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Supraleitendes Gravimeter - Institut für Geophysik - Universität ...

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Schwerpunkt<br />

2) v stimmt nur dann<br />

mit V überein, wenn die<br />

Kreiselschwingungen<br />

nicht angeregt sind.<br />

eine Rotation der beiden Teile um<br />

leicht unterschiedliche Achsen. Man<br />

schreibt:<br />

L · K + v × LK = N (9)<br />

L · M + v × LM =–N (10)<br />

L K und L M sind dabei die Drehimpulsvektoren<br />

von Kern bzw. Mantel.<br />

N ist die Summe aller Wechselwirkungen<br />

(topographisch, elektromagnetisch,<br />

gravitativ, viskos) zwischen<br />

Mantel und Kern. Als wichtigste<br />

wird die sog. Druck- oder Trägheitskopplung<br />

angesehen: Wenn Kern<br />

und Mantel nicht um dieselbe Achse<br />

rotieren, entstehen durch die ellipsoidische<br />

Form der Kern-Mantel-<br />

Grenze Druckkräfte, die versuchen,<br />

die beiden Achsen zusammenzubringen.<br />

Setzt man nun die entsprechen-<br />

den Größen ein, so erhält man zwei Eigenfrequenzen<br />

<strong>für</strong> freie Wobble-Bewegungen der Erde:<br />

A<br />

sCW = ⋅a⋅ 1 −d ⋅V<br />

A<br />

und<br />

Abb. 8:<br />

Aus der mit raumgeodätischen Methoden<br />

ermittelten Polbewegung lässt sich die<br />

lokale Änderung der Zentrifugalbeschleunigung<br />

berechnen, die der Wobble-<br />

Periode von rund 400 Tagen folgt. Die<br />

<strong>für</strong> Straßburg berechnete Änderung<br />

(blau) lässt sich auch lokal mit supraleitenden<br />

<strong>Gravimeter</strong>n detektieren (rot).<br />

Von letzterer sind die bekannten Erdgezeiten<br />

sowie atmosphärische und hydrologische<br />

Effekte subtrahiert worden.<br />

54<br />

M<br />

F<br />

HG<br />

bg<br />

A<br />

sNDFW =−V ⋅ 1 + aK−b ,<br />

A<br />

M<br />

bg<br />

I<br />

KJ<br />

(11)<br />

(12)<br />

wobei a =(C–A)/A und a K =(C K –A K )/A K die dynamischen<br />

Elliptizitäten von Erde und Kern sind. A, A K und<br />

A M sind die äquatorialen, C, C K und C M die polaren<br />

Trägheitsmomente [11] von ganzer Erde, Kern und<br />

Mantel, V ist die mittlere Winkelgeschwindigkeit der<br />

Erde. Die erste der Rotationseigenschwingungen ist der<br />

berühmte Chandler-Wobble, dessen Drehsinn mit der<br />

Erdrotation übereinstimmt (prograd). Die zweite wird<br />

je nach Sichtweise als „Nearly Diurnal Free Wobble“<br />

(NDFW) oder als freie Kern-Nutation (FCN) bezeichnet;<br />

aufgrund des Vorzeichens in Gl. (12) verläuft sie<br />

entgegen der Erdrotation (retrograd).<br />

Abbildung 7 zeigt beide Wobbles in einer anschaulichen<br />

Darstellung: Der körperfeste Kegel (Achse =<br />

Figurenachse) rollt reibungslos auf bzw. in dem raum-<br />

Physik Journal<br />

1 (2002) Nr. 10<br />

Abb. 9:<br />

Die Antwort der Erde auf die von den<br />

Gezeitenkräften ausgeübten Drehmomente<br />

weist eine Resonanz auf, die von<br />

dem Nearly Diurnal Free Wobble verursacht<br />

wird und mit <strong>Gravimeter</strong>n detektiert<br />

werden kann (Messpunkte).<br />

Unterlegt ist die Modellkurve <strong>für</strong> die<br />

Parameter T FCN = 432 Sterntage und Q FCN<br />

=310 4 . Die zugrundeliegende Gezeitenregistrierung<br />

von 1996 bis 2000 wurde<br />

mit einem supraleitenden <strong>Gravimeter</strong> bei<br />

Straßburg erstellt.<br />

Abb. 7:<br />

Darstellung der beiden Kreisel-Eigenschwingungen<br />

der Erde mit aufeinander<br />

abrollenden Kegeln. L ist die Drehim-<br />

pulsachse (Achse des raumfesten Kegels),<br />

e ∧<br />

3 ist die Figurenachse (Achse des körperfesten<br />

Kegels) und v die momentane<br />

Rotationsachse. Die Öffnungswinkel aller<br />

Kegel sind hier stark übertrieben gezeichnet.<br />

Das wirkliche Winkelverhältnis<br />

zwischen äußeren und inneren Kegeln<br />

beträgt in beiden Fällen etwa 1:400.<br />

festen Kegel (Achse = Drehimpulsachse)<br />

ab. Die Berührungslinie der<br />

beiden Kegel ist die momentane<br />

Rotationsachse. Drehimpuls, momentane<br />

Rotationsachse und Figurenachse<br />

bleiben immer in einer<br />

Ebene 2) .<br />

Für eine starre Erde ohne flüssigen<br />

Kern reduziert sich Gl. (11) auf<br />

s CW = a V, mit der Euler-Periode<br />

von 305 Sterntagen. Ein Anteil des<br />

Äquatorwulstes besteht jedoch aus<br />

der momentanen Reaktion der elastischen<br />

Erde auf die Fliehkraft und<br />

dieser Anteil trägt damit nicht zum<br />

„Rückstellmoment“ bei. Dies führt<br />

über die Konstante d zu einer Periodenverlängerung.<br />

Andererseits ist<br />

der flüssige Erdkern nur schwach<br />

an den Mantel gekoppelt und<br />

nimmt am Wobble nicht teil, dies<br />

verkürzt die Periode wieder mittels des Faktors A/A M .<br />

Mit realistischen Zahlen führt dies auf eine Periode<br />

von 397 Sterntagen. Es kommen zwei weitere Periodenverlängerungen<br />

hinzu [12]: 29,8 Sterntage durch<br />

die momentane Einstellung der Ozeanoberfläche auf<br />

die Fliehkräfte und 8,5 Sterntage durch die Relaxation<br />

der Elastizität des Mantels gegenüber seismischen Frequenzen<br />

(Anelastizität). Damit ist die Periode des<br />

Chandler-Wobble im Prinzip verstanden, wobei die<br />

letzten beiden Terme noch etwas voraussetzungsbehaftet<br />

sind. Der Chandler-Wobble hat einen Gütefaktor<br />

unter 100, als dissipative Prozesse kommen Anelastizität<br />

im Erdmantel, viskose Reibung, elektromagnetische<br />

und topographische Kopplung an der Kern-Mantel-Grenze<br />

sowie Reibung in den Ozeanen in Frage.<br />

Frequenz und Gütefaktor des Chandler-Wobble sind<br />

sehr wichtige Messgrößen zur Ermittlung der Frequenzabhängigkeit<br />

der Elastizität des Erdmantels<br />

(Rheologie).<br />

Der Chandler-Wobble wird dauernd angeregt, wobei<br />

als Energiequellen die Atmosphäre, die Ozeane und<br />

Erdbeben (Veränderungen der Trägheitsmomente) diskutiert<br />

werden. Die Atmosphäre scheint nur etwa ein<br />

Drittel der nötigen Energie liefern zu können, Erdbeben<br />

sind nicht sicher als Quellen identifiziert worden.<br />

R. Gross behauptet, die restlichen zwei Drittel in den<br />

Ozeanen gefunden zu haben [14].<br />

Heute wird die Orientierung der Erdachse im Raum<br />

vom Internationalen Erdrotationsdienst kontinuierlich<br />

mit Methoden wie Radiointerferometrie mit langer Basis<br />

(VLBI), Laser-Entfernungsmessungen zum Mond<br />

(LLR) und zu Satelliten (SLR) sowie GPS mit hoher<br />

Präzision gemessen. Supraleitende <strong>Gravimeter</strong> sind in<br />

der Lage, die mit den Wobbles assozierten Änderungen<br />

der lokalen Zentrifugalbeschleunigung von etwa 40–80<br />

nm/s 2 im Jahres- und 14-Monats-Rhythmus aufzulösen<br />

(Abb. 8). Etwa 16 % dieses Effekts sind auf die elastische<br />

Deformation der Erde durch die Fliehkräfte<br />

zurückzuführen. Eine genaue Messung dieses Anteils<br />

würde einen neuen Eckwert <strong>für</strong> die Mantelrheologie<br />

liefern, da die elastischen Modulen gegenüber denen<br />

bei den mehr als vier Größenordnungen höheren seismischen<br />

Frequenzen dadurch kleiner sind.<br />

Die Amplitude der freien Kern-Nutation ist etwa<br />

400mal so groß wie die des NDFW. Diese Schwingung<br />

wird auf zwei Arten beobachtet. Zunächst ist die Nuta-

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