Bernhard Blanke: „Erzählungen“ vom Aktivierenden Staat - ISPS eV
Bernhard Blanke: „Erzählungen“ vom Aktivierenden Staat - ISPS eV
Bernhard Blanke: „Erzählungen“ vom Aktivierenden Staat - ISPS eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
„deren simultane Verfolgung nur im Sinne eines Optimierungsprozesses möglich ist,<br />
bei dem immer wieder einzelne Ziele zugunsten anderer zurückgestellt werden<br />
(müssen), sich diese jedoch im Zeitverlauf ausgleichen sollen“ (<strong>Blanke</strong>/Schridde<br />
2000).<br />
Das Leitbild des „<strong>Aktivierenden</strong> <strong>Staat</strong>es“ ist in einer konkreten politischen Situation (vgl.<br />
Schridde 2005a), nämlich in einer kritischen Phase der Verwaltungsreform in Niedersachsen<br />
und in der Vorbereitung des politischen Führungspersonals auf die Landtagswahl 1998<br />
emergent (Mintzberg) weiterentwickelt worden, weil solche Konflikte und Spannungslinien<br />
in einer strategisch entscheidenden – und wahrscheinlich durchaus paradigmatischen –<br />
Debatte zu Tage getreten waren.<br />
Bei einem clash of interests zwischen Fachbeamten des für die Verwaltungsreform<br />
zuständigen Innenministeriums, dem Regierungssprecher (und Redenschreiber) Schröders,<br />
Uwe Karsten Heye, und der AG Aufgabenkritik (mit meiner beratenden Beteiligung) geriet<br />
die Debatte in eine Zwickmühle. Es ging um das Thema Reduktion der <strong>Staat</strong>sausgaben und<br />
-aufgaben:<br />
– die eine Seite trug vor, dass die reine Binnenmodernisierung an ihre Grenzen geraten sei<br />
und dem Bürger im Wahlkampf reiner Wein eingeschenkt werden müsse, insbesondere<br />
bezüglich der dramatischen Lage des Landeshaushaltes (eher Idee “Schlanker <strong>Staat</strong>“);<br />
– die andere Seite reagierte empört: „der Gerd kann doch im Wahlkampf den Bürgern keine<br />
Sparpolitik verkaufen! Das ist doch politischer Selbstmord“ (eher Idee „Stimmenkauf im<br />
Wohlfahrtsstaat“):<br />
– aufgrund der Vorarbeiten in der AG Aufgabenkritik (1997) stellte ich (in meiner Rolle als<br />
neutraler Wissenschaftler) die simple Frage, woher „die Politik“ denn wüsste, dass „der<br />
Bürger“ nur Ansprüche stelle, vielleicht seien die Bürger ja zu Verzichten und zur<br />
Eigenverantwortung bereit (Idee des „verantwortlichen Bürgers“).<br />
Bürgerschaftliche Aufgabenkritik<br />
Dank der Innovationsfähigkeit der versammelten Gruppe und der Finanzierungszusagen der<br />
<strong>Staat</strong>skanzlei wurde vor Ort beschlossen, eine Bürgerbefragung rechtzeitig vor der Wahl<br />
durchzuführen, mit der mein Institut 7 (in Kooperation mit EMNID) beauftragt wurde.<br />
Henning Schridde und ich haben später bei der Auswertung der Bürgerbefragung diese<br />
„Situation“ in einem Schaubild festgehalten, in welchem auch praktische Handlungslinien der<br />
ablaufenden Reformpolitik ganzheitlich dimensioniert und operationalisiert werden sollten.<br />
Hieraus lässt sich schon die Grundlage der niedersächsischen Idee des „<strong>Aktivierenden</strong><br />
<strong>Staat</strong>es“ erkennen.<br />
Die Arbeitsgruppe Aufgabenkritik hatte geschrieben: „Bürgerschaftliche Aufgabenkritik ist<br />
keine einmalige Aufgabe, sondern ein fortlaufender Prozeß ständiger Überprüfung der<br />
Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung durch Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit Politik<br />
und Verwaltung“ (1997, S.78). Die Bürgerbefragung sollte diesen Prozess einleiten. Eine<br />
Spiegelbefragung der Mitarbeiter der Landesverwaltung sollte unmittelbar folgen (wurde aber<br />
erst 1999 ‚bewilligt‘). Ein großer gesellschaftspolitischer Diskurs war geplant (AG<br />
Aufgabenkritik 1998, S. 23 ff.), versandete dann aber unter einem der <strong>Staat</strong>smodernisierung<br />
und Verwaltungsreform desinteressiert gegenüberstehenden Ministerpräsidenten, der diese<br />
Fragen nicht in eigener Führungsverantwortung (Böhret 1998) wahrnahm, sondern dem<br />
Beauftragten für die <strong>Staat</strong>smodernisierung übertrug, in dessen Stabsstelle die<br />
<strong>Staat</strong>smodernisierung zunehmend unter einflussreichen Ministerialbeamten auf den Bereich<br />
Bürgerengagement reduziert wurde. Organisationsentscheidungen des Ministerpräsidenten<br />
zur Zuständigkeit für die Reformen sorgten zudem für eine Aufsplitterung und für eine<br />
Abschwächung der Gesamtsicht von <strong>Staat</strong>smodernisierung. (In Rheinland-Pfalz gelang es<br />
4