UNISONO - Schweizer Blasmusikverband
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Aktuell <strong>UNISONO</strong> 21 • 2006<br />
Erfahrungsbericht eines begeisterten Teilnehmers<br />
Spielend neue Blasorchesterliteratur<br />
kennen lernen<br />
Vom 22. bis 24. September trafen sich rund 55 aktive Dirigenten, Bläser und interessierte Zuhörer in der<br />
BDB-Musikakademie in Staufen im Breisgau zu einem Repertoire-Wochenende, zu dem die Musikakademie<br />
und der Musikverlag De Haske geladen hatten. Als Dozenten waren die Komponisten und Arrangeure Thomas<br />
Doss aus Österreich, Gilbert Tinner aus der Schweiz sowie Wolfgang Wössner aus Deutschland dabei,<br />
um fachkundig neue Werke aus eigener Feder oder der anderer Komponisten vorzustellen.<br />
Rolf Deller<br />
Am Freitagabend geht es nach einer herzlichen<br />
Begrüssung und einem guten Abendessen<br />
gleich musikalisch mit Gilbert Tinner<br />
zur Sache.<br />
Volle Konzentration<br />
beim Blattlesen<br />
Zu Beginn finden alle ihre Noten auf ihrem<br />
Pult vor, blasen ihr Instrument ein – und los<br />
gehts! Es ist kein eingespieltes Orchester, das<br />
hier spielt, nein, es handelt sich um musikbegeisterte<br />
Individualisten aus Österreich,<br />
Deutschland und der Schweiz, die sich weiterbilden<br />
und neue Literatur kennen lernen<br />
wollen! Im Saal erklingen nun Melodien, die<br />
die wenigsten bisher kannten. Das Blattlesen<br />
der Noten erfordert volle Konzentration.<br />
Wenn auch nicht immer alles gleich perfekt<br />
gelingt, als Ganzes weiss das Ad-hoc-Orchester<br />
allemal zu gefallen. Tinner erkennt schnell,<br />
wo noch etwas verbessert werden kann, und<br />
zieht mit seiner gezielten, positiv aufbauenden<br />
Kritik die Teilnehmer/-innen in seinen<br />
Bann. Dass ihm als Jazzer der Rhythmus besonders<br />
am Herzen liegt, zeigt er mit einer<br />
eindrücklichen Demonstration anhand eines<br />
Werkes. Da wird konsequent mit der Drum-<br />
Section gearbeitet, bis das Timing stimmt.<br />
Dazu kommen anschliessend die tiefen Instrumente,<br />
die ebenfalls das Metrum übernehmen.<br />
Erst am Schluss wird als «Sahnehäubchen»<br />
die Melodie aufgesetzt. Da lässt sich<br />
mit der Flöte, Klarinette oder auch mit der<br />
Trompete leicht eine beschwingte Melodie<br />
spielen. Das Gerüst, auf dem die Melodie aufbaut,<br />
steht felsenfest! Im Burgstüble der BDB-<br />
Musikakademie wird abends noch nähere<br />
Bekanntschaft unter den Teilnehmern geschlossen,<br />
diskutiert, gefachsimpelt – und<br />
auch ein Bierchen getrunken.<br />
Interessante Erfahrungen<br />
Nach einem tollen Frühstücksbuffet erwarten<br />
uns am Samstagmorgen Thomas Doss und<br />
Wolfgang Wössner. Ersterer macht uns mit<br />
Konzertliteratur bekannt, die einem gehobenen<br />
Anspruch genügt. Mit einigen kurzen Erklärungen<br />
stellen die Dozenten vor Spielbeginn<br />
jeweils das nächste Werk vor. Da heisst<br />
Die Mitglieder des motivierten Ad-hoc-Orchesters lernen unter der Leitung von Wolfgang Wössner «spielend»<br />
ein neues Werk kennen.<br />
es dann nicht nur anspielen und kennen lernen,<br />
sondern auch heikle Passagen musikalisch<br />
auseinandernehmen. Wo ist die Hauptstimme?<br />
Hören der Bassist, die Euphonisten<br />
und die Posaunisten die wunderschön klingende<br />
Oboe? Wie sieht es mit dem Klangausgleich<br />
innerhalb der drei Klarinettenstimmen<br />
aus? Na ja, die erste Stimme darf sich schonen,<br />
die dritte hingegen soll hörbar den schönen,<br />
warmen tiefen Holzklang entwickeln. In<br />
diesem Stil geht es voran.<br />
Wolfgang Wössner hat die Musiker/-innen<br />
beziehungsweise die Literatur schnell im<br />
Griff. Er hat die keineswegs leichte Aufgabe<br />
übernommen, das Repertoire in Sachen Märsche,<br />
Polka und «Jugend musiziert» vorzustellen.<br />
Da fällt mir auf, dass bei gewissen einfachen<br />
Melodien sich plötzlich verschiedene<br />
Unstimmigkeiten einschleichen. Sind wir es<br />
nicht mehr gewohnt, bei solcher Literatur mit<br />
der uns sonst so vertrauten Konzentration zu<br />
arbeiten? Welchen Schluss ziehe ich daraus?<br />
Die Musizierenden müssen, ja sollen nach<br />
ihrem Vermögen gefordert werden! Sind sie<br />
nicht mehr bei der Sache, kann auch eine<br />
leicht zu spielende Melodie ihren musikalischen<br />
Gehalt verlieren.<br />
Am Nachmittag ist wieder voller musikalischer<br />
Einsatz mit Gilbert Tinner und Wolfgang<br />
Wössner angesagt. Nach dem Abendessen<br />
stellt jeder Referent in einem speziellen Zimmer<br />
interessierten Besuchern seine eigenen<br />
Werke vor. Man hat Gelegenheit, einmal ganz<br />
ungezwungen persönliche Fragen nach dem<br />
Arbeitsstil, dem Aufbau eines Werkes, der<br />
Quelle der musikalischen Themen usw. zu<br />
stellen. Da werden plötzlich auch Themen<br />
aufgegriffen, die das Verhältnis zwischen Dirigent<br />
und Musiker/in ansprechen; die Auswahl<br />
eines Konzertprogramms oder auch die<br />
Frage nach Literatur zum Üben oder zum Einspielen<br />
beinhalten und vieles mehr.<br />
Musikalischer Endspurt<br />
Wer gedacht hat, dass am Sonntagmorgen<br />
nach mindestens zehn Stunden «Blasmusik<br />
pur» Katerstimmung aufkommen würde, irrt.<br />
Ab 9 Uhr wird wieder gekonnt und differenziert<br />
von den neuerlich ausgeteilten Notenblättern<br />
prima-vista musiziert. Dazu ist noch<br />
zu sagen, dass der organisierende Verlag für<br />
die angespielten Noten jeweils die Partituren<br />
auflegte, damit sich Interessierte bedienen<br />
konnten.<br />
Während des gesamten Wochenendes erhielten<br />
die Teilnehmer/-innen viele wertvolle<br />
Tipps vom Fachmann. Dass man keine Zeit<br />
hat, alles aufzuschreiben, ist weiter nicht tragisch.<br />
Anhand der Noten und des ausführlichen<br />
Tagesablaufs kann jeder Teilnehmer zu<br />
Hause die interessanten Passagen sowie die<br />
Klangfarben jedes Werkes nochmals im Geiste<br />
Revue passieren lassen! Der Wunsch nach<br />
einer Wiederholung eines solchen Anlasses<br />
wurde bei den Teilnehmern/-innen bereits<br />
laut. Es war ein grossartiges Wochenende in<br />
herzlicher Atmosphäre, das sich, frei nach<br />
dem Motto der schönen Stadt Staufen, so beschreiben<br />
lässt: «Wo Fremde (Musikerinnen<br />
und Musiker) Freunde werden.»