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Bernhard Blanke: „Erzählungen“ vom Aktivierenden Staat - ISPS eV

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werden sollen, fehlt – außer den allgemeinen Fundamenten des Rechtsstaates – die<br />

Voraussetzung für das Erfordernis der öffentlichen Relevanz. Das bedeutet, dass der<br />

Unterschied, der den Unterschied macht, die Trennlinie privat-öffentlich darstellt. Aber<br />

auch diese ist verhandelbar. In der weiteren Entwicklung des zivilgesellschaftlichen Diskurses<br />

bleibt sie aber allzu häufig nebulös.<br />

Die Enquete-Kommission zum Bürgerschaftlichen Engagement verwendete die Begriffe<br />

Bürgergesellschaft und Zivilgesellschaft explizit synonym. Scharfsinnig hatte ein Mitglied der<br />

Kommission bereits eingewandt:<br />

„Während Bürgergesellschaft die Vision einer Gesellschaft beschreibt, in der Bürgerinnen<br />

und Bürger ihre Rechte und Pflichten im Sinne von citoyens voll ausleben können,<br />

kennzeichnet der Begriff der Zivilgesellschaft den Ausschnitt der gesellschaftlichen<br />

Wirklichkeit, der die selbstermächtigten, selbstorganisierten und selbstverantwortlichen<br />

Tätigkeiten und Körperschaften beinhaltet“ (Rupert Graf Strachwitz, Bericht, S. 60).<br />

Der Begriff der Zivilgesellschaft bleibt in seiner Wirkung einer eher ordnungspolitischen,<br />

organisationspolitischen und sektoralen Denkweise verhaftet, die mit spezifischen policy<br />

communities (insbesondere der Freien Wohlfahrt) verbunden ist. Unterscheidet man aber<br />

civic und civil, kommt der erste Begriff dem „<strong>Aktivierenden</strong> <strong>Staat</strong>“ näher, weil er den<br />

„Bürger im <strong>Staat</strong>“ bezeichnet, der seine autonome Rolle keineswegs unterschätzt.<br />

In der Bürgerbefragung in Niedersachsen, auf deren empirischer Grundlage das auch von<br />

mir zu verantwortende Konzept des <strong>Aktivierenden</strong> <strong>Staat</strong>es basiert, wurde diese Trennlinie von<br />

den befragten Bürgern deutlich herausgearbeitet. Aber das weitere wichtige Ergebnis der<br />

Befragung war, dass der Kerngedanke der Kooperation von <strong>Staat</strong> und Bürgern und der<br />

Koproduktion öffentlicher Leistungen (vgl. <strong>Blanke</strong>/Schridde 1999; Braun 2001) keineswegs<br />

eine theoretische Konstruktion darstellt, sondern von den befragten Bürgerinnen und Bürgern<br />

(selbstredend mit den bekannten sozialstrukturellen Unterschieden) geteilt wurde. In der<br />

Interpretation der Daten sind wir noch weitergegangen und haben einen „psychologischen<br />

Vertrag“ zwischen <strong>Staat</strong> und Bürgern entdeckt, der impliziert, dass die Bürger nur dann zu<br />

über die Privatinitiative hinausgehender Eigentätigkeit und Eigenverantwortung zu bewegen<br />

sind, wenn sie das Vertrauen haben, dass der <strong>Staat</strong> dies nicht nur zu seiner eigenen<br />

Entlastung fordert, sondern selbst alle seine Potentiale einer ‚guten Regierung‘ ausschöpft.<br />

Insbesondere wird <strong>vom</strong> <strong>Staat</strong> erwartet, dass er sich selbst bezüglich guter Haushaltswirtschaft<br />

und Politikmanagement aktiviert. Das Konzept der Partizipation bezieht sich dann weniger<br />

auf weitere Aktivierung im direktdemokratischen und repräsentativen Bereich des politischen<br />

Systems, sondern darauf, den Bürger „mit eigenverantwortlichen Leistungen in den<br />

Produktionsprozess öffentlicher Leistungen“ einzubinden. „Die Potentiale des<br />

Bürgerengagements sollen Synergieeffekte für die <strong>Staat</strong>smodernisierung erzeugen“<br />

(<strong>Blanke</strong>/Schridde 1999, S. 5; vgl. hierzu auch Klages 1998; Bogumil 2005 und das<br />

interessante Resümee bei Embacher/Lang 2008, S. 213-237).<br />

In einer Spiegelbefragung der Mitarbeiter des Landes Niedersachsen zur <strong>Staat</strong>modernisierung<br />

und Verwaltungsreform sollte die komplementäre Aufnahmebereitschaft der Verwaltung<br />

abgefragt werden, und wir fanden analoge Vorstellungen (<strong>Blanke</strong>/Schridde/Metje 2000).<br />

Für uns war damit der „Managementzyklus“ (Abb. 1) wieder geschlossen.<br />

Theorien im Hintergrund<br />

Schon als Ergebnis der „Sozialbilanz Niedersachsen“ stand für uns der Slogan fest: statt<br />

„schleichender Privatisierung neue Verantwortungsverteilung“ (<strong>Blanke</strong>/von Bandemer 1995).<br />

Nun ist auch diese Vorstellung als solche nicht originell. In der öffentlichrechtlichen Theorie<br />

des Gewährleistungsstaates, die über die Mitarbeit von Gunnar Folke Schuppert (siehe auch<br />

die Überblicke bei Schuppert 2003) in die Reformdebatte auf Bundesebene eingebracht<br />

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