SKIP - Das Kinomagazin Februar 2012
SKIP - Das Kinomagazin Februar 2012 - SKIP 2.0: Hier findest du SKIP - Das Kinomagazin zum online Durchblättern. Deine Lieblingskinozeitschrift als Print-Magazin gibts natürlich auch - ab sofort gratis in deinem Kino, bei Thalia und in den Bank Austria-Fi
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▶l Film<br />
INEINANDER verschlungene Körper,<br />
heiße Haut, gerötete Wangen. Eine Frau mit<br />
nackten Brüsten, stöhnend vor Lust, mit der<br />
Hand zwischen den Beinen. Eine andere, die<br />
ihren Hintern einem Mann entgegenstreckt,<br />
der gleich in sie eindringen wird. Die Bilder<br />
sind unwiderstehlich: Erotisches Begehren<br />
ist immer an der Wurzel unseres Tuns und<br />
beeinflusst, was wir denken und wie wir<br />
handeln. Kein Grund, um den heißen Brei zu<br />
reden. Doch wer sein Leben nicht mehr im<br />
Griff hat, weil er den ganzen Tag bestimmt<br />
wird von Sexfantasien, hat ein Problem.<br />
So geht es Brandon (Michael Fassbender):<br />
Der attraktive New Yorker hat einen guten<br />
Job, einen durchtrainierten Körper, ein gewinnendes<br />
Lächeln. Ist er in der U-Bahn unterwegs,<br />
fallen viele begehrliche Blicke in<br />
seine Richtung. Und fängt er den Blick einer<br />
Frau auf, hält er ihn fest. Jede Begegnung<br />
ein Flirt, jeder Flirt ein Versprechen auf Sex.<br />
Und viele dieser Versprechen werden atemlos<br />
eingelöst, in einem Hotelzimmer, in einem<br />
Hauseingang. Für Brandon sind die<br />
Frauen dieser Stadt wie ein Buffet, immer<br />
verfügbar, und er ist immer hungrig. Doch<br />
egal, wie viele er nimmt, es gelingt ihm<br />
nicht, sein Begehren zu stillen. Im Büro<br />
schaut er Pornos und onaniert auf der Toilette,<br />
daheim hat er per Webcam Sex, nachts<br />
076 <strong>SKIP</strong> FEBRUAR<br />
geht er in Clubs, kauft Prostituierte. Es ist<br />
ein ununterbrochener Orgasmus, der nie Befriedigung<br />
bringt, sondern nur noch größere<br />
Begierde. Es ist Sexsucht. Und wie jede Sucht<br />
frisst sie sich in seinen Alltag.<br />
Der erste Riss in der Fassade kommt, als<br />
Brandons Computer nicht mehr im Büro<br />
steht. Er sei virenverseucht und werde neu<br />
aufgesetzt, beruhigt ihn sein Chef. Brandon<br />
lässt sich nichts anmerken, ist aber nervös:<br />
Was, wenn die Techniker auf der Festplatte<br />
seine Pornosammlung finden? Dann taucht<br />
▶l 09 03 <strong>2012</strong><br />
DRAMA. OT: SHAME. Großbritannien 2011. LÄNGE: 100<br />
Min. REGIE: Steve McQueen. BUCH: Steve McQueen, Abi<br />
Morgan. KAMERA: Sean Bobbitt. SCHNITT: Joe Walker.<br />
MUSIK: Harry Escott. PRODUKTION: Iain Canning, Emile<br />
Sherman. DARSTELLER: Michael Fassbender, Carey Mulligan,<br />
James Badge Dale, Nicole Beharie. VERLEIH: Filmladen.<br />
Gefangen im Begehren. One-Night-Stands, Prostituierte, Pornografie:<br />
Brandon (Michael Fassbender) hat seine Sexsucht nicht im Griff – auch<br />
nicht, als seine kleine Schwester Sissy (Carey Mulligan) ihn braucht.<br />
Shame<br />
Er ist schön, er ist sexy, die Frauen liegen ihm zu Füßen. Er führt ein<br />
beneidenswertes Leben. Doch er steht am Rande des Abgrunds: Der<br />
sensationelle MICHAEL FASSBENDER (Eine dunkle Begierde) gibt<br />
unter der Regie von STEVE McQUEEN (Hunger) als Sexsüchtiger alles.<br />
Brandons kleine Schwester Sissy (Carey<br />
Mulligan) auf und quartiert sich in seiner<br />
Wohnung ein, fordert Aufmerksamkeit, gar<br />
Liebe. Im Grunde ist sie genauso kaputt wie<br />
Brandon, rücksichtslos, klammernd. Brandon<br />
wird panisch. Als sie ihn einlädt, zu ihrem<br />
Auftritt in einem Jazzclub zu kommen,<br />
sagt er trotzdem zu, und als sie, in der intimsten,<br />
wundervollsten Szene des Films<br />
eine herzzerbrechende Version von New<br />
York, New York singt, läuft ihm eine Träne<br />
die Wange hinunter. In Brandon ist nur<br />
mehr Schmerz. <strong>Das</strong>, was er wirklich braucht<br />
– echte Zuneigung nämlich – kann und will<br />
er nicht annehmen. Und wahrscheinlich ist<br />
es schon zu spät …<br />
In ihrer zweiten Zusammenarbeit nach dem<br />
überwältigenden Hunger (2008), in dem Fassbender<br />
einen IRA-Kämpfer im Hungerstreik<br />
porträtierte, schaffen Ausnahmeregisseur<br />
Steve McQueen, einer der wesentlichsten<br />
britischen Gegenwartskünstler, und der unglaublich<br />
talentierte Michael Fassbender große<br />
Kinokunst: Shame ist eine Bestandsaufnahme<br />
einer Gesellschaft im Erotiktaumel, eine verquere<br />
Hommage an New York, ein inniger<br />
Blick auf eine schmerzhafte Geschwisterliebe,<br />
ein verführerisch schön gefilmtes,<br />
kompromissloses Stück Kino über die Gefahr<br />
der Verführung: ein Meisterwerk. MM