B2.Streetwork Jahresbericht 2009 - KIM - Soziale Arbeit eV
B2.Streetwork Jahresbericht 2009 - KIM - Soziale Arbeit eV
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<strong>B2.Streetwork</strong> <strong>Jahresbericht</strong> <strong>2009</strong>
INHALT<br />
Vorwort<br />
<strong>B2.Streetwork</strong><br />
Personal<br />
Grundlagen -<br />
<strong>Arbeit</strong>sansatz und Menschenbild<br />
<strong>Arbeit</strong>sbereiche<br />
Spenden<br />
Statistik<br />
Weitere Teilbereiche und Angebote des B2<br />
ABS –<br />
Alltagsbegleitung bei Substitution<br />
KISS –<br />
Selbstkontrollierter Konsum illegaler Drogen<br />
Journal<br />
Armut und <strong>Arbeit</strong>slosigkeit –<br />
und die Auswirkungen auf die Szene<br />
Über den Tellerrand hinaus -<br />
Diamorphin-Abgabe und Konsumräume in anderen Städten<br />
Substitutvergabe –<br />
Neue Richtlinien ab 2010<br />
Interview mit einem Drogenabhängigen<br />
<strong>KIM</strong>-Einrichtungen aus dem Suchtbereich<br />
Ausblick<br />
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5<br />
7<br />
9<br />
10<br />
12<br />
30<br />
31<br />
43<br />
47<br />
53<br />
59<br />
65<br />
68<br />
72<br />
80
Vorwort<br />
Geschäftsleitung<br />
Jeden Tag werden in unserem B2.Kontakt-Café die Toiletten und<br />
Duschen gründlich gereinigt. Organisiert von den KollegInnen,<br />
durchgeführt von zuverlässigen Gästen, die sich in guten Phasen<br />
mit der wiederkehrenden Aufgabe den Alltag strukturieren und einen<br />
kleinen Obulus verdienen können – ein Pack Tabak, ein Mittagessen.<br />
Heinz Plaumann, unser Koch und Hausmeister kontrolliert<br />
das Reinigungsergebnis, besorgt Desinfektionsmittel und Verbrauchsmaterialien<br />
und greift selbst zu Schrubber und Schlauch,<br />
wenn doch einmal der Putzer / die Putzerin nicht erscheint.<br />
Es ist kein Job wie jeder andere: Toiletten verstopfen häufig, wenn Spritzenbestecke<br />
schnell entsorgt werden (müssen). Manches bleibt liegen in der Eile, Hygiene ist oft<br />
zweitrangig, Infektionen und Abszesse sind Nebenwirkungen. Es folgt das Unbehagen<br />
der Reinigungskräfte, obwohl sie alles schon mal selbst erlebt haben.<br />
Trotz häufiger Kontrollen durch die SozialarbeiterInnen, auch während (!) der Toilettengänge<br />
unserer Gäste, sind die Toiletten ein Ort, an dem in der Not auch mal hastig<br />
der Schuss gesetzt wird. Schnell aufkochen, abbinden, aufziehen, injizieren, abdrücken<br />
– Entlastung, Spritze liegen lassen. Schnell wieder raus – bloß nicht auffallen.<br />
Wer beim Konsum im Haus bzw. auf der Toilette erwischt wird, erhält ein mehrtägiges<br />
Haus- und Geländeverbot – wir dürfen keine Gelegenheit zum Konsum bieten.<br />
Es ist nicht leicht, bei rund 80 Gästen täglich stets alles und jeden im Blick zu behalten.<br />
Drogenabhängige Menschen müssen konsumieren – gespritzt wird hinter Büschen,<br />
Ecken, aber auch auf öffentlichen Toiletten, in Kranken-, Kauf-, Park- oder<br />
Treppenhäusern. Oft draußen und irgendwie meistens heimlich, unhygienisch, hastig<br />
und mit dem Risiko der Entdeckung. Dreck birgt Infektionsgefahr, Überdosierung und<br />
schlechter Stoff nach wie vor den Tod, der selten in der örtlichen Presse große Beachtung<br />
findet.<br />
Lange wurde auch in Paderborn über einen sogenannten (legalen) Gesundheitsraum<br />
für Schwerstabhängige diskutiert. Mancherorts wurden sie eingerichtet, z.B. in Bielefeld,<br />
wo mittlerweile 120 bis 150 Konsumvorgänge täglich unter professioneller medizinischer<br />
Kontrolle stattfinden. Die über Jahre wissenschaftlich begleitete ‚Heroinstudie‘<br />
legt nahe, dass für einen Teil der Schwerstabhängigen sogar die Originalstoffvergabe<br />
mit Diamorphin den herkömmlichen Substitutionsmitteln (Methadon, Polamidon)<br />
vorzuziehen ist.<br />
von<br />
Günter Helling<br />
(Dipl.-Pädagoge)<br />
Leiter des<br />
<strong>B2.Streetwork</strong><br />
5
6<br />
Zwar sind mit der Gesetzesverabschiedung am 15. Juni <strong>2009</strong> die rechtlichen Rahmenbedingungen<br />
für eine diamorphingestützte Behandlung geschaffen worden,<br />
eine mögliche Umsetzung scheitert jedoch bisher an den fehlenden Durchführungsbestimmungen,<br />
die noch vom Land NRW erlassen werden müssen. Auch<br />
wenn die rechtlichen Hürden letztendlich genommen werden, so wird uns ein solches<br />
Angebot nicht wirklich entlasten. Zu klein wird die Gruppe derer sein, die tatsächlich<br />
in die nähere Auswahl kommen. Für diese ‚Glückspilze‘ allerdings eröffnet<br />
sich ein Leben jenseits von Beschaffungskriminalität mit der bescheidenen Perspektive<br />
von ein wenig Lebensqualität.<br />
In unserem Paderborner Alltag der ‚niedrigschwelligen Drogenhilfe‘ tauschen wir<br />
kostenlos neue Spritzen gegen alte, lassen alte Spritzen einsammeln, geben neue<br />
Spritzen bei Bedarf. Natürlich nur an Schwerstabhängige, die damit zumindest ihr Infektionsrisiko<br />
(Hepatitis, HI-Virus/AIDS) für sich selbst und andere mindern. 105.000<br />
Stück gaben wir im Jahr <strong>2009</strong> heraus, rund 10% mehr als 2008 und doch sind damit<br />
erst ca. 15% der geschätzten Konsumvorgänge in Paderborn erreicht.<br />
Ob die Zahl der Schwerstabhängigen in Paderborn zunimmt, wagt niemand zu schätzen.<br />
Signifikante Veränderungen können wir vermuten, aber nicht dokumentieren.<br />
Unsere Aufgabe ist es, überhaupt den Kontakt zu dieser problematischen Zielgruppe<br />
aufzunehmen und ihn dann auch halten zu können. Erst dann können wir für mögliche<br />
Hilfen, wie bspw. eine Substitutionsbehandlung oder auch den schrittweisen<br />
Ausstieg (z.B. über kontrollierten Konsum / KISS) motivieren. Mit ihrer engagierten,<br />
teils aufreibenden und nervenzehrenden <strong>Arbeit</strong> in Kontakt-Café, Notübernachtung,<br />
Beratung und Streetwork ist dies den hier tätigen SozialarbeiterInnen in vielen Fällen<br />
gelungen. Nicht zu vergessen ist der Einsatz mehrerer HelferInnen, ohne deren Engagement<br />
das tägliche Pensum an Bewirtschaftungsroutinen im ‚<strong>B2.Streetwork</strong>‘ nicht<br />
zu schaffen wäre. Allen voran unser Kollege Heinz, der mit seinem goldenen Kochlöffel<br />
dafür sorgt, dass mit einer günstigen und immer leckeren Mahlzeit die Voraussetzungen<br />
für ein offenes Ohr geschaffen werden.<br />
Günter Helling.
... niederschwellige und akzeptanzorientierte<br />
Drogenhilfe.
<strong>B2.Streetwork</strong><br />
Busdorfwall 2<br />
33098 PB<br />
<strong>B2.Streetwork</strong>. Straßensozialarbeit in Paderborn.
<strong>B2.Streetwork</strong><br />
<strong>KIM</strong> – <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> e.V.<br />
Geschichte Der <strong>KIM</strong> - <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> e.V. betreibt seit<br />
1987 im Auftrag der Stadt Paderborn aufsuchende Straßensozialarbeit.<br />
Diese, in Fachkreisen ‚Streetwork' genannte Herangehensweise<br />
an problembeladene Randgruppen in deren<br />
sozialem Umfeld, hat eine rege Entwicklung erlebt. Während<br />
zunächst vagabundierende junge Wohnungslose im Stadtgebiet<br />
aufgesucht wurden, konnte in der Folge bereits eine sogenannte<br />
‚Krisenwohnung' in der Königsstraße als konkrete<br />
Hilfeergänzung und Basis für weitere Hilfen zur Verfügung<br />
gestellt werden. Mittlerweile hat die Einrichtung nun seit<br />
2002 am Busdorfwall 2 als <strong>B2.Streetwork</strong> ihr drittes Zuhause<br />
bezogen.<br />
<strong>Arbeit</strong> Das <strong>B2.Streetwork</strong> arbeitet niedrigschwellig<br />
und akzeptanzorientiert. Im Rahmen der Streetwork suchen<br />
wir wohnungslose und/oder suchtmittelabhängige Personen<br />
im Stadtgebiet auf, um mit einem möglichst breiten<br />
Spektrum an Angeboten weitere Verelendung zu vermeiden<br />
und konkrete Hilfen bei Alltagsproblemen zu leisten.<br />
Die Beratungsschwerpunkte beziehen sich auf konkrete Unterstützung<br />
bei der <strong>Arbeit</strong>s- und Wohnungssuche, Ernährung,<br />
Hygiene und Infektionsprophylaxe, Spritzentausch, Behördenangelegenheiten,<br />
Schuldenregulierung etc. Ein besonderer<br />
Schwerpunkt liegt in der Alltagsbegleitung bei<br />
Substitution (ABS), die die psychosoziale Stabilisierung bei<br />
abstinenzwilligen Menschen fördert.<br />
Zusammen mit den flankierenden Angeboten des Kontakt-<br />
Cafés und der Not-Übernachtungsstelle ermöglichen wir auf<br />
niedrigschwelligem Niveau den leichten Zugang zu unseren<br />
Hilfen.<br />
<strong>B2.Streetwork</strong><br />
Busdorfwall 2<br />
33098 Paderborn<br />
Tel. 05251/27298<br />
Fax 05251/205683<br />
b2.streetwork<br />
@kim-paderborn.de<br />
6 SozialarbeiterInnen im B2<br />
1 Sozialarbeiter in der ABS<br />
1 Hausmeister und Koch<br />
1 Hilfskraft im Bereich<br />
Hauswirtschaft<br />
1-2 Brückenjobler von InVia<br />
9 studentische Hilfskräfte<br />
14 Schlafplätze für Männer<br />
8 Schlafplätze für Frauen<br />
tägliche Aufnahme von<br />
18.00 bis 19.45 Uhr<br />
Frauen und Männer<br />
ab 18 Jahren<br />
aus dem Raum Paderborn<br />
Aufenthaltsdauer<br />
bis zu 6 Wochen<br />
9
10<br />
Hauptamtliche SozialarbeiterInnen<br />
Personal<br />
In <strong>B2.Streetwork</strong> mit den Bereichen Kontakt-Café, Beratung, Übernachtung und<br />
Streetwork waren in <strong>2009</strong> fünf Planstellen anteilig mit sieben Fachkräften besetzt.<br />
Dipl.-Pädagoge<br />
stellvertr.<br />
Geschäftsführer,<br />
Leitung<br />
Diplom-<br />
Sozialpädagoge<br />
ABS<br />
Dipl- Sozialpäd.<br />
seit 01.02.2010<br />
<strong>B2.Streetwork</strong><br />
Günter Helling<br />
Andreas Beisbart<br />
Stefan Buschkühl<br />
Diplom-<br />
Sozialarbeiter<br />
<strong>B2.Streetwork</strong><br />
Diplom-<br />
Sozialarbeiter<br />
<strong>B2.Streetwork</strong><br />
Diplom-<br />
Sozialpädagoge<br />
<strong>B2.Streetwork</strong><br />
Dirk Wildenberg Michael Reinhard<br />
Niko Markantonatos<br />
Diplom-<br />
Sozialarbeiterin<br />
<strong>B2.Streetwork</strong><br />
Diplom-<br />
Sozialpädagogin<br />
<strong>B2.Streetwork</strong><br />
Dipl.-Sozialarb.<br />
mittlerweile<br />
FAW Paderborn<br />
Stefanie Buschmeier Claudia Schmidtke<br />
Kirtsen Rak
Sonstige MitarbeiterInnen im Café- und Hauswirtschaftsbereich<br />
Unterstützt wird das Team der hauptamtlichen SozialarbeiterInnen durch eine ganze<br />
Reihe an weiteren MitarbeiterInnen.<br />
Hierzu gehört seit Jahren unser Koch und Hausmeister Heinz Plaumann. Ihm zur Seite<br />
stehen Elmar Schulte-Hillekes und die ehrenamtlich arbeitende Enza Perez-Lopez.<br />
Zudem ist Matthias Darbek als „Brückenjobler“ von IN VIA momentan in diesem Bereich<br />
beschäftigt. Neben ihm konnten sich noch zwei weitere „KollegInnen auf Zeit“<br />
im Rahmen einer <strong>Arbeit</strong>sgelegenheit (Brückenjob) für den beruflichen Einsatz erproben.<br />
In diesem Zusammenhang bedanken wir uns für die gute Zusammenarbeit mit<br />
den KollegInnen bei IN VIA, die diese <strong>Arbeit</strong>sgelegenheiten zuverlässig betreut haben.<br />
Heinz Plaumann<br />
Koch<br />
Hausmeisterei<br />
Studentische Hilfskräfte<br />
E. Schulte-Hillekes<br />
Hauswirtschaft<br />
Hausmeisterei<br />
Im unserer Einrichtung sind neun studentische Hilfskräfte (überwiegend der <strong>Soziale</strong>n<br />
<strong>Arbeit</strong>) angestellt, davon drei als Honorarkräfte für Wochenend- und Feiertagsdienste<br />
sowie sechs als Nachtwachen.<br />
Förderung des Berufsnachwuchses<br />
Personal<br />
Enza Perez--Lopez<br />
Hauswirtschaft<br />
Wäsche<br />
Matthias Darbek<br />
Brückenjob<br />
IN VIA<br />
In <strong>2009</strong> haben insgesamt zwölf PraktikantInnen in unserer Einrichtung erste Erfahrungen<br />
im Berufsfeld der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> sammeln können. Hierzu zählten StudentInnen<br />
der Katholischen Fachhochschule (KatHO), StudentInnen der Universität Paderborn<br />
sowie StudentInnen der Fachhochschule Bielefeld.<br />
11
12<br />
Grundlagen<br />
<strong>Arbeit</strong>sansatz und Menschenbild<br />
Eine rein abstinenzorientierte, hochschwellige<br />
Drogenhilfe hat nur eine geringe<br />
Reichweite und wird der Heterogenität<br />
von Drogensüchtigen und deren<br />
Suchtkarrieren nur bedingt gerecht. Aus<br />
diesem Grunde bildete sich die niedrigschwellige,<br />
akzeptanzorientiert Drogenarbeit.<br />
Grundlagen und <strong>Arbeit</strong>sbereiche<br />
von Dirk Wildenberg<br />
(Dipl.-Sozialarbeiter)<br />
Niedrigschwelligkeit<br />
bezeichnet dabei lediglich die Zugangsmethode,<br />
Akzeptanz den inhaltlichen<br />
<strong>Arbeit</strong>sansatz. Niedrigschwelligkeit<br />
meint die Minimierung jeglicher<br />
Hemmschwellen gegenüber der Inanspruchnahme<br />
von Hilfe und Beratung.<br />
Dazu gehört der bewusste Verzicht auf<br />
Terminvereinbarungen (verbunden mit<br />
erhöhtem Zeitaufwand), der Verzicht<br />
auf den Beweis der Abstinenzmotivation<br />
durch entsprechende Bemühungen<br />
oder auf den Clean-Status an sich. Hilfen<br />
sollen direkt erreichbar und annehmbar<br />
sein.<br />
Akzeptanz<br />
geht inhaltlich über den niederschwelligen<br />
Zugang hinaus: Sie beschreibt die<br />
Einstellung und das zugrunde liegende<br />
Menschenbild und beginnt mit dem<br />
schlichten Akzeptieren des drogenbezogenen<br />
Lebensstils als Recht auf „Anders-Sein“<br />
und der für den Konsumenten<br />
negativen als auch positiven Wirkung<br />
einer jeden Droge – ohne sich<br />
aber zu „verbrüdern“ oder sich etwa<br />
auf Selbstmitleid einzulassen. Die Fachliteratur<br />
spricht von „Gelassenheit gegenüber<br />
den dynamischen und diskontinuierlichenEntwicklungsmöglichkeiten“<br />
der Einzelnen. Will heißen: nicht<br />
jeder will und nicht jeder kann (zumindest<br />
zeitweise) ohne Drogen leben –<br />
und das, obwohl ein Lebensentwurf mit<br />
Drogen häufig ebenfalls nicht möglich<br />
ist.<br />
Die Verantwortung für Intensität, Richtungsverlauf<br />
und Verbindlichkeit der<br />
Kontakte liegt bei den Adressaten,<br />
beschreibt Schneider die Rahmenbedingungen.<br />
Für uns in der Praxis bedeutet dies, dass<br />
wir Vertrautsein und Nähe zum Szene-<br />
Leben haben sollten, damit Sozialarbeit<br />
erreichbar ist bei veränderungsbereiten<br />
oder ausstiegswilligen KlientInnen.
1<br />
<strong>Arbeit</strong>sbereich<br />
Streetwork<br />
Aufsuchende Straßensozialarbeit<br />
Als Basisangebot der niedrigschwelligen<br />
<strong>Arbeit</strong> ist die aufsuchende <strong>Arbeit</strong> oft der<br />
Anfang des Kontaktes zur Zielgruppe.<br />
„Aufsuchende <strong>Arbeit</strong> als eine Methode<br />
von sozialarbeiterischen Angeboten und<br />
als persönliche Hilfe ist nicht von der<br />
Drogenarbeit entdeckt oder erfunden<br />
worden“. Vielmehr ist Streetwork eine<br />
spezifische Variante von aufsuchender<br />
<strong>Arbeit</strong> und will durch das Aufsuchen der<br />
drogenbezogenen Lebensräume Kontakt<br />
herstellen und halten.<br />
Streetwork bedeutet sozialraumorientierte<br />
Akzeptanz des Gegenübers und ist<br />
eine wichtige Möglichkeit, die Hilfeangebote<br />
"an den Mann/die Frau" zu bringen.<br />
Die Hilfe ist vor Ort erreichbar, ohne<br />
dass erst Schwellenängste überwunden<br />
werden müssen, die die Inanspruchnahme<br />
letztendlich verhindern.<br />
Im Umkehrschluss muss aber nicht nur<br />
der Streetworker die Klientel akzeptieren,<br />
sondern er selbst von ihnen anerkannt<br />
werden.<br />
Dies zeigt sich, wenn dem Streetworker<br />
sogenannte „Szeneneuigkeiten“ mitgeteilt<br />
werden. Diese Neuigkeiten gehen<br />
über den normalen Small-Talk hinaus<br />
und sind somit auch als Vertrauensbeweis<br />
der Szeneangehörigen anzusehen.<br />
Als gewollte Überlebenshilfe wird im<br />
Winter heißer Tee ausgeschenkt. Ganzjährig<br />
werden, als wichtiges Hilfsmittel<br />
zur Vertrauensbildung sowie zur Gesundheitsprophylaxe,<br />
auch gebrauchte<br />
Spritzen angenommen und neue, saubere<br />
Spritzen abgegeben. Während der<br />
Streetwork wurden in <strong>2009</strong> mit rund<br />
2688 Stück diesmal 827 mehr saubere<br />
Spritzen als im Vorjahr von uns ‚unters<br />
Volk’ gebracht. Die meisten KlientInnen<br />
nutzen unser kostenloses Angebot von<br />
Safer-Use-Utensilien allerdings im Café.<br />
Unser Vorhaben, in diesem Bereich<br />
offensiver zu werben, trägt weiterhin<br />
deutliche Früchte.<br />
Unsere Streetwork findet in der Regel<br />
zweimal pro Tag statt. Je nach Jahreszeit<br />
suchen wir dann die szenetypischen<br />
Aufenthaltsorte wie z.B. das Paderquellgebiet<br />
oder die Zentralstation auf.<br />
Zusätzlich fahren wir zweimal in der<br />
Woche mit dem Auto zur Streetwork,<br />
um in der Szene Essen von der Paderborner<br />
Tafel an die Bedürftigen zu verteilen.<br />
Die Menschen erwarten uns<br />
schon, um ihren kärglichen Speiseplan<br />
mit gespendeten Lebensmitteln bereichern<br />
zu können. Anders als vielfach<br />
angenommen, gibt es viele Bedürftige<br />
die über keinerlei staatliche Hilfen<br />
(Hartz IV. o.ä.) verfügen. Häufig sind die<br />
Schwellenängste vor Behördenkontakten<br />
einfach zu groß.<br />
13
14<br />
2Das Kontakt-Café<br />
<strong>Arbeit</strong>sbereich<br />
Kontakt-Café<br />
Kontakt-, Freizeit- und Hilfeangebot<br />
Das Kontakt-Café war <strong>2009</strong> an 273 Tagen<br />
geöffnet und mit durchschnittlich<br />
85 Personen pro Tag ist die Zahl der BesucherInnen<br />
gegenüber dem Vorjahr<br />
etwas gestiegen (Vorjahr: 78 bei 273<br />
Tagen). Im direkten Vergleich zu den<br />
Vorjahren können wir höhere Besucherzahlen<br />
verzeichnen und das, obwohl wir<br />
seit Anfang 2008 ein Rauchverbot im<br />
Cafè haben.<br />
Die BesucherInnen nutzen das Kontakt-<br />
Café als Aufenthaltsort und Treffpunkt,<br />
sowohl um die sozialarbeiterischen Angebote<br />
wahrzunehmen, als auch um soziale<br />
Kontakte zu pflegen, sich auszutauschen,<br />
sich von Drogenbeschaffung<br />
und –konsum zu erholen, oder auch um<br />
sich mit Lebensmitteln, Spritzenbesteck<br />
und/ oder Kleidung zu versorgen.<br />
Dealen oder andere illegale Handlungen<br />
können bei den gestiegenen Besucherzahlen<br />
nur dann wirkungsvoll unterbunden<br />
werden, wenn tatsächlich zwei<br />
SozialarbeiterInnen im Café anwesend<br />
sind. Es ist jedoch immer noch so, dass<br />
die BesucherInnen fast ausschließlich an<br />
den sozialarbeiterischen Angeboten<br />
und dem Café als Schutzraum interessiert<br />
sind. Diese Gruppe scheint auch<br />
innerhalb der offenen Szene quantitativ<br />
konstant zu bleiben.<br />
„Im Rahmen der Kontaktarbeit mit den<br />
BesucherInnen stellen sich hohe Anforderungen<br />
an die MitarbeiterInnen in Drogenkontaktläden;<br />
das Professionsprofil in<br />
Form tradierter Sozialarbeit beinhaltet<br />
u.a. auch Kontroll-, Sanktions- und Interventionsaufgaben<br />
(etwa bei Gewaltsituationen)<br />
– woraus z.T. erhebliche Belastungen<br />
für die MitarbeiterInnen resultieren.“<br />
Dieses Belastungspotenzial hervorgerufen<br />
durch Rollenkonflikte erfordert regelmäßige<br />
Fort- und Weiterbildungen der<br />
Mitarbeiterschaft sowie regelmäßige<br />
Supervisionen um eventuellen „burnout“<br />
– Symptomen vorzubeugen. Aus diesem<br />
Grund absolvieren alle MitarbeiterInnen<br />
jährlich mindestens zwei Fortbildungen<br />
und nutzen die monatliche Teamsupervision,<br />
die von einem externen Fachmann<br />
geleitet wird.<br />
Die ‚Abgänge’ durch Therapie, Entgiftung<br />
und Inhaftierung werden durch Therapieabbrecher,<br />
Haftentlassene und Neuzugänge<br />
wieder aufgehoben.<br />
Fast alle Besucher des Kontakt-Cafés<br />
haben nur geringe finanzielle Möglichkeiten<br />
zur Freizeitgestaltung. Es gibt<br />
kaum öffentliche Orte, die nicht kommerziell<br />
ausgerichtet sind und als Treffpunkte<br />
dienen können. Angesichts der in<br />
der Regel sehr beengten Wohnverhältnisse<br />
(sofern überhaupt eine<br />
Wohnung vorhanden ist) und fehlenden
Alternativen dient das Café als Raum zum<br />
Zeitvertreib, zum Austausch und ist für<br />
manche die einzige (geheizte) Möglichkeit,<br />
soziale Kontakte zu haben.<br />
Das Café wird als Gegenpol zu Ausgrenzung<br />
und Ablehnung gesehen, die von<br />
einzelnen Menschen erfahren wird, die<br />
ohnehin unter ihrer sozialen Situation<br />
leiden. Das Fachteam des <strong>B2.Streetwork</strong><br />
nutzt diesen Ort, um Kontakt zur Zielgruppe<br />
herzustellen, aufrechtzuerhalten<br />
und Vertrauen aufzubauen. Das Café ist<br />
wichtiger Bestandteil des niedrigschwelligen<br />
Beratungs- und Kontaktangebotes.<br />
Neben kleineren Freizeitangeboten finden<br />
hier erste Hilfegespräche in ungezwungener<br />
Atmosphäre statt.<br />
Die breite Angebotspalette unseres Kontakt-Cafés<br />
wird von den BesucherInnen<br />
akzeptiert – die Einrichtung übernimmt<br />
für einige die Funktion eines Zuhauses.<br />
Grundversorgung<br />
Deutliche Defizite sind bei der Klientel im<br />
Bereich der Grundversorgung festzustellen.<br />
Geld, Zeit und Energie reichen<br />
zudem häufig nur für Fast-Food. Viele Abhängige<br />
geben auch dem Alkohol Vorrang,<br />
da dieser die Entzugserscheinungen<br />
lindert.<br />
Im Café werden von Montag bis Freitag<br />
warme Mahlzeiten zu einem geringen<br />
Preis angeboten. Unser Ziel ist es, damit<br />
<strong>Arbeit</strong>sbereich Kontakt-Café<br />
ein Minimum an ausgewogener, gesunder<br />
Ernährung anzubieten und somit<br />
ein wenig der gesundheitlichen Verelendung<br />
entgegenzuwirken. In der Regel<br />
wurden in <strong>2009</strong> zwischen 30 und 40<br />
Mahlzeiten pro Tag ausgegeben.<br />
Samstags gibt es für die Bewohner der<br />
Übernachtungsstelle ein kostenloses<br />
Frühstück, andere können gegen eine<br />
geringe Kostenbeteiligung mitfrühstücken.<br />
Über einen Pool von regelmäßigen und<br />
sporadischen Spenden können wir<br />
Kuchenspenden und Lebensmittel an<br />
die Besucher kostenlos abgeben.<br />
Besonders hervorzuheben ist die <strong>Arbeit</strong><br />
durch die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen<br />
der ‚Paderborner Tafel’. Nur<br />
durch sie ist es gewährleistet, dass<br />
unser Koch Heinz dreimal pro Woche<br />
Lebensmittel von dort abholen kann,<br />
die dann an die BesucherInnen verteilt<br />
werden. Mittwochs und freitags findet<br />
zudem eine sog. mobile Streetwork<br />
statt, wo an den uns bekannten Szenetreffpunkten<br />
ebenfalls Lebensmittel<br />
ausgegeben werden. Besonders gefragt<br />
sind Brot, Milchprodukte, Fleisch, Aufschnitt<br />
und Obst, sowie Süßigkeiten.<br />
Pro Ausgabetermin kommen bis zu 30<br />
Personen, wobei Ende des Monats der<br />
Andrang noch wesentlich höher ist. Die<br />
Spenden werden dankbar angenommen.<br />
Frische Mahlzeiten und Lebens-<br />
15
Frühstück<br />
Mittag<br />
Getränke<br />
Special<br />
0,40 €<br />
1,50 €<br />
2,20 €<br />
1,50 €<br />
0,70 €<br />
0,50 €<br />
kostenlos<br />
Halbes Brötchen<br />
Speisekarte<br />
Gutes zu fairen Preisen.<br />
belegt mit Schinken, Salami oder Käse<br />
Samstagsfrühstück<br />
Großes Frühstück mit 2 Brötchen, Aufschnitt,<br />
Käse, Marmelade, Honig, Müsli, einem Ei<br />
und unbegrenzt Kaffee<br />
Großer Teller<br />
Deftiges Hauptgerichtmit Fleisch und<br />
verschiedenen Beilagen dazu Salat und eine<br />
Nachspeise<br />
Kleiner Teller<br />
Halbes Hauptgericht ebenfalls mit Beilagen<br />
dazu Salat und eine Nachspeise<br />
Kalte Getränke<br />
Cola, Libella, Sprite oder Sportaktiv<br />
Mineralwasser<br />
Warme Getränke<br />
Eine große Tasse Kaffee, Tee oder Kakao<br />
Lebensmittel der Paderborner Tafel<br />
Jeden Mo, Mi und Fr um 13 Uhr<br />
Bild im Original: www.chaosqueenskitchen.twodau.net
mittelspenden decken einen Teil des<br />
Grundbedarfs, füllen den Bauch und<br />
sind damit oftmals Voraussetzung für<br />
das Wahrnehmen ‚höherer’ Hilfebedürfnisse.<br />
Für die professionelle Sozialarbeit<br />
im B2. Streetwork sind die Elemente<br />
der Grundversorgung sinnvolle<br />
und notwendige Angebote. Sie ermöglichen<br />
den Zugang zu weitgehend allen<br />
Personen der Zielgruppe.<br />
Zur Grundversorgung gehören auch<br />
Waschmöglichkeiten – für sich selbst<br />
und auch für die Wäsche. Für die Körperhygiene<br />
steht eine Dusche (und<br />
Duschgel, Shampoo) kostenlos zur Verfügung.<br />
Für die Waschmaschinen- und<br />
Trocknernutzung wird ein Waschmittelbeitrag<br />
von 1,00 € erhoben. Unsere<br />
Waschmaschinen und Trockner werden<br />
entsprechend gern und oft genutzt.<br />
Beide Angebote sind während der Café-<br />
Öffnungszeiten für jedermann/-frau<br />
nutzbar.<br />
Drogenkonsum und Notfallhilfe<br />
Drogenkonsum und der Handel mit<br />
Drogen sind auf dem gesamten Gelände<br />
strengstens untersagt. Verstöße werden<br />
konsequent mit zeitlich begrenzten<br />
Geländeverboten geahndet – eine Strafe,<br />
die die meisten Besucher mangels<br />
Alternativen ungern riskieren. Trotzdem<br />
kommt es immer wieder zu Drogenoder<br />
Alkoholnotfällen. Die MitarbeiterInnen<br />
<strong>Arbeit</strong>sbereich Kontakt-Café<br />
des B2. Streetwork werden deshalb<br />
regelmäßig in Erster Hilfe geschult, um<br />
im Notfall schnell und effektiv handeln<br />
zu können.<br />
Veranstaltungen<br />
Auch im Jahr <strong>2009</strong> haben wir mit unseren<br />
Veranstaltungen versucht, Abwechslung<br />
in den Szene-Alltag unserer KlientInnen<br />
zu bringen.<br />
So findet jeden Donnerstag ab 14 Uhr<br />
im Cafè ein DVD-Nachmittag statt,<br />
wodurch unsere KlientInnen die Möglichkeit<br />
bekommen, aktuelle Filme sehen<br />
zu können.<br />
Bei gutem wie auch bei weniger gutem<br />
Wetter veranstalteten wir wieder Grill-<br />
Nachmittage und – Abende, die zu<br />
gemütlichen Gesprächen am Grillplatz<br />
einluden.<br />
Im Juli fand unser alljährliches Sommerfest<br />
statt. Die 142 Gäste wurden<br />
mit Musik, alkoholfreien Cocktails und<br />
Gegrilltem gut versorgt, bzw. unterhalten.<br />
Zu unserem Weihnachtsessen am<br />
23.12. kamen ca. 50 Gäste. Das Gericht<br />
bestand aus Wildschweinbraten, Knödel<br />
und Apfelrotkohl. Zum Nachtisch<br />
gab es Torte.<br />
Vielen Dank auch an die Spender, die es<br />
uns (70 Pakete) möglich machten, große<br />
Weihnachtspakete an jeden der 50<br />
Gäste zu verteilen.<br />
17
18<br />
3<br />
Büro-Beratung<br />
<strong>Arbeit</strong>sbereich<br />
Beratung<br />
Auch im Jahr <strong>2009</strong> waren unsere Beratungsbüros<br />
wieder für viele Klienten ein<br />
Anlaufpunkt, bieten wir doch unsere<br />
Beratung spontan und ohne verbindliche<br />
Termine an. Diese Spontaneität und<br />
Unverbindlichkeit ist es, die eine Beratung<br />
oft erst möglich macht, denn Drogensucht<br />
bedeutet ständig unterwegs<br />
zu sein auf der Suche nach Geld und<br />
Drogen. Da bleibt wenig bis gar keine<br />
Zeit für andere Dinge. Dazu zählen dann<br />
leider auch wichtige Angelegenheiten<br />
aller Art wie die Korrespondenz mit<br />
Ämtern, Behörden, Einrichtungen, Gerichten,<br />
Vermietern usw.<br />
Oft sind Briefe in der Vergangenheit<br />
verloren gegangen oder ungeöffnet im<br />
Papierkorb gelandet. Das erschwert<br />
dann eine schnelle Problemlösung, da<br />
erst lange telefoniert oder recherchiert<br />
werden muss, wie die aktuelle Situation<br />
ist. Für viele ein unverständliches Verhalten,<br />
da die Probleme augenscheinlich<br />
nicht weniger werden. Für ein Leben<br />
auf der Straße aber ein durchaus<br />
häufiges Agieren. Zu den alltäglichen<br />
Sorgen und Nöten wie:<br />
„Wo kann ich schlafen? Wie<br />
komme ich an Geld? Wer verkauft<br />
mir etwas? Fliege ich aus<br />
der Substitution? Wann finde ich<br />
eine Wohnung? Wie kann ich ei-<br />
ne Entgiftungsbehandlung oder<br />
eine Therapie machen ohne gesetzlich<br />
krankenversichert zu<br />
sein? Welche Art von betreutem<br />
Wohnen kommt für mich in Frage?<br />
Was macht meine Familie?<br />
Ich habe Hunger - was mache<br />
ich? Ich brauche dringend eine<br />
neue Jacke!“<br />
kommen dann auch noch zusätzlich<br />
schlechte Nachrichten. Denn selten sind<br />
Briefe, Anrufe oder Einladungen ohne<br />
Konsequenzen, neue Geldforderungen,<br />
Sperren oder Haftstrafen.<br />
Ein weiterer Faktor ist der Zeitmangel,<br />
den viele unserer Klienten haben. Denn<br />
abhängig zu sein bedeutet, einen 20-<br />
Stunden Tag zu haben. Die ständige<br />
Suche nach Suchtmittel und Geld lassen<br />
wenig Zeit für andere Dinge, unterbrochen<br />
höchstens von Schlaf und Essen.<br />
Und oft noch nicht einmal davon, denn<br />
Essen kostet Geld und das ist knapp.<br />
„Die Gleichzeitigkeit von verbindlichen<br />
und unverbindlichen Maßnahmen<br />
hat sich bewährt: So<br />
kann spontan in weiterführende<br />
(Ausstiegs-) Maßnahmen (Substitution,<br />
Entzug u.a.) vermittelt<br />
werden;“<br />
Zusätzlich erschwerend für die Beratungsarbeit<br />
ist manchmal der Umstand,<br />
dass einigen Klienten ihre Situation
unangenehm ist. Sie brauchen erst einige<br />
Anläufe um den Mut zu finden, zu<br />
uns zu kommen.<br />
Aber auch all die vielen Klienten, die<br />
schon seit Jahren zu uns kommen und<br />
die Beratungsarbeit schätzen, haben<br />
immer wieder Anliegen, die uns vor<br />
neue „alte“ Herausforderungen stellen.<br />
Leider hat sich die Wohnungssituation<br />
in Paderborn weiter verschärft. Die<br />
Hürden, die genommen werden müssen,<br />
um eine Wohnung zu finden, sind<br />
nicht weniger geworden. Fragen nach<br />
Einkommen (bloß kein ALG II), Schufa-<br />
Auskünfte, Lebensgewohnheiten, Sauberkeit,<br />
Bildungsweg oder Verbleib in<br />
den letzten zwei Jahren kommen erschwerend<br />
hinzu. Was will man sagen,<br />
wenn die Antworten nicht vorteilhaft<br />
sind? Denn selten sind Vermieter an<br />
den wirklichen Problemen ihrer potenziellen<br />
Mieter interessiert oder an der<br />
echten Motivation, nun ein normales<br />
Leben führen zu wollen. Und die Offenbarung,<br />
ein „ALG II“ - Bezieher zu sein,<br />
ist fast immer das AUS für eine neue<br />
Wohnung.<br />
Aber „Hartz 4“ ist immer wieder und<br />
immer noch ein großer Bestandteil unserer<br />
<strong>Arbeit</strong>. Anfragen wie das Ausfüllen<br />
eines Antrages sind schnell erledigt,<br />
andere Anliegen erfordern einen erhöhten<br />
Zeitaufwand:<br />
<strong>Arbeit</strong>sbereich<br />
„Ich habe kein Geld bekommen!<br />
Warum habe ich eine Sperre?<br />
Und wie zahle ich meine Miete?<br />
Warum bekommen andere<br />
mehr? Wer zahlt die Kaution? Ich<br />
habe keine Möbel, was jetzt?<br />
Warum bin ich denn nicht krankenversichert?<br />
Wer bezahlt die<br />
Entgiftung?“<br />
Eines unserer viel genutzten Angebote<br />
ist das Sammelkonto. Hier haben die<br />
Klienten die Möglichkeit alle finanziellen<br />
Angelegenheiten zu regeln. Laufende<br />
Leistungen, Einmalzahlungen, Kindergeld,<br />
Renten oder Unterhaltszahlungen<br />
können auf unser Sammelkonto<br />
überwiesen, Überweisungen, Raten<br />
oder Rechnungen von hier aus beglichen<br />
werden. Für viele eine Selbstverständlichkeit,<br />
ist ein eigenes Konto für<br />
einige unserer KlientInnen nicht möglich.<br />
Die Gründe dafür reichen von Kreditkartenmissbrauch<br />
bis hin zu Bankschulden.<br />
Die Tatsache, dass jeder Bürger<br />
einen Anspruch auf ein Konto hat,<br />
wird in solchen Fällen von den Banken<br />
nur allzu gerne ignoriert. Zwar können<br />
Leistungen wie ALG II, Grundsicherung<br />
oder Sozialgeld auch als Schecks ausgezahlt<br />
werden, doch scheinen viele Institutionen<br />
diese Möglichkeit völlig außer<br />
Acht zu lassen.<br />
Ein solches Konto erfordert eine zeitintensive<br />
Führung und Pflege. Alle Ein-<br />
19
20<br />
gänge müssen gebucht und den jeweiligen<br />
Kontoblättern zugeordnet werden.<br />
Gleiches gilt für Überweisungen. Auszahlungen<br />
werden getätigt und auch<br />
diese müssen festgehalten werden. Die<br />
steigende Zahl von Kontonutzern zeigt<br />
uns die Wichtigkeit dieses Angebotes.<br />
Im Jahr <strong>2009</strong> nutzten 57 Männer und<br />
14 Frauen unser Sammelkonto, im Jahr<br />
zuvor waren es 51 Männer und 18<br />
Frauen.<br />
Existenziell notwendig ist die postalische<br />
Erreichbarkeit. Viele Besucher<br />
können sie erst durch den täglichen<br />
Kontakt zu uns nachweisen. Sie wird<br />
sowohl von Klienten mit als auch ohne<br />
festen Wohnsitz genutzt. In <strong>2009</strong> wurde<br />
das Angebot von 41 Männern und 8<br />
Frauen genutzt, im Vorjahr hingegen<br />
nutzten 45 Personen (38m, 7w) unsere<br />
Erreichbarkeit.<br />
Nicht selten haben wir Klienten, die von<br />
verschwundener Post aus den eigenen<br />
Briefkästen erzählen, von Gemeinschaftsbriefkästen<br />
mit und ohne<br />
Schloss und Schlüssel oder von Wohnungen<br />
gänzlich ohne Briefkästen.<br />
Wenn amtliche Papiere den Empfänger<br />
nicht erreichen, sind die Konsequenzen<br />
meist erheblich. Kürzungen von Leistungen<br />
der ARGE, da der letzte Termin<br />
nicht wahrgenommen wurde, Vollstreckungsbescheide<br />
oder Erzwingungshaft,<br />
da auf die letzte Mahnung nicht<br />
Beratung<br />
reagiert worden ist bis hin zum Verlust<br />
der Wohnung, da die Miete nicht bezahlt<br />
werden kann.<br />
Für Klienten ohne festen Wohnsitz<br />
bietet die postalische Erreichbarkeit die<br />
einzige Möglichkeit, überhaupt amtliche<br />
Post zu erhalten. Der Bezug von<br />
<strong>Arbeit</strong>slosengeld I ist nur mit dieser<br />
Erreichbarkeit möglich. Denn Voraussetzung<br />
ist, dem <strong>Arbeit</strong>smarkt jeder Zeit<br />
zur Verfügung zu stehen. Aber auch<br />
Post von Freunden und der Familie<br />
kann wieder erhalten werden. Gerade<br />
diese Kontakte sind es, die durch eine<br />
Sucht besonders auf der Strecke bleiben.<br />
Aber Beratungsarbeit heißt auch<br />
tägliche Motivationsarbeit, den Leuten<br />
zuzuhören, sie ernst zu nehmen und<br />
sich auf jeden Einzelnen einzustellen.<br />
Jeden Tag aufs Neue. Dreihundertfünfundsechzig<br />
Tage im Jahr.<br />
Safer-Use-Beratung<br />
Die Safer – Use - Beratung ist ein wichtiger<br />
Bestandteil der Gesundheitsprophylaxe<br />
und der Gesundheitserhaltung.<br />
Vorrangig geht es dabei darum, den<br />
Klienten zu vermitteln, wie wichtig die<br />
Erhaltung ihrer Gesundheit, die Vermeidung<br />
von Krankheiten und ein<br />
pfleglicher Umgang mit ihrem Körper<br />
ist.
Sie sollen darauf achten, für jeden Konsumvorgang<br />
immer ihr eigenes und<br />
sauberes Besteck zu nutzen. Auch und<br />
gerade in Situationen, die zum mehrmaligen<br />
Nutzen der Spritzen oder zum<br />
so genannten „Needle-sharing“ verleiten.<br />
Denn die Ansteckungsgefahr mit<br />
HIV oder Hepatitis-Viren (A, B und C) ist<br />
durch den intravenösen Spritzengebrauch<br />
sehr hoch. Auch das gemeinsame<br />
Benutzen von Löffeln und Wasser<br />
birgt ein Infektionsrisiko. Eine Heilung<br />
von ‚Hep-C’ ist nicht immer möglich und<br />
eine Interferonbehandlung eine langwierige,<br />
teure und mit gravierenden<br />
Nebenwirkungen verbundene Therapie.<br />
Darum ist die Vergabe sauberer Spritzutensilien<br />
so wichtig. Der vorschnell geäußerte<br />
Einwand, man würde damit<br />
den Drogenkonsum der Klienten unterstützen,<br />
ist aus medizinischer Sicht<br />
nicht gerechtfertigt.<br />
Zur Safer-Use-Beratung gehört sauberes<br />
Spritzbesteck und die Vermittlung,<br />
wie man ‚richtig’ spritzt. Viele iv-User<br />
nutzen Spritzen, die nicht für die Punktion<br />
von Venen geeignet sind. Über einen<br />
längeren Zeitraum führt dies zu<br />
Verknorpelungen und Abszessen. Hier<br />
geben wir den Betreffenden Informationen<br />
zu verschiedenen Nadeln und<br />
Spritzen und erklären den Umgang damit.<br />
Darüber hinaus bieten wir in unserer<br />
<strong>Arbeit</strong>sbereich<br />
Beratung auch Alternativen zum hochriskanten<br />
intravenösen Konsum an. So<br />
können wir Konsumtechniken (von Folie<br />
rauchen, sniefen u.a.) näher bringen, an<br />
die ein Teil unserer Klienten nicht denkt<br />
oder glaubt, dass diese für sie nicht in<br />
Frage kommen. Oft ist das Wissen um<br />
die Vorteile bzw. Nachteile der Konsumarten<br />
zu wenig bekannt. Legenden<br />
und Mythen ranken sich um die ein<br />
oder andere Methode, hier ist Fachwissen<br />
gefragt und die Fähigkeit dieses<br />
adäquat zu vermitteln ohne belehrend<br />
zu wirken.<br />
Ein besonderer Beratungsort ist die<br />
Entgiftungsstation der LWL-Klinik Paderborn.<br />
In einer Informationsgruppe<br />
bieten wir dort in Kooperation mit der<br />
AIDS-Hilfe monatlich stattfindende<br />
spezielle Safer-Use- und Safer-Sex-<br />
Seminare im „Nadelöhr“ an. Damit<br />
tragen wir dem Umstand Rechnung,<br />
dass ein hoher Prozentsatz der Patienten<br />
auch nach ihrer Behandlung weiter<br />
konsumiert. Gerade auch während<br />
einer Entgiftungszeit kann diese Beratung<br />
sinnvoll und besonders effektiv<br />
sein, da risikobewusstes Verhalten<br />
abseits vom sonst dominierenden „Szene-Stress“<br />
vermittelt werden kann.<br />
21
22<br />
Spritzentausch<br />
Die Verbreitung von Erkrankungen wie<br />
Hepatitis A, B und C sowie HIV-<br />
Infektionen unter drogengebrauchenden<br />
Menschen ist weiterhin enorm<br />
hoch. Fachleute ermitteln in den stationären<br />
Einrichtungen eine Rate von 80 –<br />
95%. Für die aufsuchende und / oder<br />
niedrigschwellige Sozialarbeit mit<br />
überwiegend drogenabhängigem Klientel<br />
heißt dies, intensiv „Harm-<br />
Reduction“ (= Schaden-Minderung) anzustreben:<br />
Das Bewusstsein, im Rahmen<br />
des Konsums möglichst verantwortungsvoll<br />
zu handeln, ist der Beginn<br />
von Gesundheitsbewusstsein überhaupt.<br />
Das Angebot (zum Tausch oder<br />
Verkauf) von sterilen Utensilien (Nadeln,<br />
Spritzen, Alkoholtupfer, usw.)<br />
muss offensiv beworben werden. Die<br />
Aufklärung über falsche Konsumtechniken<br />
und das Sensibilisieren für damit<br />
verbundene Gefahren geschieht in der<br />
Regel während des Tauschvorganges, in<br />
vereinbarten Gesprächen oder an der<br />
Theke und im Café-Bereich<br />
Im Jahr <strong>2009</strong> konnte die Zahl der getauschten<br />
Spritzen erneut deutlich gesteigert<br />
werden. Insgesamt konnten wir<br />
109.879 Spritzen verteilen. Das sind<br />
12.899 mehr als im Vorjahr. Darauf sind<br />
wir stolz, denn die mühselige Überzeugungsarbeit<br />
scheint sich zu lohnen.<br />
Beratung<br />
Mit unserem Spritzenautomaten erreichen<br />
wir zusätzlich jene Abhängigen,<br />
die anonym bleiben wollen und sich<br />
trotzdem außerhalb von Apotheken-<br />
Öffnungszeiten mit sterilen Bestecken<br />
versorgen wollen. Der Automat befindet<br />
sich geschützt im Kasseler Tor-<br />
Bereich und wurde rund 606 Mal genutzt<br />
und damit 193 Mal weniger wie<br />
2008.
4<br />
<strong>Arbeit</strong>sbereich<br />
Übernachtung<br />
Die B2.Not-Übernachtungsstelle bietet<br />
12 Betten für Männer und 8 Betten für<br />
Frauen bzw. für Paare auf separaten<br />
Etagen an. Die Frauenetage ist durch einen<br />
Knauf von außen gesichert, Männer<br />
(außer dem Bewohner des separaten<br />
Paarzimmers) haben keinen Zutritt.<br />
Die getrennte Unterbringung wird dem<br />
besonderen Schutzbedürfnis der Frauen<br />
gerecht und bietet ihnen die dringend<br />
benötigte Rückzugsmöglichkeit.<br />
So genannte Notschläfer können ein bis<br />
drei Nächte bleiben, sog. feste Aufnahmen<br />
können die Übernachtung bis<br />
zu sechs Wochen nutzen. Danach sollten<br />
sie entweder mit sozialarbeiterischer<br />
Hilfe ihre Wohnsituation bzw. ihre<br />
weiteren Perspektiven geklärt haben<br />
oder sie müssen für mindestens drei<br />
Wochen das Haus wieder verlassen.<br />
Damit wird vermieden, dass die Notübernachtungsstelle<br />
als Dauerlösung<br />
angesehen wird.<br />
Bei den Notschläfern zählten wir in diesem<br />
Jahr 190 Personen, davon 42 Frauen<br />
(2008: 187 / 58, 2007: 179 / 51).<br />
Von den 190 Notschläfern insgesamt<br />
wurden 137 Personen nach drei Tagen<br />
Übernachtung für sechs Wochen fest<br />
aufgenommen. Unter ihnen waren 28<br />
Frauen (2008: 134 / 38).<br />
In der Übernachtungsstelle können wir<br />
ein deutliches Verantwortungsgefühl<br />
des Einzelnen gegenüber der Einrichtung<br />
und dem persönlichen Bereich<br />
feststellen. Sicherlich wäre die gesellschaftliche<br />
Reintegration oftmals eher<br />
möglich, wenn wir in eigenen bezahlbaren<br />
Wohnraum vermitteln könnten.<br />
Viele Vermieter sorgen sich um ihre<br />
Mieteinnahme oder befürchten eine<br />
Verwahrlosung ihrer Wohnung, wenn<br />
der Bewerber nicht tadellos gekleidet<br />
erscheint. Schön wäre es, wenn unser<br />
Trägerverein städtische Häuser zu diesem<br />
Zweck (und z.T. auch als Übergangslösung)<br />
zur Verfügung hätte.<br />
Krisenzimmer<br />
Das Reglement unserer Notübernachtungsstelle<br />
beinhaltet, dass sich nach<br />
sechswöchiger Übernachtungszeit eine<br />
dreiwöchige Sperre anschließt. Sie soll<br />
verhindern, dass die Notlösung zur<br />
Dauerlösung wird.<br />
Um das ‚Schlafen auf der Straße’ während<br />
der dreiwöchigen Sperre im Winter<br />
zu vermeiden, bieten wir für die<br />
männlichen Wohnungslosen ein Krisenzimmer<br />
mit 4 Schlafplätzen und für<br />
Frauen ein Krisenbett an. Ein ‚Krisenbett’<br />
kann von Drogenabhängigen und<br />
Szeneangehörigen genutzt werden.<br />
Disziplinarisch entlassene Bewohner<br />
können dieses Angebot nicht in Anspruch<br />
nehmen.<br />
23
24<br />
Potenzielle Krisenschläfer müssen sich<br />
jeden Abend aufs Neue anmelden. Das<br />
Zimmer ist jeden Morgen komplett zu<br />
reinigen und zu räumen, Schränke stehen<br />
deshalb nicht zur Verfügung. Wie<br />
alle anderen Bewohner auch, erhalten<br />
Krisenbettschläfer kostenlos den Morgenkaffee<br />
und das Samstagsfrühstück.<br />
Auf ein Krisenbett gibt es keinen festen<br />
Anspruch – wer zuerst kommt, mahlt<br />
zuerst.<br />
Unser ‚Krisenzimmer’ (mit vier statt<br />
max. 2 Betten) wurde häufig benutzt,<br />
wenn die Übernachtungsstelle im Winter<br />
eigentlich voll gewesen wäre. Wer<br />
dieses Angebot in Anspruch nehmen<br />
will, muss sich jeden Abend erneut zwischen<br />
18 00 Uhr und 19 45 Uhr beim<br />
diensthabenden Sozialarbeiter anmelden.<br />
Die Krisenbetten wurden im vergangenen<br />
Jahr von 4 Frauen mit 27 und 55<br />
Männern mit insgesamt 494 Übernachtungen<br />
genutzt. Hilfe also vor allem für<br />
diejenigen, die nur schwer in eine Wohnung<br />
oder Einrichtung zu vermitteln<br />
sind und die sich sonst einen Nacht-<br />
Platz im Busbahnhof oder in irgendwelchen<br />
Treppenhäusern suchen müssen.<br />
<strong>Arbeit</strong>sbereich<br />
Konsumverhalten der fest aufgenommenen<br />
BewohnerInnen<br />
Die meisten unserer Bewohner konsumieren<br />
mehrere Substanzen, rund 99%<br />
jedoch illegale Drogen.<br />
Der Anteil der Abstinenten bzw. nicht<br />
Süchtigen beträgt lediglich 1%. Dieser<br />
Personenkreis gehört nur in Ausnahmefällen<br />
zur Zielgruppe unserer Angebote.<br />
Heroinkonsum ist mit 43% wieder die<br />
meist konsumierte Substanz, 15% können<br />
als Polytoxikoman, also mehrfach<br />
Drogenabhängig bezeichnet werden.<br />
Mit etwa 6% (16 Personen) der Festaufgenommenen<br />
hat sich der Anteil der<br />
Substituierten um 5% zu 2008 gesteigert.<br />
Dies ist gut so, denn es deutet<br />
auch darauf hin, dass diese Menschen<br />
eher in der Lage waren, eine ‚normale’<br />
Wohnsituation herzustellen oder aufrechtzuerhalten<br />
und weiteres Abrutschen<br />
verhindern konnten.<br />
In <strong>2009</strong> wurden vier Personen aufgenommen,<br />
die keinerlei Suchtmittel<br />
konsumierten. Hier standen massive<br />
soziale Problematiken im Vordergrund,<br />
so dass wir schnellstmöglich eine andere<br />
Unterkunft vermittelten und über<br />
weiterführende Hilfen informierten.
Auslastung und Geschlechterverteilung<br />
Die Übernachtungsstelle wurde in <strong>2009</strong><br />
von 137 Personen z.T. auch mehrfach<br />
über einen längeren Zeitraum genutzt,<br />
wobei mit 28 Personen der weibliche<br />
Anteil etwas niedriger war als im Jahr<br />
davor (2008: 198 / 39).<br />
Die Männeretage mit ihren 12 Betten<br />
(ohne Krisenbetten) war die meiste Zeit<br />
gut belegt. Die Frauenetage bietet Platz<br />
für 8 Frauen und war gemessen an den<br />
Vorjahren ebenfalls gut ausgelastet.<br />
Der Anteil der Frauen beträgt bei den<br />
Festaufnahmen ca. 20,3% im Vorjahr<br />
28,5%.<br />
Woher und Wohin?<br />
Die Motive zur Nutzung der Not-<br />
Übernachtung sind vielfältig und haben<br />
sich im letzten Jahr etwas verschoben:<br />
15 Haftentlassene ohne Angehörige<br />
suchten ein Dach über dem Kopf.<br />
12 Personen kehrten aus einer Therapie<br />
oder Entgiftung ohne Perspektive<br />
an den Heimatort zurück.<br />
4 aller Unterkunftssuchenden haben<br />
eine andere Einrichtung verlassen<br />
weil sie ihre Wohnung verloren hatten<br />
kamen 18 Hilfesuchende zu uns,<br />
Übernachtung<br />
72 gelten als o.f.W. (ohne festen<br />
Wohnsitz) und halten sich in Paderborn<br />
auf. Hin und wieder gelingt es, während<br />
dieser Zeit Veränderungsphantasien<br />
oder gar neue Perspektiven zu entwickeln.<br />
Mit 8% fanden in diesem Jahr nur wenige<br />
fest aufgenommene Bewohner, trotz<br />
tatkräftiger Unterstützung der SozialarbeiterInnen,<br />
eine Wohnung. Für die<br />
meisten ist dies erst dann eine nachhaltige<br />
Lösung, wenn zugleich die Unterstützung<br />
einer ambulanten Betreuung in<br />
Anspruch genommen wird.<br />
22% der Festaufnahmen benötigen eine<br />
Übergangslösung bis zum Beginn einer<br />
Entgiftungsbehandlung, können zu<br />
einer Therapiemaßnahme oder dem<br />
Wechsel in eine andere Hilfeform motiviert<br />
werden. Dass diese Perspektiven<br />
tatsächlich realisiert werden können, ist<br />
i.d.R. das Ergebnis intensiver Motivationsarbeit.<br />
Häufig erfolgt sogar das<br />
persönliche Begleiten zum Zielort durch<br />
die SozialarbeiterInnen.<br />
Mit 58% (unbekannter Verbleib +<br />
o.f.Wohnsitz/Freunde) ist der Anteil der<br />
vagabundierenden Personen konstant<br />
geblieben. Sie schlafen mal hier, mal<br />
dort – orientierungslos und ohne Perspektiven.<br />
Dies sind in der Regel „alte<br />
Bekannte“, die mehrmals wiederkommen<br />
und erst nach wiederholten Notlagen<br />
in Hilfeformen vermittelt werden<br />
25
26<br />
können. Des Weiteren kommt hier die<br />
Schwierigkeit hinzu als „Hartz-IV-<br />
Empfänger“ eine Wohnung zu finden.<br />
Aufenthaltsdauer<br />
Etwas weniger als die Hälfte der BewohnerInnen<br />
blieben 6 Wochen und<br />
länger. In 2008 waren es etwas über die<br />
Hälfte.<br />
Für 18 (Vorjahr 41) Personen wurde die<br />
Aufenthaltsdauer aufgrund akuter Notsituationen<br />
oder konkreter Vermittlungsperspektiven<br />
über sechs Wochen<br />
hinaus verlängert. Es handelte sich hier<br />
um Menschen, die innerhalb der 6 Wochen<br />
keine Klärung oder Regelung hinsichtlich<br />
einer Wohnung, eines Entgiftungsplatzes<br />
oder einer betreuten<br />
Wohnform erreichen konnten.<br />
Für viele scheitert ein Mietvertrag<br />
schon bei oder vor der Wohnungsbesichtigung.<br />
In begleiteten teilstationären<br />
Wohnformen sind diese Personen<br />
auf Grund von zu hohen Verhaltensanforderungen<br />
(u.a. Abstinenzgebot) oft<br />
nicht tragbar.<br />
Altersstruktur<br />
Der Anteil der über 30-jährigen ist gegenüber<br />
dem Vorjahr in etwa gleich geblieben.<br />
Der Anteil der jüngeren Übernachter<br />
(18-20) umfasste <strong>2009</strong> zwölf<br />
Personen, im Vorjahr elf Personen und<br />
in 2007 lediglich eine Person. Hier<br />
<strong>Arbeit</strong>sbereich<br />
verzeichnen wir einen kontinuierlichen<br />
Anstieg.<br />
Einkommenssituation<br />
58% (2008: 31%) der BewohnerInnen<br />
bezogen ALG II und ca. 11% Grundsicherung<br />
(13% in 2008). Während die<br />
Grundsicherung nicht an Bedingungen<br />
geknüpft ist, muss der ALG-II-<br />
Empfänger Termine und Auflagen erfüllen,<br />
die ein drogenabhängiger Mensch<br />
nur schwerlich erfüllen kann. Die aus<br />
den Versäumnissen zu erwartenden<br />
Sanktionen (Leistungskürzungen bis hin<br />
zu einem Verlust des Anspruchs) verschärfen<br />
für manche die Situation erheblich.<br />
Insgesamt ist der Anteil der im Leistungsbezug<br />
stehenden Personen mit<br />
83% stark gestiegen (2008: 57%). Während<br />
15% über keinerlei Einkommen<br />
verfügten, bezogen in <strong>2009</strong> immerhin<br />
8% <strong>Arbeit</strong>slosengeld I und eine Person<br />
hatte ein eigenes Einkommen. Durch<br />
unsere Hilfen konnte ein Großteil wieder<br />
in den Leistungsbezug vermittelt<br />
werden.<br />
Die Übernachtungsstelle ist kein intensiv<br />
betreutes Wohnen wie die sozialtherapeutischen<br />
Einrichtungen des Vereins.<br />
Andererseits ist es aber auch deutlich<br />
mehr als ein Dach über dem Kopf.
Abgesehen von minimalen Pflichten<br />
und dem Einhalten der Hausordnung ist<br />
die Betreuung und Beratung ein Angebot<br />
– nicht Vertragsgegenstand. Die Beratung<br />
kann von den BewohnerInnen<br />
‚nebenbei’, oft sofort und ohne Bedingungen<br />
wahrgenommen werden und<br />
erfüllt damit ein wichtiges Kriterium der<br />
„Niedrigschwelligkeit“.<br />
Der Tag beginnt um 8 00 Uhr mit Wecken<br />
und bis 9 00 Uhr müssen alle BewohnerInnen<br />
die Übernachtungsstelle verlassen<br />
haben, können jedoch noch ins<br />
angrenzende Kontakt-Café zu einem<br />
kostenlosen Kaffee wechseln. Drei Personen<br />
werden zum Putzen eingeteilt.<br />
Samstags gibt es sogar für Bewohner<br />
bis 11 00 Uhr ein kostenloses Frühstück<br />
während andere Besucher 1,50 € zu bezahlen<br />
haben.<br />
Einlass in das Haus ist täglich ab 18. 00<br />
Uhr. Dann sind bis 20. 00 Uhr noch zwei<br />
MitarbeiterInnen für die Übernachtungsanmeldung<br />
im Büro und bieten<br />
neben den obligatorischen Kriseninterventionen<br />
(gerade am Wochenende)<br />
Gelegenheit zum kurzen Schnack.<br />
Übernachtung<br />
Fazit aus Streetwork, Café, Beratung<br />
und Übernachtungsstelle<br />
In allen Bereichen konnten wir einen<br />
signifikanten Anstieg unserer statistisch<br />
erfassten Zahlen verzeichnen. Die Zeiten<br />
werden härter und die Klientel<br />
größer, generell weht wieder ein schärferer<br />
Wind und unsere drogensüchtige<br />
Zielgruppe kann sich leider nicht über<br />
mangelnden Nachwuchs beklagen. Wir<br />
Mitarbeiter sehen täglich, wie unsere<br />
Kapazitäten in allen Bereichen in den<br />
Grenzbereich gehen. Besonders in Urlaub-<br />
oder Krankheitszeiten gelingt es<br />
nicht immer, unsere Leistungen bedarfsgerecht<br />
aufrecht zu erhalten.<br />
27
Kalender <strong>2009</strong><br />
Ideal & Real<br />
JAN FEB<br />
MÄR<br />
APR MAI JUN<br />
JUL AUG SEP<br />
OKT NOV DEZ
21. Jan: mein Vermieter tauscht<br />
die Schlösser meiner Wohnung aus<br />
– die Wohnung wird geräumt<br />
29. Jan: nach einigen Tagen bei<br />
Bekannten werde ich mal wieder in<br />
die Übernachtungsstelle des B2<br />
aufgenommen<br />
7. Apr: beim Dealen auf dem B2-<br />
Gelände erwischt. D.h. eine Woche<br />
komplettes Geländeverbot<br />
7.-13. Apr: mir bleibt nur,<br />
irgendwo zu zelten - oder die Zentralstation<br />
14. Apr: ich kann wieder ins B2<br />
– endlich wieder ein Dach über dem<br />
Kopf<br />
4. Jul: Fahrt zur Entgiftung. Ich<br />
habe mit der Staatsanwaltschaft<br />
vereinbart, dass ich von dort aus<br />
direkt eine Therapie mache, um der<br />
Haftstrafe zu entgehen – zum<br />
Glück ist die Kostenzusage dafür<br />
schon durch<br />
19. Jul: Abbruch der Entgiftung<br />
21. Jul: Aufnahme im B2<br />
11. Okt: ich höre, dass ein Haftbefehl<br />
draußen ist und gehe erstmal<br />
auf Tauchstation<br />
17. Mär: ich muss unbedingt<br />
für die Zeit im Knast vorsorgen<br />
und mir Stoff besorgen<br />
JAN FEB MÄR<br />
1. Feb: durch die Meldebescheinigung<br />
des B2 können die HARTZ<br />
IV-Leistungen weiter laufen<br />
2. Feb: 100€ Drogenschulden<br />
zurück bezahlt<br />
5. Feb: das ALG II für Februar<br />
ist alle<br />
14. Feb: ich habe schon Tage<br />
nichts mehr gegessen – Gott sei<br />
Dank gibt es die Tafel<br />
6. Mär: zum 6. Mal innerhalb<br />
der letzten 4 Wochen beim Diebstahl<br />
erwischt<br />
11. Mär: trotz aller Bemühungen<br />
keine neue Wohnung in Sicht<br />
18. Mär: die 6 Wochen Wohnzeit<br />
im B2 sind um – ich muss ausziehen.<br />
Ab jetzt 3 Wochen jeden Tag<br />
„Krisenzimmer“<br />
APR MAI JUN<br />
3. Mai: Überdosis in der Übernachtungsstelle<br />
– nach zwei Stunden<br />
entlasse ich mich wieder aus<br />
dem Krankenhaus und kehre zum<br />
B2 zurück<br />
22. Mai: der Staatsanwalt<br />
macht Druck – ich muss was tun,<br />
sonst fahr ich wieder ein<br />
26. Mai: Entgiftungstermin für<br />
den 8.6. bekommen<br />
2. Jun: ich habe eine Verlängerung<br />
im B2 bis zum Entgiftungstermin<br />
bekommen<br />
8. Jun: ich lasse den Termin<br />
sausen, da ich keine Kohle habe, um<br />
mir Tabak für die Entgiftung zu<br />
kaufen - ich muss raus aus dem B2<br />
18. Jun: nächster Entgiftungstermin<br />
am 4.7. – das ging schnell. Bis dahin<br />
ich muss mich jeden Tag dort melden<br />
JUL AUG SEP<br />
8. Aug: Versuche ich es<br />
nochmal oder sitze ich die drohende<br />
Haftstrafe einfach ab???<br />
14. Aug: ich will mich substituieren<br />
lassen und dann evtl.<br />
irgendwann in den Regenbogen des<br />
<strong>KIM</strong> – die Wartezeit für die Substitution<br />
beträgt 6 Wochen. Bis dahin<br />
heißt es weiter jeden Tag Geld für<br />
Stoff besorgen.<br />
23. Aug: ich gehe nicht zu meinem<br />
Gerichtstermin<br />
3. Sep: wieder raus aus dem B2<br />
9. Sep: Gesprächstermin beim<br />
Jugendamt wegen Besuchsrecht für<br />
meine Kinder im Heim - ich war<br />
heute völlig breit. So kann ich da<br />
nicht auftauchen<br />
18. Sep: nach 5 Tagen gehe ich<br />
endlich wegen meines Abzesses am<br />
Bein zum Arzt<br />
OKT NOV DEZ<br />
16. Nov: ich werde mal wieder<br />
verhaftet und direkt nach Bielefeld-<br />
Brackwede gebracht<br />
25. Nov: wieder mal verpasse ich<br />
den Geburtstag meiner Tochter<br />
2. Dez: ich bemühe mich um<br />
<strong>Arbeit</strong> in der Gefängniswerkstatt –<br />
ich muss was tun<br />
12. Dez: ich nutze die Sprechstunde<br />
der Anlaufstelle des <strong>KIM</strong>,<br />
um über die Zeit nach der Haft<br />
nachzudenken<br />
24. Dez: meine 3. Weihnachten<br />
im Knast<br />
31. Dez: vielleicht wird nächstes<br />
Jahr alles besser . . .
30<br />
Spenden<br />
So können Sie helfen.<br />
Viele existenzielle Dinge, wie z.B. Kleidung, Hausrat oder Lebensmittel, die für „normale“<br />
Menschen selbstverständlich sind, sind für unsere KlientInnen im Drogen-<br />
Alltag meist nur absolute „Extras“. Durch unsere <strong>Arbeit</strong> allein ist es uns oft nicht<br />
möglich, dies alles aufzufangen. Daher möchten wir uns, auch im Namen der KlientInnen,<br />
für Ihre tolle Unterstützung im Jahr 2008 bedanken.<br />
Besonders bedanken möchten wir uns bei<br />
• einer Lehrerin der Elsener Gesamtschule, die mit zwei ihrer Klassen an<br />
Weihnachten 70 Geschenkkisten mit Basis-Hygieneartikeln und Lebensmitteln<br />
überbrachte,<br />
• zwei Paderborner Rentnerinnen die ebenfalls an Weihnachten Lebensmittel<br />
spendeten,<br />
• einem Sportverein aus der Paderborner Umgebung und einem Landfrauenverein,<br />
die uns während des Spätdienstes mit belegten Broten und Kuchen<br />
erfreuten,<br />
• den vielen anderen privaten Spendern, u.a. auch KlientInnen, die uns z.B.<br />
mit Kleidung für unsere Kleiderkammer unterstützten.<br />
Wir freuen uns auf ihre Hilfe für das Jahr 2010.<br />
Für ihre finanzielle Unterstützung<br />
Volksbank Paderborn Sparkasse Paderborn<br />
BLZ: 472 601 21 BLZ: 472 501 01<br />
Kto-Nr.: 87 2024 1300 Kto-Nr.: 3500 1684<br />
Nur mit Ihrer Hilfe können wir helfen!
Statistik-Center<br />
<strong>2009</strong>
32<br />
Bewohnerstruktur<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Notschläfer<br />
Aufnahmen als Notschläfer l 190 Aufnahmen<br />
148 Männer<br />
42 Frauen<br />
Altersverteilung I Männer und Frauen<br />
+<br />
unter 20 Jahren unter 30 jahren unter 40 Jahren unter 50 Jahren unter 60 jahren
Therapie/<br />
Entgiftung<br />
2,38 %<br />
Haft<br />
7,14 %<br />
Feste Aufnahme<br />
58,33 %<br />
Sonstige<br />
Einrichtungen<br />
14,28 %<br />
Wohnung<br />
35,71 %<br />
Unbekannt<br />
2,08 %<br />
Situation vor der Aufnahme I in %<br />
OFW<br />
26,19 %<br />
Sonstige<br />
Einrichtungen<br />
4,17 %<br />
Therapie/<br />
Entgiftung<br />
14,86 %<br />
Situation nach dem Ablauf der Notschläferzeit I in %<br />
OFW<br />
12,50 %<br />
Familie<br />
14,28 %<br />
Wohnung<br />
18,75 %<br />
Familie<br />
4,17 %<br />
Wohnung<br />
12,83 %<br />
Feste Aufnahme<br />
67,33 %<br />
Haft<br />
10,81 %<br />
Familie<br />
9,45 %<br />
Unbekannt<br />
4,67 %<br />
Sonstige<br />
Einrichtungen<br />
2,70 %<br />
OFW<br />
49,32 %<br />
33<br />
OFW<br />
13,33 % Wohnung<br />
5,33 %<br />
Familie<br />
3,33 %<br />
Sonstige<br />
Einrichtungen<br />
6,00 %
34<br />
Bewohnerstruktur<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Festaufnahmen<br />
Feste Bewohner l 137 Aufnahmen<br />
109 Männer<br />
28 Frauen<br />
Altersverteilung I Männer und Frauen<br />
+<br />
unter 20 Jahren unter 30 Jahren unter 40 Jahren unter 50 Jahren unter 60 Jahren
Einrichtung/<br />
Maßnahme<br />
3,57 %<br />
OFW<br />
53,57 %<br />
Haft<br />
3,57 %<br />
Wohnung<br />
10,71 %<br />
Familie<br />
7,14 %<br />
Therapie/<br />
Entgiftung<br />
3,57 %<br />
Unbekannt<br />
14,29 %<br />
Situation vor der Aufnahme I in %<br />
Familie<br />
14,29 %<br />
Haft<br />
7,14 %<br />
OFW<br />
46,43 %<br />
Therapie/<br />
Entgiftung<br />
14,29 %<br />
Wohnung<br />
14,29 %<br />
Einrichtung/<br />
Maßnahme<br />
7,14 %<br />
OFW<br />
52,29 %<br />
Situation nach dem Auszug I in %<br />
OFW<br />
36,70 %<br />
Haft<br />
4,59 %<br />
Therapie/<br />
Entgiftung<br />
23,85 %<br />
Therapie/<br />
Entgiftung<br />
10,09 %<br />
Haft<br />
11,92 %<br />
Einrichtung/<br />
Maßnahme<br />
5,00 %<br />
Familie<br />
11,00 %<br />
Wohnung<br />
12,84 %<br />
Unbekannt<br />
20,18 %<br />
35<br />
Einrichtung/<br />
Maßnahme<br />
1,83 %<br />
Familie<br />
4,59 %<br />
Wohnung<br />
11,00 %
36<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
bis 1<br />
Woche<br />
bis 2<br />
Wochen<br />
Bleibedauer I 137 Aufnahmen<br />
bis 3<br />
Wochen<br />
bis 4<br />
Wochen<br />
Einkommen I bei Aufnahme<br />
+<br />
bis 5<br />
Wochen<br />
+<br />
bis 6<br />
Wochen<br />
länger
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Drogenkonsum I Alle Aufnahmen – Mehrfachnennungen als Polytox<br />
+<br />
37
38<br />
Bewohnerstruktur<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Krisenschläfer<br />
Aufnahmen als Krisenschläfer l 59 Personen<br />
4 Frauen<br />
Altersverteilung I Frauen und Männer<br />
+<br />
unter 30 Jahren unter 40 Jahren<br />
55 Männer<br />
unter 50 Jahren
Jan<br />
Feb<br />
Mär<br />
Apr<br />
Mai<br />
Jun<br />
Jul<br />
Aug<br />
Sep<br />
Okt<br />
Nov<br />
Dez<br />
Kontakt-Café<br />
Besucher<br />
Gesamt<br />
Öffnungstage<br />
Männer Frauen<br />
davon<br />
Kinder<br />
Gesamt Ø<br />
23,5 1382 361 49 1792 76,25<br />
21 1343 331 32 1706 81,24<br />
24 1606 360 32 1998 83,25<br />
22 1440 369 42 1851 84,14<br />
20,5 1542 371 37 1950 95,12<br />
22 1588 379 30 1997 90,77<br />
25 1697 439 54 2190 87,60<br />
23,5 1447 327 34 1808 76,94<br />
24 1507 369 18 1894 78,92<br />
24 1697 405 20 2122 88,47<br />
23 1777 425 16 2218 96,42<br />
20,5 1304 336 18 1640 80,00<br />
273 18330 4472 382 23166 84,85<br />
Verteilung der Besucher I in %<br />
79,12 %<br />
19,3 %<br />
1,65 %<br />
39
40<br />
Spritzenvergabe<br />
in der Einrichtung<br />
Jan<br />
Feb<br />
Mär<br />
Apr<br />
Mai<br />
Jun<br />
Jul<br />
Aug<br />
Sep<br />
Okt<br />
Nov<br />
Dez<br />
Weibliche<br />
Tauscher<br />
Anzahl<br />
Spritzen<br />
Männliche<br />
Tauscher<br />
Anzahl<br />
Spritzen<br />
Tauscher<br />
Gesamt<br />
Spritzen<br />
Gesamt<br />
73 910 719 8316 792 9226<br />
75 1570 679 7768 754 9338<br />
97 1818 893 9563 990 11381<br />
126 2447 824 7521 950 9968<br />
106 1385 874 9322 980 10707<br />
93 1358 819 6772 912 8130<br />
110 1000 1139 6059 1249 7059<br />
81 897 980 7390 1061 8287<br />
143 1670 1036 7210 1179 8880<br />
115 1419 1008 6973 1123 8392<br />
194 2335 947 6567 1141 8902<br />
202 2372 692 5149 894 7521<br />
1415 18581 10610 88610 12025 107191<br />
weibl.<br />
Tauscher<br />
11,77 %<br />
Anteil an<br />
ausgegebenen<br />
Spritzen<br />
17,33 %<br />
Geschlechterverteilung I in %<br />
männliche<br />
Tauscher<br />
88,23 %<br />
Anteil an<br />
ausgegebenen<br />
Spritzen<br />
82,67 %
Spritzenvergabe<br />
Streetwork und Automat<br />
500<br />
450<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Streetwork I Insgesamt 2688 Spritzen<br />
Automat I Kasseler Tor<br />
606 Spritzen<br />
41
Suchtdruck?<br />
Du gerätst im Alltag aus<br />
der Bahn?<br />
ABS kann helfen!
ABS<br />
Alltagsbegleitung bei Substitution<br />
Seit Oktober 2007 bietet der <strong>KIM</strong> - <strong>Soziale</strong><br />
<strong>Arbeit</strong> e.V. eine Alltagsbegleitung<br />
bei Substitution, kurz ABS, an. Die ABS<br />
ist räumlich wie konzeptionell an das<br />
<strong>B2.Streetwork</strong> angebunden und wird<br />
von Andreas Beisbart, einem Mitarbeiter<br />
des B2-Sozialarbeiterteams betrieben.<br />
Er beschreibt im Folgenden die<br />
Grundlagen seines <strong>Arbeit</strong>sbereiches und<br />
stellt dabei die Ergebnisse des vergangenen<br />
Jahres <strong>2009</strong> dar.<br />
Eines der wichtigsten Ziele der Substitution<br />
ist es, drogengebrauchenden Menschen<br />
eine weitgehend „normale", mit<br />
anderen Bevölkerungsgruppen vergleichbare<br />
Lebensgestaltung zu ermöglichen.<br />
Aus Evaluationsstudien zur Substitution<br />
ist bekannt, dass eine psychosoziale<br />
Begleitung zum Erfolg der Behandlung<br />
beiträgt. In der Praxis bestätigt sich<br />
zugleich, dass diese insbesondere dann<br />
produktiv sein kann, wenn - geleitet von<br />
einer eigenständig entwickelten Motivation<br />
- eine vertrauensvolle Zusammenarbeit<br />
möglich ist. Entwicklungen in diese<br />
Richtung können nicht erzwungen<br />
werden bzw. werden durch eine zwangsweise<br />
Verknüpfung von medizinischer<br />
Substitutvergabe und psychosozialer<br />
Begleitung stark beeinträchtigt.<br />
Was ist Substitution?<br />
Substitution bedeutet, dass als Ersatz<br />
für das illegale Heroin ein synthetisches<br />
Opiat, in den meisten Fällen<br />
Methadon, ärztlich verordnet und<br />
verabreicht wird. Dadurch verschwindet<br />
das körperliche Verlangen nach<br />
Heroin für mindestens 24 Stunden.<br />
Die PatientenInnen sind nicht mehr<br />
darauf angewiesen, auf dem<br />
Schwarzmarkt teuren und verschmutzten<br />
Stoff zu kaufen und dies<br />
mit Beschaffungskriminalität zu finanzieren.<br />
Die gesetzlichen Regelungen sind dabei<br />
relativ eng (festgelegt in der Richtlinie<br />
über die Bewertung ärztlicher<br />
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden).<br />
Die PatientenInnen müssen<br />
den Ersatzstoff unter Aufsicht einnehmen,<br />
eine Mitnahme nach Hause<br />
(Take-home) ist frühestens nach<br />
sechsmonatiger Behandlung möglich.<br />
Darüber hinaus wird durch regelmäßige,<br />
unangekündigte Tests (so genannte<br />
screenings) kontrolliert, dass<br />
keine anderen Suchtmittel konsumiert<br />
worden sind (so genannter Beikonsum).<br />
43
44<br />
Die Angebote der psychosozialen Begleitung<br />
sollen demnach einfach erreichbar<br />
und freiwillig sein. Im Idealfall<br />
können die KlientenInnen zwischen verschiedenen<br />
Anbietern und Angeboten<br />
wählen. Der Begleitungsprozess soll geprägt<br />
sein von Offenheit und einem<br />
vertrauensvollen Miteinander. Die Angebote<br />
sollen KlientenInnen dabei unterstützen,<br />
Die Angebote sollen die KlientenInnen<br />
dabei unterstützen,<br />
• ihre persönliche Veränderungsmotivation<br />
umzusetzen,<br />
• soziale, persönliche und gesundheitliche<br />
Problemlagen zu<br />
bewältigen,<br />
• die Häufigkeit von Beigebrauch<br />
legaler und/oder illegaler Drogen<br />
zu reduzieren und möglichst<br />
lange Phasen der Abstinenz zu<br />
erreichen,<br />
• eine (Re-)Integration in das gesellschaftliche<br />
Leben zu erreichen,<br />
z.B. durch Unterstützung<br />
bei Wohnraum- und <strong>Arbeit</strong>splatzbeschaffung,<br />
• Rechte wahrzunehmen, behördliche<br />
Auflagen einzuhalten und<br />
Straffälligkeit zu vermeiden,<br />
• und bei Bedarf flankierende Hilfeangebote<br />
komplementärer<br />
Einrichtungen wahrzunehmen.<br />
Alltagsbegleitung<br />
Die eigens für den niedrigschwelligen<br />
Bereich ins Leben gerufene psychosoziale<br />
Alltags-Begleitung bei Substitution<br />
(ABS) orientiert sich an der Lebenswelt<br />
der DrogennutzerInnen. Der Zugang<br />
erfolgt niedrigschwellig über regelmäßige<br />
offene Sprechstunden im Café und<br />
über Kontakte während der Streetwork.<br />
Basis der Begleitung ist die Akzeptanz<br />
von substituierten Menschen als mündige,<br />
zur Selbstverantwortung fähige<br />
Menschen. Eine entwicklungsbegleitende<br />
Unterstützung ist prozesshaft<br />
und aktiviert vorhandene Stärken substituierter<br />
Menschen in ihrem Lebensraum<br />
in einem möglichst verständigungsbezogenen<br />
und moderierenden<br />
Dialog. Sie ist ein zeitintensiver und<br />
dynamischer Prozess eines Herauswachsens<br />
aus einer nicht befriedigenden<br />
Lebenspraxis.<br />
Deutlich wird auch, dass Veränderungen<br />
Zeit brauchen. Einen solchen Prozess<br />
zu begleiten bedeutet, Vertrauen<br />
aufzubauen und in Krisensituationen<br />
schnell und wirksam zu handeln. Das<br />
geht deutlich über die ganz basalen<br />
Angebote der Schadensminimierung<br />
und unmittelbaren Überlebenshilfe des<br />
B2 hinaus. Konkret bedeutet es, mit<br />
den KlientInnen gemeinsam wichtige<br />
Gesprächstermine bei Ämtern, der<br />
Bewährungshilfe, mit behandelnden<br />
Ärzten wahrzunehmen sowie sie bei<br />
Gerichtsprozessen oder auf dem Weg in
Entgiftungs- und Entwöhnungsbehandlungen<br />
zu begleiten. Insgesamt wurden<br />
in <strong>2009</strong> 38 KlientInnen psychosozial begleitet,<br />
zahlreiche andere nahmen einoder<br />
zweimalige Beratung in Anspruch.<br />
Durch die Schaffung einer zusätzlichen<br />
Stelle für die psychosoziale Begleitung<br />
ist es möglich geworden, über spontane<br />
Hilfe und Beratung hinaus diese intensive<br />
und personengebundene Betreuung<br />
anzubieten. Regelmäßige Gespräche<br />
in einer ruhigen, vom hektischen<br />
Alltag freien Atmosphäre schaffen die<br />
Basis für kleinschrittige Veränderungen;<br />
praktische Hilfen in Form von Begleitung,<br />
Organisierung von Fahrmöglichkeiten,<br />
Möbelspenden etc. sorgen für<br />
die materielle Unterfütterung. Die vertrauensvolle<br />
Beziehung dient dabei als<br />
emotionale Stütze. So können Krisen<br />
rechtzeitig erkannt und die Folgen abgemildert<br />
werden, um z.B. stationäre<br />
Klinikaufenthalte oder einen Bewährungswiderruf<br />
zu vermeiden.<br />
Erfolg misst sich dabei an den Zielen<br />
der KlientInnen und in Bezug auf die<br />
Ausgangsposition: für den einen ist es<br />
ein großer Erfolg, Bewährungsauflagen<br />
einzuhalten und sich eigenverantwortlich<br />
um die Beantragung von<br />
Leistungen zu kümmern, für die andere<br />
steht die Redzuzierung von Beikonsum<br />
und die Entwicklung einer<br />
weitergehenden Lebensperspektive<br />
bei Substitution<br />
im Vordergrund.<br />
Insgesamt wurden in <strong>2009</strong> im Rahmen<br />
der ABS 15 KlientInnen in eine Entgiftungsbehandlung<br />
vermittelt, von denen<br />
ein Drittel im Anschluss eine Entwöhnungsbehandlung<br />
begonnen hat.<br />
Vier KlientInnen haben eine längere<br />
Haftstrafe angetreten, zwei weitere<br />
wurden an das Ambulant Betreute<br />
Wohnen des <strong>KIM</strong>-<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> e.V.<br />
vermittelt. Bei 16 Klienten konnte eine<br />
soziale und gesundheitliche Stabilisierung<br />
erreicht werden. Sechs KlientInnen<br />
haben die Begleitung abgebrochen<br />
oder sind unbekannt verzogen.<br />
45
Bild im Original: www.aerzteinitiative.at
KISS<br />
Selbstkontrollierter Konsum illegaler Drogen<br />
Im Zeitraum von Oktober <strong>2009</strong> bis Februar<br />
2010 haben wir zum ersten Mal<br />
das im letzten <strong>Jahresbericht</strong> bereits vorgestellte<br />
Gruppenprogramm KISS für<br />
unsere KlientInnen angeboten. In 12<br />
Einheiten konnten die TeilnehmerInnen<br />
lernen, mit ihrem Drogenkonsum bewusster<br />
umzugehen und dadurch stellenweise<br />
die Kontrolle über das alltägliche<br />
Leben zurück zu gewinnen. Im Folgenden<br />
stellen Stefanie Buschmeier und<br />
Andreas Beisbart den Verlauf und den<br />
Erfolg des Angebots darstellen.<br />
Was bedeutet KISS?<br />
KISS ist ein Programm zur selbstkontrollierten<br />
und gezielten Reduktion des<br />
Konsums illegaler und legaler Drogen.<br />
Ein selbstkontrollierter Drogenkonsum<br />
bezeichnet einen disziplinierten, geplanten<br />
und limitierten Substanzgebrauch.<br />
Dies wird von den KonsumentInnen<br />
umgesetzt, indem sie ihren Konsum an<br />
einen vorher festgelegten Konsumplan,<br />
bzw. –regeln ausrichten. KISS richtet<br />
sich an alle KonsumentInnen und Substituierten<br />
mit Beikonsum, die etwas an<br />
ihrem Konsum verändern und eine höhere<br />
Lebensqualität erreichen möchten.<br />
Mit Hilfe dieses Programms können die<br />
TeilnehmerInnen folgende Ziele erreichen:<br />
1. Bewusstmachung des Umgangs mit<br />
psychoaktiven Substanzen (inkl. Alkohol<br />
und Tabak)<br />
2. Stärkung der Änderungsmotivation<br />
3. Aufbau von Selbstmanagementfertigkeiten<br />
zur Konsumreduktion bzw.<br />
-beendigung für von KonsumentInnen<br />
ausgewählte Substanz(en)<br />
KISS ist also ein zieloffenes Programm,<br />
besitzt jedoch eine klare Struktur entsprechend<br />
verhaltenstherapeutischer<br />
Selbstmanagementprogramme.<br />
Die TeilnehmerInnen<br />
Durch Plakatwerbung und persönliches<br />
Ansprechen haben wir auf unser neues<br />
Gruppenangebot zum selbstkontrollierten<br />
Konsum aufmerksam gemacht.<br />
Viele unserer KlientInnen waren zunächst<br />
skeptisch, ob es überhaupt einen<br />
selbstkontrollierten Konsum illegaler<br />
Drogen geben kann. Aus Gesprächen<br />
und bei genauerem Nachfragen wurde<br />
einigen jedoch deutlich, dass sie ihren<br />
Konsum zum Teil schon mittels selbstauferlegter<br />
Regeln versuchen zu kontrollieren,<br />
ihnen dies aber nie bewusst<br />
war.<br />
Besonders die KlientInnen, die über<br />
eine mehrjährige Konsumerfahrung<br />
verfügen, standen dem Programm offen<br />
gegenüber. So hatten sich für KISS<br />
fünf Personen angemeldet. Bei den<br />
Teilnehmern handelte es sich ausschließlich<br />
um Männer im Alter<br />
47
48<br />
zwischen 38 und 51 Jahren. Als Hauptproblemsubstanz(en)<br />
wurde von einem<br />
Teilnehmer Alkohol, von einem Alkohol<br />
und Heroin, von zwei Teilnehmern Heroin<br />
sowie von einem Heroin und Benzodiazepine<br />
genannt. Drei der Teilnehmer<br />
befanden sich zudem in einer Substitutionsbehandlung.<br />
Die Vorgespräche<br />
Vier Wochen vor dem ersten KISS-<br />
Gruppentreffen fanden mit jedem der<br />
Teilnehmer vier Einzelgespräche im Abstand<br />
von einer Woche statt.<br />
Diese dienen dazu,<br />
• sich und dem Teilnehmer Klarheit<br />
über dessen Konsumniveau vor KISS<br />
zu verschaffen, damit Reduktionsschritte<br />
realistisch geplant werden<br />
können,<br />
• Konsumveränderungen am Ende von<br />
KISS überprüfen zu können,<br />
• das zu dem Programm gehörige<br />
Konsumtagebuch „Bestandsaufnahme“<br />
vorzustellen,<br />
• soziodemographische Daten zu erfassen<br />
und<br />
• die Veränderungsmotivation mittels<br />
verschiedener Fragekataloge abzuklären.<br />
Ab dem zweiten Gespräch wurden die<br />
Teilnehmer aufgefordert, das Konsumtagebuch<br />
täglich zu führen, d.h., jeder<br />
Konsumvorgang sollte notiert werden.<br />
Selbstkontrollierter Konsum<br />
Auf diese Weise sollten die Teilnehmer<br />
einen Blick für ihren tatsächlichen Drogenkonsum<br />
bekommen.<br />
Ablauf<br />
Nach den Einzelgesprächen fanden<br />
insgesamt 12 wöchentlich stattfindende<br />
Gruppentreffen statt, in denen folgende<br />
Themen bearbeitet wurden:<br />
1. Grundwissen Drogen<br />
2. Pro & Kontra Veränderung<br />
3. Bilanz ziehen<br />
4. Konsumziele festlegen<br />
5. Strategien zur Zielerreichung<br />
6. Risikosituationen erkennen<br />
7. Ausrutscher meistern<br />
8. Freizeit genießen<br />
9. Belastungen erkennen<br />
10. Belastungen angehen<br />
11. Nein-Sagen lernen<br />
12. Erfolge sichern<br />
Der Ablauf jedes Treffens ist wie folgt:<br />
zunächst findet ein kurzes „Blitzlicht“<br />
statt, dann ein 7-Tages-Rückblick, in<br />
dem der Konsum und das Führen des<br />
Konsumtagebuches im Mittelpunkt
stehen. Anschließend haben die Teilnehmer<br />
15 Minuten Pause. In der zweiten<br />
Hälfte des Treffens wird das Hauptthema<br />
der jeweiligen Einheit mittels<br />
Gruppen- und Einzelarbeit und gegenseitigem<br />
Austausch bearbeitet. Am Ende<br />
findet noch eine Abschlussrunde<br />
statt, zudem werden die Teilnehmer<br />
nach jeder Sitzung gebeten, einen<br />
Stundenbeurteilungsbogen auszufüllen.<br />
Insgesamt dauert ein Treffen 2 ¼ Stun-<br />
illegaler Drogen<br />
den.<br />
Auswertung<br />
Die KISS-Gruppe startete mit fünf Teilnehmern.<br />
Ein Teilnehmer ist ab der<br />
sechsten Sitzung zu keinem Treffen<br />
mehr gekommen, bis zu diesem Zeitpunkt<br />
hatte er an zwei Treffen teilgenommen.<br />
Die übrigen vier Teilnehmer haben<br />
durchschnittlich 2,25 Mal gefehlt.<br />
Heroin<br />
Substitut<br />
Benzodiazepine<br />
Alkohol<br />
Abb 1.: Konsumniveau aller Substanzen vor dem KISS-<br />
Programm (Konsumeinheiten pro Woche)<br />
49
50<br />
Die Konsumeinheiten bei illegalen Drogen<br />
wurden im zweiten Einzelgespräch<br />
bereits von den Teilnehmern individuell<br />
festgelegt. Um die Konsumeinheiten<br />
festzulegen schreiben die Teilnehmer<br />
ihre typischen Konsummengen pro<br />
Konsumvorgang der jeweiligen Droge<br />
auf, z.B. pro Konsumvorgang Heroin<br />
wird 0,1g Heroin konsumiert. Eine Kon-<br />
TN 1 hat 37 Konsumeinheiten weniger<br />
Alkohol in der Woche zu sich genommen,<br />
das sind umgerechnet 740 g Alkohol,<br />
das wiederum entspricht 18,5 Liter<br />
Bier. Zudem konsumierte er 20<br />
Selbstkontrollierter Konsum<br />
sumeinheit wäre somit 0,1g Heroin.<br />
Die Mengen können von Konsument<br />
zu Konsument verschieden sein.<br />
Die Konsumeinheit für Alkohol ist<br />
standardisiert und liegt bei 20 g Alkohol,<br />
das entspricht 0,5l Bier, 0,2l Wein<br />
oder 0,06l Schnaps.<br />
Heroin<br />
Substitut<br />
Benzodiazepine<br />
Alkohol<br />
Abb 2.: Konsumniveau nach KISS<br />
(Konsumeinheiten pro Woche)<br />
Einheiten Heroin weniger, wenn wir<br />
davon ausgehen, das eine Konsumeinheit<br />
mit 0,1 g Heroin gleichzusetzen<br />
ist, sind das 2 Gramm Heroin pro<br />
Woche.
TN 2 konnte seinen Konsum bis zum<br />
Ende des Programms um 32 Einheiten<br />
Heroin und zwei Einheiten Benzodiazepin<br />
reduzieren.<br />
Nach KISS nahm TN 3 14 Konsumeinheiten<br />
Alkohol weniger zu sich, umgerechnet<br />
sind das 280 g Alkohol.<br />
Zu TN 4 lässt sich sagen, dass die Höhe<br />
seines Heroinkonsums schwankt, da er<br />
nach Möglichkeit versucht, sich selbst<br />
zu substituieren. Wenn er also mit seinem<br />
Substitutionsmittel versorgt ist,<br />
braucht er für den Tag auch kein Heroin.<br />
Der Erfolg des KISS-Programms lässt<br />
sich jedoch nicht ausschließlich an Zahlen<br />
messen. In der Abschlussreflektion<br />
während des letzten Treffens wurde<br />
das Programm von allen Teilnehmern<br />
als insgesamt positiv bewertet. Sie sind<br />
mit sich selbst zufriedener und hatten<br />
das Gefühl, etwas erreicht zu haben.<br />
U.a. gehen sie bewusster mit ihrem<br />
Drogenkonsum um; jeder hat für sich<br />
Strategien zum kontrollierten Konsum<br />
gefunden, die er in seinem Alltag umsetzten<br />
kann. Zudem wurde von drei<br />
Teilnehmern ausgesagt, dass sie sich<br />
vorher nicht besonders intensiv mit ihrem<br />
Drogenkonsumverhalten und ihren<br />
Lebensumständen auseinandergesetzt<br />
haben. Belastende Lebenssituationen<br />
wurden meist mittels eines (zum Teil<br />
exzessiven) Drogenkonsums verdrängt.<br />
illegaler Drogen<br />
Zwei Teilnehmer haben sich bereits zur<br />
zweiten KISS-Gruppe, die im März begonnen<br />
hat, angemeldet, um weiter an<br />
sich zu arbeiten und ihr „neu erlerntes<br />
Verhalten“ zu festigen. Denn das KISS-<br />
Programm kann die Motivation zur<br />
Veränderung fördern und die ersten<br />
Schritte dazu einleiten. Die Herausforderung<br />
für die Teilnehmer liegt jedoch<br />
darin, auch nach Abschluss des Programms<br />
kontrolliert weiter zu konsumieren,<br />
indem sie ihren Konsum weiterhin<br />
planen und aufschreiben, und sich mit<br />
ihren Strategien und Risikosituationen<br />
auseinandersetzten und diese u.U. auch<br />
an veränderte Situationen neu anpassen.<br />
51
Comic: www.salzburger-armutskonferenz.at
<strong>Arbeit</strong>slosigkeit und Armut<br />
und die Auswirkungen auf die Szene<br />
Die schwierige wirtschaftliche Lage, die zunehmende Technisierung<br />
der Produktionswirtschaft und die immer höher werdenden Anforderungen<br />
an <strong>Arbeit</strong>nehmerInnen bzgl. Ihrer schulischen und beruflichen<br />
Qualifikationen in allen <strong>Arbeit</strong>sfeldern lassen den prozentualen<br />
Anteil der Bevölkerung, die an oder unter der Armutsgrenze lebt,<br />
immer größer werden. Die Auswirkungen machen sich auch für das<br />
B2-Team in seiner täglichen <strong>Arbeit</strong> mit den KlientInnen deutlich bemerkbar.<br />
Auf der einen Seite werden die hohen Bezahlungen von Wirtschafts-Managern,<br />
die nicht geleisteten Steuerzahlungen von<br />
Wohlhabenden oder auch das exzessive Streben nach Gewinnen an<br />
den Börsen kontrovers diskutiert. Auf der anderen Seite ist vielerorts<br />
von der neuen sozialen Frage die Rede, in der es u.a. um die<br />
Themen Sozialstaat, <strong>Arbeit</strong>slosigkeit und Armut geht.<br />
Der Wandel des Sozialstaats in Deutschland hat sich in den letzten<br />
Jahren für alle spürbar vollzogen. Er kann verstanden werden als<br />
das vorläufige Ende des weiteren Ausbaus des Sozialstaats. Er ist<br />
u.a. gekennzeichnet durch:<br />
• Angebotsorientierte Politik („mehr Markt, weniger Staat“):<br />
weniger staatliche Eingriffe in Marktprozesse, Kostenentlastung<br />
von Unternehmen, Flexibilisierung von Beschäftigungsverhältnissen,<br />
Privatisierung sozialer Sicherung (Rente, Gesundheit)<br />
usw.<br />
• Aktivierender Staat bzw. aktivierende <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik<br />
(„Fördern und Fordern“): Einfordern von Eigenverantwortung<br />
aller Bürger, Aktivierung von <strong>Arbeit</strong>slosen unter verschärften<br />
Bedingungen („Hartz-Gesetze“) etc.<br />
Das Problem der <strong>Arbeit</strong>slosigkeit hat sich in Deutschland verfestigt.<br />
Ursachen dafür sind u.a. in den technischen Neuerungen im<br />
Bereich der Wirtschaft zu sehen, die dadurch immer<br />
von<br />
Stefan Buschkühl<br />
(Dipl.-Sozialpädagoge)<br />
und<br />
Niko Markantonatos<br />
(Dipl.-Sozialpädagoge)
54<br />
<strong>Arbeit</strong>slosigkeit<br />
produktiver wird. Dies hat zur Folge, dass die menschliche <strong>Arbeit</strong>skraft<br />
immer weniger gebraucht wird. Darüber hinaus setzt der<br />
internationale Handel einzelne Staaten zunehmend unter Druck.<br />
Auch die <strong>Arbeit</strong>smarktsituation in Deutschland ist vor diesem Hintergrund<br />
seit den 1970er Jahren durch eine anhaltende Massenarbeitslosigkeit<br />
gekennzeichnet. Derzeit sind 3,276 Millionen Menschen<br />
in Deutschland arbeitslos (Stand: 10.01.2010). Die offizielle<br />
Zahl der <strong>Arbeit</strong>slosen würde allerdings deutlich höher liegen, wenn<br />
nicht ein gewichtiger Teil der <strong>Arbeit</strong>slosen aus der Statistik fallen<br />
würde. So zählen etwa MaßnahmenteilnehmerInnen, Menschen,<br />
die <strong>Arbeit</strong>sgelegenheiten nach dem SGB II wahrnehmen und KurzarbeiterInnen<br />
nicht zu den <strong>Arbeit</strong>slosen. Würde man sie hinzuzählen,<br />
würde die registrierte <strong>Arbeit</strong>slosigkeit gegenwärtig um etwa 1,1<br />
Mio. Personen höher liegen.<br />
Wenn man bedenkt, wie schwierig es teilweise selbst für in ihrem<br />
<strong>Arbeit</strong>sfeld ausreichend qualifizierte <strong>Arbeit</strong>skräfte ist, eine Anstellung<br />
vor allem mit perspektivischer Sicherheit zu finden, umso aussichtsloser<br />
scheint es für den Großteil unserer KlientInnen zu sein,<br />
(wieder) in ein Beschäftigungsverhältnis zu kommen.<br />
Natürlich stehen in der Regel vor dem eventuellen Fernziel „<strong>Arbeit</strong>sstelle“<br />
eine ganze Reihe großer und wichtiger Teilziele, wie etwa<br />
gesundheitliche Stabilisierung, bestmögliche Kontrolle des Konsumverhaltens,<br />
eigene Wohnung, Therapieabschluss etc., die ohnehin<br />
schon schwierig genug zu erreichen sind und nicht für jede/jeden<br />
unserer KlientInnen wird es überhaupt jemals möglich<br />
sein, die Anforderungen eines Beschäftigungsverhältnisses kontinuierlich<br />
zu erfüllen.<br />
Aber selbst wenn einzelne KlientInnen so weitreichende Veränderungsphantasien<br />
entwickeln und die entsprechende innere Motivation<br />
aufweisen, fällt es vielen schwer, diese aufrecht zu erhalten,<br />
wenn sie sich ohnehin wenig bis keine Chance ausrechnen, eine <strong>Arbeit</strong>sstelle<br />
zu finden – geschweige denn langfristig beruflichen Erfolg<br />
zu haben.<br />
Oftmals besteht unsere <strong>Arbeit</strong> daher darin, unsere KlientInnen von
und Armut<br />
ihren selbstgesteckten „Endzielen“, wie bspw. <strong>Arbeit</strong>, Drogenabstinenz<br />
oder Beziehung zu szenefernen PartnerInnen, abzubringen<br />
und den Fokus auf realistischere kleinere Teilziele bzw. Erfolge zu<br />
lenken – was ja konzeptionell auf Seiten der Sozialarbeit, gerade im<br />
niederschwelligen und akzeptanzorientierten Bereich, schon lange<br />
Standard ist.<br />
Eng verbunden mit der Massenarbeitslosigkeit in Deutschland ist<br />
die Entstehung von Armut. Dabei ist die Frage, was überhaupt als<br />
Armut zu bezeichnen ist und was nicht, seit jeher umstritten.<br />
Wissenschaftlich ist es üblich, Menschen in den westlichen Industrienationen<br />
als arm zu bezeichnen, deren Einkommen einen bestimmten<br />
Prozentsatz des Durchschnittseinkommens nicht übersteigt.<br />
Die sogenannte Armutsrisikoschwelle liegt laut EU-<br />
Kommission bei 60 Prozent des mittleren Einkommens eines Landes.<br />
Als arm gilt, wer weniger als 50 Prozent des mittleren Einkommens<br />
zur Verfügung hat. Im Jahr 2003 bspw. lag dieses mittlere<br />
Pro-Kopf-Jahreseinkommen bei 16.002 Euro.<br />
Wenn man, wie zuvor beschrieben, davon ausgeht, dass nur wenige<br />
unserer KlientInnen einem Beschäftigungsverhältnis nachgeht,<br />
selbst wenn sie dazu in der Lage wären, und sie daher zumeist von<br />
<strong>Arbeit</strong>slosengeld II bzw. Grundsicherung leben, ist es klar, das sich<br />
die überwiegende Mehrheit der Klientel weit unter der Armutsgrenze<br />
befindet – erst recht, wenn man bedenkt, welche Summen<br />
Drogensüchtige tagtäglich aufbringen müssen, um ihren Suchtdruck<br />
zu befriedigen.<br />
Aber selbst die wenigen KlientInnen, die soweit stabilisiert sind,<br />
dass sie allein mit den Regelsätzen tatsächlich ihren Monatsbedarf<br />
bestreiten können, sind kaum in der Lage mit dem Hartz-IV-Betrag<br />
vor allem perspektivisch und nicht nur provisorisch adäquat am gesellschaftlichen<br />
Leben zu partizipieren.<br />
Auch bei der Wohnungssuche zeigt sich, wie schwierig es ist, aus<br />
besonders armen Lebensumständen wieder in geordnetere Verhältnisse<br />
zu gelangen. Die verzweifelte Suche unserer KlientInnen<br />
55
56<br />
<strong>Arbeit</strong>slosigkeit<br />
nach Wohnungen, deren Miethöhe vom Amt getragen wird, ist<br />
bleibt sehr oft erfolglos. Diesen Wohnungsmangel nutzen vielerorts<br />
Vermieter aus, um eigentlich im aktuellen Zustand kaum vermietbare<br />
Wohnungen zu überteuerten Preisen teilweise ohne Strom,<br />
Heizung oder fließend warmes Wasser an Hartz-IV-Empfänger zu<br />
vermieten, die glücklich sind, überhaupt ein festes Dach über dem<br />
Kopf zu haben und es daher nur selten wagen, sich zu beschweren<br />
oder gar rechtliche Schritte einzuleiten (Spiegel TV berichtete zuletzt<br />
aus mehreren Städten deutschlandweit). Der Aufbau eines<br />
adäquaten Hausstandes oder eine vernünftige gesundheitsförderliche<br />
Ernährung geraten bei derartigen Wohnverhältnissen schnell in<br />
den Hintergrund.<br />
Aber auch die Grundbedürfnisse der KlientInnen unserer Notschlafstelle<br />
wie Ernährung oder auch medizinische Grundversorgung …..<br />
Durch unsere Essens-Angebote im Kontakt-Café versuchen wir, zumindest<br />
eine Grundversorgung sicherzustellen. Auch die Paderborner<br />
Tafel oder der SKM – Sozialdienst katholischer Männer arbeiten<br />
bspw. mit ihren Angeboten daran, Menschen aus armen Verhältnissen<br />
zu versorgen. Eine umfassende Ernährung, vor allem der obdachlosen<br />
oder drogensüchtigen Personen, die aufgrund ihres Alltages<br />
eigentlich ein viel höheres Maß an ausgewogener Ernährung<br />
bedürften, ist mit Hartz-IV-Regelsätzen kaum möglich.<br />
Die medizinische Erst- bzw. Grundversorgung ist ein weiteres Problemfeld<br />
von Menschen aus besonders armen Verhältnissen. Oftmals<br />
können sie gerade gegen Ende des Monats die Praxis- oder die<br />
Rezeptgebühr nicht aufbringen und schieben daher zum Teil dringend<br />
notwendige Behandlungen oftmals sehr lange vor sich her.<br />
Ende des letzten Jahres ergab sich kurzfristig die Möglichkeit ein<br />
Projekt „zur Medizinische Erstversorgung“ mit Hilfe eines ehrenamtlich<br />
arbeitenden Arztes in den Räumen des <strong>B2.Streetwork</strong> anzubieten.<br />
Leider konnte das Projekt zunächst doch nicht umgesetzt<br />
werden, aber wenn sich erneut die Chance bietet, auf ehrenamtlicher<br />
Basis ein solches Angebot zu installieren, werden wir natürlich<br />
wieder versuchen, die Grundversorgung unserer Klienten auf den<br />
medizinischen Bereich auszudehnen.
und Armut<br />
Besonders häufig von Armut betroffen sind Kinder aus sozial<br />
schwachen Familien, zu denen der Großteil der Familien mit einem<br />
oder zwei suchtkranken Elternteilen gehört. Die Armut der Kinder<br />
basiert selbstredend auf der Armut der Eltern, die gerade bei drogensüchtigen<br />
Eltern besonders stark ist. Die Qualität der familialen<br />
Beziehungen hat großen Einfluss auf die Entwicklung der Kinder. Eine<br />
sichere Bindung zwischen Eltern und Kind, unterstützende Erziehungsmaßnahmen,<br />
eine Einbindung in verwandtschaftliche und<br />
nachbarschaftliche soziale Netze oder eine gute Schule und Wohngegend<br />
können beschützend für Kinder wirken. Faktoren, die bei<br />
Kindern von Eltern aus der Drogenszene oft fehlen.<br />
Der wichtigste Faktor, sich aus armen Verhältnissen zu befreien, ist<br />
eine gute Schulbildung. Der Großteil der Kinder unserer KlientInnen<br />
besucht jedoch Haupt- und Realschulen bzw. Förderschulen mit<br />
verschiedenen Entwicklungsschwerpunkten. Neben den möglicherweise<br />
schlechteren Schulleistungen kommt bei der Auswahl<br />
der „richtigen“ Schulform erschwerend hinzu, dass Eltern aus sozial<br />
schwachen Verhältnissen nach der Primarstufe zur niedrigeren<br />
Schulform tendieren - selbst wenn ihr Kind auch auf einer höheren<br />
eingeschult werden könnte. LehrerInnen verfahren bei ihrer Schulempfehlung<br />
für SchülerInnen aus sozial schwachen Familien unbewusst<br />
häufig ähnlich. Das starre und undurchlässige dreigliedrige<br />
Schulsystem lässt heutzutage jedoch kaum Möglichkeiten, sich<br />
nachträglich für eine höhere Schulform zu empfehlen. Gerade<br />
Haupt- und FörderschülerInnen haben durch die quantitative Verschiebung<br />
der Schülerzahlen hin zu Gymnasien und Realschulen<br />
und dem sich daraus ergebenden Überangebot an qualifizierteren<br />
SchulabgängerInnen schlechtere Chancen auf einen Ausbildungsplatz<br />
und somit einen erlernten Beruf. Die derzeitige <strong>Arbeit</strong>smarktsituation<br />
für junge Menschen, in der immer mehr höher qualifizierte<br />
und immer weniger geringqualifizierte Auszubildende gesucht<br />
werden, kommt im Jugendalter verschärfend hinzu.<br />
57
Bild im Original: www.aktuellekamera.de<br />
Zur innovativen<br />
Drogenhilfe
Über den Tellerrand hinaus<br />
Diamorphinvergabe und Konsumräume in anderen Städten<br />
In diesem Beitrag wollen wir einen Blick über den Paderborner Tellerrand<br />
hinaus wagen und zwei relativ neue Bausteine der Drogenhilfe<br />
betrachten, die seit einiger Zeit bereits auch in NRW angeboten<br />
werden. Die Möglichkeit zur diamorphingestützten Behandlung von<br />
Suchtkranken besteht seit Inkrafttreten des Gesetzesbeschlusses des<br />
Bundestages/-rates vom Juli <strong>2009</strong>. Wann und inwieweit diese in Paderborn<br />
umgesetzt wird, muss abgewartet werden. Teststudien in<br />
anderen Städten laufen bereits seit einigen Jahren.<br />
Das Für und Wider eines Konsumraumes für illegale Drogen wird in<br />
den zuständigen Paderborner Gremien und <strong>Arbeit</strong>skreisen schon<br />
länger diskutiert - bisher ohne abschließendes Ergebnis.<br />
In der bundesweit angelegten Heroinstudie (das Land NRW war mit<br />
den Städten Köln und Bonn vertreten) wurde die Wirksamkeit der<br />
methadongestützten Substitutionsbehandlung mit der heroin- bzw.<br />
diamorphingestützten Behandlung verglichen. Die TeilnehmerInnen<br />
waren schwerstabhängige Menschen, die seit vielen Jahren Heroin<br />
und oftmals zusätzlich diverse andere Suchtmittel konsumierten<br />
und von einer Methadonbehandlung langfristig nicht profitierten<br />
oder die vom therapeutischen System nicht erreicht wurden.<br />
Nach zwölfmonatiger Behandlungsdauer konnte aufgrund der Studie<br />
wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass die Diamorphinbehandlung<br />
(Diamorphin: künstlich hergestelltes Heroin) gegenüber<br />
der Methadonbehandlung deutlich bessere Ergebnisse aufweisen<br />
kann.<br />
Bei der Studie wurden Suchtkranke mit ähnlichen Voraussetzungen<br />
zwei Gruppen zugelost. Die erste Gruppe wurde mit Diamorphin<br />
anstelle des Straßenheroins substituiert, während die zweite Gruppe<br />
mit dem weitverbreiteten Methadon substituiert wurde (Kontrollgruppe),<br />
um die Ergebnisse der Diamorphingruppe in Relation<br />
setzen zu können.<br />
von<br />
Niko Markantonatos<br />
(Dipl.-Sozialpädagoge)<br />
und<br />
Andreas Beisbart<br />
(Dipl.-Sozialpädagoge)
60<br />
Diamorphinvergabe<br />
Die wichtigsten Erkenntnisse auf einen Blick:<br />
- bei 80% der DiamorphinpatientInnen kam es zu einer gesundheitlichen<br />
Verbesserung, gegenüber 74% bei der<br />
Methadongruppe<br />
- ein Rückgang des illegalen Drogenkonsums trat in der Diamorphingruppe<br />
bei 69,1% der PatientInnen auf, in der<br />
Methadongruppe nur bei 55,2%.<br />
- die (Durch)Haltequote unterscheidet sich deutlich: nach 12<br />
Monaten waren noch 67% der PatientInnen in der Diamorphinbehandlung<br />
verblieben, PatientInnen der Methadongruppe<br />
(Kontrollgruppe) beendeten hingegen nur<br />
zu 39% ihre Behandlung.<br />
- ein Drittel derjenigen StudeinteilnehmerInnen, die der Methadongruppe<br />
zugelost wurden, trat die Behandlung erst<br />
gar nicht an.<br />
- 31% der PatientInnen, die aus der Diamorphingruppe ausschieden,<br />
wechselten in eine andere Substitutionsbehandlung,<br />
8% sogar in eine Abstinenztherapie.<br />
Mit der heroingestützten Behandlung können folglich mehr Opiatabhängige<br />
therapeutisch erreicht werden, die anschließend auch<br />
in andere etablierte Therapien überführt werden können.<br />
Ferner zeigte sich, dass sich die DiamorphinpatientInnen in größerem<br />
Ausmaß von der Drogenszene lösen konnten. So suchte nach<br />
zwölf Monaten die Hälfte der DiamorphinpatientInnen die Drogenszene<br />
nicht mehr auf, innerhalb der Methadonbehandlung hatten<br />
noch 60% der PatientInnen Kontakt zur Szene.<br />
Eine qualitative und eine quantitative Spezialstudie konnten eine<br />
generell stabilisierende, kriminalitätsmindernde Wirkung der Diamorphinvergabe<br />
nachweisen. Zwar ist ein großer Teil der in Behandlung<br />
befindlichen PatientInnen weiter kriminell, vor allem mit
und Konsumräume<br />
Delikten wie Klein- und Ladendiebstählen sowie Schwarzfahren.<br />
Der Wegfall des Beschaffungsdrucks als primärer Grund für die<br />
Kriminalität sowie der Abstand von der Szene und von kriminellen<br />
Verhaltensweisen (auch im Bereich der Gewaltkriminalität)<br />
führten jedoch nachweisbar zu einem Rückgang der Delinquenz.<br />
In der Auswertung sowohl selbst berichteter Delinquenz sowie der<br />
Abfrage von Tatverdächtigendaten der Polizei zeigten sich erneut<br />
die deutlichen Vorteile der Diamorphin- gegenüber der Methadonbehandlung:<br />
Bei Personen, die über das ganze Jahr in der Behandlung<br />
verblieben, sank der Anteil der TeilnehmerInnen, die von der<br />
Polizei wegen irgendeines Delikts registriert wurden, in der Diamorphingruppe<br />
von 55% auf 39%. In der Methadongruppe verringerte<br />
sich dieser Anteil jedoch nur von 58% auf 55%.<br />
Schwerstabhängige benötigen um ihren Tagesbedarf an Suchtmitteln<br />
abdecken zu können etwa zwischen 50 bis 150€ am Tag. Berücksichtigt<br />
man den positiven Effekt der diamorphingestützten<br />
Behandlung auf die Kriminalitätsrate der Suchtkranken, sind weitere<br />
positive Auswirkungen schnell erkennbar.<br />
Plakativ gesprochen: Die Anzahl der durch suchtkranke Menschen<br />
begangenen Ladendiebstähle oder Einbrüche in Privatwohnungen<br />
würden verringert. Suchtkranke müssten sich weniger häufig prostituieren,<br />
würden seltener SeniorInnen überfallen oder ihre Eltern<br />
bestehlen und würden weniger dealen, um ihre Sucht finanzieren<br />
zu können - auch in Paderborn.<br />
Des Weiteren würden die eklatanten Nebenwirkungen von Drogensucht<br />
wie bspw. Wohnungsverlust, Verkauf persönlicher Habseligkeiten,<br />
Kontaktverlust zu Eltern und ehemaligen Freunden oder Inhaftierungen<br />
abgemildert. Dies wäre insbesondere bei jungen<br />
suchtkranken Menschen mit zeitlich überschaubarer Drogenvergangenheit<br />
mehr als sinnvoll, bevor sie Sozialisationsprozesse der<br />
61
62<br />
Diamorphinvergabe<br />
Drogenszene durchlaufen und delinquente Verhaltensweisen adaptieren.<br />
Mit der Aufnahme der Heroinbehandlung in die Regelversorgung<br />
hat der Bundestag den Weg frei gemacht, damit alle Menschen diese<br />
Behandlung bekommen können, die sie brauchen. Die kürzlich<br />
bekannt gewordenen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses<br />
(G-BA), dem obersten Beschlussgremium der gemeinsamen<br />
Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten,<br />
Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland, weisen allerdings<br />
in die falsche Richtung: durch überzogene und kaum zu finanzierende<br />
Auflagen wird es schwer kranken Menschen die Aussicht<br />
auf diese kassenärztliche Behandlung wieder genommen.<br />
Ein weiterer, recht neuer, jedoch wichtiger Baustein im Bereich der<br />
Drogenhilfe ist seit einigen Jahren die Einrichtung eines Konsumraumes<br />
für selbst mitgebrachte (illegale) Suchtmittel. In der näheren<br />
Umgebung von Paderborn haben Suchtkranke bspw. in Bielefeld<br />
(DHZ), Münster (INDRO) oder Dortmund (K!CK) die Möglichkeit<br />
zur hygienisch-kontrollierten Applikation der mitgeführten Drogen<br />
unter professioneller medizinischer Aufsicht. In Paderborn selbst<br />
gibt es ein solches Angebot noch nicht.<br />
Die Intention solcher Drogenkonsumräume u.a. ist, die durch Drogenkonsum<br />
bedingten Gesundheitsgefahren zu senken, um damit<br />
insbesondere das Überleben von Abhängigen zu sichern. Aber auch<br />
die Behandlungsbereitschaft der Abhängigen kann so durch den<br />
ständigen Kontakt geweckt werden - wodurch der eventuelle Einstieg<br />
in den Ausstieg aus der Sucht eingeleitet bzw. die Inanspruchnahme<br />
weiterführender insbesondere suchttherapeutischer Hilfen<br />
einschließlich der vertragsärztlichen Versorgung gefördert werden<br />
könnte.<br />
Die Voraussetzungen für Suchtkranke, Konsumräume nutzen zu<br />
dürfen, sind nicht so restriktiv, wie bei der diamorphingestützten
und Konsumräume<br />
Behandlung - ortsfremde Personen, Erst- bzw. GelegenheitskonsumentInnen<br />
oder auch Menschen die das 18. Lebensjahr noch nicht<br />
vollendet haben sind allerdings ausgeschlossen.<br />
Die Statistiken zeigen, dass die Akzeptanz und das Vertrauen in das<br />
Hilfeangebot Konsumraum auf hohem Niveau stabil sind bzw.<br />
wachsen. So weist bspw. der Konsumraum des K!CK in Dortmund<br />
jährliche Steigerungsraten der Konsumvorgänge um mehr als 10%<br />
auf - 2007 waren es über 26.000 die sich auf über 560 Personen<br />
verteilten. In Bielefeld finden seit Beginn des Konsumraumangebotes<br />
jährlich etwa 12-14.000 Konsumvorgänge statt. Bedenkt man,<br />
dass das <strong>B2.Streetwork</strong> <strong>2009</strong> etwa 105.000 Spritzen über das Safer-<br />
Use-Angebot heraus gegeben hat, lässt sich darauf schließen, dass<br />
ein solcher Konsumraum auch in Paderborn eine sinnvolle Ergänzung<br />
für das Angebotsspektrum im Bereich der Drogenhilfe sein<br />
könnte.<br />
Die Vorteile eines solchen Konsumraumes sind dabei nicht nur auf<br />
Seiten der Suchtkranken zu sehen.<br />
Ein Großteil der Suchtkranken, auch diejenigen, die nicht ohne festen<br />
Wohnsitz sind, halten sich tagsüber im Innenstadtbereich auf -<br />
müssen jedoch in regelmäßigen Abständen konsumieren. Durch die<br />
ständige Gefahr durch Ordnungswächter oder Passanten bei ihren<br />
Konsumvorgängen entdeckt zu werden, konsumieren Abhängige<br />
mitunter in Gebüschen, auf Spielplätzen, öffentlichen Toiletten, Garagen,<br />
Kellereingängen etc. Oft wird das benutzte Spritzbesteck,<br />
aus Angst damit erwischt zu werden, einfach liegen gelassen. So besteht<br />
natürlich die Gefahr, dass sie z.B. auch in Kinderhände gelangen<br />
können. Das Verantwortungsbewusstsein für andere Menschen<br />
lässt leider bei vielen aufgrund des harten Straßen- bzw. Suchtlebens<br />
im Laufe der Zeit nach.<br />
Wir leisten permanente Aufklärungsarbeit und versuchen zumindest<br />
unsere KlientInnen für die Gefahren unsachgemäßer Entsorgung<br />
der Konsumutensilien zu sensibilisieren. Des Weiteren haben<br />
wir einen Spritzensammeldienst installiert, der bspw. die öffentlichen<br />
Toiletten im<br />
63
64<br />
Diamorphinvergabe und Konsumräume<br />
Stadtgebiet nach Konsumrückständen absucht. Einen vollständigen<br />
Schutz können natürlich weder wir noch die Ordnungseinrichtungen<br />
der Stadt Paderborn gewährleisten - erst Recht, wenn man bedenkt,<br />
dass die Zahl der Schwerstabhängigen im Ort auf über 1000<br />
Personen geschätzt wird.<br />
Ein Konsumraum könnte eine wesentliche Verbesserung schaffen.<br />
Das Risiko für unbeteiligte Personen und vor allem für Kinder würde<br />
deutlich verringert werden.<br />
Inwieweit ein solcher Konsumraum von der Zielgruppe genutzt<br />
werden würde, könnte sich durch eine vom B2 im März durchgeführte<br />
Befragung unter den Paderborner Szeneangehörigen herauskristallisieren.<br />
Die Ergebnisse lagen bei der Fertigstellung des<br />
<strong>Jahresbericht</strong>s noch nicht vor. Prinzipiell sollte man sie allerdings<br />
ohnehin relativ sehen. Die Akzeptanz und das Vertrauen, sich bei<br />
einem Konsumvorgang unter die Aufsicht von medizinischem und<br />
sozialpädagogischem Personal zu begeben, muss vermutlich erst<br />
über einen längeren Zeitraum hinweg aufgebaut werden, um eine<br />
entsprechende Resonanz und den finanziellen Aufwand rechtfertigende<br />
Nutzerzahlen zu bekommen. Das Leben in der Illegalität und<br />
der Verborgenheit hat sich bei vielen stark manifestiert, so dass sich<br />
nicht jeder spontan vorstellen kann, beim „Ballern“ beobachtet zu<br />
werden - noch dazu von Fachpersonal.<br />
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans,<br />
hat kürzlich die Wichtigkeit der Angebote zur gesundheitlichen Versorgung<br />
für Drogenabhängige hervorgehoben und in Zusammenhang<br />
mit fallenden Zahlen von Drogentoten gebracht. Ausdrücklich<br />
erwähnte sie dabei: „Maßnahmen zur Schadensreduzierung, wie<br />
die qualitätsgestützte Substitutionsbehandlung mit Methadon oder<br />
Buprenorphin, Drogenkonsumräume, Spritzentausch und Kontaktläden<br />
sowie die diamorphingestützte Behandlung, die derzeit in die<br />
Regelversorgung überführt wird.“<br />
Soll diese jedoch effektiv sein, muss sie möglichst niedrigschwellig<br />
allen zugänglich gemacht werden, die von dieser Behandlung profitieren<br />
können.
Substitutvergabe<br />
Neue Richtlinien ab 2010<br />
Im März 2010 sind durch die Bundesärztekammer neue Richtlinien<br />
für die ärztliche Substitutionsbehandlung erlassen worden. Die<br />
Neuerungen waren u.a. nötig geworden, weil durch die Entscheidung<br />
des Bundestages im Sommer <strong>2009</strong> die Diamorphinvergabe geregelt<br />
werden musste.<br />
Darüber hinaus hat die BÄK auf verschiedene wissenschaftliche und<br />
praktische Entwicklungen reagiert und Regelungen vereinfacht.<br />
Die Substitution hat sich im Laufe der Zeit zu einer anerkannten Behandlungsmethode<br />
bei Opiatabhängigkeit entwickelt. Insbesondere<br />
bei Schwangeren ist sie die Behandlung der Wahl. Das Erreichen<br />
der Abstinenz steht nicht mehr im Vordergrund, sondern die Behandlungsziele<br />
sind jeweils am Einzelfall und an der gegenwärtigen<br />
Situation des Patienten auszurichten. Hierin spiegeln sich einerseits<br />
wissenschaftliche Evidenz wieder, aber auch praktische Erfahrungen:<br />
nur mit einer auf den Patienten ausgerichteten individualisierten<br />
und an den jeweiligen Ressourcen ausgerichteten Therapie<br />
kann die schwere Erkrankung Opiatabhängigkeit stabilisiert bzw.<br />
überwunden werden. Die Abstinenzorientierung stellte lediglich einen<br />
zusätzlichen Druck dar, der das Arzt-Patient-Verhältnis gestört<br />
hat, und aufgrund unrealistischer Vorgaben und Erwartungen eher<br />
zu Behandlungsabbrüchen, denn zu Behandlungserfolgen geführt<br />
hat.<br />
Großen Wert gelegt wird auf ein umfassendes Therapiekonzept,<br />
wobei Zielformulierung und –umsetzung wesentlich von der individuellen<br />
Situation des Patienten abhängen. Auch die Vermittlung in<br />
psychosoziale Maßnahmen ist Teil des Therapiekonzeptes. Dieses<br />
wird von der BÄK weiter konkretisiert: „Gegenstand der psychosozialen<br />
Maßnahmen ist es, die Erreichung der identifizierten Therapieziele<br />
durch geeignete Hilfe zu befördern. (…) Eine psychosoziale<br />
Betreuung (PSB) erfolgt nach den von der Drogenhilfe erarbeiteten<br />
Standards. Art und Umfang richten sich nach der individuellen Situation<br />
und dem Krankheitsverlauf des Patienten. Ihre Verfügbarkeit<br />
ist von den zuständigen Kostenträgern sicherzustellen.“ Arzt<br />
und PSB-Stelle sollen bei der Umsetzung des Therapieplans<br />
von<br />
Andreas Beisbart<br />
(Dipl.-Sozialpädagoge)
66<br />
Neue Richtlinien<br />
kooperieren, wobei der Arzt auf die Inanspruchnahme der Hilfen<br />
hinwirken soll. Bei akuten gesundheitlichen Gefahren kann eine<br />
Substitution ausnahmsweise auch erfolgen, „wenn und solange eine<br />
psychosoziale Betreuung nicht möglich ist.“<br />
Die BÄK bestätigt damit eindeutig die Bedeutung der PSB für einen<br />
Behandlungserfolg. Es sind ja am Ende Sozialarbeiter und Pädagogen,<br />
die maßgeblich zu einer Verbesserung der Wohn-, <strong>Arbeit</strong>s-<br />
Schuldensituation und damit für eine höhere Wahrscheinlichkeit<br />
einer Wirksamkeit der Behandlung beitragen.<br />
Eine deutliche Verbesserung der Regelung ergibt sich für die Take-<br />
Home-Vergabe. Bisher war es erst nach sechs Monaten möglich, die<br />
für sieben Tage nötige Dosis auf Rezept mit nach Hause zu bekommen.<br />
Nach den neuen Richtlinien ist diese Möglichkeit nun ausschließlich<br />
an inhaltliche Kriterien geknüpft. Insbesondere setzt eine<br />
„Take-home-Verordnung“ voraus, dass eine klinische Stabilisierung<br />
stattgefunden hat und die soziale Integration fortgeschritten<br />
ist. Das bedeutet vor allem für Menschen die im <strong>Arbeit</strong>sleben stehen<br />
eine Erleichterung. Sie müssen in Zukunft nur noch einmal pro<br />
Woche in die Praxis, statt bislang jeden Tag.<br />
Von dem Begriff „Beikonsum“ hat sich die BÄK verabschiedet. Nach<br />
wie vor sind jedoch Kontrollen zur Überprüfung des Konsums anderer<br />
psychotroper Substanzen Teil der Behandlung. Die Kontrollintervalle<br />
sind – nach der Eindosierungsphase – individuell an den<br />
Berhandlungsverlauf anzupassen. Wird ein aktueller Beikonsum<br />
festgestellt, bedeutet das nicht automatisch, dass keine Substitutionsmittel<br />
vergeben oder die Behandlung ganz eingestellt wird.<br />
Stattdessen soll der Arzt „die Ursache eruier[en] und nach Möglichkeiten<br />
ihrer Beseitigung“ suchen.<br />
Mit dieser Veränderung trägt die BÄK dem Umstand Rechnung,<br />
dass Rückfälle Teil des Krankheitsbildes einer Opiatabhängigkeit<br />
sind, die nicht einfach durch Sanktionen beantwortet werden können.<br />
Erst ein fortgesetzter, problematischer Konsum anderer gefährdender<br />
Substanzen führt zu einer Beendigung der Substitutionsthera<br />
pie. Vorher ist anzustreben, den Patienten möglichst weiter in der<br />
Behandlung zu halten, auch bei Verstößen. Alle anderen Interven-
der Substitutvergabe<br />
tionsmöglichkeiten sollten ausgeschöpft werden, wobei explizit<br />
Entgiftungsbehandlung, Dosisanpassung und der Wechsel in ein<br />
anderes therapeutisches Angebot genannt werden. Im Falle eines<br />
Abbruchs der Behandlung sollte das Absetzen des Substitutionsmittels<br />
ausschleichend in vereinbarten Schritten erfolgen.<br />
Als Fazit kann festgehalten werden, dass die Substitutionsbehandlung<br />
weiter auf dem Weg ist, eine normale Behandlungsmethode zu<br />
werden. Viele der jetzt eingearbeiteten Veränderungen sind von<br />
Praktikern der Suchthilfe schon vor Jahren gefordert worden.<br />
Wenig Auswirkungen werden die neuen Richtlinien allerdings auf<br />
den Umstand haben, dass die Substitutionsbehandlung für Ärzte<br />
unattraktiv ist. Eine weit reichende Kontrolle der behandelnden<br />
ÄrztInnen durch die Kassenärztliche Vereinigung und die nach wie<br />
vor prekäre rechtliche Situation machen die Behandlung für viele<br />
uninteressant. Bundesweit besteht in einigen Regionen eine mangelhafte<br />
Versorgungssituation, die sich durch die absehbare Verrentung<br />
einiger substituierender ÄrztInnen in den nächsten Jahren<br />
noch verschlechtern könnte. Auch in Paderborn wird es für Abhängige<br />
zunehmend schwieriger, im Bedarfsfall schnell einen Substitutionsplatz<br />
zu bekommen. Oft muss eine längere Wartezeit in Kauf<br />
genommen werden, die mit Heroinkonsum überbrückt wird. Eine<br />
Situation, die eigentlich so nicht tragbar ist.<br />
Substitutionsbehandlung ist eine Kassenleistung, die Kassenärztlichen<br />
Vereinigungen haben den Auftrag, eine flächendeckende Versorgung<br />
zu gewährleisten. Für die Drogennutzer bedeutet die Wartezeit<br />
auf einen Substitutionsplatz, sich weiterhin illegal Stoff besorgen<br />
zu müssen, erneut oder weiterhin straffällig zu werden und<br />
sich all den Gefahren auszusetzen, die der Konsum von „dreckigem<br />
Straßenheroin“ mit sich bringt. Nicht zuletzt für Abhängige, die<br />
nach einem Haftaufenthalt oder einer längeren Zeit der Abstinenz<br />
oder des nur gelegentlichen Konsums mittels einer Substitutionsbehandlung<br />
das erneute Abrutschen in die Illegalität verhindern<br />
wollen, sind solche Wartezeiten fatal: innerhalb von wenige Wochen,<br />
manchmal Tagen bewegen sie sich wieder in ihren gewohnten<br />
Strukturen aus Beschaffungskriminalität, Lethargie und der Jagd<br />
nach dem nächsten Schuss.<br />
67
68<br />
Interview<br />
mit einem Drogenabhängigen<br />
Das von Claudia Schmidtke geführte Interview mit einem Klienten unserer Einrichtung<br />
umreißt kurz dessen gesamte Lebensspanne und gewährt dadurch einen Einblick in<br />
mögliche Startpunkte bzw. Entstehungsursachen der Suchtmittelabhängigkeit.<br />
Die getroffenen Aussagen könnten sicher in ähnlicher Weise auf viele andere KlientInnen<br />
zutreffen und sollen exemplarisch aufzeigen, in wie weit sich bei jedem unter<br />
gewissen Umständen eine Suchtmittelabhängigkeit entwickeln könnte. Sucht hat immer<br />
eine Geschichte.<br />
Mein Klient fand die Idee, den Lesern des <strong>Jahresbericht</strong>es durch ein Interview einen<br />
Einblick „aus erster Hand“ zu gewähren sehr gut und war sofort bereit dabei mitzuwirken.<br />
Der Klient ist 27 Jahre alt und versucht derzeit nochmals eine Entgiftung mit<br />
anschließender Therapie anzugehen. Sein Wunsch und sein Ziel ist es, anschließend<br />
wieder in seinem Beruf arbeiten zu dürfen und eine Beziehung zu einer Frau aufzubauen,<br />
die nichts mit der Drogenszene zu tun hat.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Vielen Dank, dass Du Dich bereit erklärt<br />
hast, Dich für unseren <strong>Jahresbericht</strong><br />
interviewen zu lassen.<br />
Klient:<br />
Ich mache gerne mit. Ich persönlich finde<br />
das sogar gut, dass sich jemand so<br />
für mich interessiert.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Gab es während Deiner Kindheit Ereignisse<br />
oder Erfahrungen, die für Dich<br />
ganz besonders prägnant waren?<br />
Klient:<br />
Ja, die Scheidung meiner Eltern. Ich war<br />
da sieben Jahre alt. Bis dahin war soweit<br />
alles in Ordnung, denke ich.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Was genau meinst Du mit „denke ich“?<br />
Klient:<br />
Na ja, mein Vater ist Alkoholiker und<br />
hat sich auch ab und zu eine<br />
„Koksnase“ gezogen. Deshalb hatten<br />
wohl meine Eltern öfters Streit und<br />
dabei kam es auch zu Handgreiflichkeiten,<br />
also sprich mein Vater hat meine<br />
Mutter geschlagen.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Haben sie sich deshalb getrennt?<br />
Klient:<br />
Ja, genau. Damit ich als 7-jähriger Junge<br />
davon verschont bleibe, ist meine Mutter<br />
gegangen, sagt sie. Später habe ich<br />
das auch verstanden.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Habt ihr damals Unterstützung von<br />
anderen Familienmitgliedern bekommen?<br />
Klient:<br />
Leider nein, da sie selbst alle am Kiffen<br />
waren.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Bist du dann bei deiner Mutter
geblieben?<br />
Klient:<br />
Ja, bis zu meinem 14. Lebensjahr<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Und danach?<br />
Klient:<br />
Mein Vater wollte das Sorgerecht, aber<br />
für mich war damals schon klar, dass es<br />
ihm nur um das Geld ging. Bei meiner<br />
Mutter wollte ich aber auch nicht mehr<br />
bleiben. Daher bin ich zur Oma, wo<br />
auch mein Onkel wohnte, über den ich<br />
den ersten aktiven Kontakt mit Drogen<br />
bekam.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Was heißt das genau?<br />
Klient:<br />
Mein Onkel hatte Hanfpflanzen angebaut<br />
und ich hatte mir mit elf Jahren<br />
immer schon mal etwas davon genommen,<br />
wenn ich dort war. Das hatte<br />
niemand gemerkt. Mit ca. 13 Jahren<br />
habe ich dann täglich geraucht. Für<br />
mich war das normal, mein Onkel war<br />
eigentlich cool drauf. Wir hatten immer<br />
viel Spaß, auch mit seinen Kumpels. Bis<br />
dahin war nur Haschisch für mich interessant.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Wie bist du dann auf härtere Drogen<br />
gekommen, auch über deinen Onkel?<br />
Klient:<br />
Nein, ich bin mit 15 Jahren nach einer<br />
Party an einen DJ geraten, der Drogen<br />
nahm. Und da habe ich zum ersten Mal<br />
Interview mit einem Drogenabhängigen<br />
Speed genommen als Pulver durch die<br />
Nase. Die Hemmschwelle war dann erst<br />
einmal weg. Aber vor Pillen hatte ich<br />
immer noch Angst…<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Später dann nicht mehr?<br />
Klient:<br />
Ich habe Bücher gelesen, über das<br />
Glücksgefühl von Ecstasy. Da habe ich<br />
erst einmal eine Nase gezogen und<br />
später habe ich sie gefressen … als Pillen.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Hattest Du zu dieser Zeit noch Kontakt<br />
zu Deiner Mutter?<br />
Klient:<br />
Nein, sie war nach Hamm gezogen, da<br />
sie nicht damit klargekommen war, dass<br />
ich nicht mehr bei ihr bleiben wollte.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
War das für dich ein Fehler?<br />
Klient:<br />
Ja, im Nachhinein kann ich das so sagen.<br />
Obwohl meine Mutter auch gekifft hat,<br />
aber nie vor mir. Bei ihr durfte ich auch<br />
erst ab 18 Jahren rauchen.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Du hattest mir früher schon einmal<br />
erzählt, dass Du eine Lehre als Koch<br />
angefangen hast, wann genau war das?<br />
Klient:<br />
Das war von 1999 bis 2001 in Lippstadt.<br />
Danach war ich in Wünnenberg tätig<br />
und fast fertig mit meiner Ausbildung.<br />
69
70<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Das heißt, Du hast die Ausbildung nicht<br />
beendet?<br />
Klient:<br />
Mein Chef in Wünnenberg hat damals<br />
meine Freundin ganz übel beleidigt hat.<br />
Als sie mich anrief und mir das erzählte,<br />
habe ich rot gesehen und bin auf ihn los<br />
gegangen. Meine Freundin war in der<br />
Zeit für mich das Ein und Alles und wir<br />
waren auch sehr lange zusammen.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Er hat Dir dann gekündigt und was hast<br />
Du danach gemacht?<br />
Klient:<br />
Ja, hat er. Ich habe mich dann anschließend<br />
mit kleineren Jobs über Wasser<br />
gehalten.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Hattest Du da noch Deine Freundin?<br />
Klient:<br />
Nein, nicht mehr. Kurze Zeit später haben<br />
sie mir auch meinen Führerschein<br />
abgenommen.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Wie ging es danach weiter?<br />
Klient:<br />
2002-2003 war ich wieder mit meiner<br />
Freundin zusammen. Sie war mein Leben<br />
und sie war meine Droge. Nach der<br />
erneuten Trennung sah ich den ganzen<br />
Scherbenhaufen vor mir. Da habe ich<br />
mir eine Nase mit Heroin gezogen. Das<br />
war ein so unbeschwertes Glücksgefühl,<br />
alles war so schön und alles Schlechte<br />
Interview<br />
war vergessen. Doch am nächsten Tag<br />
war alles wieder da. Ich habe mich<br />
schlecht gefühlt und ich wollte die erlebte<br />
Entspannung wieder haben. Da<br />
habe ich mir wieder Heroin geholt.<br />
Mein bester Freund und ich sind dann<br />
wieder los.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Bist du seitdem drauf?<br />
Klient:<br />
Ja. Ich bin sofort richtig dabei gewesen.<br />
Ich vermisse das Gefühl sofort, wenn ich<br />
nichts nehme und möchte das wieder<br />
haben, sofort.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Wie lange hast Du dann Heroin genommen?<br />
Klient:<br />
Na ja, jetzt seit ca. 7 Jahren. Selbst im<br />
Knast gab es kaum Cleanzeiten.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Wie lange warst du im Knast?<br />
Klient:<br />
2006 bis 2007 und Anfang 2008 bis<br />
Ende 2008 Von dort bin ich dann auf<br />
35er (Paragraph 35 des BtMG - Therapie<br />
statt Strafe) raus in Therapie. Das war<br />
meine erste Therapie in Olsberg. <strong>2009</strong><br />
im April bin ich dort rausgeflogen.<br />
Im Juni bin ich dann wieder in die Entgiftung,<br />
aber auch dort bin ich rausgeflogen.<br />
Dann bin ich zu meiner Mutter<br />
nach Hamm.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Wie viele Jahre/ Monate hast Du jetzt
noch offen?<br />
Klient:<br />
Nein, Jahre sind es nicht aber ich müsste<br />
noch 7 Monate in den Knast, aber ich<br />
möchte nochmals in die Therapie.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Was wünscht Du Dir für die Zukunft, wie<br />
soll es jetzt weiter gehen?<br />
mit einem Drogenabhängigen<br />
Klient:<br />
Ich habe mich wieder angemeldet zur<br />
Entgiftung und möchte wieder in die<br />
Therapie. Ich möchte wieder in meinem<br />
Beruf arbeiten können, und ein ganz<br />
normales Leben führen. So wie alle<br />
anderen normalen Menschen.<br />
Claudia Schmidtke:<br />
Ja, das wünsche ich Dir auch.<br />
Der Klient bekam einen Entgiftungstermin für die darauf folgende Woche. Er hat den<br />
Termin auch wahrgenommen und wir alle wünschen ihm, dass er seine Ziele verwirklichen<br />
kann.<br />
71
Regenbogen<br />
Neuhäuser Str. 39<br />
33102 PB<br />
Regenbogen.<br />
Für drogenabhängige Menschen in ärztlicher Substitutionsbehandlung.
Regenbogen<br />
Zielgruppe Der ‚Regenbogen‘ bietet seit 1994 teilstationäre<br />
Hilfe für Frauen und Männer an, die sich aufgrund ihrer<br />
Suchterkrankung in besonderen sozialen Schwierigkeiten<br />
befinden. Gemeinsam ist allen Be-wohnerInnen, dass sie die<br />
Chancen einer medizinisch begleiteten Substitutionsbehandlung<br />
aktiv nutzen wollen.<br />
Zielsetzung Auf der Grundlage einer beigebrauchsfreien<br />
Lebensführung gelingt es, sich gesundheitlich,<br />
persönlich und sozial zu stabilisieren. Ziel ist es, sich den<br />
Alltagsanforderungen zu stellen und auftretende Probleme<br />
erfolgreich meistern zu können. Rückfälle, die den Eingliederungsprozess<br />
behindern, werden als Lernchance genutzt und<br />
in regelmäßigen Einzelgesprächen bearbeitet.<br />
Voraussetzungen BewerberInnen für einen Platz in<br />
der Wohngemeinschaft für Substituierte befinden sich in einer<br />
bereits begonnenen Substitutionsbehandlung und sind<br />
wohnungslos bzw. leben in gefährdeten Wohnverhältnissen.<br />
Sie haben keine akute psychische Erkrankung und haben die<br />
prinzipielle Bereitschaft zum Beginn einer Ausbildung oder<br />
einer Erwerbstätigkeit.<br />
Finanzierung Die Kosten des Betreuten Wohnens werden<br />
durch den Landschaftsverband Westfalen Lippe (§ 53<br />
SGB XII) übernommen während die Miete und der Lebensunterhalt<br />
aus dem Einkommen oder Lohnersatzleistungen<br />
der BewohnerInnen bestritten werden.<br />
Regenbogen<br />
Neuhäuser Straße 39<br />
33102 Paderborn<br />
Tel. 05251/26112<br />
Fax 05251/26139<br />
regenbogen<br />
@kim-paderborn.de<br />
Klaus Könemann-Grabowski<br />
(Diplom-Pädagoge)<br />
Stefanie Krause<br />
(Diplom-Sozialarbeiterin)<br />
Eberhard Sprenger<br />
(Diplom-Pädagoge)<br />
12 Plätze<br />
davon 4 Außenwohnplätze<br />
Frauen und Männer<br />
ab 18 Jahren<br />
in Substitutionsbehandlung<br />
Aufenthaltsdauer<br />
1-3 Jahre<br />
Kostenübernahme<br />
durch LWL<br />
nach § 53 SGB XII
ABW Alkohol<br />
Widukindstr. 2a<br />
33102 PB<br />
ABW Drogen<br />
Detmolder Str. 5<br />
33102 PB<br />
ABW Drogen<br />
Busdorfwall 2<br />
33098 PB<br />
Ambulant Betreutes Wohnen.<br />
Für drogenabhängige und alkoholkranke Menschen.
Ambulant Betreutes Wohnen<br />
für Suchtkranke<br />
Zielgruppe Seit dem Jahr 2000 wendet sich die ambulante<br />
Betreuung an Menschen, die an einer Suchterkrankung<br />
leiden und vorübergehend der Unter-stützung bei der<br />
selbstständigen Lebensführung bedürfen.<br />
Zielsetzung Durch die ambulante Betreuung soll die Inanspruchnahme<br />
stationärer Hilfen vermieden werden. Durch<br />
alltagsbegleitende Hilfen werden die Folgen der Sucht gemildert<br />
und das eigenständige Leben in der Gesellschaft gefördert.<br />
Die Betreuung trägt dazu bei, möglichst häufige und<br />
längere Abstinenzphasen zu erreichen und die Befähigung,<br />
die eigene Wohnung zu bewirtschaften, zu erhalten. Durch<br />
aktive Unterstützung in Krisensituationen soll die persönliche<br />
Lebensqualität und -freude gefördert werden.<br />
Bei Wohnungslosigkeit dient das Angebot diverser vorübergehender<br />
Wohnangebote der Beschaffung einer eigenen<br />
Wohnung.<br />
Voraussetzungen BewerberInnen leiden an einer<br />
Sucht-erkrankung, sind jedoch nicht pflegebedürftig. Ein<br />
weiteres Kriterium ist eine bestehende Wohnungslosigkeit<br />
oder ein Leben in ungesicherten Wohnverhältnissen. Die Bereitschaft<br />
zur aktiven Mitarbeit wird erwartet.<br />
Finanzierung Die Kosten der ambulanten Betreuung<br />
werden im Rahmen des § 53 SGB XII vom überörtlichen Sozialhilfeträger<br />
übernommen.<br />
Ambulant Betreutes<br />
Wohnen ‚Drogen‘<br />
Detmolder Straße 5/<br />
Busdorfwall 2<br />
33102 Paderborn<br />
Tel. 0176/24044318<br />
Fax 05251/1807515<br />
Christina Sprenger<br />
(Diplom-Sozialarbeiterin)<br />
Martina Carls<br />
(Diplom-Sozialarbeiterin)<br />
Ambulant Betreutes<br />
Wohnen ‚Alkohol‘<br />
Widukindstr. 2a<br />
33102 Paderborn<br />
0176/25288587<br />
Thorsten Kirchhoff<br />
(Diplom-Sozialarbeiter)<br />
Martin Fieseler<br />
(Diplom- Sozialarbeiter)<br />
Betreuungsplätze<br />
bedarfsabhängig<br />
Betreuungsdauer<br />
bedarfsorientiert<br />
Kostenübernahme<br />
durch Sozialhilfeträger<br />
nach § 53 SGB XII<br />
1-3 Jahre
Rupert-Zwickel-Haus<br />
Herm.-Löns-Str. 145<br />
33104 PB<br />
Rupert-Zwickel-Haus.<br />
Für ehemalig nicht sesshafte alkoholkranke Männer.
Rupert-Zwickel-Haus<br />
Zielgruppe Das ‚Rupert-Zwickel-Haus‘ bietet seit 1982<br />
eine ambulante betreute Wohnform für ehemalig nicht<br />
sesshafte und in der Regel alkoholkranke Männer an.<br />
Zielsetzung Die Bewohner lernen durch gemeinsam<br />
erarbeitete und festgelegte Vereinbarungen, den bezogenen<br />
Wohnraum zu bewirtschaften und einer angemessenen und<br />
sinngebenden Beschäftigung nachzugehen. Die Wohnhilfe<br />
bietet günstige Rahmenbedingungen, die das (selbst-) kontrollierte<br />
Trinken und damit die Teilnahme am Leben der<br />
Gemeinschaft zulassen. Der betreute Mensch ist in der Lage,<br />
mit kleinen Hilfen möglichst langfristig ein weitgehend<br />
selbstständiges Leben zu führen.<br />
Voraussetzungen Bewerber sind nicht pflegebedürftig,<br />
jedoch nicht mehr oder nur bedingt arbeitsfähig und befinden<br />
sich in ungesicherten Lebensverhältnissen. Die Bereitschaft,<br />
kleinere Pflichten und Verantwortungsbereiche für<br />
die Gemeinschaft zu übernehmen, wird erwartet.<br />
Finanzierung Die Kosten der ambulanten Betreuung<br />
werden im Rahmen des § 53 SGB XII vom Sozialhilfeträger<br />
übernommen.<br />
Rupert-Zwickel-Haus<br />
Hermann-Löns-Str. 145<br />
33104 Paderborn<br />
Tel. 05254/12762<br />
Fax 05254/6485332<br />
betreutes-wohnen<br />
@kim-paderborn.de<br />
Martin-Fieseler<br />
(Diplom-Sozialarbeiter)<br />
9 Wohnplätze<br />
Männer<br />
Altersgruppe nicht<br />
festgelegt<br />
lebenslanges Wohnen<br />
möglich<br />
Kostenübernahme<br />
durch Sozialhilfeträger<br />
nach § 53 SGB XII
Mutter-Kind-Haus<br />
Friedrichstr. 21<br />
33102 PB<br />
Mutter-Kind-Haus.<br />
Für junge und alleinstehende Frauen.
Mutter-Kind-Haus<br />
Zielgruppe Seit 1994 bietet das ‚Mutter-Kind-<br />
Haus teilstationäre Hilfe für junge und alleinstehende Frauen<br />
an, die sich von Schwangerschaft, bevorstehender Geburt<br />
oder Erziehungssituation überfordert fühlen und sich damit<br />
in besonderen persönlichen und sozialen Schwierigkeiten<br />
be-finden.<br />
Zwei Wohnplätze sind suchtkranken Frauen vorbehalten, die<br />
sich in einer erfolgversprechenden ärztlich begleiteten Substitutionsbehandlung<br />
befinden.<br />
Zielsetzung Mit der alltäglichen Unterstützung<br />
wachs-en die jungen Mütter in ihre neue Lebenssituation hinein.<br />
Über individuelle Hilfen und alltagsbegleitende Beratung<br />
entwickeln sie ein gesundes Selbstwertgefühl und lernen,<br />
sich mit ihrer neuen Rolle anzufreunden. Zeiten der<br />
gemeinsamen Kinderbetreuung tragen dazu bei, den Kontakt<br />
zum eigenen Kind positiv zu erleben und schon in kleinen<br />
Dingen fördernd zu gestalten.<br />
Voraussetzungen Bewerberinnen kommen aus eigener<br />
Motivation heraus, haben grundsätzlich die Bereitschaft<br />
zur aktiven Mitarbeit und Wahrnehmung der Angebote und<br />
halten die ärztlichen Anweisungen ein.<br />
Finanzierung Die Kosten werden in der Regel durch das<br />
zuständige Jugendamt (§ 19 SGB VIII) getragen, ggf. auch<br />
durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (§67 SGB<br />
XII).<br />
Mutter-Kind-Haus<br />
Friedrichstraße 21<br />
33102 Paderborn<br />
Tel. 05251/280024<br />
Fax 05251/280845<br />
mutter-kind-haus<br />
@kim-paderborn.de<br />
Christine Jänsch<br />
(Diplom-Sozialarbeiterin)<br />
Monika Meller<br />
(Diplom-Pädagogin)<br />
Stefanie Scholz<br />
(Kinderpflegerin)<br />
Karina Kanne<br />
(Erzieherin)<br />
8 Plätze<br />
davon 2 Außenwohnplätze<br />
Frauen<br />
teilweise in Substitutionsbehandlung<br />
Aufenthaltsdauer<br />
1-3 Jahre/ ggf. länger<br />
Kostenübernahme<br />
durch Jugendämter<br />
nach § 19 SGB VIII<br />
ggf. durch LWL<br />
nach § 53 SGB XII
80<br />
Ausblick<br />
<strong>2009</strong><br />
Das im letzten Jahr <strong>2009</strong> gestartete KISS-Programm ist mit gutem Erfolg gestartet.<br />
Wir hoffen, dass sich das neue Hilfeangebot langfristig etablieren wird und sich vielleicht<br />
sogar noch auf weitere Bereiche wie bspw. das KT – Kontrolliertes Trinken ausweiten<br />
wird.<br />
Die Grundversorgung unserer Klienten im Rahmen unserer mobilen Streetwork mithilfe<br />
der Tafel und privater Lebensmittelspenden möchten wir auf dem guten Niveau<br />
stabilisieren.<br />
Des Weiteren möchten wir die Idee eines Konsumraums in Paderborn weiterverfolgen<br />
und, insofern sich die Chance bietet, bei der Umsetzung der zukünftig flächendeckend<br />
geplanten Vergabe von Diamorphin als Straßenheroinsubstitut mitwirken. Das<br />
Infektions- und Gesundheitsrisiko für Drogenkonsumenten durch unsauberen Konsum<br />
aber auch für Unbeteiligte durch bspw. an öffentlichen Plätzen liegengelassene<br />
Konsumutensilien könnte dadurch weiter minimiert werden.<br />
Wir hoffen, dass wir den Drogen-Alltag unserer KlientInnen auch in diesem Jahr<br />
durch besondere Aktionen wie z.B. Grillfeste, Bandauftritte, Geschenkbasare usw.<br />
ein wenig unterbrechen können.<br />
Bedanken möchten wir uns an dieser Stelle noch bei unseren Kooperationspartnern<br />
für die gute Zusammenarbeit im letzten Jahr. Wir hoffen, dass die Zusammenarbeit<br />
mit den vielen Einrichtungen, Kliniken und Behörden auch in diesem Jahr weiterhin<br />
so gut funktioniert und wir den KlientInnen dadurch ein ineinandergreifendes Hilfesystem<br />
anbieten können.<br />
Wenn Sie Fragen zu unserer Einrichtung haben oder unsere Einrichtung mit einer<br />
Gruppe besuchen möchten, nehmen Sie bitte unter den auf S. 9 angegebenen Wegen<br />
Kontakt zu uns auf. Wir freuen uns über Ihr Interesse.<br />
Ein erfolgreiches Jahr 2010.<br />
Das Team des <strong>B2.Streetwork</strong>