besteht.<br />

5.2 Bestimmung von Risikofaktoren<br />

Risikofaktoren lassen sich aufgrund verschiedener Informationsquellen<br />

ableiten (z. B. explorative Untersuchungen/experimentelle Tests). Als


Methodik 77<br />

Tabelle 5:<br />

Beispiel zur<br />

Berechnung des<br />

Odds Ratio<br />

BFS- und UVG-<br />

Unfalldaten weisen<br />

nur eingeschränkte<br />

Möglichkeiten zu<br />

Bestimmung von<br />

Risikofaktoren auf<br />

eher beschreibendes Mass bietet sich die Berechnung der Case Fatality<br />

oder Letalität zur Identifizierung von Verletzungsrisikofaktoren an. Die<br />

Case Fatality gibt die Anzahl Getötete pro 10'000 Verletzte (inkl. tödlich<br />

Verletzte) an. Von weitergehender Bedeutung ist die Bestimmung von<br />

Risikofaktoren mittels der Methoden der analytischen Epidemiologie. Zu<br />

nennen sind insbesondere zwei Berechnungskonzepte, nämlich das relative<br />

Risiko und das Odds Ratio (auch als Kreuzproduktverhältnis oder<br />

Chancenverhältnis bezeichnet). Da das Konzept der Odds Ratios in epidemiologischen<br />

Studien häufig verwendet wird, soll es anhand eines fiktiven<br />

Beispiels erläutert werden. In einer Studie wurden insgesamt 12'000<br />

PW-Fahrten registriert, davon 2'000 unter Alkoholeinfluss. Gleichzeitig<br />

wurde erhoben, wie viele Fahrten in einem Unfall endeten (Tabelle 5). Es<br />

stellt sich die Fragen, ob Fahren unter Alkoholeinfluss einen Risikofaktor<br />

darstellt.<br />

Unfall Kein Unfall<br />

Fahrten ohne Alkohol 100 9’900<br />

Fahren mit Alkohol 50 1’950<br />

Für die Berechnung des Odds Ratio werden zuerst die „Chancen“ (Odds)<br />

berechnet, zu verunfallen: Für Fahren ohne Alkohol beträgt diese 0.010<br />

(100/9'990), unter Alkoholexposition 0.026 (50/1'950). Das Verhältnis aus<br />

beiden Odds beträgt 2.6 (0.026/0.010). Wird das Odds Ratio als Wahrscheinlichkeit<br />

interpretiert, ergibt sich für Fahren unter Alkohol eine um<br />

das 2.6-fache bzw. 160 % höhere Wahrscheinlichkeit zu verunfallen. Sind<br />

die „Chancen“ mit und ohne Exposition gleich, ergibt sich ein Odds Ratio<br />

von eins, d.h. es gibt keinen Zusammenhang zwischen Exposition und<br />

Unfallrisiko. Werte kleiner eins weisen in gleichem Masse auf ein verringertes<br />

Unfallrisiko hin.<br />

Das Design einer epidemiologischen Studie zur Bestimmung von Risikofaktoren<br />

(z.B. Kohorten- oder Fall-Kontroll-Studien) wird auf bestimmte<br />

Berechnungskonzepte ausgerichtet, um sicherzustellen, dass alle notwendigen<br />

Informationen erfasst werden.


78 Methodik<br />

BFS- und UVG-<br />

Unfalldaten per se<br />

liefern keine<br />

Unfallrisikofaktoren<br />

Die Unfalldaten des BFS und der SSUV werden nicht mit dieser Zielsetzung<br />

erhoben. Dementsprechend sind die Möglichkeiten zur empirischen<br />

Bestimmung von Risikofaktoren deutlich eingeschränkt.<br />

Aus den BFS- und UVG-Unfalldaten können keine Faktoren extrahiert<br />

werden, die sich auf die Unfallwahrscheinlichkeit beziehen. Dies hängt<br />

damit zusammen, dass die Datensätze keine Informationen über die<br />

Nicht-Verunfallten enthalten (oder um genau zu sein, über deren Risikoexposition).<br />

Ein Teil der fehlenden Informationen kann zwar aus anderen<br />

empirischen Erhebungen abgeleitet werden, die repräsentative Aussagen<br />

über die schweizerischen Verkehrsteilnehmenden machen (z. B. Lichteinschaltquote,<br />

Helmtragquote, Anteil LWs am DTV). Da aber die Daten<br />

aus verschiedenen Quellen stammen, können konfundierte Einflussfaktoren<br />

(wie Alter, Geschlecht etc.) statistisch nicht kontrolliert werden. Aus<br />

diesem Grund wurde im vorliegenden Bericht auf die Berechnung von Risikofaktoren<br />

mittels epidemiologischer Modelle verzichtet. Soweit aber<br />

Ergebnisse aus speziell angelegten Studien vorliegen, werden diese hier<br />

berichtet.


<strong>Unfallgeschehen</strong> 79<br />

Jährlich 7'000 verunfallte<br />

Fussgänger<br />

Polizei registriert<br />

jährlich 2'700 verunfallte<br />

Fussgänger<br />

Tabelle 6:<br />

Verletzte und getötete<br />

Fussgänger,<br />

2000–2004<br />

Analyse des <strong>Unfallgeschehen</strong>s<br />

als<br />

Grundlage für die<br />

Prävention<br />

VI. UNFALLGESCHEHEN<br />

1. Fussgängerunfälle im Vergleich<br />

1.1 Ausgangslage<br />

Hochrechnungen der bfu (Allenbach, Brügger, Dähler-Sturny & Siegrist,<br />

2005) zeigen, dass auf den Strassen der Schweiz jährlich rund 7’000<br />

Fussgänger verletzt oder getötet werden. Der Polizei gemeldet und registriert<br />

wird aber nur etwa ein Drittel dieser Fälle, vor allem die schweren<br />

Ereignisse. Nachfolgende Analysen beziehen sich auf diese – polizeilich<br />

erfassten – Unfälle.<br />

Tabelle 6 zeigt die Entwicklung der Fussgängerunfälle und die Verletzungsschwere<br />

der Betroffenen für die Zeitspanne von 2000–2004. Pro<br />

Jahr erlitten durchschnittlich 2’700 zu Fuss Gehende unfallbedingte Verletzungen,<br />

davon verunfallten jährlich um die 800 Fussgänger schwer und<br />

100 tödlich.<br />

Leichtverletzte Schwerverletzte Getötete<br />

Anzahl Prozent Anzahl Prozent Anzahl Prozent<br />

2000 1’882 64.6 901 30.9 130 4.5<br />

2001 1’669 61.7 934 34.5 104 3.8<br />

2002 1’725 64.6 849 31.8 96 3.6<br />

2003 1’719 67.9 720 28.5 91 3.6<br />

2004 1’731 68.7 695 27.5 95 3.8<br />

Σ 2000–<br />

2004<br />

Ø 2000–<br />

2004<br />

8’726 65.4 4’099 30.7 516 3.9<br />

1’745 65.4 820 30.7 103 3.9<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Ohne detaillierte Kenntnisse über das <strong>Unfallgeschehen</strong> ist es nicht möglich,<br />

wirksame Prävention zu betreiben. Durch gezielte Interventionen soll<br />

primär die Zahl der Schwerverletzten und Getöteten reduziert werden.<br />

Leichtverletzte werden daher bei der nachfolgenden Analyse der Unfallsituation<br />

nur ausnahmsweise dargestellt.


80 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Fussgängersicherheit<br />

in der Schweiz ist<br />

durchschnittlich<br />

Abbildung 4:<br />

Getötete Fussgänger<br />

pro 1. Mio.<br />

Einwohner,<br />

Ø 2000–2004<br />

Generell hohe<br />

Verkehrssicherheit in<br />

der Schweiz<br />

1.2 Vergleich Schweiz – Europa<br />

In der Schweiz verunfallten in den Jahren 2000–2004 jährlich 100 Fussgänger<br />

tödlich, was 14 Getöteten auf 1 Mio. Einwohner entspricht. Im europäischen<br />

Vergleich steht die Schweiz damit im Mittelfeld (Abbildung 4).<br />

Den höchsten Wert weist Polen mit 52, den niedrigsten die Niederlande<br />

mit 6 Getöteten pro 1 Mio. Einwohner auf.<br />

Wäre das bevölkerungsbezogene Risiko in der Schweiz so tief wie in den<br />

Niederlanden (14 vs. 6), würden jährlich auf Schweizer Strassen nur halb<br />

so viele Fussgänger tödlich verunfallen.<br />

Getötete Fussgänger pro 1. Mio. Einwohner<br />

55<br />

50<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Niederlande<br />

Schweden<br />

Norwegen<br />

Finnland<br />

Deutschland<br />

Dänemark<br />

Frankreich<br />

Großbritannien<br />

Schweiz<br />

Italien<br />

Österreich<br />

Spanien<br />

Irland<br />

Slowenien<br />

Portugal<br />

Tschechien<br />

Ungarn<br />

Polen<br />

Quelle: IRTAD (2005), Auswertungen bfu<br />

Bemerkung: Aufgrund fehlender Daten wurde für Italien, Irland und Ungarn der Durchschnitt<br />

aus den Jahren 2000 bis 2003 ermittelt.<br />

Abbildung 5 zeigt die Gegenüberstellung der Anzahl getöteter Fussgänger<br />

und der Anzahl übriger getöteter Verkehrsteilnehmendender (v. a. Insassen<br />

von Personenwagen, Fahrer von motorisierten Zweirädern und Radfahrer).<br />

Mit 60 übrigen getöteten Verkehrsteilnehmenden pro 1 Mio. Einwohner<br />

steht die Schweiz im Vergleich zu andern europäischen Ländern<br />

relativ gut da, sie steht an 5. Stelle der 18 in Betracht gezogenen Länder.<br />

Den höchsten Wert weist Portugal mit 125, den niedrigsten Grossbritannien<br />

mit 46 Getöteten pro 1 Mio. Einwohner auf.


<strong>Unfallgeschehen</strong> 81<br />

Abbildung 5:<br />

Getötete Verkehrsteilnehmende<br />

pro<br />

1 Mio. Einwohner,<br />

Ø 2000–2004<br />

Abbildung 5 gibt zudem Auskunft über den Zusammenhang zwischen<br />

dem Sicherheitsniveau der zu Fuss Gehenden und dem Sicherheitsniveau<br />

der übrigen Verkehrteilnehmenden (gestrichelte Hilfslinien zur<br />

Veranschaulichung). So zeigt sich, dass in der Schweiz auf jeden getöteten<br />

Fussgänger etwa 4 getötete übrige Verkehrsteilnehmende fallen.<br />

Beträgt dieser Wert in Polen etwa 2, so muss in den Niederlanden mit<br />

dem Wert 9 gerechnet werden oder anders ausgedrückt, die Sicherheit<br />

der Fussgänger im Vergleich zu den übrigen Verkehrsteilnehmenden ist in<br />

den Niederlanden hoch, in Polen tief.<br />

Während die generelle Verkehrssicherheit in der Schweiz also hoch ist,<br />

muss – im europäischen Vergleich – bei der Verkehrssicherheit von<br />

Fussgängern in Relation zur Sicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmenden<br />

von einem tiefen Sicherheitsniveau gesprochen werden. Nur sechs<br />

Länder in Europa weisen ein schlechteres Verhältnis zwischen Fussgänger-<br />

und übriger Verkehrssicherheit auf.<br />

Quelle: IRTAD (2005), Auswertungen bfu<br />

Bemerkung: Aufgrund fehlender Daten wurde für Italien, Irland und Ungarn der Durchschnitt<br />

aus den Jahren 2000 bis 2003 ermittelt.


82 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Exposition als<br />

notwendige<br />

Bezugsgrösse zur<br />

Bestimmung des<br />

Unfallrisikos<br />

Abbildung 6:<br />

Getötete 10- bis 14jährige<br />

Fussgänger,<br />

expositionsbereinigt<br />

14 von 100 Schwerverletzten<br />

oder<br />

Getöteten sind<br />

Fussgänger<br />

Bei den obigen Darstellungen ist nicht berücksichtigt, wie viel in den einzelnen<br />

Ländern zu Fuss gegangen wird bzw. wie viel die Einwohner mit<br />

anderen Verkehrsmitteln unterwegs sind. Daher kann aufgrund dieser<br />

Auswertungen nichts über die Gefährdung des einzelnen Fussgängers<br />

ausgesagt werden. Hierzu ist es notwendig, die Exposition mit zu berücksichtigen.<br />

International vergleichende Zahlen liegen für Kinder vor (Abbildung 6),<br />

jedoch nur für die Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen und für eine geringe<br />

Anzahl Länder. Es zeigt sich, dass das expositionsbereinigte (in Bezug<br />

auf die Verkehrsleistung) Risiko für Schweizer Kinder im Vergleich mit<br />

dem Ausland gering ist.<br />

Getötete 10- bis 14-jährige Fussgänger pro 10'000 km<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Norwegen<br />

Schweiz<br />

Quelle: Christie et al. (2004)<br />

Deutschland<br />

Schweden<br />

Niederlande<br />

Ungarn<br />

Grossbritannien<br />

1.3 Vergleich Fussgängerunfälle – übriges <strong>Unfallgeschehen</strong> Schweiz<br />

Von den jährlich insgesamt rund 6’500 schwer verletzten oder getöteten<br />

Verkehrsteilnehmenden (Durchschnitt aus den Jahren 2000–2004) sind<br />

gut 900 Fussgänger, was rund 14 % entspricht (Abbildung 7). Dieser Anteil<br />

bewegte sich in den untersuchten Jahren zwischen 13 % und 15 %.<br />

Während die Zahl schwerer und tödlicher Verletzungen bei den übrigen<br />

Verkehrteilnehmenden in den letzten 5 Jahren um 9 % abnahm, konnte<br />

diejenige bei den Fussgängern sogar um 23 % reduziert werden. In den<br />

USA


<strong>Unfallgeschehen</strong> 83<br />

Abbildung 7:<br />

Summe der schwer<br />

verletzten und<br />

getöteten Fussgänger<br />

nach Verkehrsteilnahme,<br />

Ø 2000–2004<br />

Fahrer von zweirädrigenMotorfahrzeugen<br />

am stärksten<br />

gefährdet<br />

Stetige Abnahme des<br />

verkehrsleistungsbezogenen<br />

Risikos<br />

Jahren 2000–2004 zogen sich pro Jahr 820 Fussgänger schwere und 103<br />

tödliche Verletzungen zu (s. Tabelle 6, S. 79).<br />

14%<br />

4%<br />

14%<br />

4%<br />

25%<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

39%<br />

Personenwagen<br />

Motorrad<br />

Mofa<br />

Fahrrad<br />

Fussgänger<br />

Andere<br />

Setzt man die Anzahl schwer und tödlich verletzter Verkehrsteilnehmer in<br />

Relation zur jeweiligen Kilometerleistung11 , so ergibt sich das in Tabelle 7<br />

dargestellte Bild. Am weitaus häufigsten von schweren Unfallereignissen<br />

betroffen sind Mofa- und Motorradfahrer, pro 100 Mio. Personenkilometer<br />

werden bei diesen zweirädrigen Motorfahrzeugen 140 bzw. 90 Personen<br />

schwer oder tödlich verletzt. Mit entsprechenden Werten von 41 bzw. 22<br />

figurieren Velofahrer und Fussgänger im Mittelfeld. Personenwageninsassen<br />

weisen das deutlich geringste fahrleistungsbezogene Risiko auf, deren<br />

Wert beträgt knapp 5.<br />

Der Vergleich der aktuellsten Daten aus dem Jahr 2000 mit denjenigen<br />

von 1984 zeigt bei allen Verkehrsteilnehmergruppen eine deutliche Abnahme<br />

des verkehrsleistungsbezogenen Risikos. Gegenüber 1994 nahm<br />

dieses Risiko im Jahr 2000 nur bei den Mofafahrern zu. Die deutlichste<br />

Reduktion von rund 40 % erfolgte bei den Motorradfahrern, während bei<br />

den Velofahrern, Personenwageninsassen und Fussgängern eine Abnahme<br />

von rund 20 % feststellbar ist.<br />

11 Die Kilometerleistungen wurden dem Mikrozensus (Bundesamt für Raumentwicklung<br />

ARE & Bundesamt für Statistik BFS, 2001) entnommen. Diese Erhebungen werden ca.<br />

alle 5 Jahre vorgenommen und die aktuellsten Daten stammen aus dem Jahr 2000.<br />

Angaben zur Exposition liegen für Personen ab 6 Jahren vor.


84 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Tabelle 7:<br />

Summe der Schwerverletzten<br />

und<br />

Getöteten (ab 6<br />

Jahren) pro 100 Mio.<br />

Personenkilometer<br />

nach Verkehrsteilnahme,<br />

1984–2000<br />

Expositionsbereinigtes<br />

(in Bezug auf die<br />

Aufenthaltsdauer)<br />

Risiko von Fussgängern<br />

sehr tief<br />

Tabelle 8:<br />

Summe der<br />

Schwerverletzten und<br />

Getöteten (ab 6<br />

Jahren) pro 1 Mio.<br />

Personenstunden<br />

nach Verkehrsteilnahme,<br />

1984–2000<br />

Überdurchschnittliche<br />

Erhöhung der Fussgängersicherheit<br />

in<br />

den letzten 10 Jahren<br />

Verkehrsteilnahme<br />

Summe der Schwerverletzten und Getöteten<br />

1984 1989 1994 2000<br />

Veränderung<br />

1994/2000<br />

in %<br />

Mofa 175.5 243.6 123.8 140.1 +13<br />

Motorrad 452.8 221.5 157.2 89.9 –43<br />

Fahrrad 79.3 80.7 50.3 40.9 –19<br />

Fussgänger 86.8 71.5 28.8 22.0 –24<br />

Personenwagen 13.8 11.0 5.6 4.5 –20<br />

Quelle: ARE & BFS, 2001; BFS, 2005a; Auswertungen bfu<br />

Ein ähnliches Bild wie Tabelle 7 zeigt die Relation zwischen der Anzahl<br />

schwer und tödlich verletzter Verkehrsteilnehmer zur jeweiligen Aufenthaltsdauer<br />

(Personenstunden) im Verkehr (Tabelle 8). Das Risiko für<br />

Benützer von zweirädrigen Motorfahrzeugen ist deutlich erhöht. Pro 1<br />

Mio. Stunden Aufenthaltsdauer im Verkehr verletzten sich 28 Motorradfahrer<br />

bzw. 20 Mofafahrer schwer oder tödlich. Die entsprechenden Werte<br />

betragen für Velofahrer 5, für Personenwageninsassen 2 und Fussgänger<br />

1. Während bei den Motorradfahrern zwischen 1994 und 2000 eine<br />

Reduktion von über 50 % erreicht werden konnte, beträgt die Abnahme<br />

bei den übrigen Verkehrsteilnehmergruppen rund 20 %.<br />

Verkehrsteilnahme<br />

Summe der Schwerverletzten und Getöteten<br />

1984 1989 1994 2000<br />

Veränderung<br />

1994/2000<br />

in %<br />

Motorrad 116.4 83.1 62.9 28.4 –55<br />

Mofa 28.7 27.4 24.8 20.0 –18<br />

Fahrrad 8.5 7.9 6.2 5.1 –18<br />

Personenwagen 5.3 4.0 2.3 1.8 –22<br />

Fussgänger 3.1 3.3 0.9 0.7 –22<br />

Quelle: ARE & BFS, 2001; BFS, 2005a; Auswertungen bfu<br />

Die Verkehrssicherheit konnte in den letzten 10 Jahren deutlich erhöht<br />

werden (Abbildung 8). Im Durchschnitt der Jahre 2003/04 waren 19 %<br />

weniger Schwerverletzte und Getötete zu verzeichnen als im Durchschnitt<br />

der Jahre 1993/94. Wurden vor zehn Jahren noch rund 7'600 Verkehrsteilnehmende<br />

jährlich schwer und tödlich verletzt, sind dies heute<br />

noch rund 6'200. Neben der Reduktion bei den Mofafahrern war die Ab-


<strong>Unfallgeschehen</strong> 85<br />

Abbildung 8:<br />

Summe der<br />

Schwerverletzten und<br />

Getöteten nach<br />

Verkehrsteilnahme,<br />

Ø 1993/94 vs.<br />

Ø 2003/04<br />

Deutliche Abnahme<br />

der schweren<br />

Fussgängerunfälle in<br />

den letzten fünf<br />

Jahren<br />

nahme bei den Fussgängern am ausgeprägtesten. Die Anzahl schwerer<br />

Fussgängerunfälle reduzierte sich in den vergangenen 10 Jahren um rund<br />

einen Drittel.<br />

Schwerverletzte und Getötete<br />

9000<br />

8000<br />

7000<br />

6000<br />

5000<br />

4000<br />

3000<br />

2000<br />

1000<br />

0<br />

Personenwagen<br />

- 23 %<br />

Motorrad<br />

+ 14 %<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

- 62<br />

Mofa<br />

Fahrrad<br />

- 15 % - 34 %<br />

Fussgänger<br />

Durchschnitt 1993/94 Durchschnitt 2003/04<br />

Total<br />

- 19 %<br />

Die Analyse des <strong>Unfallgeschehen</strong>s der letzten fünf Jahre zeigt nach wie<br />

vor eine deutliche Erhöhung der Verkehrssicherheit (Abbildung 9). Die<br />

Zahl schwer und tödlich Verletzter nahm insgesamt um 11 % ab. Mit Ausnahme<br />

der Motorradfahrer konnten alle Verkehrsteilnehmergruppen von<br />

diesem Erfolg profitieren. Während die Anzahl schwer und tödlich verletzter<br />

Motorradfahrer um 14 % zunahm, reduzierte sich diejenige der<br />

Fussgänger um 23 %.


86 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Abbildung 9:<br />

Summe der<br />

Schwerverletzten und<br />

Getöteten nach<br />

Verkehrsteilnahme,<br />

2000–2004<br />

Hohe Verletzungsschwere<br />

der<br />

Fussgänger<br />

Abbildung 10:<br />

Verletzungsschwere<br />

(case fatality) nach<br />

Verkehrsteilnahme,<br />

Ø 2000–2004<br />

Schwerverletzte und Getötete<br />

3000<br />

2500<br />

2000<br />

1500<br />

1000<br />

500<br />

0<br />

2000 2001 2002 2003 2004<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Personenwagen<br />

Motorrad<br />

Fahrrad<br />

Fussgänger<br />

Andere<br />

Mofa<br />

Nach wie vor problematisch ist die Verletzungsschwere von Fussgängern<br />

(Abbildung 10). Im Durchschnitt über alle Verkehrsteilnehmergruppen<br />

werden pro 10'000 Verunfallte rund 180 Personen tödlich verletzt (sog.<br />

case fatality). Dieser Wert ist bei den Fussgängern mehr als doppelt so<br />

hoch, pro 10'000 verunfallte Fussgänger verletzen sich knapp 390 tödlich.<br />

Die case fatality von Fussgängern hängt neben der Kollisionsgeschwindigkeit<br />

stark vom Alter der betroffenen Personen (s. Kap. VI.2<br />

Fussgänger, S. 87) und der Art der Kollisionsgegner (s. Kap. VI.3<br />

Kollisionsobjekte, S. 97) ab.<br />

Getötete pro 10'000 Verunfallte<br />

450<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Personenwagen<br />

Motorrad<br />

Mofa<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Fahrrad<br />

Fussgänger<br />

Andere<br />

Total


<strong>Unfallgeschehen</strong> 87<br />

Seniorinnen überdurchschnittlich<br />

stark<br />

betroffen<br />

Erhöhte Verletzungsschwere<br />

bei Männern<br />

Tabelle 9:<br />

Schwer verletzte und<br />

getötete Fussgänger<br />

nach Geschlecht,<br />

Ø 2000–2004<br />

Erhöhtes Unfallrisiko<br />

von Kindern und<br />

Senioren<br />

2. Fussgänger<br />

2.1 Betroffene Personen<br />

Die Anzahl schwer und tödlich verletzter Fussgänger verteilt sich nahezu<br />

hälftig auf Frauen und Männer (Tabelle 9). Die Frauen weisen ein leicht<br />

erhöhtes Risiko auf, dies zeigt sich in Relation zu deren Einwohnerzahl.<br />

Pro 100'000 Einwohnerinnen verletzen sich 12.9 Fussgängerinnen schwer<br />

oder tödlich, der entsprechende Wert bei den Männern beträgt 12.6.<br />

Dieses erhöhte bevölkerungsbezogene Risiko von Frauen resultiert fast<br />

ausschliesslich aus der Altersgruppe der Seniorinnen (Abbildung 11). Im<br />

Alter von 65 bis 74 Jahren verunfallen – bezogen auf die Einwohnerzahl –<br />

rund 30 % mehr Frauen als Männer. In den übrigen Altersgruppen weisen<br />

meist die Männer ein erhöhtes Risiko auf.<br />

Die Verletzungsschwere (case fatality) von Männern ist generell höher als<br />

diejenige der Frauen. Pro 10'000 Verunfallte ist der Anteil tödlich verletzter<br />

Männer um rund 30 % erhöht (Tabelle 9). Einzig bei den Mädchen<br />

zwischen 0 und 6 Jahren treten häufiger tödliche Verletzungen auf als bei<br />

den gleichaltrigen Knaben (Abbildung 12, S. 89).<br />

Schwerverletzte<br />

(SV)<br />

Getötete<br />

(Get)<br />

Total<br />

SV+Get<br />

SV+Get<br />

pro<br />

100'000<br />

Einwohner<br />

Case<br />

fatality<br />

Frauen 431 46 477 12.9 338<br />

Männer 389 57 446 12.6 439<br />

Total 820 103 923 12.7 387<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Kinder bis 14 Jahre und Senioren ab 65 Jahren sind überdurchschnittlich<br />

stark von schweren Fussgängerunfällen betroffen (Tabelle 10). Pro<br />

100'000 Einwohner verletzten sich jährlich rund 20 Kinder zwischen 7 und<br />

14 Jahren (doppelt so viele Knaben wie Mädchen) und 40 Senioren über<br />

74 Jahre schwer bzw. tödlich (Abbildung 8).


88 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Tabelle 10:<br />

Schwer verletzte und<br />

getötete Fussgänger<br />

nach Alter,<br />

Ø 2000–2004<br />

Die Verletzungsschwere steigt mit zunehmendem Alter (Abbildung 12).<br />

Senioren zwischen 65 und 74 Jahren weisen eine rund 2-fach, Senioren<br />

über 74 Jahren sogar eine 3-fach erhöhte Verletzungsschwere gegenüber<br />

dem Durchschnitt aller verunfallten Fussgänger auf.<br />

Schwerverletzte<br />

(SV)<br />

Getötete<br />

(Get)<br />

Total<br />

SV+Get<br />

SV+Get<br />

pro 100'000<br />

Einwohner<br />

Case<br />

fatality<br />

0–6 70 6 76 14.0 241<br />

7–14 134 4 138 20.1 73<br />

15–17 25 1 26 10.6 116<br />

18–24 52 3 55 9.1 114<br />

25–44 120 9 129 5.8 184<br />

45–64 159 20 179 9.8 416<br />

65–74 96 15 111 18.7 657<br />

über 74 163 46 209 39.2 1'152<br />

Total 820 103 923 12.7 387<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

In Abbildung 11 sind insbesondere die beiden schon beschriebenen Tatsachen<br />

(erhöhtes Risiko von Kindern/Senioren und erhöhtes Risiko von<br />

Knaben) anschaulich dargestellt. Zudem fällt auf, dass junge Männer zwischen<br />

15 und 17 Jahren und – wie schon erwähnt – ältere Männer zwischen<br />

65 und 74 Jahren gegenüber gleichaltrigen Frauen ein unterdurchschnittliches<br />

bevölkerungsbezogenes Risiko aufweisen.


<strong>Unfallgeschehen</strong> 89<br />

Abbildung 11:<br />

Summe der schwer<br />

verletzten und<br />

getöteten Fussgänger<br />

pro 100’000<br />

Einwohner,<br />

Ø 2000–2004<br />

Ältere Männer häufig<br />

tödlich verletzt<br />

Abbildung 12:<br />

Getötete Fussgänger<br />

pro 10’000<br />

Verunfallte,<br />

Ø 2000–2004<br />

SV+Get pro 100'000 Einwohner<br />

45.0<br />

40.0<br />

35.0<br />

30.0<br />

25.0<br />

20.0<br />

15.0<br />

10.0<br />

5.0<br />

0.0<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Frauen Männer Total<br />

0-6 7–14 15-17 18-24 25-44 45-64 65-74 über 74<br />

Abbildung 12 zeigt die generell erhöhte Verletzungsschwere von männlichen<br />

Fussgängern sowie die ansteigende Verletzungsschwere mit zunehmendem<br />

Alter. Auffallend ist insbesondere, dass pro 10'000 verunfallte<br />

Senioren fast doppelt so viele Männer getötet werden wie Frauen.<br />

Getötete pro 10'000 Verunfallte<br />

1800<br />

1600<br />

1400<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Frauen Männer Total<br />

0-6 7–14 15-17 18-24 25-44 45-64 65-74 über<br />

74


90 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Auch expositionsbereinigtes<br />

Risiko der<br />

Kinder und Senioren<br />

erhöht<br />

Abbildung 13:<br />

Summe der schwer<br />

verletzten und<br />

getöteten Fussgänger<br />

pro 100 Mio.<br />

Personenkilometer,<br />

2000<br />

In Abbildung 13 wird berücksichtigt, wie viele Kilometer die Personen in<br />

den unterschiedlichen Altersklassen zu Fuss leisten (Exposition) 12 . Auch<br />

die expositionsbereinigten Daten zeigen ein deutlich erhöhtes Risiko für<br />

Kinder bis 14 Jahre sowie Senioren ab 70 Jahren.<br />

Pro 100 Mio. Personenkilometer verunfallten praktisch gleich viele Frauen<br />

wie Männer schwer und tödlich, rund 23. Insbesondere zwischen dem 15.<br />

und 69. Altersjahr sind die Risiken der beiden Geschlechter nahezu identisch.<br />

Knaben bis 14 Jahre und Seniorinnen ab 70 Jahren weisen hingegen<br />

ein erhöhtes Risiko gegenüber ihren andersgeschlechtlichen Altersgenossen<br />

auf.<br />

SV+Get pro 100 Mio. Personenkilometer<br />

140.0<br />

120.0<br />

100.0<br />

80.0<br />

60.0<br />

40.0<br />

20.0<br />

0.0<br />

Total Männer Frauen<br />

Quelle: ARE & BFS, 2001; BFS, 2005a; Auswertungen bfu<br />

6-9<br />

10-14<br />

15-17<br />

18-24<br />

25-34<br />

35-44<br />

45-54<br />

55-64<br />

65-69<br />

70-74<br />

75-79<br />

80-84<br />

85+<br />

In Abbildung 14 wird berücksichtigt, wie viele Stunden sich die Personen<br />

in den unterschiedlichen Altersklassen zu Fuss im Verkehr aufhalten (Exposition).<br />

Es zeigt sich praktisch dasselbe Bild wie in Abbildung 13.<br />

12 Die Kilometerleistungen wurden dem Mikrozensus (Bundesamt für Raumentwicklung<br />

ARE & Bundesamt für Statistik BFS, 2001) entnommen. Diese Erhebungen werden ca.<br />

alle 5 Jahre vorgenommen und die aktuellsten Daten stammen aus dem Jahr 2000.<br />

Angaben zur Exposition liegen für Personen ab 6 Jahren vor.


<strong>Unfallgeschehen</strong> 91<br />

Abbildung 14:<br />

Summe der schwer<br />

verletzten und<br />

getöteten Fussgänger<br />

pro 1 Mio.<br />

Personenstunden,<br />

2000<br />

Hohe Gefährdung der<br />

Fussgänger beim<br />

Queren der Fahrbahn<br />

Verletzungsschwere<br />

bei Fussgängerunfällen<br />

in Längsrichtung<br />

am höchsten<br />

SV+Get pro 1 Mio. Personenstunden<br />

4.5<br />

4.0<br />

3.5<br />

3.0<br />

2.5<br />

2.0<br />

1.5<br />

1.0<br />

0.5<br />

0.0<br />

Total Männer Frauen<br />

Quelle: ARE & BFS, 2001; BFS, 2005a; Auswertungen bfu<br />

2.2 Unfalltyp<br />

6-9<br />

10-14<br />

15-17<br />

18-24<br />

25-34<br />

35-44<br />

45-54<br />

55-64<br />

65-69<br />

70-74<br />

75-79<br />

80-84<br />

85+<br />

Mehr als 70 % der schweren und tödlichen Verletzungen erleiden die<br />

Fussgänger beim Queren der Fahrbahn, 6 % ergeben sich beim Längsverkehr<br />

und gut 20 % bei anderen Verkehrssituationen (z. B. beim Ein-/<br />

Aussteigen, Aufenthalt auf Parkplätzen/Nebenanlagen) (Tabelle 11). Bei<br />

den insgesamt 660 schweren und tödlichen Verletzungen beim Queren<br />

der Fahrbahn stehen Kollisionen mit geradeaus fahrenden Fahrzeugen<br />

mit einem Anteil von über 90 % im Vordergrund, der Anteil Kollisionen mit<br />

abbiegenden Fahrzeugen macht nur knapp 10 % aus.<br />

Es fällt auf, dass der Anteil Fussgängerunfälle in Längsrichtung bei den<br />

Getötetenzahlen erhöht ist. Das widerspiegelt sich auch in der Verletzungsschwere,<br />

die mit knapp 500 Getöteten pro 100'000 Verunfallten bei<br />

diesem Unfalltyp am höchsten ist. Diese Unfälle ereignen sich überdurchschnittlich<br />

oft auf Ausserortsstrassen, wo die Kollisionsgeschwindigkeiten<br />

höher sind als innerorts. Niedrige Kollisionsgeschwindigkeiten, wie bei<br />

Unfällen mit abbiegenden Fahrzeugen, führen zu einer deutlich geringeren<br />

Verletzungsschwere. Kollidiert ein Fussgänger beim Queren mit einem<br />

abbiegenden Fahrzeug, ist die durchschnittliche Verletzungsschwere<br />

nur etwa halb so gross wie bei der Kollision mit einem geradeaus fahrenden<br />

Fahrzeug (188 vs. 384).


92 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Tabelle 11:<br />

Schwer verletzte und<br />

getötete Fussgänger<br />

nach Unfalltyp,<br />

Ø 2000–2004<br />

Hohe Gefährdung der<br />

Kinder beim Queren<br />

der Fahrbahn<br />

Eine erhöhte Verletzungsschwere weist auch der Unfalltyp „andere, unbekannt“<br />

auf, was insbesondere auf die tödlich verletzten Fussgänger auf<br />

Autobahnen zurückzuführen ist.<br />

Kollision mit querendem FG<br />

• geradeaus fahrendes Fz<br />

• abbiegendes Fz<br />

FG-Unfall in Längsrichtung<br />

• Fz in gleicher Richtung<br />

• entgegenkommendes Fz<br />

Schwerverletzte<br />

Getötete Total<br />

abs. % abs. % abs. %<br />

592<br />

542<br />

50<br />

51<br />

34<br />

17<br />

72<br />

66<br />

6<br />

6<br />

4<br />

2<br />

68<br />

65<br />

3<br />

9<br />

6<br />

3<br />

66<br />

63<br />

3<br />

9<br />

6<br />

3<br />

660<br />

607<br />

53<br />

60<br />

40<br />

20<br />

72<br />

66<br />

6<br />

6<br />

4<br />

2<br />

Case<br />

fatality<br />

365<br />

384<br />

188<br />

493<br />

514<br />

455<br />

andere, unbekannt 177 22 26 25 203 22 421<br />

Total 820 100 103 100 923 100 387<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Kinder verunfallen überdurchschnittlich oft beim Queren der Fahrbahn,<br />

der Anteil dieses Unfalltyps macht bei den 0- bis 14-Jährigen 81 % aus<br />

(Tabelle 12). Von Fussgängerunfällen in Längsrichtung sind demgegenüber<br />

die 15- bis 64-Jährigen überdurchschnittlich stark betroffen.<br />

Die Verletzungsschwere erhöht sich mit zunehmendem Alter. Senioren<br />

verletzen sich generell schwerer als die übrigen Fussgänger, bei Unfällen<br />

mit tiefen Kollisionsgeschwindigkeiten kommt dies noch ausgeprägter<br />

zum Ausdruck. Während die case fatality von Senioren bei Fussgängerunfällen<br />

insgesamt rund 7.5-mal höher ist als bei Kindern, beträgt dieses<br />

Verhältnis bei Kollisionen von querenden Fussgängern sogar 12.4. Senioren<br />

erleiden also bereits bei tiefen Kollisionsgeschwindigkeiten sehr<br />

schwere Verletzungen.


<strong>Unfallgeschehen</strong> 93<br />

Tabelle 12:<br />

Summe der schwer<br />

verletzten und<br />

getöteten Fussgänger<br />

nach Alter und<br />

Unfalltyp,<br />

Ø 2000–2004<br />

Kinder<br />

(0–14 Jahre)<br />

Erwachsene<br />

(15–64 Jahre)<br />

Senioren<br />

(65+ Jahre)<br />

Total<br />

Kollision<br />

mit querendem<br />

FG<br />

FG-Unfall<br />

in Längsrichtung<br />

andere,<br />

unbekannt<br />

Total<br />

SV+Get 173 9 32 214<br />

% 81 4 15 100<br />

case fatality 88 127 372 131<br />

SV+Get 257 34 98 389<br />

% 66 9 25 100<br />

case fatality 202 472 296 250<br />

SV+Get 230 17 73 320<br />

% 72 5 23 100<br />

case fatality 1'093 833 697 970<br />

SV+Get 660 60 203 923<br />

% 72 6 22 100<br />

case fatality 365 493 421 387<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

2.3 Verletzungen<br />

Die Daten der Polizei beinhalten, im Gegensatz zur Statistik der Versicherer<br />

(SSUV), keine Angaben zu den Verletzungsarten. Deshalb werden für<br />

folgende Analysen die SSUV-Daten (der Jahre 1999 – 2003) verwendet.<br />

Abbildung 15 zeigt, dass von den insgesamt 19’788 Verletzungen – bei<br />

11’432 verletzten Fussgängern – 35 % die unteren Extremitäten und 23 %<br />

die oberen Extremitäten betreffen. Es folgen mit 19 % Verletzungen an<br />

Kopf, Gesicht, Hals und mit 13 % Verletzungen am Rumpf. Verletzungen<br />

an Wirbelsäule/Rückenmark machen 5 % aus. Bei 5 % handelt es sich um<br />

andere oder nicht codierte Verletzungen.


94 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Abbildung 15:<br />

Verletzungslokalisation<br />

bei<br />

Fussgängern,<br />

Ø 1999–2003<br />

Fast die Hälfte der<br />

Verletzungen sind<br />

Prellungen<br />

Abbildung 16:<br />

Verletzungsarten von<br />

Fussgängern an<br />

unteren Extremitäten,<br />

Ø 1999–2003<br />

8000<br />

7000<br />

6000<br />

5000<br />

4000<br />

3000<br />

2000<br />

1000<br />

0<br />

Untere Extremitäten<br />

Obere Extremitäten<br />

Kopf, Gesicht, Hals<br />

Quelle: SSUV (2005), Auswertungen bfu<br />

Rumpf<br />

Wirbelsäule<br />

Andere<br />

Bei 46 % der Verletzungen handelt es sich um Prellungen (Kontusionen),<br />

15 % sind Brüche (Frakturen), 13 % offene Wunden und 11 % Verstauchungen<br />

(Distorsionen). Die Verletzungsarten der verschiedenen Körperregionen<br />

unterscheiden sich stark. Nachfolgende Abbildungen zeigen die<br />

Verletzungsarten für die am häufigsten betroffenen Körperteile.<br />

56 % der Verletzungen an den unteren Extremitäten von Fussgängern sind<br />

Prellungen (Abbildung 16). Weitere häufige Verletzungsarten sind Verstauchungen<br />

(16 %) und Brüche (15 %). Weniger häufig sind offene Wunden und<br />

Verrenkungen (Luxationen).<br />

15%<br />

16%<br />

6%<br />

3% 4%<br />

Quelle: SSUV (2005), Auswertungen bfu<br />

56%<br />

Prellung<br />

Verstauchung<br />

Bruch<br />

Offene Wunde<br />

Verrenkung<br />

Andere


<strong>Unfallgeschehen</strong> 95<br />

Abbildung 17:<br />

Verletzungsarten von<br />

Fussgängern an<br />

oberen Extremitäten,<br />

Ø 1999–2003<br />

Abbildung 18:<br />

Verletzungsarten von<br />

Fussgängern an Kopf,<br />

Gesicht und Hals,<br />

Ø 1999–2003<br />

Auch an den oberen Extremitäten stehen Prellungen mit einem Anteil von<br />

49 % im Vordergrund (Abbildung 17). Brüche mit 17 %, offene Wunden mit<br />

13 % und Verstauchungen mit 11 % sind ebenfalls sehr häufig. Selten hingegen<br />

sind Verrenkungen.<br />

13%<br />

11%<br />

3% 7%<br />

17%<br />

Quelle: SSUV (2005), Auswertungen bfu<br />

49%<br />

Prellung<br />

Bruch<br />

Offene Wunde<br />

Verstauchung<br />

Verrenkung<br />

Andere<br />

Die häufigste Verletzungsart an Kopf, Gesicht und Hals sind offene Wunden<br />

mit einem Anteil von 37 % (Abbildung 18). Der Anteil der sehr schweren<br />

Hirnverletzungen macht 28 %, derjenige der Prellungen 24 % aus. Eher selten<br />

sind Brüche.<br />

24%<br />

6%<br />

5%<br />

28%<br />

Quelle: SSUV (2005), Auswertungen bfu<br />

37%<br />

Offene Wunde<br />

Hirnverletzung<br />

Prellung<br />

Bruch<br />

Andere


96 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Abbildung 19:<br />

Verletzungsarten von<br />

Fussgängern am<br />

Rumpf,<br />

Ø 1999–2003<br />

Zwei Drittel der Verletzungen am Rumpf sind Prellungen und etwa ein Viertel<br />

Brüche (Abbildung 19). Die oftmals schweren inneren Verletzungen machen<br />

7 % aus.<br />

23%<br />

7%<br />

5%<br />

Quelle: SSUV (2005), Auswertungen bfu<br />

65%<br />

Prellung<br />

Bruch<br />

Innere Verletzung<br />

Andere


<strong>Unfallgeschehen</strong> 97<br />

Personenwagen als<br />

häufigste Kollisionsgegner<br />

Abbildung 20:<br />

Kollisionsobjekte von<br />

schwer und tödlich<br />

verletzten<br />

Fussgängern,<br />

Ø 2000–2004<br />

3. Kollisionsobjekte<br />

Rund drei Viertel der schweren und tödlichen Verletzungen ziehen sich<br />

die Fussgänger bei Kollisionen mit Personenwagen zu (Abbildung 20). 13<br />

Kollisionen mit Sachentransportfahrzeugen (Lastwagen, Lieferwagen)<br />

machen einen Anteil von 8 %, diejenigen mit Motorrädern und Velos 6 %<br />

bzw. 4 % aus. Betrachtetet man nur diejenigen Ereignisse, bei denen ein<br />

Fussgänger getötet wurde, beträgt der Anteil beteiligter Sachentransportfahrzeuge<br />

19 %.<br />

4%<br />

1%<br />

6%<br />

8%<br />

3% 5%<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

73%<br />

PW<br />

Motorrad<br />

Mofa<br />

Velo<br />

Sachentransportfahrzeug<br />

Bus<br />

andere<br />

In den Jahren 2000 bis 2004 verletzten sich jährlich 600 zu Fuss Gehende<br />

schwer oder tödlich bei Kollisionen mit Personenwagen, deren 70<br />

bei Kollisionen mit Sachentransportfahrzeugen (Abbildung 21). Weitere 50<br />

verunfallten bei Unfällen mit Motorrädern und 40 bei Kollisionen mit Velos.<br />

13 Analysiert wurden 2er-Kollisionen von Fussgängern mit anderen Verkehrsteilnehmern,<br />

also Unfälle, bei denen jeweils ein Fussgänger schwer oder tödlich verletzt wurde und<br />

nur ein einziges Kollisionsobjekt beteiligt war. Rund 90 % der schweren<br />

Fussgängerunfälle entsprechen dieser Konstellation.


98 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Kollisionen von<br />

Fussgängern mit<br />

Sachentransportfahrzeugen<br />

sind am<br />

schwersten<br />

Abbildung 21:<br />

Summe der schwer<br />

und tödlich verletzten<br />

Fussgänger und<br />

deren Verletzungsschwere<br />

nach<br />

Kollisionsgegner,<br />

Ø 2000–2004<br />

Die schwersten Verletzungen zogen sich die Fussgänger bei Kollisionen<br />

mit Sachentransportfahrzeugen zu. Während die durchschnittliche Verletzungsschwere<br />

(Anzahl Getötete pro 10'000 verunfallte Fussgänger) bei<br />

knapp 400 liegt, beträgt dieser Wert bei Kollisionen mit Sachentransportfahrzeugen<br />

über 1'100. Überdurchschnittlich schwer sind auch Unfälle<br />

unter Beteiligung von Bussen/Cars, die case fatality der Fussgänger weist<br />

bei diesen Kollisionen einen Wert von über 600 auf.<br />

PW<br />

Motorrad<br />

Mofa<br />

Velo<br />

Sachentransportfahrzeug<br />

Bus<br />

andere<br />

1'000 500 0 500 1'000 1'500<br />

schwer verletzte und getötete Fussgänger Case fatality<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu


<strong>Unfallgeschehen</strong> 99<br />

Männliche PW-Fahrer<br />

sind die häufigsten<br />

Kollisionsgegner von<br />

Fussgängern<br />

Tabelle 13:<br />

Kollisionsgegner (PW-<br />

Fahrer) von schwer<br />

und tödlich verletzten<br />

Fussgängern nach<br />

Alter und Geschlecht,<br />

Ø 2000–2004<br />

Pro Einwohner sind<br />

mehr männliche als<br />

weibliche PW-Fahrer<br />

an FG-Unfällen<br />

beteiligt<br />

Identisches expositionsbereinigtes<br />

Risiko für beide<br />

Geschlechter<br />

4. Kollisionsgegner<br />

Nachfolgende Analysen beschränken sich auf die Fahrer von Personenwagen<br />

als Kollisionsgegner von schwer und tödlich verletzten Fussgängern.<br />

Die PW-Fahrer machen rund drei Viertel aller Kollisionsgegner der<br />

Fussgänger aus.<br />

Zwei Drittel der mit Fussgängern kollidierenden PW-Fahrer sind Männer<br />

(Tabelle 13). Mit einer Ausnahme beträgt der Anteil der Frauen in allen<br />

Altersgruppen rund 30 %. Einzig bei den 25- bis 44-Jährigen ist mit 36 %<br />

ein leicht erhöhter Anteil beteiligter Frauen auszumachen.<br />

Frauen Männer Total<br />

abs. % abs. % abs. %<br />

18–24 24 28 62 72 86 100<br />

25–44 86 36 154 64 240 100<br />

45–64 54 30 127 70 181 100<br />

65–74 14 30 33 70 47 100<br />

Über 74 11 29 27 71 38 100<br />

Total 189 32 403 68 592 100<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Ein ähnliches Bild zeigt der linke Teil von Tabelle 14: Pro 100'000 Einwohner<br />

sind 2.3-mal mehr männliche PW-Fahrer an schweren Fussgängerunfällen<br />

beteiligt als Frauen. Mit zunehmendem Alter nimmt der<br />

geschlechtsspezifische Unterschied zu, über 74-jährige männliche Fahrer<br />

sind rund viermal häufiger an solchen Kollisionen beteiligt als ihre<br />

Altersgenossinnen.<br />

Der rechte Teil von Tabelle 14 zeigt, dass pro 100 Mio. Personenkilometer<br />

(in Personenwagen absolvierte Fahrleistung) insgesamt gleich viele<br />

PW-Fahrer und -Fahrerinnen an schweren Fussgängerunfällen beteiligt<br />

sind. Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren und Frauen zwischen


100 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Ältere Fahrer sind<br />

überdurchschnittlich<br />

oft an schweren FG-<br />

Unfällen beteiligt<br />

Tabelle 14:<br />

Kollisionsgegner (PW-<br />

Fahrer) von schwer<br />

und tödlich verletzten<br />

Fussgängern nach<br />

Alter und Geschlecht,<br />

expositionsbereinigt,<br />

Ø 2000–2004<br />

65 und 74 Jahren weisen gegenüber ihren andersgeschlechtlichen Altersgenossen<br />

ein erhöhtes Risiko auf, als PW-Fahrer an schweren Fussgängerunfällen<br />

beteiligt zu sein.<br />

PW-Fahrer und -Fahrerinnen im Alter von 75 und mehr Jahren weisen ein<br />

deutlich erhöhtes (fahrleistungsbereinigtes) Risiko auf, an Unfällen mit<br />

schwer oder tödlich verletzten Fussgängern beteiligt zu sein. Gegenüber<br />

18- bis 24-Jährigen ist deren Risiko 2-fach, gegenüber 25- bis 64-Jährigen<br />

sogar 4-fach erhöht.<br />

Pro 100'000 Einwohner<br />

Pro 100 Mio.<br />

Personenkilometer<br />

Frauen Männer Total Frauen Männer Total<br />

18–24 8.4 20.4 14.5 1.7 2.4 2.1<br />

25–44 7.7 13.8 10.7 1.2 1.0 1.1<br />

45–64 5.9 14.0 9.9 1.2 1.2 1.2<br />

65–74 4.2 12.4 7.9 2.3 1.8 2.0<br />

Über 74 3.3 14.1 7.2 4.3 4.7 4.5<br />

Total 6.3 14.5 10.2 1.3 1.3 1.3<br />

Quelle: ARE & BFS, 2001; BFS, 2005a; Auswertungen bfu<br />

80 % der an schweren Fussgängerunfällen beteiligten PW-Fahrer besitzen<br />

ihren Führerschein mehr als vier Jahre, nahezu die Hälfte sogar mehr<br />

als 20 Jahre (Tabelle 15).


<strong>Unfallgeschehen</strong> 101<br />

Tabelle 15:<br />

Kollisionsgegner (PW-<br />

Fahrer) von schwer<br />

und tödlich verletzten<br />

Fussgängern nach<br />

Alter und Dauer des<br />

Führerscheinbesitzes,<br />

Ø 2000–2004<br />

Fünf Sechstel der an<br />

schweren Fussgängerunfällen<br />

beteiligten PW-Fahrer<br />

sind Schweizer<br />

Tabelle 16:<br />

Kollisionsgegner (PW-<br />

Fahrer) von schwer<br />

und tödlich verletzten<br />

Fussgängern nach<br />

Alter und Nationalität,<br />

Ø 2000–2004<br />

Dauer des Führerscheinbesitzes (in Jahren)<br />

< 1 1–2 2–3 3–4 4–20 > 20<br />

Keine<br />

Angabe Total<br />

18–24 19 17 16 11 19 0 4 86<br />

25–44 5 3 4 6 165 44 13 240<br />

45–64 1 0 1 1 17 152 9 181<br />

65–74 0 0 0 0 2 42 3 47<br />

über 74 0 0 0 0 1 35 2 38<br />

Total 25 20 21 18 204 273 31 592<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

85 % der an schweren Fussgängerunfällen beteiligten PW-Fahrer sind<br />

Schweizer, 12 % in der Schweiz wohnhafte und 3 % nicht in der Schweiz<br />

wohnhafte Ausländer (Tabelle 16). Der Anteil der in der Schweiz wohnhaften<br />

Ausländer in den Altergruppen der 18- bis 24- und 25- bis 44-Jährigen<br />

beträgt bei diesen Unfällen knapp 20 Prozent.<br />

Schweizer<br />

Ausländer<br />

(Wohnort<br />

Schweiz)<br />

Nationalität<br />

Ausländer<br />

(Wohnort<br />

Ausland) Total<br />

abs. % abs. % abs. % abs. %<br />

18–24 68 79 16 19 2 2 86 100<br />

25–44 192 80 40 17 8 3 240 100<br />

45–64 161 89 13 7 7 4 181 100<br />

65–74 42 90 3 6 2 4 47 100<br />

über 74 37 97 0 0 1 3 38 100<br />

Total 500 85 72 12 20 3 592 100<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Ob die ausländische Wohnbevölkerung ein anderes Risikoverhalten aufweist<br />

als diejenige mit Schweizer Pass, lässt sich aus den vorliegenden<br />

Daten nicht herleiten. Zwar ist der Anteil ausländischer Einwohner an der


102 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Tabelle 17:<br />

Ständige Wohnbevölkerung<br />

in der<br />

Schweiz nach<br />

Nationalität,<br />

2004<br />

ständigen Wohnbevölkerung (Tabelle 17) deutlich höher als deren Anteil<br />

als PW-Fahrer bei schweren Fussgängerunfällen – was auf ein tieferes<br />

Risiko schliessen liesse –, doch könnte dieser Effekt rein auf die Exposition<br />

zurückzuführen sein (z. B. tieferer Anteil Führerscheinbesitzer bei<br />

Ausländern; höhere Verfügbarkeit von Personenwagen für Schweizer;<br />

niedrigere jährliche Fahrleistungen von Ausländern).<br />

Schweizer Ausländer Total<br />

abs. % abs. % abs. %<br />

18–24 470’511 77 136’554 23 607’065 100<br />

25–44 1'628’782 73 611’825 27 2'240’607 100<br />

45–64 1'565’492 83 322’917 17 1'888’409 100<br />

65–74 536’645 89 66’333 11 602’978 100<br />

über 74 524’783 95 28’980 5 553’763 100<br />

Total 4'726’213 80 1'166’609 20 5'892’822 100<br />

Quelle: BFS (2005b), Auswertungen bfu


<strong>Unfallgeschehen</strong> 103<br />

9 von 10 Fussgängerunfällen<br />

passieren auf<br />

Innerortsstrassen<br />

Tabelle 18:<br />

Schwer verletzte und<br />

getötete Fussgänger<br />

nach Ortslage,<br />

Ø 2000–2004<br />

Viele Tote auf<br />

Hauptstrassen<br />

5. Infrastruktur<br />

90 % der schweren Fussgängerunfälle ereignen sich im Innerortsbereich<br />

(Tabelle 18). Während von den Schwerverletzten 8 % auf Ausserortsstrassen<br />

verunfallen, beträgt dieser Anteil bei den Getötetenzahlen 18 %.<br />

Auf Autobahnen verunfallen zwar sehr wenige Fussgänger, deren Verletzungsschwere<br />

ist aber enorm hoch. Nahezu jeder dritte verunfallte Fussgänger<br />

erleidet hier tödliche Verletzungen. Auf Ausserortsstrassen wird<br />

jeder 10., auf Innerortsstrassen jeder 30. in einen Unfall verwickelte<br />

Fussgänger getötet.<br />

Schwerverletzte<br />

Getötete Total<br />

abs. % abs. % abs. %<br />

Case<br />

fatality<br />

Innerorts 752 92 79 77 831 90 320<br />

Ausserorts 64 8 19 18 83 9 1’097<br />

Autobahn 4 0 5 5 9 1 3’067<br />

Total 820 100 103 100 923 100 387<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Die Unfälle verteilen sich je etwa hälftig auf Haupt- und Nebenstrassen<br />

(Tabelle 19). Fussgängerunfälle mit Todesfolge ereignen sich überdurchschnittlich<br />

oft auf Hauptstrassen und Autobahnen. Die Verletzungsschwere<br />

(case fatality) auf Hauptstrassen ist rund doppelt, auf Autobahnen<br />

etwa 12-mal so hoch wie auf Nebenstrassen.


104 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Tabelle 19:<br />

Schwer verletzte und<br />

getötete Fussgänger<br />

nach Strassenart,<br />

Ø 2000–2004<br />

⅔ der Fussgängerunfälle<br />

auf Geraden<br />

Tabelle 20:<br />

Schwer verletzte und<br />

getötete Fussgänger<br />

nach Unfallstelle,<br />

Ø 2000–2004<br />

⅓ der Unfälle auf<br />

Fussgänger-Streifen<br />

Schwerverletzte<br />

Getötete Total<br />

abs. % abs. % abs. %<br />

Case<br />

fatality<br />

Nebenstrasse 399 49 35 34 434 47 260<br />

Hauptstrasse 356 43 57 55 413 45 509<br />

Autobahn 4 0 5 5 9 1 3’067<br />

Andere, unbek. 61 8 6 6 67 7 342<br />

Total 820 100 103 100 923 100 387<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

¾ der schweren Unfälle ereignen sich auf Geraden oder in Kurven der<br />

freien Strecke (d. h. ohne Einmündungen und Kreuzungen), ⅔ allein auf<br />

Geraden (Tabelle 20). 1/6 der Fussgängerunfälle mit schweren oder tödlichen<br />

Verletzungensfolgen passieren an Einmündungen oder Kreuzungen.<br />

Die schwersten Unfälle ereignen sich in Kurven, die leichtesten an Kreuzungen.<br />

Freie Strecke<br />

• Gerade<br />

• Kurve<br />

Knoten<br />

• Einmündung<br />

• Kreuzung<br />

Schwerverletzte<br />

Getötete Total<br />

abs. % abs. % abs. %<br />

615<br />

532<br />

83<br />

133<br />

70<br />

63<br />

75<br />

65<br />

10<br />

16<br />

8<br />

8<br />

81<br />

68<br />

13<br />

16<br />

10<br />

6<br />

78<br />

66<br />

12<br />

16<br />

10<br />

6<br />

696<br />

600<br />

96<br />

149<br />

80<br />

69<br />

75<br />

65<br />

10<br />

16<br />

9<br />

7<br />

Case<br />

fatality<br />

407<br />

392<br />

515<br />

337<br />

410<br />

256<br />

Andere, unbek. 72 9 6 6 78 9 306<br />

Total 820 100 103 100 923 100 387<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

⅔ der schweren Unfälle ereignen sich abseits von Fussgängerstreifen<br />

(Tabelle 21). Diese Kollisionen sind schwerer als diejenigen auf dem<br />

Streifen.


<strong>Unfallgeschehen</strong> 105<br />

Tabelle 21:<br />

Schwer verletzte und<br />

getötete Fussgänger<br />

auf und abseits von<br />

Fussgängerstreifen,<br />

Ø 2000–2004<br />

Schwerste Unfälle in<br />

Steigungen<br />

Tabelle 22:<br />

Schwer verletzte und<br />

getötete Fussgänger<br />

nach Strassenanlage,<br />

Ø 2000–2004<br />

Verletzungsschwere<br />

stark abhängig von<br />

der Geschwindigkeit<br />

Abseits von<br />

Fussgänger-<br />

Streifen<br />

Auf Fussgänger-<br />

Streifen<br />

Schwerverletzte<br />

Getötete Total<br />

abs. % abs. % abs. %<br />

Case<br />

fatality<br />

507 62 67 65 574 62 412<br />

313 38 36 35 349 38 346<br />

Total 820 100 103 100 923 100 387<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

70 % aller Fussgänger verunfallen auf ebenem Gelände, 18 % im Gefälle<br />

und 12 % in Steigungen (Tabelle 22). Die Verletzungsschwere ist in Steigungen<br />

am höchsten.<br />

Schwerverletzte<br />

Getötete Total<br />

abs. % abs. % abs. %<br />

Case<br />

fatality<br />

Eben 574 70 69 67 643 70 362<br />

Gefälle* 143 18 19 18 162 18 422<br />

Steigung* 101 12 15 15 116 12 485<br />

Andere, unbek. 2 0 0 0 2 0 357<br />

Total 820 100 103 100 923 100 387<br />

* bezieht sich auf die Fahrtrichtung des unfallauslösenden Objekts<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Tabelle 23 widerspiegelt praktisch dasselbe Bild wie Tabelle 18. 86 % der<br />

schweren oder tödlichen Verletzungen beim zu Fuss Gehen ergeben sich<br />

bei signalisierten Höchstgeschwindigkeiten von 50 km/h oder weniger<br />

(v. a. innerorts). Bei signalisierten Geschwindigkeiten von über 50 km/h<br />

(v. a. ausserorts) ist die Verletzungsschwere 4-mal so hoch wie bei<br />

50 km/h und sogar fast 7-mal so hoch wie bei signalisierten Geschwindigkeiten<br />

unter 50 km/h.


106 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Tabelle 23:<br />

Schwer verletzte und<br />

getötete Fussgänger<br />

nach signalisierter<br />

Höchstgeschwindigkeit,<br />

Ø 2000–2004<br />

Schwerverletzte<br />

Getötete Total<br />

abs. % abs. % abs. %<br />

Case<br />

fatality<br />

50 km/h 682 83 69 67 751 81 308<br />

Über 50 km/h 93 11 31 30 124 14 1’220<br />

Unter 50 km/h 45 6 3 3 48 5 180<br />

Total 820 100 103 100 923 100 387<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu


<strong>Unfallgeschehen</strong> 107<br />

Nasse/feuchte<br />

Fahrbahnen sind<br />

gefährlicher<br />

Tabelle 24:<br />

Schwer verletzte und<br />

getötete Fussgänger<br />

nach Strassenzustand,<br />

Ø 2000–2004<br />

Keine Niederschläge<br />

bei 8 von 10 Unfällen<br />

Tabelle 25:<br />

Schwer verletzte und<br />

getötete Fussgänger<br />

nach Witterung,<br />

Ø 2000–2004<br />

Überdurchschnittliche<br />

Anzahl Unfälle im<br />

Winter<br />

6. Umwelteinflüsse<br />

71 % der schweren Unfälle ereignen sich auf trockener Fahrbahn (Tabelle<br />

24). Die Verletzungsschwere ist auf nasser/feuchter gegenüber trockener<br />

Fahrbahn leicht erhöht, auf winterlicher deutlich reduziert.<br />

Schwerverletzte<br />

Getötete Total<br />

abs. % abs. % abs. %<br />

Case<br />

fatality<br />

Trocken 579 71 74 72 653 71 384<br />

Nass/feucht 227 28 28 27 255 28 405<br />

Winterlich 13 1 1 1 14 1 276<br />

Andere, unbek. 1 0 0 0 1 0 0<br />

Total 820 100 103 100 923 100 387<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

82 % der Fussgängerunfälle ereignen sich bei trockener Witterung (Tabelle<br />

25). Die Verletzungsschwere bei Niederschlägen (Regen/Schnee) ist<br />

leicht reduziert.<br />

Keine<br />

Niederschläge<br />

Schwerverletzte<br />

Getötete Total<br />

abs. % abs. % abs. %<br />

Case<br />

fatality<br />

672 82 87 84 759 82 391<br />

Regen/Schnee 146 18 16 16 162 18 366<br />

Andere, unbek. 2 0 0 0 2 0 250<br />

Total 820 100 103 100 923 100 387<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

28 % aller Unfälle ereignet sich in Monaten, die bezüglich des Wetters als<br />

Sommermonate bezeichnet werden können (Mai bis August, Tabelle 26).<br />

Etwa ein Drittel der Fussgängerunfälle passieren in den Monaten März,<br />

April, September oder Oktober, die hier als Frühling respektive Herbst


108 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Tabelle 26:<br />

Schwer verletzte und<br />

getötete Fussgänger<br />

nach Jahreszeit,<br />

Ø 2000–2004<br />

⅔ der Unfälle bei Tag<br />

Tabelle 27:<br />

Schwer verletzte und<br />

getötete Fussgänger<br />

nach Lichtverhältnissen,<br />

Ø 2000–2004<br />

Wenige Unfälle in den<br />

Nachtstunden<br />

definiert wurden. Zwischen November und Februar verunfallen rund 40 %<br />

der zu Fuss Gehenden. Die Verletzungsschwere ist im Winter am höchsten.<br />

Dieser scheinbare Widerspruch zu Tabelle 25 liegt darin begründet,<br />

dass die Strassen auch im Winter nur relativ selten winterliche Verhältnisse<br />

aufweisen, der tägliche Anteil von Nacht- und Dämmerungsstunden<br />

in dieser Jahreszeit aber erhöht ist (siehe auch Tabelle 27).<br />

Winter<br />

(Nov bis Feb)<br />

Frühling/Herbst<br />

(Mrz, Apr, Sep, Okt)<br />

Sommer<br />

(Mai bis Aug)<br />

Schwerverletzte<br />

Getötete Total<br />

abs. % abs. % abs. %<br />

Case<br />

fatality<br />

326 40 42 41 368 40 430<br />

265 32 27 26 292 32 309<br />

229 28 34 33 263 28 419<br />

Total 820 100 103 100 923 100 387<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Rund jeder dritte FG-Unfall ereignet sich bei eingeschränkten Lichtverhältnissen<br />

(Tabelle 27). Die Verletzungsschwere bei Nacht ist rund doppelt<br />

so hoch wie diejenige am Tag.<br />

Schwerverletzte<br />

Getötete Total<br />

abs. % abs. % abs. %<br />

Case<br />

fatality<br />

Tag 545 66 59 57 604 65 317<br />

Nacht 226 28 39 38 265 29 601<br />

Dämmerung 49 6 5 5 54 6 333<br />

Total 820 100 103 100 923 100 387<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

9 % aller Fussgängerunfälle geschehen in den Nachtstunden (Tabelle<br />

28). Unfälle am späteren Nachmittag und abends sind im Vergleich viel


<strong>Unfallgeschehen</strong> 109<br />

Tabelle 28:<br />

Schwer verletzte und<br />

getötete Fussgänger<br />

nach Unfallzeit,<br />

Ø 2000–2004<br />

Höchste Unfallzahl<br />

zwischen 17 und<br />

18 Uhr<br />

Abbildung 22:<br />

Summe der schwer<br />

verletzten und<br />

getöteten Fussgänger<br />

nach Unfallzeit und<br />

Alter,<br />

Ø 2000–2004<br />

häufiger (44 %). Rund 30 % verunfallen am Mittag oder frühen Nachmittag.<br />

Die Verletzungsschwere in den Nachtstunden ist signifikant erhöht.<br />

Abend<br />

(15:30 – 21:29 Uhr)<br />

Mittag<br />

(10:30 – 15:29 Uhr)<br />

Morgen<br />

(06:30 – 10:29 Uhr)<br />

Nacht<br />

(21:30 – 06:29 Uhr<br />

Schwerverletzte<br />

Getötete Total<br />

abs. % abs. % abs. %<br />

Case<br />

fatality<br />

358 44 45 44 403 44 391<br />

237 29 28 27 265 29 335<br />

151 18 18 17 169 18 389<br />

74 9 12 12 86 9 552<br />

Total 820 100 103 100 923 100 387<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Alle Altersklassen weisen zwischen 17:00 und 18:00 Uhr die höchste Zahl<br />

schwer und tödlich verletzter Fussgänger auf (Abbildung 22). Kinder (bis<br />

17 Jahre) verunfallen am zweithäufigsten kurz vor Mittag (11:00 bis 12:00<br />

Uhr), Erwachsene (18–64 Jahre) am frühen Morgen (07:00 bis 08:00 Uhr)<br />

und Senioren (ab 65 Jahren) am späteren Vormittag (10:00 bis 11:00 Uhr)<br />

sowie Mitte Nachmittag (14:00 bis 15:00 Uhr). Diese Unfallspitzen widerspiegeln<br />

primär das Expositionsverhalten der einzelnen Altersklassen.<br />

Schwerverletzte und Getötete<br />

50<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

6:00 8:00 10:00 12:00 14:00 16:00 18:00 20:00 22:00<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Unfallzeit<br />

0-17 18-64 65+


110 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Kollisionsgegner<br />

häufiger schuldig als<br />

Fussgänger<br />

Abbildung 23:<br />

Mängelverteilung<br />

zwischen schwer<br />

verletzten und<br />

getöteten Fussgängern<br />

und deren<br />

Kollisionsgegnern,<br />

Ø 2000–2004<br />

7. Unfallursachen<br />

7.1 Systematik der Ursachenerfassung<br />

Die Polizei kann jedem an einem Unfall beteiligten Objekt bis zu maximal<br />

drei Mängel und Einflüsse (Ursachen) zuschreiben. Anhand dieser Angaben<br />

kann auf mögliche Unfallursachen geschlossen werden.<br />

Zur Codierung verfügt die Polizei über einen Katalog mit rund 150 Mängeln/Einflüssen<br />

aus folgenden vier Kategorien:<br />

• direkter Einfluss des Lenkers oder Fussgängers<br />

• äusserer Einfluss<br />

• Mängel am Fahrzeug<br />

• Verkehrsablauf/Verkehrsregeln<br />

7.2 Übersicht<br />

Die Polizeirapporte zeigen, dass bei 54 % der Fälle (2er-Kollisionen von<br />

Fussgängern mit anderen Verkehrsteilnehmenden) ausschliesslich die<br />

Kollisionsgegner der Fussgänger bemängelt wurden, bei 28 % ausschliesslich<br />

die Fussgänger und bei 18 % waren beide Parteien mitschuldig<br />

(Abbildung 23). Diese Schuldanteile haben sich in den letzten 10 Jahren<br />

deutlich zu Ungunsten der Kollisionsgegner verschoben. Im Jahr 1994<br />

betrug der Anteil bemängelter Kollisionsgegner noch 47 %.<br />

Nur Kollisionsgegner<br />

bemängelt<br />

54%<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Beide Partner<br />

bemängelt<br />

18%<br />

Nur Fussgänger<br />

bemängelt<br />

28%


<strong>Unfallgeschehen</strong> 111<br />

Unvorsichtiges<br />

Queren bei den<br />

Fussgängern als<br />

häufigste Ursache<br />

Missachten der Anhaltepflicht<br />

vor dem<br />

Fussgängerstreifen<br />

bei den Kollisionsgegnern<br />

am<br />

häufigsten<br />

Abbildung 24:<br />

Wichtigste Unfallursachen<br />

bei schwer<br />

verletzten und<br />

getöteten Fussgängern<br />

und deren<br />

Kollisionsgegnern,<br />

Ø 2000–2004<br />

Die häufigsten Ursachen bei den Fussgängern sind „Unvorsichtiges Queren<br />

(Gehen)“ und „Springen/Laufen über die Fahrbahn“ mit einem Anteil<br />

von zusammen knapp 50 % (Abbildung 24). Weitere wichtige Ursachen<br />

sind „Nichtbenützen des Fussgängerstreifens“ (12 %), „Falsches Verhalten<br />

an Fussgängerstreifen und Lichtsignalanlagen (LAS)“ (8 %), „Verdacht<br />

auf Alkohol“ (6 %) und „Unaufmerksamkeit/Ablenkung“ (5 %).<br />

Die häufigste Ursache auf Seiten der Kollisionsgegner ist „Missachten der<br />

Anhaltepflicht vor dem Fussgängerstreifen“ mit einem Anteil von 35 %.<br />

Weitere wichtige Ursachen sind „Unaufmerksamkeit/Ablenkung“ (24 %),<br />

„Geschwindigkeit“ und „Unvorsichtiges Rückwärtsfahren“ (je 8 %), „Zu<br />

spätes Erkennen des Fussgängers (wegen Unauffälligkeit)“ (4 %) und<br />

„Verdacht auf Alkohol“ (3 %).<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Unvorsichtiges Gehen/<br />

Laufen über die Strasse<br />

Nichtbenützen des<br />

Fussgängerstreifens<br />

Falsches Verhalten<br />

Fussgängerstreifen/LSA<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Fussgänger Kollisionsgegner<br />

Verdacht auf Alkohol<br />

Unaufmerksamkeit und<br />

Ablenkung<br />

Zu spätes Erkennen des<br />

Fussgängers (wegen<br />

Unauffälligkeit)<br />

Unvorsichtiges<br />

Rückwärtsfahren<br />

Geschwindigkeit<br />

Missachten der<br />

Anhaltepflicht vor dem<br />

Fussgängerstreifen


112 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Kinder beim Spielen<br />

auf der Strasse stark<br />

gefährdet<br />

Tabelle 29:<br />

Wichtigste Unfallursachen<br />

bei schwer<br />

verletzten und<br />

getöteten Fussgängern<br />

nach Alter,<br />

Ø 2000–2004<br />

7.3 Fussgänger<br />

Die häufigste Unfallursache bei den Fussgängern ist in allen Altersgruppen<br />

das unvorsichtige Queren der Fahrbahn (Tabelle 29). Bei Kindern<br />

und Senioren ist der Anteil dieser Ursache aber deutlich erhöht. Bei Kindern<br />

sind zudem das Spielen auf der Strasse und bei Senioren das Nichtbenützen<br />

des Fussgängerstreifens überdurchschnittlich oft festzustellen.<br />

Bei Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren wird von der Polizei<br />

überdurchschnittlich oft ein Verdacht auf Alkohol und falsches Verhalten<br />

an Lichtsignalanlagen festgestellt.<br />

Unvorsichtiges Gehen/<br />

Laufen über die Strasse<br />

Nichtbenützen des<br />

Fussgängerstreifens<br />

Kinder<br />

(0–17)<br />

Erwachsene<br />

(18–64)<br />

Senioren<br />

(65+) Total<br />

58.0 % 38.3 % 52.4 % 48.8 %<br />

8.7 % 12.3 % 16.7 % 12.0 %<br />

Verdacht auf Alkohol 0.2 % 13.3 % 2.9 % 6.1 %<br />

Unaufmerksamkeit und<br />

Ablenkung<br />

6.0 % 4.4 % 3.3 % 4.8 %<br />

Spielen auf der Strasse 7.3 % 0.4 % 0.2 % 2.9 %<br />

Falsches Verhalten an<br />

Fussgängerstreifen/LSA<br />

Anderer/unbekannter<br />

Mangel<br />

6.1 % 8.8 % 7.8 % 7.6 %<br />

13.7 % 22.5 % 16.7 % 17.8 %<br />

Total 100.0 % 100.0 % 100.0 % 100.0 %<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Die Unfallursachen „Nichtbenützen des Fussgängerstreifens“ und „Falsches<br />

Verhalten an Fussgängerstreifen und Lichtsignalanlagen (LSA)“ tritt<br />

bei Frauen, „Verdacht auf Alkohol“ bei Männern gehäuft auf (Tabelle 30).


<strong>Unfallgeschehen</strong> 113<br />

Tabelle 30:<br />

Wichtigste Unfallursachen<br />

bei schwer<br />

verletzten und<br />

getöteten Fussgängern<br />

nach<br />

Geschlecht,<br />

Ø 2000–2004<br />

Schlechte Beachtung<br />

der Anhaltepflicht vor<br />

Fussgängerstreifen<br />

durch Personenwagenfahrer<br />

Unvorsichtiges Gehen/Laufen über<br />

die Strasse<br />

Nichtbenützen des<br />

Fussgängerstreifens<br />

Männer Frauen Total<br />

47.4 % 50.9 % 48.8 %<br />

10.5 % 14.2 % 12.0 %<br />

Verdacht auf Alkohol 9.0 % 1.8 % 6.1 %<br />

Unaufmerksamkeit und Ablenkung 5.2 % 4.0 % 4.8 %<br />

Spielen auf der Strasse 3.3 % 2.3 % 2.9 %<br />

Falsches Verhalten an<br />

Fussgängerstreifen/LSA<br />

5.8 % 10.2 % 7.6 %<br />

Anderer/unbekannter Mangel 18.8 % 16.6 % 17.8 %<br />

Total 100.0 % 100.0 % 100.0 %<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

7.4 Kollisionsgegner und Kollisionsobjekte<br />

Im Vergleich zu den übrigen Kollisionsgegnern von Fussgängern missachten<br />

Personenwagenfahrer überdurchschnittlich oft die Anhaltepflicht<br />

vor Fussgängerstreifen (Tabelle 31). Motorradfahrer fallen durch einen<br />

erhöhten Anteil der Ursachen „Geschwindigkeit“ und „Missachtung Signalisation/LSA“<br />

auf. Letztere Ursache ist ebenfalls bei den Velofahrern überdurchschnittlich<br />

hoch. Während bei Fahrern von Sachentransportfahrzeugen<br />

(Lastwagen, Lieferwagen) „Unvorsichtiges Rückwärtsfahren“ deutlich<br />

erhöht ist, fallen Busfahrer durch vermehrte „Unaufmerksamkeit und Ablenkung“<br />

auf.


114 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Tabelle 31:<br />

Wichtigste Unfallursachen<br />

der<br />

Kollisionsgegner von<br />

schwer verletzten und<br />

getöteten Fussgängern<br />

nach<br />

Objektart,<br />

Ø 2000–2004<br />

Missachten der<br />

Anhaltepflicht vor dem<br />

Fussgängerstreifen<br />

Unaufmerksamkeit<br />

und Ablenkung<br />

Personenwagen<br />

Motorrad<br />

Mofa<br />

Velo<br />

Sachentransportfahrzeug<br />

39 % 26 % 18 % 17 % 29 % 27 % 15 % 35 %<br />

23 % 24 % 23 % 19 % 24 % 36 % 35 % 23 %<br />

Geschwindigkeit 8 % 16 % 6 % 9 % 7 % 6 % 4 % 8 %<br />

Unvorsichtiges<br />

Rückwärtsfahren<br />

Zu spätes Erkennen<br />

des Fussgängers<br />

(wegen<br />

Unauffälligkeit)<br />

8 % 0 % 0 % 0 % 18 % 3 % 9 % 8 %<br />

4 % 4 % 4 % 1 % 2 % 0 % 1 % 4 %<br />

Verdacht auf Alkohol 3 % 3 % 0 % 1 % 2 % 0 % 1 % 3 %<br />

Missachtung<br />

Signalisation/LSA<br />

Sichtbeeinträchtigung<br />

des Lenkers<br />

Missachten des<br />

Vortrittsrechts<br />

Anderer/unbekannter<br />

Mangel<br />

2 % 8 % 6 % 10 % 2 % 7 % 4 % 3 %<br />

2 % 3 % 12 % 0 % 4 % 3 % 3 % 3 %<br />

2 % 0 % 0 % 1 % 2 % 3 % 1 % 2 %<br />

9 % 16 % 31 % 42 % 10 % 15 % 27 % 11 %<br />

Total 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 %<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Im Vergleich zu den übrigen Altersgruppen weisen Kinder (als Kollisionsgegner<br />

von schwer verletzten und getöteten Fussgängern) überdurchschnittlich<br />

oft Mängel beim Geschwindigkeitsverhalten (Velo, Mofa) auf<br />

und sie missachten des Öfteren die Signalisation bzw. Lichtsignalanlagen<br />

(Tabelle 32). Bei Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren liegt<br />

vermehrt ein Verdacht auf Alkohol vor, bei Senioren ist das Missachten<br />

der Anhaltepflicht vor Fussgängerstreifen zentrale Unfallursache.<br />

Bus<br />

Andere<br />

Total


<strong>Unfallgeschehen</strong> 115<br />

Tabelle 32:<br />

Wichtigste Unfallursachen<br />

der<br />

Kollisionsgegner von<br />

schwer verletzten und<br />

getöteten Fussgängern<br />

nach Alter,<br />

Ø 2000–2004<br />

Missachten der Anhaltepflicht<br />

vor dem Fussgängerstreifen<br />

Unaufmerksamkeit und<br />

Ablenkung<br />

Kinder<br />

(0–17)<br />

Erwachsene<br />

(18–64)<br />

Senioren<br />

(65+) Total<br />

11.4 % 34.8 % 46.3 % 35.2 %<br />

22.1 % 23.6 % 23.3 % 23.4 %<br />

Geschwindigkeit 15.9 % 8.6 % 3.7 % 8.3 %<br />

Unvorsichtiges Rückwärtsfahren 0.0 % 8.7 % 7.4 % 8.1 %<br />

Zu spätes Erkennen des Fussgängers<br />

(wegen Unauffälligkeit)<br />

4.0 % 3.8 % 1.9 % 3.6 %<br />

Verdacht auf Alkohol 1.1 % 3.4 % 0.8 % 3.0 %<br />

Missachtung Signalisation/LSA 7.4 % 2.7 % 2.3 % 2.9 %<br />

Sichtbeeinträchtigung des<br />

Lenkers<br />

5.1 % 2.5 % 2.3 % 2.6 %<br />

Missachten des Vortrittsrechts 0.6 % 1.7 % 2.3 % 1.8 %<br />

Anderer/unbekannter Mangel 32.4 % 10.2 % 9.7 % 11.1 %<br />

Total 100.0 % 100.0 % 100.0 % 100.0 %<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Die Verteilungen der Unfallursachen von Männern und Frauen sind einander<br />

sehr ähnlich (Tabelle 33). Bei den Männern sind die Anteile der<br />

Ursachen „Geschwindigkeit“ und „Verdacht auf Alkohol“, bei den Frauen<br />

diejenigen der Ursachen „Missachten der Anhaltepflicht vor dem Fussgängerstreifen“,<br />

„Unvorsichtiges Rückwärtsfahren“ und „Missachten des<br />

Vortrittsrechts“ aber erhöht.


116 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Tabelle 33:<br />

Wichtigste Unfallursachen<br />

der<br />

Kollisionsgegner von<br />

schwer verletzten und<br />

getöteten Fussgängern<br />

nach<br />

Geschlecht,<br />

Ø 2000–2004<br />

Missachten der Anhaltepflicht vor<br />

dem Fussgängerstreifen<br />

Männer Frauen Total<br />

34.0 % 38.9 % 35.2 %<br />

Unaufmerksamkeit und Ablenkung 23.7 % 23.1 % 23.4 %<br />

Geschwindigkeit 9.2 % 5.4 % 8.3 %<br />

Unvorsichtiges Rückwärtsfahren 7.5 % 9.9 % 8.1 %<br />

Zu spätes Erkennen des Fussgängers<br />

(wegen Unauffälligkeit)<br />

3.3 % 4.3 % 3.6 %<br />

Verdacht auf Alkohol 3.6 % 0.9 % 3.0 %<br />

Missachtung Signalisation/LSA 3.1 % 2.2 % 2.9 %<br />

Sichtbeeinträchtigung des Lenkers 2.6 % 2.4 % 2.6 %<br />

Missachten des Vortrittsrecht 1.5 % 2.8 % 1.8 %<br />

Anderer/unbekannter Mangel 11.5 % 10.1 % 11.1 %<br />

Total 100.0 % 100.0 % 100.0 %<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu


<strong>Unfallgeschehen</strong> 117<br />

8. Zusammenfassung und Fazit<br />

Jährlich werden von der Polizei rund 2'700 verunfallte zu Fuss Gehende<br />

registriert, davon 800 schwer und 100 tödlich verletzte Fussgänger. Die<br />

Verletzungsschwere von Fussgängern ist im Vergleich zu den übrigen<br />

Opfern im Strassenverkehr sehr hoch. Im Durchschnitt über alle Verkehrsteilnehmergruppen<br />

werden pro 10'000 Verunfallte rund 180 Personen<br />

tödlich verletzt (sog. case fatality). Dieser Wert ist bei den Fussgängern<br />

mehr als doppelt so hoch, pro 10'000 verunfallte Fussgänger verletzen<br />

sich knapp 390 tödlich. Die case fatality von Fussgängern hängt<br />

nebst der Kollisionsgeschwindigkeit stark vom Alter der betroffenen Person<br />

und der Art des Kollisionsgegners ab.<br />

Kinder bis 14 Jahre und Senioren ab 65 Jahren sind überdurchschnittlich<br />

stark von schweren Fussgängerunfällen betroffen. Die Verletzungsschwere<br />

steigt mit zunehmendem Alter. Senioren zwischen 65 und 74<br />

Jahren weisen eine rund 2-fach, Senioren über 74 Jahre sogar eine 3fach<br />

erhöhte Verletzungsschwere gegenüber dem Durchschnitt aller verunfallten<br />

Fussgänger auf.<br />

Mehr als 70 % der schweren und tödlichen Verletzungen erleiden die<br />

Fussgänger beim Queren der Fahrbahn (v. a. innerorts). Die häufigsten<br />

Kollisionsgegner sind Personenwagen, die schwersten Verletzungen ziehen<br />

sich Fussgänger aber bei Unfällen mit Sachentransportfahrzeugen<br />

(Lastwagen, Lieferwagen) und Bussen zu.<br />

Zwei Drittel der mit Fussgängern kollidierenden PW-Fahrer sind Männer.<br />

Fahrleistungsbereinigt, d. h. pro 100 Mio. in Personenwagen absolvierte<br />

Kilometer, weisen beide Geschlechter aber dasselbe Beteiligungsrisiko<br />

auf. Senioren sind als Fahrer von Personenwagen überdurchschnittlich oft<br />

an Unfällen mit schwer oder tödlich verletzten Fussgängern beteiligt.<br />

Schwere und tödliche Verletzungen ziehen sich Fussgänger am häufigsten<br />

bei folgenden Konstellationen zu: beim Queren der Strasse, innerorts,<br />

auf Nebenstrassen, auf freier Strecke, abseits von Fussgänger-Streifen, in<br />

ebenem Gelände, bei Tempo 50, auf trockener Fahrbahn, im Winter, bei<br />

Tag, zwischen 17:00 und 18:00 Uhr.


118 <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Ausprägungen der Einflussfaktoren, welche die Verletzungsschwere der<br />

Fussgänger erhöhen sind u. a.: Senioren als Fussgänger, Männer als<br />

Fussgänger, Unfall in Längsrichtung, schwere/grosse Kollisionsgegner,<br />

ausserorts und Autobahn, abseits von Fussgänger-Streifen, Steigung,<br />

erhöhte Geschwindigkeit, Nachtunfälle.<br />

Die Polizeirapporte zeigen, dass bei 54 % der Fälle ausschliesslich die<br />

Kollisionsgegner der Fussgänger bemängelt wurden, bei 28 % ausschliesslich<br />

die Fussgänger und bei 18 % waren beide Parteien mitschuldig.<br />

Die häufigsten Ursachen bei den Fussgängern sind „Unvorsichtiges<br />

Queren (Gehen)“ und „Springen/Laufen über die Fahrbahn“, diejenige auf<br />

Seiten der Kollisionsgegner ist „Missachten der Anhaltepflicht vor dem<br />

Fussgängerstreifen“.<br />

Obwohl die Schweiz im europäischen Vergleich bzgl. Fussgängersicherheit<br />

nicht abfällt – sie befindet sich im Mittelfeld – und obwohl die Fussgänger<br />

(expositionsbereinigt) seltener verunfallen als die meisten anderen<br />

Verkehrsteilnehmer, besteht Handlungsbedarf. Die hohe Verletzungsschwere<br />

und die spezielle Gefährdung von Kindern (und Senioren) verlangt<br />

nach Massnahmen zur Erhöhung der zu Fuss Gehenden im Strassenverkehr.


Risikofaktoren – Einleitung 119<br />

Wissensbasiertes<br />

Vorgehen<br />

Ursachenforschung<br />

orientiert sich am<br />

epidemiologischen<br />

Modell<br />

Abbildung 25:<br />

Epidemiologisches<br />

Modell der Interaktion<br />

VII. RISIKOFAKTOREN<br />

1. Einleitung<br />

Kapitel VI hat in deskriptiver Form Auskunft über Ausmass und Merkmale<br />

des <strong>Unfallgeschehen</strong>s von zu Fuss Gehenden gegeben. Das vorliegende<br />

Kapitel stellt den zweiten Schritt bei der Erarbeitung von Handlungsempfehlungen<br />

zur Verbesserung der Sicherheit von Fussgängern dar. Ziel<br />

dieses zweiten Schrittes ist es, Faktoren aufzudecken, die die Unfallund/oder<br />

Verletzungswahrscheinlichkeit erhöhen. Die Risikofaktoren werden<br />

sowohl anhand von empirischen Befunden als auch des allgemeinen<br />

wissenschaftlichen Kenntnisstandes im Sinn von verhaltenspsychologischem,<br />

biomechanischem, medizinischem, physikalischem und verkehrstechnischem<br />

Fachwissen bestimmt. Risikofaktoren zeigen auf, wo<br />

angesetzt werden muss, um die Sicherheit des <strong>Fussverkehr</strong>s zu erhöhen.<br />

Die Ursachenforschung orientiert sich am epidemiologischen Modell der<br />

Interaktion zwischen Energie/Energieträger (agent), Mensch (host) und<br />

Umwelt (environment). Das epidemiologische Modell geht hauptsächlich<br />

von den schädigenden Einflüssen auf den Menschen aus. Das ist auch<br />

der Grund, weshalb im Englischen nicht von ‘accidents’ (die nicht immer<br />

eine Schädigung zur Folge haben), sondern von ‘injury’ (Verletzung) gesprochen<br />

wird.<br />

Energie<br />

Mensch Umwelt


120 Risikofaktoren – Einleitung<br />

Relevant sind häufige<br />

und gefährliche<br />

Einflüsse<br />

Die Analyse des Einflusses von Personen-, Umwelt- oder anderen Faktoren<br />

auf die Verletzungswahrscheinlichkeit und -schwere kann auf verschiedene<br />

Weise erfolgen. Ein Risikofaktor wird dann als solcher anerkannt,<br />

wenn die Gesamtheit der Hinweise ein einheitliches Bild ergeben<br />

und wenn die Beobachtung wiederholt gemacht wurde. Folgende Informationsquellen<br />

werden bei der Bestimmung von Risikofaktoren berücksichtigt:<br />

� Explorative Untersuchung des Wirkmechanismus (z. B. Beobachtungen<br />

von unfallträchtigen Situationen). Dieser Ansatz hat in erster Linie<br />

hypothesenbildenden Charakter, stellt also die Ausgangslage für vertiefte<br />

Analysen dar.<br />

� Ergebnisse der analytischen Epidemiologie zur Bestimmung des<br />

relativen Risikos (tritt ein Merkmal bei verunfallten Personen häufiger<br />

auf als bei nicht verunfallten?) oder der odds ratios (tritt eine Merkmal<br />

bei verunfallten Personen häufiger auf als bei einer Stichprobe von<br />

nicht verunfallten Personen?). Mit dieser Methode kann der quantitative<br />

Einfluss von Merkmalen auf das Unfallrisiko erfasst werden.<br />

� Experimentelle Untersuchung eines Wirkmechanismus (z. B. biomechanische<br />

Tests, Verhalten am Fahrsimulator unter bestimmten Bedingungen).<br />

� Überlegungen zur Plausibilität: Experten beurteilen die Konsistenz<br />

und die Plausibilität der Ergebnisse. Die Unfallforschung stellt demnach<br />

nicht nur einzelne Ergebnisse zur Verfügung, sie beinhaltet auch<br />

einen Bewertungsprozess.<br />

Eine präventive Aktivität ist insbesondere dann angezeigt, wenn ein Risikofaktor<br />

eine grosse Verbreitung hat und das von ihm ausgehende Gefahrenpotenzial<br />

gross ist.<br />

Folgende fünf Systemelemente des Strassenverkehrs werden in separaten<br />

Kapiteln dargestellt: die Fussgänger und Fussgängerinnen (Kap. VII.2,<br />

direkt nachfolgend), die Lenkenden motorisierter Fahrzeuge (Kap. VII.3,<br />

S. 145), motorisierte Fahrzeuge als potenzielle Kollisionsgegner (Kap. VII.4,<br />

S. 182) und die Strasseninfrastruktur (Kap. VII.5, S. 196).


Risikofaktoren – Fussgänger 121<br />

2. Fussgänger<br />

2.1 Einleitung<br />

Jeder und jede kann zu Fuss in unserem Verkehrsraum unterwegs sein.<br />

Wer zu Fuss unterwegs ist, muss sich lediglich an bestimmte Spielregeln<br />

halten (s. Kap. Gesetzliche Rahmenbedingungen, S. 65). Es gibt (im Gegensatz<br />

zu den meisten anderen Fortbewegungsarten) keinerlei gesetzliche<br />

Eignungs-Kriterien (z. B. Mindestalter). Sich als Fussgänger im Strassenraum<br />

zu bewegen, ist sicher einfacher als das Führen eines Motorfahrzeugs.<br />

Für sich betrachtet ist aber auch zu Fuss unterwegs zu sein<br />

keine einfache Angelegenheit. Wer sich zu Fuss fortbewegt, muss aufmerksam<br />

den Strassenraum beobachten, die erkannten Informationen<br />

richtig verarbeiten und seine rational gefällten Entschlüsse – z. B. die<br />

Strasse queren zu wollen – in adäquates Verhalten umsetzen.<br />

Welche Voraussetzungen jemand mitbringen muss, um diese Leistung<br />

erbringen zu können bzw. welche Risikofaktoren sich ergeben, wenn<br />

diese nicht vorhanden sind, wird in diesem Kapitel anhand der Begriffe<br />

Eignung, Kompetenz und Fähigkeit erläutert. Aus diesen dispositiven Eigenschaften<br />

resultiert das konkrete, beobachtbare Verhalten.<br />

Eignung: Darunter werden jene psychischen und physischen Voraussetzungen<br />

subsumiert, die z. B. auf Veranlagung, altersbedingte Entwicklungsprozesse<br />

oder Persönlichkeitsstörungen zurückzuführen sind. Derartige<br />

Risikofaktoren können nicht durch Lernprozesse aufgehoben werden.<br />

Thematisiert werden kognitive Aspekte (Kap. VII.2.2, S. 122),<br />

motivationale Aspekte (Kap. VII.2.3, S. 128) und die Körpergrösse<br />

(Kap. VII.2.4, S. 130). Nicht thematisiert werden körperliche und geistige<br />

Behinderungen. 14<br />

Kompetenz: Darunter werden jene psychischen und physischen Voraussetzungen<br />

verstanden, die durch Lernprozesse beeinflusst werden kön-<br />

14 Im Zeitraum von 2000–2004 wurde von der Polizei bei 33 schwer verletzten<br />

oder getöteten Fussgängern oder Fussgängerinnen (bei einem Total von<br />

4616) als Unfallursache eine körperliche oder geistige Behinderung<br />

festgehalten. Aufgrund dieser relativ geringen Zahl wird nicht vertieft auf diese<br />

Personegruppe eingegangen. Die Autoren sind der Meinung, dass die<br />

empfohlenen Massnahmen auch mobilitätsbehinderten Personen Gute<br />

kommen werden.


122 Risikofaktoren – Fussgänger<br />

nen. Sie sind – einmal erworben – relativ stabil vorhanden. Thematisiert werden<br />

verkehrsrelevantes Wissen (Kap. VII.2.5, S. 132) sowie das Gefahren-<br />

bewusstsein und sicherheitsförderliche Einstellungen (Kap. VII.2.6, S. 133).<br />

Sind die Voraussetzungen der Fahreignung und Fahrkompetenz erfüllt,<br />

können trotzdem punktuelle Risiken vorhanden sein. Diese sind aber zeitlich<br />

beschränkt:<br />

Fähigkeit: Darunter werden jene psychischen und physischen Voraussetzungen<br />

verstanden, die – bei gegebener Eignung und Kompetenz –<br />

momentan (zum Zeitpunkt der Fortbewegung als Fussgänger) vorhanden<br />

sein müssen. Von den verschiedenen Einflüssen, die die Fahrfähigkeit beeinträchtigen<br />

können, wird nur der Alkoholkonsum thematisiert (Kap. 2.7,<br />

S. 135).<br />

Eignung, Kompetenz und Fähigkeit resultieren in entsprechendem Verhalten.<br />

Auf der Ebene des konkret beobachtbaren Verhaltens wird<br />

regelwidriges Verhalten (Kap. 2.8, S. 136) sowie als Schutzverhalten die<br />

Erhöhung der Sichtbarkeit (Kap. 2.9, S. 139) thematisiert.<br />

Im Anschluss werden nach soziodemographischen Merkmalen Risikogruppen<br />

definiert, bei denen die besprochenen Risikofaktoren konzentriert zu finden<br />

sind (Kap. 2.10, S. 141). Damit wird der soziologischen Sichtweise Rechnung<br />

getragen. Als Übersicht folgen am Ende des Kapitels eine Zusammen-<br />

fassung und ein Fazit (Kap. VII.2.11, S. 144).<br />

2.2 Eignung: Wahrnehmung und Informationsverarbeitung<br />

2.2.1 Ausgangslage<br />

Für Fussgänger sind hauptsächlich die visuelle und die auditive Wahrnehmung<br />

wichtig. Diese ändern sich bei normaler Entwicklung über die<br />

Lebensspanne. Dasselbe gilt für die Informationsverarbeitung, die massgeblich<br />

durch die Konzentrations- und Aufmerksamkeitsfähigkeit beeinflusst<br />

wird.


Risikofaktoren – Fussgänger 123<br />

Visuelle Wahrnehmung<br />

bei Kindern<br />

Auditive<br />

Wahrnehmung bei<br />

Kindern<br />

Aufmerksamkeitsfähigkeit<br />

bei Kindern<br />

Egozentrisches<br />

Weltbild<br />

Kinder sind in ihrem peripheren Sehen eingeschränkt. Bei einem Erstklässler<br />

ist dieses erst zu etwa 70 % ausgebildet. Ein herannahendes<br />

Auto von links oder rechts ist lange ausserhalb seines Blickfeldes. Auch<br />

das dreidimensionale Tiefensehen braucht viel Übung und Erfahrung.<br />

Mangelndes Tiefensehen bewirkt, dass Entfernungen und Geschwindigkeiten<br />

nicht richtig eingeschätzt werden können. 3- bis 4-Jährige erkennen<br />

meist nicht, ob ein FZ steht oder fährt. Erst mit 6 Jahren können Entfernungen<br />

und mit 10 Jahren Geschwindigkeiten annähernd richtig eingeschätzt<br />

werden (Limbourg, 1995, zit. nach Sigl & Weber, 2002; Limbourg,<br />

1997).<br />

Das Hörvermögen bezüglich laut-leise und hoch-tief ist bereits bei Kleinkindern<br />

gut und mit 6 Jahren voll entwickelt. Hingegen hapert es in diesem<br />

Alter noch mit dem Richtungshören. Erst mit dem Schulalter können<br />

Geräuschquellen, die von (schräg) hinten oder (schräg) vorne kommen,<br />

zuverlässig lokalisiert werden (Limbourg, 1995, zit. nach Sigl & Weber,<br />

2002).<br />

Visuelle und auditive Wahrnehmung arbeiten bei Kindern nicht gefahren-,<br />

sondern interessebezogen. Die Aufmerksamkeit wird dorthin gelenkt, wo<br />

starke Reize vorliegen. Durch mangelnde Konzentrationsfähigkeit fällt es<br />

einem Kind schwer, seine Aufmerksamkeit willentlich zu steuern. Schärft<br />

man einem 5-jährigen Kind ein, dass es sich im Strassenverkehr auf diesen<br />

und auf nichts sonst zu konzentrieren hat, wird es dieser Aufforderung<br />

höchstens 15 Minuten Folge leisten können. Eine längere willentliche<br />

Aufmerksamkeit ist eine Überforderung. Volle Konzentrationsfähigkeit (=<br />

höchste Aufmerksamkeitsstufe) ist erst mit 14 Jahren gegeben (Limbourg,<br />

1995, zit. nach Sigl & Weber, 2002; Limbourg, 1997).<br />

Bis etwa im Alter von 6 Jahren handeln Kinder, ohne eine Situation voll<br />

erfasst zu haben und ohne die Folgen ihres Handelns genau abschätzen<br />

zu können. Typischerweise können Kinder dieser Altersstufe ihre Aufmerksamkeit<br />

nur auf eine einzige Sache lenken, z. B. auf die Passantin<br />

auf dem Gehweg, nicht aber gleichzeitig auf die beim Ausweichmanöver<br />

immer näher rückende Bordsteinkante. Eine weitere Eigenheit ist, dass<br />

Kinder in diesem Alter unbeabsichtigte und seltene Nebeneffekte des<br />

eigenen oder fremden Handelns nicht erkennen. Weiter ist das Denken<br />

von 0- bis 6-Jährigen von Egozentrismus geprägt, d. h., sie verfügen nicht


124 Risikofaktoren – Fussgänger<br />

Eingeschränkte<br />

Wahrnehmung bei<br />

Senioren<br />

Eingeschränkte<br />

kognitive Leistungen<br />

bei Senioren<br />

über die Möglichkeit des Perspektivenwechsels. Das Kind schliesst von<br />

sich auf andere und versteht daher nicht, dass ein Autofahrer es nicht<br />

sieht, obwohl es das Auto sieht. Auch dass Autos einen Bremsweg benötigen,<br />

ist dem Kind – das zu Fuss sofort stillstehen kann – nicht bewusst<br />

(Limbourg, 1997). Ein weiteres Merkmal ist, dass Kinder ein mangelhaftes<br />

Verständnis von Regeln haben. Vor allem haben sie in diesem Alter noch<br />

Mühe, soziale Regeln zu kennen (z. B. dass das Lichthupen je nach Situation<br />

Verschiedenes oder gar Gegenteiliges heissen kann). Ausserdem<br />

rechnen Sechsjährige nicht damit, dass Regeln von erwachsenen Verkehrsteilnehmenden<br />

manchmal missachtet werden. Im Alter zwischen 6<br />

und 12 Jahren wird das Denken weniger egozentristisch. Es ist aber noch<br />

immer an konkrete Gegebenheiten gebunden, zumindest an konkret vorstellbare<br />

Gegebenheiten. Das Kind kann daher Erfahrungen in Bezug auf<br />

eine spezifische Verkehrssituation (z. B. an einer bestimmten Kreuzung)<br />

nicht auf eine andere Situation übertragen. Das bedeutet, dass der<br />

Transfer von gemachten Verkehrserfahrungen auf z. B. neue Wege nur<br />

ungenügend stattfindet.<br />

Hinsichtlich des Sehens und Hörens ergeben sich im fortgeschrittenen<br />

Alter verschiedene Veränderungen (Carthy, Packham, Salter & Silcock,<br />

1995). Bereits ab dem 30. Lebensjahr werden weniger Signale aufgenommen<br />

und diese langsamer verarbeitet sowie beantwortet. Das Auge<br />

wird zunehmend weniger empfindlich und verliert an Beweglichkeit: Gegenstände<br />

werden weniger schnell und weniger scharf wahrgenommen.<br />

Ausserdem nimmt die im Auge wahrgenommene Helligkeit ab, so dass<br />

mehr Licht benötigt wird (Thüler, 2001).<br />

Bezüglich des Hörens beeinträchtigt nicht nur ein beidseitiger, sondern<br />

auch ein einseitiger Hörverlust die Sicherheit. Menschen, die auf beiden<br />

Ohren Schwierigkeiten haben, nehmen die Gefahr zu spät wahr und Personen,<br />

die auf einem Ohr nicht gut hören, erkennen die Richtung der Gefahr<br />

nicht.<br />

Auch die kognitive Leistungsfähigkeit unterliegt altersbedingten Veränderungen.<br />

In der Regel ermüden ältere Personen schneller als jüngere, wodurch<br />

Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt werden.<br />

Senioren haben vorwiegend Mühe, wenn Informationen schnell verarbeitet<br />

werden müssen (Carthy et al., 1995).


Risikofaktoren – Fussgänger 125<br />

Tabelle 34:<br />

Verteilung der jährlich<br />

zu Fuss<br />

zurückgelegten<br />

Kilometer nach Alter<br />

(ARE & BFS, 2001)<br />

Fast 30 % der<br />

Fussgänger sind mit<br />

gewissen Defiziten<br />

bzgl. Wahrnehmung<br />

und Informationsverarbeitung<br />

unterwegs<br />

Wie gross ist die Verbreitung des Risikofaktors „kognitive Defizite“ (Wahrnehmung<br />

und Informationsverarbeitung) unter den Fussgängern insgesamt?<br />

Um diese Frage beantworten zu können, muss erst berechnet werden,<br />

wie gross der Anteil der verschiedenen Altersgruppen am Total der<br />

zu Fuss zurückgelegten Kilometer ist. Tabelle 34 zeigt aufgrund diverser<br />

Parameter die Grössenordung der Verteilung (letzte Spalte).<br />

Alter<br />

Anzahl<br />

Fussgänger und<br />

Fussgängerinnen<br />

Durchschnittlich<br />

pro Pers. und Tag<br />

zu Fuss<br />

zurückgelegte km<br />

Täglich pro<br />

Altersgruppe<br />

zu Fuss<br />

zurückgelegte<br />

km<br />

%-Anteil am<br />

Total der km<br />

5–9 345’662 1.9 643’623 5.6 %<br />

10–14 420’593 1.7 709’540 6.2 %<br />

15–17 248’269 1.9 475’683 4.2 %<br />

18–64 4'572’940 1.6 7’499’622 65.6 %<br />

65 + 1'094’263 1.9 2’108’645 18.4 %<br />

Total 6’681’727 1.7 11’432’435 100 %<br />

Wie oben dargelegt, bewegen sich entwicklungsbedingt alle Kinder bis 9<br />

Jahre – wenn auch mehr oder weniger – mit Defiziten in der Wahrnehmung<br />

und der Informationsverarbeitung im Strassenverkehr. Es ist zu<br />

vermuten (und zu hoffen), dass zumindest die jüngeren Kinder dieser Altersgruppe<br />

kaum alleine auf der Strasse sind. Tabelle 1 macht deutlich,<br />

dass Kinder zwischen 5 und 9 Jahren, die über die grössten diesbezüglichen<br />

Defizite verfügen, einen eher geringen Anteil an den insgesamt zu<br />

Fuss zurückgelegten Kilometern leisten. Dasselbe gilt für Kinder zwischen<br />

10 und 14 Jahren, die zum Teil auch noch mit Defiziten zu kämpfen haben.<br />

Kinder legen zusammen rund 12 % der total zu Fuss bewältigten Kilometer<br />

zurück. Trotz dieser eher geringen Exposition haben Kinder aufgrund<br />

ihrer hohen Anzahl verlorener Lebensjahre und ihrer geringen<br />

Freiwilligkeit bei der Verkehrsmittelwahl einen besonderen Anspruch auf<br />

Prävention.<br />

Auch Senioren sind mit zunehmendem Alter – manche mehr, manche<br />

weniger – kognitiv beeinträchtigt. Mit einem Anteil von 18 % an den insgesamt<br />

zu Fuss zurückgelegten Kilometern sind sie eine bedeutsame<br />

Zielgruppe.


126 Risikofaktoren – Fussgänger<br />

Mässige Verbreitung<br />

des Risikofaktors<br />

insgesamt<br />

Kinder:<br />

Grosse Unfallgefährdung<br />

aufgrund<br />

kognitiver Defizite<br />

Kinder angesichts<br />

ihrer Defizite auch auf<br />

kurzen oder als<br />

„ungefährlich“<br />

deklarierten Strecken<br />

gefährdet<br />

Die Verbreitung ungenügender kognitiver Leistungsfähigkeit ist auf alle<br />

Fussgänger und Fussgängerinnen bezogen somit auf einer Skala von 1<br />

bis 5 als mässig (2–3) einzuschätzen.<br />

2.2.2 Gefahrenpotenzial und Unfallrelevanz<br />

Entwicklungsbedingte Defizite in der auditiven und visuellen Wahrnehmung<br />

und – auch bei älteren Kindern – in der Informationsverarbeitung<br />

bergen ein grosses Gefahrenpotenzial für Kinder bis zum Alter von etwa<br />

9 Jahren. Die kurze Konzentrationsfähigkeit der Kinder stellt vermutlich einen<br />

weniger grossen Risikofaktor dar als die Wahrnehmung und Informationsverarbeitung,<br />

weil die meisten Wegetappen der Kinder doch eher<br />

kurz sind.<br />

Tight (1996) hält fest, dass wahrnehmungsbezogene Mängel bei Kindern<br />

eine häufige Mitursache für Unfälle darstellen (kein Kontrollblick vor dem<br />

Überqueren oder trotz Kontrollblick keine Wahrnehmung des Fahrzeugs).<br />

Diese Wahrnehmungsfehler lassen sich gemäss Tight auf drei Faktoren<br />

zurückführen: Ablenkung, Eile und Gedankenlosigkeit. In weniger starkem<br />

Ausmass spielen auch kognitive Verarbeitungsfehler eine Rolle (sehen<br />

des Fahrzeugs, aber falsche Einschätzung seiner Geschwindigkeit oder<br />

der Distanz).<br />

Dass Eltern ihre Kinder vorwiegend kurze oder als ungefährlich wahrgenommene<br />

Strecken alleine bewältigen lassen (Sigl & Weber, 2002), relativiert<br />

die Problematik kaum. Auch kurze und als ungefährlich wahrgenommene<br />

Strecken bergen bei den vorhandenen Defiziten viele Risiken.<br />

Hinzu kommt, dass die Einschätzung über die Gefährlichkeit einer Strecke<br />

fehlerhaft sein kann. Sie hängt z. B. stark davon ab, was dem betroffenen<br />

Kind zugemutet wird. Eine objektive Beurteilung der kindlichen Leistung<br />

im Bereich der Wahrnehmung und Informationsverarbeitung wird erschwert,<br />

weil die kognitive Leistung nicht so offensichtlich ist wie z. B. die<br />

körperliche. So erstaunt nicht, dass Eltern die Probleme ihrer Kinder im<br />

Strassenverkehr unterschätzen. Das bestätigt eine österreichische Studie,<br />

die unter anderem erhoben hat, welche Gefahren Eltern von 5- bis 10-jährigen<br />

Kindern im Strassenverkehr sehen und sie veranlassen, diese zu<br />

begleiten (Sigl & Weber, 2002). Nur knapp ein Viertel (23 %) der befrag-


Risikofaktoren – Fussgänger 127<br />

Hohe Unfallrelevanz<br />

für Kinder<br />

Senioren:<br />

Gefahrenpotenzial<br />

durch kognitive<br />

Defizite in<br />

Kombination mit<br />

physischen Defiziten<br />

Gewichtige<br />

Unfallrelevanz für<br />

Senioren<br />

ten Eltern stimmt der Aussage zu, dass ihre Kinder den hohen Anforderungen<br />

des Verkehrsgeschehens noch nicht gerecht werden und ein unsicheres<br />

Verkehrsverhalten zeigen. Dass ihr Kind auf der Strasse belästigt<br />

werden könnte, sehen hingegen 36 % der Eltern als Gefahr.<br />

Kinder zwischen 5 und 9 Jahren verunfallen auf einem zu Fuss zurückgelegten<br />

Kilometer rund doppelt so häufig wie Jugendliche oder Erwachsene.<br />

Auch im Alter von 10 bis 14 Jahren besteht ein um 50 % erhöhtes<br />

Risiko (s. Abbildung 13, S. 90). Schwer verletzte und getötete Kinder zwischen<br />

5 und 14 Jahren machen – bei einer Expositionsbeteiligung von<br />

rund 12 % – rund 20 % der total schwer oder tödlich verunfallten Fussgänger<br />

aus. Dieses überdurchschnittliche Unfallrisiko ist zwar auf diverse<br />

Faktoren zurückzuführen; es ist aber davon auszugehen, dass die defizitäre<br />

Kognition ein wesentlicher ist: Ein Kind, das z. B. die Geschwindigkeit<br />

eines herannahenden Fahrzeugs nicht richtig einschätzt, ist beim Queren<br />

der Strasse grossen Risiken ausgesetzt.<br />

Es verwundert nicht, dass sowohl 0- bis 6-Jährigen als auch 7- bis 14-<br />

Jährigen im Falle einer Kollision zu rund 70 % eigenes Fehlverhalten zugeschrieben<br />

wird.<br />

Beobachtungsstudien und experimentelle Studien zeigen, dass ältere<br />

Menschen z. B. Mühe haben, sichere Querungs-Lücken im Verkehr zu<br />

nutzen (Oxley, Ihsen, Fildes, Charlton & Day, 2005; Carthy et al., 1995).<br />

Wie Oxley et al. feststellten, stützen sowohl Menschen ab 75 Jahren wie<br />

auch die jüngeren ihre Entscheidung zum Queren ausschliesslich auf die<br />

wahrgenommene Distanz zum Fahrzeug ab (und nicht wie in der Theorie<br />

vermutet auf die Kombination zwischen Distanz und Geschwindigkeit).<br />

Was bei jüngeren Fussgängern gut gehen kann – sie können bei falscher<br />

Einschätzung noch einen Spurt einlegen – habe bei gebrechlicheren<br />

Fussgängern schwerwiegende Konsequenzen, so die Autoren. Die altersbedingten<br />

Defizite machen sich umgekehrt ebenso bei Fehlern der<br />

potenziellen Kollisionsgegner bemerkbar; auch hier können ältere Menschen<br />

nicht mehr so flink reagieren, um der Gefahr zu entkommen wie<br />

jüngere.<br />

Senioren erleiden auf einem zu Fuss zurückgelegten Kilometer um ein<br />

Mehrfaches häufiger schwere oder tödliche Verletzungen als jüngere Er-


128 Risikofaktoren – Fussgänger<br />

Insgesamt<br />

beachtliche<br />

Unfallrelevanz<br />

Tabelle 35:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚defizitäre Kognition’<br />

(Wahrnehmung und<br />

Informationsverarbeitung)<br />

Kinder sind mit<br />

spielerischem<br />

Engagement<br />

unterwegs<br />

wachsene: ab 70 Jahren rund doppelt so oft, ab 85 Jahren mehr als fünfmal<br />

so oft. Schwer verletzte und getötete zu Fuss Gehende ab 65 Jahren<br />

machen rund einen Drittel der total schwer oder tödlich verunfallten Fussgänger<br />

aus. Dies bei einer Expositionsbeteiligung von lediglich 18 %. Für<br />

diese überdurchschnittlich hohe Zahl Schwerverletzter oder Getöteter<br />

verantwortlich ist aber nicht nur ihre hohe Vulnerabilität15 , wie separate<br />

Analysen mit un- oder nur leicht verletzten Senioren zeigen: Auch bei diesen<br />

findet sich die überdurchschnittliche Unfallhäufung. Da 70 % der<br />

schwer verletzten oder getöteten Senioren ohne eigenes Verschulden<br />

verunfallen, liegt die Vermutung nahe, dass Senioren zu Schaden kommen,<br />

weil sie nicht auf die Fehler der anderen (z. B. Missachtung der Anhaltepflicht<br />

vor Fussgängerstreifen) reagieren können. Bei den von den<br />

Senioren verschuldeten Unfällen liegt die Ursache in 60 % der Fälle beim<br />

unachtsamen Betreten der Strasse – das sicher auch, weil Senioren relevante<br />

Informationen falsch wahrnehmen und verarbeiten.<br />

Da Kinder und Senioren zusammen mehr als die Hälfte aller Schwerverletzten<br />

und Getöteten im <strong>Fussverkehr</strong> ausmachen, wird das Gefahrenpotenzial<br />

kognitiver Defizite für die Gruppe der Fussgänger insgesamt als<br />

gross eingestuft (4 auf einer Skala von 1 bis 5).<br />

2.2.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Defizitäre Kognition **(*) **** ****<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

2.3 Eignung: Spielmotiv<br />

2.3.1 Ausgangslage und Verbreitung<br />

Kinder sind bei allem, was sie tun, emotional engagiert – auch wenn sie<br />

zu Fuss unterwegs sind. Zwischen dem 3. und 7. Lebensjahr vermischen<br />

sich Realität und Phantasie: Hinter jeder Hausecke lauert ein Räuber oder<br />

15 Bei einem Unfall resultieren einerseits schnell schwere Verletzungen und der<br />

Heilungsprozess verläuft ausserdem langsam.


Risikofaktoren – Fussgänger 129<br />

Kinder springen,<br />

hüpfen und rennen<br />

gern<br />

Hohe Verbreitung bei<br />

Kindern, aber geringe<br />

Verbreitung<br />

insgesamt<br />

Hohe Unfallrelevanz<br />

für Kinder<br />

Insgesamt mässige<br />

Unfallrelevanz<br />

die gute Fee. Dadurch sind Kinder abgelenkt und können Gefahren kaum<br />

wahrnehmen (Limbourg, 1997). Zwischen 7 und 10 Jahren gehen Phantasiespiele<br />

deutlich zurück. Sportliche und soziale Aktivitäten rücken in<br />

den Vordergrund (Limbourg, 1997). Selbst bei den 10- bis 14-Jährigen,<br />

bei denen die Erreichung des Ziels im Vordergrund steht, fliessen spielerische<br />

Elemente bei gegebenem Anreiz durch die Umgebung immer wieder<br />

ein (etwa sich in der Gruppe provozieren, schubsen und dabei das<br />

Risiko eingehen, dass jemand auf die Strasse stolpert).<br />

Kinder sind beim Spiel häufig in Bewegung. Oft wird ihnen das zum Verhängnis:<br />

Kinder haben nämlich Mühe, eine begonnene Handlung abrupt<br />

zu unterbrechen (Zeigarnik-Effekt), z. B. beim Rennen Richtung Strasse<br />

am Trottoirrand anzuhalten. Im Zusammenhang mit dem häufigen Rennen,<br />

Springen oder Hüpfen der Kinder (auf dem Trottoir oder über die<br />

Strasse) besteht neben dem Problem der schlechten Orientierung noch<br />

jenes der Sturzgefahr (z. B. im Extremfall vor ein Fahrzeug).<br />

Kinder zwischen 5 und 9 Jahren (mit dem ausgeprägtesten Spielmotiv)<br />

und Kinder zwischen 10 und 14 Jahren (die nur punktuell durch spielerisches<br />

Engagement abgelenkt sind) bestreiten insgesamt rund einen<br />

Achtel der zu Fuss zurückgelegten Kilometer. Bezogen auf den <strong>Fussverkehr</strong><br />

insgesamt ist somit von einer eher geringen Verbreitung dieses Risikofaktors<br />

auszugehen.<br />

2.3.2 Gefahrenpotenzial und Unfallrelevanz<br />

Wie schon bzgl. des Risikofaktors Wahrnehmung und Informationsverar-<br />

beitung (Kap. VII.2.2, S. 122) festgehalten, ist das Unfallrisiko von Kindern<br />

überdurchschnittlich hoch. Dabei ist davon auszugehen, dass das<br />

Spielmotiv ein wesentlicher Risikofaktor ist: Ein Kind, das Fangen spielt<br />

oder einem Ball nachrennt, achtet nicht auf die Gefahren des Verkehrs.<br />

Wenn es im Spiel auf die Fahrbahn rennt, erscheint es für die Fahrzeuglenkenden<br />

unerwartet im Blickfeld – der Fahrer hat keine Chance, rechtzeitig<br />

zum Stillstand zu kommen.<br />

Da Kinder zwischen 5 und 15 Jahren rund 20 % aller Schwerverletzten<br />

und Getöteten im <strong>Fussverkehr</strong> ausmachen, wird das Gefahrenpotenzial


130 Risikofaktoren – Fussgänger<br />

Tabelle 36:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚Spielmotiv’<br />

Mittlere Verbreitung<br />

des Risikofaktors<br />

geringe Körpergrösse<br />

Nicht sehen und nicht<br />

gesehen werden ist<br />

gefährlich<br />

durch ihr Spielmotiv für die Gruppe der Fussgänger insgesamt als beachtlich<br />

eingestuft (2–3 auf einer Skala von 1 bis 5).<br />

2.3.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Ablenkung durch Spiel * **** **(*)<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

2.4 Eignung: Körpergrösse<br />

2.4.1 Ausgangslage und Verbreitung<br />

Kinder bewältigen rund 12 % der zu Fuss insgesamt zurückgelegten Kilometer.<br />

Das Problem der geringen Körpergrösse verschärft sich mit der<br />

zunehmenden Höhe der motorisierten Fahrzeuge (infolge der hohen Bodenfreiheit).<br />

Diese Fahrzeuge erfreuen sich immer grösserer Beliebtheit:<br />

Rund jedes zehnte Fahrzeug ist heute ein Geländewagen (Allenbach,<br />

2006). Selbst Erwachsene können von Familienvans und Offroadfahrzeugen<br />

verdeckt werden. Insgesamt wird daher von einer mittleren Verbreitung<br />

des Risikofaktors ausgegangen.<br />

2.4.2 Gefahrenpotenzial und Unfallrelevanz<br />

Wenn Fussgänger und Fussgängerinnen aufgrund ihrer Körpergrösse<br />

übersehen oder zu spät gesehen werden oder umgekehrt die Kinder ihre<br />

Kollisionsgegner nicht oder zu spät sehen, kann dies schnell zu dramatischen<br />

Szenen führen. Insbesondere bei motorisierten Fahrzeugen reicht<br />

der Anhalteweg dann in vielen Fällen nicht mehr, um eine Kollision zu<br />

verhindern.<br />

Tight (1996) hält in seinem Review-Artikel fest, dass gemäss Studien ungefähr<br />

ein Drittel der verunfallten Kinder durch parkierte Autos verdeckt<br />

wurden. Auch wenn keine Verdeckung gegeben ist, stellt die geringe Körpergrösse<br />

ein gewisses Risiko dar, da die Wahrscheinlichkeit, dass ein<br />

Fahrer oder eine Fahrerin die Aufmerksamkeit auf ein kleines Objekt


Risikofaktoren – Fussgänger 131<br />

Übersehen führt zu<br />

grossem Unfallrisiko<br />

Tabelle 37:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚Körpergrösse’<br />

lenkt, geringer ist als bei grösseren Objekten. Die Körpergrösse wirkt sich<br />

ausserdem auf die visuelle Wahrnehmung des Kindes aus: Es hat dadurch<br />

einen anderen Sichtbereich als Erwachsene. Viele Objekte stellen<br />

für Kinder Sichthindernisse dar.<br />

Kinder (oder auch Erwachsene bei entsprechender Fahrzeuggrösse), die<br />

übersehen oder zu spät gesehen werden, haben ein hohes Risiko, in einen<br />

Unfall verwickelt zu werden.<br />

Gemäss offizieller Unfallstatistik der Polizei kommt es rund 12 Mal pro<br />

Jahr (Durchschnitt der Jahre 2000–2004) vor, dass ein schwer oder tödlich<br />

verunfallter Fussgänger aufgrund schlechter Übersicht (bedingt durch<br />

feste Bauten, Bepflanzungen oder mobile Gegenstände wie z. B. Container)<br />

verunfallt. Mehrheitlich (zu 55 %) sind Kinder zwischen 0 und 14 Jahren<br />

die Opfer. Auch Fussgänger über 75 Jahren verunfallen überdurchschnittlich<br />

häufig aufgrund schlechter Übersicht.<br />

Die Körpergrösse kann ein Risikofaktor sein, ist aber im Vergleich zu anderen<br />

Faktoren (wie Unauffälligkeit und insbesondere entwicklungs- und<br />

alterungsbedingte Defizite) von sekundärer Bedeutung für das <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

der Kinder.<br />

Insgesamt für die Fussgänger spielt die Körpergrösse als Risikofaktor<br />

keine bedeutsame Rolle. Ein gewichtigerer Unfallgrund bezüglich der<br />

Sichtbarkeit ist z. B. das zu späte Erkennen der Fussgänger aufgrund ihrer<br />

Unauffälligkeit (s. Kap. VII.2.9 Sichtbarkeit, S. 139).<br />

2.4.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Körpergrösse * **** *<br />

* sehr gering / ***** sehr gross


132 Risikofaktoren – Fussgänger<br />

Lückenhafte<br />

Regelkenntnisse nicht<br />

auszuschliessen<br />

2.5 Kompetenz: Verkehrsrelevantes Wissen<br />

2.5.1 Ausgangslage und Verbreitung<br />

Uns ist keine Erhebung zum verkehrsrelevanten Wissen wie Signal- und<br />

Regelkenntnisse von Fussgängern und Fussgängerinnen in der Schweiz<br />

bekannt.<br />

In einer Erhebung bei 2'066 Personen in Deutschland wurde festgestellt,<br />

dass die Zahl der richtigen Antworten zu Fragen bezüglich fussgängerrelevantem<br />

Verkehrswissen zwischen 20 und 80 % liegt (Ellinghaus &<br />

Steinbrecher, 1992). Die Autoren halten fest, dass – entgegen ihrer Erwartung<br />

– Personen mit Führerschein keine besseren Regelkenntnisse<br />

aufweisen als Personen ohne. Es zeigte sich lediglich, dass Fussgänger<br />

ohne Fahrberechtigung häufiger keine Antwort angaben, d. h. sich weder<br />

für ‚Ja’ noch für ‚Nein’ entscheiden konnten.<br />

In einer ebenfalls aus Deutschland stammenden neueren Studie (Weishaupt<br />

& Neumann-Opitz, 2006) wird das verkehrsbezogene Wissen der<br />

Jugendlichen allgemein bemängelt. Zwar wissen die Befragten recht gut<br />

Bescheid über Fragen, die sich auf das Radfahren beziehen. Fragen hingegen<br />

zum Bremsweg beim Inline-Skaten, zu Unfallhilfe, Vorbeifahren an<br />

Fahrzeugen oder Rücksichtnahme im Strassenverkehr lassen hingegen<br />

grosse Wissenslücken erkennen.<br />

Aufgrund dieser Forschungsergebnisse sind Wissenslücken von Fussgängern<br />

in der Schweiz zumindest nicht auszuschliessen.<br />

Gefahrenpotenzial und Unfallrelevanz<br />

Sicherheitsgefährdend sind insbesondere falsche Kenntnisse der Vortrittsregeln<br />

– was in der deutschen Studie nicht selten vorkam: So glaubte<br />

z. B. fast ein Drittel der Befragten, auf einem Fussgängerstreifen gegenüber<br />

einer Strassenbahn vortrittsberechtigt zu sein und 29 % glaubten, in<br />

einer Tempo-30-Zone nicht unbedingt den Gehweg benutzen zu müssen,<br />

sondern auch auf der Strasse gehen zu dürfen.


Risikofaktoren – Fussgänger 133<br />

Wissen notwendig<br />

aber nicht hinreichend<br />

Als Baustein<br />

unabdingbar, aber<br />

keine<br />

Sicherheitsgarantie<br />

Tabelle 38:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors ‚Wissen’<br />

Gefahrenbewusstsein<br />

nur beschränkt<br />

vorhanden<br />

Die Kenntnis der Verkehrsregeln ist eine notwendige Bedingung im Verkehr:<br />

So muss man etwa den Unterschied zwischen einer auf rot bzw. auf<br />

grün geschalteten Ampel kennen, um sich im Strassenverkehr zurechtzufinden.<br />

Fehlendes Grundwissen kann fatale Auswirkungen haben. Gefährlich<br />

kann auch das Unwissen darüber sein, dass innerhalb von 50<br />

Metern ein vorhandener Fussgängerstreifen benutzt werden muss (s.<br />

Kap. VIII.6.5 Punktuelle Querung auf einer Ebene mit Vortritt, S. 312).<br />

Wissen alleine bringt aber noch keine Sicherheit.<br />

Die Unfallrelevanz des Wissensfaktors wird als eher gering eingeschätzt,<br />

was aber nicht heisst, dass Regelkenntnisse als Baustein in der Verkehrssicherheit<br />

nicht wichtig wären.<br />

2.5.2 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Mangelhaftes<br />

verkehrsrelevantes<br />

Wissen<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

* **** **<br />

2.6 Kompetenz: Gefahrenbewusstsein / sicherheitsbewusste<br />

Einstellungen<br />

2.6.1 Ausgangslage und Verbreitung<br />

Sicherheit ist nicht immer das, woran Verkehrsteilnehmer als erstes denken,<br />

wenn sie unterwegs sind. Oft ist man zu Fuss unterwegs, ohne sich<br />

überhaupt in der Rolle eines Verkehrsteilnehmers zu fühlen – wieso also<br />

an Sicherheit denken? Ellinghaus (1992) hält fest, dass sich Fussgänger<br />

erst durch die Interaktion mit andern Verkehrsteilnehmern selbst als solche<br />

erleben (z. B. beim Queren einer Strasse oder wenn sie auf einer<br />

Mischfläche ihr Verhalten auf jenes der Radfahrer abstimmen müssen).<br />

Sicherheit wird seitens der Fussgänger am ehesten mit ihrer hohen Anfälligkeit<br />

für Verletzungen (hohe Vulnerabilität) in Zusammenhang gebracht:<br />

Man ist sich bewusst, dass einen kein Blech schützt. Wer über dieses<br />

Gefahrenbewusstsein verfügt, wird einen Unfall nicht durch Provokation


134 Risikofaktoren – Fussgänger<br />

Sicherheitsabträgliche<br />

Einstellung nur kombiniert<br />

mit Selbst- und<br />

Fremdüberschätzung<br />

gefährlich<br />

Tabelle 39:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚fehlendes<br />

Sicherheitsbewusstsein’<br />

aufs Spiel setzen oder sein Vortrittsrecht auf Biegen und Brechen durchsetzen.<br />

In einer Befragung von 2'066 Personen in Deutschland wurde<br />

deutlich, dass Fussgänger durchweg eine realistische Vorstellung darüber<br />

haben, welche Verkehrssituationen gefährlicher oder weniger gefährlich<br />

sind (Ellinghaus, 1992). 43 % der Befragten erleben das Queren einer<br />

Strasse an einer beampelten Kreuzung, wenn die Ampel grün zeigt, als<br />

„völlig ungefährlich“. Keine der andern Situationen wurde als ähnlich sicher<br />

eingestuft. So empfinden etwa nur 22 % das Gehen auf einer<br />

Strasse bei Tag in einem verkehrsberuhigten Bereich als „völlig sicher“.<br />

Insgesamt widerspiegeln die Ergebnisse von Ellinghaus ein hohes Mass<br />

an Unsicherheitsempfindungen der Fussgänger im Strassenverkehr. Daraus<br />

darf aber kaum auf ein entsprechend hohes Gefahrenbewusstsein<br />

geschlossen werden. Das Gefahrenbewusstsein bezüglich der eigenen<br />

Vulnerabilität ist oft nur eine vage Vorstellung, in der die tatsächlichen<br />

physikalischen und biomechanischen Gesetzmässigkeiten unterschätzt<br />

werden.<br />

2.6.2 Gefahrenpotenzial und Unfallrelevanz<br />

Ein mangelhaftes Gefahrenbewusstsein kann zu einer falschen Risikoeinschätzung<br />

und somit zu falschem Verhalten führen, vor allem in Kombination<br />

mit einer groben Überschätzung der eigenen Fähigkeiten oder den<br />

Fähigkeiten der anderen („Durch dieser Lücke komme ich noch locker<br />

über die Strasse“ oder „Der andere wird noch längstens bremsen können“).<br />

2.6.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Sicherheitsabträgliche<br />

Einstellung<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

** **** **


Risikofaktoren – Fussgänger 135<br />

Einschränkungen<br />

durch Alkoholkonsum<br />

Verbreitung unter<br />

Fussgängern eher<br />

gering<br />

Hohe Relevanz bei<br />

getöteten<br />

Erwachsenen – vor<br />

allem nachts<br />

Mässige Relevanz<br />

bezüglich aller<br />

Fussgängerunfälle<br />

2.7 Fähigkeit: Alkoholkonsum<br />

2.7.1 Ausgangslage und Verbreitung<br />

Alkoholkonsum führt zu grossen Beeinträchtigungen, sowohl in der Wahrnehmung,<br />

der Informationsverarbeitung, dem Sicherheitsbewusstsein als<br />

auch der Motorik.<br />

Die Schweiz gehört zu einem Land, in dem viel Alkohol getrunken wird (s.<br />

Kap. VII.3.6 Alkohol, S. 155). Da Fussgänger vor allem tagsüber unterwegs<br />

sind, Alkohol aber primär abends und nachts konsumiert wird, ist –<br />

bezogen auf das Kollektiv der Fussgänger – von einer geringen Risikoexposition<br />

auszugehen.<br />

2.7.2 Gefahrenpotenzial und Unfallrelevanz<br />

Während allgemein bekannt ist, dass Alkoholkonsum und Fahren zu trennen<br />

sind, wird die Gefahr beim zu Fuss Gehen unterschätzt. Internationale<br />

Arbeiten gehen davon aus, dass 40 bis 60 % der tödlich verunfallten<br />

zu Fuss gehenden Erwachsenen alkoholisiert waren (s. etwa Öström &<br />

Eriksson, 2001). Im Fall einer Kollision weisen alkoholisierte Fussgänger<br />

schwerere Verletzungen – insbesondere öfters Kopfverletzungen – und<br />

eine höhere Mortalitätsrate auf (Miles-Doan, 1996; Mittmeyer, 1991).<br />

In den schweizerischen Unfallprotokollen der Jahre 2000–2004 zeigt sich,<br />

dass Alkohol im <strong>Fussverkehr</strong> tatsächlich ein bedeutsamer Risikofaktor<br />

sein kann: Bei 8 % (N=150) der schwer verletzten oder getöteten Erwachsenen<br />

(18 bis 64 Jahre) wurde Verdacht auf Alkohol als Mitursache des<br />

Unfalls polizeilich festgestellt. Dieser Anteil erhöht sich auf knapp einen<br />

Drittel (31 %; N=23), wenn die Unfallursachen der nachts Getöteten in<br />

dieser Altersgruppe analysiert werden.<br />

Bezogen auf das Kollektiv aller schwer oder tödlich verunfallten Fussgänger<br />

ist Alkoholkonsum der Fussgänger selbst nur bei 4 % aller Unfälle im<br />

Spiel. Da die erwähnten 23 nachts unter Alkoholeinfluss Getöteten nur<br />

knapp 5 % der insgesamt in diesen Jahren Getöteten ausmachen, stellt<br />

Alkoholkonsum zwar nicht der zentrale, aber dennoch ein nicht zu vernachlässigender<br />

Risikofaktor dar.


136 Risikofaktoren – Fussgänger<br />

Tabelle 40:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors ‚Alkohol’<br />

Wechsel der<br />

Betrachtungsebene:<br />

Verhalten<br />

Missachten der<br />

Verkehrsregeln beim<br />

Queren der Strasse<br />

häufig<br />

2.7.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Alkoholkonsum * *** *(*)<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

Im Folgenden werden Risikofaktoren thematisiert, die sich auf das unmittelbare<br />

Verhalten der Fussgänger und Fussgängerinnen beziehen. Es<br />

wird gewissermassen die Beobachtungsebene gewechselt: Das Verhalten<br />

resultiert aus manchen der oben thematisierten Faktoren. Oft ist aber<br />

nicht schlüssig zu sagen, welcher Risikofaktor denn nun eine gefährliche<br />

Verhaltensweise, z. B. das unvorsichtige Betreten der Fahrbahn, verursachte.<br />

Zudem haben wir es oft nicht mit monokausalen Gegebenheiten<br />

zu tun, sondern diverse Faktoren können in Kombination zu einem Fehlverhalten<br />

führen.<br />

2.8 Verhalten: Regelwidriges Verhalten<br />

2.8.1 Ausgangslage und Verbreitung<br />

Es ist nicht zu leugnen, dass Fussgänger sich nicht immer an Verkehrsregeln<br />

halten: So wird zwischendurch trotz rotem Lichtsignal die Strasse<br />

überquert und auch das Nichtbenützen eines Fussgängerstreifens, obwohl<br />

sich dieser näher als 50 Meter befindet, ist keine Seltenheit.<br />

Diesbezügliche Zahlen aus der Schweiz sind uns nicht bekannt. Eine in<br />

Deutschland durchgeführte repräsentative Befragung (Ellinghaus, 1992)<br />

ergab, dass rund ein Viertel der Befragten bei Rot über die Kreuzung<br />

geht, wenn kein Fahrzeug kommt. Dieser Anteil erhöht sich auf einen<br />

Drittel, wenn die Befragten unter Zeitdruck stehen.<br />

Queren bei Rot hängt nicht nur von der Infrastruktur oder meteorologischen<br />

Bedingungen ab, sondern auch von sozialpsychologischen Faktoren.<br />

In der Studie von Ellinghaus & Steinbrecher (1992) wird der so genannte<br />

Mitzieheffekt bestätigt, bei dem eine oder wenige Personen quasi<br />

als Katalysator ausreichen, eine ganze Gruppe zum Überqueren bei Rotlicht<br />

zu veranlassen. Rund ein Viertel der Befragten erklärt mitzugehen,<br />

wenn andere bei Rot gehen. Einen besonderen Einfluss hat die Anwe-


Risikofaktoren – Fussgänger 137<br />

Polizeilich<br />

zugeschriebene<br />

Mängel und Einflüsse<br />

Tabelle 41:<br />

Fehlverhaltensweisen<br />

der zu Fuss<br />

Gehenden gemäss<br />

polizeilichem<br />

Unfallprotokoll, 2000–<br />

2004<br />

Beobachtbare Fehler<br />

haben<br />

unterschiedliche<br />

Ursachen<br />

senheit von Kindern: 80 % der Befragten erklären, dass sie die Strasse<br />

auf keinen Fall bei Rot überqueren, wenn Kinder in der Nähe sind.<br />

2.8.2 Gefahrenpotenzial und Unfallrelevanz<br />

Wie oft wird ein Unfall mit einem schwer verletzten oder getöteten Fussgänger<br />

durch diesen selbst verursacht? Auswertungen der Unfallprotokolle<br />

(Durchschnitt der Jahre 2000–2004) zeigen, dass in mehr als der<br />

Hälfte der Fälle (54 %) nur die Kollisionsgegner bemängelt wurden, d. h.<br />

die Fussgänger selbst waren unschuldig. 28 % der Unfälle wurden alleine<br />

durch die Fussgänger verschuldet und bei 18 % der Unfälle waren beide<br />

Partner mitschuldig.<br />

Somit sind Fussgänger in gut einem Drittel (36 %) der Unfälle schuldig<br />

oder zumindest mitschuldig. In Tabelle 11 sind die den schwer verletzten<br />

oder getöteten Fussgängern am häufigsten zugeschriebenen Mängel aufgeführt<br />

(Summe der Jahre 2000–2004).<br />

Mögliche Unfallursachen<br />

(Mehrfachnennungen bis max. drei möglich)<br />

Anzahl<br />

Nennungen<br />

Unvorsichtiges Queren der Strasse (Gehen) 786<br />

Springen/Laufen über die Fahrbahn 546<br />

Nichtbenutzen des Fussgängerstreifens 335<br />

Einwirkung von Alkohol, Drogen, Medikamenten 182<br />

Falsches Verhalten bei Lichtsignalanlage 132<br />

Falsches Verhalten auf dem Fussgängerstreifen 79<br />

Spielen auf der Strasse 77<br />

Nichtbenutzen des Trottoirs 35<br />

Gehen oder Laufen auf der falschen Strassenseite 26<br />

Missachten des Vortritts vor Strassenbahn, Linienbus 32<br />

Missachten des Rotlichts 21<br />

Total 2’251<br />

Total anderer Mängel 549<br />

Total 2’799<br />

Verhaltensbezogene Mängel<br />

Es wird deutlich, dass zwar der grösste Teil der Mängel der Fussgänger<br />

verhaltensbezogene Mängel sind, dass aber ein Grossteil davon nicht im<br />

Sinn von grobfahrlässigen Fehlverhaltensweisen interpretiert werden<br />

dürfen. Fehlverhalten wie Springen/Laufen über die Fahrbahn bei Kindern


138 Risikofaktoren – Fussgänger<br />

Unvorsichtiges<br />

Queren an Fussgängerstreifen<br />

keine<br />

Hauptursache von<br />

Fussgängerunfällen<br />

Tabelle 42:<br />

Fehlverhaltensweisen<br />

von auf Fussgängerstreifen<br />

verunfallten<br />

zu Fuss Gehenden<br />

gemäss polizeilichem<br />

Unfallprotokoll, 2000–<br />

2004<br />

findet in der Regel entwicklungsbedingt statt (390 der 546 diesbezüglichen<br />

Nennungen betreffen Kinder bis 14 Jahre). Dasselbe gilt etwa für<br />

das unvorsichtige Betreten der Fahrbahn durch ältere Menschen (298 der<br />

786 diesbezüglichen Nennungen betreffen Personen ab 65 Jahren).<br />

Nichtbenutzen des Fussgängerstreifens kann die Folge fehlenden Wissens<br />

sein, hat aber bestimmt auch mit der hohen Umwegempfindlichkeit<br />

der Fussgänger zu tun. Falsches Verhalten bei Lichtsignalanlagen oder<br />

das Spielen auf der Strasse kann ebenfalls in Zusammenhang mit Wissensdefiziten<br />

oder auch mangelndem Gefahrenbewusstsein, Rücksichtslosigkeit<br />

etc. in Zusammenhang stehen, es kann aber ebenso gut ein Indikator<br />

für Infrastrukturprobleme oder mangelnde sichere Bewegungsmöglichkeiten<br />

für Kinder in Wohnquartieren sein.<br />

In der Öffentlichkeit wird häufig das unvorsichtige Betreten des Fussgängerstreifens<br />

als zentrale Ursache von Fussgängerunfällen vermutet.<br />

Tabelle 42 zeigt jedoch ein anderes Bild. In den Jahren 2000–2004 bezichtigte<br />

die Polizei nur 82-mal einen auf einem Fussgängerstreifen<br />

schwer oder tödlich verunfallten Fussgänger des unvorsichtigen Querens<br />

der Strasse (Gehen). Von den diesbezüglich insgesamt 786 Nennungen<br />

(s. Tabelle 41) fallen somit lediglich rund 10 % auf Konfliktsituationen bei<br />

Fussgängerstreifen. Ein analoges Bild zeigt sich bezüglich Springen/Laufen<br />

über die Fahrbahn. Nur 10 % dieser gefährlichen Verhaltensweise (oft<br />

von Kindern begangen) ereignen sich an Fussgängerstreifen (56 von 546<br />

Nennungen).<br />

Alter<br />

Unvorsichtiges Queren<br />

der Strasse (Gehen)<br />

Springen/Laufen über die<br />

Fahrbahn<br />

0–6 Jahre 3 15<br />

7–14 Jahre 17 27<br />

15–17 Jahre 2 2<br />

18–64 Jahre 32 9<br />

65–74 Jahre 10 2<br />

75+ Jahre 18 1<br />

Total auf<br />

Fussgängerstreifen<br />

82 56


Risikofaktoren – Fussgänger 139<br />

Geringe<br />

Unfallrelevanz<br />

Kollisionsgegner sind<br />

häufiger Verursacher<br />

als Fussgänger<br />

Tabelle 43:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚regelwidriges<br />

Verhalten der<br />

Fussgänger’<br />

Wichtigkeit der<br />

Sichtbarkeit wird oft<br />

unterschätzt<br />

Insgesamt kann festgehalten werden, dass nur ein geringer Anteil der<br />

Unfälle vermutlich durch grobfahrlässiges Fehlverhalten seitens der Fussgänger<br />

verschuldet wird.<br />

Ausserdem ist festzuhalten, dass mehr Unfälle verhindert werden könnten<br />

(mehr als die Hälfte), wenn seitens der Kollisionsgegner keine Fehler begangen<br />

würden. In den letzten 10 Jahren haben sich die Schuldanteile<br />

zudem deutlich zu Ungunsten der Kollisionsgegner verschoben. Im Jahr<br />

1994 betrug der Anteil ausschliesslich bemängelter Kollisionsgegner noch<br />

47 %.<br />

2.8.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Regelwidriges<br />

Verhalten<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

2.9 Verhalten: Sichtbarkeit<br />

2.9.1 Ausgangslage und Verbreitung<br />

*** *** **<br />

Fussgängern ist bewusst, dass sie nachts mehr gefährdet sind als tagsüber<br />

(Ellinghaus & Steinbrecher, 1992). Sie unterliegen jedoch nicht selten<br />

einem Trugschluss: Da sie selbst sowohl ihre Umgebung als auch das<br />

herannahende Fahrzeug problemlos erkennen können, gehen sie fälschlicherweise<br />

davon aus, dass umgekehrt auch die Automobilisten sie erkennen.<br />

Dieser Fehlschluss zeigt sich erstaunlicherweise auch bei zu Fuss<br />

Gehenden, die einen Führerausweis besitzen und über Fahrpraxis verfügen<br />

(Ruwenstroth, Kuller & Radder, 1993).<br />

So wird nachts – aber auch bei Tag – viel zu wenig auf eine gute Sichtbarkeit<br />

geachtet.


140 Risikofaktoren – Fussgänger<br />

Sichtbarkeitshilfen<br />

sind uncool<br />

Verbesserte<br />

Sichtbarkeit tagsüber<br />

und nachts möglich<br />

Sichtbarkeitshilfen<br />

tragen zu früherem<br />

Erkennen bei<br />

Kinder schützen sich diesbezüglich am besten (etwa durch reflektierende<br />

Materialien an Schultaschen). Für Kindergartenkinder ist der orange Dreieckgürtel<br />

eine Ehre – jetzt gehören sie auch dazu. Um diesen Anreiz erhalten<br />

zu können, müssen Sicherheitsprodukte dem Stil der Altersgruppe<br />

entsprechen. Diese Idee wurde z. B. vom TCS aufgenommen: Der Triki<br />

der Erstklässler ist gelb – er wird gerne als Abgrenzung zu den Kindergartenkindern<br />

getragen. Wünschenswert wären Angebote in dieser Richtung<br />

auch für Jugendliche, bei denen solche Sicherheitsbemühungen auf<br />

wenig Akzeptanz stossen. Auch Erwachsene legen häufig keinen Wert<br />

auf eine gute Sichtbarkeit.<br />

2.9.2 Gefahrenpotenzial und Unfallrelevanz<br />

Eine umfassende Diskussion zum Thema Sichtbarkeit von Fussgängern<br />

findet sich bei Walter (2004).<br />

Kwan und Mapstone (2004) kamen nach Durchsicht der internationalen<br />

Forschungsarbeiten zum Schluss, dass keine Arbeiten direkt den Zusammenhang<br />

zwischen fehlender Sichtbarkeit und Unfallhäufigkeit nachweisen<br />

konnten. Gemäss den Autoren liegt hingegen eine Vielzahl von Ergebnissen<br />

vor, die einen Zusammenhang zum Reaktionsverhalten der<br />

Fahrzeuglenker bei diversen Sichtbarkeitshilfen bei Nacht (aktive Leuchtkörper,<br />

retroreflektierende Materialien) und bei Tag (fluoreszierende Materialien)<br />

nachweisen.<br />

Die Sichtdistanzen oder Reaktionsdistanzen zwischen den Extrembedingungen<br />

schwarze Kleidung bzw. reflektierende Materialien oder blinkendes<br />

Licht erhöhten sich in den verschiedenen Studien, die Kwan &<br />

Mapstone anschauten, in unterschiedlichem Mass, insgesamt aber beachtlich.<br />

Da manche der Studien aus den 60er- oder 70er-Jahren stammen<br />

und seither viel technische Innovation bei fluoreszierenden und reflektierenden<br />

Materialien sowie bei Leuchten stattfand, dürfte die Wirksamkeit<br />

noch höher liegen, als in besagten Studien festgestellt wurde.<br />

Tyrell, Brooks, Wood und Carberry (2004) kommen aufgrund diverser<br />

Studien zum Schluss, dass die Distanz, ab welcher Fahrzeuglenkende ein<br />

Objekt erkennen können, bei retroreflektierendem Material im Vergleich<br />

zu schwarzer Kleidung zwischen 100 und 1'200 % grösser ist.


Risikofaktoren – Fussgänger 141<br />

Links gehen – Gefahr<br />

sehen<br />

Tabelle 44:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚ungenügende<br />

Sichtbarkeit’<br />

Die Regel „links gehen – Gefahr sehen“ ist für zu Fuss Gehende sehr<br />

wichtig; auch im Sinn von „links gehen – gesehen werden“. Schmidt-Clausen<br />

(1982, zit. nach Cohen, 1997) ermittelt, dass eine dunkel gekleidete<br />

Person von einem Fahrzeuglenker auf eine Entfernung von 70 m gesehen<br />

wird, wenn sie sich auf der Spur des Autos befindet. Die Erkennbarkeitsentfernung<br />

reduziert sich auf 40 m, wenn sie auf der gegenüberliegenden<br />

Fahrbahn unterwegs ist.<br />

Die enorme Relevanz von Sichtdistanzen in der Unfallprävention wird klar,<br />

wenn man bedenkt, dass nach Expertenurteilen 50 % aller Unfälle vermeidbar<br />

wären, wenn ein Brems- oder Ausweichmanöver 1 Sekunde vorher<br />

eingeleitet worden wäre (Enke, 1979, zit. nach Cohen, 1994).<br />

Zwar macht die Nennung „zu spätes Erkennen des Fussgängers wegen<br />

Unauffälligkeit“ nur knapp 4 % aller Mängel und Einflüsse aus, die den<br />

Kollisionsgegnern von schwer verletzten oder getöteten Fussgängern polizeilich<br />

zugeschrieben werden. Der weitaus grösste Teil der Fussgänger<br />

kommt zu Schaden, weil die Kollisionsgegner die Anhaltepflicht vor Fussgängerstreifen<br />

missachtet haben und/oder unaufmerksam waren. Es ist<br />

davon auszugehen, dass eine exzellente Sichtbarkeit (helle, grelle Farben<br />

am Tag; reflektierende Materialien in der Nacht) manchen Fussgänger<br />

hätte schützen können, weil er damit früher die Aufmerksamkeit der Fahrzeuglenker<br />

auf sich hätte ziehen können.<br />

Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Ungenügende<br />

Sichtbarkeit<br />

** **** ***<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

2.10 Risikogruppen<br />

Lassen sich Personengruppen identifizieren, die durch eine Anhäufung<br />

von Risikofaktoren oder durch einen besonders stark ausgeprägten Risikofaktor<br />

hervorstechen? Gemäss einer Review-Arbeit von Schieber &<br />

Vegega (2002) sind soziodemographische Eigenschaften der Fussgänger<br />

wie Alter, Geschlecht, sozialer Status, ethnische Zugehörigkeit die stärk-


142 Risikofaktoren – Fussgänger<br />

Ein Viertel aller<br />

schwer oder tödlich<br />

verletzten Fussgänger<br />

sind Kinder<br />

Höheres Risiko für<br />

jüngere Kinder pro<br />

zurückgelegten km<br />

als für ältere Kinder<br />

Knaben gefährdeter<br />

als Mädchen<br />

sten Prädiktoren für Unfälle. Da es sich dabei mehrheitlich um US-Studien<br />

handelt, ist die Übertragbarkeit auf schweizerische Verhältnisse fraglich.<br />

Besonders Kinder – dabei ausgeprägter Knaben als Mädchen –, ältere<br />

Menschen sowie Personen aus Haushalten mit geringem sozialem Status<br />

sind als Fussgänger gefährdet.<br />

Kinder zwischen 0 und 6 Jahren bzw. zwischen 7 und 14 Jahren machen<br />

8 resp. 15 % der schwer verletzten und getöteten Fussgänger aus – dies<br />

bei einem Bevölkerungsanteil von 7.1 bzw. 9.5 %. Somit sind insbesondere<br />

7- bis 14-jährige Kinder häufiger in Fussgängerunfälle verwickelt als<br />

aufgrund ihres Bevölkerungsanteils zu erwarten wäre.<br />

Eine Ursache könnte in der unterschiedlichen Exposition liegen; leider<br />

liegen Angaben dazu aber erst ab dem sechsten Altersjahr vor (Bundesamt<br />

für Raumentwicklung ARE & Bundesamt für Statistik BFS, 2001).<br />

Diese Daten zeigen, dass 10- bis 14-Jährige pro zu Fuss zurückgelegten<br />

Kilometer eine geringere Unfallrate ausweisen als 6- bis 9-Jährige (der<br />

Unterscheid fällt geringer aus, wenn die zu Fuss im Verkehr verbrachte<br />

Zeit als Analyseeinheit verwendet wird). Ausserdem erleiden Kinder zwischen<br />

0 und 6 Jahren dreimal so häufig tödliche Verletzungen wie Kinder<br />

zwischen 7 und 14 Jahren.<br />

In der internationalen Literatur sind aber auch gegenteilige Ergebnisse<br />

vorhanden. So stellen Wazana, Krueger, Raina und Chambers (1997)<br />

fest, dass Kinder im mittleren Alter (8 bis 12 Jahre) auch dann mehr gefährdet<br />

sind als jüngere Kinder (3 bis 7 Jahre), wenn ihre Exposition berücksichtigt<br />

wird.<br />

Knaben verunfallen – gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil – rund doppelt<br />

so oft wie Mädchen der entsprechenden Altersgruppe. Schuld am<br />

erhöhten Unfallrisiko der Knaben ist nicht etwa ihre höhere Exposition (s.<br />

Abbildungen 13 und 14 in Kap. VI.2 <strong>Unfallgeschehen</strong>: Fussgänger, S. 87).<br />

Diese Befunde stehen im Einklang mit internationalen Arbeiten (vgl. Wazana<br />

et al., 1997).


Risikofaktoren – Fussgänger 143<br />

Jeder dritte schwer<br />

oder tödlich verletzte<br />

Fussgänger ist über<br />

65 Jahre alt<br />

Höheres Unfallrisiko<br />

für Kinder aus tiefer<br />

sozialer Schicht<br />

Nach Bischof-Köhler und Bischof (2000) 16 zeigen Jungen ein stärker ausgeprägtes<br />

Explorationsverhalten und sind neugieriger als Mädchen; zudem<br />

ist ihr Freizeitverhalten bewegungsbetonter. Durch diese Faktoren ist<br />

die Gefahrenexposition der Jungen im Durchschnitt grösser als jene der<br />

Mädchen. Beobachtungsstudien von zu Fuss gehenden Kindern im Strassenverkehr<br />

haben folgende geschlechtsspezifischen Unterschiede festgestellt<br />

(Limbourg, 1994).<br />

• Die Exposition der Jungen im Verkehrsraum (Fahrbahn und Gehweg)<br />

ist grösser als die der Mädchen.<br />

• Jungen laufen häufiger plötzlich auf die Fahrbahn, während Mädchen<br />

öfters am Bordstein anhalten, bevor sie die Strasse überqueren.<br />

• Jungen verhalten sich häufiger leichtsinniger, unkonzentrierter.<br />

Schieber & Vegega (2002) halten fest, dass Knaben nicht aufgrund biologischer<br />

Faktoren für Unfälle prädestiniert sind, sondern weil sie z. B.<br />

schon früh lernen, weniger vorsichtig sein zu müssen als Mädchen und<br />

weniger unter Aufsicht stehen als diese.<br />

Von den schwer verletzten oder getöteten Fussgängern sind gut ein Drittel<br />

Personen über 65 Jahre. Davon sind rund zwei Drittel über 74 Jahre<br />

(s. Tabelle 10, S. 88). Auf 100'000 Einwohner über 74 Jahre erleiden fast<br />

40 pro Jahr schwere oder tödliche Unfälle beim zu Fuss Gehen. Das sind<br />

dreimal mehr als der Durchschnitt in der Bevölkerung (13 pro 100'000<br />

Einwohner).<br />

Uns ist keine Arbeit bekannt, die für die Schweiz den Zusammenhang<br />

zwischen sozialer Schichtzugehörigkeit und Unfallraten ausgearbeitet<br />

hätte. 17 Internationale Forschungsarbeiten zeigen aber, dass insbesondere<br />

Kinder aus deprivierten Verhältnissen ein erhöhtes Risiko haben, als<br />

Fussgänger zu verunfallen als besser gestellte (siehe etwa die Übersichtsarbeit<br />

von Laflamme & Diderichsen, 2000 oder Wazana et al.,<br />

1997). Beeindruckend ist z. B. ein Forschungsergebnis aus Grossbritannien<br />

(Edwards, Roberts, Green & Lutchmun, 2006): Kinder mit Eltern, die<br />

16 Bischof-Köhler, D. & Bischof, N. (2000). Die Differenz der Geschlechter aus<br />

evolutionsbiologischer und entwicklungspsychologischer Perspektive.<br />

Nova Acta Leopoldina, NF 82, Nr. 315, 79–96<br />

17 Leider wurde das Thema Unfälle im Bericht „Bestandesaufnahme der Indikatoren<br />

sozialer Ungleichheit in der Schweizer Gesundheitsberichterstattung“ von<br />

Niemann, Spörri und Abel (2005) nicht berücksichtigt.


144 Risikofaktoren – Fussgänger<br />

Zentrale<br />

Risikofaktoren<br />

basieren auf<br />

Entwicklungs- und<br />

Alterungsdefiziten<br />

Mangelhafte<br />

Sichtbarkeit<br />

nie oder schon lange nicht mehr gearbeitet haben, erleiden 20 Mal mehr<br />

tödliche Fussgängerunfälle als Kinder mit Eltern in führender Position. In<br />

Schweden ist das relative Risiko, als Kind ungelernter Arbeitskräfte einen<br />

Fussgängerunfall zu erleiden, um den Faktor 1.4 erhöht (Hasselberg &<br />

Laflamme, 2004).<br />

Laflamme & Diderichsen (2000) halten fest, dass Mortalität und Morbidität<br />

in praktisch allen industrialisierten Staaten nach sozialer Schichtzugehörigkeit<br />

variieren – die Schweiz ist davon vermutlich nicht auszunehmen.<br />

Erklärt werden können die Schichtunterschiede z. B. durch unterschiedliche<br />

Wohnformen, Exposition etc.<br />

2.11 Zusammenfassung und Fazit<br />

Die Fussgänger sollen grundsätzlich ebenso einen Beitrag zur Erhöhung<br />

ihrer eigenen Sicherheit leisten wie die Lenker insbesondere motorisierter<br />

Fahrzeuge. Da Kinder und Senioren zusammen rund 60 % der schwer<br />

verletzten und getöteten zu Fuss Gehenden ausmachen, darf ihr Mitwirken<br />

allerdings nicht überschätzt werden: Entwicklungs- bzw. alterungsbedingte<br />

Risikofaktoren lassen sich nicht eliminieren. Will man diese Personengruppen<br />

nicht von der Strasse verbannen, muss immer damit gerechnet<br />

werden, dass Kinder oder ältere Menschen die Strasse vermeintlich<br />

achtlos betreten. Sie sind oft schlicht gar nicht in der Lage, die Gefahr<br />

eines herannahenden Fahrzeugs zu registrieren (sie hören es nicht, sehen<br />

es nicht, schätzen dessen Geschwindigkeit falsch ein, sind durch<br />

Spielen abgelenkt etc.).<br />

Als zusätzlicher Risikofaktor ist die oft ungenügende Sichtbarkeit der<br />

Fussgänger zu nennen.


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 145<br />

Primär werden MFZ-<br />

Lenkende betrachtet<br />

Problematisches<br />

Verhalten wird<br />

thematisiert<br />

Fahrfähigkeit<br />

bezeichnet aktuelle<br />

Voraussetzungen<br />

3. Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

3.1 Einleitung<br />

Kollidiert ein Fussgänger mit einem fäG-Benutzenden (Inline-Skates,<br />

Trottinette etc.), kann dies im Einzelfall durchaus zu schweren Verletzungsfolgen<br />

führen. Solche Kollisionen stellen jedoch für die Fussgängersicherheit<br />

ein absolut marginales und somit vernachlässigbares Problem<br />

dar. In Anbetracht der viel häufigeren und erheblich schwereren Kollisionen<br />

zwischen Fussgängern und dem motorisierten Verkehr beziehen sich<br />

die Ausführungen im vorliegenden Kapitel schwergewichtig auf MFZ-Lenkende,<br />

sie gelten aber teilweise auch für die Radfahrenden.<br />

Um das Gefährdungspotenzial, das von Fahrzeuglenkenden ausgeht,<br />

umfassend zu thematisieren, werden folgende drei Felder betrachtet:<br />

a) Darstellung spezifischer Risikofaktoren<br />

b) Beschreibung individuumsübergreifender Leistungsgrenzen<br />

c) Identifizierung auffälliger Risikogruppen<br />

a) Darstellung spezifischer Risikofaktoren<br />

Wird die konkrete Verhaltensebene betrachtet, so zeigen sich insbesondere<br />

zwei Risikofaktoren: die überhöhte oder unangepasste Geschwindig-<br />

keit (Kap. VII.3.2, S. 147) sowie die Vortrittsverweigerung am Fussgän-<br />

gerstreifen (Kap. VII.3.3, S. 150). Beiden Problemfeldern ist gemein, dass<br />

ihre Bedeutung für die Sicherheit in der Regel von den Fahrzeuglenkenden<br />

unterschätzt wird. Weiter wird der Verzicht auf das Fahren mit Licht<br />

am Tag (Kap. VII.3.4, S. 152) sowie unvorsichtiges Rückwärtsfahren<br />

(Kap. VII.3.5, S. 154) thematisiert. Neben den vier genannten Faktoren<br />

auf der Verhaltensebene existiert eine Vielzahl von Faktoren auf der<br />

dispositiven Ebene. Diese können den drei Bereichen Fahrfähigkeit,<br />

Fahrkompetenz und Fahreignung zugeordnet werden:<br />

Fahrfähigkeit bezeichnet – bei gegebener Fahreignung und Fahrkompetenz<br />

– die momentane Befähigung des Individuums, am Strassenverkehr<br />

teilzunehmen. Wichtige Risikofaktoren, die die Fahrfähigkeit herabsetzen,<br />

sind einerseits endogene Faktoren wie Müdigkeit (Kap. VII.3.9,<br />

S. 163) und Unaufmerksamkeit (Kap. VII.3.10, S. 164) sowie andererseits


146 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Fahrkompetenz<br />

bezeichnet erworbene<br />

Voraussetzungen<br />

Fahreignung<br />

bezeichnet genuine<br />

oder altersbedingte<br />

Voraussetzungen<br />

exogene Faktoren durch den Konsum von Substanzen wie Alkohol<br />

(Kap. VII.3.6, S. 155), Drogen (Kap. VII.3.7, S. 158) und Medikamente<br />

(Kap. VII.3.8, S. 161).<br />

Fahrkompetenz bezeichnet die erworbene psychische und physische<br />

Befähigung des Individuums, am Strassenverkehr teilzunehmen. Thematisiert<br />

wird einerseits die technische Fahrzeugbedienung als motorischphysische<br />

Fähigkeitskomponente (Kap. VII.3.11, S. 166) und andererseits<br />

die Gefahrenkognition als psychische Komponente der Fahrkompetenz<br />

(Kap. VII.3.12, S. 167).<br />

Fahreignung beschreibt die stabilen, psychischen und physischen Grundvoraussetzungen,<br />

um am Strassenverkehr teilzunehmen. Risikofaktoren, die<br />

die Fahreignung beeinträchtigen, können im perzeptiven (Kap. VII.3.13,<br />

S. 169), motorischen (Kap. VII.3.14, S. 173) und kognitiven Bereich<br />

(Kap. VII.3.15, S. 173) liegen. Die Beeinträchtigungen können sowohl<br />

altersbedingt sein als auch auf pathologischen Prozessen beruhen. Es<br />

würde den Rahmen des vorliegenden Berichts sprengen, auf die<br />

Bedeutung von spezifischen Erkrankungen (wie Diabetes, Herz-Kreislauf-<br />

Störungen, Demenz etc.) einzugehen. Die interessierte Leserschaft sei<br />

diesbezüglich auf Vaa (2003) und Sagberg (2003) verwiesen.<br />

b) Beschreibung individuumsübergreifender Leistungsgrenzen<br />

Alle Risikofaktoren aus den vier genannten Bereichen Fahrverhalten, -fähigkeit,<br />

-kompetenz und -eignung können als differenzielle Einflussfaktoren<br />

bezeichnet werden, da sie von Mensch zu Mensch variieren. Es existieren<br />

jedoch auch Einflussfaktoren, die genereller Natur sind und somit alle<br />

Menschen gleichermassen betreffen. Solche Einflussfaktoren zeigen sich<br />

dann, wenn das System Strassenverkehr derart gestaltet ist, dass es zu<br />

Überforderungen der menschlichen Leistungsfähigkeit führt. Menschliche<br />

Leistungsgrenzen als Risikofaktoren zu bezeichnen, wäre etwas verwegen,<br />

stellen sie doch nicht per se ein Risiko dar, sondern nur in einem<br />

nicht menschengerecht gestalteten Strassensystem. Trotzdem ist es sinnvoll,<br />

menschliche Leistungsgrenzen zu betrachten, da sie in Interaktion<br />

mit der Fahrzeug- und Infrastrukturgestaltung zu Unfällen führen können<br />

(Kap. VII.3.16, S. 174).


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 147<br />

Risikogruppen sind<br />

soziodemographische<br />

Gruppen mit erhöhter<br />

Unfallbelastung<br />

Menschliche<br />

Leistungsgrenzen als<br />

systembedingte<br />

Risikofaktoren<br />

Tabelle 45:<br />

Geschwindigkeitsverhalten<br />

auf<br />

Innerorts- und<br />

Ausserortsstrassen<br />

(Lindenmann, 2005)<br />

c) Identifizierung auffälliger Risikogruppen<br />

Anders als bei der Beschreibung einzelner Risikofaktoren wird bei der<br />

Frage nach Risikogruppen eine Metaebene betrachtet, indem untersucht<br />

wird, ob sich bei den Fahrzeuglenkenden soziodemographisch definier-<br />

bare Gruppen identifizieren lassen, die ein erhöhtes Risiko aufweisen, in<br />

Fussgängerkollisionen zu geraten (Kap. VII.3.17, S. 177).<br />

3.2 Fahrverhalten: Geschwindigkeitswahl<br />

3.2.1 Ausgangslage<br />

Geringe Tempounterschiede werden meist als bedeutungslos eingestuft.<br />

Dementsprechend ist es nicht erstaunlich, dass ein beachtlicher Anteil der<br />

Fahrzeuglenkenden Überschreitungen der signalisierten Geschwindigkeiten<br />

als eher unproblematisch sieht. Rund 20 % der MFZ-Lenkenden ignorieren<br />

eine 50 km/h-Beschränkung und ebenso viele eine 80 km/h-Beschränkung<br />

(vgl. Tabelle 45).<br />

Innerorts (V-Sign: 50 km/h)<br />

Jahr V85 V50 V15 Vm s V>V-Sign in %<br />

2003 50 43 37 43 7.3 20.5<br />

2004 49 44 37 43 6.9 18.5<br />

2005 49 43 36 43 7.1 18.0<br />

Ausserorts (V-Sign: 80 km/h)<br />

Jahr V85 V50 V15 Vm s V>V-Sign in %<br />

2001 85 77 71 78 7.4 35.4<br />

2002 83 76 68 76 7.4 26.9<br />

2003 83 75 67 75 9.3 23.5<br />

2004 81 74 65 73 9.4 19.1<br />

2005 83 75 67 75 8.9 26.1<br />

V15/V50/V85: Geschwindigkeit, die von 15 %, 50 % bzw. 85 % der Fahrzeuge nicht überschritten<br />

wird<br />

Vm: Durchschnittsgeschwindigkeit<br />

S: Standardabweichung<br />

V>V-Sign: Prozentualer Anteil der MFZ-Lenkenden, die schneller als die signalisierte Geschwindigkeit<br />

fahren


148 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Geschwindigkeitsüberschreitungen:<br />

Weit verbreitetes<br />

Phänomen<br />

Geschwindigkeit<br />

zentral für<br />

<strong>Unfallgeschehen</strong><br />

Geschwindigkeitsanstieg<br />

führt zu<br />

überproportionalem<br />

Gefahrenanstieg<br />

Eine Befragung von jungen Neulenkenden mit einer Führerscheinbesitzdauer<br />

von zwei bis drei Monaten ergab, dass 1/5 „oft“ oder sogar „sehr<br />

oft“ schneller als erlaubt fährt (Cavegn, Walter, Siegrist & Widmer, 2004).<br />

Eine im Rahmen des EU-Projektes SARTRE 3 durchgeführte Befragung<br />

ergab, dass rund 40 % der Schweizer Autofahrenden gern schnell fahren<br />

(Kuratorium für Verkehrssicherheit KfV, 2004).<br />

Gemäss einer international durchgeführten Umfrage sind in den letzten<br />

drei Jahren über ein Drittel aller Schweizer Autofahrenden wegen Geschwindigkeitsübertretungen<br />

bestraft worden (Kuratorium für Verkehrssicherheit<br />

KfV, 2004).<br />

3.2.2 Unfallrelevanz<br />

Die Geschwindigkeit ist einer der zentralsten Unfall- und Verletzungsrisikofaktoren<br />

im Strassenverkehr. Das gilt bei Kollisionen zwischen MFZ<br />

und ungeschützten Verkehrsteilnehmenden in besonderem Mass, da die<br />

kinetische Energie bei letzteren infolge der fehlenden Knautschzonen<br />

unmittelbar auf den Körper einwirkt. Es existieren zwar Bestrebungen,<br />

sicherheitsoptimierte MFZ-Fronten zu konstruieren, doch diese wirken nur<br />

bei geringen Kollisionsgeschwindigkeiten; ab ca. 40 km/h haben sie gar<br />

keine Wirkung mehr.<br />

Die hohe Unfallrelevanz der Geschwindigkeit liegt darin begründet, dass<br />

der Zusammenhang zur Verletzungswahrscheinlichkeit bzw. -schwere<br />

überproportional stark ausfällt: Das heisst, eine kleine Geschwindigkeitserhöhung<br />

von einigen Stundenkilometern kann anstelle einer harmlosen<br />

Verletzung ohne langfristige Folgen durchaus zum Tod des angefahrenen<br />

Fussgängers führen. Der überproportional starke Zusammenhang zu den<br />

Verletzungen basiert auf zwei Effekten. Zum einen führt eine Geschwindigkeitserhöhung<br />

zu einem überproportional verlängerten Anhalteweg bzw.<br />

(im Falle eines Hindernisses) zu einer überproportional erhöhten Kollisionsgeschwindigkeit<br />

(Burda & Schwarz, 1990): Dort, wo ein mit 30 km/h<br />

fahrendes Auto nach einer Vollbremsung stillsteht, hat ein Fahrzeug mit<br />

einer Ausgangsgeschwindigkeit von 40 km/h, dessen Lenker am gleichen<br />

Ort gleich schnell reagiert, noch immer eine Geschwindigkeit von 30 km/h.<br />

Bei einem Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h hat an die-


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 149<br />

Abbildung 26:<br />

Anhalteweg bei<br />

verschiedenen<br />

Geschwindigkeiten<br />

Sterbewahrscheinlichkeit<br />

steigt<br />

überproportional<br />

Abbildung 27:<br />

Sterbewahrscheinlichkeit<br />

eines Fussgängers in<br />

Abhängigkeit der<br />

Kollisionsgeschwindigkeit<br />

eines<br />

Motorfahrzeugs<br />

sem Punkt noch gar kein Geschwindigkeitsabbau stattgefunden (sic!) (vgl.<br />

Abbildung 26).<br />

Anhalteweg bei verschiedenen Ausgangsgeschwindigkeiten<br />

30<br />

40<br />

50<br />

8.3 m 5.0 m<br />

= 13.3 m<br />

30 20 0 km/h<br />

11.1 m 8.8 m<br />

= 19.9 m<br />

40 30 20 0 km/h<br />

13.9 m 13.8 m<br />

Anhalteweg<br />

Reaktionsweg Bremsweg<br />

= 27.7 m<br />

50 40 30 20 0 km/h<br />

0 5<br />

10 15 20 25 30<br />

Anhalteweg in Metern [m] bei trockener Fahrbahnoberfläche (Reaktionszeit = 1 s; Verzögerung a = 7 m/s2 Anhalteweg in Metern [m] bei trockener Fahrbahnoberfläche (Reaktionszeit = 1 s; Verzögerung a = 7 m/s ) 2 )<br />

Zum anderen führt eine Erhöhung der Kollisionsgeschwindigkeit wiederum<br />

zu einem überproportional starken Anstieg der Sterbewahrscheinlichkeit<br />

des Fussgängers. Bei einer Aufprallgeschwindigkeit von 40 km/h<br />

besteht eine Sterbewahrscheinlichkeit von 30 %; beträgt sie 50 km/h,<br />

steigt die Sterbewahrscheinlichkeit auf 70 % (vgl. Abbildung 27). Dieser<br />

Zusammenhang hat sowohl medizinische Gründe (Belastungsgrenzen<br />

des menschlichen Körpers) als auch physikalische (Energie steigt mit zunehmender<br />

Geschwindigkeit quadratisch an).<br />

Wahrscheinlichkeit in %<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90<br />

Aufprallgeschwindigkeit des Fahrzeugs in km/h<br />

Die Geschwindigkeit hat nicht nur einen Einfluss auf die Veretzungsschwere,<br />

sondern beeinflusst auch die Wahrscheinlichkeit, dass es<br />

überhaupt zu einer Kollision kommt (Leaf & Preusser, 1999). In einer<br />

Meta-Analyse zu Kinderunfällen konnte nachgewiesen werden, dass zu<br />

m


150 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Gefahrenverkennung<br />

bei überhöhter<br />

Geschwindigkeit<br />

Tabelle 46:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚unangepasste<br />

Geschwindigkeit’<br />

Fussgänger haben<br />

am Fussgängerstreifen<br />

Vortritt<br />

Fuss gehende Kinder 3.2-mal seltener verunfallen, wenn die durchschnittliche<br />

Geschwindigkeit unter 40 km/h liegt, als wenn diese um 50 km/h<br />

liegt. Bei einer Geschwindigkeit von über 60 km/h steigt das Unfallrisiko<br />

sogar um den Faktor 6 (Wazana, Krueger, Raina & Chambers, 1997).<br />

Abschliessend muss festgehalten werden, dass Tempoüberschreitungen<br />

weitaus problematischer sind, als von den MFZ-Lenkenden gemeinhin<br />

angenommen. Tempoüberschreitungen sind somit neben der physikalischen<br />

Problematik auch durch die Gefahrenverkennung seitens der Lenkenden<br />

gekennzeichnet. Dabei spielt gerade in überbauten Gebieten, wo<br />

Hindernisse oft sehr spät erkennbar sind oder plötzlich auftauchen, das<br />

Gefahrenbewusstsein und die Aufmerksamkeit eine besonders wichtige<br />

Rolle.<br />

Gemäss amtlicher Statistik sind mehr als 8 % aller polizeilich registrierten<br />

Unfallursachen bei Fussgängerunfällen der Kategorie Geschwindigkeit<br />

zuzuordnen.<br />

3.2.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Überschreitung der<br />

Geschwindigkeitslimite<br />

und unangepasste<br />

Geschwindigkeitswahl<br />

• sehr gering / ***** sehr gross<br />

*** ***** **** ( * )<br />

3.3 Fahrverhalten: Vortrittsmissachtung am Fussgängerstreifen<br />

3.3.1 Ausgangslage<br />

Seit dem 1.6.1994 ist das Vortrittsrecht am Fussgängerstreifen neu geregelt.<br />

Fussgänger haben nicht nur Vortritt, wenn sie sich bereits auf dem<br />

Streifen befinden, sondern auch, wenn sie am Trottoirrand warten und die<br />

Strasse erkennbar überqueren wollen. „Erkennbar“ heisst, dass der Fussgänger<br />

mit dem Fahrzeuglenkenden den visuellen Kontakt suchen und<br />

ihm signalisieren soll, dass er die Strasse überqueren will. Das kann<br />

durch bewusstes Hinschauen Richtung Fahrzeug und für unsichere oder<br />

ältere Personen auch durch kurzes Heben der Hand geschehen.


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 151<br />

Anhaltemissachtung<br />

am Fussgängerstreifen<br />

ist hoch<br />

Anhaltemissachtung<br />

hängt von situativen<br />

Gegebenheiten ab<br />

Vortrittsmissachtung<br />

kann zwei unterschiedliche<br />

Ursachen<br />

haben<br />

Leider existieren kaum gesicherte Daten zur Anhaltequote der Fahrzeuglenkenden<br />

vor Fussgängerstreifen. Im Rahmen einer etwas älteren, repräsentativen<br />

Beobachtungsstudie zeigte sich, dass die Anhaltequote im<br />

Jahr 1998 gesamtschweizerisch bei durchschnittlich 50 % lag (Ewert, 1999).<br />

Systematische Beobachtungen jüngeren Datums liegen leider nicht vor.<br />

Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die Anhaltemissachtung<br />

mit steigendem Fussgängerverkehr und niedrigeren Annäherungsgeschwindigkeiten<br />

abnimmt. Ausserdem spielen auch infrastrukturelle<br />

Eigenschaften eine Rolle. Die Anhaltemissachtung steigt durch den<br />

optischen Vorrang des motorisierten Verkehrs infolge überbreiter und gerader<br />

Fahrbahnen. Demgegenüber kann das Vorziehen des Trottoirs am<br />

Fussgängerstreifen den optischen Vorrang brechen. Auch durch eine geringe<br />

Beleuchtung in der Nacht kann die Anhaltemissachtung steigen.<br />

Das Missachten des Fussgänger-Vortrittsrechts am Fussgängerstreifen<br />

kann hauptsächlich auf zwei Ursachen zurückgeführt werden:<br />

• Ignorieren von Fussgängern: Zum einen können Fahrzeuglenkende<br />

das Vortrittsrecht der Fussgänger bewusst ignorieren. Allenfalls wählen<br />

die Lenkenden eine hohe Annäherungsgeschwindigkeit, um den<br />

auf dem Trottoir wartenden Fussgängern zu signalisieren, dass sie<br />

nicht gewillt sind, ihnen das Überqueren zu ermöglichen. Selbst wenn<br />

sich ein Fussgänger bereits auf dem Fussgängerstreifen befindet, wird<br />

nicht selten weitergefahren.<br />

• Übersehen von Fussgängern: Andererseits können Fussgänger von<br />

den MFZ-Lenkenden durch kurzzeitige Überforderungen infolge einer<br />

Informationsüberflutung zu spät wahrgenommen werden. Das ist insbesondere<br />

an komplexen Kreuzungen zu erwarten, wo innert kurzer<br />

Zeit eine Vielzahl von einzelnen Informationselementen (wie Verkehrszeichen,<br />

Lichtsignalanlage, Strassenmarkierungen, Strassenführung,<br />

andere Verkehrsteilnehmende) verarbeitet werden müssen. Das Übersehen<br />

von Fussgängern geht (zumindest am Fussgängerstreifen) in<br />

der Regel nicht auf visuelle Hindernisse wie parkierte Fahrzeuge oder<br />

Bepflanzungen zurück, sondern hängt mit den menschlichen Leistungsgrenzen<br />

zusammen (s. Kap. VII.3.16 Visuelle Wahrnehmung,<br />

S.174ff).


152 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Vortrittsmissachtung<br />

verursacht mind. ein<br />

Viertel aller schweren<br />

Zweier-Kollisionen<br />

Tabelle 47:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚Missachten des<br />

Vortrittsrechts am<br />

Fussgängerstreifen’<br />

Seit 2002 gilt Soll-<br />

Vorschrift zum<br />

Tagfahrlicht<br />

3.3.2 Unfallrelevanz<br />

Die Bedeutung der Vortrittsmissachtung am Fussgängerstreifen als Unfallursache<br />

wird oft verkannt. Gemäss offizieller Unfallstatistik gehen 36 %<br />

aller Motorfahrzeug-Fussgänger-Kollisionen, bei denen der Fussgänger<br />

schwer oder tödlich verletzt wird, mit einer Missachtung der Anhaltepflicht<br />

vor dem Fussgängerstreifen einher. Hierbei darf jedoch nicht ausser Acht<br />

gelassen werden, dass bei rund einem Zehntel der Motorfahrzeug-Fussgänger-Kollisionen<br />

die Fussgänger eine Mitschuld am Unfall tragen. Wird<br />

diese Tatsache berücksichtigt, kann festgehalten werden, dass ein Viertel<br />

aller Motorfahrzeug-Fussgänger-Kollisionen, bei denen der Fussgänger<br />

schwer oder tödlich verletzt wird, einzig und allein durch eine Vortrittsmissachtung<br />

seitens des Fahrzeuglenkenden zustande kommt18 .<br />

3.3.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Missachten des<br />

Vortrittsrechts am<br />

Fussgängerstreifen<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

3.4 Fahrverhalten: Tagfahrlicht<br />

3.4.1 Ausgangslage<br />

** **** ( * ) *****<br />

Am 1.1.2002 ist die Soll-Vorschrift zu Fahren mit Licht am Tag in Kraft<br />

getreten (Art. 31 Abs. 5 VRV). Sie gilt für alle Motorfahrzeuge. Die Soll-<br />

Vorschrift hat lediglich empfehlenden Charakter. Dementsprechend wird<br />

die Missachtung nicht sanktioniert. Die Einschaltquote bei Personenwagen<br />

auf Innerortsstrassen bei schöner Witterung (hell und sonnig,<br />

höchstens leicht bewölkt) lag 2001 bei 8 %, stieg in den nachfolgenden<br />

Jahren kontinuierlich an und erreichte 2005 40 %. Insgesamt (d. h. über<br />

18 Zu welchen Anteilen die Vortrittsmissachtungen seitens der Fahrzeuglenkenden<br />

durch ein bewusstes Ignorieren bzw. durch ein unabsichtliches Übersehen<br />

der Fussgänger zustande kommt, kann auf der Basis der verfügbaren Daten<br />

nicht ermittelt werden.


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 153<br />

Tabelle 48:<br />

Lichteinschaltquoten<br />

der Motorfahrzeuge<br />

bei schöner<br />

Witterung, 2005<br />

Auswirkungen von<br />

Tagfahrlicht auf Fussgängersicherheit<br />

nicht<br />

von vornherein klar<br />

Tagfahrlicht hat keine<br />

negativen Effekte auf<br />

Kollisionen mit Fussgängern<br />

alle Strassen- und Fahrzeugarten) ist rund die Hälfte aller MFZ-Lenkenden<br />

mit Licht am Tag unterwegs (vgl. Tabelle 48).<br />

Motorfahrzeug Innerorts Ausserorts<br />

Personenwagen 40 % 47 %<br />

Lastwagen/Bus 58 % 57 %<br />

Motorrad 88 % 93 %<br />

Mofa 54 % 71 %<br />

Total 47 % 55 %<br />

3.4.2 Unfallrelevanz<br />

Die Frage, ob das Tagfahrlicht eine Gefahr für Fussgänger darstellt oder<br />

im Gegenteil einen Sicherheitsgewinn mit sich bringt, kann nur durch empirische<br />

Befunde beantwortet werden. Aufgrund theoretischer Überlegungen<br />

erscheinen nämlich prinzipiell sowohl Vorteile als auch Nachteile<br />

möglich. So wäre denkbar, dass durch das Tagfahrlicht Fussgänger optisch<br />

untergehen und von den MFZ-Lenkenden noch öfters übersehen<br />

werden als dies ohnehin schon der Fall ist. Andererseits heben sich Fahrzeuge<br />

mit Licht besser von der Umgebung ab, so dass Fussgänger herannahende<br />

Fahrzeuge besser und früher wahrnehmen können.<br />

In einer Metastudie von Elvik, Christensen & Olsen (2003) kamen die<br />

Autoren zum Schluss, dass Tagfahrlicht keine negativen, sondern im Gegenteil<br />

eher positive Effekte auf Kollisionen zwischen MFZ und Fussgänger<br />

hat. Das erhöhte Kollisionsrisiko von unbeleuchteten Fahrzeugen beruht<br />

darauf, dass die Distanz grösser und die Geschwindigkeit geringer<br />

eingeschätzt wird als bei Fahrzeugen mit Tagfahrlicht. Dadurch tendieren<br />

Fussgänger dazu, bei unbeleuchteten Fahrzeugen auch dann noch die<br />

Strasse zu überqueren, wenn eigentlich keine Sicherheitsreserve vorhanden<br />

ist, sodass ein zu spätes Bremsen des Fahrzeuglenkers zu einer Kollision<br />

führt. Zudem werden unbeleuchtete Fahrzeuge von Fussgängern oft<br />

zu spät erkannt, wenn sie nicht den Blick nach links und rechts wenden<br />

und sich somit nur auf ihr peripheres Sehfeld verlassen. Das menschliche<br />

Auge hat im peripheren Sehfeld eine relativ schlechte Auflösung und er-


154 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Tabelle 49:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors ‚Fahren<br />

ohne Licht am Tag’<br />

Rückwärtsfahren nur<br />

im Schritttempo<br />

erlaubt<br />

kennt keine Farben mehr, sondern kann nur zwischen hell und dunkel<br />

unterscheiden. Dort wo ein Fahrzeug mit Licht infolge des verstärkten<br />

Kontrastes erkannt wird, kann ein unbeleuchtetes Fahrzeug leicht übersehen<br />

werden. Da die Sehkraft im Alter nachlässt, sind insbesondere Senioren<br />

auf einen erhöhten Kontrast angewiesen, um Gefahrenquellen<br />

rechtzeitig zu erkennen. Auch Kinder haben mehr Mühe, bewegte Gegenstände<br />

wahrzunehmen, wenn sie unbeleuchtet und damit unauffällig sind.<br />

Der Effekt des Tagfahrlichts beruht nicht ausschliesslich auf einer Verhaltensanpassung<br />

der Fussgänger, Fahren mit Licht am Tag hat auch<br />

Einflüsse auf die MFZ-Lenkenden: In einer niederländischen Studie ging<br />

man dieser Frage mit speziellen Wahrnehmungstests nach. Es zeigte<br />

sich, dass Fahrzeuge mit eingeschaltetem Licht schneller erkannt werden<br />

als solche ohne. Gleichzeitig stellte man auch fest, dass Fussgänger<br />

ebenfalls besser erkannt wurden (Brouwer, Janssen, Theeuwes, Duistermaat<br />

& Alferdinck, 2004) 19 . Weil das Motorfahrzeug dank „Licht am Tag“<br />

früher sichtbar ist, bleibt den entgegenkommenden Lenkenden mehr Zeit,<br />

um die übrigen Verkehrsteilnehmenden zu erkennen.<br />

3.4.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Verzicht auf<br />

Tagfahrlicht<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

3.5 Unvorsichtiges Rückwärtsfahren<br />

3.5.1 Ausgangslage<br />

*** * *<br />

Rückwärtsfahrten sind insbesondere beim Ein- und Ausparken erforderlich.<br />

Dabei darf nur im Schritttempo (ca. 5 km/h) gefahren werden (Art. 17<br />

VRV). Wer rückwärts fährt, darf andere Strassenbenützer nicht behindern;<br />

diese haben stets den Vortritt. Muss auf unübersichtlichen Strassen oder<br />

über eine längere Strecke rückwärts gefahren werden, so ist die Stras-<br />

19 Da die Studie methodische Mängel aufweist, sind die Ergebnisse als vorläufige<br />

Befunde zu betrachten.


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 155<br />

Eingeschränkte<br />

Sichtverhältnise beim<br />

Rückwärtsfahren<br />

stellen Gefahr dar<br />

Tabelle 50:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚unvorsichtiges<br />

Rückwärtsfahren’<br />

Relativ hoher<br />

Alkoholkonsum in der<br />

Schweiz<br />

senseite zu benützen, die für den Verkehr in gleicher Richtung bestimmt<br />

ist. Das Rückwärtsfahren über unübersichtliche Verzweigungen ist untersagt.<br />

Durch die stark eingeschränkte Sicht nach hinten ist beim Rückwärtsfahren<br />

stets erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich.<br />

3.5.2 Unfallrelevanz<br />

Rückwärtsfahren ist ein heikles Fahrmanöver. Wegen den eingeschränkten<br />

Sichtverhältnissen können andere Verkehrsteilnehmer leicht übersehen<br />

werden. Diese Gefahr erhöht sich, wenn der Fahrzeuglenkende den<br />

Oberkörper und Kopf infolge altersbedingter Steifigkeit nicht umdreht,<br />

sondern ausschliesslich die Rückspiegel zur Orientierung benutzt. Auch<br />

bei Transportern besteht eine erhöhte Gefahr, da dem Lenkenden in der<br />

Regel ausschliesslich die seitlichen Rückspiegel zur Orientierung bleiben.<br />

Dabei kann insbesondere der Bereich unmittelbar hinter dem Fahrzeug<br />

nicht eingesehen werden. Gemäss Unfallstatistik sind pro Jahr 65 schwer<br />

verletzte und 6 getötete Fussgänger wegen unvorsichtigem Rückwärtsfahren<br />

zu beklagen (5-Jahres-Durchschnitt). Unvorsichtiges Rückwärtsfahren<br />

spielt bei rund 8 % aller folgenschweren Kollisionen eine Rolle.<br />

3.5.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Unvorsichtiges<br />

Rückwärtsfahren<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

3.6 Fahrfähigkeit: Alkohol<br />

3.6.1 Ausgangslage<br />

* **** ( * ) ****<br />

Die Schweiz gehört zu den fünf OECD-Ländern mit dem grössten Alkoholkonsum.<br />

Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei rund 13 Litern reinem<br />

Alkohol. Gemäss Bundesamt für Statistik BFS (2004b) konsumieren<br />

22 % der Männer und 18 % der Frauen täglich Alkohol (47 % resp. 33 %<br />

wöchentlich). 27 % trinken episodisch zuviel Alkohol (binge drinking).


156 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Aussagekräftige<br />

Befunde zur FiaZ-<br />

Quote kaum möglich<br />

Erste Indizien<br />

sprechen für<br />

Wirksamkeit der<br />

SVG-Revision<br />

Frühere und<br />

ausländische Befunde<br />

zeigen Grössenordnung<br />

von FiaZ<br />

Was das Ausmass von Fahren im angetrunkenen Zustand (FiaZ) angeht,<br />

ist es bedeutend schwieriger, Aussagen zu treffen. Zwar ist die Deliktquote<br />

(z. B. Anzahl der Führerausweisentzüge wegen FiaZ) bekannt,<br />

doch kann diese Grösse kaum als Indikator für das FiaZ-Ausmass herangezogen<br />

werden. Das hängt damit zusammen, dass die Deliktquote nicht<br />

nur vom FiaZ-Ausmass, sondern auch von der polizeilichen Kontrollintensität<br />

abhängt. Um aussagekräftige Befunde zu erhalten, müsste der Promillewert<br />

von zufällig (sic!) ausgewählten Fahrzeuglenkenden ermittelt<br />

werden (Roadside Survey). Da bis vor einem Jahr anlassfreie Alkoholkontrollen<br />

nicht gestattet waren, konnte eine solche Studie bisher nicht<br />

realisiert werden. Erst die am 1.1.2005 in Kraft getretene SVG-Revision,<br />

die neben der Reduktion der Promillegrenze auch den anlassfreien Atemalkoholtest<br />

erlaubt, gibt diese Möglichkeit. Bisher wurde jedoch noch<br />

keine systematische Studie durchgeführt, die die neue Kontrollmöglichkeit<br />

genutzt hätte.<br />

Es darf vermutet werden, dass die Promillereduktion von 0.8 auf 0.5 ‰<br />

das Ausmass von Fahrten im angetrunkenen Zustand reduziert hat. Zum<br />

einen durch die im Vorfeld der SVG-Revision geführte Diskussion in den<br />

Massenmedien und die massenmedialen Kampagnen und zum anderen<br />

durch die Intensivierung der polizeilichen Kontrollen, die auch die subjektive<br />

Kontrollerwartung erhöht haben. Während vor der Gesetzesänderung<br />

über 80 % der Befragten angaben, „nie“ oder „selten“ mit einer Alkoholkontrolle<br />

zu rechnen (Demoscope, 2003), waren es nach der Inkraftsetzung<br />

der SVG-Revision noch 64 % (Demoscope, 2005). Gegenwärtig<br />

liegen jedoch noch keine aussagekräftigen Befunde zum aktuellen FiaZ-<br />

Ausmass vor.<br />

Anhand von früheren Umfragen kann geschätzt werden, dass vor der Gesetzesänderung<br />

8 bis 15 % der erwachsenen Bevölkerung als FiaZ-Delinquenten<br />

in Frage kamen. Im Rahmen einer in der Schweiz durchgeführten<br />

Befragung junger Neulenkendender zeigte sich, dass innerhalb der ersten<br />

zwei bis drei Monate Führerscheinbesitz bereits 13 % nach dem Konsum<br />

von alkoholischen Getränken Auto gefahren sind (Cavegn, Walter, Siegrist<br />

& Widmer, 2004). Studien aus Frankreich (Biecheler & Filou, 1993)<br />

und den Niederlanden (Mathijssen, 1994) zeigten, dass 4.5 % der im Verkehr<br />

zirkulierenden MFZ-Lenkenden über 0.5 ‰ Alkohol im Blut haben


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 157<br />

Ab 0.5 ‰ steigt<br />

Unfallwahrscheinlichkeit<br />

deutlich an<br />

(ca. 2.5 % über 0.8 ‰). Da bisher in der Schweiz keine anlassfreien Alkoholkontrollen<br />

durchgeführt werden durften, liegen nur die Zahlen einer<br />

einzigen Beobachtungsuntersuchung aus dem Jahr 1987 vor. In der Agglomeration<br />

von Bern wurden an fünf Stellen in einer Nacht von Freitag<br />

auf Samstag zwischen 23.00 und 2.30 Uhr sämtliche Fahrzeuglenkenden<br />

auf Alkohol getestet. Über ein Drittel wies eine messbare Atemalkoholkonzentration<br />

auf und 4.4 % lagen über dem damaligen gesetzlichen<br />

Grenzwert von 0.8 ‰ (Zink, 1987, zit. nach Siegrist & Mathys, 1998).<br />

3.6.2 Unfallrelevanz<br />

Die empirisch aufgezeigte, rasche Zunahme der Unfallwahrscheinlichkeit<br />

ab 0.5 ‰ Blutalkoholkonzentration (BAK) und die geschätzten Häufigkeiten<br />

von FiaZ lassen keinen Zweifel, dass alkoholbedingte Beeinträchtigungen<br />

der Fahrfähigkeit nach wie vor von Bedeutung sind. Die Beeinträchtigungen<br />

betreffen in erster Linie Wahrnehmungsleistungen, in<br />

zweiter Linie kognitive Leistungen und schliesslich die sensomotorischen<br />

Koordinationsleistungen. Zusätzlich zu den Leistungsveränderungen<br />

können alkoholbedingte Motivationsveränderungen entstehen, woraus<br />

sich alkoholspezifische Wechselwirkungen zwischen objektiven Leistungsmöglichkeiten<br />

und subjektiven Zielsetzungen ergeben (Klebelsberg,<br />

1982).<br />

Nachfolgende Abbildung zeigt den Anstieg des Unfallrisikos bei zunehmendem<br />

BAK-Wert: Ab einer BAK von 0.5 ‰ steigt die Unfallwahrscheinlichkeit<br />

rasch an. Es muss präzisiert werden, dass sich diese Angaben auf<br />

den Durchschnitt aller MFZ-Lenkenden bezieht. Für junge Neulenkende<br />

zeigt sich bereits ab 0.3 ‰ ein erhöhtes Unfallrisiko (vgl. Krüger, 1995;<br />

Müller, 2001).


158 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Abbildung 28:<br />

Relatives Unfallrisiko<br />

in Abhängigkeit der<br />

Blutalkoholkonzentration<br />

FiaZ-Bedeutung bei<br />

Fussgängerunfällen<br />

reduziert<br />

Tabelle 51:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors ‚FiaZ’<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Relatives<br />

Unfallrisiko<br />

0 0.2 0.4 0.5<br />

Promillewert<br />

0.6 0.8 1<br />

Generell muss davon ausgegangen werden, dass Alkohol bei ca. 30 %<br />

aller Strassenverkehrsunfälle mit Todesfolge eine (Mit-)Ursache darstellt.<br />

Bei Fussgängerunfällen dürften MFZ-Lenkende im angetrunkenen Zustand<br />

eine bedeutend geringere Rolle spielen, da durch FiaZ primär<br />

nächtliche Selbstunfälle entstehen. Gemäss offizieller Unfallstatistik sind<br />

nur gerade 3 % aller Kollisionen zwischen einem Fussgänger und einem<br />

Motorfahrzeug auf alkoholisierte MFZ-Lenkende zurückzuführen. Selbst<br />

unter Berücksichtigung der Dunkelziffer dürfte das Ausmass schätzungsweise<br />

nicht über 5 % liegen.<br />

3.6.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Fahren im<br />

angetrunkenen Zustand<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

* *** **


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 159<br />

Cannabis-Konsum<br />

v. a. bei jungen<br />

Lenkenden<br />

Häufigkeit von<br />

Drogenfahrten: Wenig<br />

gesichertes Wissen<br />

Abbildung 29:<br />

Quoten verschiedener<br />

Drogen im<br />

Strassenverkehr<br />

(Deutschland)<br />

3.7 Fahrfähigkeit: Drogen<br />

3.7.1 Ausgangslage<br />

Der Konsum von Cannabis ist insbesondere bei Jugendlichen und jungen<br />

Erwachsenen zu beobachten. In einer repräsentativen Umfrage zeigte<br />

sich, dass ein Viertel aller 15- bis 24-Jährigen Cannabis (meist Marihuana)<br />

konsumieren. Erfahrungen mit Cannabis hat die Hälfte der 15- bis<br />

24-Jährigen. Nach negativen Auswirkungen gefragt, nennen sowohl Konsumenten<br />

als auch Nicht-Konsumenten zu mehr als 80 % die Beeinträchtigung<br />

der Fahrfähigkeit (Müller, Fahrenkrug & Müller, 2001). Gemäss<br />

Bundesamt für Statistik BFS (2004b) konsumieren 6 % der männlichen<br />

und 3 % der weiblichen 15- bis 60-Jährigen aktuell Haschisch. Harte Drogen<br />

(namentlich Heroin, Amphetamin, Kokain, Ecstasy, Methadon, Halluzinogene)<br />

werden von 0.6 % der Männer und 0.3 % der Frauen konsumiert.<br />

Über das tatsächliche Ausmass von Fahrten unter Drogeneinfluss besteht<br />

wenig gesichertes Wissen. Es existieren zwar einige Studien zu Cannabis,<br />

welche Quoten bis zu 57 % ermittelten; diese Studien basieren jedoch<br />

auf selektiven Stichproben (z. B. nur bei Lenkenden mit bestehendem Vorverdacht,<br />

nur Nachtfahrten), sodass keine repräsentativen Aussagen getroffen<br />

werden können. Um ein gesichertes Bild zu erhalten, müsste die<br />

Auftretenshäufigkeit bei Lenkenden ohne Anfangsverdacht ermittelt werden.<br />

Eine solche Studie existiert für die Schweiz nicht. In der „Würzburger<br />

Roadside Survey“ konnten folgende Quoten ermittelt werden (Abbildung<br />

29; Krüger, 1995):<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Prozent positiver Proben (gewichtet)<br />

Kokain Amphetamine Opiate Cannabis Barbiturate Benzodiazepine


160 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Niederlande: 4.5 %<br />

fahren unter<br />

Cannabis-Einfluss<br />

Grossbritannien:<br />

4.6 % fahren unter<br />

Einfluss von Amphetaminen/Ecstasy<br />

Mischkonsum<br />

besonders gefährlich<br />

In einer niederländischen Studie zur Drogenprävalenz bei Motorfahrzeuglenkenden<br />

wurden rund 3'800 Fahrer angehalten und getestet, dabei<br />

zeigte sich, dass 4.5 % Cannabis konsumiert hatten (3.9 % ausschliesslich<br />

Cannabis und 0.6 % Cannabis in Kombination mit anderen Drogen<br />

und/oder Alkohol; Mathijssen & Houwing, 2005):<br />

Bei einer britischen Studie (n = 1'300) zeigte sich, dass Ecstasy und Cannabis<br />

bei weitem die höchste Prävalenz hatten (Buttress et al., 2005):<br />

• 4.59 % für Amphetamine, Ecstasy (exkl. Mischkonsum)<br />

• 3.14 % Cannabis (exkl. Mischkonsum)<br />

• 0.02 % für Opiate (exkl. Mischkonsum)<br />

• 0.98 % für Kokain (exkl. Mischkonsum)<br />

• 0.73 % für Mischkonsum<br />

Diese ausländischen Ergebnisse können zwar nicht 1:1 auf die Schweiz<br />

übertragen werden, sie zeigen jedoch die zu erwartende Grössenordnung<br />

der Prävalenzen an.<br />

Das ASTRA hat im Jahr 2004 in rund 1’000 Fällen den Führerausweis<br />

infolge Drogenkonsums (inkl. Medikamentenmissbrauch) warnungshalber<br />

befristet und in rund 1’500 Fällen auf unbestimmte Zeit entzogen<br />

(Bundesamt für Strassen ASTRA, 2005b).<br />

3.7.2 Unfallrelevanz<br />

Der Drogenkonsum erhöht insbesondere dann das Unfallrisiko, wenn –<br />

wie dies häufig der Fall ist – zusätzlich alkoholische Getränke konsumiert<br />

werden. Nachfolgende Abbildung zeigt das Unfallrisiko bei reinem Drogenkonsum<br />

im Vergleich zum Mischkonsum.


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 161<br />

Abbildung 30:<br />

Relatives Verursacherrisiko<br />

unter<br />

Einfluss verschiedener<br />

Substanzen<br />

(Vollrath & Krüger,<br />

2002)<br />

Tabelle 52:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors ‚Fahren<br />

unter Drogeneinfluss’<br />

Die meisten Medikamente<br />

werden<br />

ärztlich verschrieben<br />

Risiko<br />

10<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Grundrisiko<br />

(ohne (ohne (ohne (ohne Substanz) Substanz) Substanz) Substanz)<br />

Alkohol > 1 ‰<br />

0.5 – 1 ‰<br />

Cannabis<br />

Wie weit Fussgänger durch substanzbedingte Fahruntüchtigkeit von MFZ-<br />

Lenkenden betroffen sind, lässt sich mangels Daten nicht genau sagen.<br />

Gemäss offizieller Unfallstatistik standen lediglich 0.6 % aller MFZ-Lenkenden,<br />

die mit einem Fussgänger kollidiert sind, unter Drogeneinwirkung.<br />

3.7.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Fahren unter Einfluss<br />

von illegalen Drogen<br />

(inkl. Mischkonsum mit<br />

Alkohol)<br />

• sehr gering / ***** sehr gross<br />

3.8 Fahrfähigkeit: Medikamente<br />

3.8.1 Ausgangslage<br />

Alkohol + Cannabis<br />

Stimulanzien<br />

* **** *<br />

Die Medikamenteneinnahme nimmt insbesondere im höheren Lebensalter<br />

zu. Die schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB) des BFS hat ergeben,<br />

dass innerhalb einer Woche über 40 % der Bevölkerung ein oder<br />

mehrere Medikamente konsumiert, wovon 80 % ärztlich verordnet sind<br />

(Bundesamt für Statistik BFS, 2005b). Studien zum Ausmass von Fahren<br />

unter Medikamenteneinfluss kommen oftmals zu ganz unterschiedlichen<br />

∞<br />

Alkohol + Stimulanzien


162 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Medikamente können<br />

Fahrfähigkeit<br />

beeinflussen<br />

Ergebnissen. Dies erklärt sich insbesondere durch die Wahl der Selektionskriterien<br />

(Alter, Tageszeit, nur Lenker oder alle Insassen) und der<br />

Nachweismethode (Blut, Urin, Speichel, Schweiss). Epidemiologische<br />

Untersuchungen lassen jedoch vermuten, dass 5 bis 10 % aller Autofahrten<br />

unter dem Einfluss von Medikamenten stattfinden (Lyrer & Müller-<br />

Spahn, 2004). Am häufigsten tauchen dabei Benzodiazepine auf (Heinrich,<br />

2002; Verstraete, 2000).<br />

3.8.2 Unfallrelevanz<br />

Medikamente können die Vigilanz, die Konzentrationsfähigkeit, sensomotorische<br />

Funktionen sowie die emotionale Anteilnahme an der Umwelt<br />

verändern, was wiederum Auswirkungen auf die Informationsverarbeitung,<br />

die Reaktionsgeschwindigkeit und die Handlungskontrolle hat. Dadurch<br />

kann die Einnahme von Medikamenten das Unfallrisiko beträchtlich<br />

erhöhen (Lyrer & Müller-Spahn, 2004). Gemäss amtlicher Unfallstatistik<br />

spielt der Einfluss von Medikamenten bei MFZ-Lenkenden, die mit einem<br />

Fussgänger kollidieren, so gut wie keine Rolle (weniger als 1 ‰ aller protokollierten<br />

Unfallmitursachen).<br />

Nach einer Studie der Pompidou-Gruppe des Europarats finden etwa 5<br />

bis 10 % aller Fahrten unter dem Einfluss von Medikamenten (vor allem<br />

Benzodiazepine) statt; entsprechend wird vermutet, dass Medikamente<br />

bei 6 bis 21 % der Verkehrsunfälle mit im Spiel sind (Heinrich, 2002). Leider<br />

fehlen präzisere Angaben. Bezüglich der Einnahme von Benzodiazepinen<br />

kommt Vaa (2003) auf der Basis einer Metaanalyse von 14 Studien<br />

zum Schluss, dass diese das Unfallrisiko um 50 % erhöhen (RR = 1.54, p<br />

< 0.001). Heinrich (2002) geht von höheren Risiken aus und gibt an, dass<br />

das Unfallrisiko bei regelmässiger Einnahme in der ersten Woche 8- bis<br />

10-mal, danach 2- bis 5-mal so hoch ist wie bei substanzfreien Fahrzeuglenkenden.<br />

Für andere Substanzgruppen fehlen entsprechende Angaben.<br />

Summarisch kann aufgrund einer niederländischen Studie gesagt<br />

werden, dass Lenkende, die ein potenziell fahrbeeinträchtigendes Medikament<br />

eingenommen haben, ein Odds Ratio von 1.5 haben, in einen<br />

Unfall verwickelt zu werden. Lenkende, die zwei oder mehr Medikamente<br />

eingenommen haben, haben ein Odds Ratio von 3.2 bzw. 3.3 (Herings,<br />

1994).


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 163<br />

Tabelle 53:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors ‚Fahren<br />

unter Medikamenteneinfluss’<br />

Ursachen von<br />

Müdigkeit sind<br />

vielfältig<br />

Müdigkeit von MFZ-<br />

Lenkenden keine<br />

zentrale Gefahr für<br />

Fussgänger<br />

Bei der Beurteilung von Arzneimitteln darf nicht ausser Acht gelassen<br />

werden, dass Psychopharmaka nicht in jedem Fall zu Beeinträchtigungen<br />

der Fahrfähigkeit führen, sondern diese teilweise erst sicherstellen (vgl.<br />

Lyrer & Müller-Spahn, 2004).<br />

3.8.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Fahren unter leistungsbeeinträchtigenden<br />

Medikamenten<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

3.9 Fahrfähigkeit: Müdigkeit<br />

3.9.1 Ausgangslage<br />

* *** *<br />

Übermüdung und Sekundenschlaf am Steuer können verschiedene Ursachen<br />

haben. Die wichtigsten sind: Schlafstörungen (z. B. Apnoe), Schlafdeprivation<br />

oder Substanzen wie Drogen und Medikamente. Ältere Personen<br />

leiden häufiger an Schlafstörungen, insbesondere Berufschauffeure<br />

und junge Lenkende (Discobesuchende) sind hingegen eher<br />

von Schlafmangel betroffen, der bei jungen Lenkenden teilweise auch<br />

substanzbedingt ist.<br />

3.9.2 Unfallrelevanz<br />

Die Bedeutung der Müdigkeit im Strassenverkehr wurde lange Zeit unterschätzt,<br />

nicht zuletzt, weil sie in der offiziellen Statistik der polizeilich registrierten<br />

Strassenverkehrsunfälle aufgrund der Erfassungsprobleme<br />

selten ausgewiesen wird20 . Ausländische Studien zeigen, dass Müdigkeit<br />

bei 10 bis 30 % aller Verkehrsunfälle eine Mitursache darstellt (Sagberg et<br />

al., 2004; Connor et al., 2001; Garbarino et al., 2001; Horne & Reyner,<br />

1995). Die Wahrscheinlichkeit, in einen Unfall zu geraten, ist bei Perso-<br />

20 Infolge der unfallbedingten Aufregung lässt sich Müdigkeit post hoc kaum<br />

diagnostizieren, ausser anhand von Selbstberichten des Lenkenden.


164 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Tabelle 54:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors ‚Fahren<br />

in übermüdetem<br />

Zustand’<br />

Unaufmerksamkeit:<br />

Erklärung ohne<br />

Aussagekraft<br />

nen, die sich häufig müde fühlen, um fast 40 % erhöht; bei Personen, die<br />

unter Schlaflosigkeit leiden, sogar um beinahe 90 % (Sagberg, 2006).<br />

Müdigkeitsunfälle geschehen vor allem während der Nacht, aber auch am<br />

späteren Nachmittag. In Bezug auf Kollisionen mit Fussgängern muss die<br />

Bedeutung der Müdigkeit jedoch relativiert werden. Müdigkeit wird nämlich<br />

insbesondere auf monotonen Langstrecken – d. h. auf Ausserortsstrassen<br />

und Autobahnen – zu einem Problem. Innerorts, wo die meisten<br />

Fussgängerunfälle zu verzeichnen sind, dürfte die Unfallrelevanz der Müdigkeit<br />

weitaus geringer sein. Obwohl quantitative Angaben wegen fehlender<br />

Daten nicht möglich sind, wird im vorliegenden Bericht von einer<br />

relativ geringen Bedeutung der Müdigkeit für Fussgängerkollisionen ausgegangen.<br />

3.9.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Fahren in übermüdetem<br />

Zustand<br />

• sehr gering / ***** sehr gross<br />

* ** *<br />

3.10 Fahrfähigkeit: Unaufmerksamkeit und Ablenkung<br />

3.10.1 Ausgangslage<br />

Die Erhebung des Ausmasses an Unaufmerksamkeit im Strassenverkehr<br />

ist kaum möglich, stellt sie doch einen mentalen Aktivierungszustand dar,<br />

der der Beobachtung nicht zugänglich ist. Zwar erfasst die Polizei im<br />

Rahmen der Unfallprotokollierung auch die Unaufmerksamkeit als mögliche<br />

Mitursache, doch verkommt diese Angabe durch die „Post-hoc-<br />

Diagnose“ zu einer nichtssagenden Information. Letztlich könnte nämlich<br />

im Nachhinein bei beinahe jedem Unfall eine gewisse Unaufmerksamkeit<br />

als Mitursache attribuiert werden.


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 165<br />

Ablenkungen<br />

entstehen durch<br />

Nebentätigkeiten<br />

„Unaufmerksamkeit“<br />

oft protokollierter<br />

Mangel<br />

Nebentätigkeiten in<br />

Unfallstatistik kaum<br />

enthalten<br />

Sinnvoller (da wissenschaftlich zugänglich) hingegen ist es, Ablenkungen<br />

von der Fahraufgabe im Sinne von Nebentätigkeiten zu betrachten. Solche<br />

Ablenkungssituationen entstehen insbesondere durch Manipulationen<br />

am Radio und durch das Telefonieren, aber auch essen oder gar lesen<br />

von Strassenkarten lenken von der Fahraufgabe ab. Beim Telefonieren ist<br />

nicht nur die direkte Gerätebedienung gefährlich (visuelle Ablenkung),<br />

sondern auch das Telefonieren per se; bindet es doch einen beachtlichen<br />

Teil der kognitiven Ressourcen (mentale Ablenkung). Die Verbreitung von<br />

Mobiltelefonen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Während<br />

1999 rund die Hälfte aller MFZ-Lenkenden im Besitz eines Mobiltelefons<br />

war, sind es gegenwärtig beinahe 9 von 10 – bei jungen Autofahrenden<br />

sind es fast 100 %. Dabei verzichtet nur rund die Hälfte aller MFZ-Lenkenden<br />

konsequent auf das Telefonieren am Steuer (Demoscope, 2005).<br />

Im Rahmen des EU-Projekts SARTRE 3 zeigte sich, dass in der Schweiz<br />

fast ein Drittel aller MFZ-Lenkenden mindestens einmal pro Tag während<br />

des Fahrens telefoniert (Kuratorium für Verkehrssicherheit KfV, 2004).<br />

3.10.2 Unfallrelevanz<br />

Gemäss offizieller Unfallstatistik ist bei rund einem Viertel der Kollisionen<br />

mit Fussgängern Unaufmerksamkeit der MFZ-Lenkenden eine (Mit-)<br />

Ursache. Damit stellt sie nach der Vortrittsmissachtung den zweithäufigsten<br />

polizeilich protokollierten Mangel dar. Wie oben bereits erwähnt,<br />

haben diese Häufigkeitswerte jedoch durch die „Post-hoc-Diagnose“ eine<br />

geringe Aussagekraft, zumal die Unaufmerksamkeit oftmals in Ermangelung<br />

augenscheinlicher Unfallursachen als Erklärung herangezogen wird.<br />

Somit kann gesagt werden, dass die Bedeutung der Aufmerksamkeit für<br />

ein sicheres Fahren zwar offenkundig ist, sich aber der wissenschaftlichen<br />

Unfallforschung entzieht.<br />

Es existiert jedoch eine Reihe identifizierbarer Situationen, bei denen der<br />

Lenkende seine Aufmerksamkeit statt der Fahrumgebung einer Nebentätigkeit<br />

widmet (z. B. Radio- oder Natelbedienung). Gemäss Unfallstatistik<br />

gehen nicht einmal 3 % aller Kollisionen zwischen einem Fahrzeug und<br />

einem schwer oder tödlich verletzten Fussgänger auf Ablenkungen zurück.<br />

Die Bedeutung von ablenkenden Handlungen und Gesprächen wird


166 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Telefonieren mit<br />

Handy und<br />

Freisprechanlage<br />

erhöht Risiko<br />

Tabelle 55:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚Ablenkung/Unaufmerksamkeit’<br />

Fahrzeugbedienung<br />

wird während<br />

Fahrausbildung<br />

gelehrt<br />

in der offiziellen Unfallstatistik wohl unterschätzt, da MFZ-Lenkende sich<br />

davor hüten, ein solches Vergehen gegenüber dem protokollierenden Polizeibeamten<br />

zuzugeben.<br />

Dass sich die Bedienung eines Mobiltelefons und das dadurch notwendige<br />

einhändige Fahren negativ auf die Fahrsicherheit auswirken, ist bereits<br />

länger bekannt, sodass Freisprecheinrichtungen vorgeschrieben<br />

wurden. Wie eine aktuelle Studie des staatlichen schwedischen Verkehrsforschungsinstituts<br />

(VTI) gezeigt hat, erhöht jedoch eine Freisprecheinrichtung<br />

die Fahrsicherheit nicht (Kircher et al., 2004). Die Aufmerksamkeit<br />

ist beim freien Sprechen mit einer nicht anwesenden Person<br />

ebenso stark gemindert wie beim Benutzen eines in der Hand gehaltenen<br />

Mobiltelefons. Generell vervierfacht sich das Unfallrisiko durch das Telefonieren.<br />

In einer Umfrage gaben 7 % der MFZ-Lenkenden an, während<br />

des Telefonierens bereits einen Unfall oder Beinaheunfall gehabt zu haben<br />

(Demoscope, 2005).<br />

3.10.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Visuelle und mentale<br />

Ablenkung von der<br />

Fahraufgabe<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

3.11 Fahrkompetenz: Fahrzeugbedienung<br />

3.11.1 Ausgangslage<br />

* ( * ) **** ** ( * )<br />

Die grundlegenden Elemente der Fahrzeugbedienung wie Bremsen, Beschleunigen,<br />

Wechseln des Getriebegangs und Lenken werden im Rahmen<br />

der Fahrausbildung vermittelt. In den letzten Jahrzehnten wurde die<br />

Bedienung dieser Teilaufgaben durch verschiedene technische Innovationen<br />

wie synchronisierte Getriebe, (Halb-)Automatikgetriebe, Servolenkung,<br />

Antiblockiersystem (ABS), Antischlupfregelung (ASR) u. a. deutlich erleichtert.<br />

Dennoch bedarf es nach wie vor einiger Übung, bis das Fahrzeug<br />

automatisiert bedient werden kann.


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 167<br />

Mangelhaftes<br />

Fahrkönnen hat keine<br />

Unfallrelevanz<br />

Tabelle 56:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚mangelhafte<br />

Fahrzeugbeherrschung’<br />

Mentale Fahrkompetenz<br />

gewinnt<br />

bei Ausbildung an<br />

Bedeutung<br />

3.11.2 Unfallrelevanz<br />

Zwar weisen Neulenkende in der Regel eine noch nicht vollständig automatisierte<br />

Fahrzeugbedienung auf, dennoch besteht in der Fachliteratur<br />

bereits seit längerer Zeit weitgehend Konsens, dass dieser Mangel zumindest<br />

bei schweren Unfällen keine nennenswerte Ursache darstellt (vgl.<br />

z. B. Evans, 1991). Das gilt v. a. dann, wenn während der Lernphase<br />

nicht ausschliesslich mit dem Fahrlehrer/der Fahrlehrerin gefahren werden<br />

darf, sondern – wie dies in der Schweiz erlaubt ist – auch in Begleitung<br />

von fahrerfahrenen Laienpersonen. Dadurch erhalten die Neulenkenden<br />

mehr Fahrpraxis und erhöhen damit ihre Bedienungsroutine,<br />

bevor sie alleine unterwegs sind. Es erstaunt nicht, dass eine mangelnde<br />

Vertrautheit mit dem Fahrzeug im Rahmen der polizeilichen Unfallprotokollierung<br />

so gut wie nie als mögliche Unfallursache bei Fussgänger-Kollisionen<br />

angegeben wird.<br />

Empirische Untersuchungen haben aufgedeckt, dass eine zu starke Ausrichtung<br />

der Fahrausbildung auf die technische Fahrzeugbedienung sogar<br />

kontraproduktive Effekte haben kann, da es das Selbstvertrauen in die<br />

eigenen fahrtechnischen Fähigkeiten steigert und dazu verleiten kann, riskanter<br />

zu fahren (Sanders & Keskinen, 2004; Keskinen, 1996).<br />

3.11.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Mangelhafte Fahrzeugbeherrschung<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

* *<br />

3.12 Fahrkompetenz: Gefahrenkognition und Selbstkontrolle<br />

3.12.1 Ausgangslage<br />

Fahrausbildung hat das Ziel, eine Person zu befähigen, ein MFZ sicher zu<br />

führen. Das beinhaltet nicht nur die motorische Fahrzeugbedienung (s.<br />

Kap. VII.3.11 Fahrzeugbedienung, S. 166), sondern auch die psychologisch-mentale<br />

Ebene. Lange Zeit wurde letztere nur insofern berücksichtigt,<br />

als dass die Verkehrsvorschriften gelehrt wurden. Durch den seit<br />

( * )


168 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Mangelnde Gefahrenkognition<br />

und Selbstkontrolle<br />

führt zu<br />

unangepasstem<br />

Fahrverhalten<br />

Tabelle 57:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚mangelnde<br />

Gefahrenkognition<br />

und Selbstkontrolle’<br />

1991 obligatorischen Verkehrskundeunterricht (namentlich Verkehrssinnbildung<br />

und Gefahrenlehre) wurde der psychischen Fahrbefähigung bedeutend<br />

mehr Gewicht gegeben. In der neuen Fahrausbildung, die am 1.<br />

Dezember 2005 in Kraft gesetzt wurde, hat sich der Stellenwert der psychischen<br />

Fahrbefähigung in der Fahrausbildung nochmals deutlich erhöht.<br />

Alle relevanten Gefahrenquellen (wie Alkoholkonsum, Mitfahrereinfluss,<br />

emotionale Stimmung, Selbstüberschätzung etc.) werden in den obligatorischen<br />

Weiterausbildungskursen (WAB) ausführlich thematisiert.<br />

3.12.2 Unfallrelevanz<br />

Im Rahmen einer Befragung von jungen Neulenkenden hat sich gezeigt,<br />

dass Personen, welche gefährliche Fahrsituationen richtig einschätzen,<br />

seltener in Unfälle und Beinaheunfälle geraten. Mangelnde Gefahrenkognition<br />

steht in einem signifikanten Zusammenhang mit risikoreichem<br />

Fahrverhalten (Cavegn, Walter, Siegrist & Widmer, 2004) und führt zu<br />

einer ungenügenden Anpassung des Fahrverhaltens an andere Verkehrsteilnehmende<br />

und an die Verkehrsumgebung.<br />

Jungen Neulenkenden bereitet das Antizipieren möglicher Gefahren oft<br />

Schwierigkeiten, da sie viele Gefahren verkennen (Siegrist & Mathys,<br />

1998). Zudem fällt ihnen die Selbstkontrolle bedeutend schwerer. Die genannten<br />

Grundprobleme von jungen Neulenkenden zeigen sich auch im<br />

Unfallrisiko: Das Risiko (pro gefahrenen Kilometer oder pro gefahrene<br />

Stunde), mit einem Fussgänger zu kollidieren, ist bei jungen Erwachsenen<br />

zwei- bis dreimal höher als bei den restlichen Lenkenden (s. Kap. VII.3.17<br />

Soziodemographische Risikogruppen, S. 177). Ergänzend muss erwähnt<br />

werden, dass mangelnde Gefahrenkognition zwar bei jungen Neulenkenden<br />

häufiger und in stärkerer Ausprägung vorkommt, aber durchaus auch<br />

bei den restlichen Lenkenden vorzufinden ist.<br />

3.12.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Mangelnde<br />

Gefahrenkognition und<br />

Selbstkontrolle<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

** ( * ) **** ***


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 169<br />

Verschlechterung des<br />

Sehvermögens<br />

korreliert mit Alter<br />

3.13 Fahreignung: Sensorische Einschränkungen<br />

3.13.1 Ausgangslage<br />

Beim Autofahren ist die visuelle Wahrnehmung die wichtigste Sinnesmodalität.<br />

Über 90 % aller fahrrelevanten Informationen werden visuell<br />

aufgenommen. Das Sehvermögen kann insbesondere durch folgende<br />

Faktoren beeinträchtigt sein:<br />

• Verminderter Visus (zentrale Tagessehschärfe): Ein Visus von 1.0<br />

bedeutet, dass ein Hindernis auf 100 m erkannt wird, bei einem solchen<br />

von 0.5 erst auf 50 m (Bockelmann, 2003). Die Visusreduktion<br />

korreliert mit dem Alter. So verfügen viele Jugendliche über einen Visus<br />

von bis zu 2.8; ein 80-Jähriger besitzt durchschnittlich nur noch einen<br />

Visus von 0.4 (Bockelmann, 2003). Der Prozess der Visusreduktion<br />

geht in aller Regel so langsam voran, dass die Einbussen von den<br />

Betroffenen oftmals gar nicht bemerkt werden. Deswegen wird das<br />

Sehvermögen oft überschätzt. In vielen Fällen ist die Sehschärfe von<br />

MFZ-Lenkenden unter dem gesetzlichen Minimum, ohne dass sie sich<br />

dessen bewusst sind. In den allermeisten Fällen lässt sich eine mangelhafte<br />

Sehschärfe durch Brillen/Linsen korrigieren (Wilhelm, 2000).<br />

• Akkommodationsbreite: Die Akkommodationsbreite des Auges nimmt<br />

von 15 Dioptrien während der Jugend auf 2 Dioptrien im Alter von ca.<br />

50 Jahren ab. Diese Einschränkung erschwert die Informationsaufnahme<br />

beim Blickwechsel von der Ferne in die Nähe und umgekehrt.<br />

• Ausfälle des Gesichtsfelds: Besonders in der älteren Bevölkerungsgruppe<br />

kommen Ausfälle des Gesichtsfeldes durch eine Verringerung<br />

des peripheren Sehens und durch Erkrankungen (z. B. grüner Star,<br />

Schlaganfälle) vor. Während das Gesichtsfeld in der Jugend eine<br />

Breite von 175 Grad umfasst, sind es bei Senioren nur noch 140 Grad.<br />

• Dämmerungssehvermögen und Blendempfindlichkeit: Einbussen<br />

im Dämmerungssehvermögen bedeuten, dass man mehr Licht benötigt,<br />

um einen Gegenstand zu erkennen. Dabei muss betont werden,<br />

dass jemand trotz guter Sehschärfe (Visus) bei Nacht und Dämmerung<br />

nahezu blind sein kann (Wilhelm, 2000). Ein relativ hoher Prozentsatz<br />

der MFZ-Lenkenden hat Probleme mit dem Dämmerungssehvermögen<br />

und mit Blendempfindlichkeit. Diese Probleme kommen mit steigendem<br />

Alter öfter vor und sind auf eine Trübung der Linse zurückzufüh-


170 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Visusbeeinträchtigungen<br />

erhöhen<br />

Unfallgefahr um ca.<br />

10 %<br />

Beeinträchtigtes<br />

Nachtsehen erhöht<br />

Unfallgefahr um ca.<br />

50 %<br />

ren. Bei Jugendlichen sehen 2.3 bis 4 % im Dunkeln unzureichend bis<br />

schlecht. Ab 70 Jahren sind selbst ohne Blendungsquelle 34 % der<br />

MFZ-Lenkenden ungeeignet für die Nachtfahrt, bei Blendung erhöht<br />

sich dieser Wert auf 54 %.<br />

Neben Sehverschlechterungen können auch Beeinträchtigungen des<br />

Hörvermögens die Fahreignung reduzieren:<br />

• Hörvermögen: Auch Einbussen des Hörvermögens zeigen sich mit<br />

zunehmendem Alter. Der wahrnehmbare Frequenzbereich wird eingeschränkt.<br />

Zudem liegt der Schwellenwert höher, sodass leise Töne<br />

nicht mehr wahrgenommen werden.<br />

Da die haptische Wahrnehmung (Druck, Berührung, Vibration, Schmerz,<br />

Temperatur) für die Fahreignung von vernachlässigbarer Bedeutung ist,<br />

wird sie nicht thematisiert.<br />

3.13.2 Unfallrelevanz<br />

Es ist trivial, dass ein gutes Sehvermögen eine unerlässliche Voraussetzung<br />

für ein sicheres Fahrverhalten darstellt. So erstaunt es nicht, dass in<br />

Studien zur Bedeutung des verminderten Sehvermögens ein Zusammenhang<br />

zu den Unfallstatistiken gefunden wird (vgl. z. B. Commission Internationale<br />

des Examens de Conduite Automobile CIECA, 1999). Eine im<br />

Rahmen des EU-Projektes IMMORTAL durchgeführte Metaanalyse von<br />

79 Studien weist bei Sehbeeinträchtigungen eine Risikoerhöhung von<br />

10 % (RR = 1.09, p < 0.05) aus (Vaa, 2003). Gerade Fussgänger als optisch<br />

unauffällige Verkehrsteilnehmergruppe (z. B. infolge ihrer schmalen<br />

Silhouette) laufen Gefahr, von Fahrzeuglenkenden mit herabgesetzter<br />

Sehschärfe übersehen zu werden.<br />

Eingeschränktes Dämmerungssehvermögen und Blendempfindlichkeit<br />

stellen u. a. deshalb ein Problem dar, weil diese Faktoren im Rahmen des<br />

obligatorischen Sehtests nicht überprüft werden. Es findet also keine Auslese<br />

statt, sodass bei Dunkelheit beeinträchtigte Personen in der Nacht<br />

unterwegs sind und das, ohne sich ihres erhöhten Risikos bewusst zu<br />

sein. Unfallanalytische Daten zeigen, dass eingeschränktes Dämmerungssehvermögen<br />

bzw. erhöhte Blendempfindlichkeit mit einem erhöhten Un-


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 171<br />

Sehbeeinträchtigungen<br />

tauchen in offizieller<br />

Unfallstatistik<br />

so gut wie nie auf<br />

Beeinträchtigungen<br />

des Hörvermögens<br />

vernachlässigbar<br />

fallrisiko bei Dämmerung und Nacht einhergehen (Lachenmayr, Buser,<br />

Keller & Berger, 1997; Wilhelm, 2000). Vaa (2003) gibt auf der Basis einer<br />

Metaanalyse von 62 Studien an, dass die Unfallwahrscheinlichkeit durch<br />

ein eingeschränktes Dämmerungssehvermögen um über 60 % (RR = 1.66,<br />

p < 0.05) und durch eine erhöhte Blendempfindlichkeit um 50 % (RR =<br />

1.50, p < 0.05) erhöht wird. Diese Angaben beziehen sich auf die generelle<br />

Unfallwahrscheinlichkeit von sehbeeinträchtigten MFZ-Lenkenden.<br />

Die fussgängerbezogene Bedeutung des Nachtsehvermögens von MFZ-<br />

Lenkenden dürfte aufgrund der fehlenden Beleuchtung und der geringen<br />

Abmessung der Fussgänger und der dementsprechend leichten Übersehbarkeit<br />

deutlich erhöht sein.<br />

Im Vergleich zur Tagessehschärfe und zum Nachtsehvermögen (Dämmerungssehen<br />

und Blendempfindlichkeit) sind das Farbensehen und das<br />

stereoskopische Sehen für eine sichere Teilnahme am Strassenverkehr<br />

von untergeordneter Bedeutung (Lachenmayr, 2001; Wilhelm, 2000).<br />

Gemäss offizieller Unfallstatistik spielt eine verminderte Sehkraft als unfallwirksamer<br />

Einflussfaktor eine vernachlässigbare Rolle: Nur gerade 3<br />

von insgesamt über 4000 Mängeln, die den Kollisionsgegnern von Fussgängern<br />

attribuiert wurden, beziehen sich auf die Sehkraft. Hierbei muss<br />

jedoch von einer sehr hohen Dunkelziffer ausgegangen werden, da der<br />

Polizeibeamte Sehprobleme höchstens dann erkennt, wenn eine im Führerausweis<br />

festgehaltene Sehkorrektur (Linsen/Brille) nicht getragen wird.<br />

Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass ein hoher Anteil der<br />

MFZ-Lenkenden bedeutsame Sehbeeinträchtigungen aufweist, ohne dass<br />

das im Führerausweis vermerkt ist.<br />

Bezüglich des Hörvermögens zeigte sich im Rahmen einer Metaanalyse<br />

von 5 Studien, dass Hörbeeinträchtigungen das allgemeine Unfallrisiko<br />

um rund 20 % (RR = 1.19, p < 0.05) erhöhen (Vaa, 2003). Die spezifische<br />

Bedeutung für das <strong>Unfallgeschehen</strong> von Fussgängern ist jedoch mutmasslich<br />

vernachlässigbar gering, da das Erkennen der Fussgänger als<br />

lautlose Verkehrsteilnehmer visuell erfolgen muss.


172 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Tabelle 58:<br />

Beurteilung<br />

verschiedener<br />

Risikofaktoren im<br />

Bereich ‚perzeptive<br />

Beeinträchtigungen’<br />

Physische<br />

Beeinträchtigungen<br />

korrelieren mit Alter<br />

Eingeschränkte Kraft<br />

und Beweglichkeit der<br />

Beine problematisch<br />

3.13.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Beeinträchtigtes Tagessehvermögen<br />

(Visus, Akkomodation,<br />

Gesichtsfeldausfälle)<br />

Beeinträchtigtes Nachtsehvermögen(Blendempfindlichkeit<br />

und<br />

Dämmerungssehen)<br />

Beeinträchtigtes<br />

Hörvermögen<br />

(Frequenzbereich,<br />

Schwellenwert)<br />

• sehr gering / ***** sehr gross<br />

** ** *<br />

* **** *<br />

* – –<br />

3.14 Fahreignung: Körperlich-motorische Einschränkungen<br />

3.14.1 Ausgangslage<br />

Körperlich-motorische Einschränkungen bei MFZ-Lenkenden hängen sehr<br />

stark mit dem Alter zusammen. Beweglichkeit, Geschwindigkeit und Muskelkraft<br />

lassen bei den Senioren mit zunehmendem Alter nach. Zudem<br />

erschwert die Steifigkeit der Nackenmuskeln und Halswirbel zunehmend<br />

die Kopfdrehung.<br />

3.14.2 Unfallrelevanz<br />

Durch verschiedene Entwicklungen im Bereich der Fahrzeugtechnik, namentlich<br />

Servobremse, elektrische Parkbremse, Automatikgetriebe, Servolenkung<br />

und Rückfahrsensoren, fallen diverse körperliche Beeinträchtigungen<br />

nicht mehr so stark ins Gewicht wie früher.<br />

Für Fussgänger dürfte insbesondere die reduzierte Kraft und Beweglichkeit<br />

der Beine von MFZ-Lenkenden problematisch sein, da dadurch das<br />

Bremspedal allenfalls zu langsam und zu wenig stark betätigt wird. Zudem<br />

führt die Steifigkeit im Hals-, Nacken- und Rückenbereich dazu, dass sich<br />

der Betroffene beim Rückwärtsfahren nicht umdreht. Das dürfte eine Mitursache<br />

für die relativ häufigen Fussgängerkollisionen beim Rückwärtsfahren<br />

sein.


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 173<br />

Tabelle 59:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚physische<br />

Beeinträchtigungen’<br />

Mentale<br />

Beeinträchtigungen<br />

korrelieren mit Alter<br />

Mentale Einbussen<br />

problematisch bei<br />

Zeitdruck und hoher<br />

Komplexität<br />

Körperlich-motorische Beeinträchtigungen als potenzielle Mitursache eines<br />

Unfalls werden im Rahmen der polizeilichen Unfallprotokollierung<br />

nicht erfasst. Nachfolgende Risikobeurteilung beruht auf einem Expertenrating.<br />

3.14.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Körperlich-motorische<br />

Einschränkungen<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

* ** *<br />

3.15 Fahreignung: Kognitive Leistungseinschränkungen<br />

3.15.1 Ausgangslage<br />

Neben Einschränkungen bei den Sinnesorganen und den motorischen<br />

Funktionen zeigen sich bei Senioren mit zunehmendem Alter auch kognitive<br />

Leistungseinbussen. Die Apperzeptionsleistung (Auffassungsmenge<br />

und -geschwindigkeit) halbiert sich beispielsweise in der Altersspanne von<br />

20 bis 80 Jahren. Senioren brauchen mehr Zeit, um Informationen aus der<br />

Verkehrsumwelt aufzunehmen. Die Leistung des Arbeitsgedächtnisses<br />

reduziert sich: Es können weniger Informationen für eine kürzere Dauer<br />

behalten werden. Neben der Reaktionsgeschwindigkeit ist auch die Reaktionsflexibilität<br />

herabgesetzt, sodass schablonenhafte Reaktionen vermehrt<br />

zu beobachten sind. Weiter sind Konzentrationseinbussen zu beklagen.<br />

3.15.2 Unfallrelevanz<br />

Die genannten Einbussen der kognitiven Informationsverarbeitung haben<br />

zur Folge, dass die interne Repräsentation des Verkehrraums lückenhaft<br />

ist. Ausserdem werden die Senioren durch den Verkehr mehr beansprucht<br />

und ermüden dementsprechend schneller als der durchschnittliche<br />

MFZ-Lenkende.<br />

Dennoch führen viele der genannten Einschränkungen nicht zwangsläufig


174 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Tabelle 60:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚kognitive Leistungsbeeinträchtigungen’<br />

Überforderung der<br />

Leistungsgrenzen<br />

durch falsche<br />

Systemgestaltung<br />

zu einer höheren Unfallbelastung. Das ist darauf zurückzuführen, dass die<br />

kognitiven Leistungseinbussen nur bei komplexen Aufgaben in Kombination<br />

mit Zeitdruck zu einer reduzierten Handlungszuverlässigkeit führen.<br />

Wenn Senioren genügend Zeit haben und/oder die Fahrsituation einfach<br />

ist, fallen die Einbussen weniger ins Gewicht.<br />

Somit kann festgehalten werden, dass Zeitdruck und Komplexitätsgrad<br />

der Fahrsituation Moderatorvariablen darstellen, welche das Risikoausmass<br />

kognitiver Leistungseinbussen bestimmen.<br />

Im Rahmen einer Meta-Studie zeigte sich, dass das Unfallrisiko bei geistigen<br />

Störungen (als Extremform kognitiver Beeinträchtigungen) bei RR =<br />

1.72 (p < 0.05) liegt (Vaa, 2003).<br />

3.15.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Kognitive Leistungsbeeinträchtigungen<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

* ** *<br />

3.16 Menschliche Leistungsgrenzen: Visuelle Wahrnehmung<br />

An dieser Stelle sollen unfallrelevante Einflussfaktoren thematisiert werden,<br />

die allgemeinpsychologischer Natur sind (d. h. alle Individuen gleichermassen<br />

betreffen). Solche Einflussfaktoren zeigen sich, wenn das<br />

System Strassenverkehr derart gestaltet ist, dass es zu Überforderungen<br />

der menschlichen Leistungsfähigkeit führt. Menschliche Leistungsgrenzen<br />

als Risikofaktoren zu bezeichnen wäre etwas verwegen, stellen sie doch<br />

nicht per se ein Risiko dar, sondern nur in einer nicht menschengerecht<br />

gestalteten Umwelt. Trotzdem ist es wichtig, menschlichen Leistungsgrenzen<br />

nachzugehen, da sie Hinweise liefern, wo Fahrzeug (s. Kap.<br />

VIII.5.5 Elektronische Fahrassistenzsysteme, S. 285) und Stras-<br />

seninfrastruktur (s. Kap. VIII.6, S. 296) zu verändern sind, sodass Fahrzeuglenkende<br />

unterstützt statt überfordert werden.


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 175<br />

Visuelle<br />

Wahrnehmung<br />

wichtigste<br />

Sinnesmodalität<br />

Informationsdefizite<br />

als zentrale<br />

Unfallursache<br />

Kapazitätsgrenzen<br />

schränken<br />

Informationsaufnahme<br />

ein<br />

Beim Autofahren ist die visuelle Wahrnehmung die wichtigste Sinnesmodalität.<br />

Über 90 % aller fahrrelevanten Informationen werden visuell<br />

aufgenommen. Demgegenüber sind die auditiven und propriozeptiven<br />

Sinne von untergeordneter Bedeutung und werden deshalb nachfolgend<br />

ausgeklammert.<br />

Oftmals wird die Sicherheitsrelevanz der visuellen Wahrnehmung auf die<br />

Sehschärfe reduziert – gemäss dem Motto: „Wer gut sieht, sieht die Gefahren“.<br />

Ein hoher Visus ist zwar eine notwendige, jedoch bei weitem<br />

keine hinreichende Bedingung für eine gute visuelle Wahrnehmung.<br />

Infolge der hohen Bedeutung visueller Informationen zur Bewältigung der<br />

Fahraufgabe erstaunt es nicht, dass das Übersehen von Informationen<br />

ein hohes Gefahrenpotenzial hat. Informationsdefizite können sogar als<br />

die Hauptunfallursache bezeichnet werden. In Untersuchungen konnte<br />

aufgezeigt werden, dass 50 % aller Unfälle durch eine verspätete oder<br />

fehlende Wahrnehmung der konkreten Gefahrenquelle bedingt sind (vgl.<br />

zusammenfassend Cohen, 1998). Solche Informationsdefizite können<br />

grundsätzlich a) durch visuelle Ablenkung, b) durch Sehschwäche und c)<br />

durch Überforderungen entstehen. Wie empirisch aufgezeigt werden<br />

konnte, kommen visuelle Ablenkungen zwar durchaus vor, jedoch zu selten,<br />

als dass sie alle Informationsdefizite erklären können. Auch Sehschwäche<br />

leistet einen geringen Erklärungsbeitrag für Informationsdefizite,<br />

da diese auch bei jungen Bevölkerungsgruppen mit optimaler Sehstärke<br />

vorkommen. Somit bleibt die Überforderung als wichtigste Erklärung:<br />

Entgegen dem subjektiven Empfinden ist es (zumindest im Innerortsbereich<br />

und insbesondere in der Stadt) nicht möglich, alle verkehrsrelevanten<br />

Informationen zu beachten. Das hängt damit zusammen, dass das<br />

periphere Gesichtsfeld infolge des geringen Auflösungsvermögens nur<br />

ungenügende Informationen zur Umgebung liefert und Fixationen zur<br />

Informationsaufnahme notwendig sind. Fixationen sind jedoch sowohl<br />

zeitlich als auch räumlich begrenzt: Bei Helligkeit können durchschnittlich<br />

drei Fixationen pro Sekunde durchgeführt werden, wobei ein Fixationspunkt<br />

in der Regel nicht mehr als 10 Grad vom vorhergehenden Punkt<br />

entfernt ist (Cohen, 1997). Eine visuelle Überforderung des Fahrzeuglenkenden<br />

liegt dann vor, wenn pro Sekunde an mehr als drei verkehrsrele-


176 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Tunnelblick durch<br />

kognitive<br />

Überforderung<br />

Unauffällige Objekte<br />

werden eher<br />

übersehen<br />

Vortrittsmissachtungen<br />

widerspiegeln<br />

Überforderung<br />

vanten Objekten (andere Verkehrsteilnehmer, Verkehrssignale etc.) vorbeigefahren<br />

wird. Das ist im Innerortsbereich und dort im Speziellen an<br />

Kreuzungen regelmässig der Fall. Da Objekte im Verkehrsraum gewissermassen<br />

in Konkurrenz zueinander stehen, kann der Fahrzeuglenkende<br />

bei einer Informationshäufung nur einen Teil bewusst wahrnehmen. Die<br />

Auswirkungen der visuellen Grenzen verstärken sich mit zunehmender<br />

Geschwindigkeit, da pro Zeiteinheit an mehr Objekten vorbeigefahren<br />

wird. Dadurch steigt die Gefahr, verkehrsrelevante Objekte zu übersehen.<br />

Ein weiteres problematisches Phänomen ist der Tunnelblick (Einengung<br />

des nutzbaren Sehfeldes). Dieses Phänomen tritt bei starker kognitiver<br />

Beanspruchung auf und kommt bei Innerortsfahrten regelmässig vor<br />

(ohne dass es dem Fahrzeuglenkenden auffällt). Gerade bei Knotenpunkten,<br />

wo der Lenkende einen weiten Bereich überblicken muss, besteht<br />

die Gefahr des Tunnelblicks, so dass die ohnehin unauffälligen Fussgänger<br />

vom Fahrzeuglenkenden mit erhöhter Wahrscheinlichkeit nicht<br />

oder zu spät gesehen werden.<br />

Aufgrund der bestehenden menschlichen Leistungsgrenzen kommt es bei<br />

Fahrzeuglenkenden in einer informationsreichen Fahrumgebung bei<br />

gleichzeitig zu hoher Geschwindigkeit regelmässig zu Überforderungen.<br />

Da die Leistungsanforderungen grösser sind als die Leistungsmöglichkeiten,<br />

kann von einer systembedingten Leistungsanomalie gesprochen<br />

werden. Dieser Überbeanspruchung fallen vor allem unauffällige Objekte<br />

zum Opfer; denn übersehen werden eher Objekte mit wenig Kontrast,<br />

niedriger Helligkeit und geringer Ausdehnung. Alles Eigenschaften, die<br />

mehr oder weniger auf Fussgänger zutreffen.<br />

Eine systembedingte Leistungsanomalie schlägt sich, sofern sie von Bedeutung<br />

ist, natürlich im <strong>Unfallgeschehen</strong> nieder. Im Rahmen der polizeilichen<br />

Unfallprotokollierung wird die beschriebene Überbeanspruchung<br />

wohl insbesondere als Vortrittsmissachtung klassifiziert. Rund der Hälfte<br />

aller polizeilich bemängelten Fahrzeuglenkenden wurde „Missachtung des<br />

Vortritts“ attribuiert. Vortrittsmissachtungen beruhen nicht nur auf einem<br />

absichtlichen Verweigern des Vortrittsrechts, sondern widerspiegeln auch<br />

die beschriebene Überbeanspruchung.


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 177<br />

Risikogruppen als<br />

Zielgruppen der<br />

Präventionsarbeit<br />

Junge Neulenkende<br />

und Senioren stehen<br />

oft im Verdacht<br />

Fazit: Die systembedingte Überbeanspruchung der Fahrzeuglenkenden,<br />

die mit einem häufigen Übersehen der Fussgänger einhergeht, macht auf<br />

folgende Problemfelder aufmerksam:<br />

• Knotenpunkte weisen oftmals einen zu hohen Komplexitätsgrad auf,<br />

d. h., die Informationsdichte ist zu hoch. Hierzu trägt auch die hohe<br />

Dichte von Verkehrssignalen bei.<br />

• Fussgänger sind durch ihr sowohl räumlich als auch optisch unscheinbares<br />

Erscheinungsbild besonders gefährdet, in der Flut der verkehrsrelevanten<br />

Informationen unterzugehen.<br />

• Die Geschwindigkeit erhöht die Problematik der visuellen Leistungsgrenzen.<br />

3.17 Soziodemographische Risikogruppen<br />

Bisher wurden einzelne, spezifische Faktoren betrachtet, die von den<br />

Fahrzeuglenkenden ausgehen können und das Risiko, mit Fussgängern<br />

zu kollidieren, erhöhen. Nachfolgend wird gewissermassen eine Metaebene<br />

betrachtet, indem der Frage nachgegangen wird, ob die identifizierten<br />

Risikofaktoren bei gewissen soziodemographischen Gruppen in<br />

konzentrierter Form auftreten, sodass sie für Fussgänger eine besondere<br />

Gefahr darstellen. Die Identifizierung von Risikogruppen ist wichtig, da es<br />

hilft, relevante Zielgruppen der Präventionsarbeit zu definieren.<br />

Im Rahmen allgemeiner (d. h. nicht fussgängerspezifischer) Untersuchungen<br />

werden immer wieder zwei Risikogruppen von Fahrzeuglenkenden<br />

thematisiert: junge Erwachsene und Senioren. Bei den jungen Erwachsenen<br />

liegen die Gründe einerseits bei jugendtypischen Eigenschaften<br />

(Risikotoleranz, Imponieren, emotionales Handeln) und andererseits<br />

in den noch geringen Fahrerfahrungen (Gefahrenkognition, Fahrzeugbedienung,<br />

Blickverhalten). Bei den Senioren sind verschiedenste<br />

altersbedingte Leistungseinbussen zu beklagen, wie reduziertes Hör- und<br />

Sehvermögen, nachlassendes kognitives Leistungstempo sowie körperlich-motorische<br />

Einschränkungen.<br />

Es stellt sich die Frage, ob diese Gruppen auch für die Fussgänger eine<br />

erhöhte Gefahr darstellen und ob allenfalls noch weitere Gruppen identifizierbar<br />

sind.


178 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Junge Fahrzeuglenkende<br />

sind mental<br />

und körperlich fit<br />

Junge Fahrzeuglenkende<br />

zeigen<br />

risikoreiches<br />

Fahrverhalten<br />

Um die Frage nach den Risikogruppen beantworten zu können, dürfen<br />

nicht einfach die Anzahl der Kollisionen in den unterschiedlichen Alterssegmenten<br />

miteinander verglichen werden. Um Risikogruppen identifizieren<br />

zu können, müssen expositionsbereinigte Unfallraten herangezogen<br />

werden; dabei werden die Unfallzahlen anhand der km-Leistung relativiert<br />

(Anzahl schwer oder tödlich verletzte Fussgänger pro 100 Mio. Personenkilometer).<br />

Die Analyse der expositionsbereinigten Unfallraten zeigt, dass<br />

die jungen Fahrzeuglenkenden im Alter zwischen 18 und 24 Jahren gegenüber<br />

dem Durchschnitt ein um den Faktor 1.6 erhöhtes Risiko haben, mit<br />

einem Fussgänger zu kollidieren.<br />

Da das Kollisionsrisiko junger Fahrzeuglenkender trotz in der Regel exzellenten<br />

sensomotorischen Eigenschaften (hohe Reaktionsgeschwindigkeiten,<br />

gutes Sehvermögen etc.) erhöht ist, müssen die Ursachen für die<br />

Auffälligkeit junger Fahrzeuglenkender in ihrem Fahrverhalten und ihrer<br />

Fahrfähigkeit liegen. Dass (männliche) Junglenker ein höheres Kollisionsrisiko<br />

aufweisen als Junglenkerinnen, weist in die gleiche Richtung.<br />

Junge Erwachsene (v. a. männliche) gehen vermehrt Risiken ein als ältere<br />

Erwachsene. Dabei werden Risiken oft unbewusst eingegangen,<br />

quasi als Nebenprodukt ihrer Handlungen. Zentrale Motive sind die Identitätsfindung,<br />

Anerkennung und Gruppenanschluss. Durch die starke Ausrichtung<br />

auf die Gleichaltrigengruppe (Peer group) haben gleichaltrige<br />

Passagiere einen starken Einfluss auf junge Lenkende und können risikoreiches<br />

Fahrverhalten verstärken.<br />

Die häufig fehlenden negativen Konsequenzen risikoreichen Verhaltens<br />

und die Beobachtung gefährlicher, aber erfolgreicher Verhaltensweisen<br />

anderer tragen dazu bei, dass die Idealisierung des eigenen Fahrkönnens<br />

ungeachtet der objektiven Gefahren verfestigt wird (Siegrist & Mathys,<br />

1998).<br />

Aufgrund der Erkenntnisse zum Fahrverhalten der 18- bis 24-Jährigen<br />

erstaunt es nicht, dass sie ein überproportional hohes Risiko aufweisen,<br />

mit einem Fussgänger zu kollidieren.


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 179<br />

Senioren weisen<br />

erhöhtes Risiko auf,<br />

mit Fussgänger zu<br />

kollidieren<br />

Senioren übersehen<br />

häufiger Fussgänger<br />

am Streifen<br />

Auch für betagte Fahrzeuglenkende ergibt die expositionsbezogene Unfallanalyse<br />

ein erhöhtes Risiko, mit einem Fussgänger zu kollidieren. Senioren<br />

in der Altersklasse von 65 bis 74 Jahren weisen eine Risikoerhöhung<br />

auf, die jener der 18- bis 24-Jährigen entspricht. Über 74-jährige<br />

Senioren weisen demgegenüber nochmals ein deutlich höheres Kollisionsrisiko<br />

auf; ihr Risiko ist um den Faktor 3.5 höher als der Durchschnitt.<br />

Der Grund für das erhöhte Risiko liegt bei den sensorischen,<br />

kognitiven und motorischen Einschränkungen.<br />

Das Hauptproblem der betagten Fahrzeuglenkenden liegt bei der Missachtung<br />

der Anhaltepflicht vor dem Fussgängerstreifen. Bei mehr als der<br />

Hälfte aller Kollisionen zwischen Senioren als Fahrzeuglenkenden und<br />

Fussgängern spielt die Vortrittsmissachtung eine Rolle. Aufgrund der<br />

allgemein sehr defensiven Fahrweise der Senioren kann vermutet werden,<br />

dass diese Vortrittsmissachtung nicht vorsätzlich geschieht, sondern<br />

auf einem Informationsdefizit beruht. Infolge ihrer visuellen und kognitiven<br />

Leistungseinbussen übersehen Senioren deutlich häufiger querende<br />

Fussgänger als das bei den restlichen Lenkenden der Fall ist. Die altersbedingten<br />

Einschränkungen äussern sich insbesondere an Knoten. Es<br />

handelt sich dabei um Verkehrssituationen, die reich an Informationen<br />

sind. Zudem stellen auch Dämmerungs- und Nachtzeiten ein Problem dar,<br />

da sich die visuellen Einschränkungen besonders bei geringer Beleuchtung<br />

bemerkbar machen.<br />

3.18 Zusammenfassung und Fazit<br />

Im vorliegenden Kapitel wurde der Frage nachgegangen, welche Merkmale<br />

der Fahrzeuglenkenden die Wahrscheinlichkeit erhöht, mit einem<br />

Fussgänger zu kollidieren. Dabei wurden die vier Bereiche Fahrverhalten,<br />

Fahrkompetenz, Fahrfähigkeit und Fahreignung untersucht.<br />

Risikoerhöhende Faktoren bei den Fahrzeuglenkenden liegen schwergewichtig<br />

in unangepassten Verhaltensweisen: Vor allem übersetzte Geschwindigkeit,<br />

unvorsichtiges Rückwärtsfahren und Vortrittsverweigerung<br />

am Fussgängerstreifen gefährden die Sicherheit von Fussgängern in beträchtlichem<br />

Ausmass.


180 Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Nicht sicherheitsbedachtes Fahrverhalten beruht zumindest teilweise<br />

auch auf mangelnder Fahrkompetenz, wobei diese in der Regel nicht<br />

durch eine mangelnde Fahrzeugbedienung, sondern durch mangelnde<br />

Gefahrenkognition und Selbstkontrolle bedingt ist. Das heisst, Fahrzeuglenkende<br />

haben keine grundlegenden Schwierigkeiten, ihr Fahrzeug zu<br />

steuern, verkennen aber oft die Gefährlichkeit von Geschwindigkeitsübertretung<br />

und Vortrittsverweigerung, was zu kritischen Fahrsituationen führen<br />

kann.<br />

Als weiteres Problemfeld sind Fahrfähigkeitsbeeinträchtigungen zu nennen.<br />

Diese können zum einen durch punktuelle Ablenkungen von der Fahraufgabe,<br />

wie z. B. das Telefonieren am Steuer, entstehen. Zum anderen<br />

kann die Fahrfähigkeit auch längerfristig beeinträchtigt sein, namentlich<br />

durch Substanzen (Alkohol, Drogen, Medikamente) und durch Müdigkeit.<br />

Weitere unfallrelevante Einflussfaktoren finden sich im Bereich der Fahreignung.<br />

Von Einschränkungen im sensorischen, im körperlich-motorischen<br />

und im kognitiven Leistungsvermögen sind insbesondere die Senioren<br />

betroffen. Die Leistungseinschränkungen äussern sich insbesondere in<br />

Vortrittsmissachtungen am Fussgängerstreifen, weil die betagten Fahrzeuglenkenden<br />

die querenden Fussgänger zu spät erkennen oder sogar<br />

ganz übersehen. Über alle vier thematisierten Bereiche hinweg betrachtet,<br />

sind folgende Risikofaktoren von überdurchschnittlicher Bedeutung für die<br />

Fussgängersicherheit:<br />

• Überschreitung der Geschwindigkeitslimite und unangepasste Geschwindigkeitswahl<br />

• Vortrittsverweigerung am Fussgängerstreifen<br />

• Unvorsichtiges Rückwärtsfahren<br />

• Visuelle und mentale Ablenkung von der Fahraufgabe<br />

• Mangelnde Gefahrenkognition und Selbstkontrolle<br />

Von untergeordneter Bedeutung für die Sicherheit der Fussgänger sind<br />

folgende Einflussfaktoren:<br />

• Verzicht auf Tagfahrlicht<br />

• Fahren unter Substanzen (namentlich Alkohol, illegale Drogen, Medikamente)<br />

• Fahren in übermüdetem Zustand


Risikofaktoren – Lenkende der Kollisionsobjekte 181<br />

• Mangelhafte Fahrzeugbeherrschung<br />

• Leistungsbeeinträchtigungen in den Bereichen Motorik und Kognition<br />

Neben der Eruierung von Risikofaktoren wurden auch auffällige Personengruppen<br />

identifiziert. Ein erhöhtes Risiko, mit einem Fussgänger zu<br />

kollidieren, haben junge Erwachsene und Senioren.


182 Risikofaktoren – Kollisionsobjekte<br />

Fahrräder kommen im<br />

Verkehr deutlich<br />

seltener vor als MFZ<br />

4. Kollisionsobjekte<br />

4.1 Einleitung<br />

Im Folgenden wird aufgezeigt, welche spezifischen Fahrzeugeigenschaften<br />

eine erhöhte Unfall- bzw. Verletzungsgefahr bergen. Zunächst werden<br />

drei Grundeigenschaften thematisiert, namentlich die Motorisierung<br />

(Kap. VII.4.2, S. 182), die Anzahl der Fahrspuren (Kap. VII.4.3, S. 183)<br />

und die Masse (Kap. VII.4.4, S. 185). Diese drei Grundeigenschaften liegen<br />

auf einer sehr abstrakten Betrachtungsebene, weshalb die Risikobeurteilung<br />

im Sinne der ansonsten vorgenommenen Gefahrenquantifizierung<br />

nicht sinnvoll erscheint und weggelassen wurde.<br />

Weiter werden einerseits das Frontprofil (Kap. VII.4.5, S. 186) und<br />

andererseits die Frontsteifigkeit (vgl. Kap. VII.4.6, S. 188) als zwei zentrale<br />

Einflussfaktoren der Verletzungsschwere diskutiert. In der Fachliteratur<br />

werden diese Faktoren auch als Form- und Steifigkeitsaggressivität<br />

bezeichnet.<br />

Anschliessend wird die Unfallrelevanz von einigen weiteren, etwas weniger<br />

zentralen Faktoren betrachtet. Namentlich sind das: Frontschutzbügel<br />

(Kap. VII.4.7, S. 190), Beleuchtungsanlage (Kap. VII.4.8, S. 191) und<br />

Fahrzeugfarbe (Kap. VII.4.9, S. 191). Abschliessend wird die Bedeutung<br />

der technischen Betriebssicherheit im Sinne des qualitativen Fahrzeugzustands<br />

diskutiert (Kap. VII.4.10, S. 193).<br />

4.2 Motorisierung<br />

4.2.1 Ausgangslage<br />

Die Betrachtung der Eigenschaft „Motorisierung“ entspricht der Gegenüberstellung<br />

von motorisierten vs. unmotorisierten Fahrzeugen (Motorfahrzeuge<br />

vs. Fahrräder).<br />

Der Bestand der Fahrräder beträgt ca. 3.8 Mio. (Schweizerische Fachstelle<br />

für Zweiradfragen SFZ, 2004) – die Anzahl motorisierter Fahrzeuge<br />

liegt demgegenüber mit 5.7 Mio. einiges höher (Bundesamt für Statistik<br />

BFS, 2004c). Ein deutlich grösserer Unterschied zeigt sich im Verkehrsaufkommen<br />

von motorisierten und unmotorisierten Fahrzeugen: Mit dem<br />

Fahrrad werden nämlich lediglich 2.5 % aller zurückgelegten Kilometer


Risikofaktoren – Kollisionsobjekte 183<br />

Velos weisen deutlich<br />

geringe Gefährlichkeit<br />

auf als MFZ<br />

Das Verkehrsmittel<br />

‚Fahrrad’ stell kein<br />

zentrales Problem für<br />

Fussgänger dar<br />

Einspurige MFZ<br />

weniger verbreitet als<br />

zweispurige MFZ<br />

absolviert – die Unterwegszeit entspricht 5.6 % der Gesamtzeit (Bundesamt<br />

für Raumentwicklung ARE & Bundesamt für Statistik BFS, 2001).<br />

4.2.2 Unfallrelevanz<br />

Das Verkehrsmittel ‚Fahrrad’ ist aufgrund einer ganzen Reihe von Eigenschaften<br />

für Fussgänger weniger gefährlich als MFZ. Der geringere Gefährdungsgrad<br />

erklärt sich durch die hohe Wendigkeit, die kleine Frontfläche<br />

(als potenzielle Kollisionsfläche), die niedrigere Maximalgeschwindigkeit<br />

und das geringere Gewicht.<br />

Dass das Fahrrad als Kollisionsobjekt kein zentrales Problem darstellt,<br />

zeigt auch die Analyse des <strong>Unfallgeschehen</strong>s. Von den im Jahr 2004 insgesamt<br />

95 im Strassenverkehr getöteten Fussgängern kam lediglich einer<br />

durch eine Fahrradkollision ums Leben – von den fast 700 schwer verletzten<br />

Fussgängern wurden weniger als 30 durch Fahrradkollisionen verursacht.<br />

Somit kann summarisch festgehalten werden, dass eine Kollision<br />

zwischen einem Fussgänger und einem Fahrrad im Einzelfall durchaus<br />

mit schweren Verletzungen verbunden sein kann. Die Bedeutung solcher<br />

Kollisionen kann jedoch in Anbetracht der viel häufigeren und erheblich<br />

schwereren Kollisionen zwischen einem Fussgänger und dem motorisierten<br />

Verkehr vernachlässigt werden.<br />

Wegen der relativ geringen Unfallrelevanz von Fahrrädern als Kollisionsobjekten<br />

von Fussgängern werden diese in den nachfolgenden Ausführungen<br />

des vorliegenden Kapitels weitgehend ausgeklammert.<br />

4.3 Einspurige vs. zweispurige Motorfahrzeuge<br />

4.3.1 Ausgangslage<br />

Der motorisierte Verkehr kann auf einer hohen Abstraktionsebene in einspurige<br />

(namentlich Mofas, Kleinmotorräder und Motorräder) und zweispurige<br />

MFZ (namentlich Personenwagen [PW] und Sachentransportfahrzeuge21<br />

[STFZ]) unterteilt werden. Der Bestand einspuriger MFZ ist mit<br />

21 Lieferwagen, Lastwagen und Sattelschlepper


184 Risikofaktoren – Kollisionsobjekte<br />

Einspurige MFZ<br />

stellen ein<br />

untergeordnetes<br />

Problem dar<br />

rund 0.7 Mio. (550’000 (Klein-)Motorräder + 210’000 Mofas) um ein Vielfaches<br />

kleiner als jener der zweispurigen MFZ mit rund 5 Mio. (3.7 Mio.<br />

Personentransport-FZ + 1.3 Mio. Gütertransport-FZ) (Bundesamt für Statistik<br />

BFS, 2004b). Werden die Betriebszeiten oder die km-Leistungen einund<br />

zweispuriger MFZ verglichen, zeigen sich noch viel grössere Unterschiede:<br />

Die durchschnittliche Verkehrsbeteiligung pro Tag beträgt beispielsweise<br />

beim Auto mehr als eine halbe Stunde bzw. 26 km und beim<br />

Motorrad lediglich etwas mehr als eine Minute bzw. 700 Meter (Bundesamt<br />

für Raumentwicklung ARE & Bundesamt für Statistik BFS, 2001).<br />

4.3.2 Unfallrelevanz<br />

Aufgrund der Tatsache, dass zweispurige MFZ im täglichen Verkehr viel<br />

häufiger vorkommen als einspurige MFZ, erstaunt es nicht, dass erstere<br />

mit rund 85 % den weitaus grössten Anteil der Kollisionsobjekte von<br />

Fussgängern darstellen. Demgegenüber machen einspurige MFZ nur 7 %<br />

aller Kollisionsobjekte aus. Inwiefern die ungleiche Unfallbeteiligung nicht<br />

bloss Ausdruck der ungleichen Exposition (km-Leistung) ist, sondern auch<br />

durch fahrzeugspezifische Eigenschaften zustande kommt, kann auf der<br />

Basis der zur Verfügung stehenden Daten nicht gesagt werden22 . Es<br />

kann aber vermutet werden, dass insbesondere zwei Aspekte der Einspurigkeit<br />

das Risiko einer Fussgängerkollision reduzieren:<br />

• Fahrzeugausdehnung: Einspurige Fahrzeuge haben im beschränkten<br />

Verkehrsraum infolge ihrer schmalen Form grössere Ausweichmöglichkeiten<br />

als zweispurige. Ausserdem ist schon rein aufgrund der kleineren<br />

Frontfläche die Wahrscheinlichkeit niedriger, dass ein auf Kollisionskurs<br />

befindliches Motorrad tatsächlich mit dem Fussgänger kollidiert.<br />

22 Hierzu müsste die jährliche km-Leistung von ein- und zweispurigen MFZ im<br />

Inner- und Ausserortsbereich bekannt sein, um sie den entsprechenden<br />

Fussgängerkollisionen gegenüberstellen zu können. Aber selbst die dadurch<br />

erhaltenen, expositionsbereinigten Unfallzahlen gäben noch keine Auskunft<br />

über das Risiko, welches mit den Fahrzeugen an und für sich verbunden ist.<br />

Die Unfallraten werden nämlich nicht nur durch die Fahrzeugeigenschaften,<br />

sondern auch durch die Eigenschaften der Lenkenden bestimmt. So muss<br />

angenommen werden, dass Motorradlenkende im Durchschnitt einen<br />

risikoreicheren Fahrstil haben, da fast nur Männer Motorrad fahren, der Anteil<br />

der jungen Lenkenden höher ist und oftmals aus reiner Freude Motorrad<br />

gefahren wird (inkl. Nervenkitzel).


Risikofaktoren – Kollisionsobjekte 185<br />

Masse von MFZ<br />

variiert beträchtlich<br />

Bremsweg schwerer<br />

MFZ ist nicht zwangsläufig<br />

länger<br />

• Wendigkeit: Einspurige Fahrzeuge sind (zumindest bei den relativ niedrigen<br />

Fahrgeschwindigkeiten im Innerortsbereich) agiler und können in kritischen<br />

Verkehrssituationen besser und schneller ausweichen als zweispurige<br />

Fahrzeuge.<br />

Da zweispurige MFZ den Hauptkollisionsgegner darstellen, beziehen sich die<br />

nachfolgenden Ausführungen schwerpunktmässig auf zweispurige MFZ.<br />

4.4 Masse<br />

4.4.1 Ausgangslage<br />

Die Masse von Motorfahrzeugen variiert beträchtlich: Während ein kleinerer<br />

PW unter 1 Tonne wiegt, kann ein Sattelschlepper gemäss nationaler<br />

Limite bis zu 40 Tonnen wiegen. Aber auch innerhalb der Kategorie ‚PW’<br />

existieren beträchtliche Unterschiede. Gerade bezüglich den in Mode gekommenen<br />

Sport Utility Vehicle23 (SUV), die deutlich schwerer sind als<br />

konventionell gebaute PW, gewinnt die Frage des Fahrzeuggewichts an<br />

Brisanz. Im Alltagsempfinden werden schwere und grosse Fahrzeuge wesentlich<br />

gefährlicher eingeschätzt als leichtere. Nachfolgend wird geklärt,<br />

inwieweit die Masse im Rahmen von Kollisionen mit Fussgängern von<br />

Bedeutung ist.<br />

4.4.2 Unfallrelevanz<br />

Um die Bedeutung der Masse zu beurteilen, müssen zwei Aspekte betrachtet<br />

werden: Bremsvorgang und Impulsübertragung. Konkret stellt<br />

sich die Frage, ob massereiche MFZ einen längeren Bremsweg haben<br />

und ob bei einem Zusammenprall auf den Fussgänger mehr Energie<br />

übertragen wird.<br />

Bremsweg: Die kinetische Energie eines MFZ hängt neben dessen Fahrgeschwindigkeit<br />

auch von der Masse ab. Das führt dazu, dass bei einer<br />

gegebenen Ausgangsgeschwindigkeit ein massereiches Fahrzeug beim<br />

Bremsvorgang viel mehr Energie abbauen muss. Deshalb sind schwerere<br />

23 SUV (Sport Utility Vehicle) können als Mischform von PW und Geländewagen<br />

bezeichnet werden. Im Gegensatz zu den Geländewagen sind SUV primär für<br />

die normale Strasse konzipiert.


186 Risikofaktoren – Kollisionsobjekte<br />

Die Masse liefert<br />

keine Erklärung für<br />

die Verletzungsschwere<br />

Unterschiedliche<br />

Fronten bei PW und<br />

STFZ<br />

MFZ in der Regel mit stärkeren Bremsen ausgestattet. Weil heute der<br />

Aufbau einer sehr hohen Bremskraft nicht mehr kritisch ist, ist der Bremsweg<br />

von schweren Fahrzeugen nicht zwangsläufig länger als von leichten.<br />

Der Bremsweg heutiger MFZ hängt weniger von ihrer Masse als vielmehr<br />

von der Qualität und Grösse der Bremsanlage ab.<br />

Impulsübertragung: Zwar bringen Sachentransportfahrzeuge (STFZ)<br />

infolge ihrer grösseren Masse im Vergleich zu normalen PW (bei einer<br />

gegebenen Kollisionsgeschwindigkeit) eine grössere Energie mit sich,<br />

dennoch ist nicht dieser Umstand für die schwereren Verletzungen verantwortlich.<br />

Der Grund, dass die MFZ-Masse keine hohe Unfallrelevanz<br />

hat, liegt darin, dass alle MFZ – und zwar sowohl STFZ als auch PW – um<br />

ein Vielfaches schwerer sind als ein Fussgänger. Bei einem derart erheblichen<br />

Ungleichgewicht ist es praktisch nicht mehr von Bedeutung, ob das<br />

Massenverhältnis nun bei beispielsweise 1:20 (Fussgänger : PW) bzw.<br />

1:200 (Fussgänger : STFZ) liegt. Das erhebliche Ungleichgewicht hat<br />

nämlich zur Folge, dass das MFZ durch die Fussgängerkollision kaum<br />

abgebremst wird und somit seine Kollisionsgeschwindigkeit mehr oder<br />

weniger vollständig auf den Fussgänger überträgt. Somit kann festgehalten<br />

werden, dass die in vielen Untersuchungen (vgl. z. B. Lefler & Hampton,<br />

2004) bestätigte grössere Verletzungsgefahr, die von grossen, schweren<br />

Fahrzeugen im Vergleich zu normalen PW ausgeht, primär nicht auf die<br />

grössere Masse zurückzuführen ist, sondern auf weitere Faktoren, die mit<br />

solchen Fahrzeugen einhergehen (insbesondere strukturgeometrische Eigenschaften<br />

der Front).<br />

4.5 Frontprofil<br />

4.5.1 Ausgangslage<br />

Die grössten Unterschiede in der Frontform bestehen zwischen PW und<br />

STFZ. Während STFZ in aller Regel eine hohe und gleichzeitig steile oder<br />

gar senkrecht gestaltete Front aufweisen, haben PW eine lange, flache<br />

Motorhaube. Unterschiede bestehen jedoch auch zwischen PW und Vans<br />

mit ihren keilförmige Fronten. In den letzten Jahren hat sich das Frontprofil<br />

vieler PW verändert: Vornehmlich durch die Optimierung der Aerodynamik<br />

bedingt, wurde die Haubenvorderkante abgeflacht und abgerun-


Risikofaktoren – Kollisionsobjekte 187<br />

Hohe und steile Front<br />

erhöht Verletzungsgefahr <br />

Sterbewahrscheinlichkeit<br />

bei STFZ,<br />

Vans und SUV<br />

doppelt so hoch<br />

Kollisionsablauf ist<br />

abhängig von<br />

Frontstruktur und<br />

Körpergrösse<br />

det (Glaeser, 1996). Ein gegenläufiger Trend zeigt sich bei den gegenwärtig<br />

beliebten SUV (Sport Utility Vehicles), deren Fronten üblicherweise<br />

hochgezogen und steil sind.<br />

4.5.2 Unfallrelevanz<br />

Eine hohe und senkrechte Frontgeometrie, wie sie insbesondere bei<br />

STFZ vorliegt, geht im Falle einer Fussgängerkollision mit einer hohen<br />

Wahrscheinlichkeit eines direkten starken Kopfkontaktes mit der Fahrzeugfront<br />

einher. Beim Zusammenstoss wird der Kopf innerhalb von 1 bis<br />

2 Zehntelssekunden auf die Geschwindigkeit des Fahrzeugs beschleunigt,<br />

was zu enormen Belastungen führt. Im Gegensatz dazu werden angefahrene<br />

Fussgänger bei flachhaubigen PW (Pontonform) auf die Motorhaube<br />

geschleudert, wo ein gewisses Abrollen des Körpers möglich ist.<br />

Neben dem Problem des direkten primären Kopfkontakts haben hohe und<br />

gleichzeitig senkrechte bzw. keilförmige Fronten eine weitere verletzungswirksame<br />

Eigenschaft. Angefahrene Fussgänger werden nach dem<br />

Zusammenstoss vom Fahrzeug weggeschleudert, so dass die Gefahr<br />

eines starken sekundären Aufpralls auf dem Strassenboden erhöht ist<br />

(Sekundärkollision). Es besteht dabei auch die Gefahr, dass der Fussgänger<br />

überrollt wird.<br />

In einer gross angelegten, amerikanischen Studie von 5- bis 19-jährigen<br />

Fussgängern konnte unter Berücksichtigung von relevanten Störvariablen<br />

(Alter und Geschlecht des Lenkers, Fahrzeuggewicht und Strassenverhältnis)<br />

nachgewiesen werden, dass die Sterbewahrscheinlichkeit bei<br />

Kollisionen mit STFZ, Vans oder SUV 2.3-mal höher ist als bei Kollisionen<br />

mit PW (DiMaggio, Durkin & Richardson, 2006).<br />

In aller Regel kann bis etwa 40 km/h und üblicher PW-Front gegen einen<br />

erwachsenen Fussgänger der folgende Ablauf angenommen werden<br />

(Walz, Frei & Niederer, 1998): a) Unterschenkel gegen Stossstange, b)<br />

oberer Teil des Oberschenkels gegen vordere Haubenkante, c) Becken<br />

gegen vorderen Teil der Haube, d) Brust bzw. Ellbogen/Oberarm gegen<br />

Haubenmitte, e) Kopf gegen hinteren Teil der Haube, gegen die Frontscheibe<br />

oder die A-Säule. Bei Kindern im Alter von 5 – 9 Jahren wird der


188 Risikofaktoren – Kollisionsobjekte<br />

Tabelle 61:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚formaggressive<br />

Frontpartien’<br />

MFZ weisen oftmals<br />

harte Fronten auf<br />

Oberschenkel/Beckenbereich von der Stossstange erfasst, das Abdomen<br />

(Bauch/Unterleib) und der Thorax (Brustkorb) vom Frontbereich unterhalb<br />

der Haubenkante; der Kopfaufprall findet im vorderen Haubenbereich<br />

statt. Bei Kindern kommt es infolge ihres tiefer liegenden Schwerpunkts,<br />

der in der Regel unterhalb des Kontaktpunkts mit den Frontstrukturen<br />

liegt, häufiger zu Überfahrungen.<br />

Bei Geländewagen herrschen wieder andere Verhältnisse; es kommt<br />

auch bei Erwachsenen zum Thoraxanprall gegen die senkrechten Fronten<br />

(Walz, Frei & Niederer, 1998).<br />

4.5.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Formaggressive<br />

Frontpartien<br />

• sehr gering / ***** sehr gross<br />

4.6 Frontsteifigkeit<br />

4.6.1 Ausgangslage<br />

*** ***** *** ( * )<br />

Während die Frontform die äussere Gestalt beschreibt, bezieht sich der<br />

Begriff Frontsteifigkeit auf die strukturbedingten Eigenschaften der Front,<br />

namentlich der Stossstange, der Motorhaube und der darunter liegenden<br />

Aggregate.<br />

Grössere/schwerere Fahrzeuge weisen oftmals nicht nur, wie oben dargestellt,<br />

ungünstigere Formen auf, sondern sind gleichzeitig sehr steif<br />

aufgebaut. Dass die Frontaufbauten zwischen unterschiedlichen Fahrzeugkategorien<br />

wie STFZ und PW variieren, ist offensichtlich. Doch bedeutsame<br />

Unterschiede bestehen auch innerhalb der Kategorie der PW. In<br />

den letzten Jahren wurde der Frontsteifigkeit zunehmend mehr Beachtung<br />

geschenkt. Verschiedene PW-Hersteller haben Modelle herausgebracht,<br />

die verletzungsreduzierende Fronten aufweisen.<br />

Crashtests, wie beispielsweise der hierzulande üblicherweise angewandte


Risikofaktoren – Kollisionsobjekte 189<br />

Aggregate unter der<br />

Motorhaube<br />

problematisch<br />

Bei höheren<br />

Geschwindigkeiten<br />

prallt Kopf auf<br />

Windschutzscheibe<br />

Tabelle 62:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors ‚steife<br />

Frontpartien’<br />

Euro NCAP24 , bewerten bereits seit einigen Jahren nicht nur mehr den Insassenschutz,<br />

sondern auch den äusseren Schutz für Fussgänger (Euro<br />

NCAP, 2005). Die Ergebnisse solcher Crashtests sehen jedoch auch bei<br />

neuen Modellen mit einigen wenigen Ausnahmen unbefriedigend aus.<br />

4.6.2 Unfallrelevanz<br />

Da harte Frontstrukturen keine Energie absorbieren, gehen diese für die<br />

angefahrenen Fussgänger mit bedeutend höheren Körperbelastungen<br />

einher. Eine besondere Gefahr geht von den Aggregaten unter der Motorhaube<br />

aus. Diese liegen infolge der knapp bemessenen Platzverhältnisse<br />

im Motorraum oftmals unmittelbar unter der Haube. Im Falle eines<br />

Kopfaufpralls kann es aufgrund der Härte dieser Fahrzeugteile zu Frakturarten<br />

der Schädelkalotte, des Gesichtsschädels oder der Schädelbasis<br />

kommen (Glaeser, 1996). Auch äussere harte Fahrzeugteile, wie beispielsweise<br />

die Scheibenwischerachse, können Verletzungen (Impressionsfrakturen)<br />

verursachen.<br />

Neben der eigentlichen Front des Fahrzeugs bilden insbesondere bei höheren<br />

Kollisionsgeschwindigkeiten auch die Windschutzscheibe und ihre<br />

Umrahmung eine grosse Gefahr für Kopfverletzungen. Seitens der Fahrzeughersteller<br />

sind diesbezüglich noch keine Präventionsmöglichkeiten<br />

realisiert worden. Auch der Euro NCAP klammert den Bereich der Frontscheibe<br />

(noch) aus.<br />

4.6.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Steifigkeitsaggressive<br />

Frontpartien<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

***** **** *****<br />

24 Euro NCAP (European New Cars Assessment Programme) steht für ein<br />

Crashtest-Projekt, das von der Europäischen Kommission, von den Europa-<br />

Regierungen, Verbraucherschutzverbänden und Automobilclubs unterstützt<br />

wird. Das Verfahren zum Test des Fussgängerschutzes sieht folgendermassen<br />

aus: Es wird ein frontaler und ein seitlicher 40 km/h schneller Aufprall eines<br />

Kindes und eines Erwachsenen mit der Fahrzeugfront und der Motorhaube<br />

simuliert. Die Aufprallzonen werden je nach Körperbelastung auf einer<br />

dreistufigen Ratingskala (gut, durchschnittlich, schlecht) bewertet.


190 Risikofaktoren – Kollisionsobjekte<br />

Frontschutzbügel<br />

meist als Designelement<br />

verwendet<br />

Frontschutzbügel<br />

massiver Konstruktion<br />

bergen Zusatzgefährdung<br />

Tabelle 63:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚Frontschutzbügel<br />

massiver Bauart’<br />

4.7 Frontschutzbügel<br />

4.7.1 Ausgangslage<br />

Frontschutzbügel, welche auch als Kuhfänger bezeichnet werden, sind<br />

vorwiegend an Geländefahrzeugen montiert. Hierzulande geschieht das<br />

fast ausschliesslich aus ästhetischen Gründen. Die den Geländewagen<br />

ähnlichen SUV sind eher selten mit Frontschutzbügeln ausgestattet.<br />

4.7.2 Unfallrelevanz<br />

Eine deutsche Studie zum Frontschutzbügel kommt zum Schluss, dass<br />

die zu erwartenden Kopfbelastungen beim Unfall eines Kindes mit einem<br />

mit Frontschutzbügeln ausgestatteten Geländefahrzeug bei 20 km/h in<br />

etwa denen mit einem entsprechenden Fahrzeug ohne Bügel bei 30 km/h<br />

bzw. denen mit einem PW bei 40 km/h entsprechen (Zellmer & Schmid,<br />

1995). Hierzu muss präzisiert werden, dass bei den durchgeführten<br />

Crashversuchen Bügel massiver Bauart benutzt wurden. Bei Unfallforschern<br />

herrscht Einigkeit darüber, dass Frontschutzbügel massiver<br />

Konstruktion das Gefährdungspotenzial für die anderen Verkehrsteilnehmenden<br />

erhöhen. Ein moderner, sicherheitsoptimierter Frontschutzbügel<br />

mit weichen, nachgebenden Materialien und energieabsorbierenden<br />

Dämpfersystemen kann sich im Vergleich zu einer ungünstig gestalteten<br />

Geländewagenfront sogar verletzungsmindernd auswirken. Zu bedenken<br />

ist, dass trotz den positiv zu beurteilenden, energieabsorbierenden Eigenschaften<br />

eines solchen sicherheitsoptimierten Bügels die kinetische Energie<br />

nur an einigen wenigen Punkten auf den Körper des Kollisionsopfers<br />

übertragen wird, sodass dort erhöhte Belastungswerte entstehen.<br />

4.7.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Frontschutzbügel<br />

massiver Bauart<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

* *** *


Risikofaktoren – Kollisionsobjekte 191<br />

Beleuchtungsanlage<br />

von Motorfahrzeugen<br />

ist mit wenigen<br />

Ausnahmen nicht<br />

optimal<br />

Eingeschränkter und<br />

fester Lichtkegel<br />

erhöht Gefahr,<br />

Fussgänger zu<br />

übersehen<br />

Tabelle 64:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors ‚starre<br />

Lichtkegel’<br />

4.8 Beleuchtungsanlage<br />

4.8.1 Ausgangslage<br />

Die Beleuchtung muss den Spagat zwischen zwei gegenläufigen Anforderungen<br />

erfüllen. Zum einen soll der Verkehrsraum möglichst weiträumig<br />

und hell ausgeleuchtet werden, andererseits darf das Licht andere Verkehrsteilnehmende<br />

– insbesondere den entgegenkommenden Verkehr –<br />

nicht blenden. Der Kompromiss liegt in einem sowohl in Längsrichtung als<br />

auch seitlich eingeschränkten Beleuchtungsraum.<br />

4.8.2 Unfallrelevanz<br />

Der eingeschränkte und fixe Lichtkegel kann bei Kurvenfahrten und Abbiegemanövern<br />

dazu führen, dass ein Fussgänger ausserhalb des Lichts<br />

bleibt und somit für den MFZ-Lenkenden nicht erkennbar ist. Es ist selbstredend,<br />

dass Reflektoren den Fussgänger in solchen Situationen nicht<br />

schützen.<br />

Neuere Personenwagen insbesondere der oberen Preisklasse haben dieses<br />

Problem durch bewegliche Scheinwerfer gelöst, die sich in Abhängigkeit<br />

des Lenkradeinschlags oder der Blinkersetzung automatisch ausrichten.<br />

Die gegenwärtige Marktdurchdringung ist jedoch minimal. Um wie<br />

viel höher das Kollisionsrisiko von konventionell ausgestatteten Fahrzeugen<br />

im Vergleich zu den Fahrzeugen mit adaptivem Kurvenlicht ist, kann<br />

mangels entsprechender Studien nicht gesagt werden.<br />

4.8.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Starre/eingeschränkte<br />

Scheinwerferkegel<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

** ** **


192 Risikofaktoren – Kollisionsobjekte<br />

Sicherheitsgedanke<br />

spielt bei Farbwahl<br />

keine Rolle<br />

Silber-grau:<br />

beliebteste Farbe<br />

Dunkle Farben<br />

gefährlicher als helle<br />

4.9 Fahrzeugfarbe<br />

4.9.1 Ausgangslage<br />

Die Wahl der Autofarbe beruht neben der eigenen Farbvorliebe oftmals<br />

auch auf pragmatischen Überlegungen zum Wiederverkaufswert. Explizite<br />

Sicherheitsüberlegungen spielen eine kaum nennenswerte Rolle bei der<br />

Farbwahl.<br />

Während vor rund 20 Jahren noch auffallend kräftige und überwiegend<br />

klare Farben vorherrschten, ist das heutige Strassenbild von Fahrzeugen<br />

in gedeckten, eher dunkleren Farbtönen geprägt. Die gegenwärtig beliebteste<br />

Farbe ist grau/silber. Gemäss der Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes<br />

(KBA) in Deutschland waren 42 % der im Jahr 2002 neu zugelassenen<br />

PW grau/silber. Auch in der Schweiz lässt sich dieser Trend beobachten.<br />

4.9.2 Unfallrelevanz<br />

Neuseeländische und australische Forscher haben anhand einer Fall-<br />

Kontroll-Studie unter Berücksichtigung einer Vielzahl potenzieller Konfundierungen<br />

(Alter, Geschlecht, Bildung, Alkoholkonsum etc.) herausgefunden,<br />

dass silbrige Autos im Vergleich zu den am häufigsten vorkommenden<br />

weissen Autos ein ca. halb so grosses Risiko (OR = 0.4) haben, in<br />

einen folgenschweren Unfall verwickelt zu werden. Die unsichersten Farben<br />

bei Autos sind braun (OR = 2.1), gefolgt von schwarz (OR = 2.0) und<br />

grün (OR = 1.8). Gelbe, graue und blaue Fahrzeuge haben sich von weissen<br />

Fahrzeugen bezüglich der Unfallwahrscheinlichkeit nicht signifikant<br />

unterschieden (Furness, Connor, Robinson, Norton, Ameratunga & Jackson,<br />

2003). Ebenfalls auf der Basis einer Fall-Kontroll-Studie kommen<br />

spanische Forscher zum Schluss, dass helle Farben wie weiss und gelb<br />

mit dem geringsten Unfallrisiko einhergehen, wobei sich der stärkste Effekt<br />

während des Tages bei bedecktem Himmel zeigt (OR = 0.91) (Lardelli-Claret<br />

et al., 2002). Auch Shuman (1991) attribuiert leuchtenden<br />

Farben wie z. B. orange, gelb oder hellgrün einen Sicherheitsvorteil.


Risikofaktoren – Kollisionsobjekte 193<br />

Tabelle 65:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors ‚dunkle<br />

Fahrzeugfarben’<br />

Nicht alle<br />

Motorfahrzeuge sind<br />

mängelfrei<br />

Die gesichteten Forschungen weisen in die Richtung, dass dunkle Farben<br />

die Unfallwahrscheinlichkeit erhöhen. Es kann davon ausgegangen werden,<br />

dass durch den zunehmend grösseren Anteil von Fahrzeugen, die<br />

bei Tag mit Licht fahren, die Frage der Farbe an Bedeutung verliert.<br />

4.9.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Dunkle Fahrzeugfarben ** ( * ) * *<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

4.10 Technischer Qualitätszustand<br />

4.10.1 Ausgangslage<br />

Im Rahmen einer technischen Überprüfung von Motorfahrzeugen auf<br />

freiwilliger Basis, die vom TCS analog der amtlichen Nachprüfungen<br />

durchgeführt wurde, haben Experten alle sicherheitsrelevanten Teile begutachtet.<br />

Dabei zeigte sich folgendes Resultat: Ohne Mängel waren<br />

36,5 %, geringe Mängel wiesen 35,3 % auf, erhebliche Mängel 19,1 % und<br />

verkehrsunsicher waren 9,1 % aller kontrollierten Fahrzeuge (Touring Club<br />

Schweiz TCS, 1999).<br />

Die Befunde zeigen, dass auf Schweizer Strassen durchaus Fahrzeuge<br />

mit Sicherheitsmängeln unterwegs sind. Weitergehende Interpretationen –<br />

insbesondere über die Mängelhäufigkeit – sind nicht zulässig, da die Datenbasis<br />

keineswegs repräsentativ für den gesamten Fahrzeugpark ist. 25<br />

Im Rahmen der amtlichen Fahrzeugprüfungen werden rund 20 % der getesteten<br />

Motorfahrzeuge beanstandet – teilweise jedoch aus nicht sicherheitsrelevanten<br />

Gründen (wie abgastechnische Aspekte; Motorfahrzeug-<br />

Prüfstation beider Basel MFP, 2001). Welcher Anteil der Beanstandungen<br />

auf sicherheitsrelevante Mängel zurückgeht, kann nicht genau gesagt<br />

25 Das hängt damit zusammen, dass die Kontrollen auf freiwilliger Basis<br />

stattgefunden haben, sodass vermutet werden muss, dass insbesondere<br />

Lenkende, die Zweifel am technischen Zustand ihres Fahrzeuges hatten, die<br />

Gelegenheit zur Kontrolle nutzten. Somit wird die Häufigkeit von technischen<br />

Mängeln überschätzt.


194 Risikofaktoren – Kollisionsobjekte<br />

Technische Mängel<br />

von Motorfahrzeugen<br />

sind kaum unfallrelevant<br />

Tabelle 66:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚mangelhafte<br />

Betriebssicherheit von<br />

MFZ’<br />

Steifigkeits- und<br />

Formaggressivität der<br />

Fronten stellen<br />

Hauptproblem dar<br />

werden; er dürfte schätzungsweise in der Grössenordnung von 10 % liegen<br />

(MFZ-Prüfstation beider Basel, persönliche Mitteilung, 2006).<br />

4.10.2 Unfallrelevanz<br />

Die Bedeutung technischer Mängel als Unfallursache zu eruieren, ist auf<br />

der Basis der amtlichen Unfalldaten nur bedingt möglich. Zwar erfasst die<br />

Polizei am Unfallort mögliche Unfallursachen und hat dabei auch die<br />

Möglichkeit, technische Fahrzeugmängel anzugeben, dennoch müssen<br />

diese Aussagen vorsichtig interpretiert werden. Einerseits ist es nicht immer<br />

möglich, technische Defekte bei der Unfallaufnahme zu erkennen,<br />

andererseits werden von verunfallten Fahrzeuglenkenden nicht selten<br />

technische Mängel als Unfallgrund angegeben, um vom eigenen Fehlverhalten<br />

abzulenken. Von der Polizei angeordnete Fahrzeuguntersuchungen,<br />

die Aufschluss darüber geben sollen, ob tatsächlich ein technischer<br />

Defekt am Fahrzeug den jeweiligen Unfall verursacht hat, können in den<br />

allermeisten Fällen keine unfallursächlichen Mängel feststellen (vgl. z. B.<br />

Motorfahrzeug-Prüfstation beider Basel MFP, 2001). Somit können technische<br />

MFZ-Mängel als Unfallursache von Kollisionen mit Fussgängern<br />

vernachlässigt werden.<br />

4.10.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Technische MFZ-<br />

Mängel<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

4.11 Zusammenfassung und Fazit<br />

* ** *<br />

Zweispurige Motorfahrzeuge stellen das häufigste und zugleich gefährlichste<br />

Kollisionsobjekt von Fussgängern dar. Risikoerhöhende Merkmale<br />

beziehen sich insbesondere auf die strukturgeometrischen Fronteigenschaften.<br />

Eine hohe und steile Front birgt die Gefahr eines starken primären<br />

(Kopf-)Aufpralls und eines anschliessenden Wegschleuderns, der mit


Risikofaktoren – Kollisionsobjekte 195<br />

Einspurfahrzeuge<br />

(insbesondere<br />

Fahrräder) stellen<br />

geringere Gefahr dar<br />

einem sekundären Aufprall auf die Strassenoberfläche endet. Die hohe<br />

Festigkeit heutiger Fronten birgt ebenfalls ein hohes Gefahrenpotenzial.<br />

Erst einige wenige PW-Modelle weisen sicherheitsoptimierte Fronten auf,<br />

die einen gewissen Partnerschutz für Fussgänger aufweisen. Weitere<br />

Risikofaktoren, die jedoch zur Erklärung des <strong>Unfallgeschehen</strong>s der Fussgänger<br />

von geringerer Bedeutung sind, stellen Frontschutzbügel massiver<br />

Bauart, dunkle Fahrzeugfarbe sowie starre Lichtkegel der konventionellen<br />

Scheinwerfer dar. Technische MFZ-Mängel kommen zwar durchaus vor,<br />

sind jedoch höchst selten Ursache einer Kollision mit einem Fussgänger.<br />

Einspurige Motorfahrzeuge und insbesondere auch Fahrräder haben im<br />

Vergleich zu den Zweispurfahrzeugen eine geringere Relevanz für das<br />

Fussgängerunfallgeschehen. Das hängt einerseits mit ihren niedrigeren<br />

Fahrleistungen und andererseits mit einigen risikoreduzierenden Merkmalen<br />

zusammen (geringere Ausdehnung, höhere Wendigkeit, geringes<br />

Gewicht).<br />

Fazit: Beim PW als Hauptkollisionsgegner muss der Partnerschutz für die<br />

schwachen Verkehrsteilnehmenden v. a. durch Optimierung der Front<br />

(Form und Festigkeit) erhöht werden.


196 Risikofaktoren – Von der Strasseninfrastruktur ausgehende Risikofaktoren<br />

Zu Fuss – im<br />

Fahrzeug:<br />

verschiedene<br />

Bedürfnisse –<br />

verschiedene<br />

Verkehrsflächen<br />

Anforderungen an<br />

das <strong>Fussverkehr</strong>snetz<br />

5. Von der Strasseninfrastruktur ausgehende<br />

Risikofaktoren<br />

5.1 Einleitung: Netzgedanken<br />

Personen, die zu Fuss unterwegs sind, unterscheiden sich in ihren Bedürfnissen<br />

und Geschwindigkeiten erheblich von Personen, die sich mit<br />

Fahrzeugen des motorisierten Individualverkehrs fortbewegen.<br />

Entsprechend bewegen sich diese beiden Verkehrsteilnehmer in der Regel<br />

auf verschiedenen beziehungsweise verschiedenartig ausgestatteten<br />

Verkehrsflächen. Eine gemeinsame Eigenschaft dieser Verkehrsflächen<br />

ist, dass beide ein Netz bilden.<br />

Das Verkehrsnetz des motorisierten Individualverkehrs besteht aus linienförmigen<br />

Verkehrsflächen, den vorwiegend öffentlichen Strassen, an<br />

die der motorisierte Individualverkehr zwangsläufig gebunden ist.<br />

Hingegen besteht das Verkehrsnetz des <strong>Fussverkehr</strong>s nicht durchwegs<br />

aus linienförmigen Verkehrsflächen wie z. B. Trottoirs oder Fusswege.<br />

Bedingt durch die unterschiedlichen Bedürfnisse und durch die unabhängigere<br />

Bewegungsweise (zu Fuss ist man nicht immer an Wege gebunden),<br />

ergeben sich nicht selten so genannte flächige Verkehrsbeziehungen<br />

wie z. B. Plätze oder Fussgängerzonen. Zudem sind die <strong>Fussverkehr</strong>snetze<br />

bedeutend engmaschiger als Netze für den motorisierten Individualverkehr.<br />

Genau genommen ist jeder zu Fuss zurückgelegte Weg<br />

Teil des <strong>Fussverkehr</strong>netzes. Den einzelnen Personen ist zwar oft nicht<br />

bewusst, dass sie als Fussgänger zum Verkehrsteilnehmer werden, sobald<br />

sie ein Gebäude verlassen oder aus einem Fahrzeug steigen. Umso<br />

mehr ist diese Tatsache für eine umfassende <strong>Fussverkehr</strong>s-Planung relevant.<br />

Basierend auf bestehenden und erwünschten <strong>Fussverkehr</strong>s-Beziehungen<br />

ist mittels adäquater verkehrstechnischer Infrastrukturelemente<br />

für den <strong>Fussverkehr</strong> ein sicheres, kohärentes, direktes und komfortables<br />

Netz (Schweizer Norm SN 640 240; Southworth, 2005) zu planen, zu<br />

projektieren und schliesslich zu realisieren.


Risikofaktoren – Von der Strasseninfrastruktur ausgehende Risikofaktoren 197<br />

Gliederung des<br />

<strong>Fussverkehr</strong>netzes<br />

Überlagerung der<br />

beiden Verkehrsnetze<br />

Massgebende<br />

Unfalltypen<br />

Dabei kann die Lage der einzelnen <strong>Fussverkehr</strong>snetz-Abschnitte bezüglich<br />

des Netzes für den motorisierten Individualverkehr wie folgt systematisch<br />

gegliedert werden:<br />

• Querungen<br />

Örtlichkeiten, wo sich der <strong>Fussverkehr</strong> und der motorisierte Individualverkehr<br />

queren.<br />

• Abschnitte entlang von Strassen<br />

Bereiche, in denen der <strong>Fussverkehr</strong> und der motorisierte Individualverkehr<br />

im selben Strassenraum parallel geführt werden. Das kann<br />

beispielsweise auf Trottoirs, auf Längsstreifen für Fussgänger oder auf<br />

einer gemeinsamen Fläche erfolgen.<br />

• Vom motorisierten Individualverkehr vollständig separierte Abschnitte<br />

Wege, auf denen der <strong>Fussverkehr</strong> vollständig getrennt vom motorisierten<br />

Individualverkehr geführt wird. Das ist beispielsweise in Parks<br />

oder in Fussgänger-Passagen der Fall.<br />

• Umsteigepunkte<br />

End- oder Startpunkte von Fahrten mit dem öffentlichen Verkehr, wie<br />

z. B. Bus- oder Tramhaltestellen, Bahnhöfe u. ä.<br />

Die Überlagerung des Netzes für den motorisierten Individualverkehr und<br />

des <strong>Fussverkehr</strong>s-Netzes zeigt konkret jene Stellen auf, wo Konfliktstellen<br />

und folglich Risiken vorhanden sind. Es sind das naturgemäss diejenigen<br />

Örtlichkeiten, wo sich die beiden Netze berühren, also die Querungen und<br />

die Abschnitte entlang von Strassen.<br />

Die Auswertung der polizeilich registrierten Unfälle zeigt, dass – im<br />

Durchschnitt über die vergangenen fünf Jahre – die weitaus meisten<br />

Fussgänger beim Überqueren der Strasse innerorts verunfallen (Tabelle<br />

67). Das <strong>Unfallgeschehen</strong> an Umsteigepunkten lässt sich nicht zuverlässig<br />

berechnen. Verschiedene Hinweise lassen jedoch den Schluss zu,<br />

dass es geringfügig ist. In der gesichteten Literatur wird es nicht als<br />

Schwerpunktthema behandelt. Die Unfallstatistik des Bundesamtes für<br />

Statistik zeigt, dass in den Jahren 2000–2004 durchschnittlich rund 30<br />

Fussgänger im Bereich von Haltestellen schwer verletzt oder getötet<br />

wurden. Doch ist aus diesen Daten nicht ersichtlich, ob diese Unfälle in<br />

einem kausalen Zusammenhang mit den Haltestellen selbst waren.


198 Risikofaktoren – Von der Strasseninfrastruktur ausgehende Risikofaktoren<br />

Tabelle 67:<br />

Getötete und<br />

Schwerverletzte nach<br />

Ortslage und<br />

Unfalltyp, Ø 2000-<br />

2004<br />

Schwerpunkt<br />

Querungen<br />

Anforderungen an<br />

das <strong>Fussverkehr</strong>snetz<br />

<strong>Fussverkehr</strong>snetz:<br />

Planungsschritte<br />

Kollision mit querendem FG<br />

Fussgänger-Unfall in Längsrichtung<br />

Anderer Unfall mit Fussgänger-<br />

Beteiligung *<br />

Quelle: BFS (2005a), Auswertungen bfu<br />

Getötete und<br />

Schwerverletzte<br />

innerorts 617<br />

ausserorts 41<br />

innerorts 40<br />

ausserorts 19<br />

innerorts 174<br />

ausserorts 22<br />

* Anmerkung. Der Unfalltyp „Anderer Unfall mit Fussgänger-Beteiligung“ entspricht dem<br />

Unfalltyp gemäss Unfallerhebungsbogen des Bundesamtes für Statistik. Eine vertiefte Analyse<br />

bezüglich Unfalltyp ist nicht möglich.<br />

Aus diesem Grund wird primär auf den Risikofaktor Querungen innerorts<br />

eingegangen und der Risikofaktor Abschnitte entlang von Strassen nur<br />

kurz gestreift. Vorgängig wird aber noch ein ganz allgemeiner Risikofaktor<br />

thematisiert, nämlich die fehlende Netzplanung.<br />

5.2 Risikofaktor: Fehlende Netzplanung<br />

5.2.1 Ausgangslage und Verbreitung<br />

In Erwartung der Fertigstellung einer Grundlagennorm für den <strong>Fussverkehr</strong>,<br />

sind die Anforderungen an das <strong>Fussverkehr</strong>snetz vorläufig in der<br />

Schweizer Norm SN 640 240 „Querungen für den Fussgänger- und<br />

leichten Zweiradverkehr – Grundlagen“ festgehalten. Insbesondere wird<br />

darin gefordert, dass ein attraktives <strong>Fussverkehr</strong>snetz sicher, kohärent,<br />

direkt und komfortabel sein muss. Dabei sind die Ansprüche von Behinderten<br />

zu integrieren.<br />

Um diese Anforderungen zu erfüllen, sind die folgenden, grundlegenden<br />

Arbeitsschritte nötig:<br />

1. Eine lückenlose Analyse der <strong>Fussverkehr</strong>sbeziehungen. Darauf basierend<br />

eine umfassende Planung, Projektierung und Realisierung von<br />

geeigneten verkehrstechnischen Basiselementen zur Abwicklung des<br />

<strong>Fussverkehr</strong>s.


Risikofaktoren – Von der Strasseninfrastruktur ausgehende Risikofaktoren 199<br />

Fehlende Elemente:<br />

Unterbrochene<br />

Beziehung oder<br />

erhöhte Gefahr<br />

Inadäquate Elemente:<br />

Falsche Sicherheit<br />

oder Fehlverhalten<br />

Planung des<br />

<strong>Fussverkehr</strong>snetzes<br />

fehlt oft<br />

2. Schliesslich die Planung, Projektierung und Realisierung von adäquaten<br />

verkehrstechnischen Elementen zur Gewährleistung der Sicherheit<br />

des <strong>Fussverkehr</strong>s.<br />

Das Auslassen von Planungsschritt 1 führt zu einem unvollständigen<br />

<strong>Fussverkehr</strong>snetz. Das wirkt sich in zweierlei Hinsicht negativ auf den<br />

<strong>Fussverkehr</strong> aus:<br />

a) Die Beziehung kann physisch nicht begangen werden (z. B. fehlende<br />

Fussgängerbrücke über eine Autobahn)<br />

b) Die Beziehung wird trotzdem, aber unter erhöhten Risiken begangen<br />

(z. B. fehlendes Trottoir entlang einer stark befahrenen Hauptverkehrsstrasse).<br />

Das Auslassen von Planungsschritt 2 führt zu inadäquaten, d. h. fehlerhaft<br />

ausgeführten oder falsch angewendeten verkehrstechnischen Elementen.<br />

Das hat ebenfalls in zweierlei Hinsicht sicherheitstechnische Einbussen<br />

zur Folge:<br />

c) Inadäquate Elemente werden in der Regel vom Verkehrsteilnehmer<br />

nicht als solche erkannt und suggerieren eine nicht vorhandene, also<br />

falsche Sicherheit. Dadurch bewirken sie, dass die Aufmerksamkeit<br />

der Verkehrsteilnehmer unbewusst reduziert wird, was mit einer erhöhten<br />

Gefährdung einhergeht.<br />

d) Inadäquate Elemente können Lenkende des motorisierten Individualverkehrs<br />

und/oder Fussgänger zu einem der Situation unangepassten<br />

und somit gefährlichen Verhalten verleiten.<br />

Die Erfahrung im Kontakt mit den zuständigen Behörden in Gemeinden<br />

und Kantonen zeigt, dass eine Netzplanung für den <strong>Fussverkehr</strong> grösstenteils<br />

fehlt. Eine genaue Quantifizierung der Verbreitung dieses Mangels<br />

wäre nur mit unverhältnismässig hohem Aufwand möglich. Die vorhandenen<br />

Kenntnisse lassen jedoch eine genügend genaue Schätzung<br />

zu.


200 Risikofaktoren – Von der Strasseninfrastruktur ausgehende Risikofaktoren<br />

Fehlende<br />

<strong>Fussverkehr</strong>snetz-<br />

Planung als Quelle für<br />

Risikofaktoren<br />

Tabelle 68:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

‚Fehlende<br />

Netzplanung’<br />

Definition von<br />

Querungen<br />

Überqueren als<br />

komplexer Vorgang<br />

5.2.2 Gefahrenpotenzial und Unfallrelevanz:<br />

Die Auswirkung fehlender Netzplanung auf das <strong>Unfallgeschehen</strong> mit Fussgängern<br />

kann nicht quantifiziert werden. Es ist jedoch davon auszugehen,<br />

dass fehlende Basiselemente zur Abwicklung des <strong>Fussverkehr</strong>s und/oder<br />

inadäquate Elemente zur Gewährleistung der Sicherheit des <strong>Fussverkehr</strong>s<br />

massgebend auf diesen Mangel zurückzuführen sind. Demgegenüber<br />

muss jedoch festgehalten werden, dass selbst eine umfassende und<br />

einwandfreie Netzplanung nicht garantieren kann, dass ausnahmslos<br />

adäquate verkehrstechnische Elemente realisiert werden. Eine korrekte<br />

Netzplanung ist also eine notwendige, aber nicht eine hinreichende Voraussetzung<br />

für die Realisierung eines <strong>Fussverkehr</strong>netzes, das den Anforderungen<br />

entspricht.<br />

5.2.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Fehlende Netzplanung ***** *** ****<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

5.3 Defizitäre Infrastruktur für den querenden <strong>Fussverkehr</strong> innerorts<br />

5.3.1 Ausgangslage und Verbreitung<br />

Risiken für den <strong>Fussverkehr</strong> bestehen im Bereich von Konfliktstellen, d. h.<br />

dort, wo sich die Netze des <strong>Fussverkehr</strong>s und des motorisierten Individualverkehrs<br />

berühren (s. Kap. VII.5.1 Einleitung: Netzgedanken, S. 196).<br />

Dabei stellen Querungen eine der möglichen Formen dar. Die Schweizer<br />

Norm SN 640 240 definiert Querungen als Verkehrsanlagen, bei denen<br />

sich die Wege des Fussgänger- und leichten Zweiradverkehrs mit denjenigen<br />

anderer Verkehrsarten kreuzen.<br />

Das Überqueren einer Verkehrsfläche des motorisierten Individualverkehrs<br />

zu Fuss ist per se ein sehr komplexer Vorgang. Es gilt, innerhalb<br />

der Verkehrsströme die Zeitlücken einzuschätzen, die ein Überqueren der<br />

Fahrbahn ermöglichen. Dabei müssen Länge, Distanz und Geschwindigkeit<br />

dieser Zeitlücken gleichzeitig auf mindestens zwei Spuren beurteilt


Risikofaktoren – Von der Strasseninfrastruktur ausgehende Risikofaktoren 201<br />

Erschwerende<br />

Faktoren<br />

Beispiel 1:<br />

Überqueren von mehr<br />

als zwei Spuren<br />

Beispiel 2:<br />

Überqueren bei zu<br />

geringer Sicht nach<br />

links<br />

werden. Zudem vergrössern sich die Komplexität und folglich das Risiko,<br />

wenn erschwerende Umstände dazu kommen.<br />

So können bereits Lage und Typ der zu überquerenden Verkehrsfläche<br />

erschwerende Faktoren darstellen. Ebenso können fehlende oder inadäquate<br />

verkehrstechnische Infrastrukturelemente die Sicherheit des überquerenden<br />

<strong>Fussverkehr</strong>s erheblich beeinträchtigen. Dieser Befund ist im<br />

Folgenden anhand einiger konkreter Beispiele illustriert:<br />

a) Lage und Typ der Querung<br />

Das Überqueren einer Fahrbahn, die mehr als zwei Spuren aufweist, ist<br />

erheblich schwieriger und folglich risikoreicher. Das geht bereits aus der<br />

theoretischen Analyse des Vorgangs hervor, was im Folgenden am Beispiel<br />

einer dreispurigen Strasse dargestellt wird. In der Regel werden auf<br />

solchen Strassen zwei Spuren in die eine Richtung und eine Spur in die<br />

Gegenrichtung betrieben (seltene Ausnahme: Einbahnstrasse mit drei<br />

oder mehr Spuren in dieselbe Richtung). Bei dieser Konstellation müssen<br />

Fussgänger die Zeitlücken auf drei Spuren beurteilen, was die Komplexität<br />

ausserordentlich erhöht. Ebenso problematisch ist diese Situation aus<br />

Sicht der Motorfahrzeuglenker, speziell auf den beiden Spuren, die in<br />

gleicher Richtung betrieben werden. Halten Lenker auf der rechten Spur,<br />

um Fussgängern die Überquerung zu ermöglichen, ist das für Lenker auf<br />

der linken Spur oft nicht oder nicht rechtzeitig ersichtlich. So entsteht eine<br />

für den Fussgänger sehr gefährliche Situation, denn er beginnt zu überqueren<br />

in der Annahme, dass die Fahrzeugströme auf beiden Spuren anhalten.<br />

Einen Hinweis auf die Gefährlichkeit dieser Situation geben die<br />

Erkenntnisse von Scaramuzza & Ewert (1997): Fussgängerstreifen, die<br />

über drei oder mehr Spuren führen, sind signifikant häufiger unfallbelastet<br />

als Fussgängerstreifen, die nur zwei Spuren queren. Wenngleich sich<br />

diese Studie spezifisch auf Querungen mit Fussgängerstreifen bezieht,<br />

erscheinen Analogieschlüsse auf Querungen generell plausibel.<br />

Ein weiteres Beispiel einer risikoreichen Situation ist die Querung mit einer<br />

– bezüglich der gefahrenen Geschwindigkeiten des motorisierten Individualverkehrs<br />

– für den Fussgänger zu geringen Sicht nach links. Diese<br />

Ausgangslage verunmöglicht es, die Zeitlücken richtig einzuschätzen.<br />

Scaramuzza & Ewert (1997) stützen diese Überlegung: Fussgängerstrei-


202 Risikofaktoren – Von der Strasseninfrastruktur ausgehende Risikofaktoren<br />

Beispiel 1:<br />

Querung ohne<br />

Fussgängerstreifen<br />

bei grossem<br />

Querungsbedarf<br />

Beispiel 2:<br />

Querung ohne<br />

Mittelinsel<br />

Fall 1:<br />

Fehlende<br />

verkehrstechnische<br />

Voraussetzungen<br />

Beispiel 1:<br />

Querung mit<br />

ungenügender Sicht<br />

fen, die eine geringe Sicht nach links aufweisen, sind signifikant häufiger<br />

unfallbelastet als Fussgängerstreifen mit grosser Sicht nach links.<br />

b) Fehlende Infrastrukturelemente bei Querungen<br />

Ein klassisches Beispiel nicht vorhandener Infrastrukturelemente ist das<br />

Fehlen einer Vortrittsregelung zu Gunsten des <strong>Fussverkehr</strong>s (z. B. Fussgängerstreifen)<br />

bei erhöhtem Querungsbedarf. Dieser Mangel kann sich<br />

vor allem bei hohem Aufkommen des motorisierten Individualverkehrs<br />

negativ auswirken. Bereits 1983 konnte die bfu nachweisen, dass stark<br />

frequentierte Fussgängerstreifen (durchschnittlich 28 Fussgänger pro<br />

Stunde) sicherer sind als Querungen ohne Fussgängerstreifen (Schweizerische<br />

Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu, 1983).<br />

Das Weglassen von Fussgängerschutzinseln (Mittelinseln) fällt ebenfalls<br />

in die Problematik fehlender Infrastrukturelemente für den <strong>Fussverkehr</strong><br />

bei Querungen. Diese einfache bauliche Massnahme reduziert die Komplexität<br />

beim Überqueren erheblich. Sie wird jedoch oft aus Kosten-,<br />

manchmal aus Platzgründen nicht realisiert (wobei bei engen Verhältnissen<br />

oft Platzmangel vorgeschoben wird, wenn in Wirklichkeit die Kosten<br />

für bauliche Anpassungen gescheut werden). Die hohe Wirksamkeit dieser<br />

Massnahme wird von diversen Studien belegt (Thompson, Heydon &<br />

Charnley, 1990; Scaramuzza & Ewert, 1997; Zegeer et al., 2005).<br />

c) Inadäquate Infrastrukturelemente bei Querungen<br />

In einem ersten Fall wird das Problem von inadäquaten Infrastrukturelementen<br />

veranschaulicht. Hier wird „inadäquat“ in dem Sinne verstanden,<br />

dass Elemente realisiert wurden, obwohl die verkehrstechnischen<br />

Voraussetzungen dazu nicht erfüllt waren. Solche Fälle entstehen nicht<br />

selten unter politischem Druck.<br />

Dazu sei das Beispiel der Querung in einer Kurve mit ungenügender Sicht<br />

nach links nochmals aufgegriffen. Wird in einem solchen Fall – ohne zusätzliche<br />

Anpassungen – ein Fussgängerstreifen markiert, so suggeriert<br />

diese Markierung dem Fussgänger eine nicht vorhandene, also falsche<br />

Sicherheit.


Risikofaktoren – Von der Strasseninfrastruktur ausgehende Risikofaktoren 203<br />

Beispiel 2:<br />

Querung mit<br />

Konfliktgrün<br />

Fall 2:<br />

Unkorrekte<br />

Ausführung<br />

Beispiel 1:<br />

Fehlerhaft gestaltete<br />

Trottoirüberfahrt<br />

Ein weiteres Beispiel ist der Betrieb von lichtsignalgesteuerten Kreuzungen<br />

mit so genanntem Konfliktgrün. Art. 68 Abs. 3 der Signalisationsverordnung<br />

SSV gestattet zwar indirekt diese Betriebsform: „Wird die<br />

Fahrt durch grüne Pfeile ohne gelbes Blinklicht freigegeben, muss auch<br />

das Zusammentreffen von abbiegenden Fahrzeugen mit Fussgängern in<br />

der Querstrasse … ausgeschlossen sein.“ Speziell wenn ältere Leute<br />

oder Kinder an solchen Orten die Strasse überqueren, ist aber der Betrieb<br />

mittels Konfliktgrün ungeeignet. Diese Personengruppen verlassen sich<br />

auf die „grün“ zeigende Ampel und sind sich kaum bewusst, dass sie zusätzlich<br />

Fahrzeuge beachten müssen, deren Lenker allenfalls das gelbe<br />

Blinklicht nicht bemerkt haben. Diese Betriebsform wird jedoch oft gewählt,<br />

wenn die Bewältigung des motorisierten Individualverkehrs Priorität<br />

geniesst. Unfälle dieses Typs sind zwar selten, jedoch sehr schwer.<br />

Ein zweiter Fall betrifft inadäquate Elemente im Sinne von „unkorrekt<br />

und/oder unvollständig ausgeführt“. Unkenntnis der Normen und/oder der<br />

Gesetze seitens der projektierenden Fachperson oder mangelnde Ressourcen<br />

beim Geldgeber sind oft ausschlaggebend für das Entstehen solcher<br />

Anlagen.<br />

Dieses Problem sei in einem ersten Beispiel anhand einer falsch ausgeführten<br />

Trottoirüberfahrt illustriert. Gemäss Art. 15 Abs. 3 der Verkehrsregelverordnung<br />

muss, „wer … über ein Trottoir auf eine Haupt- oder Nebenstrasse<br />

fährt, den Benützern dieser Strassen den Vortritt gewähren.“<br />

Gleichzeitig sind gemäss Art. 41 Abs. 2 Fahrzeuglenker, die mit einem<br />

Fahrzeug das Trottoir benützen, gegenüber den Fussgängern und Benützern<br />

von fahrzeugähnlichen Geräten zu besonderer Vorsicht verpflichtet<br />

und müssen ihnen den Vortritt lassen. Eine Voraussetzung für das Funktionieren<br />

dieser Regel ist, dass Lenker anhand der Ausgestaltung der<br />

Trottoirüberfahrt erkennen können, ob sie, von der Seitenstrasse her<br />

kommend, bei der Einmündung tatsächlich ein Trottoir überfahren. Dazu<br />

muss dieses gewissen Gestaltungsprinzipien entsprechen (vgl. dazu Abbildung<br />

31). Sonst kann der Lenker seine Vortrittspflicht aus dem Erscheinungsbild<br />

nicht ableiten und wird demnach dem Fussgänger den Vortritt<br />

nicht gewähren.


204 Risikofaktoren – Von der Strasseninfrastruktur ausgehende Risikofaktoren<br />

Abbildung 31:<br />

Trottoirüberfahrt. Nur<br />

auf Grund der<br />

„hinteren“ Pflasterstein-Reihe<br />

(1) kann<br />

der – im Bild von<br />

rechts (2) kommende<br />

– Lenker erkennen,<br />

dass er im Begriff ist,<br />

ein Trottoir (3) zu<br />

überfahren.<br />

Beispiel 2:<br />

Unkorrekte<br />

Fussgängerstreifen-<br />

Beleuchtung<br />

Querungen machen<br />

max. 10 % eines zu<br />

Fuss zurückgelegten<br />

Weges aus<br />

Querungen sind vor<br />

allem innerorts<br />

risikovoll<br />

3<br />

Ein zweites Beispiel stellen unkorrekt beleuchtete Fussgängerstreifen dar.<br />

Eine Person, die nachts an einem beleuchteten Fussgängerstreifen beabsichtigt,<br />

die Strasse zu überqueren, wird sich kaum die Frage stellen, ob<br />

die Beleuchtungs-Kandelaber korrekt positioniert sind. Es ist jedoch genau<br />

von der Lage dieser Kandelaber abhängig, ob der nötige Kontrast<br />

entsteht, damit die Lenker überquerende Personen wahrnehmen können.<br />

Letztere gehen davon aus, gesehen zu werden, und nehmen das ihnen<br />

zustehende Vortrittsrecht verständlicherweise sorglos in Anspruch.<br />

Diese kleine Auswahl aus einer Vielzahl von vorhandenen Fällen zeigt,<br />

dass es nicht möglich ist, die Verbreitung jeder einzelnen Variante zu<br />

quantifizieren. Da auch keine konkreten Zahlen vorliegen, wird für die Verbreitung<br />

von Querungen ein Gesamtwert geschätzt. Es ist plausibel, davon<br />

auszugehen, dass Querungen einer Fahrbahn durchschnittlich nur<br />

einen sehr kleinen Teil einer zu Fuss zurückgelegten Strecke ausmachen.<br />

Der Anteil dürfte mit Sicherheit unter 10 % liegen. Veranschaulicht würde<br />

das bedeuten, dass alle 80 Meter Fussweg eine 8 Meter breite Strasse<br />

gequert würde, was bestimmt der oberen Grenze entspricht.<br />

5.3.2 Gefahrenpotenzial und Unfallrelevanz<br />

Die Quantifizierung von Gefahrenpotenzial und Unfallrelevanz für die einzelnen<br />

dargestellten Fälle ist ebenfalls nicht möglich. Deshalb werden<br />

Gesamtwerte über alle Querungen angegeben. Der Risikofaktor „Querun-<br />

1<br />

2


Risikofaktoren – Von der Strasseninfrastruktur ausgehende Risikofaktoren 205<br />

Tabelle 69<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors<br />

„Querungen“<br />

Definition von<br />

<strong>Fussverkehr</strong> in<br />

Längsrichtung<br />

gen“ ist vor allem innerorts massgebend. 74 % aller Fussgänger-Unfälle<br />

passieren beim Queren von Strassen (nur 5 % bei Unfällen in Längsrichtung,<br />

21 % bei „anderen Fussgänger-Unfällen“). Jährlich werden dabei<br />

617 Fussgänger schwer verletzt oder getötet, das Rettungspotenzial ist<br />

für diesen Unfalltyp somit ausserordentlich hoch. Der Anteil der Unfälle<br />

beim Queren erweist sich auch im Vergleich zum Total aller schwer verletzten<br />

und getöteten Fussgänger als sehr hoch (rund 68 %). Auch ausserorts<br />

ist bei Querungen der Anteil mit 50 % der getöteten und schwer<br />

verletzten Fussgänger hoch (23 % bei Fussgänger-Unfällen in Längsrichtung,<br />

27 % bei „anderen Fussgänger-Unfällen“). Mit 41 Fällen ist jedoch<br />

das Rettungspotenzial um den Faktor 15 tiefer.<br />

5.3.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Querungen innerorts * ***** *****<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

5.4 Defizitäre Infrastruktur für den in Längsrichtung gehenden <strong>Fussverkehr</strong><br />

5.4.1 Ausgangslage und Verbreitung<br />

Der Grundsatz, dass Risiken für den <strong>Fussverkehr</strong> dort entstehen, wo<br />

Konfliktstellen bestehen, also wo sich die Netze des <strong>Fussverkehr</strong>s und<br />

des motorisierten Individualverkehrs berühren (s. Kap. VII.5.1 Einleitung:<br />

Netzgedanken, S. 196), gilt auch für die Führung des <strong>Fussverkehr</strong>s in<br />

Längsrichtung. Das ist die zweite Grundform, die entsteht, wenn sich die<br />

beiden Verkehrsnetze treffen, wobei im Folgenden der Ausdruck „entlang<br />

von Strassen“ synonym gebraucht wird. Bei dieser Grundform werden der<br />

motorisierte Individualverkehr und der <strong>Fussverkehr</strong> im selben Strassenraum<br />

parallel geführt. Das kann beispielsweise auf Trottoirs, auf Längsstreifen<br />

für Fussgänger oder auf einer gemeinsamen Verkehrsfläche erfolgen.


206 Risikofaktoren – Von der Strasseninfrastruktur ausgehende Risikofaktoren<br />

Fussgänger werden<br />

beim Gehen entlang<br />

von Strassen besser<br />

wahrgenommen<br />

Erschwerende<br />

Faktoren<br />

Beispiel:<br />

Sichtbehinderungen<br />

Beispiel: Fehlendes<br />

Trottoir ausserorts<br />

Das Gehen entlang von Strassen wird oft als sehr unangenehm oder gefährlich<br />

empfunden. Das gilt besonders dann, wenn bauliche oder signalisationstechnische<br />

Infrastrukturelemente zur Trennung der Verkehrsflächen<br />

für den <strong>Fussverkehr</strong> und für den motorisierten Individualverkehr<br />

fehlen. Die Unfallzahlen zeigen freilich ein erheblich günstigeres Bild als<br />

bei Querungen. Dieser Umstand kann mit folgender theoretischen Überlegung<br />

gestützt werden:<br />

Personen, die entlang einer Strasse gehen, werden von Fahrzeug-<br />

Lenkern zwangsläufig besser und früher wahrgenommen. Der Überraschungseffekt<br />

des plötzlichen seitlichen Betretens der Fahrbahn, wie er<br />

beim Überqueren vorkommt, entfällt. Somit sind die Fahrzeuglenker prinzipiell<br />

in der Lage, ihr Verhalten rechtzeitig anzupassen.<br />

Ein erhöhtes Risiko ergibt sich indes bei erschwerenden Umständen. Wie<br />

im Falle der Querungen können Lage und Typ des betreffenden Strassenraums<br />

erschwerende Faktoren darstellen. Ebenso können fehlende oder<br />

inadäquate verkehrstechnische Infrastrukturelemente das Risiko für<br />

Fussgänger erhöhen. Auch für den <strong>Fussverkehr</strong> in Längsrichtung wird<br />

dieser Sachverhalt anhand einiger konkreter Beispiele illustriert:<br />

a) Lage und Typ von Längs-Abschnitten<br />

Die Topografie, die Linienführung oder die Gestaltung des Strassenraums<br />

können dazu führen, dass am Fahrbahnrand gehende Personen verdeckt<br />

werden. Dadurch entfällt der für Fahrzeuglenker beschriebene Vorteil,<br />

Personen rechtzeitig wahrnehmen zu können. Beispiele solcher Sichtbehinderungen<br />

sind Kuppen, Kurven in Böschungen oder Sichthindernisse<br />

(Mauern, Hecken u. ä.) am Fahrbahnrand. Der Einfluss auf das <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

lässt sich anhand der vorliegenden Unfalldaten nicht quantifizieren.<br />

b) Fehlende Infrastrukturelemente bei Längs-Abschnitten<br />

Das bekannteste Infrastruktur-Element zur sicheren Führung des <strong>Fussverkehr</strong>s<br />

entlang von Strassen ist zweifelsfrei ein Trottoir, das mittels<br />

Randstein baulich von der Fahrbahn abgetrennt ist. Die physische Trennung<br />

bewirkt den erwünschten Schutz für Fussgänger. Sie hält die Fahrzeuglenker<br />

davon ab, zu nahe an die Fussgänger zu fahren. Trottoirs sind


Risikofaktoren – Von der Strasseninfrastruktur ausgehende Risikofaktoren 207<br />

Beispiel:<br />

Längsstreifen für<br />

Fussgänger<br />

Abbildung 32:<br />

Längsstreifen für<br />

Fussgänger: die<br />

Platzverhältnisse<br />

verändern sich nicht –<br />

Sicherheit wird<br />

vorgetäuscht<br />

<strong>Fussverkehr</strong> in<br />

Längsrichtung macht<br />

rund die Hälfte der zu<br />

Fuss zurückgelegten<br />

Wege aus<br />

zwar nicht auf jedem Strassentyp angezeigt. Ausserorts, wo die Geschwindigkeiten<br />

des motorisierten Individualverkehrs wesentlich höher<br />

sind, ist ein fehlendes Trottoir auf stark begangenen Abschnitten unbestreitbar<br />

mit einem erhöhten Risiko für Fussgänger verbunden.<br />

c) Inadäquate Infrastrukturelemente bei Längs-Abschnitten<br />

Ein klassisches Beispiel für inadäquate Infrastrukturelemente entlang von<br />

Strassen sind die so genannten Längsstreifen für Fussgänger (Abbildung<br />

32). Diese einfache Markierung am Strassenrand wird oft als Trottoirersatz<br />

gefordert und nicht selten auch ausgeführt. Meistens sind enge<br />

Platzverhältnisse oder knappe Ressourcen ausschlaggebend für die Wahl<br />

dieser Lösung. Doch diese Markierung bietet weder physischen Schutz<br />

noch ändert sie die bestehenden Platzverhältnisse. Zudem gestattet das<br />

Gesetz dem motorisierten Individualverkehr, diese Flächen – wenngleich<br />

mit der gebotenen Vorsicht – zu befahren. Demzufolge suggeriert diese<br />

Massnahme, abgesehen von wenigen Ausnahmefällen, den Fussgängern<br />

einen nicht vorhandenen Schutz.<br />

Wie für die Querungen ist es auch für den <strong>Fussverkehr</strong> in Längsrichtung<br />

nicht möglich, die Verbreitung jedes einzelnen Falles zu quantifizieren. Da<br />

auch hier keine konkreten Zahlen vorliegen, wird ein Gesamtwert für die<br />

Verbreitung geschätzt. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese<br />

Abschnitte etwas mehr als die Hälfte der zu Fuss zurückgelegten Strecken<br />

ausmachen. Den Rest machen diejenigen Wege aus, die auf voll-


208 Risikofaktoren – Von der Strasseninfrastruktur ausgehende Risikofaktoren<br />

<strong>Fussverkehr</strong> in<br />

Längsrichtung ist vor<br />

allem innerorts<br />

risikovoll<br />

Tabelle 70:<br />

Beurteilung des<br />

Risikofaktors ‚Gehen<br />

in Längsrichtung’<br />

Mangelhafte,<br />

fehlende und falsch<br />

angeordnete<br />

Infrastrukturelemente<br />

führen oft zu<br />

Fussgänger-Unfällen<br />

ständig vom motorisierten Individualverkehr separierten Abschnitten zurückgelegt<br />

werden.<br />

5.4.2 Gefahrenpotenzial und Unfallrelevanz<br />

Auch für den <strong>Fussverkehr</strong> in Längsrichtung ist eine Quantifizierung von<br />

Gefahrenpotenzial und Unfallrelevanz für die einzelnen dargestellten Defizite<br />

nicht möglich. Deshalb wird auch hier ein Gesamtwert für alle Abschnitte<br />

entlang von Strassen angegeben. Der Risikofaktor „Fussgänger-<br />

Unfall in Längsrichtung“ ist vorwiegend innerorts massgebend. Innerorts<br />

sind 40 getötete und schwer verletzte Fussgänger pro Jahr zu verzeichnen<br />

gegenüber 19 getöteten und schwer verletzten Fussgängern ausserorts.<br />

Was hervorgehoben werden muss, ist das letztlich massiv geringere Risiko<br />

beim Gehen entlang von Strassen im Gegensatz zum Überqueren<br />

von Strassen.<br />

5.4.3 Risikobeurteilung<br />

Risikofaktor Verbreitung Gefahrenpotenzial Unfallrelevanz<br />

Gehen in<br />

Längsrichtung<br />

• sehr gering / ***** sehr gross<br />

5.5 Zusammenfassung und Fazit<br />

***** * **<br />

Die Strasseninfrastruktur ist grösstenteils stark auf den motorisierten Verkehr<br />

ausgerichtet. <strong>Fussverkehr</strong>sspezifische Infrastrukturelemente sind oft<br />

mangelhaft, gänzlich fehlend, falsch angeordnet, nicht behindertengerecht<br />

oder mangels Netzplanung nur lückenhaft vorhanden. Das ist mit Sicherheitseinbussen<br />

– namentlich bei Querungen – für den <strong>Fussverkehr</strong> verknüpft.<br />

Hohe Übersehbarkeit infolge der geringen Ausdehnung bringen<br />

die Fussgänger in Konfliktsituationen mit dem motorisierten Verkehr. Die<br />

Folge ist ein relativ hoher Anteil von Kollisionsunfällen, bei denen fast<br />

ausschliesslich die Fussgänger, schuldig oder unschuldig, die Leidtragenden<br />

sind.


Risikofaktoren – Zusammenfassung Risikofaktoren 209<br />

Bedeutung eines<br />

Risikofaktors<br />

ergibt sich aus<br />

Verbreitung und<br />

Gefahrenpotenzial<br />

Fussgänger sind<br />

aufgrund<br />

entwicklungs- und<br />

alterungsbedingter<br />

Faktoren gefährdet<br />

70 % der verunfallten<br />

Kinder wird ein<br />

Fehlverhalten<br />

zugeschrieben<br />

6. Zusammenfassung Risikofaktoren<br />

Fussgänger und Fussgängerinnen sind durch eine Vielzahl von Risikofaktoren<br />

gefährdet. Diese wurden im Kapitel VII diskutiert. Gruppiert wurden<br />

die Risikofaktoren danach, ob sie von den Fussgängern selbst ausgehen<br />

(Kap. VII.2), von den Kollisionsgegnern (Kap. VII.3), von den<br />

Kollisionsobjekten (Kap. VII.4) oder der Infrastruktur (Kap. VII.5). Basierend<br />

auf der Verbreitung eines Risikofaktors (wie häufig sind Fussgänger<br />

damit konfrontiert) und dessen Gefahrenpotenzial (wie stark beeinflusst er<br />

das Unfallrisiko und die Verletzungsschwere) wurde die Unfallrelevanz<br />

ermittelt. Prävention sollte sich schwergewichtig auf Risikofaktoren mit<br />

einer hohen Unfallrelevanz (mit **** oder ***** gekennzeichnet) beziehen.<br />

Bei den Fussgängern selbst bestehen vor allem Risiken im Zusammenhang<br />

mit Entwicklungs- und Alterungsprozessen. Kinder und ältere Menschen<br />

sind insbesondere durch kognitive Defizite in der Wahrnehmung<br />

und der Informationsverarbeitung gefährdet. Kinder sind zudem durch<br />

motivationale Aspekte – insbesondere durch ihre Vertieftheit ins Spielen –<br />

zusätzlich gefährdet.<br />

Kinder bis 14 Jahre machen rund 22 % der schwer oder tödlich verunfallten<br />

Fussgänger aus. Dieser Anteil liegt deutlich über ihrem Bevölkerungsoder<br />

ihrem Expositionsanteil. Das überdurchschnittliche Unfallrisiko ist<br />

zwar auf diverse Faktoren zurückzuführen; es ist aber davon auszugehen,<br />

dass die defizitäre Kognition ein wesentlicher ist: Ein Kind, das z.B. die<br />

Geschwindigkeit eines herannahenden Fahrzeugs nicht richtig einschätzt,<br />

riskiert beim Queren der Strasse schnell einmal sein Leben. Es verwundert<br />

nicht, dass sowohl den 0- bis 6-Jährigen als auch den 7- bis 14-Jährigen<br />

im Fall einer Kollision zu rund 70 % eigenes Fehlverhalten zugeschrieben<br />

wird.<br />

Weniger sicherheitsrelevant für die Fussgänger insgesamt sind die Faktoren<br />

geringe Körpergrösse der Kinder, mangelhaftes verkehrsrelevantes<br />

Wissen oder ungenügendes Gefahrenbewusstsein der Fussgänger und<br />

Fussgängerinnen.


210 Risikofaktoren – Zusammenfassung Risikofaktoren<br />

Senioren verunfallen<br />

oft unschuldig – sie<br />

können nicht adäquat<br />

auf Fehler anderer<br />

reagieren<br />

Fussgänger durch<br />

unangepasste<br />

Verhaltensweisen der<br />

MFZ-Lenkenden<br />

gefährdet<br />

Fussgänger vor allem<br />

durch zweispurige<br />

Motorfahrzeuge<br />

gefährdet<br />

Schwer verletzte und getötete zu Fuss Gehende ab 65 Jahren machen<br />

rund einen Drittel der total schwer oder tödlich verunfallten Fussgänger<br />

aus. Senioren erleiden auf einem zu Fuss zurückgelegten Kilometer um<br />

ein Mehrfaches häufiger schwere oder tödliche Verletzungen als jüngere<br />

Erwachsene: Ab 70 Jahren rund doppelt so oft, ab 85 Jahren mehr als<br />

fünfmal so oft. Das hängt nicht nur mit ihrer hohen Vulnerabilität zusammen.<br />

Da 70 % der schwer verletzten oder getöteten Senioren ohne eigenes<br />

Verschulden verunfallen, liegt die Vermutung nahe, dass Senioren zu<br />

Schaden kommen, weil sie nicht auf die Fehler der anderen (z. B. Anhaltemissachtung<br />

vor Fussgängerstreifen) reagieren können. Bei den von<br />

den Senioren verschuldeten Unfällen liegt die Ursache in 60 % der Fälle<br />

beim unachtsamen Betreten der Strasse – das sicher auch, weil Senioren<br />

relevante Informationen falsch wahrnehmen und verarbeiten.<br />

Die Lenkenden der Kollisionsobjekte gefährden Fussgänger vor allem<br />

durch unangepasste Verhaltensweisen. Am negativsten wirken sich Überschreitung<br />

der Geschwindigkeitslimite und unangepasste Geschwindigkeitswahl,<br />

Vortrittsmissachtung an Fussgängerstreifen und unvorsichtiges<br />

Rückwärtsfahren aus. Dahinter stecken oft mangelnde Gefahrenkognition<br />

und Selbstkontrolle. D. h., die Fahrzeuglenkenden haben keine grundlegenden<br />

Schwierigkeiten, ihr Fahrzeug zu lenken, sondern sie verkennen<br />

die Gefährlichkeit ihres Handelns. Ein weiterer Problembereich stellen<br />

Ablenkungen dar, die sowohl visueller als auch mentaler Natur sein können<br />

(z. B. Blick nicht auf den Verkehrsraum gerichtet oder in Telefongespräch<br />

vertieft).<br />

Als weniger belastend für das <strong>Unfallgeschehen</strong> der Fussgänger wurde der<br />

Verzicht auf Taglicht, das Fahren unter Substanzen (Alkohol, illegale Drogen<br />

und Medikamente) oder in übermüdetem Zustand, mangelhafte Fahrzeugbeherrschung<br />

und Leistungsbeeinträchtigung in den Bereichen Wahrnehmung,<br />

Motorik und Kognition eingestuft.<br />

Fussgänger kollidieren hauptsächlich mit zweispurigen Motorfahrzeugen.<br />

Demgegenüber sind einspurige Motorfahrzeuge und insbesondere Fahrräder<br />

von untergeordneter Bedeutung.<br />

Entscheidend sind vor allem die beiden strukturgeometrischen Fronteigenschaften:<br />

Form und Steifigkeit. Ein erhöhtes Risiko für schwere<br />

Verletzungen besteht vor allem bei einer hohen und gleichzeitig steilen


Risikofaktoren – Zusammenfassung Risikofaktoren 211<br />

Fussgänger durch<br />

lückenhaftes<br />

Fusswegnetz und<br />

suboptimale<br />

Infrastrukturelemente<br />

gefährdet<br />

Fazit:<br />

Die Sicherheit der<br />

Fussgänger hängt vor<br />

allem von Faktoren<br />

ab, die sie selber<br />

wenig beeinflussen<br />

können<br />

Front sowie bei ausgeprägter Festigkeit. Durch eine hohe und steile Front<br />

besteht die Gefahr eines primären (Kopf-)Aufpralls mit einem anschliessenden<br />

Wegschleudern und einem sekundären Aufprall auf der Strasse.<br />

Die Festigkeit der Fronten lässt kaum Deformationsmöglichkeiten zu, wodurch<br />

beim Aufprall hohe Beschleunigungsbelastungen entstehen.<br />

Von geringer Unfallrelevanz sind demgegenüber die Fahrzeugmasse,<br />

Frontschutzbügel massiver Bauart, dunkle Fahrzeugfarbe oder starre<br />

Lichtkegel der konventionellen Scheinwerfer.<br />

Das Gefährliche an der Infrastruktur ist für den <strong>Fussverkehr</strong> insbesondere<br />

deren primäre Ausrichtung auf den motorisierten Verkehr. Oft fehlt eine<br />

umfassende Netzplanung, die auch den Bedürfnissen des <strong>Fussverkehr</strong>s<br />

gerecht wird. Die Folge sind ein lückenhaftes <strong>Fussverkehr</strong>snetz sowie<br />

fehlende Informationen zu potenziellen Konfliktstellen. Ein lückenloses<br />

Netz ist notwendig – insbesondere was Querungselemente anbelangt –,<br />

aber noch nicht hinreichend. Hinreichende Sicherheit ist nur gegeben,<br />

wenn bei den potenziellen Konfliktstellen adäquate (im Sinne von bestpractice)<br />

Elemente projektiert sowie korrekt und behindertengerecht ausgeführt<br />

werden.<br />

Insgesamt wurde deutlich, dass Risikofaktoren, die von der Infrastruktur<br />

ausgehen, für die Fussgänger die grösste Relevanz aufweisen. Es folgen<br />

Risikofaktoren, die bei den Motorfahrzeuglenkenden und ihren Fahrzeugen<br />

anzusiedeln sind. Im Vergleich zu diesen sind Risiken, die von den<br />

Fussgängern selbst ausgehen – mit Ausnahme der defizitären Kognition<br />

von Kindern und älteren Menschen, die aber kaum zu eliminieren ist – für<br />

die Fussgänger insgesamt weniger relevant.<br />

Welche Möglichkeiten bestehen, um die Verkehrssicherheit der Fussgänger<br />

und Fussgängerinnen zu erhöhen und wie diese konkret umgesetzt<br />

werden können, wird im nächsten Kapitel erörtert.


212 Prävention – Einleitung<br />

Systematik der<br />

Präventionsmöglichkeiten<br />

VIII. PRÄVENTION<br />

1. Einleitung<br />

Im Kapitel VII wurden einerseits das <strong>Unfallgeschehen</strong> analysiert und<br />

andererseits Risikofaktoren identifiziert. Ausgehend von diesen Ergebnissen<br />

werden im vorliegenden Kapitel Möglichkeiten aufgezeigt, wie die<br />

aufgedeckten Problempunkte entschärft werden können. In einem ersten<br />

Schritt wird jeweils die Präventionsmöglichkeit und in einem zweiten<br />

Schritt werden die entsprechenden Förderungsmassnahmen beschrieben.<br />

Präventionsmöglichkeiten zeigen auf, was bei den Systemelementen<br />

Mensch, Fahrzeug und Umwelt geändert werden muss und stellen somit<br />

eine Art Zielsetzung dar (z. B. angemessene Geschwindigkeiten der motorisierten<br />

Fahrzeuglenker, fussgängerfreundliche Fahrzeugfronten, Netzplanung<br />

unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des <strong>Fussverkehr</strong>s). Förderungsmassnahmen<br />

zeigen auf, mit welchen Mitteln die Präventionsmöglichkeiten<br />

realisiert werden können (z. B. gesetzliche Änderungen bei<br />

der Fahrausbildung, Weiterbildungsangebote für (Verkehrs-)Ingenieure<br />

etc.). Sowohl die Präventionsmöglichkeiten als auch die Förderungsmassnahmen<br />

werden anhand verschiedener Kriterien bewertet. Die systematische<br />

Bewertung erlaubt es, alle Handlungsmöglichkeiten miteinander<br />

zu vergleichen, so dass eine Prioritätenliste mit effektiven (d. h. Erfolg<br />

versprechenden) und effizienten Präventionsbemühungen erstellt werden<br />

kann.<br />

2. Einführung in die Thematik<br />

2.1 Präventionsmöglichkeiten<br />

Mit der Erweiterung des epidemiologischen Modells um die Dimension<br />

Zeit ergibt sich ein für die Prävention nützliches Raster. Die Präventionsmöglichkeiten<br />

können einerseits einer Zeitphase des Unfallablaufs (Precrash,<br />

Crash, Postcrash), andererseits einem der vier Systemelemente<br />

Mensch, Energie/Fahrzeug, physische oder soziale Umwelt zugeordnet<br />

werden (Haddon Jr., 1980).


Prävention – Einführung in die Thematik 213<br />

Tabelle 71:<br />

Haddon-Matrix<br />

Förderungsmassnahmen<br />

Phasen<br />

Vor<br />

Ereignis<br />

Während<br />

Ereignis<br />

Nach<br />

Ereignis<br />

Mensch<br />

Energie,<br />

Fahrzeug<br />

Faktoren<br />

Physische<br />

Umwelt<br />

Soziale<br />

Umwelt<br />

Haddon Sr. (1968) hat zudem Regeln formuliert, welche die Auswahl<br />

möglicher Massnahmen eingrenzen. So ist es zum Beispiel effizienter, die<br />

gefährliche Energie zu reduzieren (z. B. Geschwindigkeitsreduktion im<br />

Strassenverkehr) als das schützenswerte Objekt resistenter zu machen<br />

(z. B. Verbesserung der Kollisionseigenschaften schwacher Verkehrsteilnehmender).<br />

Weiter sind Massnahmen zur Vermeidung des Unfalls<br />

gegenüber sekundär- und tertiärpräventiven Massnahmen (wirken während<br />

und nach dem Unfall) zu bevorzugen. Zudem sollen sämtliche Bestrebungen<br />

dazu beitragen, das Strassenverkehrssystem so zu gestalten,<br />

dass die Aufgabe der individuellen Verkehrsteilnahme in ihrer Komplexität<br />

(und damit Fehleranfälligkeit) vereinfacht wird.<br />

Die Wirkung von Präventionsmöglichkeiten wird aufgrund ihres Wirkungsbereichs<br />

(bei welchem Anteil der Unfälle kann die Massnahme angewandt<br />

werden?) und ihrer Wirksamkeit (welchen Anteil der Verletzungen und<br />

Todesfälle kann die Massnahme tatsächlich verhindern, wenn sie angewandt<br />

wird?) berechnet. Diese Faktoren werden so weit wie möglich<br />

durch empirische Befunde festgelegt oder bei fehlenden Informationen<br />

durch Expertenmeinungen abgeschätzt.<br />

Für die so bewerteten Präventionsmöglichkeiten werden schliesslich Förderungs-<br />

resp. Umsetzungsmassnahmen bestimmt. Es werden effiziente<br />

Möglichkeiten vorgeschlagen, die bei den gegebenen sozialen, politischen,<br />

technischen und finanziellen Rahmenbedingungen realisierbar sind.


214 Prävention – Einführung in die Thematik<br />

2.2 Grundarten von Förderungsmassnahmen<br />

Förderungsmassnahmen können den drei Bereichen Engineering (technische<br />

Massnahmen), Education (pädagogische Massnahmen) und Enforcement<br />

(rechtliche Massnahmen) zugeordnet werden. Erfahrungen mit<br />

Verkehrssicherheitsmassnahmen haben zu folgenden, allgemein akzeptierten<br />

Anwendungsregeln geführt:<br />

• Strukturelle und technische Massnahmen (Engineering; z. B. fussgängerspezifische<br />

Strukturelemente gemäss VSS-Normen) sind wirkungsvoller<br />

und nachhaltiger als Kontrollen (Enforcement) und Sensibilisierung<br />

(Erziehung/Education).<br />

• Ausbildungs- und Erziehungsmassnahmen (Education) sind als<br />

Basismassnahme wichtig. Sie dürfen aber nicht zu überschätzten Erwartungen<br />

führen (z. B. gerade bei Kindern). Da punktuell fehlerhaftes<br />

Verhalten im Wesen des Menschen liegt (nicht aber systematisches<br />

Fehlverhalten), müssen andere Systemelemente wie die Infrastruktur<br />

oder das Fahrzeug mögliche Fehler der Verkehrsteilnehmer auffangen.<br />

Zu unterscheiden ist zwischen Verkehrserziehung mit direktem Kontakt<br />

zum Zielpublikum (klassische Verkehrserziehung, Kurse etc.) oder<br />

ohne direkten Kontakt (z. B. mittels Kampagnen via Massenmedien).<br />

• Gesetzgebung und Kontrolle (Enforcement) haben positive Auswirkungen<br />

auf die Unfallzahlen, sofern die Gesetze verständlich und umsetzbar<br />

und die Kontrollen intensiv genug sind und wahrgenommen<br />

werden.<br />

Es bleibt anzumerken, dass die Verknüpfung von Education und Enforcement<br />

(z. B. 2-Phasenmodell der Fahrausbildung, Verkehrskontrollen mit<br />

Feedback) deutlich wirksamer ist als die Anwendung einer isolierten<br />

Massnahme.


Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen 215<br />

Präventionsmöglichkeiten<br />

müssen durch<br />

konkrete Förderungsmassnahmen<br />

realisiert werden<br />

Nicht alles, was viele<br />

Verletzungen<br />

verhindern könnte, ist<br />

machbar<br />

Risikofaktoren in<br />

Zusammenhang mit<br />

dem Alter können<br />

kaum beeinflusst<br />

werden<br />

3. Fussgänger und Fussgängerinnen<br />

3.1 Einleitung<br />

Wie können Risikofaktoren, die die Sicherheit der Fussgänger und Fussgängerinnen<br />

beeinträchtigen und von ihnen selbst ausgehen, reduziert<br />

werden? In diesem Kapitel sollen in einem ersten Schritt für die identifizierten<br />

Risikofaktoren Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie diese vermieden<br />

oder reduziert werden können. Für diese Präventionsmöglichkeiten<br />

wird aufgrund der beeinflussbaren Anzahl Unfälle (Wirkungsbereich)<br />

die Anzahl vermeidbarer schwerer und tödlicher Verletzungen<br />

bestimmt. Dadurch kann der Sicherheitsgewinn für den <strong>Fussverkehr</strong> eingeschätzt<br />

werden. In einem zweiten Schritt werden konkrete Förderungsmassnahmen<br />

vorgeschlagen, wie diese Präventionsmöglichkeiten<br />

realisiert werden können.<br />

Nicht jede Massnahme dient der Förderung einer Präventionsmöglichkeit<br />

in gleichem Mass: Manche sind politisch nicht durchsetzbar, erreichen die<br />

falschen Leute, sind angesichts des zu erwartenden Nutzens zu teuer<br />

oder werden von den Fussgängern selbst nicht akzeptiert. Solche Überlegungen<br />

schlagen sich in der Beurteilung der konkreten Förderungsmassnahmen<br />

nieder. Daraus wiederum resultiert die Handlungsempfehlung<br />

(sehr empfehlenswert, empfehlenswert, bedingt empfehlenswert,<br />

nicht empfehlenswert). Eine Präventionsmöglichkeit mit einem geringen<br />

Rettungspotenzial kann empfehlenswert sein, wenn es sehr wirkungsvolle<br />

und kostengünstige Massnahmen gibt, um dieser zur Realisierung zu verhelfen.<br />

Andererseits können Präventionsmöglichkeiten mit grossem Rettungspotenzial<br />

unrealistisch und somit (im Moment) wenig empfehlenswert<br />

sein.<br />

Es gibt risikosteigernde Faktoren, die nicht direkt beeinflussbar sind. Sie<br />

begleiten den Fussgänger quasi auf Schritt und Tritt. Gemeint sind z. B.<br />

entwicklungs- oder alterungsbedingte Defizite (etwa bezüglich Wahrnehmung<br />

und Informationsverarbeitung) bzw. Eigenschaften (etwa das<br />

Spielmotiv der Kinder oder ihre geringe Körpergrösse). Was das für mögliche<br />

Präventionsmassnahmen bedeutet, wird unter Kap. VIII.3.2 , S. 216,<br />

diskutiert.


216 Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen<br />

Mangelnde<br />

Kompetenzen<br />

begünstigen<br />

gefährliches<br />

Verhalten<br />

Mangelhafte kognitive<br />

Fähigkeiten bei<br />

Kindern und Senioren<br />

Andere Risikofaktoren haben mit fehlenden Kompetenzen zu tun. Sie<br />

können durch Edukation verbessert werden. Diskutiert werden Massnahmen,<br />

die verkehrsrelevantes Wissen, Gefahrenbewusstsein und<br />

sicherheitsbewusste Einstellungen fördern (Kap. VIII.3.3, S. 224). Fehlende<br />

Kompetenzen sind eine mögliche Ursache von unvorsichtigem Verhalten.<br />

Wissen und Gefahrenbewusstsein müssen insbesondere in Bezug auf sicheres<br />

Queren in diversen Situationen vermittelt werden. Zusätzliche Aufmerksamkeit<br />

sollte den Themen Sichtbarkeit und Alkoholkonsum gewidmet werden.<br />

Am Ende des Kapitels folgt eine Zusammenfassung der diskutierten<br />

Massnahmen, die bei den Fussgängern selbst zur Anwendung kommen,<br />

zur Reduzierung ihrer Risiken (Kap. VIII.3.4, S. 231).<br />

3.2 Eignung: entwicklungs- und alterungsbedingte Defizite<br />

3.2.1 Ausgangslage<br />

Im Kapitel Risikofaktoren wurden entwicklungs- bzw. alterungsbedingte<br />

Defizite bei Kindern bzw. Senioren in der Wahrnehmung und der Infor-<br />

mationsverarbeitung identifiziert (Kap. VII.2.2, S. 122). Diese beeinflussen<br />

das <strong>Unfallgeschehen</strong> von Kindern und Senioren massgebend. So haben<br />

sowohl jüngere Kinder als auch Senioren pro zu Fuss zurückgelegten Kilometer<br />

(oder Stunde im Verkehr) ein deutlich überdurchschnittliches Unfallrisiko.<br />

Dass hier kognitive Defizite eine massgebende Rolle spielen, ist<br />

sehr plausibel; allerdings bei Kindern bzw. Senioren auf unterschiedliche<br />

Art und Weise, wie die Mängelauswertungen der Polizei zeigen:<br />

Während Kindern in sieben von zehn Kollisionen eine (Mit-)Schuld zugeschrieben<br />

wird, werden Senioren nur in drei von zehn Fällen bemängelt.<br />

Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich kognitive Defizite bei Kindern<br />

eher in aktiv unsicherem Verhalten äussern (auf die Strasse springen),<br />

bei Senioren hingegen eher in reaktiv unsicherem Verhalten (nicht<br />

schnell genug auf fehlbares Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer reagieren<br />

können).


Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen 217<br />

Kinder zusätzlich<br />

durch Spiel gefährdet<br />

Geringe Körpergrösse<br />

kein zentraler<br />

Risikofaktor<br />

Kinder als<br />

Risikogruppe<br />

Senioren als<br />

Risikogruppe<br />

Zwar gewinnen Kinder zwischen dem 7. und 9. Lebensjahr markant an<br />

Fertigkeiten, aber auch ältere Kinder sind noch nicht in den Lage, die<br />

Gefahren des Verkehrs vollständig zu erfassen. So sind auch noch über<br />

10-jährige Kinder oft durch spielerische Elemente abgelenkt (Kap. VII.2.3<br />

Spielmotiv, S. 128).<br />

Die Körpergrösse hat sich hingegen bezogen auf das Kollektiv der verunfallten<br />

Fussgänger als kein gewichtiger Risikofaktor herausgestellt. Kinder<br />

und Personen über 75 Jahre verunfallen im Vergleich zu andern Altersgruppen<br />

zwar überdurchschnittlich häufig, weil sie die Verkehrssituation<br />

nicht überschauen können. Von festen oder mobilen Bauten verdeckt zu<br />

sein, ist insgesamt aber ein seltener Unfallgrund – auch für Kinder (Kap.<br />

VII.2.4, S. 130).<br />

Kinder zwischen 0 und 6 Jahren bzw. zwischen 7 und 14 Jahren machen<br />

8 resp. 15 % der schwer verletzten und getöteten Fussgänger aus – bei<br />

einem Bevölkerungsanteil von 7.1 bzw. 9.5 %. Somit sind insbesondere 7-<br />

bis 14-jährige Kinder häufiger in Fussgängerunfälle verwickelt als aufgrund<br />

ihres Bevölkerungsanteils zu erwarten wäre.<br />

Jüngere Kinder sind dennoch in Präventionsbemühungen einzubeziehen.<br />

Sie gelten als besonders schützenswert, weil sie mit geringer Freiwilligkeit<br />

am Verkehr teilnehmen (es steht ihnen keine andere selbstständige Fortbewegungsart<br />

zur Verfügung) – das gilt zum Teil auch für Senioren. Zudem<br />

verursachen bleibende Schäden oder gar Invalidität in jungen Jahren<br />

für die Gesellschaft markant mehr Kosten.<br />

Von den schwer verletzten oder getöteten Fussgängern sind gut ein Drittel<br />

Personen über 64 Jahre. In dieser Altersgruppe gibt es jedoch sehr<br />

grosse Unterschiede bezüglich physischer und psychischer Verfassung.<br />

Personen über 64 Jahre verunfallen rund dreimal mehr als der Durchschnitt<br />

der Bevölkerung.<br />

Präventionsmöglichkeiten<br />

Kinder und Senioren können und sollen nicht vom Verkehr ausgeschlossen<br />

werden. Es müssen also Lösungen gefunden werden, die ihnen trotz<br />

ihrer altersbedingten Schwierigkeiten eine möglichst sichere Teilnahme<br />

ermöglichen.


218 Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen<br />

Schulung jüngerer<br />

Kinder und älterer<br />

Menschen hat<br />

Grenzen<br />

Punktuelles Begleiten:<br />

ja; absolute<br />

Kontrolle: nein<br />

Zusätzliche<br />

Sicherheitsmassnahmen<br />

bei<br />

selbständigem zu<br />

Fuss Gehen<br />

Kinder und Senioren können gerade wegen ihrer entwicklungs- bzw. alterungsbedingten<br />

Defizite kaum auf verlässliches Sicherheitsverhalten im<br />

Verkehr geschult werden. Es ist daher unabdingbar, dass auch die andern<br />

Verkehrsteilnehmenden sensibilisiert werden sowie ihre Fahrzeuge und<br />

die Infrastruktur so beschaffen sind, dass Defizite der Kinder und Senioren<br />

nicht zu schweren Unfällen führen können. Präventionsmöglichkeiten,<br />

die bei den Kollisionsgegnern, deren Fahrzeugen oder bei der<br />

Strasseninfrastruktur ansetzen, werden in den Kapiteln 4 (S. 233), 5<br />

(S. 272) und 6 (S. 296) diskutiert.<br />

Bei den Kindern und Senioren selbst bestehen folgende Präventionsmöglichkeiten:<br />

Die Problematik der beschränkten Eignung kann durch eine Begleitperson<br />

reduziert werden, die anstelle des Kindes oder des betagten Fussgängers<br />

entscheidet.<br />

Allerdings ist zu bedenken, dass Kinder, die auf Schritt und Tritt von Erwachsenen<br />

begleitet werden (müssen), in ihrer motorischen und sozialen<br />

Entwicklung gehemmt werden (Hüttenmoser, 2004). Konsequentes Begleiten<br />

soll nur für gewisse Strecken als Lösung angestrebt werden.<br />

Sowohl für Kinder wie auch für ältere Menschen sollte eine eigenständige<br />

Mobilität als gesellschaftlicher Grundwert verstanden werden. Von restriktiven<br />

Begleitmassnahmen ist daher abzusehen.<br />

Eine weitere Möglichkeit ist das Verstärken der Sicherheitsmassnahmen<br />

beim selbstständigem zu Fuss Gehen, um so die Folgen der entwicklungs-<br />

bzw. alterungsbedingten Defizite zu vermindern. Dies wäre möglich<br />

indem etwa<br />

• verkehrsarme Wege benutzt werden<br />

• Stosszeiten gemieden werden (es ist daher sinnvoll, dass der Kindergarten<br />

früher endet als die Mittagspause der Erwachsenen anfängt)<br />

• emotional belastende Situationen oder Gespräche unmittelbar vor dem<br />

Verlassen des Hauses/der Schule/der Freunde vermieden werden<br />

• zusätzliche Anstrengungen hinsichtlich des korrekten Querens der<br />

Strasse unternommen werden


Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen 219<br />

Rettungspotenzial<br />

durch punktuelles<br />

Begleiten von Kindern<br />

eher gering<br />

Zusätzliche<br />

Sicherheitsmassnahmen<br />

beim<br />

selbständigen Gehen<br />

der Kinder könnten<br />

jährlich schätzungsweise<br />

30–50<br />

Kinderunfälle<br />

verhindern<br />

• die Sichtbarkeit erhöht wird (die Aufmerksamkeit der Automobilisten<br />

kann dadurch früher auf den <strong>Fussverkehr</strong> gelenkt werden). Studien<br />

haben ergeben, dass 50 % der Kollisionen vermieden werden könnten,<br />

wenn ein Brems- oder Ausweichmanöver eine Sekunde früher eingeleitet<br />

worden wäre.<br />

Ansprechpartner für solche edukativen Massnahmen müssen im Fall der<br />

Kinder die Eltern, Bezugspersonen, Schulbehörden etc. sein. Senioren<br />

können einerseits direkt angesprochen werden oder ebenfalls über Mediatoren<br />

(Angehörige, Bezugspersonen, Betreuungspersonal etc.).<br />

Wie viele Kinder könnten in Zukunft durch punktuelles, aber konsequentes<br />

Begleiten vor einem Fussgängerunfall bewahrt werden? Im Zeitraum<br />

2000–2004 verunfallten zu Fuss jährlich 139 Kinder unter 10 Jahren schwer<br />

und 9 tödlich. Kindern wird bei Kollisionen zu rund 70 % eine (Mit-)Schuld<br />

zugeschrieben. Dass entwicklungsbedingte Defizite kognitiver und motivationaler<br />

Art dabei eine zentrale Rolle spielen dürften, ist insbesondere<br />

bei den Jüngeren anzunehmen. Gestützt wird diese Vermutung durch die<br />

Tatsache, dass es sich bei den Schuldzuweisungen meistens um unvorsichtiges<br />

Betreten der Fahrbahn (queren der Fahrbahn oder auf die<br />

Fahrbahn laufen/springen) handelt. Punktuelle Begleitung kann hier vielleicht<br />

vereinzelt Unfälle vermeiden helfen. Eine markante Reduktion der<br />

Unfälle ist aber kaum zu erwarten. Das Problem ist, dass niemand weiss,<br />

wann und wo welches Kind eine Begleitung braucht – und ständiges<br />

Begleiten ist weder erwünscht noch realistisch. Unfälle sind dispers und<br />

können überall jedem Kind aufgrund gewisser Faktoren passieren. Der<br />

Forderung nach punktuellem Begleiten bei schwierigen Verhältnissen wird<br />

daher ein geringes Rettungspotenzial zugeschrieben.<br />

Eine realistischere Forderung ist die Förderung verstärkter Sicherheitsmassnahmen<br />

bei selbstständigem zu Fuss Gehen etwa bzgl. Wegwahl,<br />

Sichtbarkeit, Querungsverhalten. Wie viele Kinder durch solche Massnahmen<br />

vor einem Unfall bewahrt werden könnten, ist schwer abzuschätzen.<br />

So ist z. B. nicht bekannt, wie viele der verunfallten Kinder auf relativ<br />

verkehrsarmen Strassen verunglückt sind oder wie viele mit Leuchtmaterialien<br />

unterwegs waren. Auch kann schwer abgeschätzt werden, wie<br />

gross der Nutzen z. B. einer besseren Sichtbarkeit tatsächlich ist. Studien<br />

belegen lediglich die enorme Vergrösserung der Sichtdistanzen z. B.


220 Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen<br />

Rettungspotenzial<br />

durch punktuelles<br />

Begleiten von<br />

Senioren eher gering<br />

Tabelle 72:<br />

Präventionsmöglichkeiten<br />

zur<br />

Reduzierung<br />

entwicklungs- und<br />

altersbedingter<br />

Defizite und<br />

Rettungspotenzial<br />

durch retroreflektierende oder fluoreszierende Materialen, nicht aber den tatsächlichen<br />

Einfluss auf das Unfallrisiko (s. Kap. VII.2.9 Sichtbarkeit, S. 139).<br />

Die Rettungspotenziale durch Variante a) punktuelles Begleiten bzw. b)<br />

verstärkte Sicherheitsmassnahmen bei selbständigem zu Fuss Gehen<br />

können aber nicht aufaddiert werden.<br />

Ähnliche Überlegungen können bezüglich älterer Menschen angestellt<br />

werden. Im Zeitraum 2000–2004 verunfallten jährlich durchschnittlich<br />

259 Fussgänger und Fussgängerinnen ab 65 Jahren schwer und 61 tödlich.<br />

Das entspricht zwei Drittel aller schwer oder tödlich verletzten zu<br />

Fuss Gehenden. Eine punktuelle Begleitung dürfte aufgrund der Tatsache,<br />

dass niemand weiss, wem wann und wo der nächste Unfall zustösst,<br />

wenig zur Reduktion dieser Unfälle beitragen. Zumal im Gegensatz zu<br />

den Kindern 70 % der Senioren gemäss Polizeirapporten ohne eigenes<br />

Verschulden verunfallen. Die Forderung nach verstärkten Sicherheitsmassnahmen<br />

bei selbständigem zu Fuss Gehen muss auch bei älteren<br />

Menschen der Forderung nach vermehrter Begleitung vorgezogen werden.<br />

Präventionsmöglichkeit Rettungspotenzial<br />

Sicherstellen einer punktellen Begleitung von unter 10jährigen<br />

Kindern bei schwierigen Verkehrsverhältnissen<br />

Sicherstellen einer Begleitung von Personen ab<br />

65 Jahren bei schwierigen Verkehrsverhältnissen<br />

Reduzierung der Risiken durch verstärkte Sicherheitsmassnahmen<br />

bei selbstständigem zu Fuss Gehen von<br />

unter 10-jährigen Kindern<br />

Reduzierung der Risiken durch verstärkte Sicherheitsmassnahmen<br />

bei selbstständigem zu Fuss Gehen von<br />

Personen ab 65 Jahren<br />

• sehr gering / ***** sehr gross<br />

3.2.2 Förderungsmassnahmen<br />

a) Punktuelles Begleiten der unter 10-jährigen Kinder bei schwierigen<br />

Verkehrsverhältnissen<br />

Eine Sensibilisierung der Bezugspersonen anhand edukativer Mittel kann<br />

dazu beigetragen, dass Kinder öfter begleitet werden. Sind Kinder ge-<br />

*<br />

*<br />

*(*)<br />

*(*)


Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen 221<br />

Pedibus als<br />

organisiertes<br />

Begleiten<br />

Punktuelles Begleiten<br />

kann im Einzelfall<br />

helfen<br />

Konkrete Handlungsanweisungen<br />

für<br />

Eltern<br />

meinsam unterwegs (etwa auf dem Schulweg, zu Anlässen, zu Freizeitaktivitäten<br />

etc.), sind konkrete Koordinierungsangebote möglich.<br />

Dieser Ansatz wird z. B. beim Konzept Pedibus gewählt. Der Pedibus –<br />

„Autobus auf Füssen“ – funktioniert wie ein Schulbus. Er steuert nach<br />

festem Fahrplan bestimmte (signalisierte) Haltestellen an und führt die<br />

„zusteigenden“ Kinder zur Schule und zurück. Der grosse Unterschied:<br />

Die Kinder gehen zu Fuss, begleitet von Erwachsenen. Der Pedibus ist<br />

eine mögliche organisatorische Massnahme, die zur Schulwegsicherung<br />

beiträgt. Er kann jedoch bauliche Sanierungen von Gefahrenstellen und<br />

Unfallschwerpunkten im Strassenverkehr nicht ersetzen.<br />

Ebenso wenig ersetzen Lösungen zur Schulwegsicherung (z. B. Pedibus)<br />

eine übergeordnete Netzplanung. Schulwegsicherung beschränkt sich<br />

nicht auf einen bestimmten Umkreis um die Schule oder gewisse Wege<br />

zur Schule, sondern muss das ganze Gemeindegebiet umfassen.<br />

Viele Kinder sind in ihrer Freizeit aber auch alleine oder mit Freunden<br />

unterwegs. Auch bei besserer Information der Eltern oder anderer wichtiger<br />

Bezugspersonen werden Kinderunfällen nicht verhindert werden können.<br />

Die Forderung nach vermehrtem punktuellem Begleiten wird kaum<br />

der grosse Durchbruch bei der Prävention von Kinderunfällen sein.<br />

b) Reduzierung der Risiken durch verstärkte Sicherheitsmassnahmen<br />

bei selbständigem zu Fuss Gehen der Kinder<br />

Der Schutz der Kinder durch diverse „kleine“ Massnahmen wie eine verkehrsarme<br />

Wegwahl, gute Sichtbarkeit durch entsprechende Kleidung<br />

und Hilfsmittel kann wiederum durch das Sensibilisieren der Bezugspersonen<br />

mittels direkter und/oder indirekter Kommunikation erfolgen (Gespräche,<br />

Vorträge, Elternabende und/oder Briefe, Plakate etc.).<br />

Es bestehen genügend Kanäle, wie Eltern auf die entwicklungsbedingten<br />

Defizite der Kinder aufmerksam gemacht werden können. Wichtig ist es,<br />

nicht nur zu informieren, sondern konkrete Handlungsanweisungen zu<br />

vermitteln: Wie können sie erwirken, dass problematische Querungssituationen<br />

entschärft oder die Geschwindigkeiten der Motorfahrzeuglenkenden<br />

in ihrer Gemeinde gesenkt werden? Wie kann vorgegangen werden,


222 Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen<br />

Verkehrserziehung<br />

der Kinder<br />

Verkehrserziehung<br />

der Kinder darf nicht<br />

zu falschen<br />

Erwartungen der<br />

Bezugspersonen<br />

führen<br />

Begleiten von<br />

Senioren bedürfte<br />

grundlegender<br />

gesellschaftlicher<br />

Veränderungen<br />

wenn auf dem Schulweg Sicherheitsdefizite vorhanden sind? Wenn den<br />

Eltern die richtige Kontaktperson in der Gemeinde genannt wird, erleichtert<br />

das erste Schritte sehr. Verkehrserziehungs-Abteilungen der Polizei<br />

z. B. beraten Eltern in Sachen “Sichere Schulwege“. Hilfreich sind aber auch<br />

Bezugsadressen von Sicherheitshilfen wie reflektierende Materialien.<br />

Die obligatorische Schule (Primar- und Sekundarstufe) ist die ideale Plattform,<br />

um Schülerinnen und Schüler betreffend Sicherheit/Unfallverhütung<br />

flächendeckend zu sensibilisieren. In rund der Hälfte aller Kantone ist die<br />

Verkehrserziehung in den Lehrplänen der obligatorischen Schulen<br />

verankert (AG, BE, GR, LU, NW, OW, SO, SZ, TG, UR, ZG, ZH).<br />

Verkehrsinstruktoren der Polizei besuchen jeweils zu Schulbeginn vor<br />

allem die Schülerinnen und Schüler der Kindergärten sowie der 1. und 2.<br />

Primarklassen (pro Jahr 1 bis 2 Lektionen). Dies ermöglicht grundlegende,<br />

vertrauensbildende Erstkontakte zwischen Eltern bzw. Schülern<br />

und der Polizei.<br />

Vor einigen Jahren wurde Verkehrserziehung im Rahmen von Sparmassnahmen<br />

mancherorts aus dem öffentlichen Budget gestrichen. Gemäss<br />

informellen Umfragen der bfu und des TCS ist in den nächsten Jahren<br />

glücklicherweise kein weiterer Abbau geplant. Wenn erzieherische Bemühungen<br />

gestrichen werden, müssen an deren Stelle vermehrt technische<br />

Lösungen (z. B. Verkehrsberuhigung, Tempo 30-Zonen) realisiert werden<br />

und diese sind in der Regel kostenintensiver.<br />

Es ist sinnvoll, die Eltern koordiniert mit der Verkehrserziehung ihrer Kinder<br />

anzusprechen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Kinder<br />

aufgrund des Besuchs des Verkehrsinstruktors nun in der Lage seien,<br />

sich gefahrlos im Verkehr zu bewegen.<br />

c) Punktuelles Begleiten älterer Menschen bei schwierigen<br />

Verkehrsverhältnissen<br />

Eine Sensibilisierung der Bezugspersonen anhand edukativer Mittel kann<br />

dazu beigetragen, dass ältere Menschen punktuell begleitet werden. Damit<br />

die Forderung nach einer vermehrten Begleitung von Senioren realistisch<br />

wäre, müssten diese vorerst besser sozial integriert sein. Eine gesellschaftliche<br />

Änderung in diese Richtung dauert Jahrzehnte.


Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen 223<br />

Gezielte<br />

Kommunikationskanäle<br />

oder<br />

massenmediale<br />

Ansätze?<br />

Tabelle 73:<br />

Massnahmen zur<br />

Reduzierung<br />

entwicklungsbedingter<br />

Defizite und<br />

Beurteilung<br />

d) Reduzierung der Risiken älterer Fussgänger durch verstärkte<br />

Sicherheitsmassnahmen<br />

Es gibt wenig etablierte Kanäle, über die Senioren direkt oder indirekt angesprochen<br />

werden könnten (Ärzteschaft, Altersheime, Pro Senectute).<br />

Aufgrund der demographischen Entwicklung wird der Anteil älterer Menschen<br />

in unserer Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten deutlich zunehmen<br />

(vorausgesetzt, die Geburtenrate oder der Anteil junger Ausländer<br />

ändert sich nicht deutlich). Es stellt sich die Frage, wann massenmediale<br />

Ansätze (Plakat- oder TV-Kampagnen mit grosser Breitenwirkung)<br />

gegenüber der Nutzung gezielter Kommunikationskanäle sinnvoller<br />

würden. Allerdings ist festzuhalten, dass massenmediale Interventionen<br />

alleine selten eine Verhaltensänderung bewirken (z. B. dass die angesprochenen<br />

Senioren mit Leuchtwesten unterwegs sein werden). Sie tragen<br />

eher dazu bei, die Bevölkerung für relevante gesellschaftliche Themen<br />

(wie Senioren als Fussgänger) zu sensibilisieren und so den Weg für<br />

wirksame Massnahmen wie z. B. Tempo-30-Zonen zu ebnen.<br />

Massnahme Beurteilung<br />

Informieren der Eltern und weiterer Bezugspersonen<br />

über die entwicklungsbedingten Defizite der Kinder bis<br />

9 Jahre und Aufforderung für verstärkte<br />

Sicherheitsmassnahmen etwa bzgl. punktuellem<br />

Begleiten, Wegwahl, Sichtbarkeit, Querungsverhalten<br />

Altersgerechte, obligatorische Verkehrserziehung (1.–<br />

9. Klasse) durch Fachpersonen mit Schwerpunkt<br />

<strong>Fussverkehr</strong> in den ersten Jahren<br />

Informieren der Angehörigen und anderer<br />

Bezugspersonen (Ärzte, Spitex, Pro Senectute) über<br />

die altersbedingten Defizite der Senioren und<br />

Aufforderung für verstärkte Sicherheitsmassnahmen<br />

etwa bzgl. punktuellem Begleiten, Wegwahl,<br />

Sichtbarkeit, Querungsverhalten<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(Wirksamkeit schwer<br />

abzuschätzen; eher<br />

geringes<br />

Rettungspotenzial)<br />

Sehr empfehlenswert<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(Wirksamkeit schwer<br />

abzuschätzen; eher<br />

geringes<br />

Rettungspotenzial)


224 Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen<br />

Wissen und<br />

Gefahrenbewusstsein<br />

sind wichtige<br />

Voraussetzungen für<br />

sicheres Verhalten<br />

Unvorsichtiges<br />

Betreten von<br />

Fussgängerstreifen<br />

nicht zentrale<br />

Unfallursache<br />

Rettungspotenzial nur<br />

grob schätzbar<br />

3.3 Kompetenz: Wissen und Gefahrenbewusstsein und deren<br />

Auswirkungen auf konkrete Verhaltensweisen<br />

3.3.1 Ausgangslage<br />

Verkehrsrelevantes Wissen, sicherheitsbewusste Einstellungen und ein<br />

adäquates Gefahrenbewusstsein müssen als Grundvoraussetzungen vorhanden<br />

sein, damit gefährliches Verhalten reduziert werden kann.<br />

Welche Verhaltensweisen die Fussgänger in besondere Gefahr bringen, zeigen<br />

die polizeilichen Unfallprotokolle. Demnach ist vor allem das unvorsichtige<br />

Betreten der Fahrbahn gefährlich (durch unvorsichtiges Gehen oder<br />

Springen über die Strasse, durch das Nicht-Benutzen eines Fussgängerstreifens<br />

oder ein Fehlverhalten bei einer Lichtsignalanlage). Schlechte Sichtbarkeit<br />

der Fussgänger zeigt sich beim Queren als zusätzlicher Risikofaktor.<br />

26 Weiter müssen Wissen und Gefahrenbewusstsein zum Thema<br />

Alkoholkonsum beeinflusst werden.<br />

Nicht selten wird in öffentlichen Debatten beanstandet, dass Fussgänger<br />

durch unvorsichtiges Betreten von Fussgängerstreifen selber an ihren<br />

häufigen Unfällen schuldig seien. Auswertungen der polizeilichen Unfallprotokolle<br />

zeigen ein anderes Bild: unvorsichtiges Queren (gehend oder<br />

springend/laufend) findet nur zu rund 10 % auf Fussgängerstreifen statt.<br />

Massnahmen mit dem Ziel, korrektes (defensives) Verhalten an Fussgängerstreifen<br />

zu fördern, sind in der Unfallprävention nicht zentral.<br />

3.3.2 Präventionsmöglichkeiten<br />

Methodisch ist nicht zu trennen, welche der verunfallten Kinder oder Senioren<br />

in Folge konkreter Wissenslücken verunfallen (z. B. weil sie die<br />

Vortrittsregeln gar nicht kennen) und welche in Folge entwicklungs- oder<br />

altersbedingter Defizite (d. h. Vortrittsregeln sind zwar bekannt, werden<br />

26 Zwar geben die Motorfahrzeuglenker relativ selten an, dass sie den Fussgänger<br />

wegen Unauffälligkeit zu spät erkannt haben. Zu Unfällen kommt es<br />

meistens durch das Missachten der Anhaltepflicht vor dem Fussgängerstreifen<br />

oder durch Unaufmerksamkeit/Ablenkung der Motorfahrzeuglenker. In beiden<br />

Fällen kann eine gute Sichtbarkeit der Fussgänger das Unfallrisiko vermindern.


Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen 225<br />

Verkehrserziehung<br />

bei Kindern<br />

notwendige<br />

Sockelmassnahme<br />

Edukation notwendig,<br />

aber nicht hinreichend<br />

Verkehrserziehung<br />

bei Senioren nicht<br />

effiziente Massnahme<br />

aber nicht korrekt umgesetzt). In diesem Kapitel interessieren nur erstere,<br />

d. h. Unfälle, die aufgrund beeinflussbarer Defizite passieren.<br />

70 % der Unfallopfer bis 14 Jahre sind bei Fussgängerunfällen zumindest<br />

mitschuldig. Verkehrserziehung ist deshalb zweifellos sinnvoll. Dabei ist<br />

insbesondere wichtig, das Queren (mit und ohne Vortrittshilfe) zu üben.<br />

Sinnvoll ist ausserdem, das Gefahrenbewusstsein der Kinder zu fördern,<br />

indem z. B. auf eindrückliche Art und Weise die Wirkung von retroreflektierenden<br />

Materialien oder Lichtkörpern demonstriert wird. Auch anschauliche<br />

Experimente zum Anhalteweg von Motorfahrzeugen können sich<br />

positiv auf das Gefahrenbewusstsein auswirken. Diese edukativen Bemühungen<br />

dürfen aber nicht zur Schlussfolgerung verleiten, dass aus den<br />

Kindern zuverlässige Verkehrsteilnehmer werden.<br />

In diesem Sinn ist Verkehrserziehung bei Kindern absolut notwendig, aber<br />

nicht hinreichend. Mit Sicherheit sind weitere Massnahmen notwendig, um<br />

die Sicherheit der Kinder zu verbessern. Zentral sind z. B. bauliche,<br />

rechtliche und edukative Massnahmen zur Förderung eines fussgängerfreundlichen<br />

Geschwindigkeitsmanagements.<br />

Macht Verkehrserziehung bei betagten Fussgängern ebenfalls Sinn? Pro<br />

Jahr verunfallen rund 320 Fussgänger über 64 Jahre schwer oder tödlich.<br />

70 % von ihnen verunfallen gemäss offiziellen Unfallprotokollen ohne eigene<br />

Schuld. Von den demnach knapp 100 Senioren mit fehlbarem Verhalten<br />

wurde bei 60 % das allgemeine Fehlverhalten ‚unvorsichtiges Queren’<br />

festgehalten. Als zweithäufigster Grund wird das Nicht-Benutzen eines<br />

Fussgängerstreifens genannt. Ob dieses unvorsichtige Verhalten die<br />

Folge fehlenden Wissens oder die Folge altersbedingter Defizite (trotz<br />

vorhandenem Wissen) ist, kann nicht beantwortet werden. Plausibel ist,<br />

dass vielen Senioren der Umweg zum nächsten Fussgängerstreifen – innerhalb<br />

von 50 Metern muss dieser benutzt werden – zu umständlich ist.<br />

Dieses Verhalten widerspiegelt die allgemeine Umwegempfindlichkeit der<br />

Fussgänger – die bei Senioren verständlicherweise noch ausgeprägter zu<br />

sein scheint. Die Umwegempfindlichkeit lässt sich nicht „wegerziehen“<br />

(wirksamer ist die Anpassung der Infrastruktur, s. Kap. VIII.6<br />

Strasseninfrastruktur, S. 296). Eventuell könnte ein ausgeprägteres Gefahrenbewusstsein<br />

die Senioren vor einem unvorsichtigen Queren ohne


226 Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen<br />

Verkehrserziehung<br />

bei Jugendlichen ja,<br />

aber nicht bezogen<br />

auf <strong>Fussverkehr</strong><br />

Verkehrserziehung<br />

bei Erwachsenen<br />

wenig Erfolg<br />

versprechend<br />

Fussgängerstreifen bewahren. Insgesamt ist allerdings von einem geringen<br />

Rettungspotenzial auszugehen.<br />

Auch Jugendliche sollten in den Genuss von Verkehrserziehung kommen.<br />

Hier muss aufgrund der Unfallzahlen aber weniger das zu Fuss Gehen<br />

das zentrale Thema sein, sondern das Velofahren und der Umgang mit<br />

motorisierten Fahrzeugen: Ein Drittel der schwer verletzten und getöteten<br />

12- bis 16-Jährigen verunfallen mit dem Velo, ein Viertel mit dem Mofa<br />

und 15 % zu Fuss (betrachtet man nur die Getötetenzahlen, ist die proportionale<br />

Verteilung analog). Die Jugendlichen machen an der Anzahl<br />

schwer verletzter oder getöteter Fussgänger lediglich einen geringen Anteil<br />

aus (s. Tabelle 10, S. 88).<br />

Knapp 40 % der schwer oder tödlich verunfallten Fussgänger sind zwischen<br />

18 und 64 Jahren. 57 % von ihnen kollidieren ohne Schuld mit einem<br />

Fahrzeug. Pro Jahr ist somit von rund 155 am Unfall mitschuldigen<br />

Erwachsenen auszugehen. Die von der Polizei zugeschriebenen Fehlverhaltensweisen<br />

beziehen sich doppelt so oft auf unvorsichtiges Gehen<br />

oder Springen über die Strasse als auf Nicht-Benutzen des Fussgängerstreifens<br />

oder falsches Verhalten bei Lichtsignalanlage). Diese Verhaltensweisen<br />

deuten nicht auf Wissensdefizite hin, eher auf ein nicht adäquates<br />

Gefahrenbewusstsein. Es dürfte sehr schwierig sein, z. B. mit Plakatkampagnen<br />

– im Sinne von „Vorsicht beim Queren!“ – das Gefahrenbewusstsein<br />

der Erwachsenen verhaltenswirksam zu beeinflussen. Massenmedial<br />

vermittelte Botschaften wirken sich eher auf das konkrete Verhalten<br />

aus, wenn sie sehr konkret sind (z. B. „Der nächste Fussgängerstreifen<br />

ist ganz nah!“). Der hohen Umwegempfindlichkeit der Fussgänger<br />

dürfte damit dennoch kaum entgegenzuwirken sein. Sinnvoller sind Infrastrukturmassnahmen<br />

(s. Kap. VIII.6 Strasseninfrastruktur, S. 296). Der<br />

Vollständigkeit halber soll als möglicher Ansatz auch die Verkehrserziehung<br />

durch direkte Kontaktaufnahme mit erwachsenen Fussgängern erwähnt<br />

werden. Da bereits bei der Verkehrserziehung der Kinder die Mittel<br />

fehlen, ist an ein Ausdehnen des Handlungsfeldes realistischerweise nicht<br />

zu denken. Zudem bestehen für Erwachsene wenig etablierte Kommunikationskanäle<br />

für eine direkte Kontaktaufnahme.


Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen 227<br />

Wenn Verkehrserziehung<br />

bei<br />

Erwachsenen, dann<br />

Gefahrenbewusstsein<br />

für Alkohol schärfen<br />

Tabelle 74:<br />

Präventionsmöglichkeiten<br />

zur<br />

Wissensvermittlung,<br />

zur Förderung<br />

sicherheitsbewusster<br />

Einstellungen und<br />

eines adäquaten<br />

Gefahrenbewusstseins<br />

und<br />

Rettungspotenzial<br />

Alkoholkonsum wird bei 18- bis 64-Jährigen rund 30 Mal pro Jahr als<br />

mögliche Unfallursache polizeilich registriert (ähnlich häufig wie z. B. das<br />

Nicht-Benutzen eines Fussgängerstreifens und mehr als doppelt so oft<br />

wie z. B. falsches Verhalten bei Lichtsignalanlage). Übermässiger Alkoholkonsum<br />

als Fussgänger-Problem ist aber – im Gegensatz zum falschen<br />

Verhalten bei Lichtsignalanlagen – kaum im öffentlichen Bewusstsein.<br />

Spezifische edukative Massnahmen sind wenig sinnvoll, da das<br />

Rettungspotenzial mit weniger als 3 % aller Fussgänger-Unfälle gering ist.<br />

Insgesamt ist festzustellen, dass Erwachsene gemessen an ihrer Exposition<br />

ein massiv geringeres Unfallrisiko haben als Kinder oder ältere Menschen.<br />

Da Erwachsene in ihrer Rolle als Fussgänger ohnehin schwierig<br />

anzusprechen sind (zumal sie sich oft gar nicht als Verkehrsteilnehmer<br />

fühlen), ist von einer spezifisch auf diese Altersgruppe zugeschnittenen<br />

edukativen Massnahme eher abzusehen.<br />

Präventionsmöglichkeit Rettungspotenzial<br />

Verbesserung von verkehrsrelevantem Wissen,<br />

sicherheitsbewussten Einstellungen und adäquatem<br />

Gefahrenbewusstsein bezüglich Fussgängersicherheit bei<br />

Kindern<br />

Verbesserung von verkehrsrelevantem Wissen,<br />

sicherheitsbewussten Einstellungen und adäquatem<br />

Gefahrenbewusstsein bezüglich Fussgängersicherheit bei<br />

Jugendlichen<br />

Verbesserung von verkehrsrelevantem Wissen,<br />

sicherheitsbewussten Einstellungen und adäquatem<br />

Gefahrenbewusstsein bezüglich Fussgängersicherheit bei<br />

Erwachsenen<br />

Verbesserung von verkehrsrelevantem Wissen,<br />

sicherheitsbewussten Einstellungen und adäquatem<br />

Gefahrenbewusstsein bezüglich Fussgängersicherheit bei<br />

älteren Menschen<br />

Spezifische Massnahmen zur Förderung eines korrekten<br />

(defensiven) Begehens von Fussgängerstreifen<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

Nicht abschätzbar<br />

(Verkehrserziehung<br />

Sockelmassnahme)<br />

(*)<br />

(*)*<br />

(*)<br />

(*)


228 Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen<br />

Erfahrungen können<br />

in positiver wie in<br />

negativer Richtung<br />

verstärken<br />

Kontrolltätigkeit der<br />

Polizei<br />

Direkte Schulung von<br />

jüngeren Kindern<br />

Obligatorische<br />

Verkehrserziehung<br />

3.3.3 Förderungsmassnahmen<br />

Neben dem vermittelten Lernen via Elternhaus, Schule, Gleichaltrige oder<br />

Medien prägen auch die eigenen Erfahrungen im Verkehrsraum die Einstellung<br />

zum Thema Sicherheit. Wer einmal schlechte Erfahrungen gemacht<br />

hat, wird vermutlich das nächste Mal besser aufpassen. Solche<br />

Lernprozesse gelten allerdings primär für Erwachsene und auch bei ihnen<br />

wirken sie oft nur über eine beschränkte Zeitdauer. Ebenso werden positive<br />

Erfahrungen verstärkt: Jedes Mal wenn man trotz rot über die Strasse<br />

geht und nichts passiert, erlebt man eine positive Verstärkung. Somit gibt<br />

es keinen Grund, das nächste Mal vom regelwidrigen Verhalten abzusehen.<br />

Das Gefahrenbewusstsein wird durch die subjektive Wahrnehmung der<br />

Kontrolltätigkeit der Polizei beeinflusst. Wer nicht wahrnimmt, dass regelwidriges<br />

Verhalten kontrolliert wird, geht nicht davon aus, dass es sich<br />

um ein schlimmes Delikt handelt.<br />

Bei den Kindern gilt es, den Grundstein der Sicherheitserziehung zu legen.<br />

Informationsvermittlung muss primär direkt (von Angesicht zu Angesicht)<br />

erfolgen, d. h. über Eltern oder andere Bezugspersonen wie Lehrkräfte<br />

oder Verkehrsinstruktoren. Gerade Verkehrsinstruktoren haben bei<br />

Kindern ein hohes Ansehen: Was der Polizist ein Mal sagt, bleibt nachhaltiger<br />

in den Kinderköpfen, als was die Eltern 100 Mal sagen.<br />

Eine professionelle Verkehrserziehung sollte ab Kindergarten (bis zur 9.<br />

Klasse) obligatorisch sein. Der Schwerpunkt muss je nach Alter unterschiedlich<br />

sein: In den ersten Jahren sollte er auf dem zu Fuss Gehen<br />

liegen, später beim Radfahren, das seine Bedeutung während der obligatorischen<br />

Schulzeit nicht verliert. Ab 14 Jahren ist zusätzlich der Umgang<br />

mit motorisierten Fahrzeugen zu thematisieren. Als absolutes Minimum<br />

gilt eine jährliche Schulungseinheit von mehreren Stunden.<br />

Für zu Fuss gehende Kinder sollten Themen wie Wegwahl, Sichtbarkeit,<br />

Verhalten im Strassenraum allgemein und sicheres Queren im Besonderen<br />

im Mittelpunkt der Verkehrserziehung stehen.


Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen 229<br />

Einbezug der Eltern<br />

wichtig<br />

Positive<br />

Beeinflussung von<br />

Wissen und Verhalten<br />

durch Verkehrserziehung<br />

möglich<br />

Obligatorische<br />

Verkehrserziehung<br />

Der Einbezug der Eltern bei der Schulung der Kinder ist sehr wichtig. Es<br />

darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Kinder durch die Schulung<br />

nun gefahrlos am Verkehr teilnehmen können. Im Verkehrsunterricht werden<br />

nur basale Kenntnisse vermittelt. Unter 10-jährige Kinder beim zu<br />

Fuss Gehen zu begleiten, ist trotz Verkehrsunterricht oft sinnvoll. Eltern<br />

und weitere Bezugspersonen können direkt z. B. bei Elternabenden, Vorträgen<br />

etc. oder indirekt z. B. mit Briefen, Broschüren, TV-Spots etc. angesprochen<br />

werden.<br />

3.3.4 Massnahmenbeurteilung<br />

Duperrex, Bunn & Roberts (2002) kommen in einer systematischen Review-Arbeit<br />

zum Schluss, dass Verkehrserziehung bei Fussgängern deren<br />

Wissen und beobachtbares Verhalten beeinflussen kann, aber nicht in<br />

jedem Fall muss. Lediglich 15 Studien erfüllten die festgelegten methodischen<br />

Kriterien. Davon untersuchten 14 Studien den Erfolg der Verkehrserziehung<br />

bei Kindern. Diese erreicht die Kinder in 8 Studien direkt und in<br />

6 über ihre Eltern. In keiner der Studie wurde der Zusammenhang zwischen<br />

Verkehrserziehung und Unfallwahrscheinlichkeit untersucht. Duperrex<br />

et al. (2002) halten fest, dass Evidenz dafür besteht, dass Wissenszunahme<br />

und sichereres Verhalten in Folge von Verkehrserziehung keine<br />

anhaltende Effekte sind. Sicherheitserziehung muss daher in regelmässigen<br />

Intervallen wiederholt werden.<br />

Die European Child Safety Alliance und die European Association for Injury<br />

Prevention and Safety Promotion (MacKay, Vincenten, Brussoni &<br />

Towner, 2006, S. 10) halten in der gemeinsamen Publikation „Child Safety<br />

Good Practice Guide“ ebenfalls an der Verkehrserziehung für Kinder bis<br />

14 Jahren fest.<br />

Die Schweiz tut gut daran, Kindern eine professionelle und kontinuierliche<br />

Verkehrserziehung während der obligatorischen Schulzeit zu gewähren.<br />

Diese muss den Möglichkeiten und den Interessen der Kinder entsprechen.<br />

Wichtig ist, dass Angebote handlungsorientiert und auf Unfallursachen<br />

fokussiert sind.


230 Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen<br />

Massenmediale<br />

Ansätze wenig<br />

sinnvoll<br />

Tabelle 75:<br />

Massnahmen zur<br />

Wissensvermittlung<br />

und Förderung<br />

sicherheitsbewusster<br />

Einstellungen und<br />

Beurteilung<br />

Neuere Ansätze, wie sie z. B. am 72th RoSPA27 National Road Safety<br />

Congress im Februar 2007 in England vorgestellt wurden, sind auch für<br />

die Schweiz prüfenswert. Im Pilotprojekt „kerbcraft“ (s. www.kerbcraft.org)<br />

wird viel Wert darauf gelegt, dass die Kinder in Zweier- oder Dreiergruppen<br />

eigene Lösungsansätze für das Queren einer Strasse (zwischen parkierten<br />

Autos oder an Kreuzungen) finden. Dieses Vorgehen wird der<br />

Präsentation einer pfannenfertigen Lösung durch den Verkehrsinstruktor<br />

vorgezogen. Eine weitere interessante Methode wird unter dem Stichwort<br />

„draw and write“ diskutiert: Kinder zeichen sich (oder andere) in einer gefährlichen<br />

Situation und schreiben in Sprechblasen auf die Zeichnung,<br />

was zu tun ist, um der Gefahr zu entkommen (Backett-Milburn & McKie,<br />

1999). Beide Ansätze betonen die Wichtigkeit der konstruktiven Mitwirkung<br />

der Kinder selber bei der Entwicklung von Lösungsansätzen.<br />

Damit Kinder im Strassenverkehr eigene Erfahrungen sammeln können,<br />

ist der Transport der Kinder mit dem PW keine sinnvolle Alternative.<br />

Massenmediale Ansätze (z. B. Plakatkampagnen oder TV-Spots) sind<br />

sicher nicht geeignet, um Kinder konkretes Wissen zu vermitteln oder ihr<br />

Gefahrenbewusstsein handlungswirksam zu beeinflussen. Kampagnen,<br />

die erwachsenen Fussgängern oder Senioren Wissen vermitteln oder ihr<br />

Gefahrenbewusstsein schärfen, sind aufgrund der oben aufgeführten<br />

Gründe nicht unbedingt zu empfehlen. Sie sind allenfalls örtlich punktuell<br />

sinnvoll bei der Einführung neuer Verkehrszonen wie Tempo-30, bei ganz<br />

spezifischen Themen wie übermässiger Alkoholkonsum oder bei der Einführung<br />

neuer Gesetze. Massenmediale Massnahmen sind wirkungsvoller,<br />

wenn sie durch Aktionen der Polizei ergänzt werden.<br />

Massnahme Beurteilung<br />

Altersgerechte, obligatorische<br />

Verkehrserziehung durch Fachperson<br />

(1. – 9. Klasse) mit Schwerpunkt <strong>Fussverkehr</strong><br />

in den ersten Jahren<br />

Kampagnen für Wissensvermittlung und<br />

Steigerung des Gefahrenbewusstseins von<br />

Fussgängern allgemein<br />

Kampagnen zur Förderung eines<br />

zurückhaltenderen (defensiven) Begehens<br />

von Fussgängerstreifen<br />

27 The Royal Society for the Prevention of Accidents RoSPA<br />

Sehr empfehlenswert<br />

bedingt empfehlenswert<br />

(Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht<br />

zufriedenstellend)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da schlechtes Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis)


Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen 231<br />

Fehlende Eignung der<br />

Kinder durch<br />

Sensibilisierung der<br />

Eltern kompensieren<br />

3.4 Zusammenfassung<br />

Kinder bis 14 Jahre machen rund 17 % der zu Fuss schwer oder tödlich<br />

Verunfallten aus. Aufgrund ihrer entwicklungsbedingten Defizite im Bereich<br />

der Wahrnehmung, Informationsverarbeitung, Konzentrationsfähigkeit<br />

etc. ist ihre Eignung als Verkehrsteilnehmer in Frage zu stellen. Es<br />

wäre empfehlenswert, Kinder bis ins Alter von rund 10 Jahren im Verkehr<br />

– auch als Fussgänger – zu begleiten. Da dieser Forderung Grenzen gesetzt<br />

sind, bleibt die Möglichkeit, Kinder beim selbstständigen zu Fuss<br />

Gehen optimal zu schützen. Massgebend sind dabei eine geeignete<br />

Wegwahl, sicheres Verhalten beim Queren in diversen Situationen (z. B.<br />

mit und ohne Fussgängerstreifen) und eine gute Sichtbarkeit der Kinder.<br />

Eltern und andere Bezugspersonen können sensibilisiert werden, damit<br />

sie ihre Schützlinge diesbezüglich optimal vorbereitet auf den Weg schicken.<br />

Diese Sensibilisierung kann direkt (z. B. durch Vorträge, direktes<br />

Ansprechen durch die Lehrpersonen) oder indirekt (via Informationsbroschüren,<br />

Plakatkampagnen etc.) erfolgen.<br />

Eine handlungsfokussierte Sensibilisierung von Eltern und weiterer Bezugspersonen<br />

ist relativ aufwändig und die Wirkung ungewiss. Angesichts<br />

des eher geringen Rettungspotenzials selbst bei einer maximalen Wirkung,<br />

d. h., wenn alle kontaktierten Eltern die kommunizierten Vorsichtsmassnahmen<br />

umsetzen würden, könnten so kaum mehr als rund 3 % aller<br />

schwer oder tödlich verunfallter Fussgänger verhindert werden. Von<br />

derartigen Kommunikationsmassnahmen darf somit nur eine mässige<br />

Verbesserung der Sicherheitssituation der Fussgänger erwartet werden.<br />

Senioren ab 65 Jahren machen rund 35 % aller schwer oder tödlich verunfallten<br />

Fussgänger aus. Angesicht der – ab einem sehr individuellen<br />

Zeitpunkt vorhandenen – altersbedingten Defizite sind nicht mehr alle Senioren<br />

den Anforderungen des Verkehrs gewachsen. Damit sie dennoch<br />

mobil sein können, wäre eine Begleitung sinnvoll. Sei es, um sie vor eigenem<br />

unsicherem Verhalten zu bewahren, sei es, sie vor Fehlern anderer<br />

zu schützen. Die Forderung nach einer Begleitung für Senioren ist aber<br />

noch realitätsfremder als jene für Kinder. Bleibt auch hier die Sensibilisierung<br />

von Angehörigen und Bezugspersonen. Auch hier gilt, dass die Wirkung<br />

von Kommunikationsmassnahmen – mit dem Ziel den Senioren sichereres<br />

Verhalten zu vermitteln – ungewiss ist. Auch bei guter Wirkung


232 Prävention – Fussgänger und Fussgängerinnen<br />

Obligatorische<br />

Verkehrserziehung<br />

von der 1. bis zur<br />

9. Klasse<br />

Im Schulstoff<br />

integrierte Sicherheitsthemen<br />

gewährleisten<br />

Kontinuität<br />

Massenmediale<br />

Kampagnen können<br />

sensibilisieren und als<br />

Handlungsreiz wirken<br />

wäre aufgrund des eher geringen Rettungspotenzials (nur 30 % der Seniorenunfälle<br />

sind selbstverschuldet) der Nutzen für die Fussgänger insgesamt<br />

gering.<br />

Die ungenügende Eignung der Kinder und mancher Senioren kann nicht<br />

durch Verkehrserziehung wettgemacht werden. Daher wurden oben Möglichkeiten<br />

beschrieben, wie ihre Sicherheit anderweitig optimiert werden<br />

könnte. Was aber geschult werden kann, sind mögliche Kompetenzdefizite<br />

bezüglich Wissen, Einstellungen oder Gefahrenbewusstsein.<br />

Sinnvoll wäre eine obligatorische, professionelle Verkehrserziehung ab<br />

dem Kindergarten bis zur 9. Klasse. Das richtige Verhalten als Fussgänger<br />

müsste in den ersten Jahren das zentrale Thema sein – aber auch<br />

unter Jugendlichen gibt es eine beachtliche Zahl an Fussgängerunfällen<br />

(wenn Unfälle mit Velos oder Mofas auch überwiegen). Als absolutes Minimum<br />

gilt eine jährliche Schulungseinheit von mehreren Stunden. Wichtig<br />

ist der Einbezug der Eltern, damit nicht die Irrmeinung entsteht, die<br />

Kinder seien nach dem Besuch des Verkehrsinstruktors nun zu zuverlässigen<br />

Verkehrsteilnehmern geworden. Die Verkehrserziehung ist eine<br />

notwendige, aber keine hinreichende Massnahme.<br />

Eine durch Fachpersonen erteilte Verkehrserziehung kann nur sehr<br />

punktuell stattfinden (ein- bis zweimal jährlich). Um eine gewisse Kontinuität<br />

zu erreichen, können zusätzlich als integrativer Teil des Schulstoffs<br />

Sicherheitsaspekte thematisiert werden. Das ist in allen Schulfächern<br />

möglich.<br />

Massenmediale Kampagnen sind sicher nicht geeignet, um Kinder und<br />

Jugendliche für sicheres Handeln im Verkehr zu motivieren – der direkte<br />

Kontakt ist vorzuziehen.<br />

Kampagnen mit Plakaten oder TV-Spots sind zwar denkbar, um das Gefahrenbewusstsein<br />

der Erwachsenen oder Senioren zu schärfen (vor allem<br />

bezüglich unvorsichtigem Queren, geringer Sichtbarkeit und Alkohol),<br />

aber die Wirkung solcher Ansätze dürfte gering sein. Sinnvoll können<br />

punktuelle Informationen bei der Einführung neuer Gesetze oder örtlich<br />

neuer Verkehrssituationen (z.B. Tempo-30-Zonen) sein. Solche Massnahmen<br />

sind jeweils mit polizeilichen Kontrollen zu kombinieren.


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 233<br />

Thematisiert werden<br />

dispositive Faktoren<br />

und konkrete<br />

Verhaltensaspekte<br />

4. Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

4.1 Einleitung<br />

Im vorliegenden Kapitel wird aufgezeigt, wie die Sicherheit der Fussgänger<br />

erhöht werden kann, indem auf die Fahrzeuglenkenden als potenzielle<br />

Kollisionsgegner Einfluss genommen wird. Dabei beziehen sich die Aussagen<br />

primär auf die MFZ-Lenkenden als Hauptkollisionsgegner der<br />

Fussgänger. Trotz des teilweise recht offensiven und seitens der Fussgänger<br />

oftmals beklagten Fahrverhaltens der Radfahrenden stellen diese<br />

kein vordringliches Problem für die Fussgängersicherheit dar.<br />

Bei der Darstellung der Präventionsmöglichkeiten werden sowohl direkt<br />

beobachtbare Verhaltensaspekte thematisiert als auch die drei dispositiven<br />

Faktoren Fahreignung, -fähigkeit und -kompetenz, die als Grundvoraussetzungen<br />

für eine sichere Teilnahme am Strassenverkehr zu verstehen<br />

sind.<br />

Fahreignung: Es wird ausschliesslich auf psychomotorische Defizite<br />

(d. h. Beeinträchtigungen der Wahrnehmungs-, Motorik- und Kognitionsleistungen)<br />

eingegangen (Kap. VIII.4.2, S. 234); charakterliche Nicht-Eignung,<br />

welche bei massivem oder wiederholtem verkehrsdelinquenten<br />

Verhalten angenommen wird, wird nicht thematisiert, da die entsprechende<br />

Lenkergruppe in Hinblick auf das Gesamtunfallgeschehen der<br />

Fussgänger von vernachlässigbarer Bedeutung ist.<br />

Fahrfähigkeit: Die Fahrfähigkeit wird in zwei Kapiteln behandelt. Thematisiert<br />

werden einerseits exogene (d. h. substanzbedingte) und andererseits<br />

endogene Beeinträchtigungen der Fahrfähigkeit. Unter Ersteres fällt<br />

der Konsum von Alkohol, illegalen Drogen und Medikamenten<br />

(Kap. VIII.4.3, S. 239); im Bereich der endogenen Beeinträchtigungen<br />

werden die Unaufmerksamkeit/Ablenkung und die Müdigkeit thematisiert<br />

(Kap. VIII.4.4, S. 248).<br />

Fahrkompetenz: Welche Möglichkeiten zur Verbesserung der Fahrkompetenz,<br />

v. a. der psychologischen Fahrkompetenz im Sinne der Gefahren-<br />

kognition und Selbstkontrolle, bestehen, wird in Kap. VIII.4.5, S. 254,<br />

aufgezeigt.


234 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Sehvermögen ist ein<br />

zentraler Bereich der<br />

Fahreignung<br />

Beeinträchtigungen<br />

der Fahreignung<br />

kommen<br />

hauptsächlich bei<br />

Senioren vor<br />

Fahrverhalten: Die zentralsten Aspekte des Fahrverhaltens, die mit der<br />

Sicherheit der Fussgänger zusammenhängen, liegen einerseits im<br />

Geschwindigkeitsverhalten (Kap. VIII.4.6, S. 257) und anderseits in der<br />

Vortrittsgewährung am Fussgängerstreifen und beim Rückwärtsfahren<br />

(Kap. VIII.4.7, S. 265).<br />

4.2 Fahreignung: Psychomotorische Beeinträchtigungen<br />

4.2.1 Ausgangslage<br />

Die Fahreignung der Fahrzeuglenkenden kann durch eine Vielzahl sensomotorischer<br />

Faktoren eingeschränkt sein und infolgedessen das <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

der Fussgänger mitbeeinflussen. Den Sehdefiziten kommt dabei<br />

die grösste Bedeutung zu.<br />

Sensomotorische Einschränkungen der Fahreignung korrelieren eindeutig<br />

mit dem Alter (vgl. Noy, 1996). Bei Senioren kommen Einschränkungen nicht<br />

nur häufiger vor, sie sind auch stärker ausgeprägt. Somit erstaunt es<br />

nicht, dass betagte Fahrzeuglenkende ein erhöhtes Risiko aufweisen, mit<br />

einem Fussgänger zu kollidieren (s. Kap. VII.3.17 Soziodemographische<br />

Risikogruppen, S. 177). Zwar ist das Fahrverhalten der Senioren durch<br />

einen langsamen und vorsichtig-defensiven Fahrstil gekennzeichnet, es<br />

scheint jedoch so, dass dieses vorbildliche Kompensationsverhalten nicht<br />

ausreicht, um ihre Defizite auszugleichen.<br />

Das Thema Fahreignung darf jedoch nicht auf betagte Fahrzeuglenkende<br />

eingeschränkt werden. Auch bei Lenkenden im berufstätigen Alter<br />

kommen sensomotorische Einschränkungen vor. Trotz des selteneren<br />

Vorkommens von Beeinträchtigungen in diesem Alterssegment, darf diese<br />

Altersgruppe nicht vernachlässigt werden, da sie sich im Gegensatz zu<br />

den meisten Senioren ihrer Beeinträchtigungen oftmals nicht bewusst ist.


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 235<br />

Eine Person kann<br />

mehr oder weniger<br />

fahrgeeignet sein<br />

Bei mangelnder<br />

Eignung stellt sich die<br />

Frage der Selektion<br />

4.2.2 Präventionsmöglichkeiten<br />

Oftmals basiert die Forderung nach „verkehrsgerechten“ Menschen naiverweise<br />

auf einem dichotomen Konzept der Fahreignung: Eine Person<br />

ist entweder geeignet oder ungeeignet und darf demgemäss entweder<br />

den Führerausweis erwerben/besitzen oder eben nicht. Realitätsgerechter<br />

ist das Konzept der kontinuierlichen Fahreignung. Gemäss diesem Ansatz<br />

weisen Personen eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Fahreignung<br />

auf. So trivial diese konzeptionelle Unterscheidung auch erscheinen mag,<br />

für die praktische Präventionsarbeit hat sie eine entscheidende Konsequenz.<br />

Durch den Denkansatz der kontinuierlichen Fahreignung verlagert<br />

sich nämlich die Präventionsperspektive: Es geht weniger darum, fahrungeeignete<br />

Personen von der aktiven motorisierten Verkehrsbeteiligung<br />

auszuschliessen, als vielmehr sicherzustellen, dass sensomotorische Defizite<br />

nicht zur Gefahr werden. Das gelingt beispielsweise, indem ein den<br />

Beeinträchtigungen angepasstes Fahrverhalten gefördert wird. Die Anpassung<br />

des Fahrverhaltens stellt sich oftmals von alleine ein, d. h. ohne<br />

externe Intervention. Trotzdem kann und muss dieser Lösungsweg mit<br />

gezielter Einflussnahme zusätzlich gefördert werden. Zudem können auch<br />

auf der Seite der Motorfahrzeuge technische Lösungen gefördert werden, um<br />

Leistungseinbussen der Lenkenden aufzufangen (s. Kap. VIII.5.5, S. 285).<br />

Es ist selbstredend, dass es bei der Frage der Fahreignung auch um die<br />

Selektion von nicht (mehr) fahrgeeigneten Personen geht. Wenn die sensomotorischen<br />

Defizite zu ausgeprägt sind, sodass eine sichere Verkehrsteilnahme<br />

als Fahrzeuglenker/-in nicht mehr möglich ist, muss zum<br />

Schutz anderer Verkehrsteilnehmender, aber auch im Interesse des Betroffenen<br />

selbst die Fahrerlaubnis entzogen werden.<br />

Bei Senioren darf aufgrund der empirischen Befunde die Forderung nach<br />

verkehrsgerechten Menschen nicht mit einer fixen Altersgrenze im Sinne<br />

einer generellen Auslese realisiert werden. Selbst bei der Auslese anhand<br />

sensomotorischer Leistungskriterien muss im Sinne eines ganzheitlichen<br />

Beurteilungsansatzes die Möglichkeit der Verhaltenskompensation berücksichtigt<br />

werden.<br />

Fazit: Die Präventionsmöglichkeiten, mit denen verhindert werden soll,<br />

dass eine durch sensomotorische Defizite beeinträchtige Fahreignung zur<br />

Verkehrsgefahr wird, umfassen drei Aspekte:


236 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Tabelle 76:<br />

Präventionsmöglichkeit<br />

‚Sicherstellung der<br />

Fahreignung’ und<br />

Rettungspotenzial<br />

Der Gesetzgeber<br />

setzt medizinische<br />

Mindestanforderungen<br />

fest<br />

Überprüfung findet<br />

bei Fahranfängern<br />

und Senioren statt<br />

• MFZ-Lenkende müssen ihre verkehrsrelevanten Leistungsdefizite (insbesondere<br />

was die Beeinträchtigung des Dämmerungs- und Nachtsehens<br />

betrifft) und die damit einhergehenden Gefahren kennen.<br />

• MFZ-Lenkende mit sensomotorischen Beeinträchtigungen müssen ihr<br />

Fahrverhalten (auf freiwilliger Basis oder gezwungenermassen) anpassen.<br />

• Für den Fall, dass die Beeinträchtigungen zu ausgeprägt sind, als dass<br />

ein sicheres Fahrverhalten noch möglich ist, muss sichergestellt sein,<br />

dass die Fahrerlaubnis eingeschränkt oder entzogen wird.<br />

Präventionsmöglichkeit Rettungspotenzial<br />

Sicherstellung der Fahreignung resp. der<br />

Verhaltenskompensation bei vorhandenen<br />

Leistungsbeeinträchtigungen<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

Nachfolgend wird dargelegt, wie die oben genannten Präventionsmöglichkeiten<br />

umgesetzt werden können.<br />

4.2.3 Förderungsmassnahmen<br />

a) Legislative Förderungsmassnahmen<br />

Geltende Gesetzeslage: Gemäss VZV28 müssen MFZ-Lenkende gewisse<br />

medizinische Mindestanforderungen erfüllen (Art. 7 Abs. 1 VZV).<br />

Bezüglich des Sehvermögens legt die VZV fest, dass a) die Sehschärfe,<br />

b) das Gesichtsfeld und c) die Augenbeweglichkeit (Doppelsehen) überprüft<br />

werden müssen29 (Art. 9 Abs. 2 lit. a VZV).<br />

Überprüft werden diese Anforderungen im Rahmen des obligatorischen<br />

Sehtests zur Erlangung des Lernfahrausweises. Systematisch wird das<br />

Sehvermögen erst wieder bei 70-jährigen und älteren MFZ-Lenkenden<br />

28 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und<br />

Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV), SR<br />

741.51<br />

29 Für die Kategorien C und D, für Berufschauffeure und Fahrlehrer wird zudem<br />

das Stereosehen und die Pupillenmotorik überprüft (Art. 9 Abs. 2 lit. b VZV).<br />

**


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 237<br />

Forderung 1:<br />

Überprüfung des<br />

Dämmerungssehvermögens<br />

Forderung 2:<br />

Periodische Kontrolle<br />

des Sehvermögens<br />

Kein vordringlicher<br />

Handlungsbedarf<br />

bezüglich weiterer<br />

Faktoren<br />

überprüft. Das geschieht im Rahmen der obligatorischen und regelmässigen<br />

ärztlichen Kontrolluntersuchung zur Abklärung der körperlich-geistigen<br />

Fahreignung.<br />

Gemäss VZV gehen Einschränkungen des Hörvermögens bis hin zur Gehörlosigkeit<br />

für die am meisten verbreiteten Führerausweiskategorien (A<br />

und B) nicht mit einer Nicht-Eignung einher (sofern nicht gleichzeitig eine<br />

einseitige Erblindung vorliegt) (Anhang 1 VZV).<br />

Anpassungsbedarf: Als entscheidendes Manko der geltenden Anforderungen<br />

ist die Ausklammerung des Dämmerungssehvermögens zu nennen.<br />

Das bedarf unbedingt der Nachbesserung, da unfallanalytische Daten<br />

eindeutig das erhöhte Unfallrisiko bei vorhandener Dämmerungssehschwäche<br />

aufzeigen (vgl. Lachenmayr, Buser, Keller & Berger, 1997;<br />

Vaa, 2003). Für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union fordert die<br />

Richtlinie 91/439/EWG, die zentrale Vorgaben zur Fahrerlaubnis macht,<br />

bereits seit 1991 die Überprüfung des Dämmerungssehvermögens (Amtsblatt<br />

der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 237 vom 24.08.1991). Die<br />

Überprüfung des Dämmerungssehvermögens sollte im Rahmen des<br />

obligatorischen Sehtests zur Erlangung des Lernfahrausweises durchgeführt<br />

werden. Bei deutlichem Nichterfüllen der Anforderungen an das<br />

Dämmerungssehvermögen ist ein Nachtfahrverbot auszusprechen, bei<br />

leichten Einschränkungen müssen die Betroffenen über ihre Einschränkungen<br />

informiert und auf die damit einhergehende Gefährdung aufmerksam<br />

gemacht werden.<br />

Ein weiteres Manko liegt darin, dass sich der Gesetzgeber darauf verlässt,<br />

dass sich das Sehvermögen im Lauf des Lebens nicht wesentlich<br />

verschlechtert. Das trifft jedoch nicht zu. Periodische Kontrollen für alle<br />

und nicht nur für MFZ-Lenkende über 70 Jahre wären wünschenswert<br />

(z. B. alle 10 Jahre). Auch wenn diese Massnahme per se sinnvoll ist, soll<br />

nicht unerwähnt bleiben, dass sie mit einem grossen administrativen Aufwand<br />

verbunden wäre.<br />

Bezüglich weiterer Faktoren, die die Fahreignung der Motorfahrzeuglenkenden<br />

beeinträchtigen können, wie etwa psychische Erkrankungen, Bewusstseinsstörungen,<br />

Demenz usw. besteht in Anbetracht des heutigen<br />

Systems kein vordringlicher Handlungsbedarf, um die Unfallsituation der<br />

Fussgänger zu verbessern. Beim Verdacht einer vorliegenden, verkehrs-


238 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Umfassende<br />

Informierung über<br />

mögliche Defizite<br />

relevanten Erkrankung wird eine vom Strassenverkehrsamt angeordnete<br />

Fahreignungsabklärung durch einen verkehrsmedizinisch ausgebildeten<br />

Facharzt, einen Amtsarzt oder einen Vertrauensarzt der Behörde durchgeführt.<br />

Ein entsprechender Verdacht wird insbesondere durch zwei<br />

Hauptinstanzen dem zuständigen Strassenverkehrsamt gemeldet: Entweder<br />

durch den Hausarzt, der bei einem Senior den alle zwei Jahre fälligen<br />

Gesundheitscheck durchgeführt hat, oder durch die Polizei, die einen sich<br />

im Verkehr auffällig verhaltenden Lenkenden entdeckt hat. Die Einschätzung<br />

der Fahreignung beruht primär auf einer medizinischen Begutachtung.<br />

Eine Ausnahme bilden die Fälle, bei denen von Beginn an eine charakterliche<br />

Problematik im Vordergrund steht. Hier kann die Begutachtung<br />

unmittelbar durch einen Verkehrspsychologen oder einen entsprechend<br />

ausgebildeten Psychiater erfolgen (Arbeitsgruppe Verkehrsmedizin der<br />

Schweizerischen Gesellschaft für Rechtsmedizin, 2005).<br />

Auch wenn eine Verschärfung der Fahreignungsabklärungen für die Fussgängersicherheit<br />

nicht vordringlich erscheint, bestehen Optimierungsmöglichkeiten<br />

dahingehend, dass im Rahmen der obligatorischen ärztlichen<br />

Untersuchung ein einheitliches Vorgehen unter Verwendung von<br />

standardisierten Testverfahren vorgeschrieben wird (vgl. Ewert, 2006).<br />

b) Edukative Förderungsmassnahmen<br />

Fahrzeuglenkende müssen bezüglich der Gefahr sensomotorischer Beeinträchtigungen<br />

sensibilisiert und informiert werden. Dabei genügt es keinesfalls,<br />

ausschliesslich mögliche Defizite zu benennen und aufzulisten.<br />

Vielmehr müssen die Symptome der Defizite im Sinne von Warnsignalen,<br />

wie sie sich im alltäglichen Verkehr äussern, aufgezeigt werden, sodass<br />

eine Art Selbstdiagnose möglich wird (wie z. B. vermehrtes Auftreten kritischer<br />

Situationen, spätes Reagieren mit abruptem Bremsen, vermehrte<br />

Spiegelungen auf nasser Fahrbahn, ein Gefühl, dass die andern immer<br />

schlechter fahren und einen zu Notmanövern zwingen etc.). Das ist deshalb<br />

wichtig, weil die betroffenen Personen infolge der normalerweise<br />

schleichenden Leistungsverschlechterung diese oftmals gar nicht bemerken<br />

(Gewöhnungseffekt). Neben dem Darlegen der Symptome ist es wichtig,<br />

die Betroffenen anzuleiten, was sie bei Einschränkungen tun sollten. Die<br />

Möglichkeiten sind vielfältig und reichen von der einfachen Anpassung<br />

des Fahrverhaltens (Verzicht auf Nachtfahrten) über die freiwillige Fahr-


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 239<br />

Tabelle 77:<br />

Massnahmen zu<br />

sensomotorischen<br />

Beeinträchtigungen<br />

und Beurteilung<br />

Psychoaktive<br />

Substanzen<br />

beeinflussen Vigilanz<br />

stilbeurteilung (z. B. beim TCS) bis hin zur freiwilligen Rückgabe des<br />

Führerscheins bzw. dem Besuch eines Facharztes für weitere Abklärungen.<br />

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine umfassende<br />

Information der MFZ-Lenkenden folgende Elemente beinhalten sollte:<br />

a) Symptombeschreibung, b) Defizitbezeichnung, c) Handlungsempfehlung.<br />

Derartige Informationsbroschüren können über verschiedene Kanäle gestreut<br />

werden (Internet, Arztpraxen, Beratungsstellen, Verkehrsclubs etc.).<br />

Eine grossangelegte massenmediale Kampagne ist hingegen aufgrund<br />

des ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnisses nicht empfehlenswert. Das<br />

heisst, die Sicherheit der Fussgänger kann optimaler gesteigert werden,<br />

wenn die verfügbaren Ressourcen in andern Bereichen investiert werden.<br />

4.2.4 Massnahmenbeurteilung<br />

Massnahme Beurteilung<br />

Erweiterung des obligatorischen Sehtests:<br />

Überprüfung des Dämmerungssehvermögens<br />

und der Blendempfindlichkeit<br />

Periodische Kontrollen des (Tages- und<br />

Nacht-)Sehvermögens gesetzlich vorschreiben<br />

Informationsbroschüren zur Sensibilisierung<br />

und Informierung bzgl. sensomotorischer<br />

Defizite und ihrer Auswirkungen<br />

Verschärfung der Fahreignungsabklärung<br />

Massenmediale Kampagne zur Sensibilisierung<br />

und Informierung bzgl. sensomotorischer<br />

Defizite und ihrer Auswirkungen<br />

4.3 Fahrfähigkeit: Psychoaktive Substanzen<br />

4.3.1 Ausgangslage<br />

Empfehlenswert<br />

Empfehlenswert<br />

Empfehlenswert<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

ungünstiges Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

schlechtes Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis)<br />

Alkohol, Drogen und ein beachtlicher Teil der Medikamente sind psychoaktiv,<br />

d. h., sie beeinflussen nicht nur die Konzentrationsfähigkeit und die<br />

Reaktionsgeschwindigkeit, sondern können auch die emotionale Anteilnahme<br />

an der Umwelt verändern und zu Müdigkeit führen. Vereinfacht


240 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Tabelle 78:<br />

Präventionsmöglichkeit<br />

‚Verhinderung<br />

substanzbedingter<br />

Fahrunfähigkeit’ und<br />

Rettungspotenzial<br />

kann Folgendes festgehalten werden: Alkoholkonsum wird ab einem BAK-<br />

Wert von 0.5 ‰ problematisch; bei Drogen stellt insbesondere der Mischkonsum<br />

mit Alkohol ein Problem dar. Demgegenüber ist bei Medikamenten<br />

eine generell negative Beurteilung nicht möglich, da die Fahrfähigkeit<br />

durch Medikamentenkonsum nicht nur eingeschränkt werden kann, sondern<br />

dadurch unter Umständen erst sichergestellt wird.<br />

4.3.2 Präventionsmöglichkeit<br />

Das globale Präventionsziel im Bereich der Fahrfähigkeit liegt darin,<br />

sicherzustellen, dass die Fahrzeuglenkenden über ausreichende körperliche<br />

und psychische Fähigkeiten verfügen, um aktiv am Strassenverkehr<br />

teilnehmen zu können. Dieses Ziel ist durch folgende Teilaspekte präzisierbar:<br />

• Keine Verkehrsteilnahme als Lenker/-in mit einem BAK-Wert über<br />

0.5 ‰.<br />

• Alle (jungen) Neulenkenden halten in den ersten drei Jahren des Führerscheinbesitzes<br />

den BAK-Wert von 0.0 ‰ ein.<br />

• Keine Fahrten unter Einfluss von Drogen, namentlich Heroin, Morphin,<br />

Kokain, Amphetamin, Methamphetamin, THC (Cannabis) und MDEA<br />

(Designerdrogen).<br />

• MFZ-Lenkende sind bei Arzneimitteleinnahme über mögliche Beeinträchtigungen<br />

der Fahrfähigkeit informiert und unterlassen gegebenenfalls<br />

das Lenken eines MFZ.<br />

Präventionsmöglichkeit Rettungspotenzial<br />

Verhinderung von Fahrten unter substanzbedingten<br />

Leistungsbeeinträchtigungen<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

**


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 241<br />

2005 wurde der<br />

Alkoholgrenzwert<br />

gesenkt<br />

Sanktionen hängen<br />

vom Alkoholisierungsgrad<br />

ab<br />

4.3.3 Förderungsmassnahmen<br />

a) Gesetzliche Massnahmen<br />

Alkohol: Am 1.1.2005 wurde der BAK-Grenzwert von 0.8 auf 0.5 ‰ reduziert.<br />

Gleichzeitig mit der Reduktion des BAK-Maximalwerts wurde die<br />

anlassfreie Atem-Alkoholkontrolle (AAK) gesetzlich erlaubt. Erfahrungen<br />

aus dem Ausland zeigen, dass eine gesetzliche Senkung des BAK-<br />

Grenzwerts von 0.8 auf 0.5 ‰ die Anzahl alkoholbedingter Unfälle um 10<br />

bis 15 % reduziert (Bundesamt für Strassen ASTRA, 2005a). Die amtlichen<br />

Unfalldaten der Schweiz zeigen, dass die Zahl der Personen, die in<br />

Unfällen mit mutmasslichem Alkoholeinfluss schwer verletzt oder getötet<br />

wurden, im Jahr 2005 um 14 % zurückgegangen ist, während der Rückgang<br />

der Schwerverletzten und Getöteten im Durchschnitt über alle Unfallkategorien<br />

9 % betrug (Bundesamt für Statistik BFS, 2006b). Wie Erfahrungen<br />

aus dem Ausland zeigen, darf jedoch nur dann mit nachhaltigen<br />

Wirkungen der Promillereduktion und der AAK gerechnet werden,<br />

wenn eine permanente polizeiliche Kontrolltätigkeit von ausreichender<br />

Intensität gewährleistet ist (Institute for Road Safety Research SWOV,<br />

2006).<br />

Je nach Alkoholisierungsgrad ist mit unterschiedlichen Sanktionen zu<br />

rechnen.<br />

Angetrunkenheit im Bereich zwischen 0.5 und 0.79 ‰ gilt (sofern keine<br />

andern Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften begangen<br />

werden) als leichte Widerhandlung und führt zu einer Busse und/oder<br />

einer Haftstrafe sowie in der Regel zu einer Verwarnung (Art. 91 Abs. 1<br />

und Art. 16a Abs. 3 SVG) 30 .<br />

Bei 0.8 ‰ und mehr liegt eine schwere Widerhandlung vor, sodass nebst<br />

Busse und/oder Gefängnisstrafe auch mit einem mindestens dreimonatigen<br />

Führerausweisentzug zu rechnen ist (Art. 91 Abs. 1 und Art. 16c<br />

SVG).<br />

30 Der Führerausweis wird nicht entzogen, sofern in den vorangegangenen zwei<br />

Jahren der Ausweis nicht entzogen war und keine andere Administrativmassnahme<br />

verfügt wurde (Art. 16a Abs. 3 SVG). Andernfalls wird ein<br />

Führerausweisentzug für die Dauer von mindestens einem Monat angeordnet<br />

(Art. 16a Abs. 2 SVG).


242 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Wiederholungstäter<br />

und Neulenkende<br />

werden härter<br />

sanktioniert<br />

Grenzwerte müssen<br />

in Konsummengen<br />

ausdrückbar sein<br />

2005 wurde<br />

Nulltolleranz bei<br />

Drogen eingeführt<br />

Diese Sanktionen gelten bei Ersttätern. Bei Wiederholungstätern kommt<br />

das Kaskadenmodell zum Tragen, das eine stufenweise Verlängerung der<br />

Mindestentzugsdauern des Führerausweises vorsieht. Bei den Neulenkenden,<br />

die sich in der Probephase befinden, wird im Falle eines Führerausweisentzugs<br />

zusätzlich die Probezeit um ein Jahr verlängert. Bei einem<br />

weiteren Führerausweisentzug während der Probephase wird der<br />

Führerausweis annulliert.<br />

Anpassungsbedarf: Die geltenden Gesetze schöpfen die Möglichkeiten<br />

zur Verhinderung von Fahrten in alkoholisiertem Zustand weitgehend aus.<br />

Im Sinne einer Optimierung sind folgende gesetzlichen Anpassungen<br />

möglich:<br />

• Für Neulenkende gilt während der dreijährigen Probephase ein BAK-<br />

Grenzwert von 0.0 ‰ (Risiko ist bei Neulenkenden bereits ab 0.2 ‰<br />

erhöht; vgl. Weibrecht, 2005).<br />

• Für Berufschauffeure sollte der BAK-Grenzwert ebenfalls auf 0.0 ‰<br />

reduziert werden.<br />

Drogen und Medikamente: Generell gilt: Wer wegen Betäubungsmitteloder<br />

Arzneimitteleinfluss nicht mehr über ausreichende körperliche und<br />

psychische Fähigkeiten verfügt, gilt als fahrunfähig und darf kein Fahrzeug<br />

führen (Art. 31 Abs. 2 SVG). Damit gesetzestreue Lenkende geltende<br />

Grenzwerte einhalten können, müssen ihnen klare Angaben über<br />

die zulässige Menge des Wirkstoffs gemacht werden. Das setzt voraus,<br />

dass die erlaubte Konzentration in Konsummengen ausgedrückt werden<br />

kann. Diese Voraussetzung ist bei Drogen meist nicht gegeben. Deshalb<br />

stellt die Nulltoleranz-Regelung für den Gesetzgeber eine attraktive und<br />

pragmatische Lösung dar. Sie schreibt dem Konsumenten klar vor, die<br />

Kombination Substanzeinnahme und Fahren zu meiden.<br />

Am 1. Januar 2005 wurde für folgende Drogen gemäss Art. 2 VRV eine<br />

Nulltoleranz31 eingeführt: Cannabis (THC), freies Morphin (Heroin/Morphin),<br />

Kokain, Amphetamin, Methamphetamin und Designerdrogen (MDEA =<br />

Methylendioxyethylamphetamin und MDMA = Methylendioxymetampheta-<br />

31 De facto kommen gemäss Weisungen des ASTRA betreffend die Feststellung<br />

der Fahrunfähigkeit im Strassenverkehr folgende Grenzwerte zur Anwendung:<br />

bei THC eine Konzentration von mehr als 1,5 Mikrogramm/Liter Blut und bei<br />

Heroin, Morphin, Kokain und Designerdrogen eine Konzentration von mehr als<br />

15 Mikrogramm/Liter Blut.


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 243<br />

Kontrolle der<br />

Fahrfähigkeit ist<br />

notwendig<br />

min). Fahren unter Betäubungsmitteleinfluss gilt als schwere Widerhandlung<br />

und wird dementsprechend zusätzlich zur Busse und/oder Gefängnisstrafe<br />

mit einem Führerausweisentzug für mindestens drei Monate geahndet<br />

(Art. 91 Abs. 2 und Art. 16c SVG). 32 Im Gegensatz zum Alkohol<br />

sind anlassfreie Drogenkontrollen auch weiterhin nicht erlaubt.<br />

Es ist selbstredend, dass für Medikamente keine Nulltoleranz-Regelung<br />

besteht, da sie therapeutisch notwendig sein können. Um das Ausmass<br />

der Fähigkeitsbeeinträchtigung zu beurteilen, stützen sich die Führerausweisentzugsbehörde<br />

und gegebenenfalls der Richter auf ein Gutachten<br />

nach dem Drei-Säulen-Prinzip, das auf den polizeilichen Beobachtungen,<br />

einer ärztlichen Untersuchung und den Ergebnissen einer chemischtoxikologischen<br />

Untersuchung beruht (Art. 142b VZV).<br />

Anpassungsbedarf: Kurzfristig besteht bezüglich Betäubungsmittel- und<br />

Arzneimitteleinfluss kein vordringlicher Anpassungsbedarf der geltenden<br />

Gesetze. Mittelfristig sind anlassfreie Drogenkontrollen gesetzlich zu erlauben,<br />

sofern die Qualität (Sensitivität und Spezifität) der Drogenschnelltests<br />

gesteigert werden kann.<br />

b) Exekutive Massnahmen<br />

Damit gesetzliche Grenzwerte eingehalten werden, bedarf es der polizeilichen<br />

Durchsetzung. Wie stark sich die Verkehrsteilnehmenden an die Gesetze<br />

halten, hängt stark von ihrer subjektiven Kontrollerwartung ab. Deshalb<br />

ist es sinnvoll, eine genügende Anzahl von Verkehrskontrollen so<br />

durchzuführen, dass möglichst viele Fahrzeuglenkende sie sehen. Der<br />

dadurch erzeugte generalpräventive Effekt kann noch verstärkt werden,<br />

indem die polizeilichen Kontrollen über verschiedene Massenmedien vorangekündigt<br />

werden. Um den spezialpräventiven Effekt zu steigern, wäre<br />

es aufgrund lernpsychologischer Überlegungen sinnvoll, das Sanktionsverfahren<br />

zu beschleunigen, damit die Bestrafung zeitlich so nah wie<br />

möglich beim begangenen Verkehrsdelikt liegt.<br />

32 Da Cannabis erst ab 5 ng zu einer Risikoerhöhung führt, erscheint es<br />

übertrieben, bereits das Vorhandensein von Cannabis als schwere Widerhandlung<br />

einzustufen, zumal ein BAK-Wert im Bereich von 0.5 bis 0.79 ‰<br />

lediglich als leichte Widerhandlung gilt, obwohl eine Risikoerhöhung besteht.


244 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Nutzung der neuen<br />

Möglichkeiten bei der<br />

Alkoholkontrolle<br />

Drogenkontrollen sind<br />

nur im Verdachtsfall<br />

erlaubt<br />

Alkohol: Die Polizei kann ab Anfang 2005 ohne konkreten Verdacht im<br />

Strassenverkehr Atem-Alkoholkontrollen durchführen. Der Einsatz der<br />

Atemanalyse ermöglicht es der Polizei, vermehrte Kontrollen bei gleichem<br />

Personaleinsatz durchzuführen und dadurch die Entdeckungswahrscheinlichkeit<br />

zu steigern. Eine Blutprobe ist nur dann notwendig, wenn die<br />

Atem-Alkoholmessung einen Wert von 0.8 ‰ und mehr ergibt oder wenn<br />

der MFZ-Lenkende das zwischen 0.50 und 0.79 ‰ liegende Atem-Alkoholergebnis<br />

nicht anerkennt.<br />

Es ist wichtig, dass die Polizei die neu eröffneten Möglichkeiten auch längerfristig<br />

nutzt, um trotz ihrer eingeschränkten Personalressourcen die<br />

subjektive Kontrollerwartung der Fahrzeuglenkenden zu erhöhen. Gemäss<br />

den Statistiken polizeilicher Verkehrskontrollen (Bundesamt für Statistik<br />

BFS, 2006a) musste sich im Jahr 2005 rund die Hälfte der von der<br />

Polizei bei einer Verkehrskontrolle oder einem Unfall angehaltenen Fahrzeuglenkenden<br />

einem Alkoholtest unterziehen. Dieser Anteil konnte im<br />

Verlauf der letzten fünf Jahre signifikant gesteigert werden (2001: 17 %;<br />

2003: 32 %). Der Anteil der kontrollierten Lenkenden bezogen auf die Gesamtheit<br />

der Lenkenden lag 2005 bei 5 %, während er in den Vorjahren<br />

noch unter 2 % lag (2001: 1.9 %, 2003: 1.5 %). Die genannten Indikatoren<br />

zeigen, dass die Intensität der polizeilichen Atem-Alkoholkontrollen deutlich<br />

zugenommen hat. Das schlägt sich auch in der subjektiven Kontrollerwartung<br />

der Fahrzeuglenkenden nieder. Im Rahmen einer repräsentativen<br />

Umfrage zeigte sich, dass der Anteil der Personen, die „nie“ mit einer<br />

Alkoholkontrolle rechnen, von 40 % auf beinahe 20 % gesunken ist (Demoscope,<br />

2005).<br />

Drogen: Im Gegensatz zum Alkohol darf die Polizei weiterhin keine anlassfreien<br />

Drogenkontrollen durchführen. Drogentests dürfen nur angeordnet<br />

werden, wenn der Verdacht einer Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit<br />

durch den Einfluss von Betäubungs- und/oder Arzneimitteln vorliegt.<br />

Im fliessenden Verkehr ist es jedoch kaum möglich, einen begründeten<br />

Verdacht einer drogenbedingten Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit zu<br />

äussern. Das gelingt eher bei Standkontrollen (Aderjan & Mattern, 2000).<br />

Speichel-Schnelltests (wie der mehrheitlich eingesetzte und aus Deutschland<br />

stammende „Drugwipe“) erlauben es der Polizei, vor Ort einen ersten<br />

Anfangsverdacht zu erhärten, um dann die entscheidende Blutprobe


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 245<br />

Rationale Argumente<br />

nützen bei FiaZ wenig<br />

FiaZ: WAB-Kurse und<br />

Kampagne als<br />

Generalprävention<br />

anzuordnen. Der Speichel-Schnelltest alleine reicht nicht aus, um administrative<br />

oder juristische Sanktionen zu verfügen. Das ist gegenwärtig auch<br />

nicht anstrebenswert, da Sensitivität und Spezifität der heutigen Schnelltests<br />

für diesen Zweck noch zu schlecht sind. Als Testmaterialien zur<br />

Drogenerkennung kommen grundsätzlich neben den Schnelltests die<br />

bewährte Urinprobe und die Haaranalyse in Betracht. Sowohl Urin- als<br />

auch Haaruntersuchungen können jedoch nur den Konsum nachweisen;<br />

die Frage, ob eine akute Beeinträchtigung vorliegt, kann nicht beantwortet<br />

werden. Somit stellen sie keine Alternative zur Blutprobe dar (Aderjan &<br />

Mattern, 2000).<br />

Abschliessend muss festgehalten werden, dass polizeiliche Kontrollen der<br />

Fahrfähigkeit der MFZ-Lenkenden einen bedeutenden Beitrag zur allgemeinen<br />

Verkehrssicherheit leisten; die spezifischen Effekte auf die Sicherheit<br />

der Fussgänger sind jedoch als eher bescheiden einzustufen.<br />

c) Edukative Massnahmen<br />

Alkohol: Es ist bereits seit langem bekannt, dass die individuelle Auseinandersetzung<br />

mit dem Problem „Trinken und Fahren“ weniger von rationalen<br />

Einsichten als von sozialpsychologischen Bedingungen gesteuert<br />

wird (vgl. Klebelsberg, 1982). Das heisst, es reicht nicht aus, darzulegen,<br />

dass FiaZ gefährlich ist. Vielmehr gilt es aufzuzeigen, dass es sich dabei<br />

nicht um ein Kavaliersdelikt, sondern um ein sozial nicht toleriertes Verhalten<br />

handelt.<br />

Hierzu bieten die Weiterausbildungskurse (WAB) der neuen 2-Phasenfahrausbildung<br />

mit den integrierten Gruppendiskussionen eine geeignete<br />

Plattform. Die methodisch-didaktisch korrekte Umsetzung derartiger Themen<br />

muss im Rahmen der Qualitätssicherung der neuen Fahrausbildung<br />

sichergestellt werden. Um neben den Neulenkenden auch die restlichen<br />

Lenkenden ansprechen zu können, bedarf es periodischer massenmedialer<br />

Kampagnen. (Idealerweise werden Kampagnen mit polizeilichen<br />

Kontrollaktivitäten kombiniert, da dadurch eine bedeutende Wirkungssteigerung<br />

erwartet werden darf.)


246 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

FiaZ: Nachschulungskurse<br />

als Spezialprävention<br />

WAB-Kurse im<br />

Bereich Drogen<br />

ausreichend<br />

Piktogramm warnt vor<br />

Beeinträchtigung der<br />

Fahrfähigkeit<br />

Neben den genannten generalpräventiven Massnahmen sind auch spezialpräventive<br />

Nachschulungskurse zu berücksichtigen, da ein beachtlicher<br />

Teil der FiaZ-Lenkenden zu den Wiederholungstätern gehört. Die Kantone<br />

sind seit 1991 gemäss Art. 40 der VZV verpflichtet, Nachschulungskurse<br />

für wiederholt (alkohol-)auffällige Strassenverkehrsteilnehmende durchzuführen.<br />

Diese Schulung ist in der Regel freiwillig und vom Kursabsolventen<br />

selbst zu bezahlen. Nach erfolgreich absolviertem Kurs kann der<br />

entzogene Ausweis – je nach Kanton – bis zu drei Monaten eher wiedererlangt<br />

werden, frühestens jedoch nach der Mindestentzugsdauer von 12<br />

Monaten für wiederholte Alkoholauffälligkeit. Der Aspekt der Freiwilligkeit<br />

in Kombination mit der Belohnung (Kürzung der Entzugsdauer) ist in motivationspsychologischer<br />

Hinsicht als sehr sinnvoll zu bewerten. Ein generelles<br />

Obligatorium für den Besuch von Nachschulungskursen ist dementsprechend<br />

nicht zweckmässig. Es kann hingegen empfohlen werden,<br />

Nachschulungskurse bereits bei erstmaligem Führerscheinentzug anzubieten.<br />

Drogen: Drogen stellen insbesondere bei Mischkonsum mit Alkohol ein<br />

Problem dar und werden eher von jungen MFZ-Lenkenden konsumiert.<br />

Dementsprechend ist es ausreichend, die Problematik im Rahmen der<br />

Weiterausbildungskurse der neuen Fahrausbildung zu thematisieren.<br />

Weitergehende edukative Massnahmen wie massenmediale Kampagnen<br />

erscheinen infolge der relativ geringen Drogenprävalenz bei den Autofahrenden<br />

nicht notwendig.<br />

Medikamente: Der Arzt muss explizit verpflichtet werden, den Patienten<br />

über alle aus seiner Erkrankung und Behandlung resultierenden Beeinträchtigungen<br />

der Fahrfähigkeit zu informieren. Diese Regelung ist deshalb<br />

besonders wichtig, weil die Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit eine<br />

Begleiterscheinung darstellt, die angesichts der positiven Wirkungen gern<br />

verdrängt oder unterschätzt wird.<br />

Die Warnung durch den Arzt oder Apotheker ist auch insofern wichtig, als<br />

der Warnhinweis auf dem Beipackzettel in der Flut der aufgelisteten möglichen<br />

Nebenwirkungen leicht untergehen kann. Deshalb ist es sinnvoll,<br />

auf den Medikamentenbeipackzetteln der Fahrfähigkeitsbeeinträchtigung<br />

einen grösseren Stellenwert zu geben, z. B. indem ein einheitliches und


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 247<br />

Lenkerüberwachungssysteme<br />

können FiaZ<br />

verhindern<br />

Empfehlenswert wenn<br />

Ressourcenbindung<br />

gering<br />

selbsterklärendes Piktogramm vorgeschrieben wird. Im Idealfall stünde<br />

ein zusätzliches Piktogramm auf der Medikamentenverpackung.<br />

d) Technische Massnahmen<br />

Auf dem Markt sind bereits technische Systeme erhältlich, die die Atemluft<br />

der Lenkenden analysieren und diese gegebenenfalls warnen oder die<br />

Abfahrt sogar verhindern. Die soziale und politische Akzeptanz eines flächendeckenden<br />

Einbaus solcher Systeme ist jedoch eher gering und zudem<br />

infolge der gegenwärtig noch hohen Kosten nicht sehr effizient. Ein<br />

Einbau käme höchstens für wiederholt auffällige Autofahrende in Frage,<br />

diese Massnahme würde der Sicherheit der Fussgänger jedoch im Vergleich<br />

zu den Kosten zu wenig nutzen, als dass sie empfehlenswert wäre.<br />

4.3.4 Massnahmenbeurteilung<br />

Die diskutierten Massnahmen zur Verhinderung von Fahrten unter Substanzeinfluss<br />

sind an und für sich alle empfehlenswert, wenn es darum<br />

geht, das Gesamtunfallgeschehen zu reduzieren. Anders sieht es aus,<br />

wenn ihr spezifischer Nutzen für die Fussgängersicherheit betrachtet wird.<br />

Die Auswirkungen auf die Sicherheit der Fussgänger sind nämlich eher<br />

gering, sodass sich bereits bei relativ bescheidenen Kosten eine<br />

schlechte Ressourceneffizienz (Kosten-Nutzen-Verhältnis) ergibt. Anders<br />

ausgedrückt sind diese Massnahmen (im Hinblick auf die Steigerung der<br />

Fussgängersicherheit) dann empfehlenswert, wenn sie keine finanziellen<br />

und personellen Ressourcen binden, die an anderer Stelle nutzbringender<br />

für die Fussgängersicherheit eingesetzt werden könnten (Tabelle 79).


248 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Tabelle 79:<br />

Massnahmen zur<br />

Sicherstellung der<br />

Fahrfähigkeit und<br />

Beurteilung<br />

Fahrunfähigkeit kann<br />

exogene und endogene<br />

Ursachen haben<br />

Müdigkeit hat für<br />

Fussgängersicherheit<br />

geringe Bedeutung<br />

Massnahme Beurteilung<br />

Nachschulungskurse bereits bei erstmaligem<br />

Führerausweisentzug anbieten<br />

BAK-Grenzwert für Neulenkende in<br />

Probephase auf 0.0 ‰ senken<br />

Erhöhung vorangekündigter, gut sichtbarer<br />

(anlassfreier) Alkoholkontrollen in<br />

Kombination mit massenmedialer<br />

Kampagne<br />

Piktogramm auf Medikamenten-<br />

Beipackzettel zur Warnung vor<br />

Beeinträchtigungen der Fahrfähigkeit<br />

Beschleunigung des Sanktionsverfahrens<br />

Anlassfreie Drogenkontrollen gesetzlich<br />

erlauben und Resultate der<br />

Drogenschnelltests rechtskräftig machen<br />

Lenkerüberwachungssysteme zur Kontrolle<br />

der Fahrfähigkeit<br />

Massenmediale Kampagne zum Thema<br />

Betäubungs- und Arzneimittel<br />

Empfehlenswert<br />

Empfehlenswert<br />

(mit bescheidenem Nutzen für<br />

Fussgänger)<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

ungünstiges Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis)<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

ungünstiges Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis)<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

ungünstiges Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis)<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da Qualität der Diagnosegeräte<br />

noch nicht ausreichend)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

schlechtes Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

schlechtes Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis)<br />

4.4 Fahrfähigkeit: Unaufmerksamkeit, Ablenkung und Müdigkeit<br />

4.4.1 Ausgangslage<br />

Im vorhergehenden Kapitel wurden substanzbedingte Beeinträchtigungen<br />

der Fahrfähigkeit thematisiert. In Ergänzung dazu werden nachfolgend<br />

endogene Beeinträchtigungen (namentlich Unaufmerksamkeit, Ablenkung<br />

und Müdigkeit) betrachtet.<br />

Durch Müdigkeit der Fahrzeuglenkenden bedingte Unfälle kommen nicht<br />

nur während der Nacht vor, sondern können sich zu jeder Tagesstunde<br />

ereignen. Neben der Nacht sind insbesondere auch in den Nachmittagsstunden<br />

Unfallhäufungen zu verzeichnen. Müdigkeitsunfälle kommen jedoch<br />

insbesondere auf monotonen Langstrecken (d. h. vor allem auf Au-


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 249<br />

Unaufmerksamkeit/<br />

Ablenkung stellen ein<br />

bedeutendes Problem<br />

dar<br />

Tabelle 80:<br />

Präventionsmöglichkeiten<br />

zur Verhinderung<br />

endogener<br />

Fahrunfähigkeit bei<br />

MFZ-Lenkenden<br />

tobahnen und Ausserortsstrecken) vor und sind dementsprechend für<br />

Fussgänger von relativ geringer Bedeutung.<br />

Unaufmerksamkeit wird in der vorliegenden Arbeit im Sinne einer bewussten<br />

oder unbewussten Ablenkung durch eine nicht der Fahraufgabe<br />

dienende Tätigkeit verstanden. Die Ablenkung kann dabei mentaler Natur<br />

(z. B. beim Telefonieren) und/oder visueller Natur sein (z. B. Blick vom<br />

fahrrelevanten Verkehrsraum abwenden). Ablenkung stellt einen wichtigen<br />

Grund für Kollisionen mit Fussgängern dar.<br />

4.4.2 Präventionsmöglichkeiten<br />

Um endogene Beeinträchtigungen der Fahrfähigkeit zu minimieren, müssen<br />

folgende Teilaspekte anvisiert werden:<br />

• MFZ-Lenkende müssen über mögliche Ursachen und das erhöhte<br />

Unfallrisiko von Müdigkeit informiert sein sowie hauptsächlich längerfristige<br />

Möglichkeiten zur Müdigkeitsverhinderung, aber auch kurzfristige<br />

zur Wiederherstellung der Vigilanz kennen.<br />

• Deutlich übermüdete MFZ-Lenkende müssen (gezwungenermassen<br />

oder freiwillig) die aktive Teilnahme am Strassenverkehr unterlassen.<br />

• MFZ-Lenkende müssen ihre kognitiv-visuelle Aufmerksamkeit ausschliesslich<br />

dem Strassenverkehr widmen, namentlich sind das Telefonieren<br />

(mentale Ablenkung) und lang andauernde Blickabwendungen<br />

(visuelle Ablenkung) zu unterbinden.<br />

Präventionsmöglichkeit Rettungspotenzial<br />

Verhinderung von Unaufmerksamkeit und Ablenkung ***<br />

Verhinderung von Fahrten in übermüdetem Zustand *<br />

* sehr gering / ***** sehr gross


250 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Möglichkeiten zur<br />

Müdigkeitskontrolle<br />

sind eingeschränkt<br />

Freisprechanlage ist<br />

erlaubt solange nichts<br />

passiert<br />

Telefonierverbot ist<br />

sinnvoll, jedoch<br />

zurzeit politisch nicht<br />

realisierbar<br />

4.4.3 Förderungsmassnahmen<br />

a) Legislativ-exekutive Massnahmen<br />

Müdigkeit: Exekutive Massnahmen im Sinne polizeilicher Kontrollen können<br />

nur bei Berufslenkenden zur Anwendung kommen, indem die Einhaltung<br />

der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten kontrolliert wird.<br />

Weitere Möglichkeiten zur Kontrolle der Müdigkeit stehen der Polizei nicht<br />

zur Verfügung, da sich die Müdigkeit der Erfassung entzieht. Selbst stark<br />

übermüdete Lenker gewinnen im Falle einer Polizeikontrolle durch die<br />

Aufregung und Monotonieunterbrechung sofort wieder an Vigilanz.<br />

Ablenkung: Gemäss Art. 3 Abs. 1 VRV, wonach der Fahrzeugführer<br />

keine Verrichtung vornehmen darf, die die Bedienung des Fahrzeugs erschwert,<br />

ist das Benutzen eines Telefons ohne Freisprecheinrichtung<br />

während der Fahrt verboten und wird dementsprechend gebüsst (CHF<br />

100.– gemäss Ziffer 311 OBV Anhang 1). Ferner wird vorgeschrieben,<br />

dass der Fahrzeugführer seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem<br />

Verkehr zuwenden muss und dafür zu sorgen hat, „dass seine Aufmerksamkeit<br />

weder durch Radio noch andere Tonwiedergabegeräte“ beeinträchtigt<br />

wird. Demnach ist das Verwenden einer Freisprechanlage zum<br />

Telefonieren zwar grundsätzlich erlaubt; spätestens bei einem Unfall ist<br />

jedoch anzunehmen, dass die Aufmerksamkeit eingeschränkt war, sodass<br />

der Lenker sanktioniert werden kann.<br />

Das im Rahmen der Verkehrssicherheitspolitik Via sicura ursprünglich<br />

vorgesehene Verbot von Freisprechanlagen zum Telefonieren wurde<br />

Ende 2004 aus der Liste der Sicherheitsmassnahmen gestrichen. Trotzdem<br />

muss aufgrund aktueller Forschungsbefunde (Kircher et al., 2004)<br />

ein solches Verbot nach wie vor gefordert und langfristig angestrebt werden.<br />

In Anbetracht des hohen sozial-politischen Gegendrucks stellt ein innerortsspezifisches<br />

Verbot einen akzeptablen Kompromiss dar. Die Einschränkung<br />

auf den Innerortsbereich ist aus folgenden Gründen notwendig<br />

und sinnvoll:<br />

• Fussgänger, die als ungeschützte Verkehrsteilnehmende das grösste<br />

Verletzungsrisiko tragen, halten sich primär im Innerortsbereich auf.


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 251<br />

Nicht alle verbotenen<br />

Nebentätigkeiten<br />

werden im Gesetz<br />

ausdrücklich erwähnt<br />

Altersspezifisches<br />

Ansprechen ist<br />

wichtig<br />

• Im Innerortsbereich sind viele Kurzstreckenfahrten zu verzeichnen, so<br />

dass Telefongespräche problemlos verschoben werden können und<br />

ansonsten genügend Anhaltegelegenheiten existieren.<br />

• Innerorts besteht beim Telefonieren die grösste Gefahr, da hier die<br />

Informationsdichte und damit die mentale Beanspruchung weitaus am<br />

höchsten ist, sodass bereits minimale Ablenkungen ausreichen, um<br />

verkehrsrelevante Informationen nicht rechtzeitig erfassen zu können.<br />

• Fussgänger tragen infolge ihrer geringen Abmessung und ihrer Unauffälligkeit<br />

die grösste Gefahr, durch Ablenkung übersehen zu werden.<br />

Es kann vermutet werden, dass ein Verbot, das sich auf einen spezifischen<br />

Gefahrenbereich beschränkt, eine höhere soziale Akzeptanz erzielt<br />

als ein globales Verbot. Dennoch dürfte ein innerortsspezifisches Telefonierverbot<br />

zumindest gegenwärtig politisch nur schwer zu realisieren sein.<br />

Andere ablenkende Nebentätigkeiten beim Fahren wie beispielsweise Essen<br />

oder das Lesen der Strassenkarte sind zwar im Gesetz nicht ausdrücklich<br />

erwähnt, dennoch können Polizei und Richter die Lenkenden<br />

gegebenenfalls sanktionieren, da es sich dabei um eine Erschwerung der<br />

Fahrzeugbedienung und eine Verletzung der Vorsichtspflicht handelt.<br />

Die explizite Erwähnung verbotener Tätigkeiten am Steuer wäre zwar<br />

grundsätzlich wünschenswert, würde jedoch keinen nennenswerten Beitrag<br />

zur Steigerung der Verkehrssicherheit leisten.<br />

b) Edukative Massnahmen<br />

Müdigkeit: Heute zählen insbesondere Schulung und Sensibilisierung zu<br />

den Hauptmassnahmen gegen Müdigkeit am Steuer. Eine globale Sensibilisierung<br />

reicht jedoch noch nicht aus. Vielmehr bedarf es altersspezifischer<br />

Einsatzmittel, da die Hauptgründe für Müdigkeit altersabhängig<br />

sind. Junge Lenkende (deren Gründe für Müdigkeit am Steuer insbesondere<br />

beim Alkohol- und Drogenkonsum sowie beim Schlafdefizit liegen)<br />

können im Rahmen der obligatorischen Weiterausbildungskurse der<br />

neuen 2-Phasenfahrausbildung angesprochen werden. Bei Lenkenden im<br />

berufstätigen Alter und bei Senioren ist demgegenüber verstärkt auf Medikamente<br />

und Schlafstörungen (z. B. Apnoe) sowie auf zu lange Fahrtstrecken<br />

als Hauptgründe für Müdigkeit am Steuer einzugehen.<br />

Informationsbroschüren zum Thema Müdigkeit am Steuer können über


252 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Aufklärung: Auch bei<br />

Freisprechanlage<br />

besteht Gefahr<br />

Müdigkeit:<br />

Gegenwärtig keine<br />

technische<br />

Kontrollmöglichkeit<br />

Ablenkungsüberwachung<br />

mit bedeutendemSicherheitspotenzial<br />

verschiedene Kanäle und Akteure gestreut werden (Internet, Arztpraxen,<br />

Beratungsstellen, Verkehrsclubs etc.). Eine Kampagne zur Müdigkeitsproblematik<br />

mit dem Ziel, die Sicherheit der Fussgänger zu steigern, ist<br />

aufgrund eines zu geringen Kosten-Nutzen-Verhältnisses nicht empfehlenswert.<br />

Ablenkung: Die MFZ-Lenkenden müssen aufgeklärt werden, dass das<br />

Telefonieren am Steuer selbst mit einer Freisprechanlage zur Einschränkung<br />

der Fahrfähigkeit führt. Um das Verständnis und die Akzeptanz für<br />

die Forderung des Telefonverzichts am Steuer zu erhöhen, ist es sinnvoll<br />

zu erklären, warum andere Nebentätigkeiten wie z. B. mit dem Beifahrer<br />

reden oder Musik hören im Gegensatz zum Telefonieren weit weniger<br />

gefährlich sind. Weiter gilt es aufzuzeigen, dass zwar streng genommen<br />

nur das Telefonieren mit dem Mobiltelefon in der Hand von vornherein<br />

verboten ist, dass aber auch die Verwendung einer Freisprechanlage lediglich<br />

solange gesetzlich erlaubt ist, wie nichts passiert. Kommt es zu<br />

einem Unfall, muss mit einer Busse gerechnet werden. Zudem muss der<br />

Betroffene mit Regressforderungen oder Abzügen bei der Versicherung<br />

rechnen. Diese Informationen können über verschiedenen Kanäle und<br />

Akteure gestreut werden. Eine Kampagne würde höchstens als flankierende<br />

Massnahme bei einem gesetzlichen Verbot Sinn machen.<br />

c) Technische Massnahmen<br />

Müdigkeit: Längerfristig sind fahrzeugtechnische Massnahmen wie Lenkerüberwachungssysteme<br />

(Driver Alertness Monitoring Systems DAMS)<br />

zu berücksichtigen; gegenwärtig sind diese Systeme jedoch noch nicht<br />

marktreif. Unklar ist auch, ob solche Installationen zu einer Verhaltensanpassung<br />

führen, indem auf sie vertraut wird und bis an die Grenzen des<br />

tolerierten Müdigkeitsmasses gefahren wird. Zwar existieren auch weitere<br />

Möglichkeiten gegen Müdigkeitsunfälle wie tönende oder rüttelnde Leitlinien;<br />

diese sind jedoch zur Verhinderung von Fussgängerunfällen kaum<br />

bis gar nicht wirksam.<br />

Ablenkung: Durch ein Sensorsystem im Fahrzeug kann das Blickverhalten<br />

und somit visuelle Ablenkungen erfasst und der Lenkende bei zu langem<br />

Wegschauen gewarnt werden. Beim Fahrzeughersteller Saab ist<br />

z. B. ein System in der Serienvorbereitung, das mittels zwei Infrarotsenso-


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 253<br />

Tabelle 81:<br />

Massnahmen gegen<br />

Müdigkeit und<br />

Ablenkung und deren<br />

Beurteilung<br />

ren Kopf- und Augenbewegungen des Fahrers überwacht. Schweift der<br />

Blick von einem bestimmten Hauptaufmerksamkeitsbereich ab, beginnt<br />

ein Countdown, der registriert, wie lange sich der Fahrzeuglenkende nicht<br />

auf das eigentliche Verkehrsgeschehen vor dem Auto konzentriert. Das<br />

System berücksichtigt die Fahrgeschwindigkeit: Bei höheren Geschwindigkeiten<br />

wird das tolerierte Sichtfeld kleiner und die Warnzeit kürzer (vgl.<br />

Saab, 2005).<br />

Es existieren auch Pilotprojekte mit fahrzeugintegrierten Systemen, die<br />

die aktuelle mentale Beanspruchung des Lenkenden ermitteln (mittels<br />

Verkehrsgeschehen, Fahrparameter etc.) und Telefonanrufe nur zulassen,<br />

wenn die Beanspruchung unterhalb eines bestimmten Grenzwertes<br />

liegt (vgl. Piechulla, Mayser, Gehrke & König, 2003).<br />

Derartige Systeme sind grundsätzlich sehr zu begrüssen, da ein beachtlicher<br />

Sicherheitsgewinn gerade für ungeschützte Verkehrsteilnehmende<br />

erwartet werden darf. Inwieweit solche optionalen Systeme von den Lenkenden<br />

gekauft werden, kann noch nicht abgeschätzt werden. Sobald sie<br />

auf dem Markt erhältlich sind, sollten sie von Institutionen, die sich für die<br />

Verkehrssicherheit einsetzen, aktiv beworben werden. Dieses Vorgehen<br />

dürfte auch andere MFZ-Hersteller auf den Plan rufen, gemäss dem Motto<br />

„Safety sells“ sicherheitstechnische Funktionen anzubieten und als Verkaufsargument<br />

zu nutzen.<br />

4.4.4 Massnahmenbeurteilung<br />

Massnahme Beurteilung<br />

Informationen zur Problematik des<br />

Telefonierens am Steuer mittels<br />

Broschüren, Internet etc.<br />

Innerortsspezifisches Verbot zu<br />

telefonieren (inkl. Freisprechanlage)<br />

Globales Verbot zu telefonieren<br />

(inkl. Freisprechanlage)<br />

Kampagne, um die Verkehrsteilnehmenden<br />

zum Thema ‚Müdigkeit am Steuer’ zu<br />

sensibilisieren<br />

Förderung technischer Systeme zur<br />

Überwachung der Müdigkeit und der<br />

visuellen Ablenkung<br />

Empfehlenswert<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da politische Machbarkeit unklar)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da momentan politisch nicht<br />

durchsetzbar)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

schlechtes Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

schlechtes Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis )


254 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Fahrkompetenz wird<br />

v. a. in der Fahrausbildung<br />

vermittelt<br />

Motorische und<br />

kognitive Kompetenz<br />

werden gut abgedeckt<br />

4.5 Fahrkompetenz: Gefahrenkognition und Selbstkontrolle<br />

4.5.1 Ausgangslage<br />

Die Fahrkompetenz wird primär im Rahmen der Fahrausbildung erworben.<br />

Zur Erlangung der Fahrkompetenz ist es notwendig, aber keinesfalls<br />

hinreichend, das Fahrzeug korrekt und automatisiert bedienen zu können<br />

sowie die allgemeinen Verkehrsregeln zu kennen. Entscheidender für die<br />

spätere Unfallwahrscheinlichkeit ist die Kompetenz, sich und seine Fähigkeiten<br />

richtig einzuschätzen und sich selbst unter Kontrolle zu haben<br />

(d. h. beispielsweise, sich nicht durch die momentane Stimmungslage<br />

oder Passagiere zu risikoreichem Fahrverhalten verleiten zu lassen).<br />

4.5.2 Präventionsmöglichkeiten<br />

Globales Ziel ist es, die Fahranfänger umfassend auszubilden, das heisst,<br />

die motorische, kognitive und psychologische Fahrkompetenz zu vermitteln.<br />

Das gegenwärtige Ausbildungssystem stellt die korrekte und automatisierte<br />

Bedienung des Fahrzeugs (motorische Fahrkompetenz) weitgehend<br />

sicher - nicht zuletzt dank der Laienausbildung, die es infolge der<br />

geringen Kosten ermöglicht, viel mehr Lernfahrten zu absolvieren als bei<br />

Ausbildungssystemen, die ausschliesslich professionell begleitete Lernfahrten<br />

erlauben. Auch die Wissensvermittlung bezüglich der allgemeinen<br />

Verhaltensregeln und der Bedeutung markierungs- und signalisationstechnischer<br />

Infrastrukturelemente wird im Rahmen der jetzigen Fahrausbildung<br />

in ausreichendem Mass erfüllt (kognitive Fahrkompetenz). Da<br />

in diesen Kompetenzbereichen kein nennenswerter Änderungsbedarf besteht,<br />

werden sie nachfolgend nicht weiter thematisiert. Von der gegenwärtigen<br />

Fahrausbildung noch zu dürftig berücksichtigt wird hingegen die<br />

psychologische Fahrkompetenz. Dementsprechend liegt eine wichtige<br />

Präventionsmöglichkeit darin, diesen Kompetenzbereich zu stärken, indem…<br />

• das Gefahrenbewusstsein und die Selbstwahrnehmung/Selbstkontrolle<br />

verbessert wird.


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 255<br />

Ausbildung alleine<br />

reicht nicht aus<br />

Tabelle 82:<br />

Präventionsmöglichkeit<br />

‚Sicherstellung<br />

der psychologischen<br />

Fahrkompetenz’ und<br />

Rettungspotenzial<br />

Die neue 2-Phasenfahrausbildung<br />

schliesst bisherige<br />

Ausbildungslücken<br />

Da die Erlangung der Fahrkompetenz ein langwieriger Prozess ist und die<br />

Sammlung und Verarbeitung persönlicher Erfahrungen voraussetzt, kann<br />

es selbst bei einer methodisch-didaktisch noch so ausgefeilten Fahrausbildung<br />

nie gelingen, eine perfekte Fahrkompetenz zu vermitteln. Deshalb<br />

muss neben dem primären Ziel der Ausbildung auch ein sekundäres Präventionsziel<br />

verfolgt werden, das darin besteht zu verhindern, dass die<br />

noch unvollständig ausgebildete Fahrkompetenz der Fahranfänger zur<br />

Gefahr wird, indem…<br />

• das Fahrverhalten durch repressive Mittel (d. h. Sanktionen und<br />

Fahreinschränkungen) gesteuert wird.<br />

Die Vermittlung psychologischer Fahrkompetenz und die Repression haben<br />

das gleiche Ziel unter Verwendung komplementärer Strategien: Während<br />

die Vermittlung der psychologischen Fahrkompetenz die MFZ-Lenkenden<br />

zum sicheren Fahrverhalten überzeugen soll (d. h. Aufbau einer<br />

intrinsischen Motivation), versucht die Repression ein sicheres Fahrverhalten<br />

zu erzwingen (Aufbau einer extrinsischen Motivation). Indem die<br />

Repression klare Grenzen setzt und deren Einhaltung forciert, erfüllt sie<br />

auch die Funktion, Fahrerfahrungen unter geschützten Bedingungen erwerben<br />

zu können.<br />

Präventionsmöglichkeit Rettungspotenzial<br />

Sicherstellen der psychologischen Fahrkompetenz<br />

(Gefahrenbewusstsein und Selbstkontrolle)<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

4.5.3 Förderungsmassnahmen<br />

Beide oben genannten Präventionsaspekte werden weitgehend durch die<br />

per Ende 2005 in Kraft getretene zweite Ausbildungsphase abgedeckt:<br />

Die psychologische Fahrkompetenz wird im Rahmen der Weiterausbildungskurse<br />

(WAB) vermittelt; die Repression besteht im Erteilen eines<br />

provisorischen Führerscheins mit dreijähriger Probephase und Sanktionsandrohungen33<br />

.<br />

33 Sanktionsandrohung: Gemäss Art. 15a Abs. 3 bis 5 SVG wird die Probezeit<br />

um ein Jahr verlängert, wenn dem Neulenkenden der Ausweis wegen einer<br />

Widerhandlung entzogen wird. Bei einer zweiten Widerhandlung, die zum<br />

Entzug des Ausweises führt, verfällt der Führerausweis ganz. Ein neuer<br />

***


256 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Polizeikontrollen als<br />

wichtige flankierende<br />

Massnahme<br />

Periodische<br />

Wiederholungskurse<br />

für MFZ-Lenkende<br />

haben limitierten<br />

Nutzen<br />

Nicht enthalten sind Fahreinschränkungen wie Beschränkung bezüglich<br />

Alter und Anzahl der Passagiere (z. B. maximal ein Passagier und/oder mindestens<br />

23 Jahre), zeitliche Einschränkungen (z. B. Nachtfahrverbot) und<br />

weitere Verhaltensbeschränkungen (z. B. Überholverbot, BAK von 0.0 ‰). In<br />

Anbetracht der erst kürzlich in Kraft getretenen Erweiterung der Fahrausbildung,<br />

die ein grosses Präventionspotenzial birgt, gilt es in den nächsten<br />

Jahren, zunächst ihre korrekte Umsetzung zu gewährleisten und allenfalls<br />

Optimierungen vorzunehmen. Fahreinschränkungen sollten nicht bereits<br />

in den nächsten Jahren umgesetzt werden. Erst wenn sich in Zukunft im<br />

Rahmen der begleitenden Evaluationsstudie zeigen sollte, dass die neue<br />

Fahrausbildung singuläre Gefahrenpunkte nicht abdecken kann, sind klar<br />

darauf abgestimmte Fahreinschränkungen zu ergreifen. Dabei muss jedoch<br />

verhindert werden, dass eine allenfalls nicht funktionierende pädagogische<br />

Fahrausbildung durch Fahreinschränkungen kaschiert werden<br />

kann.<br />

Neben der korrekten Umsetzung der neuen Fahrausbildung ist auch darauf<br />

zu achten, dass die polizeilichen Verkehrskontrollen, die speziell junge<br />

Neulenkende anvisieren (z. B. Discobesucher), ihre generalpräventive<br />

Wirkung nicht verfehlen. Polizeiliche Kontrollen und die damit einhergehende<br />

erhöhte subjektive Kontrollerwartung bei den Autofahrenden sind<br />

notwendig, damit die in die Probephase integrierten Sanktionsandrohungen<br />

wirken können.<br />

Die neue Fahrausbildung soll primär das deutlich höhere Unfallrisiko von<br />

jungen Neulenkenden in den ersten Jahren nach bestandener Fahrprüfung<br />

reduzieren. Es besteht natürlich die Hoffnung, dass die zusätzlich<br />

vermittelten Lerninhalte nicht nur kurzfristig, sondern weit über die Probephase<br />

hinaus wirken. Da die Wirkung mit der Zeit verblassen kann, wären<br />

grundsätzlich periodische Wiederholungskurse denkbar, um die Lerninhalte<br />

aufzufrischen. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass<br />

der Nutzen von Schulungskursen für fahrerfahrene Lenkende gering und<br />

infolge der hohen Kosten nicht ressourceneffizient ist.<br />

Lernfahrausweis kann frühestens nach einer einjährigen Sperrfrist und nur auf<br />

Grund eines verkehrspsychologischen Gutachtens erteilt werden.


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 257<br />

Tabelle 83:<br />

Massnahmen zur<br />

Förderung der<br />

Fahrkompetenz und<br />

Beurteilung<br />

Die Bedeutung der<br />

Geschwindigkeit wird<br />

unterschätzt<br />

Förderung eines<br />

sicheren Fahrstils<br />

4.5.4 Massnahmenbeurteilung<br />

Massnahme Beurteilung<br />

Korrekte Umsetzung der neuen<br />

Fahrausbildung fördern<br />

Fahreinschränkungen für Neulenkende<br />

Periodische, obligatorische<br />

Wiederholungskurse für MFZ-Lenkende<br />

4.6 Fahrverhalten: Geschwindigkeit<br />

4.6.1 Ausgangslage<br />

Sehr empfehlenswert<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(nur wenn 2-Phasenausbildung<br />

Wirkungslücken aufweisen sollte)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

schlechtes Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis)<br />

Mit steigender Geschwindigkeit nehmen die Unfallwahrscheinlichkeit und<br />

die Verletzungsschwere überproportional zu. Tempoüberschreitungen<br />

sind weitaus problematischer als von den Fahrzeuglenkenden gemeinhin<br />

angenommen, was bedeutet, dass zur physikalischen Problematik auch<br />

die Gefahrenverkennung seitens der Lenkenden hinzukommt, sodass die<br />

erforderliche Aufmerksamkeit oftmals nicht gegeben ist. Gemäss amtlicher<br />

Unfallstatistik macht der Mangel Geschwindigkeit 8 % aller polizeilich<br />

registrierten Mängel aus.<br />

4.6.2 Präventionsmöglichkeiten<br />

Ziel ist ein partnerschaftlicher, vorausschauender und sicherheitsorientierter<br />

Fahrstil der MFZ-Lenkenden, der sich auch in einer angemessenen<br />

Geschwindigkeitswahl manifestiert.<br />

Um das Gefahrenpotenzial der Geschwindigkeit als zentralstem Verletzungseinflussfaktor<br />

zu reduzieren, genügt es nicht, die Einhaltung der<br />

signalisierten Höchstgeschwindigkeit sicherzustellen. Die Grenzwerteinhaltung<br />

ist eine notwendige, aber noch nicht hinreichende Bedingung für<br />

die Verkehrssicherheit. Für die Sicherheit der Fussgänger bedeutender ist<br />

die situationsangepasste Geschwindigkeitswahl, die oftmals unterhalb der<br />

signalisierten Geschwindigkeit liegt.


258 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Tabelle 84:<br />

Präventionsmöglichkeit‚fussgängergerechtesFahrverhalten<br />

der MFZ-<br />

Lenkenenden’ und<br />

Rettungspotenzial<br />

Tabelle 85:<br />

Sanktionen in<br />

Abhängigkeit der<br />

Geschwindigkeitsüberschreitung<br />

und<br />

der Ortslage<br />

Präventionsmöglichkeit Rettungspotenzial<br />

Situationsangemessene Fahrgeschwindigkeiten<br />

sicherstellen<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

Nachfolgend wird aufgezeigt, wie das Geschwindigkeitsverhalten verbessert<br />

werden kann.<br />

4.6.3 Förderungsmassnahmen<br />

a) Legislative Förderungsmassnahmen<br />

Gemäss Art. 32 Abs. 2 SVG ist die Geschwindigkeit der Motorfahrzeuge<br />

auf allen Strassen beschränkt. Widerhandlungen gegen die Geschwindigkeitslimiten<br />

werden in Abhängigkeit des Ausmasses der Überschreitung in<br />

folgende Kategorien eingeteilt (Tabelle 85):<br />

Art der<br />

Widerhandlung Innerorts Ausserorts Sanktion<br />

Bagatellwiderhandlung<br />

Leichte<br />

Widerhandlung<br />

Mittelschwere<br />

Widerhandlung<br />

Schwere<br />

Widerhandlungen<br />

1–15 km/h 1–20 km/h<br />

16–20 km/h 21–25 km/h<br />

21–24 km/h 26–29 km/h<br />

25 km/h<br />

und mehr<br />

30 km/h<br />

und mehr<br />

****<br />

Ordnungsbusse (von<br />

CHF 40.– bis CHF 250.–)<br />

Strafe (Busse bis CHF 10'000)<br />

sowie<br />

Massnahme (Verwarnung<br />

oder mind. 1-monatiger<br />

Führerausweisentzug)<br />

Strafe (je nach Fall wie nach<br />

leichter bzw. schwerer<br />

Widerhandlung) sowie<br />

Massnahme (Führerausweisentzug<br />

für mind. 1 Monat)<br />

Strafe (Freiheitsstrafe bis zu 3<br />

Jahren oder Geldstrafe*) sowie<br />

Massnahme (Führerausweisentzug<br />

für mind. 3 Monate)<br />

* Mit der Reform des Strafrechts, die am 1.1.2007 in Kraft tritt, werden kurze Freiheitsstrafen<br />

unter sechs Monaten in aller Regel durch Geldstrafen ersetzt. Die Geldstrafe wird<br />

im Tagessatzsystem bemessen, das – Im Vergleich zum für Bussen geltenden<br />

Geldsummensystem – die wirtschaftliche Situation des Täters viel stärker gewichtet.<br />

Eine Erhöhung der Ordnungsbussen zur Steigerung der Fussgängersicherheit<br />

sollte zur Zeit nicht primäres Ziel sein, da bekannt ist, dass (sofern<br />

ein minimales Strafmass nicht unterschritten ist) weniger die Sank-


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 259<br />

Kaskadensystem<br />

greift bei wiederholten<br />

Widerhandlungen<br />

Strafpunktesystem als<br />

zukünftige Alternative<br />

zum Kaskadensystem<br />

tionshöhe als vielmehr die Entdeckungswahrscheinlichkeit (Kontrollintensität)<br />

für das gesetzeskonforme Verhalten relevant ist. Dementsprechend liegt<br />

das primäre Ziel darin, die polizeiliche Kontrollhäufigkeit zu erhöhen.<br />

Bei erneuten Widerhandlungen, die mittelschwer oder schwer sind, verlängern<br />

sich die Mindestentzugsdauern stufenweise (Kaskadensystem).<br />

Nach drei schweren oder vier mittelschweren Widerhandlungen innert<br />

zehn Jahren wird der Ausweis auf unbestimmte Zeit (mindestens aber für<br />

zwei Jahre) entzogen (sofern in dieser Zeitperiode kein fünfjähriges Intervall<br />

liegt, in dem keine Administrativmassnahme verfügt wurde). Kann der<br />

auf diese Weise entzogene Ausweis wiedererteilt werden und begeht der<br />

Inhaber während der folgenden fünf Jahre eine erneute mindestens mittelschwere<br />

Widerhandlung, wird ein permanenter Entzug ausgesprochen.<br />

Diese am 1.1.2005 in Kraft getretenen gesetzlichen Verschärfungen<br />

(Art. 16b und 16c SVG) sind zurzeit als ausreichend zu bezeichnen.<br />

Weiterführende legislative Massnahmen sind erst zu diskutieren, wenn<br />

sich herausstellen sollte, dass sich das Kaskadensystem nicht bewährt.<br />

Dann müsste allenfalls eine Verschärfung des Kaskadensystems oder ein<br />

Strafpunktesystem34 , wie es in vielen europäischen Ländern existiert, ins<br />

Auge gefasst werden. Selbst wenn ein Strafpunkte- und ein Kaskadensystem<br />

faktisch die gleichen Sanktionen nach sich ziehen, kann davon<br />

ausgegangen werden, dass das Strafpunktesystem einen grösseren Sicherheitseffekt<br />

erzielt. Der grosse Vorteil eines Strafpunktesystems besteht<br />

nämlich darin, dass es den MFZ-Lenkenden infolge des eigenen<br />

Punktestandes präsenter ist als das Kaskadensystem und somit bereits<br />

beim unbelasteten MFZ-Lenkenden die Motivation erhöht, sich verkehrsgerecht<br />

zu verhalten, wohingegen das Kaskadensystem tendenziell erst<br />

dann Druck auf die Lenkenden ausübt, wenn bereits eine mittelschwere<br />

Widerhandlung vorliegt. Das heisst, während der spezialpräventive Nutzen<br />

bei beiden Systemen mehr oder weniger gleich einzustufen ist, darf<br />

34 Beim Strafpunktesystem wird bei Verkehrsverstössen je nach Art und Schwere<br />

des Vergehens eine bestimmte Anzahl von Punkten entweder erteilt oder von<br />

einem Anfangskontingent abgezogen. Durch den Besuch von freiwilligen<br />

Schulungskursen kann ein Teil der gesprochenen Strafpunkte wieder eliminiert<br />

werden. Bei Erreichen gewisser vorgegebener Limiten werden verschiedene<br />

Sanktionen verhängt, insbesondere Ausweisentzüge, Nachschulungen und<br />

verkehrspsychologische Untersuchungen.


260 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Mässigung der<br />

Geschwindigkeit bei<br />

Kindern im Strassenbereich<br />

Polizeiliche Überwachung<br />

kann mobil<br />

oder stationär<br />

erfolgen<br />

beim Strafpunktesystem ein höherer generalpräventiver Nutzen erwartet<br />

werden.<br />

Neben der Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit gilt gemäss Art. 32<br />

Abs. 1 SVG, dass die Geschwindigkeit stets den Umständen angepasst<br />

werden muss. Art. 4 der VRV präzisiert dieses Gesetz und führt eine<br />

Reihe von Situationen auf, in denen die Geschwindigkeit zu reduzieren ist –<br />

explizit aufgeführt werden auch Kinder: „Er (der Fahrzeugführer) muss die<br />

Geschwindigkeit mässigen und nötigenfalls halten, wenn Kinder im Strassenbereich<br />

nicht auf den Verkehr achten“ (Art. 4 Abs. 3 der VRV). Weiter<br />

schreibt Art. 6 Abs. 1 der VRV vor, dass der Fahrzeugführer die Geschwindigkeit<br />

rechtzeitig mässigen und er nötigenfalls ganz anhalten<br />

muss, um einem Fussgänger, der auf einem Fussgängerstreifen die<br />

Strasse queren möchte, den Vortritt zu gewähren. 35 Seit dem 1.6.1994<br />

muss der Fussgänger kein Handzeichen mehr geben, um zu signalisieren,<br />

dass er die Strasse überqueren möchte.<br />

Eine Anpassung der aufgeführten Gesetze und Verordnungen erscheint<br />

nicht notwendig.<br />

b) Exekutive Förderungsmassnahmen<br />

Polizeikontrollen sind ein wirksames und kosteneffizientes Instrument zur<br />

Steigerung der Verkehrssicherheit. In diesem Zusammenhang kann festgehalten<br />

werden, dass eine Steigerung der Kontrollhäufigkeit in aller Regel<br />

einen grösseren Einfluss ausübt als eine Erhöhung der Sanktionen.<br />

Polizeiliche Kontrollen stellen eine notwendige Bedingung dar, damit die<br />

gesetzlich verankerten Sanktionsandrohungen auch zum Tragen kommen.<br />

Bei den Überwachungsmethoden ist grundsätzlich zwischen mobiler<br />

und stationärer Kontrolle zu unterscheiden. Zu diesen beiden Grundarten<br />

werden nachfolgend einige Vor- und Nachteile aufgezeigt.<br />

35 Unbegleiteten Blinden ist der Vortritt auch abseits von Fussgängerstreifen zu<br />

gewähren, wenn sie durch Hochhalten des weissen Stocks anzeigen, dass sie<br />

die Fahrbahn überqueren wollen.


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 261<br />

Stationäre Kontrollen<br />

wirken v. a. punktuell<br />

Mobile Kontrollen<br />

sollten vorangekündigt<br />

und<br />

verdeckt sein<br />

Stationäre Kontrollanlagen: Der Vorteil der stationären (d. h. ortsfesten)<br />

Verkehrsüberwachung liegt in ihrem relativ geringen Personalaufwand,<br />

der sich lediglich auf periodische Wartungsarbeiten sowie auf Ermittlungstätigkeiten<br />

im Rahmen des Sanktionierungsverfahrens beschränkt.<br />

Ein Nachteil der stationären Kontrolle liegt in der nachträglichen Sanktionierung<br />

(z. B. in Form eines Bussgeldbescheids). Da die Strafe nicht unmittelbar<br />

auf die Widerhandlung erfolgt, sondern erst zu einem späteren<br />

Zeitpunkt ergeht, erinnert sich der Betroffene oftmals gar nicht mehr an<br />

die Geschwindigkeitsüberschreitung, was die psychologische Sanktionswirkung<br />

mindert. (Demgegenüber treten die Gewinne der Überschreitung<br />

wie Zeitersparnis und Spass in der Regel sofort ein, wodurch das Verhalten<br />

direkt verstärkt wird). Bei stationären Kontrollanlagen fehlt zudem die<br />

erzieherische Komponente im Sinn mündlicher Belehrungen oder Ermahnungen.<br />

Stationäre Kontrollanlagen zur Geschwindigkeitsüberwachung<br />

werden oftmals eher als verkappte Einnahmequelle („Geldabzockerei“)<br />

und weniger als Massnahme zur Sicherheitssteigerung wahrgenommen.<br />

Die Motivation, die Geschwindigkeitslimiten einzuhalten, liegt dementsprechend<br />

primär in der Vermeidung von Bussen. Das führt dazu, dass<br />

sich bei sichtbaren Kontrollanlagen resp. bei ortskundigen Autofahrenden<br />

die ohnehin vorhandene Tendenz erhöht, die Geschwindigkeit nur punktuell<br />

unmittelbar vor und hinter der Anlage anzupassen. Die Methode der<br />

stationären Kontrolle eignet sich daher vor allem zur Sicherstellung der<br />

Geschwindigkeitseinhaltung an spezifischen Gefahrenstellen (Pfeiffer &<br />

Hautzinger, 2001).<br />

Bei mobilen Überwachungsstrategien bestehen verschiedene Kombinationsmöglichkeiten<br />

der konkreten Ausgestaltung, z. B. verdeckt vs.<br />

sichtbar sowie mit oder ohne Anhaltekommandos.<br />

Sichtbare Kontrollen haben den Nachteil, dass Geschwindigkeitsübertretungen<br />

durch ein kurzfristiges Bremsmanöver abgemildert oder ganz verhindert<br />

werden können – d. h., der spezialpräventive Effekt ist stark eingeschränkt.<br />

(Von vornherein sichtbare Verfahren eignen sich eher für Delikte,<br />

deren Entdeckung nicht durch eine kurzfristige Verhaltensanpassung<br />

verhindert werden kann, wie das typischerweise bei FiaZ der Fall ist).<br />

Andererseits haben gänzlich verdeckte Kontrollen keinen generalpräventiven<br />

Nutzen, da nur die Gebüssten von der Kontrollaktivität erfahren.<br />

Somit wird die subjektive Kontrollerwartung nicht bei einer breiten Gruppe,


262 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Aufklärende Arbeit<br />

ergänzt polizeiliche<br />

Kontrollen<br />

Sanktionierung und<br />

Aufklärung stellen<br />

einen ganzheitlichen<br />

Ansatz dar<br />

sondern höchstens bei den gerade entdeckten Verkehrsdelinquenten<br />

erhöht. Daraus folgt, dass die Verkehrskontrollen so angelegt sein<br />

müssen, dass die Aufofahrenden Gewissheit darüber haben, dass sie<br />

kontrolliert werden, aber in Ungewissheit darüber sind, wann und wo dies<br />

der Fall ist. Um das zu erreichen, müssen einerseits die Autofahrenden<br />

mittels verschiedener Kanäle (Plakate am Strassenrand, Zeitungen,<br />

Radio) über die polizeiliche Kontrolltätigkeit vorinformiert werden und<br />

andererseits die Kontrollstellen und -zeiten so oft wie möglich geändert<br />

werden. Gemäss Befunden von Pfeiffer und Hautzinger (2001) ist es<br />

dabei möglicherweise gar nicht notwendig, eine besonders hohe Intensität<br />

der Überwachung zu erreichen, wenn bei den Autofahrenden eine starke<br />

räumliche und zeitliche Ungewissheit aufgrund des ständigen Wechsels<br />

der Kontrollstellen entsteht.<br />

Die klassische Kontrolltätigkeit der Polizei kann durch aufklärende Arbeit<br />

in Form von Plakaten, Flyern und dem direkten Ansprechen von Autofahrenden<br />

erweitert werden. Aufklärende Arbeit kann nicht nur die Gesetzesbefolgung,<br />

sondern auch die Akzeptanz von Kontrollen erhöhen. Weiter<br />

kann sie dem Verkehrsdelikt Geschwindigkeitsüberschreitung seinen<br />

Status als Kavaliersdelikt nehmen. Dass es auf diese Art und Weise gelingt,<br />

die Fahrgeschwindigkeiten – und zwar sowohl die Durchschnittsgeschwindigkeiten<br />

als auch die Häufigkeit von Geschwindigkeitsübertretungen<br />

– zu reduzieren, konnte Engeln (2002) aufzeigen.<br />

Die Kombination von Sanktionierung mit Aufklärungsarbeit stellt einen<br />

ganzheitlichen Ansatz dar. Dabei wird neben der Spezialprävention, die<br />

sich auf die Verkehrsdelinquenten bezieht, auch die negative und positive<br />

Generalprävention abgedeckt. Von negativer Generalprävention spricht<br />

man, wenn eine normkonforme Handlung nicht aus „moralischen“ Gründen,<br />

sondern wegen den erwarteten Sanktionen bei Übertretungen erfolgt.<br />

Gerade umgekehrt verhält es sich bei der positiven Generalprävention:<br />

Sie fördert die moralische Dimension des Verhaltens, im Sinn einer<br />

Internalisierung von Normen. Wenn das Individuum die entsprechenden<br />

Normen internalisiert hat, erfolgt normkonformes Verhalten aus der inneren<br />

Motivation des Individuums selbst und nicht aus Furcht vor Strafe (vgl.<br />

Pfeiffer & Hautzinger, 2001).


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 263<br />

Rückmeldung nach<br />

Polizeikontrolle ist<br />

sinnvoll<br />

Bedeutung geringer<br />

Geschwindigkeitsunterschiedeaufzeigen<br />

In generalpräventiv<br />

orientierten<br />

Kampagnen keine<br />

Extremgruppen<br />

(Raser) fokussieren<br />

Nach einer Kontrollaktion sollten die Ergebnisse in den Massenmedien<br />

publiziert werden, da dadurch weitere generalpräventive Effekte erwartet<br />

werden dürfen.<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Geschwindigkeitskontrollen<br />

mit dem spezifischen Ziel, die Sicherheit von Fussgängern zu erhöhen,<br />

folgende Aspekte erfüllen sollten:<br />

• Geschwindigkeitskontrollen durch Plakate, Radio, Zeitschriften vorankündigen<br />

• Geschwindigkeitskontrollen verdeckt und mit grosser räumlicher sowie<br />

zeitlicher Variation durchführen<br />

• Kontrollen in Kombination mit Aufklärung und Information<br />

• nach Abschluss der Kontrollen Feedback an die Autofahrenden geben<br />

• auf Innerortsbereich ausrichten<br />

c) Edukative Förderungsmassnahmen<br />

Geringe Tempoüberschreitungen werden meist als bedeutungslos eingestuft,<br />

was nicht zuletzt auf falsche physikalische Alltagsvorstellungen zurückzuführen<br />

ist. Den MFZ-Lenkenden muss auf anschauliche Art verdeutlicht<br />

werden, dass z. B. eine Ausgangsgeschwindigkeit von 40 statt<br />

30 km/h entscheidend sein kann, ob in einer kritischen Situation ein Fussgänger<br />

getötet oder nur verletzt respektiv gar nicht erst angefahren wird.<br />

Das dürfte nicht nur die Bereitschaft steigern, die signalisierten Höchstgeschwindigkeiten<br />

einzuhalten, sondern auch allgemein zu einer angepassteren<br />

Geschwindigkeitswahl führen. Die Einsicht, dass auch geringe und<br />

meist als unproblematisch eingestufte Geschwindigkeiten von 40–50 km/h<br />

gefährlich sein können, dürfte speziell auch die Geschwindigkeitseinhaltung<br />

in Tempo-30-Zonen erhöhen. Gerade hier ist die Verlockung schneller<br />

zu fahren sehr gross.<br />

Das schnelle Fahren kann eine faszinierende Anziehungskraft ausüben<br />

und zugleich bestimmte psychologische Funktionen erfüllen, indem es bei<br />

den Lenkenden z. B. Überlegenheitsgefühle auslöst. Das ungehemmte<br />

Ausleben dieser Aspekte führt zum Phänomen des Rasens. Für die allgemeine<br />

Sicherheit der Fussgänger spielt die Raserproblematik kaum<br />

eine Rolle. Die öffentliche Fokussierung (z. B. im Rahmen von Medien-


264 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Geschwindigkeitsanzeigegeräte<br />

sind<br />

nicht uneingeschränkt<br />

empfehlenswert<br />

Infrastruktur beeinflusstGeschwindigkeitswahl<br />

berichten und Kampagnen) auf eine kleine Gruppe, die lediglich eine<br />

Randerscheinung darstellt, kann sogar kontraproduktiv sein, da sich praktisch<br />

alle MFZ-Lenkenden ausklammern können, weil ihre eigenen Geschwindigkeitsüberschreitungen<br />

im Vergleich zu den Extremgeschwindigkeiten<br />

der Raser als völlig unproblematisch erscheinen. Dabei ist für die<br />

Sicherheit der Fussgänger gerade die Senkung der Durchschnittsgeschwindigkeit<br />

und weniger die alleinige Verfolgung einer Extremgruppe<br />

von Bedeutung. Das heisst, das Zielpublikum der Kampagnen muss möglichst<br />

breit definiert werden, denn nur so ist eine signifikante Reduktion<br />

der Durchschnittsgeschwindigkeit erreichbar. Das ist auch insofern sinnvoll,<br />

als dass junge Lenkende, welche einen Grossteil der Raser ausmachen,<br />

bereits durch die neue Fahrausbildung (in Form von Sanktionsandrohungen<br />

und der Förderung eines sicherheitsorientierten und<br />

partnerschaftlichen Fahrstils) berücksichtigt werden.<br />

Geschwindigkeitsanzeigen (Speedmeter) sind Messgeräte mit einem<br />

grossen, am Strassenrand aufgestellten Display, das den vorbeifahrenden<br />

Lenkenden ihre Geschwindigkeit anzeigt. Es ist bekannt, dass durch das<br />

Aufstellen von Geschwindigkeitsanzeigen das Tempo der Fahrzeuge<br />

leicht sinkt. Daher erscheint es grundsätzlich sinnvoll, Fahrzeuglenkende<br />

mittels einer Anzeige auf eine zu hohe Geschwindigkeit aufmerksam zu<br />

machen. Allerdings sind durch den Einsatz solcher Geräte negative Auswirkungen<br />

nicht ausgeschlossen. So besteht die Gefahr, dass die Fahrzeuglenkenden<br />

abgelenkt werden und ihre Aufmerksamkeit nicht mehr<br />

voll dem Verkehrsgeschehen widmen. Insbesondere bei der Platzierung<br />

unmittelbar vor einem Fussgängerstreifen oder auf Strassenabschnitten<br />

mit hoher Fussgängerdichte sowie in der Nähe von Schulen könnte die<br />

Ablenkungsgefahr zu Problemen führen. Deshalb muss der Standort<br />

sorgfältig ausgewählt werden. Zudem ist es von Vorteil, den Einsatz solcher<br />

Geräte mit weiteren edukativen und exekutiven Massnahmen (Bevölkerung<br />

informieren, Plakate aufstellen, Polizeikontrollen) zu kombinieren.<br />

d) Technische Förderungsmassnahmen<br />

Inwieweit Geschwindigkeitsregeln beachtet oder übertreten werden, hängt<br />

auch von situativen Gegebenheiten ab. Die Infrastrukturausgestaltung<br />

kann geradewegs dazu verleiten, die Limiten zu überschreiten oder umgekehrt<br />

von vornherein Geschwindigkeitsüberschreitungen weitgehend


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 265<br />

Tabelle 86:<br />

Fördermassnahmen<br />

für eine adäquate<br />

Geschwindigkeitswahl<br />

und Beurteilung<br />

Vortrittsverweigerung<br />

am Fussgängerstreifen<br />

stellt die<br />

häufigste Unfallursache<br />

dar<br />

verhindern oder zumindest reduzieren. Zudem bestehen auch im Bereich<br />

Fahrzeugtechnik Möglichkeiten, das Fahrverhalten positiv zu beeinflussen.<br />

An dieser Stelle soll jedoch nicht weiter auf Infrastruktur und Fahrzeugtechnik<br />

eingegangen werden (s. Kap. 6 Strasseninfrastruktur, S. 296,<br />

und Kap. VIII.5.5 Elektronische Fahrassistenzsysteme, S. 285).<br />

4.6.4 Massnahmenbeurteilung<br />

Massnahme Beurteilung<br />

Kombination von Kampagne und<br />

intensivierten Geschwindigkeitskontrollen<br />

innerorts (stationär an Gefahrenpunkten,<br />

ansonsten mobil mit Vorankündigung und<br />

Rückmeldung)<br />

Reine massenmediale Kampagne zum<br />

Geschwindigkeitsverhalten<br />

Strafpunktesystem statt Kaskadensystem<br />

einführen<br />

Aufstellen von Geschwindigkeitsanzeigegeräten<br />

Kampagne mit Fokus auf Extremgruppe<br />

4.7 Fahrverhalten: Vortrittsgewährung<br />

4.7.1 Ausgangslage<br />

Sehr empfehlenswert<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da eher in Kombination mit<br />

Polizeikontrolle sinnvoll)<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(nur wenn Kaskadensystem nicht<br />

greifen sollte)<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da bzgl. Fussgängersicherheit<br />

ungünstiges Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis/ negative Effekte nicht<br />

ausgeschlossen)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da schlechtes Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis)<br />

Vortrittsgewährung am Fussgängerstreifen: Die Anhaltequote der<br />

Fahrzeuglenkenden vor Fussgängerstreifen ist eindeutig zu gering. Gemäss<br />

einer systematischen und repräsentativen Beobachtungsstudie kann abgeschätzt<br />

werden, dass nur rund die Hälfte aller Fahrzeuglenkenden den<br />

Fussgängern ihr Vortrittsrecht gewähren (Ewert, 1999). Somit erstaunt es<br />

nicht, dass im Rahmen der polizeilichen Unfallprotokollierung die Vortrittsmissachtung<br />

am Fussgängerstreifen der am häufigsten zugeschriebene<br />

Mangel ist, der den Kollisionsgegnern attribuiert wird.


266 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Sowohl bewusstes<br />

Ignorieren als auch<br />

unabsichtliches<br />

Übersehen der<br />

Fussgänger müssen<br />

beachtet werden<br />

Fussgängerkollision<br />

durch unvorsichtiges<br />

Rückwärtsfahren stellt<br />

eine Vortrittsmissachtung<br />

dar<br />

Die geringe Anhaltequote am Fussgängerstreifen kann nicht ausschliesslich<br />

auf eine zu geringe Anhaltebereitschaft im Sinn eines bewussten Ignorierens<br />

der wartenden Fussgänger zurückgeführt werden. Die geringe<br />

Anhaltequote resultiert teilweise auch aus einer Fehleinschätzung der<br />

verkehrlichen und baulichen Situation im Umfeld der Fussgängerstreifen.<br />

Diese führt zu einer überhöhten Annäherungsgeschwindigkeit und damit<br />

zu einer nicht mehr vermeidbaren Verletzung der Anhaltepflicht (Risser &<br />

Stefan, 2004). Ein weiterer Grund für die geringe Anhaltquote liegt im unabsichtlichen<br />

Übersehen von Fussgängern. Das Übersehen kommt nicht<br />

ausschliesslich durch Sehdefizite (wie beispielsweise geringe Sehkraft<br />

oder eingeschränktes Sehfeld) zustande, sondern beruht auch auf Überforderungen<br />

infolge menschlicher Leistungsgrenzen (vgl. Kap. VII.3.16<br />

Visuelle Wahrnehmung, S. 174). Zu Überforderungen kommt es dann,<br />

wenn innert kurzer Zeit eine Vielzahl von visuellen Informationen verarbeitet<br />

werden müssen. Das kommt insbesondere an Kreuzungen in<br />

Städten regelmässig vor. Die Gefahr von Überforderungen steigt mit zunehmender<br />

Geschwindigkeit, denn je schneller gefahren wird, desto mehr<br />

Informationselemente müssen pro Zeiteinheit verarbeitet werden. Aber<br />

selbst bei einem langsamen und defensiven Fahrstil können Überforderungen<br />

nicht vollkommen ausgeschlossen werden.<br />

Vortrittsgewährung beim Rückwärtsfahren: Neben der Vortrittsmissachtung<br />

am Fussgängerstreifen kann auch unvorsichtiges Rückwärtsfahren<br />

zur Problematik der Vortrittsmissachtung gezählt werden. Wer rückwärts<br />

fährt, darf andere Strassenbenutzende nämlich nicht behindern;<br />

diese haben stets den Vortritt. Bei rund 8 % der Kollisionen zwischen einem<br />

Fussgänger und einem Fahrzeug stellt unvorsichtiges Rückwärtsfahren<br />

eine Mitursache des Unfalls dar. Es ist selbstredend, dass derartige<br />

Unfälle so gut wie nie auf absichtliche Vortrittsverweigerungen zurückzuführen<br />

sind; vielmehr ist von einem unabsichtlichen Übersehen des Fussgängers<br />

auszugehen. Dennoch muss von einem Fehlverhalten (eventualvorsätzliches<br />

oder fahrlässiges Verhalten) der Fahrzeuglenkenden gesprochen<br />

werden, da diese gewissermassen auf gut Glück rückwärts fahren<br />

(Verzicht auf das Sich-Umdrehen, Überschreiten der Schrittgeschwindigkeit,<br />

keine Inanspruchnahme einer Hilfsperson).


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 267<br />

Durch Beeinflussung<br />

der Fahrzeuglenkenden<br />

kann<br />

Vortrittsmissachtung<br />

reduziert werden<br />

Tabelle 87:<br />

Präventionsmöglichkeit‚Vortrittsgewährung<br />

am Fussgängerstreifen<br />

und<br />

beim Rückwärtsfahren’<br />

und Rettungspotenzial<br />

Fahrzeuglenkende<br />

sind zu vorsichtiger<br />

Fahrweise verpflichtet<br />

4.7.2 Präventionsmöglichkeiten<br />

Aufgrund der obigen Ausführungen kann für die Prävention folgende Folgerungen<br />

gezogen werden: Um die Vortrittsgewährung am Fussgängerstreifen<br />

sicherzustellen, ist es unabdingbar die Anhaltebereitschaft vor<br />

dem Fussgängerstreifen zu erhöhen. Aber infolge menschlicher Leistungsgrenzen<br />

lässt sich selbst bei 100-prozentiger Anhaltebereitschaft<br />

nicht eine 100-prozentige Anhaltequote erreichen. Es bedarf deshalb zusätzlicher<br />

Anstrengungen, die nur technischer Natur sein können (Infrastruktur<br />

und/oder Fahrzeugtechnik).<br />

Kollisionsunfälle beim Rückwärtsfahren könnten demgegenüber (zumindest<br />

theoretisch) durch eine Verhaltensanpassung der Fahrzeuglenkenden<br />

nahezu vollständig verhindert werden. Dennoch existieren relativ<br />

einfache und effektive technische Systeme (Rückfahrsensoren/-kameras),<br />

um Lenkende beim Rückwärtsfahren zu unterstützen und dadurch Unfälle<br />

zu vermeiden.<br />

Präventionsmöglichkeit Rettungspotenzial<br />

Einhaltung der Anhaltepflicht am Fussgängerstreifen<br />

sicherstellen<br />

Unvorsichtiges Rückwärtsfahren verhindern ***<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

4.7.3 Förderungsmassnahmen<br />

a) Legislative Massnahmen<br />

*****<br />

Anhaltepflicht: Gemäss Art. 33 Abs. 2 SVG haben Fahrzeuglenkende<br />

vor Fussgängerstreifen besonders vorsichtig zu fahren. Vor Fussgängerstreifen<br />

ohne Verkehrsregelung muss der Fahrzeuglenkende jedem<br />

Fussgänger, der sich bereits auf dem Streifen befindet oder davor wartet<br />

und ersichtlich die Fahrbahn überqueren will, den Vortritt gewähren. Er<br />

muss die Geschwindigkeit rechtzeitig mässigen und nötigenfalls anhalten,<br />

damit er dieser Pflicht nachkommen kann (Art. 6 Abs. 1 VRV).


268 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Vortrittsverweigerungen<br />

werden neu<br />

mit CHF 140.–<br />

gebüsst<br />

Rückwärtsfahren im<br />

Schritttempo<br />

Polizeiliche Kontrollen<br />

sind notwendig, damit<br />

die OBV Wirkung<br />

zeigt<br />

Eine Kampagne<br />

könnte die Anhaltebereitschaft<br />

fördern<br />

Ab dem 1. März 2006 wird das Nichtgewähren des Vortrittsrechts am<br />

Fussgängerstreifen mit einer Ordnungsbusse von CHF 140.– sanktioniert,<br />

sofern keine konkrete Gefährdung eines Fussgängers vorliegt. Wenn ein<br />

Fussgänger auf dem Streifen konkret gefährdet wird, wird der entsprechende<br />

Fahrzeuglenkende verzeigt und muss mit einem Führerscheinentzug<br />

rechnen.<br />

Rückwärtsfahren: Gemäss Art. 17 Abs. 2 VRV darf nur mit Schrittgeschwindigkeit<br />

rückwärts gefahren werden. Wer rückwärts fährt, darf andere<br />

Strassenbenützer nicht behindern; diese haben stets den Vortritt<br />

(Art. 36 Abs. 4 SVG). Bei Fahrzeugen mit beschränkter Sicht nach hinten<br />

ist zum Rückwärtsfahren eine Hilfsperson beizuziehen, wenn nicht jede<br />

Gefahr ausgeschlossen ist (Art. 17 Abs. 1 VRV).<br />

Fazit: Eine inhaltliche Anpassung oder Verschärfung der Gesetze und<br />

Verordnungen erscheint nicht notwendig.<br />

b) Exekutive Massnahmen<br />

Anhaltepflicht: Die Aufnahme der Vortrittsverweigerung am Fussgängerstreifen<br />

in die Ordnungsbussenverordnung (OBV) per 1.3.2006 erlaubt es<br />

der Polizei, mehr und effizienter zu kontrollieren. Angesichts der hohen<br />

Bedeutung der Vortrittsverweigerung für das <strong>Unfallgeschehen</strong> von Fussgängern<br />

muss die Polizei die vereinfachte Kontrollmöglichkeit unbedingt<br />

nutzen. Die Kontrolltätigkeit stellt eine notwendige Bedingung dar, damit<br />

eine gesetzliche Regelung eingehalten wird. Die alleinige Sanktionsandrohung<br />

zeigt nämlich in aller Regel so gut wie keine Wirkung.<br />

Rückwärtsfahren: Im Gegensatz zur Anhaltepflicht am Fussgängerstreifen<br />

bestehen keine sinnvollen Möglichkeiten, systematische Kontrollen<br />

des Rückwärtsfahren durchzuführen.<br />

c) Edukative Massnahmen<br />

Anhaltepflicht: Die Vortrittsverweigerung stellt ein Massenphänomen<br />

dar, das wohl von einem Grossteil der Fahrzeuglenkenden eher als Kavaliersdelikt<br />

eingestuft wird. Deshalb ist es sinnvoll, die Fahrzeuglenkenden<br />

durch Kampagnen über das hohe Gefährdungspotenzial der Vortrittsmissachtung<br />

am Fussgängerstreifen aufzuklären und die Anhaltebereit-


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 269<br />

Informationsbroschüren<br />

zur<br />

Problematik des<br />

Rückwärtsfahrens<br />

Die fahrzeugseitige<br />

Detektion von<br />

Fussgängern stellt<br />

eine vielversprechende<br />

Technologie dar<br />

schaft zu fördern. Dass es durch eine edukative Kampagne gelingen<br />

kann, die Anhaltebereitschaft zu erhöhen, zeigt die Evaluation der Aktion<br />

„Freundliche Zone“, die mit diesem Ziel durchgeführt wurde (vgl. Ewert,<br />

1999).<br />

Augrund von Erkenntnissen aus dem EU-Projekt GADGET muss jedoch<br />

empfohlen werden, eine Kampagne nicht losgelöst, sondern nur in Kombination<br />

mit Polizeikontrollen durchzuführen.<br />

Rückwärtsfahren: Der erhebliche Anteil an Unfällen durch unvorsichtiges<br />

Rückwärtsfahren am Gesamt der Fussgängerunfälle zeigt, dass die Gefährlichkeit<br />

dieses heiklen Fahrmanövers unterschätzt wird. Um sicheres<br />

Rückwärtsfahren zu fördern, stellen WAB-Kurse (für die Neulenkenden)<br />

und Informationsbroschüren (für die restlichen Lenkenden) mögliche Instrumente<br />

dar. Eine nationale Kampagne erscheint aus Kosten-Nutzen-<br />

Überlegungen nicht angebracht.<br />

d) Technische Massnahmen<br />

Anhaltepflicht: Um Vortrittsmissachtungen am Fussgängerstreifen zu<br />

reduzieren, muss primär die Anhaltebereitschaft in einer Kombination von<br />

Sanktionsandrohung, polizeilicher Kontrolltätigkeit sowie begleitender<br />

Kampagnen erhöht werden. Durch diese Massnahmen können zumindest<br />

die bewussten Vortrittsverweigerungen reduziert werden. Untangiert bleiben<br />

jedoch all jene Vortrittsmissachtungen, die auf einem (unabsichtlichen)<br />

Übersehen des Fussgängers infolge einer Überbeanspruchung des<br />

Fahrzeuglenkenden beruhen. Dieses Problemfeld kann nur durch technische<br />

Massnahmen entschärft werden, die den Fahrzeuglenkenden in seiner<br />

Fahraufgabe unterstützen. Eine überaus vielversprechende Massnahme<br />

stellt die fahrzeugseitige Detektion von Fussgängern dar, womit<br />

nicht nur Vortrittsmissachtungen am Fussgängerstreifen, sondern auch<br />

alle andern Kollisionsunfälle zwischen Motorfahrzeugen und Fussgängern<br />

reduziert werden könnten (s. Kap. VIII.5.5 Elektronische Fahrassistenz-<br />

systeme, S. 285).<br />

Rückwärtsfahren: Um Kollisionen beim Rückwärtsfahren zu reduzieren,<br />

helfen die bereits seit längerem auf dem Markt erhältlichen Einparkhilfen<br />

(s. Kap. VIII.5.5 Elektronische Fahrassistenzsysteme, S. 285).


270 Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte<br />

Tabelle 88:<br />

Massnahmen zur Förderung<br />

der Vortrittsgewährung<br />

am Fussgängerstreifen<br />

und<br />

beim Rückwärtsfahren<br />

sowie<br />

Beurteilung<br />

Fahrverhalten der<br />

Fahrzeuglenkenden<br />

beeinflusst Fussgängersicherheit<br />

Eignung, Kompetenz<br />

und Fähigkeit der<br />

Fahrzeuglenkenden<br />

haben keine Priorität<br />

4.7.4 Massnahmenbeurteilung<br />

Massnahme Beurteilung<br />

Kombination von Kampagne und<br />

polizeilichen Kontrollen zur Einhaltung des<br />

Vortrittsrechts am Fussgängerstreifen<br />

Reine massenmediale Kampagne zur<br />

Förderung der Vortrittsgewährung<br />

Informationsbroschüren zur Problematik<br />

des Rückwärtsfahrens<br />

Sanktionen für Vortrittsmissachtung<br />

erhöhen<br />

Kampagne gegen unvorsichtiges<br />

Rückwärtsfahren<br />

4.8 Zusammenfassung und Fazit<br />

Sehr empfehlenswert<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da eher in Kombination mit<br />

Polizeikontrolle sinnvoll)<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da Wirksamkeit schwierig<br />

abzuschätzen)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da bei gegebener Situation kaum<br />

Sicherheitseffekte zu erwarten)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da schlechtes Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis)<br />

Die Fahrzeuglenkenden (insbesondere die motorisierten) können einen<br />

bedeutenden Beitrag zur Steigerung der Sicherheit der Fussgänger leisten.<br />

Dementsprechend ist es nur folgerichtig, die Fahrzeuglenkenden gezielt<br />

in ihrer Fahrweise zu beeinflussen. Das globale Ziel besteht darin,<br />

einen vorausschauenden, sicherheitsorientierten und partnerschaftlichen<br />

Fahrstil zu fördern, wobei dem Anhalten vor dem Fussgängerstreifen und<br />

der Geschwindigkeitswahl besondere Bedeutung zukommen muss. Einen<br />

wichtigen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels wird voraussichtlich die<br />

neue 2-Phasenfahrausbildung leisten können. Um neben den Neulenkenden<br />

auch die restlichen Fahrzeuglenkenden zu erreichen, bedarf es zudem<br />

massenmedialer Kampagnen in Kombination mit polizeilichen Kontrollmassnahmen.<br />

Es muss ergänzend angemerkt werden, dass das Fahrverhalten der<br />

Fahrzeuglenkenden zu einem beachtlichen Teil auch durch die situativen<br />

Gegebenheiten der Infrastruktur bestimmt wird (Kap. VIII.6, S. 296).<br />

Neben der direkten Beeinflussung des Fahrverhaltens besteht eine Reihe<br />

indirekter Möglichkeiten der Einflussnahme, indem die dispositive Ebene<br />

mit den drei Bereichen Fahreignung, Fahrkompetenz und Fahrfähigkeit<br />

angegangen wird. Es ist im Rahmen einer umfassenden Verkehrssicher-


Prävention – Lenkende der Kollisionsobjekte 271<br />

heitspolitik unumgänglich, Sicherheitsmassnahmen in diesen Bereichen<br />

umzusetzen. Wenn hingegen spezifisch die Sicherheit der Fussgänger<br />

betrachtet wird, geraten viele Massnahmen aus diesem Bereich in den<br />

Hintergrund, da ihr spezifischer Nutzen für die Sicherheit der Fussgänger<br />

im Verhältnis zu den entsprechenden Umsetzungskosten geringer ausfällt<br />

als bei Massnahmen, die explizit und unmittelbar den <strong>Fussverkehr</strong> fokussieren.<br />

Das heisst, wenn vorhandene Gelder so eingesetzt werden sollen,<br />

dass sie spezifisch die Sicherheit der Fussgänger erhöhen, sind Massnahmen<br />

auf der dispositiven Ebene eher nicht zu favorisieren.<br />

Empfehlenswert ist jedoch, dass das Dämmerungssehvermögen und die<br />

Blendempfindlichkeit im Rahmen der ohnehin obligatorisch durchzuführenden<br />

Sehtests getestet werden.


272 Prävention – Kollisionsobjekte<br />

Fahrzeugtechnik<br />

muss auch den<br />

Lenker berücksichtigen<br />

5. Kollisionsobjekte<br />

5.1 Einleitung<br />

Im vorliegenden Kapitel wird aufgezeigt, was fahrzeugbezogene Optimierungen<br />

zur Steigerung der Fussgängersicherheit beitragen können. Obwohl<br />

auch Radfahrende zu den Kollisionsgegnern von Fussgängern zu<br />

zählen sind, werden Fahrräder nachfolgend ausgeklammert. Zum einen<br />

sind Kollisionen mit Fahrrädern nur für einen sehr kleinen Teil (4 %) der<br />

schwer und tödlich verletzten Fussgänger verantwortlich und zum anderen<br />

bestehen nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, Fahrräder fussgängerfreundlicher<br />

zu gestalten. Um Fahrrad-Fussgänger-Kollisionen zu reduzieren,<br />

muss dementsprechend primär beim Verhalten der Radfahrenden<br />

und nicht bei der Fahrradtechnik angesetzt werden (Kap. VIII.4<br />

Lenkende der Kollisionsobjekte, S. 233).<br />

Von Motorfahrzeugen ausgehende Gefahren können grundsätzlich in<br />

zwei Bereiche eingeteilt werden: in a) mangelhafte Betriebssicherheit und<br />

b) unbefriedigende Fahrzeugkonstruktionen. Erstere bezieht sich auf temporäre<br />

Unzulänglichkeiten im Sinne von gesetzlich nicht erlaubten oder<br />

reparaturbedürftigen Komponenten. Mit mehr oder weniger grossem Aufwand<br />

können diese Mängel behoben werden, sodass die Betriebssicher-<br />

heit wieder hergestellt ist (Kap. VIII.5.2, S. 273). Beim zweiten Bereich<br />

handelt es sich demgegenüber um konstruktionsimmanente Unzulänglichkeiten<br />

eines Fahrzeugs. Hier sind insbesondere die strukturgeometrischen<br />

Eigenschaften der Fahrzeugfront (Kap. VIII.5.3, S. 275) und die<br />

Beleuchtungsanlage (Kap. VIII.5.4, S. 282) zu nennen.<br />

Eine umfassende Sicherheitsoptimierung von Motorfahrzeugen hat nicht<br />

nur Gefahren zu beseitigen, die vom Fahrzeug selbst ausgehen, sondern<br />

muss auch das Verhalten der Fahrzeuglenkenden einbeziehen. Technische<br />

Systeme können den Lenkenden fahrrelevante Sicherheitsinformationen<br />

zur Verfügung stellen oder sogar das Fahrgeschehen beeinflussen.<br />

Dieser Bereich wird unter der Thematik Fahrassistenzsysteme betrachtet<br />

(Kap. VIII.5.5, S. 285).


Prävention – Kollisionsobjekte 273<br />

Mängel nicht<br />

ausgeschlossen<br />

Tabelle 89:<br />

Präventionsmöglichkeit<br />

‚Sicherstellung<br />

der Betriebssicherheit<br />

von MFZ’ und<br />

Rettungspotenzial<br />

Motorfahrzeuge<br />

unterliegen der<br />

Typenprüfung<br />

5.2 Betriebssicherheit<br />

5.2.1 Ausgangslage<br />

Im Strassenverkehr sind durchaus Fahrzeuge in qualitativ mangelhaftem<br />

Betriebszustand vorzufinden. Diese sind fast ausschliesslich alterungsbedingt.<br />

Aber auch neue Fahrzeuge können infolge der sehr kurzen Planungszyklen<br />

und der Vielzahl von elektronischen Komponenten Mängel<br />

aufweisen. Diese werden jedoch meist (zumindest wenn sie sicherheitsrelevant<br />

sind) relativ rasch durch Rückrufaktionen beseitigt. Die Rückrufe<br />

können dabei verschiedene Erscheinungsformen haben (stille vs. öffentliche<br />

Rückrufe, freiwillige vs. behördlich angeordnete Rückrufe).<br />

Die Bedeutung von technischen MFZ-Mängeln als Ursache für das <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

von Fussgängern ist jedoch sehr gering.<br />

5.2.2 Präventionsmöglichkeiten<br />

Motorfahrzeuge müssen betriebssicher sein, d. h., sie dürfen keine technischen<br />

Mängel aufweisen, die zu einer Unfallgefahr werden können.<br />

Präventionsmöglichkeit<br />

Rettungspotenzial<br />

Betriebssicherheit aller MFZ sicherstellen *<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

5.2.3 Förderungsmassnahmen<br />

Es existieren in der Schweiz zwei zentrale, gesetzlich verankerte Kontrollinstrumente,<br />

um die Betriebssicherheit von Motorfahrzeugen zu gewährleisten:<br />

die Typenprüfung und die amtlichen Nachkontrollen.<br />

Die Typenprüfung ist gemäss Art. 12 des SVG für alle serienmässig hergestellten<br />

Motorfahrzeuge obligatorisch. Weiter sind auch bestimmte Bestandteile,<br />

Ausrüstungsgegenstände und Schutzvorrichtungen der<br />

Typenprüfung unterstellt (vgl. auch Art. 1 TGV).


274 Prävention – Kollisionsobjekte<br />

In festgelegten<br />

Zeitabständen wird<br />

die Betriebssicherheit<br />

kontrolliert<br />

Fazit: amtliche<br />

Kontrollen müssen<br />

nicht verschärft<br />

werden<br />

Rückrufe bei<br />

mangelhaften<br />

Fahrzeugen<br />

Bei der amtlichen Nachkontrolle handelt es sich um eine gemäss Art. 33<br />

der VTS obligatorische und periodische Prüfung von eingelösten Fahrzeugen.<br />

Bei dieser Prüfung wird beurteilt, ob das Fahrzeug die gesetzlichen<br />

Vorschriften der Betriebssicherheit erfüllt. Für die meisten Motorfahrzeuge<br />

wie PW und Motorräder gelten folgende Kontrollintervalle: vier<br />

Jahre nach der ersten Inverkehrssetzung, drei Jahre nach der ersten<br />

Kontrolle, danach alle zwei Jahre. Zudem fallen gemäss Art. 34 VTS ausserordentliche<br />

Fahrzeugprüfungen an, wenn ein Fahrzeug bei einem<br />

Unfall starke Beschädigungen erlitten hat, bei einer Polizeikontrolle erhebliche<br />

Mängel entdeckt oder technische Änderungen am Fahrzeug vorgenommen<br />

wurden.<br />

In Anbetracht der geringen Bedeutung von technischen Mängeln bei der<br />

(Mit-)Verursachung von Fussgängerunfällen ist die gegenwärtige Kontrollsituation<br />

als ausreichend zu bezeichnen, sodass in diesem Bereich<br />

kein zusätzlicher Handlungsbedarf besteht.<br />

Neben den amtlichen Kontrollen sind auch die Verkäufer und Hersteller<br />

verpflichtet, die Fahrzeugsicherheit zu gewährleisten. Aufgrund der aktuellen<br />

Rechtslage bestehen für Händler und Hersteller zumindest Warnund<br />

Informationspflichten, wenn sie von Fahrzeugmängeln erfahren, die<br />

eine ernste Gefahr für Insassen oder andere Personen darstellen. Ob sich<br />

diese Pflichten aber bis hin zu einer eigentlichen Rückrufpflicht erstrecken,<br />

ist rechtlich umstritten (Roberto, 2002).<br />

Anders als in der Schweiz ist die Rückrufpflicht in der EU durch die europäische<br />

Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG ausdrücklich geregelt. Es<br />

ist sinnvoll, das Produktsicherheitsrecht der Schweiz demjenigen der EU<br />

anzugleichen. Das erscheint deshalb sachgerecht, weil sowohl das<br />

PrHG36 als auch das OR37 (Art. 55) nur die Haftungsfolgen für den Fall<br />

regeln, wenn ein mangelhaftes Fahrzeug einen Schaden verursacht hat.<br />

Die blosse Lieferung eines mangelhaften Fahrzeugs begründet keine<br />

Haftung des Herstellers. Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass<br />

ein Hersteller bei einem Fahrzeugfehler, der nur selten zu entsprechenden<br />

Schädigungen führt, eine Kostenabwägung macht und gestützt dar-<br />

36 Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über die Produktehaftpflicht (Produktehaftpflichtgesetz,<br />

PrHG), SR 221.112.944<br />

37 Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des<br />

Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht), SR 220


Prävention – Kollisionsobjekte 275<br />

Tabelle 90:<br />

Massnahme zur<br />

Förderung der<br />

Betriebssicherheit von<br />

MFZ und Beurteilung<br />

Ungenügender<br />

Fussgängerschutz bei<br />

den Motorfahrzeugen<br />

auf auf den Rückruf verzichtet. Die europäische Produktsicherheitsrichtlinie<br />

schliesst diese Lücke, indem sie verhindert, dass als gefährlich erkannte<br />

Produkte im Markt verbleiben. Das Produktsicherheitsrecht der<br />

Schweiz soll im Rahmen der laufenden Revision des STEG38 demjenigen<br />

der Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG angeglichen werden. Darüber<br />

hinaus besteht gegenwärtig kein Handlungsbedarf.<br />

Massnahmenbeurteilung<br />

Massnahme Beurteilung<br />

Verschärfung der Kontrollsituation von MFZ<br />

(Typenprüfung und amtliche Nachkontrollen)<br />

5.3 Fahrzeugfronten<br />

5.3.1 Ausgangslage<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da schlechtes Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis)<br />

Im Kapitel Risikofaktoren konnten zwei Eigenschaften von Fahrzeugfronten<br />

eruiert werden, die besonders verletzungsrelevant sind: die Form- und<br />

die Steifigkeitsaggressivität. Beide Merkmale sind bei STFZ (Sachtransportfahrzeugen)<br />

bedeutend ungünstiger ausgeprägt als bei PW. Andererseits<br />

variieren sie auch innerhalb der Kategorie der PW von Modell zu<br />

Modell.<br />

Gegenwärtig ist der Partnerschutz für ungeschützte Verkehrsteilnehmende<br />

bei den weitaus meisten Fahrzeugen als völlig ungenügend zu bezeichnen.<br />

Dass diesbezüglich dringender Handlungsbedarf besteht, zeigt sich<br />

auch darin, dass mehrere führende europäische Gremien – u. a. das europäische<br />

Parlament – den fahrzeugseitigen Fussgängerschutz zur Priorität<br />

erhoben haben.<br />

38 Bundesgesetz vom 19. März 1976 über die Sicherheit von technischen Einrichtungen<br />

und Geräten, SR 819.1


276 Prävention – Kollisionsobjekte<br />

PW müssen mit<br />

sicherheitsoptimierten<br />

Fronten ausgerüstet<br />

werden<br />

5.3.2 Präventionsmöglichkeiten<br />

Ziel ist, Motorfahrzeuge mit verletzungsreduzierenden Fronten zu fördern<br />

– primär bei den Personenwagen, als Hauptkollisionsobjekt der Fussgänger<br />

und sekundär auch bei Nutzfahrzeugen. Frontpartien müssen derart<br />

konstruiert werden, dass insbesondere die vulnerabelsten Körperstellen<br />

(v. a. Kopf, aber auch Oberkörper) möglichst wenig belastet werden.<br />

Frontschutzbügel: Es ist unbestritten, dass Frontschutzbügel massiver<br />

Bauart eine Zusatzgefährdung für Fussgänger darstellen. Durch verschiedene<br />

technische Massnahmen wie die Verwendung von weichen, nachgebenden<br />

Materialien und energieabsorbierenden Dämpfersystemen<br />

kann diese Zusatzgefährdung nicht nur reduziert, sondern sogar ganz<br />

eliminiert werden. Bei ungünstigen Fronteigenschaften des Fahrzeugs<br />

(z. B. hohe und steife Geländewagenfronten) kann ein sicherheitsoptimierter<br />

Frontschutzbügel sogar einen Sicherheitsgewinn mit sich bringen.<br />

Deformationsweg unterhalb der Motorhaube: In den letzten Jahren hat<br />

sich der Platz im Motorraum zunehmend verringert: Die Fronten werden<br />

immer kürzer und gleichzeitig aus Luftwiderstandsgründen vorne abgesenkt,<br />

Motoren werden grösser und es werden immer mehr Zusatzaggregate<br />

wie Klimaanlage, ABS etc. eingebaut. Das hat zur Folge, dass zwischen<br />

Motorhaube und den harten Aggregaten im Motorraum meistens zu<br />

wenig Deformationsweg übrig bleibt. Wie Untersuchungen gezeigt haben,<br />

reichen 6 cm Deformationsweg bis zu den harten Teilen im Motorraum,<br />

wenn unter der Haube energieabsorbierendes Material eingebaut wird<br />

(Glaeser, 1996).<br />

Aktive Anhebung der Motorhaube: Unmittelbar vor einer Frontkollision<br />

wird die Motorhaube mittels eines elektromechanischen, pyrotechnischen<br />

oder hydraulischen Antriebs aktiv angehoben (Abbildung 33). Die angehobene<br />

Motorhaube reduziert durch ein energieabsorbierendes Federungssystem<br />

die Belastungen beim Aufprall.


Prävention – Kollisionsobjekte 277<br />

Abbildung 33:<br />

Motorhaube mit<br />

Sicherheitsfunktion im<br />

aktivierten<br />

(angehobenen)<br />

Zustand<br />

Abbildung 34:<br />

Sicherheitsgewinn<br />

durch aktive<br />

Motorhauben<br />

(Kollisionsgeschwindigkeit:<br />

40 km/h)<br />

Quelle: http://www.autoliv.com<br />

Crash-Tests zeigen einen massiven Sicherheitsgewinn aktiver Motorhauben:<br />

Je nach Aufprallposition können die Kopfbelastungen (Head Injury<br />

Criterion HIC39 ) um 20 bis 90 % reduziert werden (Abbildung 34).<br />

Kopfbelastung (Head Injury Criterion HIC)<br />

8000<br />

7000<br />

6000<br />

5000<br />

4000<br />

3000<br />

2000<br />

1000<br />

0<br />

3257<br />

648<br />

7056<br />

735<br />

1486 1438<br />

525<br />

753<br />

953<br />

778<br />

1 2 3 4 5<br />

Quelle: Fredriksson, Håland & Yang (2001)<br />

Unterschiedliche Aufprallpositionen<br />

Standard-Motorhauben Aktive Motorhauben<br />

39 Der HIC-Wert wird auf der Basis von Kopfbeschleunigung und<br />

-verzögerung, bezogen auf die Einwirkungszeit, ermittelt und stellt das gängige<br />

Mass für die Schwere von Kopfverletzungen dar.


278 Prävention – Kollisionsobjekte<br />

Abbildung 35:<br />

Aussenairbags<br />

Abbildung 36:<br />

Sicherheitsgewinn<br />

durch Aussenairbags<br />

Aussenairbags: Aussenairbags, deren technische Realisierung nicht<br />

ganz trivial ist, könnten vor allem im Bereich der Windschutzscheibe und<br />

der A-Säulen gute Dienste leisten, da diese Strukturen nicht oder kaum<br />

verletzungsreduzierend konstruiert werden können (Abbildung 35).<br />

Quelle: http:// www.autoliv.com<br />

Wie Crash-Tests zeigen, stellen Aussenairbags eine hochwirksame Einrichtung<br />

dar, um die Kopfbelastungen (HIC) angefahrener Personen zu<br />

reduzieren (vgl. Abbildung 36).<br />

Kopfbelastung (Head Injury Criterion HIC)<br />

8000<br />

7000<br />

6000<br />

5000<br />

4000<br />

3000<br />

2000<br />

1000<br />

Quelle: http://www.autoliv.com<br />

0<br />

3700<br />

690<br />

6700<br />

30 km/h 40 km/h<br />

ohne Aussenairbags mit Aussenairbags<br />

940


Prävention – Kollisionsobjekte 279<br />

Abbildung 37:<br />

Beispiel für<br />

strukturelle Fahrzeugoptimierungen<br />

zur<br />

Herabsetzung der<br />

Verletzungsschwere<br />

Sicherheitsnutzen ist<br />

geschwindigkeitsabhängig<br />

Tabelle 91:<br />

Fahrzeugtechnische<br />

Präventionsmöglichkeiten<br />

zum<br />

Partnerschutz und<br />

Rettungspotenzial<br />

Formoptimierung und Steifigkeitsreduktion: Es existiert eine ganze<br />

Reihe von technisch relativ einfachen Möglichkeiten zur Steigerung des<br />

Partnerschutzes, wie beispielsweise scharfe Kanten und Ecken vermeiden,<br />

elastischere Stossfänger verwenden, hohe und senkrechte Frontflächen<br />

umgehen, nachgebende und stossabsorbierende Materialien<br />

verwenden, Scheibenwischer mit der Motorhaube überdecken und die<br />

steife Haube-Kotflügel-Grenze möglichst weit aussen anbringen (da in<br />

dieser Zone Kopfkontakte seltener sind). Auch bei Motorrädern existieren<br />

relativ einfache Möglichkeiten, um die Verletzungsschwere für angefahrene<br />

Fussgänger herabzusetzen (vgl. Abbildung 37).<br />

Beckenverletzungen<br />

splitternde<br />

Streuscheibe bei<br />

Rundscheinwerfer<br />

Verletzungen der Weichteile<br />

Beinverletzungen<br />

verletzungsverursachend<br />

Quelle: http://www.unfallanalyse.de<br />

verschiebbarer<br />

Scheinwerfer<br />

nicht splitterndes<br />

Schweinwerferglas<br />

Beinpolsterung<br />

Schutzmassnahmen, entwickelt<br />

mit dem Simulationsmodell<br />

Hand-/Abdomenpolsterung<br />

abknickbarer Blinker<br />

Es muss angemerkt werden, dass strukturtechnische Modifikationen der<br />

Frontpartie nur bis zu Aufprallgeschwindigkeiten von maximal 40 km/h<br />

wirksam sind (Aussenairbags im Bereich der Windschutzscheibe dürften<br />

auch darüber hinaus wirksam sein). Da die Wirksamkeit von Frontoptimierungen<br />

geschwindigkeitsabhängig ist, ist ihr Nutzen umso stärker, je mehr<br />

es durch begleitende Massnahmen gelingt, die Innerortsgeschwindigkeiten<br />

zu reduzieren (Liu & Yang, 2003).<br />

Präventionsmöglichkeit<br />

Sicherheitsoptimierte Frontkonstruktionen (Formoptimierung,<br />

Steifigkeitsreduktion, aktive Motorhaube, Aussenairbags)<br />

Weglassen von verletzungserhöhenden Frontschutzbügeln<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

Rettungspotenzial<br />

****<br />

( * )


280 Prävention – Kollisionsobjekte<br />

Förderung des<br />

Partnerschutzes:<br />

kurzfristig edukativ/<br />

langfristig legislativ<br />

Fronschutzbügel nur<br />

erlaubt, wenn<br />

Sicherheit erhöht wird<br />

5.3.3 Förderungsmassnahmen<br />

Die Entwicklung und die Produktion von fahrzeugtechnischen Präventionsmöglichkeiten<br />

zum Partnerschutz sind mit Zusatzkosten verbunden,<br />

die letztlich die Konsumenten zu tragen haben. Da diese Mehrkosten aber<br />

nicht der eigenen Sicherheit zugutekommen, wird das die Implementierung<br />

hemmen. Eine breite Einführung von verletzungsreduzierenden<br />

Fronten wird deshalb wohl nur durch gesetzliche Vorschriften möglich<br />

sein. Kurzfristig sind auch edukative Förderungsmassnahmen sinnvoll,<br />

um Autokaufende für den Partnerschutz zu sensibilisieren und den Verkauf<br />

von PW mit guter Euro NCAP-Bewertung zum Fussgängerschutz zu<br />

fördern.<br />

a) Legislativ-exekutive Förderungsmassnahmen<br />

Frontschutzbügel sind seit 1996 per Gesetz (Art. 67 Abs. 2 VTS) nur dann<br />

zulässig, wenn sie bei Kollisionen mit Fussgängern gegenüber dem serienmässigen<br />

Grundmodell keine zusätzliche Verletzungsgefahr darstellen.<br />

Das heisst, es muss eine Genehmigung gemäss der Richtlinie<br />

74/483/EWG (in der Fassung 87/354) vorliegen40 .<br />

Die EU hat zunächst erwogen, Frontschutzbügel ganz zu verbieten, doch<br />

wurde erkannt, dass sie unter gewissen Voraussetzungen auch die Verletzungsgefahr<br />

mindern können. Diese Erkenntnis ist in die Richtlinie<br />

2005/66/EG eingeflossen. Sie gestattet die Verwendung von Frontschutzbügeln<br />

nur, wenn sie an dem jeweiligen Fahrzeug einen Sicherheitsgewinn<br />

mit sich bringt. Im Rahmen einer Prüfung muss nachgewiesen<br />

werden, dass aufgrund der Bauart des Frontschutzbügels das Verletzungsrisiko<br />

reduziert wird. Diese Vorschrift tritt ab August 2006 in Kraft<br />

und gilt für Personenwagen (Klasse M1) und leichte Sachentransportfahrzeuge<br />

(Klasse N1). Diese strengere Praxis bei der Zulassung von Frontschutzbügeln<br />

in der EU wird sich auch in der Schweiz positiv auswirken.<br />

40 Diese Vorschriften gelten nicht nur für Neuwagen, sondern auch für ältere<br />

Fahrzeuge. Es ist somit möglich, dass Frontschutzbügel an älteren<br />

Fahrzeugen beanstandet werden, obwohl sie original ab Werk montiert wurden<br />

oder auf der schweizerischen Typengenehmigung erwähnt sind.


Prävention – Kollisionsobjekte 281<br />

Partnerschutz wird<br />

zukünftig erhöht<br />

Weitergehende<br />

Vorschriften sind<br />

nicht möglich<br />

Informationen zum<br />

Partnerschutz<br />

kommunizieren<br />

In der Schweiz muss die Frontpartie von neuen Fahrzeugtypen seit dem<br />

1. Oktober 2005 der EG-Richtlinie zum Schutz von Fussgängern und anderen<br />

ungeschützten Verkehrsteilnehmern (Richtlinie Nr. 2003/102/EG)<br />

entsprechen. Die Richtlinie legt Grenzwerte fest, die bei der Kollision eines<br />

Fahrzeugs mit einem Fussgänger nicht überschritten werden dürfen.<br />

Ab dem 1. Januar 2013 gilt diese Richtlinie in Übereinstimmung mit dem<br />

EG-Recht nicht nur für neue Fahrzeugtypen, sondern für alle Neuzulassungen.<br />

Vom Geltungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen sind zurzeit<br />

noch Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von über 2'500 kg, so<br />

dass der verbesserte Fussgängerschutz leider noch nicht bei allen Offroadern/Minivans<br />

seine Wirkung entfalten kann. Eine entsprechende Ausdehnung<br />

der besagten EG-Richtlinie wäre aus Präventionssicht zu begrüssen.<br />

Die EG-Kommission prüft noch, ob und wie der Geltungsbereich<br />

auf alle Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht bis zu 3'500 kg erweitert<br />

werden kann.<br />

Weitergehende gesetzliche Forderungen an die Autohersteller sind für die<br />

Schweiz als Nicht-EU-Mitglied, als Land ohne eigene Automobilindustrie<br />

und mit verhältnismässig kleinem Absatzanteil kaum möglich, zumal damit<br />

technische Handelshemmnisse geschaffen würden. Um die fahrzeugseitige<br />

Fussgängersicherheit weiter zu fördern, bedarf es deshalb der internationalen<br />

Zusammenarbeit (z. B. Einsitz in den Arbeitsgruppen der<br />

UN/ECE).<br />

b) Edukative Förderungsmassnahmen<br />

Potenzielle Autokäufer und -käuferinnen können mittels massenmedialen<br />

Informationsquellen wie Autozeitschriften, Internet, Konsumenten-Broschüren<br />

bezüglich des Partnerschutzes sensibilisiert und über verletzungsmindernde<br />

Fahrzeugfronten informiert werden. Als Informationsquelle eignen<br />

sich bestens Befunde aus Crashtests (z. B. Euro NCAP), die nicht wie<br />

früher ausschliesslich die Sicherheit der Insassen, sondern zusätzlich die<br />

äussere Fahrzeugsicherheit überprüfen. Die Veröffentlichung von unabhängigen<br />

Crashtest-Ergebnissen ermöglicht einerseits den Kaufinteressenten,<br />

ihr Fahrzeug auch unter Berücksichtigung des Partnerschutzes<br />

auszuwählen und erhöht andererseits den Druck auf Fahrzeughersteller,<br />

Schutzmöglichkeiten in ihre Fahrzeugmodelle einzubauen (vgl. Friedel &<br />

Kalliske, 2000; Klanner, Gauss, Sievert & Seeck, 2000).


282 Prävention – Kollisionsobjekte<br />

Tabelle 92:<br />

Massnahmen zur<br />

Förderung sicher<br />

gestalteter PW-<br />

Fronten und<br />

Beurteilung<br />

Lichtkegel sind<br />

räumlich<br />

eingeschränkt<br />

5.3.4 Massnahmenbeurteilung<br />

Massnahme Beurteilung<br />

Informierung/Sensibilisierung potenzieller<br />

Autokäufer bezüglich Partnerschutz mittels<br />

Print- und elektronischer Medien<br />

In internationaler Zusammenarbeit<br />

Anforderungen an PW-Fronten zum<br />

Fussgängerschutz festlegen<br />

Globales Verbot aller Frontschutzbügel<br />

Über die EU-Richtlinie (2003/102/EG)<br />

hinausgehende Forderungen zum<br />

fahrzeugseitigen Fussgängerschutz<br />

Empfehlenswert<br />

Empfehlenswert<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(kein Nutzen, da Bügel nur erlaubt<br />

sind, wenn Sicherheit erhöht wird)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(politisch nicht umsetzbar)<br />

Zudem ist es empfehlenswert, im Rahmen der polizeilichen Unfallprotokollierung<br />

auch den genauen Fahrzeugtyp zu erfassen (Typenscheinnummer).<br />

Diese Information ermöglicht es nämlich, modellspezifische<br />

Unfallanalysen durchzuführen, was wiederum eine wichtige Grundlage<br />

darstellt, um Fahrzeuge mit fussgängerfreundlicheren Fronten zu fördern.<br />

5.4 Beleuchtungsanlage<br />

5.4.1 Ausgangslage<br />

In Anbetracht der Tatsache, dass der Mensch über 90 % der für das Fahren<br />

relevanten Informationen über die Augen aufnimmt, kann die lichttechnische<br />

Einrichtung am Fahrzeug als notwendiges Element zur Unfallvermeidung<br />

bezeichnet werden.<br />

Technisch gesehen wäre es kein Problem, den Verkehrsraum in der<br />

Nacht durch die Fahrzeugbeleuchtung weiträumig auszuleuchten. Das<br />

würde jedoch andere Verkehrsteilnehmende und insbesondere den entgegenkommenden<br />

Verkehr massiv blenden. Deshalb ist der Beleuchtungsraum<br />

sowohl seitlich als auch in Längsrichtung eingeschränkt. Der<br />

eingeschränkte Lichtkegel führt bei Kurvenfahrten und Abbiegemanövern<br />

dazu, dass ein Fussgänger am Strassenrand ausserhalb des Lichts bleibt<br />

und somit für den Fahrzeuglenkenden nicht oder zu spät erkennbar ist.<br />

Rund 30 % der schweren Fussgängerunfälle geschehen bei Dunkelheit.


Prävention – Kollisionsobjekte 283<br />

Abbildung 38:<br />

Lichtkegel von<br />

statischem<br />

Kurvenlicht<br />

5.4.2 Präventionsmöglichkeiten<br />

Die Beleuchtungsanlage kann hauptsächlich in zweierlei Hinsicht verbessert<br />

werden:<br />

• Zum einen muss die seitliche Ausrichtung des Lichtkegels in Abhängigkeit<br />

der Fahrsituation flexibel sein. Konventionelle Beleuchtungsanlagen<br />

erlauben nur die Anpassung in Längsrichtung, indem zwischen<br />

Fern- und Abblendlicht umgeschaltet wird.<br />

• Zum anderen sollte die spektrale Farbverteilung der Scheinwerfer das<br />

menschliche Auge optimal unterstützen.<br />

Adaptive Frontlichtsysteme (AFS): Dabei werden die Fahrzeugscheinwerfer<br />

bei Kurvenfahrten in Abhängigkeit des Lenkeinschlags nach rechts<br />

bzw. links gedreht, sodass die Fahrbahn gemäss der Fahrtrichtung ausgeleuchtet<br />

wird (dynamisches Kurvenlicht). Weiter kann ein nach der<br />

Seite gerichtetes Licht zugeschaltet werden, wenn der Lenker zwecks<br />

Abbiegen den Blinker betätigt, sodass die Querstrassen besser ausgeleuchtet<br />

werden (statisches Kurvenlicht). Durch diese Technik wird auch<br />

der Wirkungsbereich von reflektierenden Materialien erhöht.<br />

Quelle: www.hella-press.de<br />

Xenon-Scheinwerfer: Xenon-Scheinwerfer haben die spektrale Verteilung<br />

von Tageslicht und unterstützen somit das menschliche Auge nahezu<br />

optimal. Xenon-Scheinwerfer müssen unbedingt mit einer automatischen<br />

Leuchtweitenregulierung und einer Scheinwerfer-Reinigungsanlage<br />

ausgestattet sein, da sonst der Gegenverkehr extrem geblendet werden<br />

kann. Die automatische Leuchtweitenregulierung passt mittels Hinterachssensoren<br />

innerhalb von Millisekunden die Leuchtweite an (illegale<br />

Nachrüstsätze, die lediglich aus Lampen, Kabel und einem Vorschaltgerät<br />

bestehen, stellen deshalb eine Gefahr dar).


284 Prävention – Kollisionsobjekte<br />

Abbildung 39:<br />

Einfluss von<br />

verschmutzten<br />

Scheinwerfern auf die<br />

Fahrsicherheit<br />

Tabelle 93:<br />

Präventionsmöglichkeit<br />

‚lichttechnisch<br />

optimierter Frontscheinwerfer’<br />

und<br />

Rettungspotenzial<br />

Konsumenten über<br />

den Sicherheitsgewinn<br />

moderner<br />

Lichttechnik<br />

informieren<br />

Breitstrahler: Eine weitere lichttechnische Möglichkeit stellen Tiefstrahler<br />

(auch Breitstrahler genannt) zur besseren Ausleuchtung des Fahrbahnrands<br />

dar (Ruwenstroth, Kuller & Radder, 1993).<br />

Ausfallmelder: Der Defekt einer Lampe im Hauptscheinwerfer wird den<br />

Lenkenden durch ein Warnsignal angezeigt.<br />

Scheinwerfer-Waschanlagen: Scheinwerfer-Waschanlagen dienen einerseits<br />

der Erhaltung der Leuchtkraft, weil schon eine geringe Verschmutzung<br />

die Leuchtweite reduziert, und verhindert andererseits Blendungen<br />

infolge von Streulichtern (bei Xenon-Scheinwerfern sind Waschanlagen<br />

vorgeschrieben).<br />

Quelle: www.hella-press.de<br />

Massnahme Rettungspotenzial<br />

Lichttechnisch optimierte Frontscheinwerfer (ASF, Xenon,<br />

Waschanlage, Ausfallmelder)<br />

**<br />

• sehr gering / ***** sehr gross<br />

5.4.3 Förderungsmassnahmen<br />

Die aufgezeigten Möglichkeiten zur lichttechnischen Verbesserung von<br />

MFZ stellen Systeme dar, die bereits heute insbesondere in Oberklasse-<br />

Fahrzeugen Einzug gehalten haben und sich in Zukunft auch in den unteren<br />

Fahrzeugklassen zunehmend durchsetzen werden. Da diese Systeme<br />

auch die Sicherheit der Insassen erhöhen, kann davon ausgegangen


Prävention – Kollisionsobjekte 285<br />

Tabelle 94:<br />

Massnahmen zur<br />

Förderung<br />

lichttechnischer<br />

Verbesserungen und<br />

Beurteilung<br />

Verkehrstelematik ist<br />

ein breit gefächertes<br />

Gebiet<br />

werden, dass die Autokäufer und -käuferinnen bereit sind, gewisse Mehrkosten<br />

zu tragen, sofern sie von einem Zugewinn an Fahrsicherheit überzeugt<br />

sind. Deshalb sind Konsumenteninformationen gefragt, die den<br />

Sicherheitsgewinn aufzeigen. Auch die Fahrzeughersteller können in den<br />

Werbungen gemäss dem Motto „Safety Sells“ auf den Nutzen ihrer lichttechnischen<br />

Systeme aufmerksam machen.<br />

5.4.4 Massnahmenbeurteilung<br />

Massnahme Beurteilung<br />

Informierung/Sensibilisierung potenzieller<br />

Autokäufer bezüglich lichttechnisch<br />

optimierten Frontscheinwerfern mittels Print-<br />

und elektronischer Medien<br />

5.5 Elektronische Fahrassistenzsysteme<br />

5.5.1 Ausgangslage<br />

Empfehlenswert<br />

Elektronische Fahrassistenzsysteme beruhen zu einem beachtlichen Teil<br />

auf verkehrstelematischen Anwendungen. Verkehrstelematik umfasst Datenverarbeitungs-<br />

und Telekommunikationstechniken im Strassenverkehr. Die<br />

Bandbreite der verkehrstelematischen Anwendungen ist sehr gross. Sie<br />

reicht von der intelligenten Geschwindigkeitsüberwachung (vgl. Projekt<br />

ISA in Schweden) bis zu Notruf-Systemen (vgl. Projekt AIDA in Deutschland).<br />

Ein Grossteil der unter dem Begriff Telematik subsumierten Technologien<br />

sind intelligente Transportleitsysteme (ITS), die das Ziel haben,<br />

den Verkehr zu lenken. Solche Verkehrsleitsysteme können jedoch höchstens<br />

einen relativ bescheidenen Beitrag zum Fussgängerschutz leisten.<br />

Der Nutzen solcher Systeme basiert im Wesentlichen auf der kognitiven<br />

Entlastung der Fahrzeuglenkenden. Nachfolgend werden solche – nicht<br />

explizit sicherheitsbezogene – Systeme ausgeklammert und nur jene<br />

Technologien dargestellt, die im Hinblick auf den Fussgängerschutz einen<br />

nennenswerten Beitrag leisten können. Aussichtsreiche Möglichkeiten<br />

ergeben sich durch Fahrassistenzsysteme, die die Lenkenden bei ihrer<br />

Fahraufgabe unterstützen, indem sie durch ein Sensorsystem relevante<br />

Umweltfaktoren erfassen und verarbeiten. Dabei kann grundsätzlich


286 Prävention – Kollisionsobjekte<br />

Sensoren<br />

überwachen<br />

Fahrfähigkeit<br />

Blackbox speichert<br />

wichtige Daten<br />

unterschieden werden zwischen Assistenzsystemen, die den Lenkenden<br />

lediglich warnen, und solchen, die autonom und aktiv in Fahrdynamik und<br />

-manöver eingreifen und dabei gewisse Fahrfunktionen übernehmen. Von<br />

aktiv eingreifenden Systemen darf in aller Regel eine grössere Wirkung<br />

erwartet werden als bei warnenden Systemen, da bei letzteren unbeeinflusst<br />

bleibt, ob und wie die Lenkenden auf die Warnmeldungen reagieren.<br />

5.5.2 Präventionsmöglichkeiten<br />

Fahrzeuge müssen den Lenkenden bei seiner Fahraufgabe unterstützen<br />

und entlasten (Lieferung von fahrrelevanten Informationen, Gefahrenwarnung<br />

etc.). Zudem müssen Fahrassistenzsysteme (sofern sinnvoll) aktiv<br />

ins Fahrgeschehen eingreifen, um Gefahren von vornherein zu unterbinden<br />

oder gefährliche Situationen zu entschärfen.<br />

Lenkerüberwachungssysteme: Fahrerüberwachungssysteme sind<br />

Technologien, die durch Sensoren die Fahrfähigkeit kontrollieren und die<br />

Lenkenden bei Bedarf warnen oder die Ab- bzw. Weiterfahrt sogar verhindern.<br />

Überwacht werden können beispielsweise der Alkoholisierungsgrad<br />

(Analyse der Atemluft), die Müdigkeit (Analyse der Lenkkorrekturen,<br />

Pupillengrösse und Lidschlags) und die visuelle Ablenkung (Analyse der<br />

Kopf- und Augenbewegungen).<br />

Digitaler Fahrdatenschreiber: Digitale Fahrtenschreiber zeichnen zentrale<br />

Fahrzeugdaten auf, wie beispielsweise das Geschwindigkeitsprofil<br />

oder die Verzögerungswerte. Grundsätzlich sind drei sich nicht ausschliessende<br />

Einsatzbereiche möglich: a) Die gespeicherten Daten werden<br />

von Polizei und Versicherung zur Unfallrekonstruktion (Ursache/Hergang)<br />

verwendet. b) Die erfassten Fahrdaten können den Versicherungsgesellschaften<br />

gemäss dem Motto „Pay as you drive“ auch als Grundlage<br />

für individuelle Prämienberechnung dienen. Dadurch liessen sich präventiv<br />

risikobehaftete Verhaltensweisen reduzieren. c) Grundsätzlich besteht<br />

zudem die Möglichkeit, die im Fahrtenschreiber gespeicherten Daten<br />

für Kontroll-Zwecke (polizeiliche Kontrollen) zu nutzen.


Prävention – Kollisionsobjekte 287<br />

Risikometer zeigt<br />

Ausmass der<br />

aktuellen Gefahr<br />

Elektronisches Auge<br />

erweitert Sichtbereich<br />

Fahrzeug erkennt<br />

potenzielle<br />

Kollisionsobjekte auf<br />

der Fahrbahn<br />

Risikometer: Der Risikometer – eine an der ETH Zürich entwickelte Methode<br />

– kann als eine Weiterentwicklung des Fahrdatenschreibers betrachtet<br />

werden. Im Gegensatz zum Fahrdatenschreiber werden relevante<br />

Fahrdaten nicht nur aufgezeichnet, sondern zur Berechnung des aktuell<br />

drohenden Fahrrisikos benutzt. Die Risikoberechnung beruht auf einer<br />

Vielzahl von Parametern wie Geschwindigkeit, Längs- und Querbeschleunigung,<br />

Abstand, Witterungsverhältnisse etc. Denkbar wäre auch die Berücksichtigung<br />

von Daten aus dem Lenkerüberwachungssystem (siehe<br />

oben). Das so berechnete Gefahrenpotenzial kann z. B. anhand eines auf<br />

die Windschutzscheibe projizierten Balkens visualisiert werden. Die begründete<br />

Gefahr, dass der Fahrende dazu verleitet wird, die vorhandenen<br />

Sicherheitsreserven auszuschöpfen und bis an die Grenzen des gerade<br />

noch tolerierbaren Risikos zu gehen, müsste unbedingt unterbunden werden.<br />

Das wäre beispielsweise möglich, indem die Geschwindigkeit abgeriegelt<br />

würde oder die aufgezeichneten Risikodaten als Grundlage für die<br />

Versicherungsprämien verwendet würden.<br />

Elektronische Sichthilfen: Sichtverstärkende Systeme liefern bei ungünstigen<br />

Sichtbedingungen, wie beispielsweise in der Nacht oder bei<br />

Nebel, relevante Informationen an die Lenkenden. Zudem können auch<br />

tote Winkel automatisch überwacht werden. Objekte vor dem Fahrzeug<br />

werden durch Infrarotsensoren41 erfasst und das Bild entweder auf die<br />

Frontscheibe projiziert (so genannte Head-Up-Displays, HUDs) oder auf<br />

einem sekundären Display im Armaturenbrett dargestellt. In Personenwagen<br />

der oberen Preisklasse werden elektronische Sichthilfen bereits seit<br />

dem Jahr 2000 eingesetzt.<br />

Objekterfassungssysteme: Hindernisse auf der Fahrbahn werden automatisch<br />

erfasst und analysiert. Das System kann den Fahrzeuglenkenden<br />

auditiv, visuell oder haptisch warnen und gegebenenfalls zwecks Kollisionsvermeidung<br />

automatisch abbremsen. Falls eine Kollision dennoch<br />

unvermeidbar ist, können passive Schutzeinrichtungen aktiviert werden<br />

(z. B. reversible Anhebung der Motorhaube). Objekterfassungssysteme,<br />

die auch Fussgänger erkennen, sind bisher nur bei einigen wenigen Lu-<br />

41 Zurzeit stehen sich zwei Technologien gegenüber: Nahinfrarot (NIR) und<br />

Ferninfrarot (FIR). Bei NIR wird das Vorfeld des Fahrzeugs mit einer Infrarot-<br />

Lichtquelle angestrahlt und das reflektierte Licht von einer Kamera<br />

aufgenommen. Bei FIR registriert eine Wärmebildkamera direkt die<br />

Abstrahlungswärme von Objekten und Personen (Schnidt & Grimmel, 2005).


288 Prävention – Kollisionsobjekte<br />

Fahrzeug warnt vor<br />

Hindernissen<br />

Bremsdruck wird<br />

automatisch erhöht<br />

xusfahrzeugen erhältlich. Die korrekte Detektion von Fussgängern ist jedoch<br />

kein leichtes Unterfangen und mit technischen Problemen behaftet,<br />

die zunächst gelöst werden müssen. Deshalb dürften entsprechende<br />

Systeme wohl erst in einigen Jahren marktreif sein.<br />

Rückfahrhilfe: Dabei handelt es sich um Ultraschallsensoren, die im Bereich<br />

von bis zu zwei Metern hinter dem Fahrzeug Hindernisse detektieren<br />

und den Lenkenden akustisch und/oder visuell warnen. Eine Alternative<br />

stellen so genannte Rückfahrkameras dar, die den unmittelbaren Bereich<br />

hinter dem Fahrzeug auf einem Display darstellen. Rückfahrhilfen<br />

sind bereits seit längerem auf dem Markt erhältlich. Die technische Realisierung<br />

von Rückfahrhilfen ist bedeutend einfacher als die oben erwähnten<br />

Objekterfassungssysteme, da letztere zwischen bewegten und stehenden<br />

Hindernissen unterscheiden müssen.<br />

Bremsassistent: In Notbremssituationen bremsen die meisten Lenkenden<br />

zu zögerlich. Selbst bei einer schnellen Reaktion wird das Bremspedal<br />

nicht mit der für eine maximale Verzögerung erforderlichen Kraft<br />

durchgetreten (vgl. Abbildung 40). Bremsassistenten erkennen anhand<br />

der Pedalbetätigung solche Notbremssituationen und reagieren, indem sie<br />

den Bremsdruck automatisch auf das maximal mögliche Niveau erhöhen.<br />

Dieser Bremsdruck liegt weit über dem, den die Lenkenden normalerweise<br />

durch die Fusskraft einsteuern. Auf diese Weise wird der kürzestmögliche<br />

Bremsweg erreicht (vgl. Abbildung 41). Bremsassistenten werden<br />

insbesondere in Personenwagen der oberen Preisklasse angeboten;<br />

vereinzelt sind sie aber bereits serienmässig in der Kompaktklasse erhältlich.


Prävention – Kollisionsobjekte 289<br />

Abbildung 40:<br />

Bremsverzögerung<br />

beim Bremsassistenten<br />

Abbildung 41:<br />

Kollisionsgeschwindigkeit<br />

mit und ohne<br />

Bremsassistent<br />

Verkehrssignale<br />

werden ins Fahrzeug<br />

übermittelt<br />

Bremsverzögerung in m/s2 Bremsverzögerung in m/s2 10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0.2<br />

Quelle: http://www.kfztech.de<br />

Normalfahrer<br />

Erfahrener Fahrer<br />

Bremsassistent<br />

Zusätzliche Verzögerung<br />

durch Bremsassistenten<br />

Vom Fahrer erzeugte<br />

Bremsverzögerung<br />

0.4<br />

Bremsbeginn<br />

v 0 = 50 km/h<br />

0.6<br />

Zeit in Sek.<br />

Quelle: Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik, 2006, S. 10<br />

Bremsassistent<br />

Zögerliche<br />

Bremsung<br />

Unzureichende<br />

Bremsung<br />

0.8<br />

Kollision mit<br />

Fussgänger Kollisions-<br />

(t = 0.8 s) geschwindigkeit<br />

v K = 40 km/h<br />

v K = 35 km/h<br />

v K = 25 km/h<br />

Telematische Fahrzeugbeeinflussung: Zentrale Verkehrssignale (wie<br />

rote Ampel, Höchstgeschwindigkeiten etc.) werden ins Fahrzeug übermittelt<br />

und entweder auf einem Display dargestellt oder sogar vom Fahrzeug<br />

selbständig umgesetzt. Bei der fahrzeugseitigen Umsetzung der<br />

Verkehrssignale bestehen grundsätzlich zwei Alternativen: Entweder werden<br />

die Verkehrssignale vom Fahrzeug zwangsweise umgesetzt (z. B.


290 Prävention – Kollisionsobjekte<br />

Zeitdauer der Rettung<br />

verkürzen<br />

Fahrzeugtechnologien<br />

wecken<br />

Hoffnungen und<br />

Befürchtungen<br />

automatische Geschwindigkeitsbegrenzung) oder nur auf Wunsch des<br />

Lenkenden (ausschaltbare Komfortsysteme wie z. B. intelligenter Tempomat).<br />

In einer Simulationsstudie konnte aufgezeigt werden, dass ISA-<br />

Systeme (Intelligent Speed Adaptation), die den Fahrzeuglenker warnen<br />

und die Fahrgeschwindigkeit in Abhängigkeit der geltenden Geschwindigkeitslimite<br />

reguliert, sowohl die Wahrscheinlichkeit mit einem Fussgänger<br />

zu kollidieren als auch dessen Sterberisiko im Kollisionsfall signifikant reduzieren<br />

können (Ma & Andréasson, 2005).<br />

Automatisierte Notrufsysteme: Notrufsysteme sind Einrichtungen zur<br />

automatischen oder manuellen Auslösung und Übertragung eines Notrufs<br />

zu den zuständigen Rettungskräften. Dadurch wird die Zeitspanne vom<br />

Eintreten des Unfalls bis zum Aufbieten der Einsatzkräfte minimiert und<br />

die Unfallfolgen somit potenziell eingedämmt. Dabei erlauben satellitengestützte<br />

Positionssysteme (Global Positioning System GPS und künftig<br />

auch Galileo) und Mobiltelefone eine automatische Koordinatenübermittlung<br />

zwecks genauer Standortangabe.<br />

Fazit: In Fahrassistenzsystemen liegen grosse Hoffnungen, was die Erhöhung<br />

der Verkehrssicherheit anbelangt. Viele Anwendungen können in<br />

der Tat als vielversprechend bezeichnet werden, da sie mehr Informationen<br />

erfassen, diese rascher und zuverlässiger verarbeiten sowie gegebenenfalls<br />

schneller darauf reagieren als die Fahrzeuglenkenden. Ein weiterer<br />

Wirkungsbereich ist die Verhinderung von risikobehaftetem Fahrverhalten<br />

(z. B. durch automatische „Enforcement“-Systeme, automatisch<br />

abgeregelte Geschwindigkeiten oder Überwachung der Fahrfähigkeit). Es<br />

soll nicht unerwähnt bleiben, dass Fahrassistenzsysteme teilweise auch<br />

mit Skepsis beurteilt werden. So wird beispielsweise befürchtet, dass im<br />

Vertrauen auf die Systeme risikoreicher gefahren wird, sodass der Sicherheitsgewinn<br />

wieder verloren geht oder dass die Lenkenden durch Assistenzsysteme<br />

überfordert oder im Gegenteil unterfordert werden, sodass<br />

sie in kritischen Fahrsituationen nicht die Geistesgegenwart haben,<br />

richtig zu reagieren. Auch wenn solche Befürchtungen nicht für alle Systeme<br />

a priori widerlegt werden können, entkräften bisherige Erfahrungen<br />

viele Befürchtungen. So ist bekannt, dass technische Sicherheitssysteme<br />

wie z. B. ABS zwar tatsächlich zu Verhaltensadaptationen führen können,<br />

diese aber in der Regel nur vorübergehend nach der Einführung eines


Prävention – Kollisionsobjekte 291<br />

Tabelle 95:<br />

Fahrzeugtechnische<br />

Präventionsmöglichkeiten<br />

und<br />

Rettungspotenzial<br />

Gegenwärtig<br />

bestehen kaum<br />

konkrete Förderungsmassnahmen<br />

Systems auftreten und nicht so stark ausfallen, dass sie den Sicherheitsgewinn<br />

vollständig kompensieren (vgl. Färber & Färber, 2004; Pfafferott &<br />

Huguenin, 1991; Weller & Schlag, 2004). Zudem existieren Systeme (wie<br />

z. B. Fahrdatenspeicher), die einer Verhaltenskompensation entgegenwirken.<br />

Eine Überforderung der Lenkenden durch Fahrerassistenzsysteme<br />

kann durch die benutzergerechte Gestaltung der Bedienoberfläche<br />

und selektive Informationsweitergabe weitgehend ausgeschlossen werden<br />

(vgl. Bubb, 2002; Zimmer, 2002).<br />

Massnahme<br />

Lenkerüberwachungssysteme (Alkohol, Müdigkeit, visuelle<br />

Ablenkung)<br />

Digitaler Fahrdatenschreiber/Risikometer (exkl.<br />

automatisierter Verkehrskontrollen)<br />

Rettungspotenzial<br />

Elektronische Sichthilfen **<br />

Objekterfassungssysteme mit integrierter Notbremsfunktion *****<br />

Rückfahrhilfe zur Hinderniserkennung **(*)<br />

Bremsassistent **** ( * )<br />

Telematische Fahrzeugbeeinflussung zur Umsetzung<br />

zentraler Verkehrssignale<br />

Automatisierte Notrufsysteme *<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

5.5.3 Förderungsmassnahmen<br />

In Anbetracht der zu erwartenden positiven Effekte für die Verkehrssicherheit<br />

ist eine rasche Implementierung der dargestellten Fahrassistenzsysteme<br />

wünschenswert. Einer breiten oder sogar flächendeckenden<br />

raschen Einführung stehen jedoch verschiedene Hemmfaktoren im Weg.<br />

So sind die oben aufgeführten Technologien teilweise noch in der Entwicklung<br />

oder mit relativ hohen Zusatzkosten verbunden. Auch ist die<br />

Haftungsfrage bei Schäden durch fehlerhafte Assistenzsysteme noch<br />

nicht geklärt (s. Berz, 2002). Zudem stösst ein Teil der Systeme – vor allem<br />

autonom eingreifende Sicherheitsmodule und telematische Kontrollsysteme<br />

– auf eine eher geringe gesellschaftliche Akzeptanz (Demoscope,<br />

2003). Dementsprechend sind rein edukative Förderungsmassnahmen<br />

gerade bei den wirksamsten Systemen nur bedingt möglich. Hier<br />

bedarf es gesetzlicher Massnahmen.<br />

***<br />

*<br />

* ( * )


292 Prävention – Kollisionsobjekte<br />

Zusammenarbeit mit<br />

EU notwendig<br />

Bremsassistent soll in<br />

Europa Pflicht werden<br />

Information der<br />

Kunden notwendig<br />

Der Implementierung von Fahrassistenzsystemen durch gesetzliche Forderungen<br />

an die Autohersteller sind durch das Übereinkommen über technische<br />

Handelshemmnisse Grenzen gesetzt. Ein Alleingang der Schweiz<br />

als Nicht-EU-Mitglied, als Land ohne eigene Automobilindustrie und mit<br />

verhältnismässig kleinem Absatzanteil ist nicht realistisch. Um die fahrzeugseitige<br />

Fussgängersicherheit weiter zu fördern, bedarf es deshalb der<br />

Zusammenarbeit mit der EU.<br />

Die EU plant im Rahmen der Neufassung der Fussgängerschutz-Richtlinie,<br />

den Bremsassistenten für die Zulassung eines PW vorzuschreiben.<br />

Die Regelung soll am 1.7.2008 in Kraft treten und für alle Neuwagen gelten.<br />

Die konkreten Vorgaben der Richtlinie stehen jedoch noch nicht fest<br />

und sind Gegenstand von Verhandlungen.<br />

Auch wenn die Schweiz in vielerlei Hinsicht an das Vorgehen der EU gebunden<br />

ist, existieren durchaus auch Möglichkeiten, Fahrzeugtechnologien<br />

unabhängig von der EU zu fördern. Ein einfacher Weg besteht darin,<br />

potenzielle Fahrzeugkäufer/-innen insbesondere über bereits etablierte<br />

Sicherheitstechnologien zu informieren. Das ist schon deshalb angebracht,<br />

weil viele Sicherheitssysteme üblicherweise mit Abkürzungen<br />

(ABS, BAS, ESP, EDS, EBV, ASR, ACC, PSS, ISA, LDWS, LKS, DAMS<br />

etc. 42 ) versehen werden, worunter sich viele Konsumenten nichts vorstellen<br />

können. Erschwerend kommt hinzu, dass Autohersteller für dieselbe<br />

Art von System teilweise unterschiedliche Kürzel verwenden (Elektronisches<br />

Stabilitätsprogramm heisst bei Volvo DSTC, bei Jaguar Trac DSC,<br />

bei Porsche PSM, bei BMW DSC und bei Maserati MSP). Zudem ist die<br />

Funktionsweise vieler elektronischer Systeme vielschichtig und komplex<br />

und dementsprechend nur schwer nachvollziehbar, zumal diese Systeme<br />

im Gegensatz zu den passiven Sicherheitseinrichtungen wie beispielsweise<br />

dem Sicherheitsgurt und dem Airbag im Verborgenen arbeiten. Die<br />

genannten Punkte unterstreichen den Informationsbedarf der Kunden. Die<br />

Konsumenten müssen auf eine einfache und leicht verständliche Art und<br />

Weise informiert werden, welche Systeme was leisten können, wie gross<br />

42 ABS: Anti-Blockier-System, BAS: Bremsassistentsystem, ESP: Elektronisches<br />

Stabilitätsprogramm, EDS: Elektronische Differenzialsperre, EBV: Elektronische<br />

Bremskraftverteilung, ASR: Antriebsschlupfregelung, ACC: Adaptive<br />

Cruise Control, PSS: Predictive Safety Systems, ISA: Intelligent Speed<br />

Adaptation, LDW: Lane Departure Warning System, LKS: Lane Keeping<br />

System, DAMS: Driver Alertness Monitoring System


Prävention – Kollisionsobjekte 293<br />

Erforschung der<br />

Kundenakzeptanz<br />

empfehlenswert<br />

Anreizsysteme<br />

können möglicherweise<br />

die Marktdurchdringung<br />

von<br />

Technologien fördern<br />

Tabelle 96:<br />

Massnahmen zur<br />

Förderung elektronischerUnterstützungssysteme<br />

und Beurteilung<br />

der jeweilige Sicherheitsgewinn ist und wo die Wirkungsgrenzen liegen.<br />

Weiter empfiehlt es sich, im Rahmen der Akzeptanzforschung herauszufinden,<br />

was Schweizer und Schweizerinnen zu Fahrassistenzsystemen<br />

wirklich meinen und welche Hoffnungen bzw. Ängste sie hinsichtlich ihrer<br />

Konsequenzen haben, um aus den erhaltenen Informationen Möglichkeiten<br />

abzuleiten, wie die Akzeptanz von negativ beurteilten Technologien<br />

verbessert werden kann (Mühlethaler, Arend, Axhausen, Martens & Steierwald,<br />

2003).<br />

Neben der Einstellungsbeeinflussung besteht auch die Möglichkeit, den<br />

Verkauf von Sicherheitstechnologien durch das Schaffen von Anreizen zu<br />

erhöhen (z. B. Reduktion der Versicherungsprämien). Bisher ist jedoch<br />

noch offen, wie weit durch Anreizsysteme auch denjenigen Technologien<br />

zum Durchbruch verholfen werden kann, die einen Sicherheitsgewinn auf<br />

Kosten der individuellen Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten der Fahrzeuglenkenden<br />

erzielen (Mühlethaler et al., 2003). Auch ist die politische<br />

und administrative Machbarkeit mehrheitlich noch unklar. Gute Realisierungschancen<br />

haben Fahrdatenspeicher: Mehrere ausländische Versicherungsgesellschaften<br />

haben 2006 Projekte gestartet, um den (freiwilligen)<br />

Einsatz von Fahrdatenspeichern zu testen. Ziel ist es, aufgrund der Informationen<br />

zum Fahrverhalten individuelle und somit gerechtere Prämien<br />

anbieten zu können. Auch Schweizer Versicherungsgesellschaften führen<br />

ab Januar 2007 Pilotprojekte durch, die Akzeptanz und Präventionspotenzial<br />

von Crash-Recordern eruieren sollen.<br />

5.5.4 Massnahmenbeurteilung<br />

Massnahme Beurteilung<br />

Kundeninformation zu bereits etablierten und<br />

neu auf dem Markt erhältlichen<br />

Fahrzeugtechnologien<br />

Rückfahrsensoren für die Inverkehrsetzung<br />

von Fahrzeugen ohne mittleren Rückspiegel<br />

(insbesondere Kleintransporter) gesetzlich<br />

vorschreiben<br />

Anreizsysteme zur Förderung von<br />

Fahrzeugtechnologien mit hohem<br />

Sicherheitspotential<br />

Kampagnen zur Akzeptanzsteigerung von<br />

negativ beurteilten Fahrzeugtechnologien<br />

Empfehlenswert<br />

Empfehlenswert<br />

Bedingt empfehlenswert<br />

(da Machbarkeit und Wirksamkeit<br />

noch unklar)<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(da schlechtes Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis)


294 Prävention – Kollisionsobjekte<br />

Den grössten Nutzen<br />

haben sicherheitsoptimierte<br />

Fronten<br />

und Fahrerassistenzsysteme<br />

5.6 Zusammenfassung und Fazit<br />

In Anbetracht der geringen Unfallrelevanz von betriebstechnischen<br />

Fahrzeugmängel und den gesetzlich verankerten Kontrollen (namentlich<br />

Typenprüfung und amtliche Nachkontrollen) besteht in diesem Bereich<br />

kein zusätzlicher Handlungsbedarf. In Bezug auf die Verkehrssicherheit<br />

sind vielmehr die struktur-geometrischen Fronteigenschaften zu bemängeln.<br />

Zur Verbesserung der Fahrzeugfronten existiert eine ganze Reihe<br />

von technischen Möglichkeiten. In Übereinstimmung mit den EG-Vorschriften<br />

wurde 2005 eine sicherheitsoptimierte Gestaltung der Frontpartie<br />

vorgeschrieben (zunächst nur für neue Fahrzeugtypen, ab 2013 für alle<br />

Neuzulassungen). Zur Förderung des fahrzeugseitigen Fussgängerschutzes<br />

sind Konsumenten von PW zu sensibilisieren und über Ergebnisse<br />

aktueller Crashtests (z. B. Euro NCap) zu informieren. Zur technischen<br />

Verbesserung der Beleuchtungsfunktionalität ist insbesondere das<br />

adaptive Kurvenlicht geeignet, das die Ausleuchtung des seitlichen Strassenbereichs<br />

bei Kurven und Abbiegemanövern deutlich verbessert. Auch<br />

vom Xenonlicht dürfen infolge der besseren Ausleuchtung des Strassenraums<br />

positive Effekte für die Fussgängersicherheit erwartet werden.<br />

Fahrassistenzsysteme bergen ein sehr grosses Rettungspotenzial für<br />

Fussgänger. Die Vielzahl möglicher Sicherheitssysteme, ihre komplexe<br />

und verborgene Wirkweise, aber auch die Verwendung von Abkürzungen<br />

(zumal uneinheitlich und englischsprachig) erschweren es dem Konsumenten,<br />

den Durchblick zu behalten. Deshalb sollten die Konsumenten<br />

mittels elektronischer und Printmedien umfassend über bereits etablierte<br />

und neu auf dem Markt erhältliche Technologien informiert werden. Neben<br />

dem direkten Ansprechen der Endverbraucher könnten künftig auch<br />

Anreizsysteme (z. B. reduzierte Versicherungsprämien) verwendet werden,<br />

um sicherheitsrelevante Fahrassistenzsysteme zu fördern. Die Förderung<br />

von Fahrassistenzsystemen mittels gesetzlichen Forderungen an<br />

die Fahrzeughersteller kann nur in Einklang mit den EU-Richtlinien erfolgen.<br />

Abschliessend kann festgehalten werden, dass die struktur-mechanische<br />

und elektronische Fahrzeugtechnik ein grosses Potenzial zur Erhöhung<br />

der Fussgängersicherheit birgt. Um die Technologien zum fahrzeugseitigen<br />

Fussgängerschutz zu implementieren, bedarf es der internationalen


Prävention – Kollisionsobjekte 295<br />

Zusammenarbeit (z. B. Einsitz in den Arbeitsgruppen der UN/ECE). Alleingänge<br />

der Schweiz als Nicht-EU-Mitglied, als Land ohne eigene Automobilindustrie<br />

und mit verhältnismässig kleinem Absatzanteil sowie aufgrund<br />

des Übereinkommens über technische Handelshemmnisse sind<br />

kaum möglich.


296 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Verkehrsnetze für<br />

Motorfahrzeuge und<br />

Fussgänger<br />

Definition von<br />

baulichen<br />

Infrastrukturelementen<br />

Rechtlichtliche<br />

Bedeutung der VSS-<br />

Normen<br />

6. Strasseninfrastruktur<br />

6.1 Einleitung<br />

Dieses Kapitel zeigt Möglichkeiten auf, wie mittels verkehrstechnischer<br />

Infrastrukturelemente die Sicherheit der Fussgänger erhöht werden kann.<br />

Zuvor wird die im Kapitel „Risikofaktoren“ gewonnene Erkenntnis wieder<br />

aufgenommen, dass Personen – seien sie mit Fahrzeugen oder zu Fuss<br />

unterwegs – sich auf Verkehrsnetzen bewegen (s. Kap. VII.5.1 Einleitung:<br />

Netzgedanken, S. 196). Diese Feststellung ist von grundlegender Bedeutung,<br />

weil damit die Basis für eine systematische Analyse dieser beiden<br />

Verkehrsarten gelegt wird. Die Analyse wiederum erlaubt es, zielgerecht<br />

adäquate verkehrstechnische Infrastrukturelemente zu planen, zu projektieren<br />

und zu realisieren.<br />

Infrastrukturelle Präventionsmöglichkeiten können sowohl baulicher als<br />

auch signalisationstechnischer Art sein.<br />

a) Bauliche Infrastrukturelemente<br />

Darunter sind Strasseninfrastrukturelemente zu verstehen, welche durch<br />

Erdarbeiten und/oder unter Verwendung von Baumaterialien eine neue<br />

Situation im Strassenraum erzeugen. In der Regel liegt dafür ein Bauprojekt<br />

vor. Beispiele dafür sind baulich separierte Trottoirs, Fussgängerschutzinseln<br />

(Mittelinseln) oder Unter-/Überführungen.<br />

Bauliche Infrastrukturelemente sind grösstenteils in den entsprechenden<br />

Normen des VSS geregelt. Die VSS-Normen entsprechen den Regeln der<br />

Baukunde. Falls sie nicht den Status einer Weisung erhalten, sind sie<br />

nicht unmittelbar verbindlich. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sie<br />

im Schadenfall als Grundlage herangezogen werden. In einer gesamtheitlichen<br />

Betrachtungsweise fliessen die Aspekte des <strong>Fussverkehr</strong>s erst seit<br />

2003 in die VSS-Normen ein. Deshalb sind noch nicht alle Fragestellungen<br />

darin abgehandelt.


Prävention – Strasseninfrastruktur 297<br />

Oft nationale oder<br />

kantonale Richtlinien<br />

vorhanden<br />

Signalisationstechnische<br />

Infrastrukturelemente<br />

im Strassenverkehrsrecht<br />

geregelt<br />

Abbildung 42:<br />

Markierungen und<br />

Signale gelten als<br />

signalisationstechnische<br />

Elemente<br />

Verkehrsrechtliche<br />

Bedeutung<br />

Geschwindigkeitsdifferenz<br />

minimieren;<br />

einfache Führung im<br />

Blickfeld; physischer<br />

Schutz<br />

Nicht selten finden sich auch nationale oder kantonale Richtlinien. Betreffend<br />

Verbindlichkeit sind sie niedriger einzustufen. Im Schadenfall ist jedoch<br />

nicht ausgeschlossen, dass auch Richtlinien als Grundlage dienen<br />

können, insbesondere dann, wenn zum entsprechenden Thema (noch)<br />

keine Norm vorliegt.<br />

b) Signalisationstechnische Infrastrukturelemente<br />

Unter Signalisation fallen sowohl die Infrastrukturelemente „Markierung“<br />

als auch „Signal“. Beispiele dafür sind gelb markierte Fussgängerstreifen<br />

oder die blauen rechteckigen Signale mit weissem Dreieck „Standort eines<br />

Fussgängerstreifens“ (vgl. Abbildung 42).<br />

Die Signalisation hat eine verkehrsrechtliche Bedeutung. Die im Strassenverkehrsgesetz<br />

SVG und in der Signalisationsverordnung SSV geregelten<br />

Einsatz-Kriterien sind demnach verbindlich. Zuständig für die Bewilligung<br />

von Signalen oder Markierungen ist eine kantonale Signalisationsbehörde,<br />

wobei grössere Gemeinden (Städte) oft über eine eigene Signalisationsbehörde<br />

verfügen. Die Ausführungsdetails (Geometrie, Farbe) sind hingegen<br />

in den VSS-Normen festgelegt.<br />

Die präventive Wirkungsweise von infrastrukturellen Elementen basiert<br />

auf folgenden Prinzipien:<br />

• Minimierung der gefahrenen Geschwindigkeiten des motorisierten Individualverkehrs<br />

• Führung des <strong>Fussverkehr</strong>s im Blickfeld des motorisierten Individualverkehrs<br />

und Erhaltung der Sichtfelder<br />

• Einfache, verständliche, benutzerfreundliche Infrastruktur<br />

• Minimierung der Anzahl Konfliktstellen<br />

• Physischer Schutz


298 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Systematisierung des<br />

<strong>Fussverkehr</strong>snetzes<br />

Anforderungen an<br />

das Verkehrsnetz für<br />

Fussgänger<br />

6.2 Basis für adäquate Infrastrukturelemente: die Netzplanung<br />

6.2.1 Ausgangslage<br />

Grundsätzlich besteht ein <strong>Fussverkehr</strong>snetz aus vier verschiedenen<br />

Grundelementen. Die Systematisierung der Lage dieser einzelnen Grundelemente<br />

bezüglich des Netzes für den motorisierten Individualverkehr sei<br />

an dieser Stelle wiederholt:<br />

• Querungen<br />

Örtlichkeiten, wo sich der <strong>Fussverkehr</strong> und der motorisierte Individualverkehr<br />

queren.<br />

• Abschnitte entlang von Strassen<br />

Bereiche, in denen der <strong>Fussverkehr</strong> und der motorisierte Individualverkehr<br />

im selben Strassenraum parallel geführt werden. Das kann<br />

beispielsweise auf Trottoirs, auf Längsstreifen für Fussgänger oder auf<br />

einer gemeinsamen Fläche erfolgen.<br />

• Vom Individualverkehr vollständig separierte Abschnitte<br />

Wege, auf denen der <strong>Fussverkehr</strong> vollständig getrennt vom motorisierten<br />

Individualverkehr geführt wird. Das ist beispielsweise in Parks oder<br />

in Fussgänger-Passagen der Fall.<br />

• Umsteigepunkte<br />

End- oder Startpunkte von Fahrten mit einem privaten Fahrzeug<br />

(Parkplatz) oder dem öffentlichen Verkehr, wie z. B. Bus- oder Tramhaltestellen,<br />

Bahnhöfe u. ä.<br />

Hauptziel der Netzplanung ist es, die Grundelemente derart anzulegen,<br />

dass die in der Schweizer Norm SN 640 240 an das <strong>Fussverkehr</strong>snetz<br />

gestellten Anforderungen erfüllt werden. Danach muss ein attraktives<br />

<strong>Fussverkehr</strong>snetz sicher, kohärent, direkt und komfortabel sein (vgl.<br />

Tabelle 97; Southworth, 2005; Wackrill, 2001). Anders ausgedrückt geht<br />

es darum, adäquate verkehrstechnische Infrastrukturelemente systematisch<br />

zu planen, um sicherzustellen, dass Personen die gewünschten Beziehungen<br />

zu Fuss zurücklegen können. Dabei sind die Sicherheit zu maximieren<br />

und die Ansprüche von Gehbehinderten zu berücksichtigen.


Prävention – Strasseninfrastruktur 299<br />

Tabelle 97:<br />

Anforderungen an<br />

das <strong>Fussverkehr</strong>snetz<br />

Verkehrstechnische<br />

Infrastrukturelemente<br />

sind systematisch zu<br />

planen, projektieren<br />

und bauen<br />

Netzplanung als Basis<br />

Vorgehen bei der<br />

Netzplanung<br />

Anforderung Teilaspekte<br />

Sicher Geringe Unfallgefahr<br />

Einfachheit der Anlage<br />

„Sehen und gesehen werden“<br />

Sicherheitsempfinden<br />

Kohärent Durchgängigkeit<br />

Durchlässigkeit<br />

Gute Führung<br />

Homogenität<br />

Direkt Günstige Linienführung<br />

Vermeidung von Wegunterbrechungen<br />

Komfortabel Günstige vertikale Linienführung<br />

Fussgängergerechte Beläge<br />

<strong>Fussverkehr</strong>freundliches Umfeld<br />

Die professionelle Netzplanung ist eine notwendige Voraussetzung, um<br />

die Zielsetzungen zu erreichen. Das geht auch aus der Analyse der Risikofaktoren<br />

deutlich hervor. Im Detail sind Querungen prioritär zu behandeln<br />

vor der „Führung des <strong>Fussverkehr</strong>s in Längsrichtung“ (Ausdruck<br />

synonym für „Abschnitte entlang von Strassen“ gebraucht).<br />

6.2.2 Präventionsmöglichkeiten<br />

Die Netzplanung muss alle Verkehrsarten umfassen. Sie darf nicht ausschliesslich<br />

auf der Betrachtung des motorisierten Individualverkehrs beruhen.<br />

Sie muss vielmehr auch die Bedürfnisse des <strong>Fussverkehr</strong>s (sowie des<br />

leichten Zweiradverkehrs und des öffentlichen Verkehrs) mitberücksichtigen.<br />

Wie in Kapitel VII.5 Von der Strasseninfrastruktur ausgehende Risiko-<br />

faktoren (S. 196) aufgezeigt, unterscheiden sich die beiden Netze in ihrer<br />

Grundstruktur. Das Verkehrsnetz des motorisierten Individualverkehrs<br />

besteht fast ausschliesslich aus linienförmigen Verkehrsflächen, den hierarchisch<br />

gegliederten Strassen. Das <strong>Fussverkehr</strong>snetz weist hingegen<br />

auch so genannte flächige Verkehrsbeziehungen auf, namentlich Plätze<br />

oder Fussgängerzonen.<br />

Das Vorgehen bei der Netzplanung wird hier stark vereinfacht wiedergegeben:


300 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Umfassende Analyse<br />

Überlagerung der<br />

Netze<br />

Indirekte Auswirkung<br />

auf alle Fussgänger-<br />

Unfälle<br />

Tabelle 98:<br />

Präventionsmöglichkeit<br />

‚Netzplanung’ für<br />

den <strong>Fussverkehr</strong> und<br />

Rettungspotenzial<br />

Geschwindigkeit als<br />

Risikofaktor für<br />

Fussgängerunfälle<br />

• Die umfassende Analyse der bestehenden und gewünschten <strong>Fussverkehr</strong>sbeziehungen<br />

zeigt auf, wo geeignete infrastrukturelle Elemente<br />

zu planen, zu projektieren und zu realisieren sind.<br />

• Die Überlagerung des Netzes für den motorisierten Individualverkehr<br />

und des <strong>Fussverkehr</strong>snetzes zeigt konkret jene Örtlichkeiten auf, wo<br />

Konfliktstellen und folglich Risiken vorhanden sind. Das sind naturgemäss<br />

diejenigen Örtlichkeiten, wo sich die beiden Netze berühren, also<br />

die Querungen und die Abschnitte entlang von Strassen. Für diese<br />

Örtlichkeiten ist abzuklären, ob die verkehrstechnischen Elemente zur<br />

Abwicklung des <strong>Fussverkehr</strong>s zur Gewährleistung der Sicherheit genügen.<br />

Ansonsten sind zusätzliche, adäquate verkehrstechnische<br />

Elemente zum Schutz des <strong>Fussverkehr</strong>s zu planen, zu projektieren<br />

und zu realisieren.<br />

Fehlende Netzplanung ist eine indirekte Ursache für fast alle Fussgänger-<br />

Unfälle. Ausnahmefälle wie das Aussteigen aus havarierten Fahrzeugen<br />

auf der Autobahn fallen zahlenmässig nicht ins Gewicht. Der Vorgang der<br />

Netzplanung selbst kann jedoch unmittelbar keine Fussgängerunfälle verhindern.<br />

Die Netzplanung kann auch nicht sicherstellen, dass durchwegs<br />

adäquate infrastrukturelle Elemente entworfen werden. Eine flächendeckende<br />

Netzplanung ist ein notwendiges, jedoch nicht hinreichendes<br />

Basisinstrument für den Entwurf funktionaler, sicherer und gehbehindertengerechter,<br />

also attraktiver <strong>Fussverkehr</strong>snetze.<br />

Präventionsmöglichkeit Rettungspotenzial<br />

Netzplanung für den <strong>Fussverkehr</strong> *****<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

6.3 Geschwindigkeitsregime innerorts<br />

6.3.1 Ausgangslage<br />

Mit steigender Geschwindigkeit nehmen Unfallwahrscheinlichkeit und Verletzungsschwere<br />

überproportional zu. Gemäss amtlicher Unfallstatistik ist<br />

die Geschwindigkeit Mitursache bei 25 % aller schweren und 44 % aller<br />

tödlichen Verletzungen. Um das Gefahrenpotenzial der Geschwindigkeit


Prävention – Strasseninfrastruktur 301<br />

Übergeordnete<br />

Strassen:<br />

Erscheinungsbild<br />

anpassen<br />

Untergeordnete<br />

Strassen:<br />

Höchstgeschwindigkeit<br />

senken<br />

Situationsgerechtes<br />

Geschwindigkeitsniveau<br />

gewährleisten<br />

als zentralem Verletzungseinflussfaktor zu reduzieren, ist zumindest die<br />

Einhaltung der signalisierten Höchstgeschwindigkeit sicherzustellen. Aber<br />

auch hier gilt, dass die Grenzwerteinhaltung nur eine notwendige, aber<br />

nicht in allen Fällen eine hinreichende Bedingung für die Verkehrssicherheit<br />

ist.<br />

In diesem Zusammenhang sind zwei Aspekte von zentraler Bedeutung:<br />

1) Das Erscheinungsbild des Strassenraums auf dem übergeordneten<br />

Strassennetz<br />

Erfahrungsgemäss kann besonders auf dem übergeordneten Strassennetz<br />

das Erscheinungsbild des Strassenraums die Motorfahrzeuglenker<br />

dazu bewegen, eine situationsangepasste Geschwindigkeit zu<br />

wählen. Diese liegt oftmals unterhalb der signalisierten Höchstgeschwindigkeit.<br />

2) Die geltende Höchstgeschwindigkeit auf Quartierstrassen<br />

Ein niedriges Geschwindigkeitsniveau auf dem untergeordneten Strassennetz,<br />

d. h. in Quartieren, wo Wohnen, Aufenthalt und Begegnung<br />

die dominierenden Bedürfnisse sind, kann sich positiv auf das <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

auswirken. Das ist seit langem bekannt (z. B. Draeger,<br />

1986; Vis & Dijkstra, 1992; Lindenmann & Koy, 2000). Aufgrund dieser<br />

Tatsache erscheint es sicherheitstechnisch inadäquat, nicht verkehrsorientierte<br />

Strassen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h zu<br />

betreiben.<br />

Auf dem übergeordneten Strassennetz ist folglich sicherzustellen, dass<br />

die geltende Geschwindigkeitslimite von generell 50 km/h nicht überschritten<br />

wird und die gefahrenen Geschwindigkeiten besser den Umständen angepasst<br />

werden, namentlich den Verkehrsverhältnissen (Gegenwart von<br />

Fussgängern). Ebenso ist zu gewährleisten, dass auf dem untergeordneten<br />

Strassennetz wo immer möglich eine niedrige Höchstgeschwindigkeit<br />

eingeführt wird. Infrastrukturelemente können dabei einen wesentlichen<br />

Teilbeitrag leisten.


302 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Grundlagen<br />

Netzplanung<br />

Signalisationsverordnung<br />

– Höchstgeschwindigkeit<br />

bfu-Modell Tempo 30/50<br />

als geeigneter Ansatz<br />

Tempo 50 auf dem<br />

übergeordneten<br />

Strassennetz –<br />

Tempo 30 auf dem<br />

gesamten<br />

untergeordneten<br />

Strassennetz<br />

6.3.2 Präventionsmöglichkeit<br />

Das bfu-Modell Tempo 30/50 innerorts dient dazu, die oben formulierten<br />

Ziele zu erreichen. Infrastrukturelle Elemente spielen dabei eine grundlegende<br />

Rolle. Sie sind entsprechend fundiert zu planen, zu projektieren<br />

und zu bauen. Die Basis dazu liefern:<br />

a) eine umfassende Netzplanung<br />

b) die gesetzlich geregelte Höchstgeschwindigkeit<br />

Ein weiteres Resultat aus der Netzplanung für den motorisierten Individualverkehr<br />

ist die Gliederung des Strassennetzes in Strassentypen. Auf<br />

der höchsten hierarchischen Ebene wird nach so genannten verkehrsorienterten<br />

und siedlungsorienterten Strassen unterschieden.<br />

Gemäss Signalisationsverordnung wird die generelle Geschwindigkeitslimite<br />

von 50 km/h mit dem Signal „Höchstgeschwindigkeit 50 generell“<br />

(2.30.1) dort angezeigt, wo die dichte Überbauung auf einer der beiden<br />

Strassenseiten beginnt. Der Beginn von Tempo-30-Zonen wird mit dem<br />

Signal ‚Tempo-30-Zone’ (2.59.1) gekennzeichnet. Oftmals gilt im ganzen<br />

Innerortsgebiet Tempo 50, weil die Möglichkeit, Tempo-30-Zonen auf Quartierstrassen<br />

einzuführen, wenig genutzt wird. Dies auch nach der Vereinfachung<br />

der Bestimmungen zur Einführung von Tempo-30-Zonen (Verordnung<br />

über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen vom<br />

1.1.200243 ).<br />

Das im Merkblatt „Tempo 30 in Quartieren“ (Schweizerische Beratungsstelle<br />

für Unfallverhütung, 2002) beschriebene bfu-Modell „Tempo 30/50<br />

innerorts“ ist eine zweckmässige Handhabe, Tempo 30 verbreitet in Quartieren<br />

einzuführen und die Sicherheit auf dem übergeordneten Strassennetz<br />

nachhaltig zu erhöhen.<br />

Das bfu-Modell basiert auf einer Unterscheidung des innerörtlichen Strassennetzes<br />

in siedlungs- und verkehrsorientierte Strassen. Letztere haben<br />

die Funktion, eine ausreichende Kapazität für den motorisierten Verkehr zu<br />

gewährleisten und den Durchgangsverkehr zu führen. Um diese Strassen für<br />

den fliessenden Verkehr attraktiv und leistungsfähig zu erhalten, ist hier<br />

das Temporegime 50 km/h generell beizubehalten. Auf den siedlungs-<br />

43 SR 741.213.3


Prävention – Strasseninfrastruktur 303<br />

Analyse des örtlichen<br />

Strassennetzes als<br />

Basis<br />

orientierten Strassen überwiegen hingegen die Ansprüche der Bewohner<br />

und Nutzer der an die Strasse grenzenden Liegenschaften. Die Verbindungsfunktion<br />

der Strasse wird hier durch die Erschliessungs- und die Aufenthaltsfunktion<br />

ersetzt. Deshalb ist es meistens zweckmässig, diese untergeordneten<br />

Strassen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h zu<br />

betreiben. Gemäss Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen<br />

ist hierfür ein Gutachten notwendig, welches die Einführung<br />

von Tempo-30-Zonen rechtfertigt.<br />

Für die Umsetzung des Modells bedarf es einer Analyse des örtlichen<br />

Strassennetzes. Anhand dieser wird erarbeitet, welches die übergeordneten<br />

und somit verkehrsorientierten Strassen sind und welche eher<br />

siedlungsorientierten Charakter besitzen. Die Höchstgeschwindigkeiten<br />

werden anschliessend der festgelegten Strassenfunktion angepasst.<br />

Das Modell Tempo 30/50 ist entwickelt worden, um die Verkehrssicherheit<br />

im gesamten innerörtlichen Strassennetz zu erhöhen. Es zielt darauf ab,<br />

sowohl die Unfallzahlen als auch die Unfallschwere zu senken.<br />

Die oftmals einseitige Betrachtung, nur Wohngebiete in die Verkehrsberuhigung<br />

mit einzubeziehen, lässt die Tatsache ausser Acht, dass die meisten<br />

Verunfallten44 auf verkehrsorientierten Strassen zu verzeichnen sind.<br />

Deshalb fordert das bfu-Modell, zusätzlich zur Einführung von Tempo 30<br />

in den Wohngebieten, das übergeordnete Strassennetz gemäss der<br />

Schweizer Norm SN 640 212 zu konzipieren. Ziel der darin vorgestellten<br />

Gestaltungselemente ist eine fussgänger- und radfahrergerechtere Strassengestaltung.<br />

Ausserdem wird dem motorisierten Verkehr die Einhaltung<br />

des Geschwindigkeitslimits von 50 km/h auf Ortsdurchfahrten erleichtert.<br />

Die niedrigere Geschwindigkeit soll es den Lenkern ermöglichen, mehr Details<br />

am Strassenrand wahrzunehmen. Somit verbessern sich die Sichtverhältnisse<br />

sowohl aus Sicht des Lenkers auf Personen, die zu Fuss<br />

unterwegs sind, als auch umgekehrt.<br />

44 Beispielangaben für das Jahr 2003: 10’065 Verunfallte auf Hauptstrassen<br />

innerorts und 7’626 Verunfallte auf Nebenstrassen innerorts in der Schweiz; da<br />

verkehrsorientierte Strassen jedoch mehr als nur die Hauptstrassen umfassen,<br />

sind die Verunfalltenzahlen auf verkehrsorientierten Strassen noch höher als<br />

auf Hauptstrassen.


304 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Tempo-30-Strassen<br />

primär durch<br />

Erkennungsmassnahmen<br />

kennzeichnen<br />

Bauliche Massnahmen<br />

zur Verkehrsberuhigung<br />

nur dort,<br />

wo Geschwindigkeit<br />

zu hoch<br />

Abbildung 43:<br />

Tor zu einer<br />

siedlungsorientierten<br />

Strasse<br />

Das bfu-Modell sieht vor, dass typische verkehrstechnische Elemente für<br />

siedlungs- bzw. verkehrsorientierte Strassen dem Fahrzeuglenker die<br />

jeweilige Funktion der Strasse vergegenwärtigen.<br />

Auf den siedlungsorientierten Strassen werden primär „Erkennungsmassnahmen“<br />

angewandt. So soll beim Verlassen der übergeordneten Strasse<br />

ein auffälliges Eingangstor (Abbildung 43) den Übertritt in eine siedlungsorientierte<br />

Strasse verdeutlichen. Weiter zeigen versetzte Parkfelder (Abbildung<br />

44), Rechtsvortrittsmarkierungen (Abbildung 45) und Tempo-30-<br />

Signete auf der Fahrbahn (Abbildung 46) das herabgesetzte Geschwindigkeitsniveau<br />

an. Einbahnstrassenregelungen, Mittelmarkierungen sowie<br />

vortrittsberechtigte Strassen sind für siedlungsorientierte Strassen ungeeignet,<br />

da sie beschleunigend wirken können.<br />

Bauliche Massnahmen zur Verkehrsberuhigung (Vertikal-, Horizontalversatz,<br />

aufgepflasterte Kreuzungen [Abbildung 47]) sollen gemäss Schweizer<br />

Norm 640 213 nur auf denjenigen Strassen zur Anwendung kommen, deren<br />

Erscheinungsbild einen niedrigen Einhaltegrad der Geschwindigkeitsbeschränkung<br />

vermuten lässt oder auf denen die gesetzlich vorgeschriebenen<br />

Nachher-Messungen (1 Jahr nach Fertigstellung der Massnahme)<br />

zu hohe Geschwindigkeiten (v85 > 38 km/h) ergaben.


Prävention – Strasseninfrastruktur 305<br />

Abbildung 44:<br />

Wechselseitiges<br />

Parken<br />

Abbildung 45:<br />

Rechtsvortrittsmarkierung<br />

Abbildung 46:<br />

Tempo-30-Signet


306 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Abbildung 47:<br />

Aufgepflasterter<br />

Kreuzungsbereich<br />

Sicherheit auf dem<br />

übergeordneten<br />

Strassennetz durch<br />

gestalterische<br />

Massnahmen<br />

Abbildung 48:<br />

Ortsdurchfahrt mit<br />

Verkehrsstreifen in<br />

Fahrbahnmitte<br />

Auf verkehrsorientierten Strassen sieht das Modell vor, trotz hohem Verkehrsaufkommen<br />

und höheren Geschwindigkeiten ein hohes Verkehrssicherheitsniveau<br />

zu gewähren, die Querbeziehungen zu verbessern und<br />

die Trennwirkung der Fahrbahn zu minimieren. Dabei soll jedoch der Verkehr<br />

nicht auf siedlungsorientierte Strassen umgelagert werden. Als Erkennungselemente<br />

sind insbesondere Lichtsignalanlagen, Mittelmarkierungen,<br />

Fussgängerstreifen mit Fussgängerschutzinsel, Kreisverkehrsplätze<br />

und das Vortrittsrecht gegenüber Querstrassen geeignet. Infrastrukturelle<br />

Gestaltungselemente für Innerortsstrassen gemäss Schweizer Norm SN<br />

640 212 wie beispielsweise Verkehrsstreifen in Fahrbahnmitte (Abbildung<br />

48) gewähren eine optimale Sicherheit. Solche gestalterischen infrastrukturellen<br />

Elemente schränken dabei die Leistungsfähigkeit der Strasse nicht<br />

ein.


Prävention – Strasseninfrastruktur 307<br />

Abbildung 49:<br />

Torwirkung<br />

Abbildung 50:<br />

Kammerung des<br />

Strassenraums<br />

Sie zielen vielmehr darauf ab, folgende Gestaltungsprinzipien umzusetzen:<br />

1. Torwirkung (optische Abgrenzung zwischen Strassenräumen unterschiedlicher<br />

Charakteristik, die eine Anpassung des Fahrverhaltens<br />

anstrebt) (Abbildung 49)<br />

2. Kammerung des Strassenraums (Längsunterteilung des Strassenraumes<br />

in Raumkammern, um den Fokus der Wahrnehmung auf den<br />

Nahbereich zu richten und damit einen geschwindigkeitssenkenden<br />

Effekt für den Verkehrsablauf zu erreichen) (Abbildung 50)<br />

3. Verzahnung der Seitenräume (Verwendung verschiedener Beläge zur<br />

Milderung der Bandwirkung von Fahrbahnrändern; Effekt nicht generell<br />

erwünscht, sondern in Abstimmung mit der Funktion der Strasse) (Abbildung<br />

51)


308 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Abbildung 51:<br />

Verzahnung von<br />

Strassenräumen<br />

Indirekte Auswirkung<br />

auf alle Fussgänger-<br />

Unfälle<br />

Tabelle 99:<br />

Präventionsmöglichkeit‚Geschwindigkeitsregime<br />

innerorts’<br />

Bei der Umsetzung dieser Prinzipien sind folgende Aspekte mit einzubeziehen:<br />

• Funktion und Lage der Strasse<br />

• Städtebauliche Vorgaben und Ziele<br />

• Struktur des Strassenraums<br />

Das bfu-Modell Tempo 30/50 innerorts schliesst Senkungen der signalisierten<br />

Höchstgeschwindigkeit auf dem übergeordneten Strassennetz<br />

nicht von vornherein aus. Bei Gefahren, die nur schwer oder nicht rechtzeitig<br />

erkennbar und nicht anders zu beheben sind, ist gemäss Artikel 108<br />

der Signalisationsverordnung eine Senkung der geltenden Höchstgeschwindigkeit<br />

möglich. Dabei ist jedoch sicherzustellen, dass keine<br />

Schleichwegfahrten in Wohnquartiere stattfinden und das angestrebte<br />

Geschwindigkeitsregime noch ersichtlich ist.<br />

Ein für den <strong>Fussverkehr</strong> adäquates Geschwindigkeitsregime innerorts<br />

wirkt sich auf fast alle Typen von Fussgängerunfällen aus. Dementsprechend<br />

hoch ist das ausgewiesene Rettungspotenzial.<br />

Präventionsmöglichkeit Rettungspotenzial<br />

Geschwindigkeitsregime innerorts *****<br />

* sehr gering / ***** sehr gross


Prävention – Strasseninfrastruktur 309<br />

Benutzung derselben<br />

Verkehrsfläche –<br />

Konflikte entstehen<br />

Führung auf zwei<br />

Ebenen unterbindet<br />

Konflikte<br />

<strong>Fussverkehr</strong> ist<br />

umwegempfindlich<br />

6.4 Querung auf zwei Ebenen<br />

6.4.1 Ausgangslage<br />

Das Überqueren von Verkehrsflächen des motorisierten Individualverkehrs<br />

zu Fuss ist der mit Abstand grösste Risikofaktor. Der primäre<br />

Grund dafür ist, dass der motorisierte Individualverkehr und der <strong>Fussverkehr</strong><br />

an diesen Orten dieselbe Verkehrsfläche benutzen. Dadurch entstehen<br />

zwangsläufig Konfliktstellen. Diese Situation wird durch den rechtwinkligen<br />

Verlauf von Fahrbahn und Querung verschärft, weil dadurch die<br />

Fahrzeug-Lenker die Fussgänger oft erst unmittelbar vor dem Überqueren<br />

sehen.<br />

Eine konfliktfreie Führung von <strong>Fussverkehr</strong> und motorisiertem Individualverkehr<br />

würde Kollisionen zwischen diesen beiden Verkehrsteilnehmern<br />

per definitionem vollständig ausschliessen. Dieser Ansatz verfolgt das<br />

Prinzip der Minimierung der Anzahl Konfliktstellen. Er ist nahe liegend und<br />

vordergründig bestechend. Die Umsetzung mündet zwangsläufig in die<br />

Führung der Verkehrsflächen für den <strong>Fussverkehr</strong> und den motorisierten<br />

Individualverkehr auf zwei verschiedenen Ebenen.<br />

In diesem Zusammenhang gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass der<br />

<strong>Fussverkehr</strong> sehr umwegempfindlich ist. Diese Eigenschaft wird verstärkt,<br />

wenn Personen zu Fuss Höhendifferenzen bewältigen müssen, um anschliessend<br />

wieder auf das Ausgangsniveau zurückzugelangen. Ob eine<br />

Querung auf zwei Ebenen von Fussgängern benützt wird oder ob trotzdem<br />

auf der Fahrbahn überquert wird, ist situationsabhängig. Die Schweizer<br />

Norm SN 640 240 „Querungen für den Fussgänger- und leichten<br />

Zweiradverkehr – Grundlagen“ führt anhand eines systematischen Ablaufs<br />

zur Wahl des adäquaten Querungstyps. Entscheidende Einflussfaktoren<br />

für die Wahl einer Querung auf zwei Ebenen sind dabei die zu querende<br />

Strasse, die Verkehrsmenge und die Topografie.


310 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Unter- und<br />

Überführung als<br />

Lösung<br />

Benutzung<br />

sicherstellen –<br />

Gelände<br />

berücksichtigen<br />

Hanglagen<br />

prädestiniert<br />

Bedürfnisse von<br />

Personen mit<br />

Moblitätseinschränkung<br />

berücksichtigen<br />

6.4.2 Präventionsmöglichkeiten<br />

Führt die Netzplanung zum Entscheid, den <strong>Fussverkehr</strong> und den motorisierten<br />

Individualverkehr auf zwei Ebenen zu führen, so stehen die Elemente<br />

„Unterführung“ oder „Überführung“ zur Wahl. Wie aus der Bezeichnung<br />

hervorgeht, wird bei diesen Elementen der <strong>Fussverkehr</strong> (oft zusammen<br />

mit dem leichten Zweiradverkehr) unter bzw. über der Fahrbahn geführt.<br />

Die physische Trennung zwischen motorisiertem Individualverkehr<br />

und <strong>Fussverkehr</strong> ist vollständig, so dass zwischen diesen beiden Verkehrsarten<br />

keine Konfliktstellen bestehen.<br />

Die volle Wirkung kann jedoch nur dann zum Tragen kommen, wenn die<br />

Fussgänger diese Anlagen auch tatsächlich benützen. Wie bereits erläutert,<br />

ist der <strong>Fussverkehr</strong> sehr umwegempfindlich. Eine Person zu Fuss<br />

wird stets den Aufwand der doppelten Überwindung der Höhendifferenz<br />

und den daraus gewonnenen Nutzen (Sicherheit, Zeitgewinn) gegeneinander<br />

abwägen. Resultiert daraus subjektiv kein Gewinn, so sinkt die Akzeptanz<br />

für Über- oder Unterführungen erheblich. Sie werden entsprechend<br />

nicht benutzt und die Fahrbahn wird à Niveau überquert. Dieser<br />

offensichtliche sicherheitstechnische Nachteil wird überdies verstärkt, weil<br />

Motorfahrzeug-Lenker an Orten mit Über- oder Unterführungen nicht mit<br />

querenden Fussgängern auf der Fahrbahn rechnen.<br />

Um die Benutzerfreundlichkeit zu optimieren, sind deshalb Über- oder<br />

Unterführungen vornehmlich in Hanglagen zu legen (Abbildung 52), wo<br />

ohnehin auf der einen Strassenseite eine Höhendifferenz zu überwinden<br />

ist. Noch geeigneter sind Querungen, wo die Fahrbahn in einem Einschnitt<br />

oder auf einem Damm geführt wird und zu Fuss somit Höhendifferenzen<br />

entfallen (Abbildung 53).<br />

Sind bei Querungen von wichtigen, sehr stark befahrenen Strassen solche<br />

Anlagen unumgänglich, so sind die Bedürfnisse von Gehbehinderten,<br />

älteren Fussgängern zu berücksichtigen. Das gilt auch für Personen, die<br />

einen Kinderwagen oder ein Fahrrad stossen (flache Rampen, Lifte).


Prävention – Strasseninfrastruktur 311<br />

Abbildung 52:<br />

Attraktive Führung<br />

des <strong>Fussverkehr</strong>s auf<br />

zwei Ebenen –<br />

Überführung an<br />

Hanglage<br />

Abbildung 53:<br />

Attraktive Führung<br />

des <strong>Fussverkehr</strong>s auf<br />

zwei Ebenen –<br />

Unterführung in<br />

Einschnitt<br />

Bestimmungen für<br />

sicheren Betrieb<br />

Für die Sicherheit der Anlage selbst sind eine attraktive Linienführung, die<br />

Sichtweiten bei Richtungswechseln und seitlichen Zugängen, die öffentliche<br />

Beleuchtung sowie eine positive Sicherheitsempfindung im öffentlichen<br />

Raum massgebend. Die VSS-Norm SN 640 246 „Unterführungen“<br />

und die derzeit (2006) in Bearbeitung befindliche VSS-Norm SN 640 247<br />

„Überführungen“ zeigen im Detail auf, wie diese Ziele zu erreichen sind.<br />

Vergleichbare Angaben weist die Deutsche Forschungsgesellschaft für<br />

Strassen- und Verkehrswesen aus (2002).


312 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Geringes<br />

Rettunspotenzial<br />

Tabelle 100:<br />

Präventionsmöglichkeit<br />

‚Querung auf zwei<br />

Ebenen’<br />

Benutzung derselben<br />

Verkehrsfläche –<br />

Konflikte entstehen<br />

Unter- oder<br />

Überführung oft nicht<br />

möglich<br />

Die präventive Wirkung der Elemente Über- oder Unterführungen ist<br />

nachweislich gross (Japan Road Association, 1969, zitiert nach Retting,<br />

Ferguson & McCartt, 2003). Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Örtlichkeiten,<br />

wo Über- oder Unterführungen angebracht sind, eher selten sind.<br />

Folglich ist das Rettungspotenzial dieser Präventionsmöglichkeit als gering<br />

einzuschätzen.<br />

Präventionsmöglichkeit Rettungspotenzial<br />

Querung auf zwei Ebenen (Unter- bzw. Überführung) **<br />

• sehr gering / ***** sehr gross<br />

6.5 Punktuelle Querung auf einer Ebene mit Vortritt<br />

6.5.1 Ausgangslage<br />

Grundlage ist wiederum die Feststellung, wonach die Benutzung derselben<br />

Verkehrsfläche durch Fussgänger und motorisierten Individualverkehr<br />

zwangsläufig Konfliktstellen generiert. Die Situation wird durch den rechtwinkligen<br />

Verlauf von Fahrbahn und Querung verschärft, weil dadurch<br />

Fussgänger oft erst unmittelbar vor dem Überqueren ins Blickfeld der<br />

Fahrzeuglenker gelangen. Eine konfliktfreie Führung, die Kollisionen zwischen<br />

diesen beiden Verkehrsteilnehmern ausschliesst, ist nur ausnahmsweise<br />

möglich. Ursache dafür sind mangelnde finanzielle Ressourcen<br />

sowie eine Topografie bzw. Platzverhältnisse, die z. B. für Personen<br />

mit eingeschränkter Mobilität keine Lösung zulassen. Zudem zeigt die<br />

Praxis immer wieder sehr deutlich, dass der <strong>Fussverkehr</strong> überaus umwegempfindlich<br />

ist.<br />

In Querungsbereichen werden deshalb üblicherweise Fussgänger und<br />

motorisierter Individualverkehr auf einer Ebene, also auf der gleichen Verkehrsfläche,<br />

geführt. Das führt zwangsläufig zu den in Kap. VII.5.1<br />

Einleitung: Netzgedanken, S. 196, beschriebenen Problemen und Risiken.<br />

Ziel muss es deshalb sein, diese Örtlichkeiten mittels adäquaten infrastrukturellen<br />

Elementen für Fussgänger möglichst risikoarm zu gestalten.<br />

Das gilt sowohl für die verkehrstechnischen Basiselemente zur Abwicklung<br />

des <strong>Fussverkehr</strong>s als auch für die verkehrstechnischen Elemente zur


Prävention – Strasseninfrastruktur 313<br />

Punktuelle Querung<br />

mit Vortritt als<br />

mögliche Lösung<br />

Fussgängerstreifen –<br />

gesetzliche<br />

Bestimmungen<br />

Ausgestaltung von<br />

Fussgängerstreifen<br />

Vortritt zu Gunsten<br />

des <strong>Fussverkehr</strong>s<br />

festgelegt<br />

Gewährleistung der Sicherheit des <strong>Fussverkehr</strong>s (s. dazu Kap. VII.5.2<br />

Fehlende Netzplanung, S. 198).<br />

Dabei ist zu berücksichtigen, dass <strong>Fussverkehr</strong>sbeziehungen linienförmig<br />

oder flächig sein können (s. Kap. VII.5.1 Einleitung: Netzgedanken,<br />

S. 196), was auch beim Überqueren von Fahrbahnen gilt. Ob eine Beziehung<br />

linienförmig ist und sich der <strong>Fussverkehr</strong> somit im Querungsbereich<br />

bündeln lässt, hängt vorwiegend von der Art der Randbebauung und der<br />

Fussgängerführung neben dem Strassenraum ab. Für gebündelte <strong>Fussverkehr</strong>sströme<br />

ist eine so genannte punktuelle Querung angezeigt. Diese<br />

kann mit oder ohne Vortritt für Fussgänger betrieben werden. Unter welchen<br />

Bedingungen der Querungstyp „punktuelle Querung mit Vortritt“ angezeigt<br />

ist, ergibt sich aus dem systematischen Vorgehen in der Schweizer<br />

Norm SN 640 240 „Querungen für den Fussgänger- und leichten<br />

Zweiradverkehr – Grundlagen“.<br />

Im Folgenden sind die drei Präventionsmöglichkeiten erörtert, die ein gebündeltes<br />

und vortrittsberechtigtes Überqueren der Strasse ermöglichen.<br />

6.5.2 Präventionsmöglichkeiten<br />

Fussgängerstreifen<br />

Fussgängerstreifen unterliegen zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen<br />

und haben auch einige verkehrsrechtliche Auswirkungen. Darum werden<br />

hier zunächst die wichtigsten Artikel aus dem Schweizerischen Verkehrsrecht<br />

(jeweils kursiv dargestellt) zitiert.<br />

Die Ausgestaltung von Fussgängerstreifen wird vorab in Art. 77 Abs. 1<br />

SSV geregelt:<br />

Fussgängerstreifen werden durch eine Reihe gelber, bei Pflästerung<br />

allenfalls weisser, Balken parallel zum Fahrbahnrand gekennzeichnet.<br />

Die folgenden beiden Gesetzestexte lassen die Absicht des Gesetzgebers<br />

erkennen, mit einem verkehrsregelnden Eingriff (Vortrittsregelung zu<br />

Gunsten der Fussgänger) fussgängerfreundliche und sichere Querungen


314 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Vortritt zu Gunsten<br />

des <strong>Fussverkehr</strong>s nur<br />

bedingt<br />

zu ermöglichen. Dies im Einklang mit der erklärten Absicht des Bundesamtes<br />

für Strassen ASTRA, den Langsamverkehr zu fördern (Bundesamt<br />

für Strassen ASTRA, 2001).<br />

Vor Fussgängerstreifen ohne Verkehrsregelung muss der Fahrzeugführer<br />

jedem Fussgänger oder Benützer eines fahrzeugähnlichen<br />

Gerätes, der sich bereits auf dem Streifen befindet<br />

oder davor wartet und ersichtlich die Fahrbahn überqueren will,<br />

den Vortritt gewähren. Er muss die Geschwindigkeit rechtzeitig<br />

mässigen und nötigenfalls anhalten, damit er dieser Pflicht<br />

nachkommen kann (Art. 6 Abs. 1 VRV).<br />

Vor Fussgängerstreifen hat der Fahrzeugführer besonders vorsichtig<br />

zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, um den Fussgängern<br />

den Vortritt zu lassen, die sich schon auf dem Streifen befinden<br />

oder im Begriffe sind, ihn zu betreten (Art. 33 Abs. 2<br />

VRV).<br />

Der Wortlaut der folgenden Artikel lässt durchblicken, dass beim Gesetzgeber<br />

offenbar gewisse Zweifel daran bestehen, ob sich das vorgängig<br />

definierte Vortrittsregime zwischen <strong>Fussverkehr</strong> und motorisiertem Individualverkehr<br />

überhaupt umfassend verwirklichen lässt.<br />

Die Fussgänger haben die Fahrbahn vorsichtig und auf dem<br />

kürzesten Weg zu überschreiten, nach Möglichkeit auf einem<br />

Fussgängerstreifen. Sie haben den Vortritt auf diesem Streifen,<br />

dürfen ihn aber nicht überraschend betreten (Art. 49 Abs. 2<br />

SVG)<br />

Auf Fussgängerstreifen ohne Verkehrsregelung haben die<br />

Fussgänger den Vortritt, …. Sie dürfen jedoch vom Vortrittsrecht<br />

nicht Gebrauch machen, wenn das Fahrzeug bereits so nahe ist,<br />

dass es nicht mehr rechtzeitig anhalten könnte (Art. 47 Abs. 2<br />

VRV).<br />

Offensichtlich bestehen Bedenken, ob der Vortritt im grundsätzlichen<br />

Sinne, also wie zwischen Fahrzeugen, funktionieren kann. Offenbar ist sich<br />

der Gesetzgeber bewusst, dass das Markieren von Fussgängerstreifen<br />

nicht generell sicherstellt, dass Lenker vor Fussgängern anhalten, die im


Prävention – Strasseninfrastruktur 315<br />

Anhaltequote ist zu<br />

niedrig<br />

Umfassende<br />

Anhaltebereitschaft<br />

erwünscht<br />

Fussgängerstreifen<br />

ermöglichen eine<br />

Bündelung der<br />

Überquerungen<br />

Begriff sind, die Fahrbahn zu überqueren. Indessen ist es für die Sicherheit<br />

der querenden Fussgänger zentral, sich darauf verlassen zu können,<br />

dass ihnen der motorisierte Individualverkehr den Vortritt gewährt, also<br />

anhält.<br />

Die Anhaltebereitschaft der Lenker vor Fussgängerstreifen, bei denen<br />

Personen im Begriffe sind, die Fahrbahn zu überqueren, ist tatsächlich<br />

gering. So konnte Ewert 1999 bei der Untersuchung von 100 Fussgängerstreifen<br />

in der Schweiz eine Anhaltequote von rund 50 % nachweisen.<br />

Noch schlechter ist die Anhaltequote in Österreich mit knapp über 40 %<br />

(Klug, 2005). Unbeantwortet bleibt jedoch die Frage, wie hoch die Anhaltequote<br />

sein muss, damit die Sicherheit für Fussgänger am Fussgängerstreifen<br />

optimal ist. Befunde hierfür wurden keine gefunden.<br />

Dieser vordergründig einfach erscheinende Sachverhalt ist detailliert zu<br />

hinterfragen. Einleuchtend ist, dass eine 100%ige Anhaltequote seitens<br />

der Lenker eine 100%ige Sicherheit für die querenden Fussgänger zur<br />

Folge hat. Ob eine sehr hohe Anhaltequote zwangsläufig eine sehr hohe<br />

Sicherheit für querende Fussgänger zur Folge hat, ist nicht offenkundig.<br />

Insbesondere kann kaum abgeschätzt werden, wie gross der Einfluss auf<br />

die Sicherheit ist, wenn sich Fussgänger zu stark darauf verlassen, dass<br />

alle Fahrzeuge anhalten. Jedenfalls konnte der genaue Zusammenhang<br />

zwischen Anhaltequote und <strong>Unfallgeschehen</strong> auf Grund der gesichteten<br />

Literatur nicht eruiert werden. Eine möglichst hohe Anhaltequote muss<br />

das Ziel bleiben. Solange diese jedoch nicht 100 % beträgt, wird eine<br />

Sensibilisierung der Fussgänger ebenso wichtig sein.<br />

Sie müssen Fussgängerstreifen, Über- oder Unterführungen benützen,<br />

wenn diese weniger als 50 m entfernt sind (Art. 47 Abs.<br />

1 VRV).<br />

Diese Vorschrift ermöglicht es, Fussgängerbeziehungen im Bereich von<br />

Überquerungen zu bündeln, wenn sie auf engem Raum stattfinden. Somit<br />

sind Fussgängerstreifen (Abbildung 54) für punktuelle Querungen grundsätzlich<br />

angezeigt.<br />

Andererseits zwingt diese Verordnung die Fussgänger zu Umwegen. Die<br />

Vorschrift ist erfahrungsgemäss wenig bekannt oder wird als lästig emp-


316 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Abbildung 54:<br />

Fussgängerstreifen<br />

<strong>Unfallgeschehen</strong> auf<br />

Fussgängerstreifen<br />

erheblich<br />

funden. Das <strong>Unfallgeschehen</strong> in der Schweiz sowie diverse Forschungsergebnisse<br />

zeigen jedoch, dass diese Regelung trotzdem sinnvoll ist. So<br />

weisen 16 % aller Fussgängerunfälle den Mangel „Nichtbenützen des<br />

Fussgängerstreifens“ auf (bezogen auf Fussgänger-Unfälle, denen ein<br />

Mangel zugewiesen wurde). Die darauf beruhende Vermutung, dass das<br />

Überqueren von Strassen im näheren Bereich eines Fussgängerstreifens<br />

besonders risikovoll ist, wird durch Scaramuzza & Ewert (1997) sowie Elvik<br />

und Vaa (2004) gestützt. Beide Untersuchungen gelangen auf Grund<br />

der Analyse verschiedener Studien zum gleichen Schluss: Das Risiko, als<br />

Fussgänger in einem Bereich von 50 m vor oder nach einem Fussgängerstreifen<br />

zu verunfallen, ist wesentlich erhöht.<br />

Soviel zu den gesetzlichen Vorschriften für Fussgängerstreifen. Der Nutzen<br />

dieser Präventionsmöglichkeit für die Sicherheit der querenden Fussgänger<br />

ist umstritten, wenngleich in der Öffentlichkeit die Meinung vorherrscht,<br />

Fussgängerstreifen seien die vorteilhafteste Vorkehrung für<br />

Querungen. Die Unfallstatistik zeigt freilich, dass in den letzten 10 Jahren<br />

die Summe der Getöteten und schwer Verletzten auf Fussgängerstreifen<br />

zwar – wie das gesamte <strong>Unfallgeschehen</strong> – abgenommen hat, aber mit<br />

rund 300 immer noch erheblich ist.


Prävention – Strasseninfrastruktur 317<br />

Fussgängerstreifen<br />

sind nicht a priori<br />

sicher<br />

Studien zeigen<br />

unterschiedliche<br />

Resultate bezüglich<br />

Sicherheit<br />

Aus dieser Zahl geht deutlich hervor, dass Lenker nicht immer anhalten,<br />

selbst wenn Fussgänger den Fussgängerstreifen bereits betreten haben.<br />

Daraus ergibt sich, dass offensichtlich Fussgängerstreifen nicht ausnahmslos<br />

eine absolute Sicherheit garantieren.<br />

So analysierten Koepsell et al. (2002) in 6 verschiedenen Städten in den<br />

USA 282 Fussgängerunfälle mit über 65-Jährigen. Dabei wiesen sie ein<br />

2.1-faches Risiko beim Queren auf Fussgängerstreifen aus (Resultat kontrolliert<br />

für Fussgängermengen, Verkehrsmengen motorisierter Individualverkehr,<br />

Querungslänge und Vorhandensein einer Lichtsignalanlage). Dabei<br />

war das erhöhte Risiko fast vollständig auf das 3.6-fache Risiko bei<br />

Fussgängerstreifen ohne Lichtsignalanlage zurückzuführen.<br />

Demgegenüber konnte die Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung<br />

(1983) nachweisen, dass das Unfallrisiko beim Überqueren der<br />

Strasse auf Fussgängerstreifen bedeutend geringer ist als ausserhalb von<br />

Fussgängerstreifen. Allerdings wiesen die damals beobachteten Fussgängerstreifen<br />

eine relativ hohe mittlere Fussgängerfrequenz von<br />

28 Fussgängern/Stunde auf. Ob diese Resultate für Fussgängerstreifen<br />

mit niedrigen Fussgängerfrequenzen ebenfalls Gültigkeit haben, geht aus<br />

dieser Studie nicht hervor.<br />

Zegeer et al. (2005) verglichen in einer breit angelegten Studie 1000 markierte<br />

Querungen (durchschnittlich 312 querende Fussgänger pro Tag)<br />

und 1000 unmarkierte Querungen (155 querende Fussgänger pro Tag).<br />

Querungen auf zweispurigen Strassen erwiesen sich mit Markierung unter<br />

keiner verkehrstechnischen Bedingung sicherer als ohne Markierung (dieses<br />

Resultat basiert auf gesamthaft 914 Querungen). Hingegen zeigte<br />

sich, dass bei einem durchschnittlichen täglichen Verkehr von über 12000<br />

Fahrzeugen auf mehrspurigen Strassen Querungen mit Markierung signifikant<br />

unsicherer sind als Querungen ohne Markierung.<br />

Weitere Studien zeigen ebenfalls ein uneinheitliches Bild für das Unfallrisiko<br />

mit/ohne Fussgängerstreifen auf. Jørgensen und Rabani (1971, zitiert<br />

nach Scaramuzza & Ewert, 1997) weisen ein gleich hohes Risiko<br />

nach, Herms (1972, zitiert nach Scaramuzza & Ewert, 1997) ein doppeltes<br />

Risiko auf Fussgängerstreifen und Tobey, Shunamen und Knoblauch<br />

(1983, zitiert nach Scaramuzza & Ewert, 1997) ein 2.5-mal geringeres


318 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Sicherheitsgewinn<br />

umstritten<br />

Sicherheit vermutlich<br />

nur unter gewissen<br />

Bedingungen<br />

gegeben<br />

Infrastrukturelle<br />

Voraussetzungen<br />

Fussgängerschutzinsel<br />

erhöht<br />

Sicherheit<br />

Risiko auf Fussgängerstreifen. Beachtenswert sind in diesem Zusammenhang<br />

auch die Ergebnisse von Gårder (2004). Mit Hilfe von Modellen,<br />

die auf Verkehrsaufkommen basieren, berechnete er an 122 Querungen<br />

erwartete Unfallzahlen. Aus dem Vergleich der erwarteten Unfallzahlen<br />

mit dem tatsächlichen <strong>Unfallgeschehen</strong> zog er den Schluss, die Ursache<br />

müsse mit den infrastrukturellen Eigenheiten dieser Lokalitäten zusammenhängen.<br />

Signifikante (negative) Abweichungen zwischen erwarteten<br />

und beobachteten Unfallzahlen ergaben sich insbesondere bei erhöhten<br />

Geschwindigkeiten und bei mehrspurigen Strassen. Positiv wirkte sich<br />

hingegen die Markierung aus. Gårder wirft gleichzeitig die interessante<br />

Fragestellung auf, ob die Querung durch die Markierung sicherer geworden<br />

ist oder ob die Anlage vorher schon sicher war und deswegen mit<br />

einer Markierung versehen wurde. Letztendlich weist er aus, dass Querungen<br />

mit Markierung 50 % sicherer sind.<br />

Insgesamt ist zu konstatieren, dass der Sicherheitsgewinn von Fussgängerstreifen<br />

keineswegs unumstritten ist. Je nach betrachteten Variablen<br />

gibt es Befunde für ein erhöhtes, für eine gleiches sowie für ein geringeres<br />

Risiko, auf dem Fussgängerstreifen zu verunfallen im Vergleich zu<br />

Querungen ohne Fussgängerstreifen.<br />

Diese Erkenntnis legt den Schluss nahe, dass die Sicherheit auf Fussgängerstreifen<br />

nur unter gewissen Bedingungen gegeben ist. Das Markieren<br />

von Fussgängerstreifen führt also nicht unabhängig von Betrieb<br />

(Menge und Zusammensetzung von motorisiertem Individualverkehr und<br />

<strong>Fussverkehr</strong>) und baulicher Ausgestaltung zu mehr Sicherheit bei Querungen.<br />

Doch die zu erfüllenden Einsatzmöglichkeiten und Bedingungen<br />

bei der Planung und Projektierung von Fussgängerstreifen sind teilweise<br />

sehr umstritten.<br />

Die Erkenntnisse hinsichtlich der infrastrukturellen Voraussetzungen sind<br />

verhältnismässig eindeutig.<br />

Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass sich der Einbau einer Fussgängerschutzinsel<br />

(Abbildung 55) positiv auf das <strong>Unfallgeschehen</strong> auswirkt.<br />

Scaramuzza & Ewert wiesen 1997 nach, dass Fussgängerstreifen<br />

mit Fussgängerschutzinsel signifikant häufiger unfallfrei sind. Gårder<br />

(1989, zitiert nach Retting et al., 2003) wies eine Reduktion der Konflikte


Prävention – Strasseninfrastruktur 319<br />

Abbildung 55:<br />

Fussgängerschutzinsel<br />

Korrekte Beleuchtung<br />

erhöht Sicherheit<br />

zwischen Fussgängern und motorisiertem Individualverkehr um 66 %,<br />

Herrstedt (1999) gar um 80 % nach. Zu ähnlichen Resultaten gelangten<br />

auch Thompson et al. (1990) und Zegeer et al. (2005). Schliesslich empfiehlt<br />

auch Alrutz in den Deutschen Empfehlungen für Fussgängerverkehrsanlagen<br />

EFA (2002) den Einsatz von Fussgängerschutzinseln. Vorsicht<br />

ist jedoch bei knappen Platzverhältnissen angezeigt. An solchen<br />

Örtlichkeiten ist der Verlauf des Fahrbahnrandes anzupassen, um kritische<br />

Engstellen für den leichten Zweiradverkehr zu vermeiden (vgl. dazu<br />

Walter et al., 2005).<br />

Erwartungsgemäss ist die korrekte Beleuchtung (Abbildung 56) eine<br />

notwendige Bedingung für den sicheren Betrieb von Fussgängerstreifen.<br />

So konnten Pegrum (1972, zitiert nach Retting et al., 2003) und Polus und<br />

Katz (1978, zitiert nach Retting et al., 2003) eine signifikante Reduktion<br />

des <strong>Unfallgeschehen</strong>s nach verbesserter Beleuchtung von Fussgängerquerungen<br />

nachweisen. Desgleichen konnten Scaramuzza und Ewert<br />

1997 den positiven Einfluss der Beleuchtung auf die Sicherheit der querenden<br />

Fussgänger aufzeigen.


320 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Abbildung 56:<br />

Fussgängerstreifen-<br />

Beleuchtung<br />

Fussgängerstreifen<br />

über max. zwei<br />

Fahrspuren<br />

Abbildung 57:<br />

Fussgängerstreifen<br />

über zu viele Spuren<br />

Genügende Sicht<br />

verbessert die<br />

Sicherheit<br />

Bezüglich der Anzahl Fahrstreifen sind ebenfalls recht eindeutige Resultate<br />

vorhanden. Scaramuzza & Ewert (1997) zeigten, dass Fussgängerstreifen,<br />

die über mehr als zwei Spuren führen (Abbildung 57), signifikant<br />

häufiger unfallbelastet sind. Zegeer et al. konnten 2005 ebenfalls<br />

nachweisen, dass sich das Markieren von Fussgängerstreifen über mehrspurige<br />

Strassen sicherheitstechnisch negativ auswikrt.<br />

Die Sichtdistanz zwischen Fussgängern und motorisiertem Individualverkehr<br />

beeinflusst wesentlich die Sicherheit der querenden Fussgänger.<br />

Das ist in verschiedenen Untersuchungen nachgewiesen. So konnten<br />

Scaramuzza und Ewert 1997 zeigen, dass Fussgängerstreifen mit einer<br />

Sichtdistanz von über 100 m signifikant häufiger unfallfrei waren als Fussgängerstreifen<br />

mit einer geringeren Sichtdistanz (Abbildung 58). Johansson<br />

et al. (2004, zitiert nach Leden et al., 2006) wiesen in einer Fallstudie<br />

Verbesserungen im <strong>Unfallgeschehen</strong> nach, wenn Lenker die Fussgänger<br />

vor dem Überqueren der Strasse besser wahrnehmen konnten. Insbeson-


Prävention – Strasseninfrastruktur 321<br />

Abbildung 58:<br />

Fussgängerstreifen<br />

mit ungenügender<br />

Sicht<br />

Signal 4.11 erhöht die<br />

Sicherheit<br />

dere wurden Fahrbahnverengungen im Bereich von parkierten Fahrzeugen<br />

und Parkverbote als sichtverbessernde Intervention untersucht, wobei der<br />

positive Effekt für Kinder bedeutend grösser ist als für ältere Fussgänger.<br />

Elvik und Vaa (2004) konnten ebenfalls eine leichte Reduktion (5 %) der<br />

Fussgänger-Unfälle nachweisen, nachdem Sichtverbesserungen für Fussgänger<br />

realisiert wurden (insbesondere Fahrbahnverengungen), wobei die<br />

Streuung der Werte sehr hoch ist. Johnson (2005) konnte bei einer Untersuchung<br />

nachweisen, dass die Reduktion der nicht anhaltenden Motorfahrzeuge<br />

nach dem Einbau einer Fahrbahnverengung 42.7 % auf der<br />

näheren Spur betrug (n=219) und 33.9 % auf der entfernteren Spur<br />

(n=214). An dieser Stelle sei erneut darauf hingewiesen, dass keine<br />

Studien über den Zusammenhang zwischen Anhaltequote und <strong>Unfallgeschehen</strong><br />

gefunden wurden.<br />

Ein schweizspezifisches Resultat lieferten Scaramuzza und Ewert (1997).<br />

Es zeigte sich, dass unfallfreie Fussgängerstreifen signifikant häufiger mit<br />

dem Signal 4.11 der Signalisationsverordnung SSV „Standort eines<br />

Fussgängerstreifens“ (Abbildung 59) ausgerüstet sind. Darüber hinaus<br />

wiesen die unfallfreien Fussgängerstreifen signifikant häufiger eine Sichtdistanz<br />

von über 100 m auf diese Signale auf.


322 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Abbildung 59:<br />

Signal „Standort eines<br />

Fussgängerstreifens“<br />

Betriebliche<br />

Voraussetzungen<br />

Menge der querenden<br />

Fussgänger<br />

beeinflusst vermutlich<br />

das Querungsrisiko<br />

Motorfahrzeugmengen<br />

beeinflussen<br />

Querungsrisiko<br />

Die Forschungsergebnisse zu den betrieblichen Voraussetzungen für<br />

die Markierung eines Fussgängerstreifens sind nicht eindeutig.<br />

Einige Hinweise deuten darauf hin, dass die Menge der querenden Fussgänger<br />

das Unfallrisiko (Unfälle pro gegebene Anzahl Überquerungen)<br />

beeinflusst.<br />

Ekman konnte 1996 zeigen, dass das Querungsrisiko für Fussgänger<br />

tendenziell abnimmt, wenn die Anzahl der querenden Fussgänger steigt.<br />

Diese Aussage gilt sowohl für Querungen mit als auch ohne Fussgängerstreifen.<br />

Derweil untersuchte Jacobsen 2003 den Zusammenhang zwischen<br />

der Menge von Personen, die zu Fuss unterwegs sind, und der<br />

Wahrscheinlichkeit, dass diese verunfallen. Er konnte nachweisen, dass<br />

eine Verdoppelung der Anzahl Fussgänger mit einer Reduktion der Unfallwahrscheinlichkeit<br />

um 66 % einherging.<br />

Aussagen bezüglich Grenzwerten von Fussgänger- oder Motorfahrzeugmengen,<br />

die für oder gegen das Markieren eines Fussgängerstreifens<br />

sprechen, sind spärlich vorhanden. Mennicken (1999) kommt zwar zum<br />

Schluss, dass die Realisierung von Fussgängerstreifen nicht an Fussgängermengen<br />

zu binden ist, schlägt jedoch deren Einsatz trotzdem ab rund<br />

25 Überquerungen pro Stunde vor (was für Verhältnisse an Schweizer<br />

Fussgängerstreifen als hoher Wert einzuschätzen ist). Expositionsbereinigte<br />

Aussagen fehlen jedoch in dieser Studie.<br />

Der Zusammenhang zwischen Motorfahrzeugmenge und Unfallrisiko<br />

scheint hingegen weitgehend gesichert zu sein. Erwartungsgemäss nimmt<br />

das Unfallrisiko für querende Fussgänger mit grösser werdenden Motorfahrzeugmengen<br />

zu (z. B. Wazana et al., 1997; Zegeer et al., 2005), unabhängig<br />

davon, ob Querungen mit oder ohne Fussgängerstreifen ausgerüstet<br />

sind. Ein diesbezüglich überraschendes Resultat lieferten Zegeer et<br />

al. (2005). Danach ist bei mehrspurigen Strassen und einem DTV von


Prävention – Strasseninfrastruktur 323<br />

Mächtigkeit der<br />

Verkehrsströme ist<br />

vermutlich für das<br />

Funktionieren des<br />

Vortrittrechts von<br />

Bedeutung<br />

Abbildung 60:<br />

Der Fahrzeugstrom ist<br />

mächtig – den<br />

Fussgängern wird das<br />

Vortrittsrecht kaum<br />

zugestanden<br />

über 12’000 Fahrzeugen pro Tag die Querung ohne Markierungen sicherer<br />

als mit Markierungen. Es handelt sich in diesem Falle jedoch um eine<br />

einzelne, spezielle Konstellation von Bedingungen.<br />

Plausibel scheint, dass grundsätzlich eine Vortrittsregelung besser funktioniert,<br />

je mächtiger der vortrittsberechtigte Fahrzeugstrom ist. Das ist<br />

auch immer wieder in der Praxis zu beobachten. Offen bleibt die Frage,<br />

ob das beim Zusammentreffen eines Fahrzeug- und eines Fussgängerstroms<br />

auch gilt. Die Praxis stützt diese Vermutung. Immer wieder ist<br />

festzustellen, dass an stark befahrenen Strassen Personen zu Fuss Mühe<br />

bekunden, trotz Fussgängerstreifen von ihrem Vortrittsrecht Gebrauch zu<br />

machen (Abbildung 60).<br />

Dies gilt besonders dann, wenn an solchen Örtlichkeiten nur selten Fussgänger<br />

anzutreffen sind. Das entgegengesetzte Phänomen ist genauso<br />

an Örtlichkeiten mit vielen querenden Fussgängern und wenigen Motorfahrzeugen<br />

zu beobachten. An solchen Stellen können Fussgänger mühelos<br />

ohne Fussgängerstreifen auch in Gegenwart von Motorfahrzeugen<br />

queren, selbst wenn keine Fussgängerstreifen markiert sind, also das<br />

Vortrittsrecht eigentlich dem Motorfahrzeugverkehr zusteht (Abbildung<br />

61).


324 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Abbildung 61:<br />

Der <strong>Fussverkehr</strong>sstrom<br />

ist mächtig –<br />

dem motorisierten<br />

Individualverkehr wird<br />

das Vortrittsrecht<br />

kaum zugestanden<br />

Befunde für oder<br />

gegen diese<br />

Hypothese fehlen<br />

Schweizer Norm ist<br />

nicht abschliessend<br />

Zahlreiche innovative<br />

Versuche, die<br />

Anhaltequote zu<br />

verbessern<br />

Empirische Befunde zu dieser Fragestellung fehlen und die Auswirkung<br />

dieses Sachverhalts auf die Sicherheit der Fussgänger ist ebenfalls nur<br />

ansatzweise untersucht. De facto wurde der Effekt von Fussgängerstreifen<br />

auf die Sicherheit von Fussgängern nur für hohe Fussgängermengen<br />

bzw. bei speziellen Konstellationen untersucht. Eine umfassende Aussage,<br />

bei welchen betrieblichen Bedingungen ein Fussgängerstreifen die<br />

Sicherheit für Fussgänger nachweislich erhöht oder mindert, ist beim heutigen<br />

Wissensstand nicht möglich. Es besteht Forschungsbedarf, insbesondere<br />

um Resultate abzuleiten, die für Schweizer Verhältnisse anwendbar<br />

sind.<br />

Aus diesen Gründen ist die heutige Schweizer Norm SN 640 241 „Fussgängerverkehr<br />

– Fussgängerstreifen“ als Zusammenstellung der gegenwärtig<br />

bekannten empirischen Befunde und des bestmöglichen vorhandenen<br />

Expertenwissens einzustufen.<br />

Gleichwohl bleibt das <strong>Unfallgeschehen</strong> am Fussgängerstreifen, wie bereits<br />

dargelegt, unbefriedigend. Das erklärt die vielen Versuche in der<br />

Schweiz, zumindest die Anhaltequote am Fussgängerstreifen durch den<br />

Einsatz zusätzlicher, innovativer Vorkehrungen zu verbessern – basierend<br />

auf der Überlegung, dass jeder Unfall darauf zurückzuführen ist, dass ein<br />

Motorfahrzeuglenker trotz Vortritt für den <strong>Fussverkehr</strong> (Fussgängerstreifen)<br />

nicht rechtzeitig angehalten hat. Ob allerdings eine lediglich erhöhte,<br />

jedoch nicht absolute Anhaltebereitschaft die Sicherheit erhöht, ist<br />

– wie bereits erörtert – nicht nachgewiesen.


Prävention – Strasseninfrastruktur 325<br />

Resultate ernüchternd<br />

Experiment mit<br />

Wartelinie noch nicht<br />

abgeschlossen<br />

Zu erwähnen sind Versuche, mittels so genannter HMB-Reflektoren (lichtreflektierende<br />

Vorkehrungen à Niveau bei Fussgängerstreifen) oder mittels<br />

gelbgrüner, fluoreszierender Umrandung des Signals 4.11 SSV „Standort<br />

eines Fussgängerstreifens“ die Anhaltequote positiv zu beeinflussen.<br />

Lindenmann, Laube und Burger (2003) untersuchten verschiedene Auswirkungen<br />

von HMB-Reflektoren. Sie wiesen einen leichten, jedoch signifikanten<br />

Rückgang des Geschwindigkeitsniveaus nach, insbesondere kurz<br />

vor und nach Fussgängerstreifen. Erkennbarkeit und Beurteilung der Reflektoren<br />

seitens der Lenker ergaben ebenfalls positive Befunde. Ein zentrales<br />

Kriterium, nämlich die Verbesserung der Anhaltequote, führte jedoch<br />

zu keinem signifikanten Ergebnis. Fachleute vermuten trotzdem, dass<br />

unter speziellen Bedingungen eine positive Wirkung von HMB-Reflektoren<br />

zu erwarten ist. Da keine weiteren Studien zu dieser Thematik bekannt<br />

sind, besteht Forschungsbedarf, um diese Hypothese zu stützen.<br />

Dass eine gelbgrüne, fluoreszierende Umrandung der Signale keinen Einfluss<br />

auf die Anhaltequote hat, konnten Bühlmann und Laube (2005),<br />

Huybers et al. (2002) und Van Houten et al. (2002) nachweisen.<br />

Von Einzelaktionen wie beispielsweise der Anbringung eines roten Belags<br />

im Bereich von bestehenden Fussgängerstreifen oder sonstigen Gestaltungen<br />

bei Fussgängerstreifen (Plakate, Stelen usw.) sind keine aussagekräftigen<br />

Ergebnisse bekannt.<br />

Zurzeit noch offen sind die Resultate eines weiteren schweizerischen<br />

Versuchs (TCS, 2006). Durch Markierung einer Wartelinie vor Fussgängerstreifen<br />

wird angestrebt, die Anhaltequote zu verbessern. Das Wirkmodell<br />

ist überzeugend: In Anlehnung an die bekannte Markierung bei der<br />

Vortrittsregelung „Kein Vortritt“ sollen geläufige Elemente (Haifischzähne)<br />

dieses Regime beim Fussgängerstreifen besser visualisieren. Bei einem<br />

ähnlichen Versuch konnte Van Houten 1988 eine Reduktion der Konflikte<br />

um 80 % nachweisen. Die Versuchsanordnung beinhaltete die Markierung<br />

von Haltebalken und Ankündigungssignalen mit Aufforderung an die Lenker,<br />

für Fussgänger zu halten und ihnen den Vortritt zu gewähren. 2002<br />

konnten Van Houten et al. erneut einen positiven Einfluss von Signalen<br />

und Markierungen, die dem motorisierten Individualverkehr den Vortritt<br />

entziehen, auf die Anhaltequote nachweisen.


326 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Dringender<br />

Forschungsbedarf<br />

Fussgängerlichtsignalanlage<br />

–<br />

gesetzliche<br />

Bestimmungen<br />

Isolierte Anlagen<br />

behandelt<br />

Stellvertretend für weitere Bemühungen, mittels verschiedenster Interventionen<br />

die Sicherheit am Fussgängerstreifen zu steigern, sei auf Füsser,<br />

Jakobs und Steinbrecher (1993) hingewiesen. Er untersuchte ein ganzes<br />

Repertoire von so genannten „neu entwickelten Anlagen und Hilfen für den<br />

Fussgängerquerverkehr“. Gemeint waren damals Elemente wie Einengungen,<br />

Oberflächengestaltungen, Fussgängerschutzinseln, Gestaltungen usw.<br />

Nach der Systematik des vorliegenden Dossiers handelt es sich also um<br />

infrastrukturelle Elemente für die verschiedenen Querungsarten. Wesentlich<br />

ist jedoch die Aussage, dass die untersuchten Querungselemente<br />

geeignet sind, Querungen zu sichern, und zwar auch bei niedrigen Mengen<br />

an querenden Fussgängern. Interessant ist in diesem Zusammenhang<br />

auch die zahlenmässige Einschätzung von „niedrigen Mengen“. Mit<br />

mehr als 20 Überquerungen pro Stunde handelt es sich um Werte, die auf<br />

Schweizer Fussgängerstreifen nicht oft vorkommen.<br />

Abschliessend sei nochmals festgehalten, dass zum Thema Fussgängerstreifen<br />

dringender Forschungsbedarf besteht. Resultate zu den angesprochenen<br />

Fragestellungen, die zudem für Schweizer Verhältnisse anwendbar<br />

sind, können nur aus einer umfassenden, wenngleich aufwändigen<br />

und nicht einfach zu realisierenden Untersuchung hervorgehen.<br />

Fussgängerlichtsignalanlage<br />

Die Fussgängerlichtsignalanlage (Abbildung 62) ist ein weiteres infrastrukturelles<br />

Element, das dem Fussgänger ermöglicht, eine Strasse vortrittsberechtigt<br />

zu queren. Das Gesetz ermöglicht es explizit, mittels Lichtsignalanlagen<br />

den <strong>Fussverkehr</strong> zu regeln:<br />

Lichter mit Fussgängersymbol richten sich an Fussgänger; diese<br />

dürfen die Fahrbahn ... nur betreten, wenn das Symbol grün<br />

aufleuchtet. Beginnt es zu blinken oder erscheint ein gelbes<br />

Zwischenlicht oder sofort das rote Licht, müssen die Fussgänger<br />

die Fahrbahn … ohne Verzug verlassen.<br />

Im Folgenden wird – wenn nicht anders vermerkt – unter einer Fussgängerlichtsignalanlage<br />

eine Lichtsignalanlage an Querungen auf offener<br />

Strecke verstanden, die der Fussgänger mittels Knopfdruck derart akti-


Prävention – Strasseninfrastruktur 327<br />

Abbildung 62:<br />

Fussgängerlichtsignalanlage<br />

Grosser<br />

Sicherheitsgewinn<br />

ausgewiesen<br />

<strong>Unfallgeschehen</strong> nicht<br />

unerheblich<br />

vieren kann, dass sie für den motorisierten Individualverkehr „Rot“ und für<br />

den <strong>Fussverkehr</strong> „Grün“ zeigt.<br />

Der sicherheitstechnische Nutzen dieser Präventionsmöglichkeit für querende<br />

Fussgänger ist eigentlich unumstritten. So geht Ogden (1996) von<br />

einer Reduktion der Fussgängerunfälle nach Installation einer Fussgängerlichtsignalanlage<br />

von 20–30 % aus. Analoge Grössenordnungen präsentieren<br />

Elvik und Vaa (2004). Die Reduktion der Fussgängerunfälle mit<br />

Personenschaden auf der Querung selbst veranschlagen sie mit 27 %.<br />

Der Gesamtnutzen wird mit rund 12 % angegeben, da sie jeweils eine<br />

Zunahme der Fussgängerunfälle im unmittelbaren Bereich der Fussgängerlichtsignalanlage<br />

feststellen. Gårder (1989, zitiert nach Retting et al.,<br />

2003) geht in seiner Studie davon aus, dass Fussgängerlichtsignalanlagen<br />

an Strassen, bei denen die gefahrenen Geschwindigkeiten mehr<br />

als 30 km/h betragen, die Konflikte um 50 % reduzieren. Allerdings fusst<br />

seine Untersuchung auf der nicht ganz unumstrittenen Konflikttechnik und<br />

analysiert Querungen bei Kreuzungen.<br />

Aus diesen Befunden geht nicht hervor, ob der Sicherheitsgewinn unabhängig<br />

von den baulichen und betrieblichen Randbedingungen gegeben<br />

ist. Immerhin zeigt die Unfallstatistik, dass in den Jahren 2000 bis 2005 in<br />

der Schweiz durchschnittlich 90 Fussgänger an Lichtsignalanlagen ausserhalb<br />

von Kreuzungen zu Schaden kamen. Offensichtlich garantieren


328 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Sicherheit vermutlich<br />

nur unter gewissen<br />

Bedingungen<br />

gegeben<br />

Menge der querenden<br />

Fussgänger<br />

beeinflusst vermutlich<br />

das Querungsrisiko<br />

also auch Fussgängerlichtsignalanlagen nicht – wie in der Öffentlichkeit<br />

oft angenommen – ausnahmslos eine absolute Sicherheit.<br />

Es ist zu vermuten, dass – analog zu den Fussgängerstreifen – die<br />

Sicherheit von baulichen und betrieblichen Einsatzkriterien abhängt. Die<br />

Literaturrecherche erwies sich in dieser Hinsicht als wenig ergiebig. In der<br />

Regel wurde untersucht, ob an bestehenden Querungen eine Fussgängerlichtsignalanlage<br />

die Sicherheit erhöht. Wie sich Änderungen infrastruktureller<br />

und betrieblicher Bedingungen auf die Sicherheit auswirken,<br />

war aus der gesichteten Literatur jedoch nicht zu eruieren. Die Schweizer<br />

Norm SN 640 838 befasst sich primär mit den Signalzeiten. Die Schweizer<br />

Norm SN 640 241 sowie Lindenmann, Riedel und Thoma (1987) zeigen<br />

anhand eines Diagramms, für welche Kombinationen von Verkehrsmengen<br />

des motorisierten Individualverkehrs und des <strong>Fussverkehr</strong>s eine<br />

Fussgängerlichtsignalanlage angezeigt ist. In beiden Publikationen bleibt<br />

jedoch unklar, ob sicherheitstechnische oder ökonomische Überlegungen<br />

zu dieser Aussage führten. Die Deutschen Richtlinien für Lichtsignalanlagen<br />

(Deutsche Forschungsgesellschaft für Strassen- und Verkehrswesen,<br />

1992) lassen diesbezüglich einen grossen Interpretationsspielraum offen.<br />

Einerseits wird festgelegt, Fussgängerlichtsignalanlagen seien an gefährlichen<br />

Örtlichkeiten vorzusehen, wo besonders schutzbedürftige Personen<br />

die Strasse regelmässig überqueren und keine andere Lösungsmöglichkeiten<br />

bestehen. Andererseits wird betont, dass die Anzahl der<br />

schutzbedürftigen Personen nicht relevant ist. Ein Zusammenhang zwischen<br />

der Anzahl der querenden Fussgänger und der Sicherheit wird<br />

nicht ausgewiesen.<br />

Plausibilitätsüberlegungen in Analogie zu den Fussgängerstreifen lassen<br />

jedoch vermuten, dass auch bei Fussgängerlichtsignalanlagen minimale<br />

Verkehrsmengen nötig sind, um die erwartete Sicherheit sicherzustellen.<br />

Einerseits sei erneut auf die erwähnten Untersuchungen hingewiesen<br />

(Ekman, 1996; Jacobsen, 2003; Wazana et al., 1997; Zegeer et al., 2005).<br />

Andererseits ist vorstellbar, dass sich Motorfahrzeuglenker an Anlagen<br />

gewöhnen, die wegen ihrer geringen Benützung durch Fussgänger fast<br />

immer „Grün“ zeigen. Ungewollt könnten deshalb Lenker ein Umschalten<br />

auf „Rot“ leicht versäumen. Eine analoge Überlegung gilt für Anlagen, die<br />

in der Grundstellung sowohl für den rollenden Verkehr als auch für die


Prävention – Strasseninfrastruktur 329<br />

Beeinflusst der<br />

Phasenablauf die<br />

Sicherheit?<br />

Problem „lange<br />

Wartezeit“<br />

Fussgänger „Rot“ zeigen. Solche Anlagen schalten für den sich zuerst<br />

anmeldenden Verkehrsteilnehmer (Fussgänger durch Knopfdruck, rollender<br />

Verkehr durch Überfahren einer im Belag eingefrästen Induktionsschlaufe)<br />

auf „Grün“. Die Gewöhnung an Anlagen, die jedes Mal auf<br />

„Grün“ umschalten, kann zu einer Anpassung der Annäherungsgeschwindigkeit<br />

führen, um genau dann „Grün“ zu erhalten, wenn der<br />

Haltebalken erreicht wird. Meldet sich jedoch einmal ein Fussgänger zuerst<br />

an, so bleibt die Anlage für Lenker auf „Rot“. Sie verfügen dadurch<br />

über keine Anhaltestrecke mehr, wogegen sich Fussgänger auf ihr „Grün“<br />

verlassen.<br />

Ob daraus hervorgeht, dass Fussgängerlichtsignalanlagen nicht beständig<br />

den gleichen Ablauf bzw. das gleiche Bild zeigen dürfen, wäre in einer<br />

umfassenden Forschungsarbeit nachzuweisen.<br />

An dieser Stelle soll auf drei weitere, häufig aufgeworfene Problemstellungen<br />

im Zusammenhang mit signalgesteuerten Querungen noch<br />

kurz eingegangen werden.<br />

1) Fussgänger empfinden an Fussgängerlichtsignalanlagen die Wartezeit<br />

vom Knopfdruck bis zur Grünphase oft als sehr lang. Nicht selten<br />

überqueren sie deshalb bei „Rot“. Dieser Sachverhalt veranlasste 1987<br />

Lindenmann, Riedel und Thoma, Möglichkeiten alternativer<br />

Betriebsformen bei Fussgängerlichtsignalanlagen zu untersuchen.<br />

Dabei wurde von einer Grundstellung „Gelbblinken für Fussgänger und<br />

den motorisierten Individualverkehr“ ausgegangen. Der Fussgänger<br />

hatte demnach zwei Optionen. Entweder überquerte er bei „Gelbblinken“<br />

oder er aktivierte mittels Knopfdruck die Lichtsignalanlage.<br />

Diese schaltete danach auf „Rot“ für den motorisierten Individualverkehr<br />

und „Grün“ für den Fussgänger. Für diesen Umschaltvorgang<br />

wurden zwei Untervarianten geprüft. Die Resultate waren ernüchternd.<br />

Die Zahl der Fahrzeuge, die bei „Rot“ die Lichtsignalanlage überfuhren,<br />

stieg bei der alternativen Betriebsform deutlich an. Dieses Fehlverhalten<br />

wurde bei beiden Untervarianten beobachtet. Die vorläufige<br />

Erkenntnis ist demnach, dass die Optimierung der Wartezeiten<br />

zwischen <strong>Fussverkehr</strong> und motorisiertem Individualverkehr mit<br />

konventionellen Phasenabläufen anzustreben ist.


330 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Problem „kurze<br />

Grünphase“<br />

Problem<br />

„Konfliktgrün“<br />

2) Zu Fuss wird an Fussgängerlichtsignalanlagen, aber auch an konventionellen<br />

lichtsignalanlagengesteuerten Kreuzungen die Grünphase oft<br />

als zu kurz empfunden. Die gesichtete Literatur zeigt jedoch keine<br />

Sicherheitsrelevanz dieser verständlicherweise als unangenehm<br />

empfundenen Konstellation. An dieser Stelle sei immerhin auf den zitierten<br />

Gesetzesartikel zu den Fussgängerlichtsignalanlagen verwiesen<br />

(s. S. 326). Die Gelbphase zeigt dem Fussgänger lediglich an, er<br />

solle die Strassenüberquerung nicht in Angriff nehmen. Für die Sicherheit<br />

ist hingegen relevant, dass eine in der letzten Grünsekunde begonnene<br />

Strassenüberquerung konfliktfrei verläuft. Die Dauer der<br />

Gelbphase für Fussgänger zuzüglich der Alles-Rot-Phase, also die<br />

Dauer der Rotphase für den motorisierten Individualverkehr, muss genügend<br />

gross sein. Notabene lässt sich dieselbe Problematik genauso<br />

bei lichtsignalgesteuerten Kreuzungen für den motorisierten Individualverkehr<br />

beobachten. Ein Lenker, der in der letzten Grünsekunde die<br />

Konfliktfläche einer Kreuzung befährt, wird diese ebenfalls bei „Gelb“<br />

befahren. Nur irritiert ihn dies nicht, weil in der Regel die gelb zeigende<br />

Ampel in seinem Rücken, also ausserhalb seines Gesichtsfeldes liegt.<br />

3) Schliesslich ist noch auf die oft aufgeworfene Problematik des Konfliktgrüns<br />

bei lichtsignalanlagengesteuerten Kreuzungen hinzuweisen.<br />

Damit wird diejenige Konstellation bezeichnet, bei der rechtsabbiegende<br />

Fahrzeuge und dort überquerende Fussgänger gleichzeitig<br />

„Grün“ erhalten. Eine zusätzliche, gelbblinkende Ampel warnt die Lenker<br />

vor dem möglichen Konflikt. Diese Lösung ist für Kreuzungen mit<br />

Kapazitätsproblemen vorgesehen. Sie birgt jedoch naturgemäss Konfliktpotenzial,<br />

weil der motorisierte Individualverkehr und die Fussgänger<br />

gleichzeitig dieselbe Verkehrsfläche benützen. Die Unfallauswertung<br />

zeigt, dass dieser Unfalltyp zwar sehr selten ist (total 61 Ereignisse<br />

zwischen 2000 und 2004). Hingegen ist die Unfallschwere als<br />

hoch einzustufen (43 leicht verletzte, 17 schwer verletzte und 1 getöteter<br />

Fussgänger im gleichen Zeitraum). Eine konfliktfreie Führung erhöht<br />

die Sicherheit erheblich. Zegeer (1982), zitiert nach Retting et al.<br />

(2003), konnte anhand der Analyse von 1297 Kreuzungen zeigen,<br />

dass eine konfliktfreie Führung die Unfallhäufigkeit um 50 % reduziert<br />

(kontrolliert für Anzahl Spuren, Lichtsignalanlagen-Typ, Signalzeiten,<br />

Höchstgeschwindigkeit, Verkehrsmengen und Exposition). Gårder


Prävention – Strasseninfrastruktur 331<br />

Trottoirüberfahrt:<br />

gesetzliche<br />

Bestimmungen<br />

Was ist<br />

strassenverkehrstechnisch<br />

eine<br />

Trottoirüberfahrt?<br />

(1984) weist in einer kleineren Untersuchung (3 Fälle) Reduktionen<br />

von Konflikten um 10 % bis 24 % nach. In diesem Zusammenhang<br />

untersuchte Van Houten, zitiert nach Retting et al. (2003), den Betrieb<br />

mit so genanntem Frühgrün. Diese Betriebsform ermöglicht zwar keine<br />

zeitliche Trennung von motorisiertem Individualverkehr und <strong>Fussverkehr</strong>.<br />

Hingegen wird die Grünphase für den <strong>Fussverkehr</strong> etwas früher<br />

eingeleitet. Das ermöglicht den Fussgängern, die Konfliktfläche zu<br />

räumen, bevor der motorisierte Individualverkehr „grün“ erhält. Die Resultate<br />

sind eindrucksvoll. Die Wahrscheinlichkeit eines Konflikts zwischen<br />

querenden Personen und motorisiertem Individualverkehr reduzierte<br />

sich um 95 %. Aus Sicherheitsgründen ist deshalb an lichtsignalanlagengesteuerten<br />

Kreuzungen grundsätzlich die konfliktfreie Regelung<br />

oder zumindest eine Reglung mit Frühgrün zu befürworten. Die<br />

Frage, ob im Einzelfall die Kapazität oder die Sicherheit massgebend<br />

sind, kann jedoch nicht Inhalt des vorliegenden Dossiers sein.<br />

Trottoirüberfahrt<br />

Die Bedeutung dieser Querungsform geht aus folgenden Artikeln des<br />

Schweizerischen Verkehrsrechts hervor:<br />

Wer ... über ein Trottoir auf eine Haupt- oder Nebenstrasse<br />

fährt, muss den Benützern dieser Strassen den Vortritt gewähren<br />

(Art. 15 Abs. 3 der Verkehrsregelnverordnung VRV).<br />

Muss mit einem Fahrzeug das Trottoir benützt werden, so ist der<br />

Führer gegenüber den Fussgängern ... zu besonderer Vorsicht<br />

verpflichtet; er hat ihnen den Vortritt zu lassen (Art. 41 Abs. 2<br />

der Verkehrsregelnverordnung VRV).<br />

In Artikel 15 Abs. 3 VRV ist dieses infrastrukturelle Element faktisch gesetzlich<br />

verankert. Artikel 41 Abs. 2 VRV regelt die Vortrittsverhältnisse<br />

und erlaubt dadurch dem <strong>Fussverkehr</strong>, eine einmündende Strasse vortrittsberechtigt<br />

zu queren.<br />

Eine Voraussetzung für das Funktionieren dieser Regel ist, dass Lenker<br />

anhand der Ausgestaltung der Trottoirüberfahrt (Abbildung 63) erkennen<br />

können, ob sie, von der Seitenstrasse her kommend, bei der Einmündung<br />

tatsächlich ein Trottoir überfahren. Eine genaue Definition, wie eine Trot-


332 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Abbildung 63:<br />

Trottoirüberfahrt<br />

Sicherheitsgewinn<br />

nicht zu beziffern<br />

Querung oder<br />

Längsverkehr?<br />

toirüberfahrt baulich auszugestalten ist, wurde bis anhin lediglich von<br />

Beiler (1994) formuliert. Die rechtliche Bedeutung dieser Publikation ist<br />

begrenzt. Trotzdem wird sie in der Praxis häufig angewendet. Sie umfasst<br />

im Wesentlichen die folgenden drei Kernpunkte:<br />

1. Der Trottoirrand der vortrittsberechtigten Strasse muss durchgezogen<br />

werden.<br />

2. Ein klar erkennbarer, baulicher Abschluss muss den Fahrbahnbereich<br />

gegenüber dem Trottoir markant beenden.<br />

3. Der Radius des Einmündungstrichters darf nicht gestalterisch auf der<br />

Trottoirfläche ersichtlich sein.<br />

Der Sicherheitsgewinn dieses infrastrukturellen Elementes konnte auf<br />

Grund der gesichteten Literatur nicht quantifiziert werden. In Fachkreisen<br />

überwiegt jedoch die Auffassung, dass die Errichtung einer solchen<br />

punktuellen Querung mit Vortritt an den hierfür geeigneten Örtlichkeiten<br />

sicherheitstechnisch sinnvoll ist. Sie ist aus diesem Grund auch in der<br />

Schweizer Norm SN 640 240 „Querungen für den Fussgänger- und<br />

leichten Zweiradverkehr – Grundlagen“ aufgenommen. Der VSS bekräftigt<br />

damit seine Absicht, in einer zukünftigen Norm die Details konkret festzulegen.<br />

Exkurs<br />

1<br />

3<br />

Die Frage, ob es sich bei Trottoirüberfahrten um Querungselemente oder<br />

um Elemente für den Fussgänger-Längsverkehr handelt, wird in Fachkrei-<br />

2


Prävention – Strasseninfrastruktur 333<br />

Rettungspotenzial<br />

berücksichtigt<br />

prinzipiell alle<br />

Querungen<br />

Tabelle 101:<br />

Präventionsmöglichkeit<br />

‚Punktuelle<br />

Querung auf einer<br />

Ebene mit Vortritt’<br />

Benutzung derselben<br />

Verkehrsfläche –<br />

Konflikte entstehen<br />

Unter- oder Überführung<br />

oft nicht<br />

möglich<br />

sen unterschiedlich beurteilt. Der VSS hat sich für die Auslegung „Querungselement“<br />

entschieden. Das wird damit begründet, dass sich an diesen<br />

Örtlichkeiten <strong>Fussverkehr</strong> und motorisierter Individualverkehr, der von<br />

einer Querstrasse (also einer öffentlichen Verkehrsfläche) kommt, kreuzen.<br />

Die Autoren schliessen sich deshalb dieser Auffassung an.<br />

Die generellen Unfallzahlen von jährlich rund 660 verunfallten Fussgängern<br />

beim Überqueren einer Strasse lassen keine Schlüsse auf die zu<br />

treffenden Präventionsmöglichkeiten zu. Deshalb kann daraus kein Rettungspotenzial<br />

berechnet werden. Prinzipiell ist bei jeder Örtlichkeit abzuklären,<br />

ob eine punktuelle Querung ohne Vortritt angezeigt ist.<br />

Präventionsmöglichkeit Rettungspotenzial<br />

Punktuelle Querung auf einer Ebene mit Vortritt<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

6.6 Punktuelle Querung auf einer Ebene ohne Vortritt<br />

6.6.1 Ausgangslage<br />

*****<br />

(Summe aus allen<br />

Querungstypen)<br />

Durch das Benutzen derselben Verkehrsfläche durch Fussgänger und<br />

motorisierten Individualverkehr entstehen zwangsläufig Konfliktstellen.<br />

Der rechtwinklige Verlauf von Fahrbahn und Querung verschärft die Lage,<br />

weil Fussgänger oft erst unmittelbar vor dem Überqueren ins Blickfeld der<br />

Fahrzeuglenker gelangen. Die konfliktfreie Führung auf zwei Ebenen ist<br />

nur ausnahmsweise möglich, weil die finanziellen Ressourcen sowie<br />

Platzverhältnisse und Topografie oft keine Lösung für Personen mit eingeschränkter<br />

Mobilität zulassen. Zudem zeigt die Praxis immer wieder<br />

sehr deutlich, wie umwegempfindlich der <strong>Fussverkehr</strong> ist.<br />

Meistens teilen sich deshalb Fussgänger und motorisierter Individualverkehr<br />

in Querungsbereichen dieselbe Verkehrsfläche. Das führt zwangsläufig<br />

zu den in Kap. VII.5.3 Querungen (S. 200) beschriebenen Problemen und<br />

Risiken. Ziel muss es deshalb sein, diese Örtlichkeiten mittels adäquaten<br />

infrastrukturellen Elementen für Fussgänger möglichst risikoarm zu gestalten.<br />

Dies gilt sowohl für die verkehrstechnischen Basiselemente zur


334 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Punktuelle Querung<br />

ohne Vortritt als<br />

mögliche Lösung<br />

Beschränkte<br />

infrastrukturelle<br />

Lösungen<br />

Auch ohne Vortritt<br />

muss die Sicherheit<br />

der Querung<br />

gewährleistet sein<br />

Fussgängerschutzinsel<br />

ohne<br />

Fussgängerstreifen<br />

als Möglichkeit<br />

Abwicklung des <strong>Fussverkehr</strong>s als auch für die verkehrstechnischen Elemente<br />

zur Gewährleistung der Sicherheit des <strong>Fussverkehr</strong>s (s. Kap.<br />

VII.5.2 Fehlende Netzplanung, S. 198).<br />

<strong>Fussverkehr</strong>sbeziehungen können linienförmig oder flächig sein (s. Kap.<br />

VII.5.1 Einleitung: Netzgedanken, S. 196), was auch beim Überqueren<br />

von Fahrbahnen gilt. Die Art der Randbebauung und/oder die Fussgängerführung<br />

neben dem Strassenraum beeinflussen, ob eine Beziehung<br />

linienförmig ist und somit der <strong>Fussverkehr</strong> gebündelt werden kann. Für<br />

gebündelte <strong>Fussverkehr</strong>sströme ist eine so genannte punktuelle Querung<br />

angezeigt. Unter welchen Bedingungen eine „punktuelle Querung ohne<br />

Vortritt“ angezeigt ist, ergibt sich aus dem systematischen Vorgehen in<br />

der Schweizer Norm SN 640 240 „Querungen für den Fussgänger- und<br />

leichten Zweiradverkehr – Grundlagen“.<br />

6.6.2 Präventionsmöglichkeiten<br />

Die Präventionsmöglichkeiten für eine punktuelle Querung ohne Vortritt<br />

sind beschränkt. Diese Querungsform ist jedoch zu Recht in der Schweizer<br />

Norm SN 640 240 „Querungen für den Fussgänger- und leichten<br />

Zweiradverkehr – Grundlagen“ aufgenommen. Der VSS bekräftigt damit<br />

seine Absicht, eine entsprechende Forschungsarbeit durchzuführen und<br />

in einer zukünftigen Norm mögliche infrastrukturelle Elemente und Details<br />

dazu festzulegen. Im Folgenden sind deshalb die derzeitig üblichen infrastrukturellen<br />

Präventionsmöglichkeiten aufgezeigt.<br />

Zentral ist die Einsicht, dass auch bei Querungen ohne Vortritt Sicherheitsvorkehrungen<br />

für ein risikoarmes Überqueren der Strasse zwingend<br />

sind. Dies in Analogie zu Situationen, wo der motorisierte Individualverkehr<br />

eine übergeordnete Strasse vortrittsbelastet quert (z. B. Gewährleisten<br />

von optimalen Sichtverhältnissen).<br />

Fussgängerschutzinsel<br />

Der positive Einfluss von Fussgängerschutzinseln auf die Sicherheit der<br />

querenden Fussgänger ist aus übereinstimmenden Studien bekannt. (vgl<br />

Kap. VIII.6.5.2, S. 313). Es ist aus Plausibilitätsgründen davon auszuge-


Prävention – Strasseninfrastruktur 335<br />

Abbildung 64:<br />

Querung ohne Vortritt,<br />

gesichert mit<br />

Fussgängerschutzinsel<br />

Verdeutlichung der<br />

bestmöglichen<br />

Querungsstelle als<br />

Minimalvariante<br />

hen, dass diese Erkenntnis auch für Fussgänger-Schuztinseln gilt, bei<br />

denen der Vortritt nicht zugunsten des <strong>Fussverkehr</strong>s geregelt ist, wo also<br />

keine Fussgängerstreifen markiert sind (Abbildung 64). Problematisch ist<br />

bei diesem infrastrukturellen Element die Ungewissheit seitens des <strong>Fussverkehr</strong>s,<br />

dass es sich hierbei um eine sicherheitstechnische Vorkehrung<br />

für das Überqueren der Strasse handelt. Wie letztlich solche Querungen<br />

genau auszugestalten sind, ist zurzeit noch offen. Forschungsbedarf ist<br />

auch für diese Belange vorhanden. Die entsprechend geplante Schweizer<br />

Norm sieht vor, diese Lücken aufzuarbeiten.<br />

Kennzeichnung der bestmöglichen Querungsstelle<br />

Als absolute Minimalvariante sind Lösungsansätze zu bezeichnen, die<br />

darauf abzielen, dem <strong>Fussverkehr</strong> die bestmögliche Querungsstelle durch<br />

das Markieren von auffälligen Mustern zu verdeutlichen (z. B. Farbtupfer<br />

oder Füsschen am Strassenrand; vgl. Abbildung 65). Üblicherweise handelt<br />

es sich um den Ort mit den besten Sichtbedingungen. Die Wirkung<br />

solcher Vorkehrungen ist zwar nicht nachgewiesen. Für Fälle, wo eine<br />

punktuelle Querung ohne Vortritt angebracht ist und keine infrastrukturellen<br />

Elemente möglich sind, ist diese Lösung immerhin leicht besser als<br />

eine Null-Lösung.


336 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Abbildung 65:<br />

Minimal-Lösung –<br />

Kennzeichnung einer<br />

optimalen<br />

Querungsstelle<br />

Rettungspotenzial<br />

berücksichtigt<br />

prinzipiell alle<br />

Querungen<br />

Tabelle 102:<br />

Präventionsmöglichkeit<br />

‚Querung auf<br />

einer Ebene ohne<br />

Vortritt’<br />

Benutzung derselben<br />

Verkehrsfläche –<br />

Konflikte entstehen<br />

Die generellen Unfallzahlen von jährlich rund 660 verunfallten Fussgängern<br />

(innerorts und ausserorts) beim Überqueren einer Strasse lassen<br />

keine Schlüsse auf die zu treffenden Präventionsmöglichkeiten zu. Deshalb<br />

kann daraus kein Rettungspotenzial berechnet werden. Prinzipiell ist<br />

bei jeder Örtlichkeit abzuklären, ob eine punktuelle Querung ohne Vortritt<br />

angezeigt ist.<br />

Präventionsmöglichkeit Rettungspotenzial<br />

Querung auf einer Ebene ohne Vortritt<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

6.7 Flächige Querung<br />

6.7.1 Ausgangslage<br />

*****<br />

(Summe aus allen<br />

Querungstypen)<br />

Zentral ist auch für diesen Fall die Erkenntnis, dass das Überqueren von<br />

Strassen der mit Abstand grösste Risikofaktor für Fussgänger ist. Beide<br />

Verkehrsteilnehmer benutzen dieselbe Verkehrsfläche, was zwangsläufig<br />

Konfliktstellen erzeugt. Fahrbahn und Querung verlaufen rechtwinklig,<br />

was die Situation verschärft, da die Fussgänger oft erst unmittelbar vor<br />

dem Überqueren ins Blickfeld der Fahrzeug-Lenker gelangen.


Prävention – Strasseninfrastruktur 337<br />

Unter- oder Überführung<br />

oft nicht<br />

möglich<br />

Flächige Querung als<br />

mögliche Lösung<br />

Voraussetzungen für<br />

die Realisierung einer<br />

flächigen Querung<br />

Wie bereits aufgezeigt, ist eine konfliktfreie Führung, welche Kollisionen zwischen<br />

diesen beiden Verkehrsteilnehmern vollständig ausschliesst, meistens<br />

nicht möglich. Mangelnde finanzielle Ressourcen sowie Platzverhältnisse<br />

und Topografie, die keine Lösung für Personen mit eingeschränkter<br />

Mobilität zulassen, sind die häufigsten Gründe. Zudem zeigt es<br />

sich immer wieder in aller Deutlichkeit, dass der <strong>Fussverkehr</strong> sehr umwegempfindlich<br />

ist. Zu Fuss ist man kaum bereit, Höhendifferenzen zu<br />

bewältigen, um wieder auf das Ausgangsniveau zurückzugelangen. Genauso<br />

ist zu Fuss die Bereitschaft gering, auch nur geringe Umwege in<br />

Kauf zu nehmen, um eine Strasse zu überqueren.<br />

Die Art der Randbebauung führt nicht selten zum Bedürfnis, die Strasse<br />

auf einem ganzen Abschnitt zu überqueren. Es ergibt sich gewissermassen<br />

ein ganzer Bereich, auf dem engmaschig gequert wird und letztlich eine<br />

Bündelung der Querungen auf Grund der oben genannten Ursachen verunmöglicht.<br />

Das systematische Vorgehen in der Schweizer Norm SN 640<br />

240 „Querungen für den Fussgänger- und leichten Zweiradverkehr –<br />

Grundlagen“ weist aus, wann in solchen Fällen der so genannte Querungstyp<br />

„flächige Querung“ angezeigt ist.<br />

6.7.2 Präventionsmöglichkeiten<br />

Flächigen Querungen unterscheiden sich prinzipiell auf Grund ihres Betriebs<br />

mit und ohne Vortritt. Infrastrukturelle Elemente für flächige Querungen<br />

sind insbesondere dann vorzusehen, wenn eine minimale Querungsnachfrage<br />

besteht oder so genannte Zeitlückenquerungen stattfinden<br />

(<strong>Fussverkehr</strong> bewegt sich, um Wartezeit zu sparen, in Zielrichtung<br />

weiter und quert bei ausreichender Zeitlücke). Die Beschaffenheit der<br />

Randbebauung beeinflusst die Lage und Ausdehnung der flächigen Querung.<br />

Flächige Querungen sind in der Regel nur innerorts geeignet. Eine<br />

geringe bis mittlere Verkehrsmenge des motorisierten Individualverkehrs,<br />

genügende Sichtverhältnisse, ein niedriges Geschwindigkeitsniveau und<br />

die Verfügbarkeit der notwendigen Verkehrsfläche sind weitere Voraussetzungen<br />

für die Realisierung von flächigen Querungen.


338 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Begegnungszone als<br />

flächige Querung mit<br />

Vortritt<br />

Begegnungszone<br />

dort, wo<br />

Begegnungen<br />

stattfinden<br />

Mit Vortritt – Die Begegnungszone<br />

Die einzige Möglichkeit, Fussgängern den Vortritt gegenüber dem motorisierten<br />

Individualverkehr flächig zu gewähren – also auch beim Überqueren<br />

– ist die Signalisation einer Begegnungszone. Die rechtlichen Voraussetzungen<br />

für die Einführung einer Begegnungszone sind in der Verordnung<br />

über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen des Eidgenössischen<br />

Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation<br />

UVEK vom 28. September 2001 aufgeführt. In einem Gutachten sind<br />

unter anderem Ziele, verkehrsplanerische Grundlagen, vorhandenes Geschwindigkeitsniveau<br />

und Massnahmen zur Behebung von Sicherheitsdefiziten<br />

auszuweisen. Im Weiteren sind verkehrsrechtliche und gestalterische<br />

Massnahmen für den Strassenraum vorgeschrieben.<br />

Für die Praxis lässt sich daraus folgern, dass Begegnungszonen nur dort<br />

einzuführen sind, wo auch Begegnungen stattfinden. Sie sind nur auf Nebenstrassen<br />

innerorts mit möglichst gleichartigem Charakter zulässig.<br />

Durch adäquate Gestaltung ist sicherzustellen, dass Lenker Begegnungszonen<br />

als solche erkennen können. Übergänge in die Begegnungszonen<br />

müssen gut erkennbar sein und sind durch gestalterische Kontraste hervorzuheben.<br />

Als infrastrukturelle Elemente eignen sich in erster Linie Einengungen,<br />

Belagswechsel oder senkrechte Elemente wie z. B. Stelen<br />

(vgl. Abbildungen 66 und 67). An Kreuzungen gilt der Rechtsvortritt und<br />

da in Begegnungszonen flächig mit Vortritt gequert werden kann, sind<br />

Fussgängerstreifen nicht angezeigt.


Prävention – Strasseninfrastruktur 339<br />

Abbildung 66:<br />

Übergangsbereich zu<br />

einer Begegnungszone<br />

Abbildung 67:<br />

Infrastrukturelemente<br />

innerhalb einer<br />

Begegnungszone<br />

Gestalterische<br />

Lösung als flächige<br />

Querung ohne Vortritt<br />

Ohne Vortritt auf verkehrsorientierten Strassen – gestalterische<br />

Lösungen<br />

Bei ausgewiesener Nachfrage für ein flächiges Überqueren einer verkehrsorientierten<br />

Strasse ist abzuwägen, ob es verkehrstechnisch sinnvoller<br />

ist, den Vortritt dem motorisierten Individualverkehr oder flächig<br />

dem <strong>Fussverkehr</strong> einzuräumen. Auf Ortsdurchfahrten bzw. verkehrsorientierten<br />

Strassen fällt der Entscheid in der Regel zu Gunsten des motorisierten<br />

Individualverkehrs. Dies verpflichtet den Planer jedoch umso<br />

mehr, Infrastrukturelemente für ein sicheres flächiges Überqueren der


340 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Belagswechsel als<br />

mögliche Variante<br />

Abbildung 68:<br />

Gestaltung mittels<br />

Belagswechsel<br />

Verkehrsstreifen in<br />

Fahrbahnmitte als<br />

mögliche Variante<br />

Strasse vorzusehen. Auf diesen Strassen ist die Komplexität des Überquerens<br />

auf Grund der grossen Menge des motorisierten Individualverkehrs<br />

und des vorhandenen Geschwindigkeitsniveaus hoch (s. Kap. VII.5.3<br />

Querungen, S. 200).<br />

Bei ausgewiesener Nachfrage einer flächigen Querung sind zwei grundlegende<br />

Ansätze für die Projektierung von infrastrukturellen Elementen<br />

angezeigt:<br />

1. Gestaltung des Strassenraums mittels Belagwechsel. Mit solchen, als<br />

weich einzustufenden Vorkehrungen wird eine Senkung der gefahrenen<br />

Geschwindigkeiten und damit verbunden die Erhöhung der Aufmerksamkeit<br />

der Lenker des motorisierten Individualverkehrs beabsichtigt<br />

(Abbildung 68). Um ein flächiges Überqueren der Fahrbahn<br />

rechtlich zu ermöglichen, wurde in der Schweiz in einigen Fällen auf<br />

die Markierung von Fussgängerstreifen verzichtet. Ghielmetti, Hebenstreit<br />

und Jöri (2006) konnten Hinweise finden, dass mit dieser Lösung<br />

die Verkehrssicherheit zumindest nicht beeinträchtigt wird.<br />

2. Reduktion der Komplexität beim Überqueren. Die Anordnung eines so<br />

genannten Verkehrsstreifens in Fahrbahnmitte teilt die Fahrbahn faktisch<br />

in zwei separate Spuren auf. Dieses Infrastrukturelement entspricht<br />

in seiner Grundfunktion letztlich einer gestreckten Fussgängerschutzinsel.<br />

Diese Vorkehrung ermöglicht den Fussgängern, die<br />

Strasse auf der ganzen Länge des Verkehrsstreifens in Fahrbahnmitte<br />

in zwei Etappen zu überqueren. Überdies kann der rollende Verkehr


Prävention – Strasseninfrastruktur 341<br />

Abbildung 69:<br />

Verkehrsstreifen in<br />

Fahrbahnmitte –<br />

unüberfahrbar<br />

solche Verkehrsstreifen – je nach deren Ausgestaltung – auch als Abbiegehilfe<br />

benützen. Die Sicherheit der querenden Fussgänger wird in<br />

solchen Fällen mittels geeigneten Elementen sichergestellt.<br />

Die Grundsätze zur Gestaltung von Verkehrsstreifen in Fahrbahnmitte<br />

sind in der VSS-Norm SN 640 212 enthalten (s. auch Kap. 6.3 Ge-<br />

schwindigkeitsregime innerorts, S. 300). Prinzipiell wird zwischen unüberfahrbaren<br />

(harte bauliche Trennung der Fahrtrichtungen, Öffnungen<br />

für das Überqueren, Abbildung 69), teilweise überfahrbaren (weiche<br />

bauliche Trennung der Fahrbahnen, vertikale Elemente in regelmässigen<br />

Abständen, Abbildung 70) und vollständig überfahrbaren (weiche<br />

bauliche Trennung der Fahrbahnen, Abbildung 71) Verkehrsflächen in<br />

Fahrbahnmitte unterschieden. Die Wahl des Typs hängt in erster Linie<br />

vom Bedarf an Linksabbiegebeziehungen ab. Aus Plausibilitätsgründen<br />

ist davon auszugehen, dass eine grössere Befahrbarkeit der<br />

Verkehrsflächen in Fahrbahnmitte zu Lasten der Sicherheit der Querung<br />

geht. Es konnten keine Untersuchungen zur Wirkung von Verkehrsstreifen<br />

in Fahrbahnmitte gefunden werden. In Analogie zu den<br />

Fussgängerschutzinseln ist jedoch von einer Unfallreduktion von mindestens<br />

50 % auszugehen (Thompson et al., 1990; Garder, 1989,<br />

zitiert nach Retting et al., 2003; s. auch Kap. 6.5 Punktuelle Querung<br />

auf einer Ebene mit Vortritt, S. 312).


342 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Abbildung 70:<br />

Verkehrsstreifen in<br />

Fahrbahnmitte –<br />

teilweise überfahrbar<br />

Abbildung 71:<br />

Verkehrsstreifen in<br />

Fahrbahnmitte –<br />

vollständig<br />

überfahrbar<br />

Rettungspotenzial<br />

berücksichtigt<br />

prinzipiell alle<br />

Querungen<br />

Ohne Vortritt auf siedlungsorientierten Strassen – Die Tempo-30-Zone<br />

Zu den Grundsätzen bei der Einführung von Tempo-30-Zonen s. die Ausführungen<br />

zum bfu-Modell Tempo 30/50 innerorts (s. Kap. 6.3 Geschwin-<br />

digkeitsregime innerorts, S. 300).<br />

Die generellen Unfallzahlen von jährlich rund 620 innerorts beim Überqueren<br />

einer Strasse verunfallten Fussgängern lassen keine Schlüsse auf<br />

die zu treffenden Präventionsmöglichkeiten zu. Deshalb lässt sich daraus<br />

kein Rettungspotenzial berechnen. Prinzipiell ist bei jeder Örtlichkeit abzuklären,<br />

ob eine flächige Querung angezeigt ist.


Prävention – Strasseninfrastruktur 343<br />

Tabelle 103:<br />

Präventionsmöglichkeit<br />

‚Flächige<br />

Querung’<br />

Gehen entlang von<br />

Strassen<br />

unangenehm, aber<br />

ungefährlich<br />

Kein Überraschungseffekt<br />

Infrastrukturelle<br />

Elemente trotzdem<br />

angezeigt<br />

Kontraproduktive<br />

Wirkung minimieren<br />

Präventionsmöglichkeit Rettungspotenzial<br />

Flächige Querung<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

6.8 Abschnitte entlang von Strassen innerorts<br />

6.8.1 Ausgangslage<br />

*****<br />

(Summe aus allen<br />

Querungstypen)<br />

Das Gehen entlang von Strassen wird oft als sehr unangenehm und gefährlich<br />

empfunden. Die Analyse des <strong>Unfallgeschehen</strong>s zeigt jedoch, dass<br />

Abschnitte entlang von Strassen innerorts im Vergleich zu den Querungen<br />

einen wesentlich geringeren Risikofaktor darstellen.<br />

Das ist im Wesentlichen damit zu erklären, dass Fahrzeuglenker Personen,<br />

die entlang einer Strasse gehen, besser und früher wahrnehmen<br />

können. Der Überraschungseffekt des plötzlichen seitlichen Betretens der<br />

Fahrbahn, wie er beim Überqueren vorkommt, entfällt. Somit sind die<br />

Fahrzeuglenker prinzipiell in der Lage, ihr Verhalten rechtzeitig anzupassen.<br />

Trotzdem ist es unter gewissen Bedingungen angezeigt, infrastrukturelle<br />

Elemente zur sicheren Führung des <strong>Fussverkehr</strong>s entlang von Strassen<br />

vorzusehen. Insbesondere ist das bei hohem Verkehrsaufkommen, bei<br />

erhöhtem Geschwindigkeitsniveau oder bei niedrigrer subjektiver Sicherheit<br />

der Fall. In der Regel sind diese Bedingungen auf verkehrsorientierten<br />

Strassen gegeben.<br />

Dabei wird das nahe liegende und vordergründig bestechende Prinzip der<br />

physischen Trennung von <strong>Fussverkehr</strong> und motorisiertem Individualverkehr<br />

verfolgt. Damit wird eine Minimierung der Konfliktstellen angestrebt.<br />

Dieser Überlegung muss entgegengehalten werden, dass sich je<br />

nach Ausgestaltung und Trennungsgrad solche Anlagen ungünstig auf<br />

das Geschwindigkeitsniveau des motorisierten Individualverkehrs auswirken<br />

können.


344 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Verkehrsorientierte<br />

Strassen: Trottoir<br />

Gesetzliche<br />

Rahmenbedingungen<br />

Grosse präventive<br />

Wirkung – geringes<br />

Nutzen/Kosten-<br />

Verhältnis<br />

Vermeiden von<br />

beschleunigenden<br />

Wirkungen<br />

6.8.2 Präventionsmöglichkeiten<br />

Verkehrsorientierte Strassen – Trottoir<br />

Auf verkehrsorienterten Strassen, wo das Verkehrsaufkommen hoch ist<br />

und die Geschwindigkeiten im Bereich der generellen Höchstgeschwindigkeit<br />

liegen, ist die Realisierung von – genügend breiten – Trottoirs grundsätzlich<br />

angezeigt.<br />

Erstaunlicherweise findet sich weder in den Gesetzen und Verordnungen<br />

noch in den Schweizer Normen eine Definition des Trottoirs. Gemeinhin<br />

wird jedoch darunter eine Verkehrsfläche verstanden, die entlang einer<br />

Strasse führt und dem Fussgänger vorbehalten ist. Sie ist mittels erhöhtem<br />

Randstein baulich gegenüber der Fahrbahn separiert. Gleichwohl<br />

wird sowohl im Gesetz als auch in den Schweizer Normen immer wieder<br />

auf das Trottoir verwiesen. So ist gemäss Art. 43 Abs. 2 der Signalisationsverordnung<br />

SSV das Trottoir den Fussgängern vorbehalten oder<br />

gemäss Art. 41 Abs. 1bis der Verkehrsregelverordnung VRV das Parkieren<br />

auf Trottoirs untersagt. Zudem verpflichtet das Strassenverkehrsgesetz<br />

SVG in Art. 49 Abs. 1 den Fussgänger, das Trottoir – falls vorhanden<br />

– zu benützen.<br />

Die Wirkung von Trottoirs und Fusswegen ist erwartungsgemäss hoch.<br />

Elvik und Vaa (2004) beziffern die Reduktion der Personenschadenunfälle<br />

mit rund 35 %, wobei das Rettungspotenzial sehr gering ist. Zudem sind<br />

die Fussgängerunfälle in Längsrichtung dispers verteilt, was einen flächendeckenden<br />

Bau von Trottoirs erfordern würde. Das wiederum hat ein<br />

recht ungünstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis zur Folge.<br />

Die Erfahrung zeigt, dass eine monotone Gestaltung des Trottoirs (konstante<br />

Breite, einheitliche Färbung, profilierte Randsteine – vgl. Abbildung 72)<br />

eine beschleunigende Wirkung auf den motorisierten Individualverkehr<br />

ausüben kann (Lindenmann, Frey & Schwob, 1987). Dieser unerwünschte<br />

Effekt lässt sich mildern, indem eine so genannte räumliche Verzahnung<br />

von Vorplätzen, Liegenschaftszugängen, angrenzenden Bauten, Einfriedigungen<br />

etc. mit dem Gehbereich des <strong>Fussverkehr</strong>s angestrebt wird (Lindenmann,<br />

Frey & Schwob, 1987; Schweizer Norm SN 640 212) (vgl.<br />

Abbildung 73).


Prävention – Strasseninfrastruktur 345<br />

Abbildung 72:<br />

Monoton gestaltetes<br />

Trottoir –<br />

beschleunigende<br />

Wirkung<br />

Abbildung 73:<br />

Verzahnung des<br />

Trottoirs mit den<br />

angrenzenden<br />

Flächen<br />

Längsstreifen für<br />

Fussgänger nur als<br />

Provisorium<br />

Abbildung 74:<br />

Notlösung:<br />

Längsstreifen für<br />

Fussgänger<br />

In diesem Zusammenhang gilt es festzuhalten, dass Längsstreifen für<br />

Fussgänger nur eine geringe Schutzwirkung bieten, weil diese Vorkehrung<br />

im Gegensatz zum Trottoir keinen Randstein aufweist. Sie ist deshalb<br />

nur in Ausnahmefällen angezeigt (als Provisorium oder bei kurzen,<br />

fehlenden Verbindungen). Leitpfosten, die in regelmässigen Abständen<br />

angeordnet sind, gewährleisten teilweise den von Fussgängern erwarteten<br />

Schutz (Abbildung 74).


346 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Siedlungsorientierte<br />

Strassen: alternative<br />

Lösungen<br />

Abbildung 75:<br />

Fussgängerschutz<br />

entlang einer<br />

siedlungsorientierten<br />

Strasse<br />

Rettungspotenzial<br />

gering<br />

Siedlungsorienterte Strassen – Fahrbahnabgrenzung mit Absperrelementen<br />

Auf siedlungsorientierten Strassen, wo das Verkehrsaufkommen niedrig<br />

ist und die Geschwindigkeiten tiefer liegen als auf verkehrsorienterten<br />

Strassen, ist eine bauliche Separierung in der Regel nicht angezeigt. Zu<br />

Fuss sollen sich Personen überall auf der Strasse bewegen können. Ein<br />

niedriges Geschwindigkeitsniveau kann (s. Kap. 6.3 Geschwindigkeitsregime<br />

innerorts, S. 300) dieses Verhalten ermöglichen. Müssen ausnahmsweise<br />

Fussgänger vom Verkehr separiert geführt werden, so sind Lösungen anzustreben,<br />

die nicht beschleunigend auf den motorisierten Individualverkehr<br />

wirken. Eine mögliche Variante ist in Abbildung 75 aufgezeigt. Diese<br />

auch in der Schweizer Norm SN 640 212 vorgesehene Lösung weist verschiedene<br />

Vorteile auf. Durch die Reduktion der Fahrbahnbreite auf eine<br />

Spur für den motorisierten Individualverkehr bleibt genügend Platz, um<br />

Fussgänger beidseitig und optimal zu schützen. Zusätzlich wird bei den<br />

privaten Ausfahrten die Sicht verbessert und es entsteht ein verkehrsberuhigender<br />

Effekt. Selbst die Querungen werden wesentlich vereinfacht,<br />

indem Fussgänger faktisch überall nur eine Spur queren müssen.<br />

Die generellen Unfallzahlen von jährlich 40 verunfallten Personen, die innerorts<br />

entlang von Strassen gingen, lassen keine Schlüsse auf die zu<br />

treffenden Präventionsmöglichkeiten zu. Deshalb lässt sich daraus kein<br />

infrastrukturspezifisches Rettungspotenzial berechnen. Prinzipiell ist bei<br />

jeder Strasse abzuklären, ob und welche Präventionsmöglichkeit für den<br />

Fussgänger-Längsverkehr angezeigt ist.


Prävention – Strasseninfrastruktur 347<br />

Tabelle 104:<br />

Präventionsmöglichkeit<br />

‚Abschnitte<br />

entlang von Strassen<br />

innerorts’<br />

Hohe<br />

Geschwindigkeiten<br />

ausserorts<br />

Niedriges<br />

Rettungspotenzial<br />

Wichtige<br />

Beziehungen<br />

beachten<br />

Je nach Bedingungen<br />

sind verschiedene<br />

Lösungen möglich<br />

Präventionsmöglichkeit Rettungspotenzial<br />

Abschnitte entlang von Strassen innerorts **<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

6.9 Abschnitte entlang von Strassen ausserorts<br />

6.9.1 Ausgangslage<br />

Ausserorts ist das Geschwindigkeitsniveau des motorisierten Individualverkehrs<br />

bedeutend höher als innerorts. Deshalb wird dort das Gehen<br />

entlang von Strassen als noch unangenehmer und gefährlicher als innerorts<br />

empfunden.<br />

Die Analyse des <strong>Unfallgeschehen</strong>s zeigt jedoch, dass auch ausserorts die<br />

Unfallrelevanz sehr gering ist. Das ist jedoch nicht nur damit zu erklären,<br />

dass Fahrzeuglenker Personen, die entlang einer Strasse gehen, besser<br />

und früher wahrnehmen können (s. Kap. VIII.6.8.1 Abschnitte entlang von<br />

Strassen innerorts, S. 343). Die erheblich geringere Exposition trägt<br />

ebenso zu dieser Bilanz bei.<br />

Daher können ausserorts bei wichtigen <strong>Fussverkehr</strong>sverbindungen entlang<br />

von Strassen (Schulwege, Wanderwege, usw.) Infrastrukturelemente<br />

zum Schutz der Personen, die zu Fuss unterwegs sind, trotzdem erforderlich<br />

sein. Da ausserorts das Geschwindigkeitsniveau hoch ist, ist der Ansatz<br />

der physischen Trennung angezeigt.<br />

6.9.2 Präventionsmöglichkeiten<br />

Die Wahl des zu verwendenden infrastrukturellen Elements hängt von<br />

verschiedenen Faktoren ab. Die Bedeutung des betroffenen <strong>Fussverkehr</strong>sstroms,<br />

die vorhandenen Platzverhältnissen oder die Frage, ob <strong>Fussverkehr</strong><br />

und leichter Zweiradverkehr getrennt oder gemeinsam zu führen<br />

sind, sind zu analysieren. Die drei wichtigsten Präventionsmöglichkeiten<br />

sind die Folgenden:


348 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Ausserorts ist die<br />

bauliche Trennung<br />

bei Trottoirs<br />

erforderlich<br />

Abbildung 76:<br />

Trottoir ausserorts<br />

Fusswege oder<br />

kombinierte Rad- und<br />

Fusswege<br />

Trottoir<br />

Definition, Ausgestaltung und gesetzliche Grundlagen beruhen auf denselben<br />

Grundsätzen wie Trottoirs im Innerortsbereich (s. Kap. VIII.6.8.1<br />

Abschnitte entlang von Strassen innerorts, S. 343). Trottoirs sind Verkehrsflächen,<br />

die entlang einer Strasse führen und dem Fussgänger vorbehalten<br />

sind. Speziell ausserorts sind eine bauliche Separierung mittels<br />

erhöhtem Randstein gegenüber der Fahrbahn sowie eine genügende<br />

Breite unerlässlich. Hingegen ist die Gestaltung im Ausserortsbereich<br />

zweitrangig, sodass hier Trottoirs einförmig asphaltiert werden (Abbildung 76)<br />

können. In gewissen Fällen kann die zuständige Signalisationsbehörde<br />

das Befahren von Trottoirs durch den leichten Zweiradverkehr zulassen<br />

(vgl. dazu Walter et al., 2005).<br />

Zu Wirkung und Effizienz s. Kap. VIII.6.8.1 Abschnitte entlang von Stras-<br />

sen innerorts, S. 343.<br />

Fussweg<br />

Fusswege sind Verkehrsflächen, die für den <strong>Fussverkehr</strong> bestimmt und<br />

von der Fahrbahn baulich abgetrennt sind. Sie werden meistens entlang<br />

von Strassen geführt, oft mittels Grünstreifen abgetrennt und in der Regel<br />

asphaltiert (Abbildung 77). Gemäss Signalisationsverordnung SSV verpflichtet<br />

das Signal „Fussweg“ (Abbildung 78) die Fussgänger, den für sie<br />

gekennzeichneten Weg zu benützen. Bei Bedarf kann auch der leichte<br />

Zweiradverkehr auf diesen separaten Verkehrsflächen geführt werden,


Prävention – Strasseninfrastruktur 349<br />

Abbildung 77:<br />

Fussweg ausserorts<br />

Abbildung 78:<br />

Signal „Fussweg“<br />

Trampelpfade als<br />

zweckmässige<br />

Notlösungen<br />

falls die nötigen verkehrstechnischen Bedingungen erfüllt sind. Der Fussweg<br />

wird in diesen Fällen zum kombinierten Rad- und Fussweg gemäss<br />

Signalisationsverordnung SSV und muss entsprechend signalisiert sein<br />

(vgl. dazu auch Walter et al., 2005). Zu Wirkung und Effizienz s. Kap.<br />

VIII.6.8.1 Abschnitte entlang von Strassen innerorts, S. 343.<br />

„Trampelpfad“<br />

„Trampelpfade“ sind Wege für Fussgänger entlang von Strassen, die auf<br />

einfachste Weise hergerichtet sind (vgl. Abbildung 79). Sie sind als<br />

zweckgerechte Notlösungen zu betrachten. Bei mangelnden Ressourcen<br />

oder Platzverhältnissen können sie anstelle von Trottoirs oder Fusswegen<br />

zur Anwendung gelangen. Sie sind in der Regel mit einem Grünstreifen<br />

von der Fahrbahn abgetrennt und nicht asphaltiert. Sie sind nicht signalisiert.<br />

Zu Wirkung und Effizienz s. Kap. VIII.6.8.1 Abschnitte entlang von<br />

Strassen innerorts, S. 343.


350 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Abbildung 79:<br />

Trampelpfad<br />

Rettungspotenzial<br />

gering<br />

Tabelle 105:<br />

Präventionsmöglichkeit<br />

‚Abschnitte<br />

entlang von Strassen<br />

ausserorts’<br />

Kenntnisstand zu<br />

Thema Infrastruktur<br />

für den <strong>Fussverkehr</strong><br />

gut<br />

Die generellen Unfallzahlen von jährlich 20 verunfallten Personen, die<br />

ausserorts entlang von Strassen gehen, lassen keine Schlüsse auf die zu<br />

treffenden Präventionsmöglichkeiten zu. Deshalb kann daraus kein spezifisches<br />

Rettungspotenzial für jede Präventionsmöglichkeit berechnet werden.<br />

Präventionsmöglichkeit Rettungspotenzial<br />

Abschnitte entlang von Strassen ausserorts *<br />

* sehr gering / ***** sehr gross<br />

6.10 Umsetzung<br />

6.10.1 Einleitung<br />

Der Kenntnisstand zum Thema „Infrastruktur für den <strong>Fussverkehr</strong> “ ist gut.<br />

Viele wichtige Aspekte sind in Gesetzen, Normen und Richtlinien festgehalten.<br />

Es mangelt vielmehr an der korrekten Umsetzung bzw. an der<br />

Umsetzung überhaupt. Massnahmen zur Behebung dieses Mangels, also<br />

Fördermassnahmen, sind gefordert.<br />

Dabei werden folgende Ziele angestrebt:<br />

• Konsequente Umsetzung sowie Überprüfung und Optimierung der geltenden<br />

Gesetze, Normen und Erkenntnisse


Prävention – Strasseninfrastruktur 351<br />

Sensibilisierung zum<br />

Thema <strong>Fussverkehr</strong><br />

und Sicherheit in<br />

Erstausbildung<br />

Koordinierte/<br />

obligatorische<br />

Weiterbildung<br />

• Umsetzen von Infrastrukturelementen zur Förderung der Sicherheit<br />

von Personen, die zu Fuss unterwegs sind<br />

• Vermeiden von inadäquaten Infrastrukturelementen (z. B. falsche Anwendung<br />

oder Ausgestaltung von Infrastrukturelementen)<br />

6.10.2 Fördermassnahmen<br />

a) Ausbildung der Ingenieure und Planer<br />

In der Praxis zeigt sich wiederholt, dass die Kenntnisse und/oder die Sensibilisierung<br />

zum Thema „<strong>Fussverkehr</strong>“ bei Ingenieuren und Planern zu<br />

wenig vorhanden sind. Das führt zu folgendem Fehlverhalten bei Planungsabläufen:<br />

• Fehlende Netzplanung<br />

• Falsche Auslegung von Normen resp. Normteilen<br />

• Nichtanwendung von Norm bzw. Normteilen oder keine Durchsetzung<br />

infolge lokaler Rahmenbedingungen<br />

• Nichtbeachten von (noch nicht in den Normen enthaltenen) Erkenntnissen<br />

bezüglich Sicherheit für Fussgänger<br />

Erstausbildung: Während der Erstausbildung an Hochschulen und Fachhochschulen<br />

ist bereits eine Sensibilisierung sowohl für das Thema der<br />

Verkehrssicherheit als auch für das Thema <strong>Fussverkehr</strong> gesamtschweizerisch<br />

zu gewährleisten. Insbesondere ist sicherzustellen, dass den Studierenden<br />

nebst dem Grundwissen zu diesem Thema spezifisch die entsprechenden<br />

Normen, Gesetze und Forschungsergebnisse vermittelt<br />

werden.<br />

Fort-/Weiterbildung: Viele Berufsstände sehen eine obligatorische Weiterbildung<br />

vor (Piloten, Fachpsychologen, Lehrkräfte usw.). Analog dazu<br />

ist eine obligatorische Weiterbildung für Verkehrsingenieure und -planer<br />

wünschenswert. Kongresse und Tagungen zu Verkehrsicherheitsthemen<br />

werden in der Schweiz schon heute regelmässig organisiert, vor allem<br />

von Berufsverbänden und Fachstellen.<br />

Kurzfristig kann die Unterstützung der Organisation solcher Tagungen/<br />

Kongresse empfohlen werden.


352 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Safety Audit zur<br />

Vermeidung von<br />

Projektierungsfehlern<br />

Road Safety<br />

Inspection<br />

insbesondere für<br />

Querungen angezeigt<br />

Mittelfristig ist zu überprüfen, wie das gesamte Angebot an Tagungen/<br />

Kongressen koordiniert und mit einer allfälligen obligatorischen Weiter-/<br />

Fortbildung abgestimmt werden kann.<br />

b) Instrumente zur systematischen flächendeckenden Sicherheits-Überprüfung<br />

geplanter und bestehender Infrastruktur<br />

Road Safety Audit<br />

Ein Road Safety Audit ist ein standardisiertes Verfahren zur Prüfung von<br />

Projekten (Neubau, Umbau, Sanierung) in den verschiedenen Planungsphasen.<br />

Durch eine unabhängige Sicherheitsverträglichkeitsprüfung können<br />

potenzielle Verkehrssicherheitsprobleme bereits während der Planungsphase<br />

vermieden werden. In einigen Ländern gehört dieses Verfahren<br />

heute schon zum üblichen Ablauf bei Neuprojekten.<br />

Nach den zur Verfügung stehenden Unterlagen sind Anwendungen aus<br />

Australien, Grossbritannien, Dänemark, Deutschland, Schweden, Norwegen<br />

und der Tschechischen Republik bekannt. Untersuchungen zur Wirksamkeit<br />

liegen u. a. für Dänemark vor und belegen einen Kosten- Nutzen-<br />

Faktor von 1.5.<br />

Safety Audits sind auch in der Schweiz einzuführen. Es ist dafür zu sorgen,<br />

dass der Aspekt der Sicherheit des <strong>Fussverkehr</strong>s in den auszuarbeitenden<br />

Abläufen zum festen und gleichgestellten Bestandteil wird. Das<br />

wird mit Vorteil dadurch bewerkstelligt, dass der Einsitz von Fachleuten<br />

aus den Bereichen „<strong>Fussverkehr</strong>“ und „Sicherheit“ in den zuständigen Arbeitsgruppen<br />

gewährleistet wird.<br />

Road Safety Inspection<br />

Die Road Safety Inspection ist ein standardisiertes Verfahren zur Überprüfung<br />

von bestehenden Anlagen im Sinne einer Betriebssicherheitsprüfung.<br />

Im Gegensatz zum Road Safety Audit, bei dem Neu- und Umbauprojekte<br />

geprüft werden, basiert die Road Safety Inspection auf der<br />

Idee einer periodischen Kontrolle der bestehenden Infrastruktur durch die<br />

zuständigen Behörden.


Prävention – Strasseninfrastruktur 353<br />

Black Spot<br />

Management für die<br />

<strong>Fussverkehr</strong>sproblematik<br />

nicht<br />

angezeigt<br />

Rechtliche Bedeutung<br />

der VSS-Normen<br />

erhöhen<br />

In einigen Ländern gehört dieses Verfahren bereits heute zum üblichen<br />

Ablauf bei bestehenden Anlagen, insbesondere in Deutschland. Auf<br />

Grund der Analyse der Risikofaktoren (defizitäre Infrastruktur für den querenden<br />

<strong>Fussverkehr</strong>) ist eine Road Safety Inspection für Querungen<br />

empfehlenswert. Dazu ist eine Standardisierung und Institutionalisierung<br />

über alle Tiefbauämter und Signalisationsbehörden erforderlich.<br />

Black Spot Management<br />

Black Spot Management bezweckt die systematische Unfallanalyse der<br />

Verkehrsnetze. Ergeben sich daraus Örtlichkeiten mit aussergewöhnlich<br />

vielen Unfällen (Unfallhäufungsstellen), so sind diese prioritär – unter Anwendung<br />

von adäquaten Verfahren – zu sanieren. Unfälle mit Fussgängern<br />

sind dispers über das gesamte Verkehrsnetz verteilt, sodass Black<br />

Spot Management für diese spezielle Problematik ungeeignet ist.<br />

c) Aufwertung der Normen<br />

Die Normen des VSS (Schweizerischer Verband der Strassen- und Verkehrsfachleute)<br />

stellen den aktuellen Wissensstand dar und entsprechen<br />

somit den Regeln der Baukunde. Sie sind nicht unmittelbar bindend, werden<br />

jedoch in Schadensfällen, also im Nachhinein, als Grundlage beigezogen.<br />

Einige wenige dieser Normen gelten als Weisung des UVEK im Sinne<br />

von Art. 115 Abs. 1 SSV und erhalten dadurch ein grösseres Gewicht. In<br />

der Praxis zeigt sich, dass diese im Planungs- und Projektierungsprozess<br />

einfacher durchzusetzen sind.<br />

Idealerweise müssten somit die VSS-Normen in den Stand einer Weisung<br />

erhoben werden. Dem ist entgegenzusetzen, dass die Akzeptanz dieser<br />

Forderung gering sein dürfte. Ausserdem würde dadurch die Flexibilität<br />

verloren gehen, eine Norm an neue Erkenntnisse anzupassen. Eine Lösung<br />

könnte darin bestehen, sicherzustellen, dass alle kantonalen und<br />

kommunalen Baugesetze die Forderung enthalten, die Infrastruktur<br />

müsse dem aktuellen Stand der Technik entsprechen.<br />

Zur Zeit (2005/2006) ist der VSS daran, die Sicherheitsrelevanz jeder einzelnen<br />

VSS-Norm festzulegen und sie danach zu bewerten. Es ist des-


354 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Vervollständigung der<br />

Normen mit Bezug<br />

zum <strong>Fussverkehr</strong><br />

Schwergewicht auf<br />

Normpaket<br />

„Querungen“<br />

Rechtliche Mittel<br />

vorhanden – in der<br />

Praxis nicht<br />

anwendbar<br />

halb sicherzustellen, dass Normen, welche die Sicherheit des <strong>Fussverkehr</strong>s<br />

betreffen, gebührend berücksichtigt werden.<br />

In diesem Zusammenhang ist zu überprüfen, ob es möglich ist, wenigstens<br />

die mit hoher Sicherheitsrelevanz bewerteten Normen als Weisung<br />

zu deklarieren, falls der Ansatz, alle Normen als Weisung zu erklären,<br />

sich als nicht realisierbar herausstellen sollte. Dabei gilt es zu berücksichtigen,<br />

dass sich eine solche Regelung hemmend auf eine rasche Aktualisierung<br />

des Normenwerks auswirken kann. Zudem zeigt die Erfahrung,<br />

dass einer rechtlichen Verankerung der VSS-Normen oft mit viel Skepsis<br />

begegnet wird.<br />

d) Vervollständigung geplanter VSS-Normen mit Bezug zum <strong>Fussverkehr</strong><br />

– insbesondere das Normpaket „Querungen“<br />

Der <strong>Fussverkehr</strong> als Gesamtes beginnt erst seit einigen Jahren in den<br />

Normen des VSS Fuss zu fassen. Die erste entsprechende Norm wurde<br />

2003 publiziert. Es versteht sich von selbst, dass im Jahre 2006 die Normen,<br />

die den <strong>Fussverkehr</strong> betreffen, noch nicht vollständig sein können.<br />

Die geplante Vervollständigung des Normenpakets für den <strong>Fussverkehr</strong> ist<br />

sicherzustellen. Basierend auf den Risikofaktoren muss das Normenpaket<br />

„Querungen für den Fussgänger- und leichten Zweiradverkehr“ mit Priorität<br />

behandelt werden.<br />

e) Rechtliche Möglichkeiten zur Einforderung und Umsetzung adäquater<br />

Infrastruktur<br />

Grundsätzlich besagt Artikel 58 des Obligationenrechts, dass der Eigentümer<br />

eines Gebäudes oder eines andern Werkes den Schaden zu ersetzen<br />

hat, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder<br />

von mangelhafter Unterhaltung verursachen. Das Gemeinwesen als Eigentümer<br />

von Strassen könnte demnach theoretisch eingeklagt werden,<br />

wenn der obengenannte Sachverhalt zutrifft. In der Praxis findet dieser<br />

Artikel im Zusammenhang mit Strassenverkehrsinfrastruktur selten bis<br />

kaum Anwendung. Die damit verbundenen Hürden, insbesondere die finanziellen<br />

Risiken, sind zu gross. In der Regel finden sich auch keine finanzkräftigen<br />

Interessengemeinschaften, die bereit wären, eine Person<br />

durch einen solchen Prozess zu begleiten.


Prävention – Strasseninfrastruktur 355<br />

Sensibilisierung der<br />

Bevölkerung für die<br />

Sicherheits-Belange<br />

des <strong>Fussverkehr</strong>s<br />

Im Weiteren legt der Bund in Artikel 4 des Bundesgesetzes über Fussund<br />

Wanderwege FWG45 fest, dass die Kantone dafür sorgen müssen,<br />

einerseits bestehende und vorgesehene Fuss- und Wanderwegnetze in<br />

Plänen festzuhalten und andererseits die Pläne periodisch zu überprüfen<br />

und nötigenfalls anzupassen.<br />

Der Bund ist demnach gefordert, dafür zu sorgen, dass der Inhalt dieses<br />

Artikels vollständig umgesetzt wird. Dazu kann er die geforderten Netzplanungen<br />

und deren Aktualisierungen einfordern. Nötigenfalls ist die<br />

Bundesaufsicht wahrzunehmen.<br />

Der Bund könnte auch die konkrete Umsetzung von infrastrukturellen<br />

Massnahmen für den <strong>Fussverkehr</strong> vermehrt unterstützen. Die bestehenden<br />

Wegleitungen und Arbeitshilfen können erweitert werden (Festlegen<br />

von Minimalstandards). Dazu kann auch die finanzielle Unterstützung von<br />

Vorhaben gefördert werden, indem bei infrastrukturellen <strong>Fussverkehr</strong>s-<br />

Projekten der Nutzen für den Agglomerationsverkehr stärker berücksichtigt<br />

wird und somit der Zugang zum Infrastrukturfonds ermöglicht wird.<br />

f) Öffentlichkeitsarbeit<br />

Ziel der Öffentlichkeitsarbeit ist es, die Bevölkerung für die Bedeutung der<br />

Infrastruktur für die Sicherheit der Personen, die zu Fuss unterwegs sind,<br />

zu sensibilisieren. Dies ist deshalb wichtig, weil der Planungs- und Realisierungsprozess<br />

von Strasseninfrastruktur immer auch einen politischen<br />

(finanzpolitischen) Aspekt hat. Es besteht somit die Gefahr, dass als unwichtig<br />

erachtete Infrastrukturelemente den Sparbemühungen zum Opfer<br />

fallen, insbesondere wenn sie nicht für obligatorisch erklärt werden können.<br />

Beispiele dafür sind:<br />

• Alle Infrastrukturelemente, die in VSS-Normen vorgesehen sind und<br />

eine grosse Sicherheitsrelevanz aufweisen, jedoch als unnötig erachtet<br />

werden (typisch Beispiel: Mittelinsel)<br />

• bfu-Modell Tempo 30/50<br />

45 Bundesgesetz vom 4. Oktober 1985 über Fuss- und Wanderwege (FWG), SR 704


356 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Der Zusammenhang<br />

zwischen Infrastruktur<br />

und Sicherheit sollen<br />

in der breiten<br />

Öffentlichkeit bekannt<br />

gemacht werden<br />

Zusammenarbeit und<br />

Kontakt mit den<br />

Behörden ist wichtig<br />

Öffentlichkeitsarbeit muss in erster Linie von anerkannten Fachstellen<br />

(Experten) ausgehen. Zielpublikum sind dabei einerseits die zuständigen<br />

Behörden und andererseits die breite Öffentlichkeit. Informationsblätter<br />

sowie Tagungen oder Schulungen für Entscheidungsträger sind als Massnahmen<br />

denkbar.<br />

Entsprechende Fachstellen sollen einer breiten Öffentlichkeit sicherheitsrelevante<br />

Infrastrukturelemente sowie Möglichkeiten zur deren Einforderung<br />

(z. B. Tempo-30-Zonen) bekannt machen. Als Verbreitungskanäle<br />

eignen sich in erster Linie:<br />

• Artikel in Publikumszeitschriften<br />

• Artikel in Zeitschriften von Fachverbänden / Interessengemeinschaften<br />

• Medienauftritte<br />

• Beiträge auf den Homepages der entsprechenden Fachstellen<br />

g) In Verwaltung und Politik die Bedeutung der Infrastruktur für die Verkehrssicherheit<br />

aufwerten<br />

Behörden und Bevölkerung sind für die Aspekte der Fussgängersicherheit<br />

zu sensibilisieren.<br />

Mit den zuständigen Behörden ist eine enge Zusammenarbeit und regelmässiger<br />

Kontakt seitens der Fachstellen zu pflegen. Dabei gilt es, die Behörden<br />

für die Bedeutung der Infrastruktur für die Sicherheit der Personen,<br />

die zu Fuss unterwegs sind, zu sensibilisieren. Im Vordergrund stehen<br />

dabei folgende Aktivitäten:<br />

• Fachtechnische Beratungen zu sicherheitsrelevanten Themen<br />

• Fachtechnische Unterstützung von Projekten<br />

• Regelmässige Veranstaltung von Kolloquien / Weiterbildungskursen /<br />

Foren<br />

• Publikationen in Fachzeitschriften


Prävention – Strasseninfrastruktur 357<br />

Tabelle 106:<br />

Massnahmen zur<br />

Förderung der<br />

Umsetzung<br />

sicherheitsfördernder<br />

Infrastruktur und<br />

Beurteilung<br />

Massnahmen Beurteilung<br />

Ausbildung der Ingenieure und Planer<br />

Erstausbildung: Sensibilisierung bzgl.<br />

Verkehrssicherheit sowie Vermittlung fachspezifischen<br />

Grundwissens<br />

Weiter-/Fortbildung: Organisation und Koordination von<br />

fachspezifischen Tagungen sowie Weiterbildungs-<br />

Obligatorium<br />

Sowohl in der Erstausbildung als auch in der Weiter-/<br />

Fortbildung sind schwerpunktmässig folgende Themen<br />

zu behandeln:<br />

• Grundsätze zur Sicherheit des <strong>Fussverkehr</strong>s (inkl.<br />

Aspekte der falschen Sicherheit)<br />

• Umfassende Netzplanung<br />

• <strong>Fussverkehr</strong>sfreundliche Querungen<br />

• Spezialthemen (Tempo 30/50-Modell,<br />

fussgängerfreundlicher Strassenunterhalt)<br />

• Technische und gesetzliche Grundlagen in ihrer<br />

Gesamtheit<br />

Instrumente zur Sicherheitsüberprüfung<br />

Road Safety Audits als standardmässige Projektphase<br />

einführen<br />

Sehr empfehlenswert<br />

Sehr empfehlenswert<br />

Road Safety Inspections bei Querungen durchführen Sehr empfehlenswert<br />

Black Spot Management<br />

Normen<br />

Rechtliche Bedeutung der VSS-Normen erhöhen, indem<br />

sie zu Weisungen des UVEK erklärt werden oder in den<br />

Baugesetzen zum Stand der Technik erklärt werden<br />

Unterstützung der aktuellen Bestrebungen, die VSS-<br />

Normen mit Bezug zum <strong>Fussverkehr</strong> zu<br />

vervollständigen (insbesondere das Normpaket<br />

„Querungen“<br />

Rechtliche Möglichkeiten<br />

Klage gegen Betreiber defizitärer Infrastruktur bei<br />

Unfällen<br />

Einforderung der (aktualisierten) Netzplanungen seitens<br />

des Bundes<br />

Finanzielle Unterstützung bei infrastrukturellen<br />

Projekten für den <strong>Fussverkehr</strong> (Infrastruktur-Fonds)<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Sensibilisierung der Öffentlichkeit für den Nutzen von<br />

sicherheitsfördernden Infrastruktur-Massnahmen<br />

Nicht empfehlenswert<br />

(Unfälle dispers<br />

verteilt)<br />

Bedingt<br />

empfehlenswert<br />

(Akzeptanz gering,<br />

Verlangsamen von<br />

Veränderungen)<br />

Sehr empfehlenswert<br />

Bedingt<br />

empfehlenswert<br />

(Hürden und finanzielle<br />

Risiken zu hoch)<br />

Empfehlenswert<br />

Sehr empfehlenswert<br />

Bedingt<br />

empfehlenswert<br />

(da ungünstiges<br />

Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis)


358 Prävention – Strasseninfrastruktur<br />

Senkung der<br />

Kollisionswahrscheinlichkeit<br />

durch adäquate<br />

Infrastruktur<br />

– Fortsetzung Tabelle 108 –<br />

Bedeutung der Infrastruktur aufwerten<br />

Enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden.<br />

Durchführen von fachtechnischen Beratungen /<br />

Kolloquien / Weiterbildungskursen / Foren<br />

6.11 Zusammenfassung und Fazit<br />

Empfehlenswert<br />

Da alle schwer verletzten oder getöteten Fussgänger bei Kollisionen mit<br />

motorisierten Fahrzeugen zu Schaden kommen, müssen Infrastruktur und<br />

Verkehrsabläufe so gestaltet werden, dass die Kollisionswahrscheinlichkeit<br />

zwischen <strong>Fussverkehr</strong> und motorisiertem Individualverkehr drastisch<br />

gesenkt wird. Die Einführung eines vom Autoverkehr komplett getrennten<br />

Fusswegnetzes ist aus praktischen und finanziellen Gründen unrealistisch.<br />

Notwendig und für ein sicheres Zu-Fuss-unterwegs-Sein unabdingbar<br />

ist hingegen eine Netzplanung für den <strong>Fussverkehr</strong>. Dort, wo infrastrukturelle<br />

Interventionen für den <strong>Fussverkehr</strong> geplant und umgesetzt<br />

werden, müssen diese unbedingt den sicherheitstechnischen Aspekten<br />

der VSS-Normen oder den aktuellen Erkenntnissen zur Sicherheit von<br />

<strong>Fussverkehr</strong>s-Anlagen entsprechen. Ansonsten besteht nicht nur die Gefahr,<br />

dass die erhoffte Sicherheitssteigerung ausbleibt, sondern dass das<br />

Unfall- und Verletzungsrisiko sogar steigen könnte. Neben fussgängerspezifischen<br />

Infrastrukturelementen stellt auch das Modell Tempo 50/30<br />

eine zentrale Sicherheitsmassnahme dar. Dieses Modell propagiert, die<br />

Maximalgeschwindigkeit in Wohnquartieren bei 30 km/h und auf verkehrsorientierten<br />

Strassen bei 50 km/h anzusetzen.


Prävention – Zusammenfassung Prävention 359<br />

Bei allen<br />

Systemelementen<br />

besteht<br />

Handlungsbedarf<br />

7. Zusammenfassung Prävention<br />

Nach der Diskussion der Unfallrelevanz diverser Risikofaktoren in Kapitel VII,<br />

wurde in Kapitel VIII nach Lösungen gesucht, um diese Risikofaktoren zu<br />

reduzieren.<br />

In einem ersten Schritt wurden dabei – im Sinne eines Sollzustandes –<br />

Ziele festgelegt: Was muss sich bei der Infrastruktur, bei den Fahrzeugen<br />

und bei den Verkehrsteilnehmenden ändern, damit die Sicherheit des<br />

<strong>Fussverkehr</strong>s erhöht werden kann? Diese als Präventionsmöglichkeiten<br />

definierten Ziele wurden nach ihrem Rettungspotenzial bewertet. Letzteres<br />

hängt von der beeinflussbaren Anzahl Unfälle oder Verletzungen<br />

(Wirkungsbereich) ab. Folgende Präventionsmöglichkeiten weisen ein<br />

grosses bis sehr grosses Potenzial auf:<br />

Infrastruktur:<br />

• Netzplanung unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des <strong>Fussverkehr</strong>s,<br />

mit dem Ziel eines lückenlosen Fusswegnetzes und der Identifikation<br />

potenzieller Konfliktstellen<br />

• Für den <strong>Fussverkehr</strong> adäquate Geschwindigkeitsregimes innerorts<br />

(Tempo 30 auf siedlungsorientierten Strassen, Tempo 50 auf verkehrsorientierten<br />

Strassen mit sicheren Querungsmöglichkeiten)<br />

• Adäquate und korrekt ausgeführte fussgängerspezifische Infrastrukturelemente<br />

beim punktuellen Queren auf einer Ebene mit Fussgänger-<br />

Vortritt und ohne Fussgänger-Vortritt sowie beim flächigen Queren.<br />

Best-Practice-Empfehlungen hierzu finden sich in den Kapiteln VIII.6.5<br />

(S. 312), VIII.6.6 (S. 333) und VIII.6.7 (S. 336).<br />

Motorfahrzeuglenkende:<br />

• Einhaltung der Anhaltepflicht am Fussgängerstreifen sicherstellen<br />

• Situationsangemessene Fahrgeschwindigkeiten sicherstellen<br />

• Erhöhung des Gefahrenbewusstseins und der Selbstkontrolle<br />

• Verhinderung von Unaufmerksamkeit und Ablenkung<br />

• Unvorsichtiges Rückwärtsfahren verhindern


360 Prävention – Zusammenfassung Prävention<br />

Einzelne Präventionsmöglichkeiten<br />

weisen<br />

ein geringes Potenzial<br />

auf<br />

Weniger Unfälle dank<br />

besserer Infrastruktur<br />

und tieferen<br />

Geschwindigkeiten …<br />

Motorfahrzeuge:<br />

� Sicherheitsoptimierte Frontkonstruktionen (Formoptimierung, Steifigkeitsreduktion,<br />

aktive Motorhaube, Aussenairbags)<br />

� Fahrerassistenzsysteme (insbesondere Bremsassistent, elektronische<br />

Objekterfassungssysteme mit integrierter Notbremsfunktion, Rückfahrsensoren<br />

sowie Lenkerüberwachungssysteme (insbesondere zur Entdeckung<br />

visueller Ablenkung)<br />

Fussgänger und Fussgängerinnen:<br />

� Förderung von verkehrsrelevantem Wissen, sicherheitsbewussten Einstellungen<br />

und adäquatem Gefahrenbewusstsein bei Kindern (Rettungspotenzial<br />

schwer abschätzbar, gilt aber als notwendige Sockelmassnahme)<br />

Andere Präventionsmöglichkeiten weisen demgegenüber ein geringes<br />

Rettungspotenzial auf. Für den <strong>Fussverkehr</strong> wenig ergiebig dürften beispielsweise<br />

die Verbesserung der Regelkenntnisse oder des Gefahrenbewusstseins<br />

bei Jugendlichen, Erwachsenen oder älteren Menschen<br />

sein, die über den heutigen Stand hinausgehende Förderung der Betriebssicherheit<br />

der Motorfahrzeuge oder die Fokussierung auf das Vermeiden<br />

von Fahrten in übermüdetem Zustand. Solche Möglichkeiten mit<br />

einem geringen Potenzial sollten nur dann gefördert werden, wenn sie<br />

ohne Schwierigkeiten und mit geringem finanziellem Aufwand realisiert<br />

werden können.<br />

Im Anschluss wurde geprüft, wie diese Präventionsmöglichkeiten oder -ziele<br />

umgesetzt werden können. Konkrete Förderungsmassnahmen wurden<br />

hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit überprüft, wobei die soziale und politische<br />

Akzeptanz, die technische Machbarkeit sowie die Kosten-Nutzen-Relation<br />

berücksichtigt wurden.<br />

Das Resultat ist eine breit gefächerte Zusammenstellung von Handlungsmöglichkeiten,<br />

die im Folgenden nach den drei Phasen primäre, sekundäre<br />

und tertiäre Prävention dargestellt werden:<br />

Primäre Prävention (Verhinderung von Unfällen): Infrastruktur und<br />

Abläufe im Strassenverkehr sind so zu gestalten, dass die Kollisionswahr-


Prävention – Zusammenfassung Prävention 361<br />

… dank moderner<br />

Technologien im<br />

Fahrzeug …<br />

… aber auch dank<br />

vorsichtigem Querungsverhalten<br />

und<br />

defensivem Fahrstil<br />

scheinlichkeit zwischen Fussgängern und Motorfahrzeugen (MFZ) drastisch<br />

gesenkt wird. Die Einführung eines vom Autoverkehr komplett getrennten<br />

Fusswegnetzes ist aus praktischen und finanziellen Gründen unrealistisch.<br />

Deshalb ist eine Netzplanung von zentraler Bedeutung, mit dem Ziel, ein<br />

lückenloses <strong>Fussverkehr</strong>snetz zu erstellen und potentielle Konfliktstellen<br />

zu erkennen. Bei der Projektierung der spezifischen Infrastrukturelemente<br />

müssen unbedingt die sicherheitstechnischen Aspekte der VSS-Normen<br />

oder die aktuellen Erkenntnisse zur Sicherheit von <strong>Fussverkehr</strong>s-Anlagen<br />

einfliessen. Sonst besteht nicht nur die Gefahr, dass die erhoffte Sicherheitssteigerung<br />

ausbleibt, sondern dass das Unfall- und Verletzungsrisiko<br />

sogar steigen könnte. Neben fussgängerspezifischen Infrastrukturelementen<br />

stellt eine Maximalgeschwindigkeit von 30 km/h in Wohnquartieren<br />

eine zentrale Sicherheitsmassnahme dar.<br />

Die Umsetzung verkehrssicherheitsverträglicher Infrastrukturlösungen<br />

kann primär durch die Ausbildung und Sensibilisierung von Ingenieuren<br />

und Planern, der Durchführung von Safety Audits sowie der Vervollständigung<br />

und Umsetzung von VSS-Normen gefördert werden.<br />

Auch bei den Fahrzeugen kann angesetzt werden, um die Unfallwahrscheinlichkeit<br />

zu reduzieren. Wichtig sind bereits heute erhältliche Technologien<br />

wie z. B. Rückfahrsensoren und Bremsassistenten. Darüber hinaus<br />

sind die primärpräventiven Möglichkeiten bei den MFZ gegenwärtig<br />

eher gering. Künftig werden jedoch hochwirksame Technologien zur Kollisionsvermeidung<br />

zur Verfügung stehen, die auf einer elektronischen Objekterfassung<br />

mittels Radar- oder Infrarotsensoren beruhen.<br />

Um die Technologien zum fahrzeugseitigen Fussgängerschutz zu implementieren,<br />

bedarf es der internationalen Zusammenarbeit (z. B. Einsitz in<br />

den Arbeitsgruppen der UN/ECE). Alleingänge der Schweiz als Nicht-EU-<br />

Miglied, als Land ohne eigene Automobilindustrie und mit verhältnismässig<br />

kleinem Absatzmarkt sowie aufgrund des Übereinkommens über<br />

technische Handelshemmnisse sind nur eingeschränkt möglich.<br />

Doch auch die Verkehrsteilnehmenden und zwar sowohl die Fussgänger<br />

und Fussgängerinnen selbst als auch die MFZ-Lenkenden als potenzielle<br />

Kollisionsgegner können zur Sicherheit des <strong>Fussverkehr</strong>s einen bedeu-


362 Prävention – Zusammenfassung Prävention<br />

Weniger schwere<br />

Verletzungen dank<br />

tieferen<br />

Geschwindigkeiten<br />

und optimierter<br />

Fahrzeuggestaltung<br />

Schnellere<br />

medizinische Hilfe =<br />

weniger schwerer<br />

Verletzungsverlauf<br />

tenden Beitrag leisten. Generell muss durch eine Kombination von edukativen<br />

und repressiven Massnahmen ein sicherheitsorientiertes und<br />

partnerschaftliches Fahrverhalten gefördert werden. Dabei müssen bei<br />

den Fussgängern insbesondere sichere Verhaltensweisen beim Queren<br />

(mit und ohne Vortritt) gefördert werden und bei den MFZ-Lenkenden die<br />

Einhaltung der Anhaltepflicht an Fussgängerstreifen und eine situationsangepasste<br />

Geschwindigkeitswahl sichergestellt werden.<br />

Edukative Bemühungen bei Kindern sollten in Form einer kontinuierlichen,<br />

professionelle Verkehrserziehung stattfinden. Das ist notwendig, aber<br />

nicht hinreichend, denn Kinder werden auch durch Verkehrserziehung nie<br />

zu verlässlichen Verkehrspartnern werden. Die Verkehrserziehung der<br />

Motorfahrzeuglenkenden (z. B. im Rahmen der Fahrausbildung oder<br />

durch massenmediale Kampagnen) hat vermutlich eine grössere unfallreduzierende<br />

Wirkung – vor allem in Kombination mit Polizeikontrollen.<br />

Sekundäre Prävention (Verhinderung von Verletzungen): Da Unfallereignisse<br />

nie ganz ausgeschlossen werden können, muss durch Massnahmen<br />

sichergestellt werden, dass im Ereignisfall die Verletzungen<br />

möglichst gering sind. Auch hier leistet ein wirksames Geschwindigkeitsmanagement<br />

einen wichtigen Beitrag. Da Fussgänger keine schützende<br />

Knautschzone haben, müssen vor allem sicherheitsoptimierte Fahrzeugfronten<br />

gefördert werden. Die PW-Fronten müssen so gestaltet sein, dass<br />

sie Energie besser absorbieren können. In der Schweiz können zumindest<br />

die Konsumenten dahingehend informiert werden, dass sie beim<br />

Erwerb eines Fahrzeugs neben dem Insassen- auch den Partnerschutz<br />

berücksichtigen.<br />

Tertiäre Prävention (Verhinderung von Spätfolgen): Da der Schwerpunkt<br />

in der vorliegenden Arbeit bewusst auf die erste und zweite Präventionsphase<br />

gelegt wurde, sind tertiärpräventive Massnahmen nur am<br />

Rande thematisiert. Eine wichtige Massnahme liegt darin, die Zeitdauer<br />

zwischen Unfallereignis und Eintreffen der Rettungskräfte zu verkürzen.<br />

Das gelingt durch Einrichtungen zur automatischen oder manuellen Auslösung<br />

und Übertragung eines Notrufs (inklusive der Standortkoordinaten)<br />

zu den zuständigen Rettungskräften.


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IX. VERZEICHNISSE<br />

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Zürich: Bundesamt für Energie BEW.<br />

Wazana, A., Krueger, P., Raina, P. & Chambers, L. (1997). A review of<br />

risk factors for child pedestrian injuries: Are they modifiable? Injury<br />

Prevention, 3, 295–304.<br />

Weibrecht, C. (2005). Anfänger sollten nüchtern bleiben. Fahrschule, 9,<br />

1–4.<br />

Weishaupt, H. & Neumann-Opitz, N. (2006). Verkehrserziehung: Ein<br />

Thema an weiterführenden Schulen? Zeitschrift für Verkehrssicherheit,<br />

4, 182–189.<br />

Weller, G. & Schlag, B. (2004). Verhaltensadaptation nach Einführung von<br />

Fahrerassistenzsystemen: Vorstellung eines Modells und Ergebnisse<br />

einer Expertenbefragung. In B. Schlag. (Hrsg.), Verkehrspsychologie.<br />

Mobilität - Sicherheit – Fahrerassistenz (S. 351–370). Berlin: Pabst<br />

Science.<br />

Wilhelm, H. (2000). Sehvermögen und Fahrtauglichkeit. In Bundesanstalt<br />

für Strassenwesen BASt (Hrsg.), Sicher fahren in Europa (Heft M 121,<br />

S. 57–59). Bergisch-Gladbach: Bundesanstalt für Strassenwesen<br />

BASt.<br />

Zegeer, C. V., Stewart, J. R., Huang, H. H., Lagerway, P. A., Feaganes, J.<br />

& Campbell, B. J. (2005). Safety effects of marked versus unmarked<br />

crosswalks at uncontrolled locations: Final report and recommended<br />

guidelines. McLean (VA): Federal Highway Administration.<br />

Zellmer, H. & Schmid, M. (1995). Gefährdung durch Frontschutzbügel an<br />

Geländefahrzeugen (Heft F 12). Bergisch Gladbach: Bundesanstalt für<br />

Strassenwesen BASt.


376 Literaturverzeichnis<br />

Zimmer, A. C. (2002). Assistenz: Wann, wie und für wen? Zeitschrift für<br />

Verkehrssicherheit, 48(1), 15–26.<br />

Zink, P. (1987). Alkohol am Steuer: Regel oder Ausnahme? Referat<br />

gehalten am Fortbildungskurs des Schweizerischen Polizei-Instituts,<br />

Neuenburg.


Tabellenverzeichnis 377<br />

2. Tabellenverzeichnis<br />

Tabelle 1: Die Bedeutung verschiedener Risikofaktoren................... 10<br />

Tabelle 2: Überblick über alle Massnahmen zur Förderung der<br />

Fussgängersicherheit........................................................ 16<br />

Tabelle 3: Gegenüberstellung der enthaltenen Informationen in<br />

den zur Verfügung stehenden Unfalldatenbanken............ 58<br />

Tabelle 4: Gegenüberstellung der enthaltenen Informationen in<br />

den zur Verfügung stehenden Unfalldatenbanken............ 75<br />

Tabelle 5: Beispiel zur Berechnung des Odds Ratio ......................... 77<br />

Tabelle 6: Verletzte und getötete Fussgänger, 2000–2004.............. 79<br />

Tabelle 7: Summe der Schwerverletzten und Getöteten<br />

(ab 6 Jahren) pro 100 Mio. Personenkilometer nach<br />

Verkehrsteilnahme, 1984–2000 ........................................ 84<br />

Tabelle 8: Summe der Schwerverletzten und Getöteten<br />

(ab 6 Jahren) pro 1 Mio. Personenstunden nach<br />

Verkehrsteilnahme, 1984–2000 ........................................ 84<br />

Tabelle 9: Schwer verletzte und getötete Fussgänger nach<br />

Geschlecht, Ø 2000–2004 ................................................ 87<br />

Tabelle 10: Schwer verletzte und getötete Fussgänger nach Alter,<br />

Ø 2000–2004..................................................................... 88<br />

Tabelle 11: Schwer verletzte und getötete Fussgänger nach<br />

Unfalltyp, Ø 2000–2004 .................................................... 92<br />

Tabelle 12: Summe der schwer verletzten und getöteten Fuss-<br />

gänger nach Alter und Unfalltyp, Ø 2000–2004................ 93<br />

Tabelle 13: Kollisionsgegner (PW-Fahrer) von schwer und tödlich<br />

verletzten Fussgängern nach Alter und Geschlecht,<br />

Ø 2000–2004..................................................................... 99<br />

Tabelle 14: Kollisionsgegner (PW-Fahrer) von schwer und tödlich<br />

verletzten Fussgängern nach Alter und Geschlecht,<br />

expositionsbereinigt, Ø 2000–2004................................. 100<br />

Tabelle 15: Kollisionsgegner (PW-Fahrer) von schwer und tödlich<br />

verletzten Fussgängern nach Alter und Dauer des<br />

Führerscheinbesitzes, Ø 2000–2004 .............................. 101<br />

Tabelle 16: Kollisionsgegner (PW-Fahrer) von schwer und tödlich<br />

verletzten Fussgängern nach Alter und Nationalität,<br />

Ø 2000–2004................................................................... 101<br />

Tabelle 17: Ständige Wohnbevölkerung in der Schweiz nach<br />

Nationalität, 2004 ............................................................ 102


378 Tabellenverzeichnis<br />

Tabelle 18: Schwer verletzte und getötete Fussgänger nach Orts-<br />

lage, Ø 2000–2004.......................................................... 103<br />

Tabelle 19: Schwer verletzte und getötete Fussgänger nach<br />

Strassenart, Ø 2000–2004 .............................................. 104<br />

Tabelle 20: Schwer verletzte und getötete Fussgänger nach<br />

Unfallstelle, Ø 2000–2004............................................... 104<br />

Tabelle 21: Schwer verletzte und getötete Fussgänger auf und<br />

abseits von Fussgängerstreifen, Ø 2000–2004 .............. 105<br />

Tabelle 22: Schwer verletzte und getötete Fussgänger nach<br />

Strassenanlage, Ø 2000–2004 ....................................... 105<br />

Tabelle 23: Schwer verletzte und getötete Fussgänger nach<br />

signalisierter Höchstgeschwindigkeit, Ø 2000–2004 ...... 106<br />

Tabelle 24: Schwer verletzte und getötete Fussgänger nach<br />

Strassenzustand, Ø 2000–2004...................................... 107<br />

Tabelle 25: Schwer verletzte und getötete Fussgänger nach<br />

Witterung, Ø 2000–2004 ................................................. 107<br />

Tabelle 26: Schwer verletzte und getötete Fussgänger nach<br />

Jahreszeit, Ø 2000–2004 ................................................ 108<br />

Tabelle 27: Schwer verletzte und getötete Fussgänger nach<br />

Lichtverhältnissen, Ø 2000–2004.................................... 108<br />

Tabelle 28: Schwer verletzte und getötete Fussgänger nach Unfall-<br />

zeit, Ø 2000–2004........................................................... 109<br />

Tabelle 29: Wichtigste Unfallursachen bei schwer verletzten und<br />

getöteten Fussgängern nach Alter, Ø 2000–2004.......... 112<br />

Tabelle 30: Wichtigste Unfallursachen bei schwer verletzten und<br />

getöteten Fussgängern nach Geschlecht, Ø 2000–2004 113<br />

Tabelle 31: Wichtigste Unfallursachen der Kollisionsgegner von<br />

schwer verletzten und getöteten Fussgängern nach<br />

Objektart, Ø 2000–2004.................................................. 114<br />

Tabelle 32: Wichtigste Unfallursachen der Kollisionsgegner von<br />

schwer verletzten und getöteten Fussgängern nach<br />

Alter, Ø 2000–2004 ......................................................... 115<br />

Tabelle 33: Wichtigste Unfallursachen der Kollisionsgegner von<br />

schwer verletzten und getöteten Fussgängern nach<br />

Geschlecht, Ø 2000–2004 .............................................. 116<br />

Tabelle 34: Verteilung der jährlich zu Fuss zurückgelegten Kilo-<br />

meter nach Alter (ARE & BFS, 2001).............................. 125<br />

Tabelle 35: Beurteilung des Risikofaktors ‚defizitäre Kognition’<br />

(Wahrnehmung und Informationsverarbeitung) .............. 128


Tabellenverzeichnis 379<br />

Tabelle 36: Beurteilung des Risikofaktors ‚Spielmotiv’ ...................... 130<br />

Tabelle 37: Beurteilung des Risikofaktors ‚Körpergrösse’ ................. 131<br />

Tabelle 38: Beurteilung des Risikofaktors ‚Wissen’ ........................... 133<br />

Tabelle 39: Beurteilung des Risikofaktors ‚fehlendes Sicherheitsbewusstsein’....................................................................<br />

134<br />

Tabelle 40: Beurteilung des Risikofaktors ‚Alkohol’ ........................... 136<br />

Tabelle 41: Fehlverhaltensweisen der zu Fuss Gehenden gemäss<br />

polizeilichem Unfallprotokoll, 2000–2004........................ 137<br />

Tabelle 42: Fehlverhaltensweisen von auf Fussgängerstreifen<br />

verunfallten zu Fuss Gehenden gemäss polizeilichem<br />

Unfallprotokoll, 2000–2004 ............................................. 138<br />

Tabelle 43: Beurteilung des Risikofaktors ‚regelwidriges Verhalten<br />

der Fussgänger’ .............................................................. 139<br />

Tabelle 44: Beurteilung des Risikofaktors ‚ungenügende Sichtbar-<br />

keit’ .................................................................................. 141<br />

Tabelle 45: Geschwindigkeitsverhalten auf Innerorts- und<br />

Ausserortsstrassen (Lindenmann, 2005) ........................ 147<br />

Tabelle 46: Beurteilung des Risikofaktors ‚unangepasste<br />

Geschwindigkeit’ ............................................................. 150<br />

Tabelle 47: Beurteilung des Risikofaktors ‚Missachten des<br />

Vortrittsrechts am Fussgängerstreifen’ ........................... 152<br />

Tabelle 48: Lichteinschaltquoten der Motorfahrzeuge bei schöner<br />

Witterung, 2005............................................................... 153<br />

Tabelle 49: Beurteilung des Risikofaktors ‚Fahren ohne Licht am<br />

Tag’ ................................................................................. 154<br />

Tabelle 50: Beurteilung des Risikofaktors ‚unvorsichtiges<br />

Rückwärtsfahren’............................................................. 155<br />

Tabelle 51: Beurteilung des Risikofaktors ‚FiaZ’................................ 158<br />

Tabelle 52: Beurteilung des Risikofaktors ‚Fahren unter Drogen-<br />

einfluss’ ........................................................................... 161<br />

Tabelle 53: Beurteilung des Risikofaktors ‚Fahren unter<br />

Medikamenteneinfluss’.................................................... 163<br />

Tabelle 54: Beurteilung des Risikofaktors ‚Fahren in übermüdetem<br />

Zustand’........................................................................... 164<br />

Tabelle 55: Beurteilung des Risikofaktors<br />

‚Ablenkung/Unaufmerksamkeit’....................................... 166


380 Tabellenverzeichnis<br />

Tabelle 56: Beurteilung des Risikofaktors ‚mangelhafte<br />

Fahrzeugbeherrschung’ .................................................. 167<br />

Tabelle 57: Beurteilung des Risikofaktors ‚mangelnde<br />

Gefahrenkognition und Selbstkontrolle’ .......................... 168<br />

Tabelle 58: Beurteilung verschiedener Risikofaktoren im Bereich<br />

‚perzeptive Beeinträchtigungen’...................................... 172<br />

Tabelle 59: Beurteilung des Risikofaktors ‚physische<br />

Beeinträchtigungen’......................................................... 173<br />

Tabelle 60: Beurteilung des Risikofaktors ‚kognitive<br />

Leistungsbeeinträchtigungen’ ......................................... 174<br />

Tabelle 61: Beurteilung des Risikofaktors ‚formaggressive Front-<br />

partien’............................................................................. 188<br />

Tabelle 62: Beurteilung des Risikofaktors ‚steife Frontpartien’.......... 189<br />

Tabelle 63: Beurteilung des Risikofaktors ‚Frontschutzbügel mas-<br />

siver Bauart’ .................................................................... 190<br />

Tabelle 64: Beurteilung des Risikofaktors ‚starre Lichtkegel’ ............ 191<br />

Tabelle 65: Beurteilung des Risikofaktors ‚dunkle Fahrzeugfarben’.. 193<br />

Tabelle 66: Beurteilung des Risikofaktors ‚mangelhafte<br />

Betriebssicherheit von MFZ’............................................ 194<br />

Tabelle 67: Getötete und Schwerverletzte nach Ortslage und<br />

Unfalltyp, Ø 2000–2004 .................................................. 198<br />

Tabelle 68: Beurteilung des Risikofaktors ‚Fehlende Netzplanung’... 200<br />

Tabelle 69 Beurteilung des Risikofaktors „Querungen“ .................... 205<br />

Tabelle 70: Beurteilung des Risikofaktors ‚Gehen in Längsrichtung’. 208<br />

Tabelle 71: Haddon-Matrix................................................................. 213<br />

Tabelle 72: Präventionsmöglichkeiten zur Reduzierung<br />

entwicklungs- und altersbedingter Defizite und<br />

Rettungspotenzial............................................................ 220<br />

Tabelle 73: Massnahmen zur Reduzierung entwicklungsbedingter<br />

Defizite und Beurteilung .................................................. 223<br />

Tabelle 74: Präventionsmöglichkeiten zur Wissensvermittlung, zur<br />

Förderung sicherheitsbewusster Einstellungen und<br />

eines adäquaten Gefahrenbewusst-seins und<br />

Rettungspotenzial............................................................ 227<br />

Tabelle 75: Massnahmen zur Wissensvermittlung und Förderung<br />

sicherheitsbewusster Einstellungen und Beurteilung...... 230


Tabellenverzeichnis 381<br />

Tabelle 76: Präventionsmöglichkeit ‚Sicherstellung der Fahr-<br />

eignung’ und Rettungspotenzial...................................... 236<br />

Tabelle 77: Massnahmen zu sensomotorischen Beeinträchtigun-<br />

gen und Beurteilung ........................................................ 239<br />

Tabelle 78: Präventionsmöglichkeit ‚Verhinderung substanzbeding-<br />

ter Fahrunfähigkeit’ und Rettungspotenzial .................... 240<br />

Tabelle 79: Massnahmen zur Sicherstellung der Fahrfähigkeit und<br />

Beurteilung ...................................................................... 248<br />

Tabelle 80: Präventionsmöglichkeiten zur Verhinderung endogener<br />

Fahrunfähigkeit bei MFZ-Lenkenden .............................. 249<br />

Tabelle 81: Massnahmen gegen Müdigkeit und Ablenkung und<br />

deren Beurteilung............................................................ 253<br />

Tabelle 82: Präventionsmöglichkeit ‚Sicherstellung der psycholo-<br />

gischen Fahrkompetenz’ und Rettungspotenzial ............ 255<br />

Tabelle 83: Massnahmen zur Förderung der Fahrkompetenz und<br />

Beurteilung ...................................................................... 257<br />

Tabelle 84: Präventionsmöglichkeit ‚fussgängergerechtes<br />

Fahrverhalten der MFZ-Lenkenenden’ und<br />

Rettungspotenzial............................................................ 258<br />

Tabelle 85: Sanktionen in Abhängigkeit der<br />

Geschwindigkeitsüberschreitung und der Ortslage ........ 258<br />

Tabelle 86: Fördermassnahmen für eine adäquate<br />

Geschwindigkeitswahl und Beurteilung........................... 265<br />

Tabelle 87: Präventionsmöglichkeit ‚Vortrittsgewährung am<br />

Fussgängerstreifen und beim Rückwärtsfahren’ und<br />

Rettungspotenzial............................................................ 267<br />

Tabelle 88: Massnahmen zur Förderung der Vortrittsgewährung am<br />

Fussgängerstreifen und beim Rückwärtsfahren sowie<br />

Beurteilung ...................................................................... 270<br />

Tabelle 89: Präventionsmöglichkeit ‚Sicherstellung der<br />

Betriebssicherheit von MFZ’ und Rettungspotenzial....... 273<br />

Tabelle 90: Massnahme zur Förderung der Betriebssicherheit von<br />

MFZ und Beurteilung....................................................... 275<br />

Tabelle 91: Fahrzeugtechnische Präventionsmöglichkeiten zum<br />

Partnerschutz und Rettungspotenzial ............................. 279<br />

Tabelle 92: Massnahmen zur Förderung sicher gestalteter PW-<br />

Fronten und Beurteilung.................................................. 282<br />

Tabelle 93: Präventionsmöglichkeit ‚lichttechnisch optimierter<br />

Frontscheinwerfer’ und Rettungspotenzial...................... 284


382 Tabellenverzeichnis<br />

Tabelle 94: Massnahmen zur Förderung lichttechnischer<br />

Verbesserungen und Beurteilung.................................... 285<br />

Tabelle 95: Fahrzeugtechnische Präventionsmöglichkeiten und<br />

Rettungspotenzial............................................................ 291<br />

Tabelle 96: Massnahmen zur Förderung elektronischer<br />

Unterstützungssysteme und Beurteilung ........................ 293<br />

Tabelle 97: Anforderungen an das <strong>Fussverkehr</strong>snetz ...................... 299<br />

Tabelle 98: Präventionsmöglichkeit ‚Netzplanung’ für den Fuss-<br />

verkehr und Rettungspotenzial ....................................... 300<br />

Tabelle 99: Präventionsmöglichkeit ‚Geschwindigkeitsregime<br />

innerorts’.......................................................................... 308<br />

Tabelle 100: Präventionsmöglichkeit ‚Querung auf zwei Ebenen’....... 312<br />

Tabelle 101: Präventionsmöglichkeit ‚Punktuelle Querung auf einer<br />

Ebene mit Vortritt’............................................................ 333<br />

Tabelle 102: Präventionsmöglichkeit ‚Querung auf einer Ebene ohne<br />

Vortritt’ ............................................................................. 336<br />

Tabelle 103: Präventionsmöglichkeit ‚Flächige Querung’.................... 343<br />

Tabelle 104: Präventionsmöglichkeit ‚Abschnitte entlang von<br />

Strassen innerorts’ .......................................................... 347<br />

Tabelle 105: Präventionsmöglichkeit ‚Abschnitte entlang von<br />

Strassen ausserorts’........................................................ 350<br />

Tabelle 106: Massnahmen zur Förderung der Umsetzung<br />

sicherheitsfördernder Infrastruktur und Beurteilung........ 357


Abbildungsverzeichnis 383<br />

3. Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 1: Beiträge des Wissensmanagements im Problemlösungskreis<br />

der Unfallverhütung ................................................... 4<br />

Abbildung 2: Analyseschritte und Informationsquellen ........................... 6<br />

Abbildung 3 Schematische Darstellung der zwei Grundarten von<br />

Risikofaktoren sowie ihres Zusammenhangs zur<br />

Prävention ........................................................................ 69<br />

Abbildung 4 Getötete Fussgänger pro 1. Mio. Einwohner,<br />

Ø 2000–2004.................................................................... 80<br />

Abbildung 5 Getötete Verkehrsteilnehmende pro 1 Mio. Einwohner,<br />

Ø 2000–2004.................................................................... 81<br />

Abbildung 6 Getötete 10- bis 14-jährige Fussgänger,<br />

expositionsbereinigt.......................................................... 82<br />

Abbildung 7 Summe der schwer verletzten und getöteten Fuss-<br />

gänger nach Verkehrsteilnahme, Ø 2000–2004 .............. 83<br />

Abbildung 8 Summe der Schwerverletzten und Getöteten nach<br />

Verkehrsteilnahme, Ø 1993/94 vs. Ø 2003/04................. 85<br />

Abbildung 9 Summe der Schwerverletzten und Getöteten nach<br />

Verkehrsteilnahme, 2000–2004 ....................................... 86<br />

Abbildung 10 Verletzungsschwere (case fatality) nach Verkehrs-<br />

teilnahme, Ø 2000–2004.................................................. 86<br />

Abbildung 11 Summe der schwer verletzten und getöteten Fuss-<br />

gänger pro 100’000 Einwohner, Ø 2000–2004 ................ 89<br />

Abbildung 12 Getötete Fussgänger pro 10’000 Verunfallte,<br />

Ø 2000–2004.................................................................... 89<br />

Abbildung 13 Summe der schwer verletzten und getöteten Fuss-<br />

gänger pro 100 Mio. Personenkilometer, 2000................ 90<br />

Abbildung 14 Summe der schwer verletzten und getöteten Fuss-<br />

gänger pro 1 Mio. Personenstunden, 2000...................... 91<br />

Abbildung 15 Verletzungslokalisation bei Fussgängern,<br />

Ø 1999–2003.................................................................... 94<br />

Abbildung 16 Verletzungsarten von Fussgängern an unteren<br />

Extremitäten, Ø 1999–2003 ............................................. 94<br />

Abbildung 17 Verletzungsarten von Fussgängern an oberen<br />

Extremitäten, Ø 1999–2003 ............................................. 95


384 Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 18 Verletzungsarten von Fussgängern an Kopf, Gesicht<br />

und Hals, Ø 1999–2003 ................................................... 95<br />

Abbildung 19 Verletzungsarten von Fussgängern am Rumpf,<br />

Ø 1999–2003.................................................................... 96<br />

Abbildung 20 Kollisionsobjekte von schwer und tödlich verletzten<br />

Fussgängern, Ø 2000–2004 ............................................ 97<br />

Abbildung 21 Summe der schwer und tödlich verletzten Fussgänger<br />

und deren Verletzungsschwere nach Kollisionsgegner,<br />

Ø 2000–2004.................................................................... 98<br />

Abbildung 22 Summe der schwer verletzten und getöteten Fuss-<br />

gänger nach Unfallzeit und Alter, Ø 2000–2004 ............ 109<br />

Abbildung 23 Mängelverteilung zwischen schwer verletzten und<br />

getöteten Fussgängern und deren Kollisionsgegnern,<br />

Ø 2000–2004.................................................................. 110<br />

Abbildung 24 Wichtigste Unfallursachen bei schwer verletzten und<br />

getöteten Fussgängern und deren Kollisionsgegnern,<br />

Ø 2000–2004.................................................................. 111<br />

Abbildung 25 Epidemiologisches Modell der Interaktion ..................... 119<br />

Abbildung 26 Anhalteweg bei verschiedenen Geschwindigkeiten....... 149<br />

Abbildung 27 Sterbewahrscheinlichkeit eines Fussgängers in<br />

Abhängigkeit der Kollisionsgeschwindigkeit eines<br />

Motorfahrzeugs .............................................................. 149<br />

Abbildung 28 Relatives Unfallrisiko in Abhängigkeit der<br />

Blutalkoholkonzentration ................................................ 158<br />

Abbildung 29 Quoten verschiedener Drogen im Strassenverkehr<br />

(Deutschland) ................................................................. 159<br />

Abbildung 30: Relatives Verursacherrisiko unter Einfluss verschie-<br />

dener Substanzen .......................................................... 161<br />

Abbildung 31: Trottoirüberfahrt.............................................................. 204<br />

Abbildung 32: Längsstreifen für Fussgänger: die Platzverhältnisse<br />

verändern sich nicht – Sicherheit wird vorgetäuscht...... 207<br />

Abbildung 33: Motorhaube mit Sicherheitsfunktion im aktivierten<br />

(angehobenen) Zustand................................................. 277<br />

Abbildung 34: Sicherheitsgewinn durch aktive Motorhauben<br />

(Kollisionsgeschwindigkeit: 40 km/h) ............................. 277<br />

Abbildung 35: Aussenairbags................................................................ 278<br />

Abbildung 36: Sicherheitsgewinn durch Aussenairbags ....................... 278


Abbildungsverzeichnis 385<br />

Abbildung 37: Beispiel für strukturelle Fahrzeugoptimierungen zur<br />

Herabsetzung der Verletzungsschwere ......................... 279<br />

Abbildung 38: Lichtkegel von statischem Kurvenlicht ........................... 283<br />

Abbildung 39: Einfluss von verschmutzten Scheinwerfern auf die<br />

Fahrsicherheit................................................................. 284<br />

Abbildung 40: Bremsverzögerung beim Bremsassistenten .................. 289<br />

Abbildung 41: Kollisionsgeschwindigkeit mit und ohne Brems-<br />

assistent ......................................................................... 289<br />

Abbildung 42: Markierungen und Signale gelten als signalisationstechnische<br />

Elemente...................................................... 297<br />

Abbildung 43: Tor zu einer siedlungsorientierten Strasse .................... 304<br />

Abbildung 44: Wechselseitiges Parken................................................. 305<br />

Abbildung 45: Rechtsvortrittsmarkierung .............................................. 305<br />

Abbildung 46: Tempo-30-Signet............................................................ 305<br />

Abbildung 47: Aufgepflasterter Kreuzungsbereich................................ 306<br />

Abbildung 48: Ortsdurchfahrt mit Verkehrsstreifen in Fahrbahnmitte ... 306<br />

Abbildung 49: Torwirkung...................................................................... 307<br />

Abbildung 50: Kammerung des Strassenraums.................................... 307<br />

Abbildung 51: Verzahnung von Strassenräumen.................................. 308<br />

Abbildung 52: Attraktive Führung des <strong>Fussverkehr</strong>s auf zwei<br />

Ebenen – Überführung an Hanglage ............................. 311<br />

Abbildung 53: Attraktive Führung des <strong>Fussverkehr</strong>s auf zwei<br />

Ebenen – Unterführung in Einschnitt ............................. 311<br />

Abbildung 54: Fussgängerstreifen ........................................................ 316<br />

Abbildung 55: Fussgängerschutzinsel .................................................. 320<br />

Abbildung 56: Fussgängerstreifen- Beleuchtung ................................. 320<br />

Abbildung 57: Fussgängerstreifen über zu viele Spuren ...................... 320<br />

Abbildung 58: Fussgängerstreifen mit ungenügender Sicht ................ 321<br />

Abbildung 59: Signal „Standort eines Fussgängerstreifens“................. 322<br />

Abbildung 60: Der Fahrzeugstrom ist mächtig – den Fussgängern<br />

wird das Vortrittsrecht kaum zugestanden..................... 323


386 Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 61: Der <strong>Fussverkehr</strong>sstrom ist mächtig – dem<br />

motorisierten Individualverkehr wird das Vortrittsrecht<br />

kaum zugestanden......................................................... 324<br />

Abbildung 62: Fussgängerlichtsignalanlage.......................................... 327<br />

Abbildung 63: Trottoirüberfahrt ............................................................. 332<br />

Abbildung 64: Querung ohne Vortritt, gesichert mit Fussgänger-<br />

schutzinsel...................................................................... 335<br />

Abbildung 65: Minimal-Lösung – Kennzeichnung einer optimalen<br />

Querungsstelle ............................................................... 336<br />

Abbildung 66: Übergangsbereich zu einer Begegnungszone............... 339<br />

Abbildung 67: Infrastrukturelemente innerhalb einer Begegnungs-<br />

zone................................................................................ 339<br />

Abbildung 68: Gestaltung mittels Belagswechsel ................................. 340<br />

Abbildung 69: Verkehrsstreifen in Fahrbahnmitte – unüberfahrbar ...... 341<br />

Abbildung 70: Verkehrsstreifen in Fahrbahnmitte – teilweise über-<br />

fahrbar ............................................................................ 342<br />

Abbildung 71: Verkehrsstreifen in Fahrbahnmitte – vollständig über-<br />

fahrbar ............................................................................ 342<br />

Abbildung 72: Monoton gestaltetes Trottoir – beschleunigende<br />

Wirkung .......................................................................... 345<br />

Abbildung 73: Verzahnung des Trottoirs mit den angrenzenden<br />

Flächen........................................................................... 345<br />

Abbildung 74: Notlösung: Längsstreifen für Fussgänger ...................... 345<br />

Abbildung 75: Fussgängerschutz entlang einer siedlungsorientierten<br />

Strasse ........................................................................... 346<br />

Abbildung 76: Trottoir ausserorts .......................................................... 348<br />

Abbildung 77: Fussweg ausserorts ....................................................... 349<br />

Abbildung 78: Signal „Fussweg“............................................................ 349<br />

Abbildung 79: Trampelpfad ................................................................... 350


Anhang 1: Geltendes Schweizer Recht 387<br />

X. ANHANG<br />

1. Geltendes Schweizer Recht<br />

1.1 Strassenverkehrsgesetz (SVG) vom 19. Dezember 1958<br />

(Stand am 21. Dezember 2004), SR 741.01<br />

Art. 12 Typengenehmigung<br />

1 Serienmässig hergestellte Motorfahrzeuge und Motorfahrzeuganhänger unterliegen<br />

der Typengenehmigung. Der Bundesrat kann ferner der Typengenehmigung<br />

unterstellen:<br />

a. Bestandteile und Ausrüstungsgegenstände für Motorfahrzeuge und Fahrräder;<br />

b. Vorrichtungen für andere Fahrzeuge, soweit die Verkehrssicherheit es erfordert;<br />

c. Schutzvorrichtungen für die Benützer von Fahrzeugen.<br />

2 Fahrzeuge und Gegenstände, die der Typengenehmigung unterliegen, dürfen<br />

nur in der genehmigten Ausführung in den Handel gebracht werden.<br />

3 Der Bundesrat kann auf eine schweizerische Typengenehmigung von Motorfahrzeugen<br />

und Motorfahrzeuganhängern verzichten, wenn:<br />

a. eine ausländische Typengenehmigung vorliegt, die aufgrund von Ausrüstungs-<br />

und Prüfvorschriften erteilt worden ist, welche den in der Schweiz<br />

geltenden gleichwertig sind; und<br />

b. die vom Bund und den Kantonen benötigten Daten zur Verfügung stehen.<br />

4 Der Bundesrat bestimmt die Stellen, die für die Prüfung, die Datenerhebung,<br />

die Genehmigung und die nachträgliche Überprüfung zuständig sind; er regelt das<br />

Verfahren und setzt die Gebühren fest.<br />

Art. 14<br />

Lernfahr- und Führerausweis<br />

1<br />

Der Führerausweis wird erteilt, wenn die amtliche Prüfung ergeben hat, dass<br />

der Bewerber die Verkehrsregeln kennt und Fahrzeuge der Kategorie, für die der<br />

Ausweis gilt, sicher zu führen versteht. Motorradfahrer sind vor Erteilung des<br />

Lernfahrausweises über die Verkehrsregeln zu prüfen.<br />

2<br />

Lernfahr- und Führerausweis dürfen nicht erteilt werden, wenn der Bewerber<br />

a. das vom Bundesrat festgesetzte Mindestalter noch nicht erreicht hat;<br />

b. nicht über eine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verfügt, die zum<br />

sicheren Führen von Motorfahrzeugen ausreicht;<br />

c. an einer die Fahreignung ausschliessenden Sucht leidet;<br />

d. nach seinem bisherigen Verhalten nicht Gewähr bietet, dass er als<br />

Motorfahrzeugführer die Vorschriften beachten und auf die Mitmenschen<br />

Rücksicht nehmen würde.<br />

2bis<br />

Wer ein Motorfahrzeug geführt hat, ohne einen Führerausweis zu besitzen,<br />

erhält während mindestens sechs Monaten nach der Widerhandlung weder<br />

Lernfahr- noch Führerausweis. Erreicht die Person das Mindestalter erst nach der<br />

Widerhandlung, so beginnt die Sperrfrist ab diesem Zeitpunkt.<br />

3<br />

Bestehen Bedenken über die Eignung eines Führers, so ist er einer neuen<br />

Prüfung zu unterwerfen.<br />

4<br />

Jeder Arzt kann Personen, die wegen körperlicher oder geistiger Krankheiten<br />

oder Gebrechen oder wegen Süchten zur sicheren Führung von Motorfahrzeugen<br />

nicht fähig sind, der Aufsichtsbehörde für Ärzte und der für Erteilung und Entzug<br />

des Führerausweises zuständigen Behörde melden.<br />

Art. 16a Verwarnung oder Führerausweisentzug nach einer leichten<br />

Widerhandlung<br />

1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer:


388 Anhang 1: Geltendes Schweizer Recht<br />

a. durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit<br />

anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft;<br />

b. in angetrunkenem Zustand, jedoch nicht mit einer qualifizierten Blutalkoholkonzentration<br />

(Art. 55 Abs. 6) ein Motorfahrzeug lenkt und dabei keine anderen<br />

Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften begeht.<br />

2 Nach einer leichten Widerhandlung wird der Lernfahr- oder Führerausweis für<br />

mindestens einen Monat entzogen, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren<br />

der Ausweis entzogen war oder eine andere Administrativmassnahme verfügt<br />

wurde.<br />

3 Die fehlbare Person wird verwarnt, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren<br />

der Ausweis nicht entzogen war und keine andere Administrativmassnahme<br />

verfügt wurde.<br />

4 In besonders leichten Fällen wird auf jegliche Massnahme verzichtet.<br />

Art. 16b Führerausweisentzug nach einer mittelschweren Widerhandlung<br />

1<br />

Eine mittelschwere Widerhandlung begeht, wer:<br />

a. durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer<br />

hervorruft oder in Kauf nimmt;<br />

b. in angetrunkenem Zustand, jedoch mit einer nicht qualifizierten Blutalkoholkonzentration<br />

(Art. 55 Abs. 6) ein Motorfahrzeug lenkt und dabei zusätzlich<br />

eine leichte Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften begeht;<br />

c. ein Motorfahrzeug führt, ohne den Führerausweis für die entsprechende<br />

Kategorie zu besitzen;<br />

d. ein Motorfahrzeug zum Gebrauch entwendet hat.<br />

2<br />

Nach einer mittelschweren Widerhandlung wird der Lernfahr- oder Führerausweis<br />

entzogen für:<br />

a. mindestens einen Monat;<br />

b. mindestens vier Monate, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der<br />

Ausweis einmal wegen einer schweren oder mittelschweren Widerhandlung<br />

entzogen war;<br />

c. mindestens neun Monate, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der<br />

Ausweis zweimal wegen mindestens mittelschweren Widerhandlungen<br />

entzogen war;<br />

d. mindestens 15 Monate, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der<br />

Ausweis zweimal wegen schweren Widerhandlungen entzogen war;<br />

e. unbestimmte Zeit, mindestens aber für zwei Jahre, wenn in den vorangegangenen<br />

zehn Jahren der Ausweis dreimal wegen mindestens mittelschweren<br />

Widerhandlungen entzogen war; auf diese Massnahme wird verzichtet,<br />

wenn die betroffene Person während mindestens fünf Jahren nach<br />

Ablauf eines Ausweisentzugs keine Widerhandlung, für die eine Administrativmassnahme<br />

ausgesprochen wurde, begangen hat;<br />

f. immer, wenn in den vorangegangenen fünf Jahren der Ausweis nach<br />

Buchstabe e oder Artikel 16c Absatz 2 Buchstabe d entzogen war.<br />

Art. 16c Führerausweisentzug nach einer schweren Widerhandlung<br />

1<br />

Eine schwere Widerhandlung begeht, wer:<br />

a. durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die<br />

Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt;<br />

b. in angetrunkenem Zustand mit einer qualifizierten Blutalkoholkonzentration<br />

(Art. 55 Abs. 6) ein Motorfahrzeug führt;<br />

c. wegen Betäubungs- oder Arzneimitteleinfluss oder aus anderen Gründen<br />

fahrunfähig ist und in diesem Zustand ein Motorfahrzeug führt;<br />

d. sich vorsätzlich einer Blutprobe, einer Atemalkoholprobe oder einer anderen<br />

vom Bundesrat geregelten Voruntersuchung, die angeordnet wurde<br />

oder mit deren Anordnung gerechnet werden muss, oder einer zusätzlichen<br />

ärztlichen Untersuchung widersetzt oder entzieht oder den Zweck<br />

dieser Massnahmen vereitelt;<br />

e. nach Verletzung oder Tötung eines Menschen die Flucht ergreift;<br />

f. ein Motorfahrzeug trotz Ausweisentzug führt.<br />

2<br />

Nach einer schweren Widerhandlung wird der Lernfahr- oder Führerausweis<br />

entzogen für:<br />

a. mindestens drei Monate;<br />

b. mindestens sechs Monate, wenn in den vorangegangenen fünf Jahren der


Anhang 1: Geltendes Schweizer Recht 389<br />

Ausweis einmal wegen einer mittelschweren Widerhandlung entzogen war;<br />

c. mindestens zwölf Monate, wenn in den vorangegangenen fünf Jahren der<br />

Ausweis einmal wegen einer schweren Widerhandlung oder zweimal wegen<br />

mittelschweren Widerhandlungen entzogen war;<br />

d. unbestimmte Zeit, mindestens aber für zwei Jahre, wenn in den vorangegangenen<br />

zehn Jahren der Ausweis zweimal wegen schweren Widerhandlungen<br />

oder dreimal wegen mindestens mittelschweren Widerhandlungen<br />

entzogen war; auf diese Massnahme wird verzichtet, wenn die betroffene<br />

Person während mindestens fünf Jahren nach Ablauf eines Ausweisentzugs<br />

keine Widerhandlung, für die eine Administrativmassnahme<br />

ausgesprochen wurde, begangen hat;<br />

e. immer, wenn in den vorangegangenen fünf Jahren der Ausweis nach<br />

Buchstabe d oder Artikel 16b Absatz 2 Buchstabe e entzogen war.<br />

3 Die Dauer des Ausweisentzugs wegen einer Widerhandlung nach Absatz 1<br />

Buchstabe f tritt an die Stelle der noch verbleibenden Dauer des laufenden Entzugs.<br />

4 Hat die betroffene Person trotz eines Entzugs nach Artikel 16d ein Motorfahrzeug<br />

geführt, so wird eine Sperrfrist verfügt; diese entspricht der für die Widerhandlung<br />

vorgesehenen Mindestentzugsdauer.<br />

Art. 16d<br />

Führerausweisentzug wegen fehlender Fahreignung<br />

1<br />

Der Lernfahr- oder Führerausweis wird einer Person auf unbestimmte Zeit<br />

entzogen, wenn:<br />

a. ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit nicht oder nicht mehr<br />

ausreicht, ein Motorfahrzeug sicher zu führen;<br />

b. sie an einer Sucht leidet, welche die Fahreignung ausschliesst;<br />

c. sie auf Grund ihres bisherigen Verhaltens nicht Gewähr bietet, dass sie<br />

künftig beim Führen eines Motorfahrzeuges die Vorschriften beachten und<br />

auf die Mitmenschen Rücksicht nehmen wird.<br />

2<br />

Tritt der Entzug nach Absatz 1 an die Stelle eines Entzugs nach den Artikeln<br />

16a–c, wird damit eine Sperrfrist verbunden, die bis zum Ablauf der für die<br />

begangene Widerhandlung vorgesehenen Mindestentzugsdauer läuft.<br />

3<br />

Unverbesserlichen wird der Ausweis für immer entzogen.<br />

Art. 17<br />

Wiedererteilung der Führerausweise<br />

1 Der auf bestimmte Zeit entzogene Lernfahr- oder Führerausweis kann<br />

frühestens drei Monate vor Ablauf der verfügten Entzugsdauer wiedererteilt<br />

werden, wenn die betroffene Person an einer von der Behörde anerkannten<br />

Nachschulung teilgenommen hat. Die Mindestentzugsdauer darf nicht<br />

unterschritten werden.<br />

2 Der für mindestens ein Jahr entzogene Lernfahr- oder Führerausweis kann<br />

bedingt und unter Auflagen wiedererteilt werden, wenn das Verhalten der<br />

betroffenen Person zeigt, dass die Administrativmassnahme ihren Zweck erfüllt<br />

hat. Die Mindestentzugsdauer und zwei Drittel der verfügten Entzugsdauer<br />

müssen jedoch abgelaufen sein.<br />

3 Der auf unbestimmte Zeit entzogene Lernfahr- oder Führerausweis kann<br />

bedingt und unter Auflagen wiedererteilt werden, wenn eine allfällige gesetzliche<br />

oder verfügte Sperrfrist abgelaufen ist und die betroffene Person die Behebung<br />

des Mangels nachweist, der die Fahreignung ausgeschlossen hat.<br />

4 Der für immer entzogene Führerausweis kann nur unter den Bedingungen des<br />

Artikels 23 Absatz 3 wiedererteilt werden.<br />

5 Missachtet die betroffene Person die Auflagen oder missbraucht sie in anderer<br />

Weise das in sie gesetzte Vertrauen, so ist der Ausweis wieder zu entziehen.<br />

Art. 31 Beherrschen des Fahrzeuges<br />

1<br />

Der Führer muss das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten<br />

nachkommen kann.<br />

2<br />

Wer wegen Alkohol-, Betäubungsmittel- oder Arzneimitteleinfluss oder aus<br />

anderen Gründen nicht über die erforderliche körperliche und geistige Leistungsfähigkeit<br />

verfügt, gilt während dieser Zeit als fahrunfähig und darf kein Fahrzeug<br />

führen.1<br />

3<br />

Der Führer hat dafür zu sorgen, dass er weder durch die Ladung noch auf an-


390 Anhang 1: Geltendes Schweizer Recht<br />

dere Weise behindert wird. Mitfahrende dürfen ihn nicht behindern oder stören.<br />

Art. 32 Geschwindigkeit<br />

1<br />

Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den<br />

Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen—, Verkehrs- und<br />

Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu<br />

fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor<br />

nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen.<br />

2<br />

Der Bundesrat beschränkt die Geschwindigkeit der Motorfahrzeuge auf allen<br />

Strassen.<br />

3<br />

Die vom Bundesrat festgesetzte Höchstgeschwindigkeit kann für bestimmte<br />

Strassenstrecken von der zuständigen Behörde nur auf Grund eines Gutachtens<br />

herab- oder heraufgesetzt werden. Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen.<br />

Art. 33<br />

Pflichten gegenüber Fussgängern<br />

1<br />

Den Fussgängern ist das Überqueren der Fahrbahn in angemessener Weise<br />

zu ermöglichen.1<br />

2<br />

Vor Fussgängerstreifen hat der Fahrzeugführer besonders vorsichtig zu fahren<br />

und nötigenfalls anzuhalten, um den Fussgängern den Vortritt zu lassen, die sich<br />

schon auf dem Streifen befinden oder im Begriffe sind, ihn zu betreten.2<br />

3<br />

An den Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel ist auf ein- und aussteigende<br />

Personen Rücksicht zu nehmen.<br />

Art. 34 Rechtsfahren<br />

1 Fahrzeuge müssen rechts, auf breiten Strassen innerhalb der rechten Fahrbahnhälfte<br />

fahren. Sie haben sich möglichst an den rechten Strassenrand zu halten,<br />

namentlich bei langsamer Fahrt und auf unübersichtlichen Strecken.<br />

2 Auf Strassen mit Sicherheitslinien ist immer rechts dieser Linien zu fahren.<br />

3 Der Führer, der seine Fahrrichtung ändern will, wie zum Abbiegen, Überholen,<br />

Einspuren und Wechseln des Fahrstreifens, hat auf den Gegenverkehr und auf die<br />

ihm nachfolgenden Fahrzeuge Rücksicht zu nehmen.<br />

4 Gegenüber allen Strassenbenützern ist ausreichender Abstand zu wahren,<br />

namentlich beim Kreuzen und Überholen sowie beim Neben- und Hintereinanderfahren.<br />

Art. 35 Kreuzen, Überholen<br />

1<br />

Es ist rechts zu kreuzen, links zu überholen.<br />

2<br />

Überholen und Vorbeifahren an Hindernissen ist nur gestattet, wenn der nötige<br />

Raum übersichtlich und frei ist und der Gegenverkehr nicht behindert wird. Im<br />

Kolonnenverkehr darf nur überholen, wer die Gewissheit hat, rechtzeitig und ohne<br />

Behinderung anderer Fahrzeuge wieder einbiegen zu können.<br />

3<br />

Wer überholt, muss auf die übrigen Strassenbenützer, namentlich auf jene, die<br />

er überholen will, besonders Rücksicht nehmen.<br />

4<br />

In unübersichtlichen Kurven, auf und unmittelbar vor Bahnübergängen ohne<br />

Schranken sowie vor Kuppen darf nicht überholt werden, auf Strassenverzweigungen<br />

nur, wenn sie übersichtlich sind und das Vortrittsrecht anderer nicht beeinträchtigt<br />

wird.<br />

5<br />

Fahrzeuge dürfen nicht überholt werden, wenn der Führer die Absicht anzeigt,<br />

nach links abzubiegen, oder wenn er vor einem Fussgängerstreifen anhält, um<br />

Fussgängern das Überqueren der Strasse zu ermöglichen.<br />

6<br />

Fahrzeuge, die zum Abbiegen nach links eingespurt haben, dürfen nur rechts<br />

überholt werden.<br />

7<br />

Dem sich ankündigenden, schneller fahrenden Fahrzeug ist die Strasse zum<br />

Überholen freizugeben. Wer überholt wird, darf die Geschwindigkeit nicht erhöhen.<br />

Art. 36 Einspuren, Vortritt<br />

…<br />

4 Der Führer, der sein Fahrzeug in den Verkehr einfügen, wenden oder<br />

rückwärts fahren will, darf andere Strassenbenützer nicht behindern; diese haben<br />

den Vortritt.


Anhang 1: Geltendes Schweizer Recht 391<br />

Art. 49<br />

Fussgänger<br />

1 Fussgänger müssen die Trottoirs benützen. Wo solche fehlen, haben sie am<br />

Strassenrand und, wenn besondere Gefahren es erfordern, hintereinander zu<br />

gehen. Wenn nicht besondere Umstände entgegenstehen, haben sie sich an den<br />

linken Strassenrand zu halten, namentlich ausserorts in der Nacht.<br />

2 Die Fussgänger haben die Fahrbahn vorsichtig und auf dem kürzesten Weg zu<br />

überschreiten, nach Möglichkeit auf einem Fussgängerstreifen. Sie haben den<br />

Vortritt auf diesem Streifen, dürfen ihn aber nicht überraschend betreten.<br />

Art. 55 Feststellung der Fahrunfähigkeit<br />

1<br />

Fahrzeugführer sowie an Unfällen beteiligte Strassenbenützer können einer<br />

Atemalkoholprobe unterzogen werden.<br />

2<br />

Weist die betroffene Person Anzeichen von Fahrunfähigkeit auf und sind diese<br />

nicht oder nicht allein auf Alkoholeinfluss zurückzuführen, so kann sie weiteren<br />

Voruntersuchungen, namentlich Urin- und Speichelproben unterzogen werden.<br />

3<br />

Eine Blutprobe ist anzuordnen, wenn:<br />

a. Anzeichen von Fahrunfähigkeit vorliegen; oder<br />

b. die betroffene Person sich der Durchführung der Atemalkoholprobe widersetzt<br />

oder entzieht oder den Zweck dieser Massnahme vereitelt.<br />

4<br />

Die Blutprobe kann aus wichtigen Gründen auch gegen den Willen der verdächtigten<br />

Person abgenommen werden. Andere Beweismittel für die Feststellung<br />

der Fahrunfähigkeit bleiben vorbehalten.<br />

5<br />

Das kantonale Recht bestimmt, wer für die Anordnung der Massnahmen zuständig<br />

ist.<br />

6<br />

Die Bundesversammlung legt in einer Verordnung fest, bei welcher Blutalkoholkonzentration<br />

unabhängig von weiteren Beweisen und individueller Alkoholverträglichkeit<br />

Fahrunfähigkeit im Sinne dieses Gesetzes angenommen wird (Angetrunkenheit)<br />

und welche Blutalkoholkonzentration als qualifiziert gilt.<br />

7<br />

Der Bundesrat:<br />

a. kann für andere die Fahrfähigkeit herabsetzende Substanzen festlegen, bei<br />

welchen Konzentrationen im Blut unabhängig von weiteren Beweisen und<br />

individueller Verträglichkeit Fahrunfähigkeit im Sinne dieses Gesetzes<br />

angenommen wird;<br />

b. erlässt Vorschriften über die Voruntersuchungen (Abs. 2), das Vorgehen<br />

bei der Atemalkohol- und der Blutprobe, die Auswertung dieser Proben und<br />

die zusätzliche ärztliche Untersuchung der der Fahrunfähigkeit<br />

verdächtigten Person;<br />

c. kann vorschreiben, dass zur Feststellung einer Sucht, welche die Fahreignung<br />

einer Person herabsetzt, nach diesem Artikel gewonnene Proben, namentlich<br />

Blut-, Haar- und Nagelproben, ausgewertet werden.<br />

Art. 91 Fahren in fahrunfähigem Zustand<br />

1<br />

Wer in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt, wird mit Haft oder mit<br />

Busse bestraft. Die Strafe ist Gefängnis oder Busse, wenn eine qualifizierte Blutalkoholkonzentration<br />

(Art. 55 Abs. 6) vorliegt.<br />

2<br />

Wer aus anderen Gründen fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug führt, wird<br />

mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.<br />

3<br />

Wer in fahrunfähigem Zustand ein motorloses Fahrzeug führt, wird mit Haft<br />

oder mit Busse bestraft.<br />

1.2 Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge<br />

(VTS) vom 19. Juni 1995 (Stand am 8. März 2005),<br />

SR 741.41<br />

Art. 33 Periodische Prüfungspflicht<br />

1 Alle mit Kontrollschildern zugelassenen Fahrzeuge unterliegen der amtlichen,<br />

periodischen Nachprüfung. Die Zulassungsbehörde kann diese Nachprüfungen


392 Anhang 1: Geltendes Schweizer Recht<br />

Betrieben oder Organisationen übertragen, welche für die vorschriftsgemässe<br />

Durchführung Gewähr bieten.<br />

1bis<br />

Die Nachprüfung umfasst:<br />

a. die Identifikation des Fahrzeugs;<br />

b. die Bremsanlagen;<br />

c. die Lenkvorrichtung;<br />

d. die Sichtverhältnisse;<br />

e. die Beleuchtungseinrichtungen und die elektrische Anlage;<br />

f. die Fahrgestelle, Achsen, Räder, Reifen und Aufhängungen;<br />

g. die übrigen Ein- und Vorrichtungen;<br />

h. das Emissionsverhalten.<br />

2<br />

Es gelten folgende Prüfungsintervalle:<br />

a. erstmals ein Jahr nach der ersten Inverkehrsetzung, dann jährlich:<br />

1. Fahrzeuge zum berufsmässigen Personentransport, ausgenommen<br />

Fahrzeuge, die nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe d ARV 2 verwendet<br />

werden,<br />

2. Gesellschaftswagen,<br />

3. Anhänger zum Personentransport,<br />

4. Lastwagen sowie Sattelschlepper mit einem Gesamtgewicht über 3,5 t,<br />

5. Sachentransportanhänger mit einem Gesamtgewicht über 3,5 t,<br />

6. Fahrzeuge zum Transport gefährlicher Güter, für die gemäss SDR eine<br />

jährliche Nachprüfung erforderlich ist;<br />

b. erstmals vier Jahre nach der ersten Inverkehrsetzung, anschliessend nach<br />

drei Jahren, dann alle zwei Jahre:<br />

1. Motorräder,<br />

2. Leicht-, Klein- und dreirädrige Motorfahrzeuge,<br />

3. leichte und schwere Personenwagen,<br />

4. Kleinbusse,<br />

5. Lieferwagen,<br />

6. Sattelschlepper mit einem Gesamtgewicht bis 3,5 t,<br />

7. Wohnmotorwagen und Fahrzeuge mit aufgebautem Nutzraum,<br />

8. Sachentransportanhänger mit einem Gesamtgewicht bis 3,5 t sowie die<br />

übrigen Anhänger aller Fahrzeugarten nach den Ziffern 1–7;<br />

c. erstmals fünf Jahre nach der ersten Inverkehrsetzung, anschliessend alle<br />

drei Jahre, folgende mit Kontrollschildern versehene Fahrzeuge:<br />

1. Motorkarren,<br />

2. Traktoren,<br />

3. Arbeitsmotorfahrzeuge,<br />

4. landwirtschaftliche Fahrzeuge,<br />

5. Motoreinachser,<br />

6. Anhänger aller dieser Fahrzeugarten,<br />

7. Arbeitsanhänger, ausgenommen die Anhänger der Feuerwehr und des<br />

Zivilschutzes;<br />

d. bei einem Halter- oder Halterinnenwechsel sind Fahrzeuge nach den Buchstaben<br />

b und c zu prüfen, wenn die letzte Prüfung mehr als ein Jahr und<br />

die erste Inverkehrsetzung mehr als zehn Jahre zurückliegt.<br />

3<br />

Auf Wunsch des Halters oder der Halterin kann jedes Fahrzeug auch ausserhalb<br />

der in Absatz 2 aufgeführten Prüfungsintervalle nachgeprüft werden.<br />

4<br />

Die Zulassungsbehörde kann auch bei Motorfahrrädern Nachprüfungen durchführen.<br />

…<br />

Art. 34 Ausserordentliche Prüfungspflicht<br />

1 Die Polizei meldet der Zulassungsbehörde Fahrzeuge, die bei Unfällen starke<br />

Schäden erlitten haben oder bei Kontrollen erhebliche Mängel aufwiesen. Diese<br />

müssen nachgeprüft werden.<br />

2 Der Halter oder die Halterin hat der Zulassungsbehörde Änderungen an den<br />

Fahrzeugen zu melden. Geänderte Fahrzeuge sind vor der Weiterverwendung<br />

nachzuprüfen. Namentlich betrifft dies:<br />

a. Änderungen der Fahrzeugeinteilung;<br />

b. Änderungen der Abmessungen, des Achsabstands, der Spurweite, der<br />

Gewichte;<br />

c. Eingriffe, die die Abgas- oder Geräuschemissionen verändern. Hierbei ist<br />

nachzuweisen, dass die bei der ersten Inverkehrsetzung gültigen Vor-


Anhang 1: Geltendes Schweizer Recht 393<br />

…<br />

schriften über Abgase und Geräusche eingehalten sind;<br />

d. nicht für den Fahrzeugtyp genehmigte Auspuffanlagen;<br />

e. Änderungen an der Kraftübertragung (Getriebe- und Achsübersetzung);<br />

f. nicht für den Fahrzeugtyp genehmigte Räder;<br />

g. Änderungen der Lenkanlage, der Bremsanlage;<br />

h. das Anbringen einer Anhängevorrichtung;<br />

i. das Ausserbetriebsetzen von Rückhaltesystemen oder Teilen davon (z. B.<br />

Airbag, Gurtstraffer), soweit dies nicht vom Hersteller oder von der<br />

Herstellerin vorgesehen ist, vom Führer oder von der Führerin selbst vorgenommen<br />

werden kann und jeweils angezeigt wird;<br />

j. das Nichtinstandsetzen von defekten oder nicht betriebsfähigen Rückhaltesystemen<br />

oder Teilen davon (z.B. Airbag, Gurtstraffer);<br />

k. alle weiteren wesentlichen Änderungen.<br />

Art. 104 Radabdeckungen, seitliche Schutzvorrichtungen, Unterfahrschutz<br />

Radabdeckungen, Frontpartie, seitliche Schutzvorrichtungen, Unterfahrschutz<br />

1<br />

Der Aufbau bzw. die Kotflügel müssen bei Fahrzeugen der Klasse M1 bei<br />

Geradeausfahrt die ganze Breite der Reifenlauffläche oben und nach hinten bis<br />

15,00 cm über die Höhe der Achsmitte decken.<br />

1bis<br />

Die Frontpartie muss bei Fahrzeugen der Klasse M1 mit einem Gesamtgewicht<br />

von höchstens 2,50 t und bei jedem von einem Fahrzeug der Klasse M1<br />

abgeleiteten Fahrzeug der Klasse N1 mit einem Gesamtgewicht von höchstens<br />

2,50 t den Anforderungen der Richtlinie Nr. 2003/102/EG des Europäischen<br />

Parlaments und des Rates vom 17. November 2003 zum Schutz von Fussgängern<br />

und anderen ungeschützten Verkehrsteilnehmern vor und bei Kollisionen mit<br />

Kraftfahrzeugen und zur Änderung der Richtlinie Nr. 70/156/EWG des Rates<br />

entsprechen.<br />

2<br />

Lastwagen der Klassen N2 und N3 müssen mit einer seitlichen Schutzvorrichtung<br />

nach den Anforderungen des Anhangs der Richtlinie Nr. 89/297 des Rates<br />

vom 13. April 1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten<br />

über seitliche Schutzvorrichtungen (Seitenschutz) bestimmter Kraftfahrzeuge und<br />

Kraftfahrzeuganhänger oder den Ziffern 6–8 des ECE-Reglements Nr. 73 ausgerüstet<br />

sein.<br />

3<br />

Von Absatz 2 ausgenommen sind:<br />

a. Motorwagen mit seitlich kippbarem Aufbau, wenn die Innenlänge des nutzbaren<br />

Laderaumes nicht mehr als 7,50 m beträgt; bei Motorwagen mit einseitig<br />

kippbarem Aufbau müssen auf der nicht kippbaren Seite seitliche<br />

Schutzvorrichtungen vorhanden sein;<br />

b. Motorwagen, bei denen die Zulassungsbehörde im Einzelfall eine Ausnahme<br />

gestattet, weil das Anbringen von seitlichen Schutzvorrichtungen<br />

aus technischen oder betrieblichen Gründen nicht möglich ist;<br />

c. Militärfahrzeuge.<br />

4<br />

Fahrzeuge der Klassen M und N müssen mit einem hinteren Unterfahrschutz<br />

nach den Anforderungen des Anhangs II der Richtlinie Nr. 70/221 des Rates vom<br />

20. März 1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über<br />

die Behälter für flüssigen Treibstoff und den Unterfahrschutz von Kraftfahrzeugen<br />

und Kraftfahrzeuganhängern oder der Ziffer 7 des ECE-Reglementes Nr. 58 ausgerüstet<br />

sein.<br />

5<br />

Von Absatz 4 ausgenommen sind:<br />

a. Motorkarren;<br />

b. Sattelschlepper;<br />

c. Motorwagen, bei denen die Zulassungsbehörde im Einzelfall eine Ausnahme<br />

gestattet, weil das Anbringen eines hinteren Unterfahrschutzes aus<br />

technischen oder betrieblichen Gründen nicht möglich ist;<br />

d. Militärfahrzeuge.<br />

6<br />

Fahrzeuge der Klassen N2 und N3 müssen mit einem vorderen Unterfahrschutz<br />

nach den Anforderungen der Richtlinie Nr. 2000/40 des Europäischen<br />

Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften<br />

der Mitgliedstaaten über den vorderen Unterfahrschutz von Kraftfahrzeugen<br />

und zur Änderung der Richtlinie Nr. 70/156/EWG des Rates oder nach dem<br />

ECE-Reglement Nr. 93 ausgerüstet sein.<br />

7<br />

Von Absatz 6 ausgenommen sind:<br />

a. Motorkarren;


394 Anhang 1: Geltendes Schweizer Recht<br />

b. Geländefahrzeuge (Art. 12 Abs. 3);<br />

c. Motorwagen, bei denen die Zulassungsbehörde im Einzelfall eine Ausnahme<br />

gestattet, weil das Anbringen eines vorderen Unterfahrschutzes aus<br />

technischen oder betrieblichen Gründen nicht möglich ist.<br />

1.3 Verkehrsregelnverordnung (VRV) vom 13. November 1962<br />

(Stand am 21. Dezember 2004), SR 741.11<br />

Art. 2 Zustand des Führers (Art. 31 Abs. 2 und 55 Abs. 1 SVG)<br />

1<br />

Wer wegen Übermüdung, Einwirkung von Alkohol, Medikamenten oder Drogen<br />

oder aus einem andern Grund nicht fahrfähig ist, darf kein Fahrzeug führen.<br />

2<br />

Fahrunfähigkeit gilt als erwiesen, wenn im Blut des Fahrzeuglenkers nachgewiesen<br />

wird:<br />

a. Tetrahydrocannabinol (Cannabis);<br />

b. freies Morphin (Heroin/Morphin);<br />

c. Kokain;<br />

d. Amphetamin (Amphetamin);<br />

e. Methamphetamin;<br />

f. MDEA (Methylendioxyethylamphetamin); oder<br />

g. MDMA (Methylendioxymethamphetamin).<br />

2bis<br />

Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) erlässt nach Rücksprache mit Fachexperten<br />

Weisungen über den Nachweis der Substanzen nach Absatz 2.<br />

2ter<br />

Für Personen, die nachweisen können, dass sie eine oder mehrere der in<br />

Absatz 2 aufgeführten Substanzen gemäss ärztlicher Verschreibung einnehmen,<br />

gilt Fahrunfähigkeit nicht bereits beim Nachweis einer Substanz nach Absatz 2 als<br />

erwiesen.<br />

3<br />

Niemand darf ein Fahrzeug einem Führer überlassen, der nicht fahrfähig ist.<br />

4<br />

Den Führern, die berufsmässige Personentransporte durchführen, ist der Genuss<br />

alkoholischer Getränke während der Arbeitszeit und innert 6 Stunden vor<br />

Beginn der Arbeit untersagt.<br />

Art. 3 Bedienung des Fahrzeugs (Art. 31 Abs. 1 SVG)<br />

1 Der Fahrzeugführer muss seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr<br />

zuwenden. Er darf beim Fahren keine Verrichtung vornehmen, welche die Bedienung<br />

des Fahrzeugs erschwert. Er hat ferner dafür zu sorgen, dass seine Aufmerksamkeit<br />

weder durch Radio noch andere Tonwiedergabegeräte beeinträchtigt<br />

wird.<br />

…<br />

Art. 4 Angemessene Geschwindigkeit (Art. 32 Abs. 1 SVG)<br />

1<br />

Der Fahrzeugführer darf nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überblickbaren<br />

Strecke halten kann; wo das Kreuzen schwierig ist, muss er auf halbe<br />

Sichtweite halten können.<br />

2<br />

Er hat langsam zu fahren, wo die Strasse verschneit, vereist, mit nassem Laub<br />

oder mit Splitt bedeckt ist, besonders wenn Anhänger mitgeführt werden.<br />

3<br />

Er muss die Geschwindigkeit mässigen und nötigenfalls halten, wenn Kinder<br />

im Strassenbereich nicht auf den Verkehr achten.<br />

4<br />

Bei der Begegnung mit Tierfuhrwerken und Tieren hat er so zu fahren, dass<br />

die Tiere nicht erschreckt werden.<br />

5<br />

Der Fahrzeugführer darf ohne zwingende Gründe nicht so langsam fahren,<br />

dass er einen gleichmässigen Verkehrsfluss hindert.<br />

Art. 6 Verhalten gegenüber Fussgängern und Benützern von<br />

fahrzeugähnlichen Geräten (Art. 33 SVG)<br />

1 Vor Fussgängerstreifen ohne Verkehrsregelung muss der Fahrzeugführer<br />

jedem Fussgänger oder Benützer eines fahrzeugähnlichen Gerätes, der sich<br />

bereits auf dem Streifen befindet oder davor wartet und ersichtlich die Fahrbahn<br />

überqueren will, den Vortritt gewähren. Er muss die Geschwindigkeit rechtzeitig<br />

mässigen und nötigenfalls anhalten, damit er dieser Pflicht nachkommen kann.


Anhang 1: Geltendes Schweizer Recht 395<br />

2 Bei Verzweigungen mit Verkehrsregelung haben abbiegende Fahrzeugführer<br />

den Fussgängern oder Benützern von fahrzeugähnlichen Geräten für das<br />

Überqueren der Querstrasse den Vortritt zu lassen. Dies gilt bei Lichtsignalen<br />

nicht, wenn die Fahrt durch einen grünen Pfeil freigegeben wird und kein gelbes<br />

Warnlicht blinkt.<br />

3 Auf Strassen ohne Fussgängerstreifen hat der Fahrzeugführer im<br />

Kolonnenverkehr nötigenfalls zu halten, wenn Fussgänger oder Benützer von<br />

fahrzeugähnlichen Geräten darauf warten, die Fahrbahn zu überqueren.<br />

4 Unbegleiteten Blinden ist der Vortritt stets zu gewähren, wenn sie durch<br />

Hochhalten des weissen Stockes anzeigen, dass sie die Fahrbahn überqueren<br />

wollen.<br />

5 Die Führer dürfen gekennzeichnete Schulbusse, die halten und die<br />

Warnblinklichter eingeschaltet haben (Art. 23 Abs. 3 Bst. a), nur langsam und<br />

besonders vorsichtig überholen; nötigenfalls müssen sie halten.<br />

Art. 17 Wegfahren, Rückwärtsfahren, Wenden (Art. 36 Abs. 4 SVG)<br />

1 Der Fahrzeugführer hat sich vor dem Wegfahren zu vergewissern, dass er<br />

keine Kinder oder andere Strassenbenützer gefährdet. Bei Fahrzeugen mit<br />

beschränkter Sicht nach hinten ist zum Rückwärtsfahren eine Hilfsperson<br />

beizuziehen, wenn nicht jede Gefahr ausgeschlossen ist.<br />

2 Rückwärts darf nur im Schrittempo gefahren werden. Das Rückwärtsfahren<br />

über Bahnübergänge und unübersichtliche Strassenverzweigungen ist untersagt.<br />

3 Muss auf unübersichtlichen Strassen oder über eine längere Strecke<br />

rückwärtsgefahren werden, so ist die Strassenseite zu benützen, die für den<br />

Verkehr in gleicher Richtung bestimmt ist.<br />

4 Der Führer vermeidet es, das Fahrzeug auf der Fahrbahn zu wenden. An<br />

unübersichtlichen Stellen und bei dichtem Verkehr ist das Wenden untersagt.<br />

5 Kündigt der Führer eines Busses im Linienverkehr innerorts bei einer<br />

gekennzeichneten Haltestelle mit den Richtungsblinkern an, dass er wegfahren<br />

will, so müssen die von hinten herannahenden Fahrzeugführer nötigenfalls die<br />

Geschwindigkeit mässigen oder halten, um ihm die Wegfahrt zu ermöglichen; dies<br />

gilt nicht, wenn sich die Haltestelle am linken Fahrbahnrand befindet. Der<br />

Busführer darf die Richtungsblinker erst betätigen, wenn er zur Wegfahrt bereit ist;<br />

er muss warten, wenn von hinten herannahende Fahrzeuge nicht rechtzeitig<br />

halten können.<br />

Art. 26 Kolonnen, Umzüge, Raupenfahrzeuge (Art. 35 und 36 SVG)<br />

1 Wenn geschlossene Kolonnen von Fahrzeugen, Fussgängern oder Benützern<br />

von fahrzeugähnlichen Geräten eine Fahrbahn überqueren, dürfen sie nicht unterbrochen<br />

werden. Bei Verzweigungen ist ihnen nach Möglichkeit der Vortritt zu<br />

gewähren.<br />

2 Kreuzen und Überholen von Fussgängerkolonnen und Kolonnen von Benützern<br />

von fahrzeugähnlichen Geräten sind nur in langsamer Fahrt gestattet. Trauerzüge<br />

werden in der Regel nicht überholt.<br />

3 Fahrzeugführer müssen beim Kreuzen und Überholen von Raupenfahrzeugen<br />

einen seitlichen Abstand von mindestens 1 m einhalten. Auf schmalen Strassen<br />

dürfen sie erst überholen, wenn ihnen der Führer des Raupenfahrzeugs die<br />

Strasse freigegeben hat. Dieser hat das Überholen zu erleichtern, nötigenfalls<br />

durch Halten.<br />

Art. 29 Warnsignale (Art. 40 SVG)<br />

1 Der Fahrzeugführer hat sich so zu verhalten, dass akustische Warnsignale<br />

oder Lichtsignale möglichst nicht notwendig sind. Er darf solche Signale nur<br />

geben, wo die Sicherheit des Verkehrs es erfordert; dies gilt auch für<br />

Gefahrenlichter (Art. 110 Abs. 3 Bst. b VTS).<br />

2 Der Fahrzeugführer hat akustische Warnsignale zu geben, wenn Kinder im<br />

Bereich der Strasse nicht auf den Verkehr achten und vor unübersichtlichen,<br />

engen Kurven ausserorts.<br />

…<br />

Art. 31 Verwendung der Lichter bei Motorfahrzeugen (Art. 41 SVG)<br />

…<br />

5<br />

Die Abblendlichter oder die Tagfahrlichter sollen bei Motorfahrzeugen auch<br />

tagsüber eingeschaltet sein.


396 Anhang 1: Geltendes Schweizer Recht<br />

Art. 47 Überschreiten der Fahrbahn (Art. 49 Abs. 2 SVG)<br />

1<br />

Die Fussgänger müssen, besonders vor und hinter haltenden Wagen,<br />

behutsam auf die Fahrbahn treten; sie haben die Strasse ungesäumt zu<br />

überschreiten. Sie müssen Fussgängerstreifen, Über- oder Unterführungen<br />

benützen, wenn diese weniger als 50 m entfernt sind.<br />

2<br />

Auf Fussgängerstreifen ohne Verkehrsregelung haben die Fussgänger den<br />

Vortritt, ausser gegenüber der Strassenbahn. Sie dürfen jedoch vom Vortrittsrecht<br />

nicht Gebrauch machen, wenn das Fahrzeug bereits so nahe ist, dass es nicht<br />

mehr rechtzeitig anhalten könnte.1<br />

…<br />

5<br />

Ausserhalb von Fussgängerstreifen haben die Fussgänger den Fahrzeugen<br />

den Vortritt zu lassen.<br />

…<br />

Anhang 8<br />

Gefährliche Fahrzeugteile<br />

1 Motorfahrzeugführerinnen<br />

Fahrverkehr<br />

und -führer; Verkehrsregeln im<br />

11 Frontschutzbügel müssen so ausgestaltet sein, dass sie bei Kollisionen,<br />

namentlich mit Fussgängern, Fussgängerinnen, Zweiradfahrern oder<br />

Zweiradfahrerinnen keine zusätzliche Verletzungsgefahr darstellen.<br />

12 Zierfiguren auf Bughaube und Kotflügel, inbegriffen abstrakte Gebilde,<br />

Halb- und Dreiviertelfiguren, sind untersagt; ausser wenn sie an<br />

geschützter Stelle angebracht sind, so dass ein Körper ungehindert<br />

darüber gleiten kann oder wenn sie auf leichten Druck hin ausweichen und<br />

so keine Verletzungsgefahr bilden.<br />

13 Verzierungen, die sich mehr als 3 cm über die umgebende<br />

Karosseriefläche erheben, sind nur gestattet, wenn sie ebenso breit wie<br />

hoch und abgerundet sind und in der Längsrichtung eine fliessende<br />

Begrenzungslinie ohne Verkröpfungen und dergleichen aufweisen.<br />

Verzierungen, die weniger als 3 cm hoch sind, sind gestattet, wenn sie<br />

keine scharfen Schneiden, Spitzen, Haken oder Vorsprünge aufweisen.<br />

1.4 Verkehrszulassungsverordnung (VZV) 27. Oktober 1976<br />

(Stand am 27. September 2005), SR 741.51<br />

Art. 7 Medizinische Mindestanforderungen<br />

1 Wer einen Lernfahr-, Führerausweis oder eine Bewilligung zum<br />

berufsmässigen Personentransport erwerben will, muss die medizinischen<br />

Mindestanforderungen nach Anhang 1 erfüllen.<br />

2 Wer ein Motorfahrzeug führt, für das ein Führerausweis nicht erforderlich ist,<br />

muss eine Mindestsehschärfe korrigiert oder unkorrigiert einseitig von 0,2<br />

erreichen und darf keine extreme Gesichtsfeldeinschränkung aufweisen.<br />

3 Die kantonale Behörde kann von den medizinischen Mindestanforderungen<br />

abweichen, wenn kein Ausschlussgrund nach Artikel 14 SVG vorliegt und eine mit<br />

Spezialuntersuchungen betraute Stelle dies beantragt.<br />

Art. 9 Sehtest<br />

1 Vor der Einreichung eines Gesuches um die Erteilung eines Lernfahr- oder<br />

Führerausweises oder einer Bewilligung zum berufsmässigen Personentransport<br />

muss der Gesuchsteller sein Sehvermögen bei einem Arzt oder einem von der<br />

kantonalen Behörde anerkannten Augenoptiker summarisch prüfen lassen.1 Die<br />

Prüfung erfolgt gemäss Anhang 4. Das Ergebnis ist mit dem Gesuch einzureichen.<br />

2 Folgende Funktionen werden untersucht:<br />

a. bei einem Gesuch um einen Lernfahr- oder Führerausweis der Kategorien<br />

A oder B, der Unterkategorien A1 oder B1 sowie der Spezialkategorien F, G<br />

oder M:<br />

– die Sehschärfe;<br />

– das Gesichtsfeld; und


Anhang 1: Geltendes Schweizer Recht 397<br />

– die Augenbeweglichkeit (Doppelsehen);<br />

b. bei einem Gesuch um einen Lernfahr- oder Führerausweis der Kategorien<br />

C und D, der Unterkategorien C1 oder D1 oder um eine Bewilligung zum<br />

berufsmässigen Personentransport sowie bei einem Gesuch um einen<br />

Fahrlehrerausweis der Kategorien I, II und IV zusätzlich das Stereosehen und<br />

die Pupillenmotorik.<br />

3 Der Sehtest darf nicht mehr als 24 Monate zurückliegen.<br />

Art. 11a Vertrauensärztliches Zeugnis oder Zeugnis einer<br />

Spezialuntersuchungsstelle<br />

1 Eine Untersuchung durch einen Vertrauensarzt oder eine<br />

Spezialuntersuchungsstelle, die durch die kantonale Behörde zu bezeichnen sind,<br />

ist erforderlich für Personen, die:<br />

a. den Führerausweis der Kategorien C oder D oder der Unterkategorien C1<br />

oder D1 erwerben wollen;<br />

b. die Bewilligung zum berufsmässigen Personentransport nach Artikel 25<br />

erwerben wollen;<br />

c. den Fahrlehrerausweis erwerben wollen;<br />

d. das 65. Altersjahr überschritten haben;<br />

e. körperbehindert sind.<br />

2 Die erstmalige vertrauensärztliche Untersuchung erstreckt sich auf die im<br />

ärztlichen Zeugnis in Anhang 2 genannten Punkte. Das Untersuchungsergebnis<br />

ist der kantonalen Behörde mit dem Formular nach Anhang 3 bekannt zu geben.<br />

3 Epileptiker werden nur aufgrund eines Eignungsgutachtens eines Neurologen<br />

oder eines Spezialarztes für Epilepsie zum Verkehr zugelassen.<br />

Art. 11b Prüfung des Gesuchs<br />

1 Die Zulassungsbehörde prüft, ob die Voraussetzungen für den Erwerb eines<br />

Lernfahr- oder Führerausweises (Art. 5a ff.) oder einer Bewilligung zum<br />

berufsmässigen Personentransport (Art. 25 i.V.m. Art. 11a Abs. 1 Bst. b) erfüllt<br />

sind. Sie:<br />

a. weist den Gesuchsteller zur Untersuchung an einen von ihr bezeichneten<br />

Vertrauensarzt oder eine von ihr bezeichnete Spezialuntersuchungsstelle,<br />

sofern sie an dessen körperlicher Eignung zum Führen von Motorfahrzeugen<br />

zweifelt;<br />

b. weist den Gesuchsteller zur verkehrspsychologischen oder psychiatrischen<br />

Untersuchung an eine von ihr bezeichnete Spezialuntersuchungsstelle, sofern<br />

sie an dessen charakterlicher oder psychischer Eignung zum Führen von<br />

Motorfahrzeugen zweifelt;<br />

c. weist den Gesuchsteller gemäss Artikel 11a Absatz 1 an einen von ihr<br />

bezeichneten Vertrauensarzt oder eine von ihr bezeichnete<br />

Spezialuntersuchungsstelle;<br />

d. hört einen unmündigen oder entmündigten Gesuchsteller und seinen<br />

gesetzlichen Vertreter an, sofern letzterer seine Unterschrift auf dem<br />

Gesuchsformular verweigert;<br />

e. klärt ab, ob der Gesuchsteller im ADMAS verzeichnet ist;<br />

f. kann einen Auszug aus dem Zentralstrafregister und in Zweifelsfällen einen<br />

polizeilichen Führungsbericht einholen.<br />

2 Die kantonale Behörde stellt in den Fällen von Absatz 1 Buchstaben a und b<br />

dem Vertrauensarzt oder der Spezialuntersuchungsstelle alle Akten zur<br />

Verfügung, welche die Eignung der zu untersuchenden Person betreffen.<br />

Art. 11c Amtsgeheimnis; Anerkennung von Eignungsgutachten<br />

1 Die Mitglieder, Beamten und Angestellten der Zulassungsbehörden und<br />

Beschwerdeinstanzen unterliegen hinsichtlich der ihnen bekannt gegebenen<br />

Befunde und Meldungen betreffend den körperlichen und psychischen<br />

Gesundheitszustand sowie das Sehvermögen von Gesuchstellern um einen<br />

Lernfahrausweis und Inhabern eines Führerausweises dem Amtsgeheimnis. Dies<br />

gilt nicht für den Austausch von Informationen unter diesen Behörden oder mit den<br />

begutachtenden Stellen.<br />

2 Die Befunde und Meldungen über den körperlichen und psychischen<br />

Gesundheitszustand müssen so aufbewahrt werden, dass sie von Unbefugten<br />

nicht eingesehen werden können.<br />

3 Medizinische und verkehrspsychologische Gutachten sind in allen Kantonen


398 Anhang 1: Geltendes Schweizer Recht<br />

anzuerkennen, wenn sie von einer behördlich bezeichneten Untersuchungsstelle<br />

verfasst und nicht älter als ein Jahr sind.<br />

Art. 27 Vertrauensärztliche Kontrolluntersuchung<br />

1<br />

Die Pflicht, sich einer vertrauensärztlichen Kontrolluntersuchung zu<br />

unterziehen, besteht für:<br />

a. die folgenden Fahrzeugführer bis zum 50. Altersjahr alle fünf Jahre,<br />

danach alle drei Jahre:<br />

1. Inhaber eines Führerausweises der Kategorien C und D sowie der<br />

Unterkategorien C1 und D1,<br />

2. Fahrzeugführer, die berufsmässig Personen transportieren,<br />

3. Fahrlehrer;<br />

b. über 70-jährige Ausweisinhaber alle zwei Jahre;<br />

c. Motorfahrzeugführer nach schweren Unfallverletzungen oder schweren<br />

Krankheiten.<br />

2<br />

Die kantonale Behörde kann:<br />

a. die Kontrolluntersuchungen in den Fällen von Absatz 1 Buchstaben b und c<br />

den behandelnden Ärzten übertragen;<br />

b. auf Antrag des Arztes die in Absatz 1 Buchstaben a und b genannten<br />

Fristen verkürzen;<br />

c. in anderen Fällen periodische Kontrolluntersuchungen anordnen.<br />

3<br />

Die vertrauensärztliche Untersuchung erstreckt sich auf die im ärztlichen<br />

Zeugnis in Anhang 2 genannten Punkte. Das Untersuchungsergebnis ist der<br />

kantonalen Behörde mit einem Formular nach Anhang 3 bekannt zu geben.<br />

…<br />

Art. 29 Kontrollfahrt<br />

1<br />

Bestehen Bedenken über die Eignung eines Fahrzeugführers, so kann zur<br />

Abklärung der notwendigen Massnahmen eine Kontrollfahrt angeordnet werden.<br />

2<br />

Besteht die betroffene Person die Kontrollfahrt nicht, wird:<br />

a. der Führerausweis entzogen oder der ausländische Führerausweis<br />

aberkannt. Die betroffene Person kann ein Gesuch um einen Lernfahrausweis<br />

stellen;<br />

b. ein Fahrverbot verfügt, wenn die Kontrollfahrt mit einem Motorfahrzeug<br />

absolviert wurde, zu dessen Führung ein Führerausweis nicht erforderlich ist.<br />

3<br />

Die Kontrollfahrt kann nicht wiederholt werden.<br />

…<br />

Art. 30 Vorsorglicher Entzug<br />

Der Lernfahr- oder der Führerausweis kann vorsorglich entzogen werden, wenn<br />

ernsthafte Bedenken an der Fahreignung bestehen.<br />

Art. 31 Informationspflicht<br />

Wird ein Lernfahr- oder ein Führerausweisentzug auf unbestimmte Zeit oder für<br />

immer verfügt, so informiert die Entzugsbehörde die betroffene Person bei der<br />

Eröffnung der Verfügung über die Bedingungen zum Wiedererwerb des Lernfahr-<br />

oder des Führerausweises.<br />

Art. 33 Umfang des Entzuges<br />

1<br />

Der Entzug des Lernfahr- oder des Führerausweises einer Kategorie oder<br />

Unterkategorie hat den Entzug des Lernfahr- und des Führerausweises aller<br />

Kategorien und Unterkategorien zur Folge.<br />

2<br />

Der Entzug des Lernfahr- oder des Führerausweises einer Spezialkategorie<br />

hat den Entzug des Lernfahr- und des Führerausweises aller Spezialkategorien<br />

zur Folge.<br />

3<br />

Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn ein Entzug aus<br />

medizinischen Gründen verfügt wird.<br />

Art. 67 Prüfung<br />

1 Nach Abschluss eines Kurses, frühestens aber nach sechsmonatiger Tätigkeit<br />

bei einer Zulassungsbehörde hat der angehende Verkehrsexperte eine Prüfung in<br />

den Fachgruppen nach Anhang 7 abzulegen. Der Verkehrsexperte für Führer-<br />

oder Fahrzeugprüfungen, der Verkehrsexperte für Führer- und<br />

Fahrzeugprüfungen werden will, hat die Prüfung in den Fachgruppen abzulegen,


Anhang 1: Geltendes Schweizer Recht 399<br />

in denen er nicht geprüft worden ist.<br />

2<br />

Bei der Beurteilung der Prüfung sind die Erfahrungsnoten zu berücksichtigen.<br />

…<br />

Art. 123 Meldung an Strassen Verkehrsbehörde<br />

…<br />

3 Erhält die Polizei oder eine Strafbehörde Kenntnis von Tatsachen, wie z. B.<br />

von schwerer Krankheit oder Süchten, die zur Verweigerung oder zum Entzug des<br />

Ausweises führen können, so benachrichtigt sie die für den Strassenverkehr<br />

zuständige Behörde.<br />

1.5 Signalisationsverordnung (SSV) vom 5. September 1979<br />

(Stand am 24. Februar 2004), SR 741.21<br />

Art. 22a Tempo-30-Zone<br />

Das Signal «Tempo-30-Zone» (2.59.1) kennzeichnet Strassen in Quartieren oder<br />

Siedlungsbereichen, auf denen besonders vorsichtig und rücksichtsvoll gefahren<br />

werden muss. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 30 km/h.<br />

Art. 22b Begegnungszone<br />

1 Das Signal «Begegnungszone» (2.59.5) kennzeichnet Strassen in Wohn- oder<br />

Geschäftsbereichen, auf denen die Fussgänger und Benützer von<br />

fahrzeugähnlichen Geräten die ganze Verkehrsfläche benützen dürfen. Sie sind<br />

gegenüber den Fahrzeugführern vortrittsberechtigt, dürfen jedoch die Fahrzeuge<br />

nicht unnötig behindern.<br />

2 Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 20 km/h.<br />

3 Das Parkieren ist nur an den durch Signale oder Markierungen<br />

gekennzeichneten Stellen erlaubt. Für das Abstellen von Fahrrädern gelten die<br />

allgemeinen Vorschriften über das Parkieren.<br />

Art. 22c Fussgängerzone<br />

1 «Fussgängerzonen» (2.59.3) sind den Fussgängern und Benützern von<br />

fahrzeugähnlichen Geräten vorbehalten. Wird ausnahmsweise beschränkter<br />

Fahrzeugverkehr zugelassen, darf höchstens im Schritttempo gefahren werden;<br />

die Fussgänger und Benützer von fahrzeugähnlichen Geräten haben Vortritt.2<br />

2 Das Parkieren ist nur an den durch Signale oder Markierungen<br />

gekennzeichneten Stellen erlaubt. Für das Abstellen von Fahrrädern gelten die<br />

allgemeinen Vorschriften über das Parkieren.<br />

Art. 115 Anwendung der Verordnung, Ausnahmen<br />

1 Das UVEK kann Weisungen für die Ausführung, Ausgestaltung und Anbringung<br />

von Signalen, Markierungen, Leiteinrichtungen, Strassenreklamen und dergleichen<br />

erlassen sowie diese und technische Normen als rechtsverbindlich erklären.<br />

2 Das Bundesamt kann für die Anwendung dieser Verordnung Weisungen erlassen.<br />

In besonderen Fällen kann es Abweichungen von einzelnen Bestimmungen<br />

gestatten und veränderte Symbole sowie versuchsweise neue Symbole, Signale<br />

und Markierungen bewilligen, ebenso Tafeln für Flussnamen, Wanderwege und<br />

dergleichen.<br />

3 Das Bundesamt kann Verbände des Strassenverkehrs oder andere Organisationen<br />

zur Signalisation von Flussnamen, Wanderwegen, Zeltplätzen, Telefonstationen<br />

und dergleichen ermächtigen. Die Signale dürfen nur nach den Weisungen<br />

der Behörde aufgestellt werden.


400 Anhang 1: Geltendes Schweizer Recht<br />

1.6 Verordnung über die Typengenehmigung von<br />

Strassenfahrzeugen (TGV) vom 19. Juni 1995<br />

(Stand am 16. Januar 2007), SR 741.511<br />

Art. 1 Gegenstand und Geltungsbereich<br />

1 Diese Verordnung regelt das Typengenehmigungsverfahren für dem SVG<br />

unterstehende Fahrzeuge, Fahrgestelle, Fahrzeugsysteme, Fahrzeugteile,<br />

Ausrüstungsgegenstände und Schutzvorrichtungen für Fahrzeugbenützer.<br />

1.7 Ordnungsbussenverordnung (OBV) vom 4. März 1996<br />

SR 741.031<br />

Anhang 1<br />

Bussenliste<br />

3 Motorfahrzeugführerinnen und -führer; Verkehrsregeln im<br />

Fahrverkehr<br />

337 Nichtgewähren des Vortritts bei Fussgängerstreifen (Art. 33<br />

SVG, Art. 6 Abs. 1–2 VRV)<br />

6 Radfahrerinnen und Radfahrer, Führerinnen und Führer<br />

von Motorfahrrädern; Verkehrsregeln<br />

623 Nichtgewähren des Vortritts bei Fussgängerstreifen (Art. 33<br />

SVG, Art. 6 Abs. 1–2 VRV)<br />

1.8 Obligationenrecht (OR) vom 30. März 1911<br />

(Stand am 24. Juli 2006), SR 220<br />

Fr. 140<br />

Fr. 40<br />

Art. 55<br />

C. Haftung des Geschäftsherrn<br />

1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder<br />

andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen<br />

Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den<br />

Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu<br />

verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten<br />

wäre.<br />

2 Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat,<br />

insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.<br />

Art. 58<br />

E. Haftung des Werkeigentümers<br />

I. Ersatzpflicht<br />

1<br />

Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden<br />

zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von<br />

mangelhafter Unterhaltung verursachen.<br />

2<br />

Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hierfür verantwortlich<br />

sind.


Anhang 1: Geltendes Schweizer Recht 401<br />

1.9 Bundesgesetz vom 4. Oktober 1985 über Fuss und<br />

Wanderwege (FWG)<br />

SR 704<br />

Art. 4 Planung<br />

1<br />

Die Kantone sorgen dafür, dass:<br />

a. bestehende und vorgesehene Fuss- und Wanderwegnetze in Plänen<br />

festgehalten werden;<br />

b. die Pläne periodisch überprüft und nötigenfalls angepasst werden.<br />

2<br />

Sie legen die Rechtswirkungen der Pläne fest und ordnen das Verfahren für<br />

deren Erlass und Änderung.<br />

3<br />

Die Betroffenen sowie die interessierten Organisationen und Bundesstellen<br />

sind an der Planung zu beteiligen.

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