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Zeitschrift <strong>de</strong>s Cartellverban<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r katholischen <strong>de</strong>utschen Stu<strong>de</strong>ntenverbindungen 5/2012 105. Jahrgang<br />
„<strong>Facebook</strong>“:<br />
zwischen Neugier<br />
und Exhibitionismus<br />
Schule –<br />
das ewige Experimentierfeld<br />
Michail Gorbatschow<br />
Der getriebene Antreiber
-Flusskreuzfahrt 2013:<br />
„Vom Burgund bis in die Provence“<br />
Von <strong>de</strong>r lieblichen Hügellandschaft Bur gunds bis<br />
in die sonnenverwöhnte Pro vence mit ihren<br />
Laven<strong>de</strong>lfel<strong>de</strong>rn führt diese Reise auf Rhône und<br />
Saône. Am Wege liegen nicht nur Flussauen mit<br />
breiten Schilfgürteln und berühmte Wein berge,<br />
son<strong>de</strong>rn auch Glanz lichter <strong>de</strong>r Romanik wie z.B.<br />
Cluny und alte, geschichtlich be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Städte<br />
wie Lyon, Avignon, Nîmes und Arles und gera<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Sü<strong>de</strong>n Frankreichs ist schon sehr früh christlich<br />
geprägt wor<strong>de</strong>n. So wird die Reise zum<br />
Ausflug in herrliche Landschaften und in die<br />
(Kir chen-)Ge schich te zugleich.<br />
Mit <strong>de</strong>r „Swiss Pearl“ unter -<br />
wegs auf Rhône und Saône<br />
vom 12.05.-19.05.2013<br />
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1962<br />
50 Jahre<br />
Avignon © Olaf Schnei<strong>de</strong>r, pixelio.<strong>de</strong><br />
Biblische Reisen GmbH<br />
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Tel. 0711/6 19 25-0<br />
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Gruppe o<strong>de</strong>r Bil dungs ein rich tung eine<br />
„Reise nach Maß“ zusammen!
Veit Neumann (Alm)<br />
Chefredakteur<br />
Entschleunigung“ wur<strong>de</strong> Anfang <strong>de</strong>r 90er Jahre in zahlreichen<br />
spirituellen Schriften und Übungen als Gegenbegriff<br />
zur Beschleunigung betont. Alle innerliche Hetze einmal<br />
ablegen, ganz ankommen, ganz da sein, Dinge einfach<br />
von ihrer wesentlichen Seite her betrachten, in die Tiefe gehen<br />
und alles verlangsamen, <strong>de</strong>n Stress rausnehmen, das war und<br />
ist durchaus wichtig, auch wenn es sich bei <strong>de</strong>r Entschleunigung<br />
häufig nur um ein eingängiges Schlagwort han<strong>de</strong>lt(e).<br />
Keine Sorge: Ich wer<strong>de</strong> jetzt nicht die „Schnelllebigkeit unserer<br />
Zeit“ in <strong>de</strong>r Art einer <strong>de</strong>ftig-saftigen Predigt beklagen<br />
o<strong>de</strong>r gar geißeln. „Bei uns ist Fortschritt Tradition.“ Der gute<br />
und klug ersonnene Satz, <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n gesamten Cartellverband<br />
gelten soll und über <strong>de</strong>n ich mir an dieser Stelle schon<br />
einmal Gedanken gemacht habe, kann aber durchaus in<br />
diesem Sinne verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n: im Sinne einer Balance<br />
aus Be- und Entschleunigung; dass man Fortschritt, auch<br />
wenn er manchesmal mit einer Art von Aufwirbelung, von<br />
Ungemütlichkeit daherkommt, innerlich zulässt. Denn, wie<br />
mir jemand vor Jahrzehnten ins Poesiealbum schrieb: Um<br />
gut zu bleiben, muss man immer besser wer<strong>de</strong>n wollen.<br />
Dass es in unserer ACADEMIA traditionellerweise einen<br />
ganz erheblichen Fortschritt nicht zuletzt in <strong>de</strong>n Formen gibt,<br />
liegt auf <strong>de</strong>r Hand – auch wenn sie ihrem Wesen nach die-<br />
So unauffällig sind die Amish, dass es schon fast<br />
wie<strong>de</strong>r auffällig ist. Die etwa 250.000 zumeist<br />
US-Ame ri kaner (Ohio und Pennsylvania), teilweise<br />
auch Kanadier führen ein durch die<br />
Landwirtschaft geprägtes Leben und fallen durch<br />
ihre gelebte Friedfertigkeit angenehm auf. Für<br />
diese Friedfertigkeit waren sie in <strong>de</strong>r Ge schichte<br />
immer wie<strong>de</strong>r bereit, erhebliche Nachteile und<br />
Benachteiligungen in Kauf zu nehmen. Ihre<br />
Akzeptanz technischer Innovationen variiert von<br />
Gruppe zu Gruppe. Von Her kunft her sind sie eine<br />
Glau bens gemeinschaft mit Wurzeln in <strong>de</strong>r<br />
reforma torischen Täufer be wegung Mittel euro -<br />
pas. Gut organisiert, kommen sie passabel durch<br />
die Zeiten, nicht zuletzt mit Kutsche und in (aus<br />
unserer Sicht) trachtenmäßig anmuten<strong>de</strong>n Gewandungen.<br />
Ihre Heilshoffnung ist groß. Die<br />
Gewissheit, das Heil zu erlangen, bringen sie vor<br />
allem mit <strong>de</strong>r persönlichen Lebensführung in<br />
Verbindung. Eine Ge sell schaft <strong>de</strong>r Ent schleu -<br />
nigung, zwar nicht unbedingt zur Nachahmung<br />
empfohlen, aber beeindruckend durch: ihre gelebte<br />
Friedfertigkeit.<br />
Foto: KNA<br />
Editorial<br />
selbe bleibt. Vielleicht führt ja <strong>de</strong>r überall<br />
große und wohl noch zunehmen<strong>de</strong> Einfluss<br />
<strong>de</strong>s Internet dazu, dass wir <strong>de</strong>n traditionellen<br />
Wan<strong>de</strong>l immer weniger als Beschleunigung<br />
und immer mehr als Tradition wahrnehmen?<br />
Unsere ACADEMIA zeigt sich nach <strong>de</strong>r Sommerpause auf<br />
<strong>de</strong>n hier unmittelbar folgen<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Seiten mit einem neuen<br />
Inhaltsverzeichnis. Wie im Falle an<strong>de</strong>rer Zeitschriften und<br />
Magazine soll es nützlich sein und Lust machen auf die weitere<br />
Lektüre – <strong>de</strong>lectare et pro<strong>de</strong>sse; ganz so, wie die erste Abhandlung<br />
<strong>de</strong>s Journalismus betont: „Zeitungs Lust und Nutz.“<br />
In <strong>de</strong>r Hauptsache dann behan<strong>de</strong>ln erneut verschie<strong>de</strong>ne Autoren<br />
das Thema Schule (Seite 16 bis 30; passend dazu<br />
diesmal auch die „Ansichtssache“ auf Seite 31). Neu hinzugekommen<br />
ist eine thematische Strecke am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Ausgabe,<br />
wie das Titelbild anzeigt: die Titelgeschichte, die sich<br />
mit <strong>de</strong>m Phänomen „<strong>Facebook</strong>“ herumschlägt. Auch hier:<br />
Schule als klassisch-traditionelles, „<strong>Facebook</strong>“ als fortschrittliches<br />
Thema, die sich ja durchaus ergänzen können.<br />
Und wem das alles trotz<strong>de</strong>m zu beschleunigt sein sollte, <strong>de</strong>r<br />
kann sich <strong>de</strong>r aka<strong>de</strong>mischen Wurzeln unserer ACADEMIA<br />
in <strong>de</strong>r letzten Kolumne – ganz auf Latein – versichern.<br />
Entschleunigung im Bild<br />
Titelseite: Titel: Kommunikation Akrobatisch zu überwin<strong>de</strong>t Beginn <strong>de</strong>s Franck 21. Jahrhun<strong>de</strong>rts Ribéry Schalke-Torwart folgt neuen Mustern, Hil<strong>de</strong>brand wenn – 1:0 auch für die Inhalte, Bayern die (26. wir Februar Menschen 2012). uns Octavius alltäglich conubium zu posten santet haben, syrtes, nicht ut neu gulosus sind.<br />
Was chirographi hat „<strong>Facebook</strong>“ imputat zu quinquennalis bieten außer suis, anscheinend etiam perspicax schrankenloser catelli fermentet Mitteilsamkeit oratori. (und Befriedigung von Neugier)? [ Foto: [ picture Foto: picture alliance/Pressefoto alliance/Design Ulmer Pics ]<br />
ACADEMIA 5/2012 3
Inhalt<br />
6<br />
Beschneidung am Knaben durch einen Arzt gilt als<br />
Straftat – auch wenn die Eltern dies wünschen. Zur never<br />
ending story von Religion und Religionsfreiheit in einer Welt, <strong>de</strong>ren<br />
Rationalität sich an ihrer eigenen Endlichkeit stößt.<br />
7<br />
Ein Jahr ist vergangen, seit<strong>de</strong>m Cbr Papst Benedikt<br />
XVI. (Rup) Deutschland zum dritten Mal besucht hat. Ein KVer,<br />
Dr. Michael Feldkamp aus Berlin, blickt zurück auf bewegen<strong>de</strong> Tage.<br />
16<br />
Schule – wie weiter? Dass es bei <strong>de</strong>r wohl wichtigs -<br />
ten pädagogischen Institution im Lan<strong>de</strong> nicht darum geht,<br />
eine Dauerbaustelle zu unterhalten, darauf verweist Cbr Thomas<br />
Gutmann (BuL). Seine These: Schule einfach mal Schule sein lassen!<br />
17-20<br />
Michael Felten, überzeugter Pädagoge,<br />
legt <strong>de</strong>n Schwerpunkt auf die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Lehrer,<br />
nicht auf die Institution Schule.<br />
20-24<br />
Wie steht es tatsächlich um „unser“<br />
Bildungssystem? Prof. Horst Weishaupt, im<br />
Gespräch mit ACADEMIA-Redakteur Christoph Herbort-von Loeper<br />
(B-S), meint, dass es doch eigentlich gar nicht so schlecht steht um<br />
Schule hierzulan<strong>de</strong> (wenn auch <strong>de</strong>r Blick <strong>de</strong>s Sprechers <strong>de</strong>r<br />
Autorengruppe „Bildungsbericht 2012“ durchaus differenziert ist).<br />
25-27<br />
Bemerkenswert an Cbr Erzbischof Hans-<br />
Josef Becker (G-S): er ist ausgebil<strong>de</strong>ter Lehrer.<br />
Von daher seine Autorität, was Schule, nicht zuletzt: katholische<br />
Schule betrifft. Sein Plädoyer: familiäre und institutionelle<br />
Erziehung und Bildung nicht gegeneinan<strong>de</strong>r ausspielen.<br />
28-30<br />
Unter Deutschlands Abiturienten gibt<br />
Prof. Dr. Gerhard Wolf anhand <strong>de</strong>r PISA-Tests und<br />
ihrer Resultate einen eher skeptischen Blick auf die Ergebnisse <strong>de</strong>r<br />
pädagogischen Bemühungen an <strong>de</strong>r Zukunft Deutschlands. Nicht<br />
je<strong>de</strong>r Abiturient bringt das notwendige Rüstzeug fürs Studium mit!<br />
31<br />
Der skeptisch stimmen<strong>de</strong> Befund von Prof. Wolf<br />
wird zumin<strong>de</strong>st ein wenig aufgehellt durch <strong>de</strong>n päda go -<br />
gischen Impetus von Cartellbru<strong>de</strong>r Lütkecosmann (Sx). In Münster<br />
freut er sich, wenn Schüler <strong>de</strong>r Mathematik buchstäblich punkten...<br />
32<br />
Warum trägt <strong>de</strong>r CVer <strong>de</strong>n Spinat fleck? Cbr<br />
Ziegler (Ae) weiß, dass einstens schon ganz an<strong>de</strong>re Erken nungs -<br />
zeichen eine Rolle spielten. Die Geschichte eines wichtigen Details.<br />
33<br />
Nicht je<strong>de</strong> CV-Verbindung feiert Stiftungsfest im<br />
Hof einer Burg. Die KDStV Rheinpfalz schon – und das<br />
mitten im Strom <strong>de</strong>s Rheins.<br />
34<br />
Einmal quer durchs Land: Tuisconia ist nach Königs -<br />
berg und Bonn in Landshut angekommen. Große Unter -<br />
stützung hat sie gefun<strong>de</strong>n.<br />
36<br />
Noch eine CV-Verbindung, die ihr Stiftungsfest auf<br />
einer Burg feiert, allerdings nicht umflossen vom Rhein,<br />
son<strong>de</strong>rn hoch über <strong>de</strong>m Pfälzer Wald.<br />
37<br />
38<br />
Stu<strong>de</strong>ntenbu<strong>de</strong>n sind Quasi-Garant für gute Keil -<br />
erfolge. Die KDStV Cheruscia Würzburg hat angebaut.<br />
Ein vorletzter Blick auf das Verhältnis von Öster rei -<br />
chern und Deutschen. Denn binnen Jahresfrist läuft die viel -<br />
be achtete Rubrik aus. Wir wen<strong>de</strong>n uns dann gen Westen… Einst -<br />
weilen nochmals zur „positiven Einstellung <strong>de</strong>r Deutschen gege -<br />
nüber <strong>de</strong>n Österreichern“ – Einsichten von Gerhard Hartmann (Baj).<br />
4 5/2012 ACADEMIA<br />
Zwischen Neugier<br />
und Exhibitionismus<br />
Der Industriestandort<br />
Deutschland und sein<br />
Problem mit <strong>de</strong>r Energie –<br />
ein Fachmann, Cbr Dr. Hanns-<br />
Ferdinand Müller (Ae), zeigt im<br />
Gespräch mit ACADEMIA-<br />
Redakteur Stephan Ley (Alm)<br />
Perspektiven auf und stößt<br />
Diskussionen an…<br />
Seiten 8 - 11<br />
Mitteilsamkeit leicht gemacht für je<strong>de</strong>r -<br />
mann – so wür<strong>de</strong> man sich die Schöne Neue<br />
Welt <strong>de</strong>s „<strong>Facebook</strong>“ eigentlich vorstellen.<br />
Zwar revolutioniert dieses social network<br />
viele Kommunikations gewohnheiten, wohin<br />
es uns aber bringt, ist noch längst nicht<br />
ausgemacht.<br />
Seiten 72 - 76
Das ewige Experimentierfeld<br />
Seismograph für gesamtgesellschaftliche<br />
Entwicklungen ist die Schule seit jeher,<br />
zeichnet sie doch Entwicklungen voraus,<br />
die unser Miteinan<strong>de</strong>r in Zukunft<br />
bestimmen wer<strong>de</strong>n. Aspekte, wie’s mit <strong>de</strong>r<br />
„Penne“ weitergeht.<br />
Seiten 16 - 30<br />
Wo wäre Deutschland<br />
ohne Michail Gor bat schow?<br />
In katholischen Kreisen wird häufig<br />
auf die be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle <strong>de</strong>s<br />
polnischen Papstes, <strong>de</strong>s seligen<br />
Johannes Paul II. verwiesen, wenn<br />
es um <strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>s „Eisernen<br />
Vorhangs“ geht, was uns nicht<br />
abhalten soll, auch Gorbatschows<br />
unglaubliches Wirken in <strong>de</strong>n Blick<br />
zu nehmen – im Essay von Prof. Dr.<br />
Leonid Luks.<br />
Seiten 12-15<br />
40-41<br />
Inhalt<br />
Was geht aus <strong>de</strong>r Befragung <strong>de</strong>r CVer<br />
hervor? Die Ergebnisse <strong>de</strong>r Studie, die etwa<br />
erklärt, wie man zu uns kommt: in <strong>de</strong>n CV.<br />
43-44<br />
Verbindung als Verbindung: Über die<br />
Aufnahmen von Weihbischof Manfred Melzer<br />
(RBo), Köln, und Bischof Overbeck (Ndm), Essen.<br />
47<br />
Prof. Friedrich Diedrich (G-S) erhielt vor 50<br />
Jahren das Sakrament <strong>de</strong>r Priesterweihe. Eine Würdigung<br />
<strong>de</strong>s klarsichtigen Cartellbru<strong>de</strong>rs.<br />
52<br />
Was hat Cbr Carlo Mulbach (H-RG) mit<br />
Luxemburg zu tun? Ganz einfach: Er ist Mitglied<br />
<strong>de</strong>s Rechnungs hofes dort – ein CVer im Ausland.<br />
53<br />
160 Semester Treue zur Rheno-Palatia. Das<br />
Leben kann gemeistert wer<strong>de</strong>n – das Beispiel von Cbr Dr.<br />
Günter Wentzlik.<br />
54-55<br />
Woher nehmen? Wie man ten<strong>de</strong>nziell eine<br />
Million Euro pro Jahr für die Jesuiten zu sam men -<br />
bringt, erklärt <strong>de</strong>ren Pater Eberhard von Gemmingen.<br />
56-58<br />
Bislang ungeschrieben? Ein kritischer Blick<br />
von Prof. Reinhard Knittel auf <strong>de</strong> Matteis Arbeit<br />
über Hintergründiges <strong>de</strong>s Zweiten Vatikanischen Konzils.<br />
60-61<br />
schulamtes.<br />
62<br />
66-67<br />
72-73<br />
74-76<br />
Was ist ein „nationaler Bildungs -<br />
bericht“? Erhellen<strong>de</strong>s vom Leiter <strong>de</strong>s CV-Hoch -<br />
Die Uni Bremen – nicht mehr einfach „rote<br />
Ka<strong>de</strong>rschmie<strong>de</strong>“. Aber was dann?<br />
Gotha: Geschichte <strong>de</strong>r Sozial<strong>de</strong>mokratie wie<br />
auch <strong>de</strong>s A<strong>de</strong>ls. Und noch mehr.<br />
Wie sich „<strong>Facebook</strong>“ in unser Leben<br />
infiltriert – ein buchstäblich „chronisches“ Problem.<br />
Menschliches Gesicht und papiernes Buch<br />
versus „<strong>Facebook</strong>“.<br />
Rubriken – Standards<br />
Cartoon..........................................................................6<br />
Meinung.........................................................................6<br />
Außenansicht ..................................................................7<br />
Interview ........................................................................8<br />
Essay............................................................................12<br />
Was vor 25 Jahren Thema war ........................................15<br />
Ansichtssache ............................................................... 31<br />
Cartellverband ............................................................. 32<br />
Spefux..........................................................................34<br />
Commentiert .................................................................43<br />
Einwurf.........................................................................45<br />
CV-Termine....................................................................46<br />
Personen ..................................................................... 47<br />
Kirche ......................................................................... 54<br />
Hochschule .................................................................. 60<br />
Blühen<strong>de</strong> Landschaften ...................................................66<br />
Verbum peto ................................................................ 68<br />
Bücher..........................................................................69<br />
Columna quaedam ........................................................78<br />
Impressum ................................................................... 78<br />
ACADEMIA 5/2012 5
Meinung<br />
Ein neuralgischer Punkt zwischen Staat und Religion<br />
Das Landgericht Köln hat im vergangenen Sommer entschie<strong>de</strong>n,<br />
dass die Beschneidung von Knaben aus religiösen<br />
Grün<strong>de</strong>n strafbar ist. Selbst wenn die Eltern <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s einwilligen,<br />
han<strong>de</strong>lt es sich nun um eine Körperverletzung. Bislang<br />
bestand in diesem Punkt eine rechtliche Grauzone, das Urteil dürfte<br />
die künftige Rechtsprechung beeinflussen. Wer in Deutschland<br />
einen Knaben aus religiösen Grün<strong>de</strong>n beschnei<strong>de</strong>t, begeht als Arzt<br />
<strong>de</strong>mnach eine Körperverletzung, auch wenn die Eltern <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s<br />
<strong>de</strong>n Eingriff wünschen. Laut Gericht hat<br />
das Recht <strong>de</strong>r Eltern auf religiöse Kin-<br />
<strong>de</strong>rerziehung keinen Vorrang gegenüber<br />
<strong>de</strong>m Recht <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s auf Selbstbestimmung.<br />
Es stellt sich die Frage, was<br />
höher wiegt: die Religionsfreiheit <strong>de</strong>r<br />
Eltern o<strong>de</strong>r das Recht eines Kin<strong>de</strong>s auf<br />
„körperliche Unversehrtheit“.<br />
Wie sich das Urteil in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n<br />
Jahren auswirkt, das wird erst noch abzuwarten<br />
sein. Die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r rechtlichen<br />
Beschaffenheit unseres Gemeinwesens wird hier zwar<br />
beeindruckend sichtbar. Die Betrachtungsweise muss allerdings<br />
über das Juristische hinausgehen. Sicher ist schon jetzt – und<br />
darauf <strong>de</strong>utet die breite gesellschaftliche Diskussion hin, die<br />
sich entzün<strong>de</strong>t hat –, dass das Urteil <strong>de</strong>n neuralgischen Punkt<br />
<strong>de</strong>r Beziehung zwischen staatlich bestimmter Ordnung und<br />
religiösen Anschauungen berührt und auch weiter belastet.<br />
Allein durch die immer weiter verästelte einseitig technisch-<br />
6 5/2012 ACADEMIA<br />
Betrachtungsweise<br />
muss über das<br />
Juristische<br />
hinausgehen<br />
ra tionale Bewertung eines religiösen Han<strong>de</strong>lns mit letztlich<br />
immer säkularen Kategorien wird dieses Verhältnis, vor allem<br />
aber die berechtigte Rolle <strong>de</strong>r Religion für <strong>de</strong>n Menschen, nicht<br />
auszuloten sein. Religion in ihren wünschenswerten und positiven<br />
Ausprägungen trägt zuallermeist einen nicht auslotbaren<br />
Vorbehalt in sich, über <strong>de</strong>n eindimensional <strong>de</strong>nken<strong>de</strong><br />
Rationalisten immer wie<strong>de</strong>r stolpern müssen. Die Extrempunkte<br />
rationalistischer Simplizität hat Europas Geschichte wie<strong>de</strong>rholt<br />
kennengelernt: wenn etwa aufsteigen<strong>de</strong>r<br />
Weihrauch als „finster(st)es Mittel-<br />
alter“ verschrien wur<strong>de</strong> beziehungsweise<br />
wird. Die Tatsache, dass (im<br />
Gegensatz zur Magie) selbst wünschenswerte<br />
Religion in vielerlei Hinsicht<br />
missbraucht wer<strong>de</strong>n kann, als<br />
Beleg gegen die traditionell gewachsene<br />
Glaubenspraxis ins Feld zu führen,<br />
das ist unseriös.<br />
Der Vorteil <strong>de</strong>s genannten Urteils liegt<br />
auf <strong>de</strong>r Hand: es zeigt, wo die gesellschaftlichen Kräfte mit<br />
echtem Verständnis für Religion sind. Gut, dass die <strong>de</strong>utschen<br />
Bischöfe es als Gefahr für die Religionsfreiheit kritisiert haben.<br />
Es ist <strong>de</strong>m Urteil allerdings auch abzulesen, dass scheinbar<br />
harmlose rationalistisch-säkularistische Gedanken immer tiefer<br />
einsickern. Scha<strong>de</strong>, dass die Kölner Richter <strong>de</strong>m bei aller Ab -<br />
wägung erlegen sind. Die dauern<strong>de</strong> Abwertung von Religion<br />
zeigt somit ihre Wirkungen. Stephan Ley (Alm)<br />
© GRAPHICmeetsDESIGN
von Dr. Michael F. Feldkamp<br />
AUSSENANSICHT<br />
Letzter europäischer Staatsmann mit Visionen<br />
In diesen Tagen ist es ein Jahr her, dass <strong>de</strong>r Heilige Vater, Papst Benedikt XVI.<br />
(Rup), in Deutschland zu Besuch war. Was haben nicht schon im Vorfeld <strong>de</strong>utsche<br />
Leitmedien diesen Besuch breit thematisiert. Fast schien es, als wür<strong>de</strong> ein Wesen<br />
aus einer frem<strong>de</strong>n Welt zu uns herab kommen, ein Alien. Der Papst wur<strong>de</strong> verteufelt.<br />
Antimo<strong>de</strong>rn sei er, gegen <strong>de</strong>n Zeitgeist sich stellend; ein Ewiggestriger. Oh Gott, er<br />
hat was gegen Schwule. Es wur<strong>de</strong>n kritische Fragen gestellt – ja, das muss aber<br />
doch mal erlaubt sein in unserem laizistischen Staat, <strong>de</strong>r 60 Jahre nach seiner Gründung<br />
die Zivilreligion für sich ent<strong>de</strong>ckt hat und zusehends die Wandlung von einem<br />
„<strong>de</strong>mokratischen“ zu einem „moralischen Rechtsstaat“ vollzieht. In <strong>de</strong>n sogenannten<br />
„Katholischen Aka<strong>de</strong>mien“ unserer Bistümer kamen in Vorbereitung auf <strong>de</strong>n<br />
Besuch <strong>de</strong>s „Ratzinger-Papstes“ fast ausschließlich seine Kritiker zu Worte. Nur<br />
zwei dieser Aka<strong>de</strong>mien wagten es, Peter Seewald, Manfred Lütz (BvBo) o<strong>de</strong>r<br />
Matthias Matussek einzula<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Bücher über Papst und Kirche die erfolgreichs -<br />
ten in diesem Genre <strong>de</strong>s Jahres 2011 waren. Statt <strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong>n Splittergruppen<br />
wie „Wir sind Kirche“ sowie alle maximal kirchenkritischen Lehrstuhlinhaber unserer<br />
Republik auf <strong>de</strong>n wenigen Sen<strong>de</strong>plätzen im Kirchenfunk <strong>de</strong>r öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk- und Fernsehanstalten in wahre Interviewmarathons geschickt, um<br />
uns, <strong>de</strong>n selbstverschul<strong>de</strong>t unaufgeklärten Bürger, vor <strong>de</strong>m Stellvertreter Christi<br />
(freilich nur auf Er<strong>de</strong>n) zu warnen und mit einem Katalog vermeintlich unver -<br />
zichtbarer For<strong>de</strong>rungen unsere Ansprüche und Erwartungen an diesen Papstbesuch<br />
möglichst hochzuschrauben. Möglichst hoch <strong>de</strong>swegen, damit nachher – wenn<br />
<strong>de</strong>r alte Mann endlich wie<strong>de</strong>r weg ist – unsere Enttäuschung über seinen Besuch<br />
umso größer sei.<br />
Und dann war ER da, <strong>de</strong>r Mann aus Rom. Es kam an<strong>de</strong>rs, als die veröffentlichte Meinung<br />
uns Wochen lang zuvor hat weismachen wollen. Wie ein zu fürchten<strong>de</strong>r<br />
Machtmensch sah er nun wirklich nicht aus. Wie gelähmt schienen die Medien.<br />
Keiner sah sich in <strong>de</strong>r Lage, gegen die überschwengliche Freu<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>n Deutschen<br />
anzuschreiben o<strong>de</strong>r hämische Kommentare durch <strong>de</strong>n Äther zu schicken. Sie spürten:<br />
Er kam, sah und siegte! Und nicht nur das: Zur großen Überraschung hatte er<br />
auch gesprochen, und vor allem hat er zugehört! Seit <strong>de</strong>n 1960er Jahren reibt sich<br />
die Kirche in keinem an<strong>de</strong>ren Land Europas so sehr – nicht nur am Amtsinhaber son<strong>de</strong>rn<br />
– am Papsttum als Institution, wie die Kirche in <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschsprachigen Län<strong>de</strong>rn.<br />
Ich persönlich – und für diesen Beitrag bin ich nach meiner Meinung gefragt<br />
wor<strong>de</strong>n – fin<strong>de</strong> das großartig. Denn im Umkehrschluss ist dieses Beleg dafür, dass<br />
keine Kirche in <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>n Papst ernster nimmt als die Kirche in <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschsprachigen<br />
Lan<strong>de</strong>n. Und <strong>de</strong>r Missionsdrang <strong>de</strong>utscher Katholiken ist ungebrochen –<br />
allerdings nicht hinein in eine kirchenferne Welt, son<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>r Stoßrichtung Weltkirche,<br />
die auf <strong>de</strong>utsches Niveau gleichgeschaltet wer<strong>de</strong>n soll. Langsam aber wird<br />
vielen klar: Wir wer<strong>de</strong>n das unverwechselbare Profil dieser Kirche nicht mit einem<br />
<strong>de</strong>utschen Son<strong>de</strong>rweg verän<strong>de</strong>rn können. Das wäre Kirchenspaltung.<br />
Zum Bun<strong>de</strong>stag: Überall in <strong>de</strong>r Welt, wo Benedikt XVI. sprach, waren die Plätze<br />
überfüllt – egal ob Sportstadien, Flugfel<strong>de</strong>r, Kirchen und Marktplätze. Der einzige<br />
Raum, wo es noch freie Stühle gab, war <strong>de</strong>r Deutsche Bun<strong>de</strong>stag. Das ist ein Novum<br />
in <strong>de</strong>r Papstgeschichte wie in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages. Die Tatsache, dass<br />
<strong>de</strong>r Papst ausdrücklich auf Einladung aller Fraktionen <strong>de</strong>s Deutschen Bun<strong>de</strong>stages<br />
kam und <strong>de</strong>nnoch zahlreiche Abgeordnete <strong>de</strong>monstrativ wegblieben, ist ein Beleg<br />
dafür, dass es im Bun<strong>de</strong>stag <strong>de</strong>n Fraktionszwang wirklich nicht gibt. Der Abgeordnete<br />
ist frei und nur seinem Gewissen verpflichtet. „Gewissen“, so <strong>de</strong>r Papst im<br />
Bun<strong>de</strong>stag, ist „nichts an<strong>de</strong>res ist als das hören<strong>de</strong> Herz Salomons, als die <strong>de</strong>r Sprache<br />
<strong>de</strong>s Seins geöffnete Vernunft.“<br />
Am Abend sollte Benedikt mit <strong>de</strong>n Berliner Katholiken die Heilige Messe feiern.<br />
Bemerkenswerterweise war es hier genau an<strong>de</strong>rs als im Bun<strong>de</strong>stag. Zunächst bot<br />
die Verwaltung <strong>de</strong>s Erzbistums an, am Charlottenburger Schloss mit 40.000<br />
Gläubigen die Hl. Messe zu zelebrieren. Als aber erkennbar wur<strong>de</strong>, dass weit mehr<br />
Menschen das Verlangen hatten, <strong>de</strong>n Papst zu erleben, ging man endlich doch ins<br />
Olympiastadion. Als Benedikt XVI. predigte, waren nach Presseberichten 61.000<br />
bis 70.000 Gläubige im Berliner Olympiastadion und Hun<strong>de</strong>rte stan<strong>de</strong>n vor <strong>de</strong>n<br />
Einlasstoren, weil sie keine Karten mehr erhalten hatten. 2,49 Millionen Menschen<br />
haben <strong>de</strong>n Gottesdienst am Fernseher verfolgt; das waren ca. 15 Prozent aller<br />
Zuschauer. Hinzu kamen noch <strong>de</strong>r Bericht <strong>de</strong>s Privatsen<strong>de</strong>rs SAT 1 mit einer Einschaltquote<br />
von 6,7 Prozent sowie ungezählte Zuhörer an <strong>de</strong>n Rundfunk -<br />
empfängern. Als am 29. August 2008 Madonna im Olympiastadion erschien,<br />
kamen 50.000 Besucher. So wur<strong>de</strong> die Pop-Queen vom Quoten-König Benedikt<br />
auch noch überboten.<br />
Was zählt, ist allerdings, was <strong>de</strong>r Papst mit seinem Besuch bewegt hat. Scheinbar<br />
echofrei blieben die Papstworte in <strong>de</strong>n online-Angeboten <strong>de</strong>r katholischen Verbän<strong>de</strong><br />
und Bistümer. Der <strong>de</strong>utsche Kulturkatholizismus hat sich sehr schnell vom Papst abund<br />
seinen Alltagsgeschäften zugewandt. Auf <strong>de</strong>m Katholikentag in Mannheim war<br />
von <strong>de</strong>r Botschaft Benedikts auf seinem Deutschlandbesuch nicht mehr die Re<strong>de</strong>.<br />
Der Autor: Dr. Michael F. Feldkamp ist<br />
Historiker und hat über 30 Bücher geschrieben.<br />
Er ist Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Ortsverbands <strong>de</strong>s<br />
KV in Berlin sowie Leiten<strong>de</strong>r Komtur <strong>de</strong>s<br />
päpstlichen Ritteror<strong>de</strong>ns vom Heiligen Grab<br />
zu Jerusalem in Berlin.<br />
ACADEMIA 5/2012 7
Interview<br />
Zukunftsdiskussion:<br />
„Was will die Gesellschaft<br />
in Deutschland überhaupt?“<br />
Wie wird in Deutschland künftig mit Energie umgegangen?<br />
Von kompetenter Seite spricht darüber Cbr Prof. Dr.<br />
Hanns-Ferdinand Müller (Ae), Sprecher <strong>de</strong>s Vorstan<strong>de</strong>s<br />
<strong>de</strong>r RWE Vertrieb AG. Redaktionsmitglied Cbr Stephan Ley<br />
(Alm) führte das Interview mit <strong>de</strong>m prominenten Cartellbru<strong>de</strong>r,<br />
<strong>de</strong>r sich in diesem Rahmen auch über das Wirken und Möglichkeiten<br />
<strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s äußert.<br />
Lieber Cartellbru<strong>de</strong>r, spätestens 2022 soll das letzte AKW vom<br />
Netz gehen. Jedoch erst bis 2050 soll das Zeitalter <strong>de</strong>r erneuerbaren<br />
Energien erreicht sein. Hältst Du diese Zeitplanung nach<br />
Stand <strong>de</strong>r Dinge für realistisch?<br />
Die Energiewen<strong>de</strong> ist nach<br />
Aussagen von Reinhard<br />
Hüttl, Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Ethikkommission <strong>de</strong>s<br />
Deutschen Bun<strong>de</strong>stages, realisierbar – aber nicht ausschließlich<br />
mit erneuerbaren Energien. Wir wer<strong>de</strong>n auch weiterhin Steinkoh-<br />
8 5/2012 ACADEMIA<br />
Wir brauchen<br />
eine Strategie<br />
Cbr Dr. Hanns-Ferdinand Müller<br />
le, Braunkohle und Gas zur Energieversorgung nutzen müssen.<br />
Außer<strong>de</strong>m muss geklärt wer<strong>de</strong>n, wovor sich im Moment alle Parteien<br />
drücken: nämlich wie die Endlagerung von nuklearem Müll<br />
und Brennstäben aussehen soll. Die Energiewen<strong>de</strong> ist trotz<strong>de</strong>m<br />
realisierbar. Sie kann aufgrund <strong>de</strong>ssen, dass Öko-Energie nicht<br />
beliebig abschalt- bzw. zuschaltbar ist, nicht aus 100 Prozent erneuerbaren<br />
Energien bestehen. RWE wird 2025 bereits 35 Prozent<br />
seiner Energieproduktion aus erneuerbaren Energien ins Netz einspeisen.<br />
Vor <strong>de</strong>r Energiewen<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> viel über die Reduktion <strong>de</strong>s CO 2 -<br />
Aus stoßes gesprochen. Heute re<strong>de</strong>t darüber kein Mensch mehr.<br />
Ist das nicht erstaunlich angesichts <strong>de</strong>ssen, dass die Energiewen<strong>de</strong><br />
ohne Rückgriff auf fossile Energieträger nicht zu machen<br />
scheint?<br />
Das liegt vielleicht daran, dass die CO 2 -Zertifikate im Moment so<br />
günstig sind. Es kommt hinzu, dass auch immer weniger CO 2 ausgestoßen<br />
wird. Für uns ist das nach wie vor ein Thema, nicht zuletzt<br />
weil wir darauf achtgeben, dass die Kraftwerke für fossile
spricht über die Perspektiven <strong>de</strong>r „Energiewen<strong>de</strong>“<br />
Energieträger, die von uns neu gebaut wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n CO 2 -Ausstoß<br />
reduzieren und hocheffizient sind.<br />
Nun musste ja bereits im vergangenen Winter Strom aus Drittlän<strong>de</strong>rn<br />
zur Sicherung <strong>de</strong>r Energieversorgung zugekauft wer<strong>de</strong>n.<br />
Umweltorganisationen sprechen von einer „faulen Energiewen<strong>de</strong>“.<br />
Muss dies mutmaßlich vorübergehend in Kauf<br />
genommen wer<strong>de</strong>n, um die Energiewen<strong>de</strong> zu schaffen?<br />
Ob man dies in Kauf nehmen muss, da bin ich ganz ehrlich, weiß<br />
ich nicht. Die Politik hätte ja auch an<strong>de</strong>rs entschei<strong>de</strong>n können. Ich<br />
möchte darauf ganz bewusst mit einer sinngemäßen Aussage <strong>de</strong>s<br />
ehemaligen RWE-Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>n Dr. Jürgen Grossmann<br />
antworten: Wir akzeptieren <strong>de</strong>n Primat <strong>de</strong>r Politik, aber es ist ein<br />
ökonomischer und ökologischer Feldversuch im realen Leben. Ob<br />
die Energiewen<strong>de</strong> klappt o<strong>de</strong>r nicht, wird sich erst zeigen.<br />
Zu<strong>de</strong>m kann meines Erachtens nur ein Bun<strong>de</strong>sgesetz <strong>de</strong>n flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n<br />
Leitungsausbau über die fö<strong>de</strong>ralen Lan<strong>de</strong>sgrenzen hinweg<br />
ermöglichen. Das politische Dilemma ist, dass die Bürger die<br />
Energie wen<strong>de</strong> befürworten, jedoch keine Hochspannungsleitungen<br />
vor ihrer Haustür haben wollen. Und dann will die Politik die<br />
Energiewen<strong>de</strong>.<br />
Allenthalben wird von einer Verdopplung <strong>de</strong>r Energiekosten auf<br />
bis zu 15 Prozent <strong>de</strong>s durchschnittlichen Einkommens gewarnt.<br />
Welche Auswirkung wird die Energiewen<strong>de</strong> auf die Strom- und<br />
Gaspreise in <strong>de</strong>n nächsten Jahren haben?<br />
Energie wird in <strong>de</strong>n nächsten Jahren teurer wer<strong>de</strong>n, weil Energie<br />
ein knappes Gut ist. Die weltweite Nachfrage nach Energie steigt.<br />
Dies wird unter an<strong>de</strong>rem durch die hohe Nachfrage <strong>de</strong>r wirtschaftlich<br />
prosperieren<strong>de</strong>n Schwellenlän<strong>de</strong>r, die sogenannten BRIC-<br />
Staaten, befeuert. Nehmen wir das Beispiel Gas zur Wärmeversorgung.<br />
Der Gaspreis wird in Deutschland aufgrund eines<br />
Anbieter-Oligopols bestimmt. Energiekosten dämpfen kann <strong>de</strong>r<br />
Verbraucher nur dadurch, in<strong>de</strong>m er selbst für seine Energieversorgung<br />
sorgt. Er kann in eine Wärmepumpe und in Solarzellen investieren<br />
und einen Reserve stromvertrag abschließen für <strong>de</strong>n Fall,<br />
dass einmal keine Sonne scheint. (Fortsetzung nächste Seite)<br />
ACADEMIA 5/2012 9<br />
Foto: picture alliance/Zoonar
Interview<br />
Nun ist eine solch radikale Energiewen<strong>de</strong> noch in keinem Land<br />
<strong>de</strong>r Welt gemacht wor<strong>de</strong>n. Wir sprechen hier also von einem Experiment<br />
mit über 80 Millionen Proban<strong>de</strong>n.<br />
Nicht nur von 80 Millionen Proban<strong>de</strong>n! Ich mache mir Gedanken,<br />
dass wir darüber hinaus <strong>de</strong>n Industriestandort Deutschland als<br />
großen Proban<strong>de</strong>n haben. Mir macht es keine Sorge, wenn bei mir<br />
zu Hause mal <strong>de</strong>r Strom ausfällt und ich Samstagabend mal kein<br />
Fernsehen sehen kann.<br />
Und wenn dann <strong>de</strong>r Ruf kommt, die AKWs wie<strong>de</strong>r ans Netz zu<br />
bringen, weil die Energiewen<strong>de</strong> nicht klappt?<br />
Dann wird es schwierig. Ein Industriestandort Deutschland,<br />
<strong>de</strong>r teilweise in Dreischichtbetrieben 24 Stun<strong>de</strong>n am Tag, sieben<br />
Tage die Woche produziert, <strong>de</strong>r braucht verlässliche Energie.<br />
Nicht nur in <strong>de</strong>r Menge, son<strong>de</strong>rn auch in <strong>de</strong>r Leistung. Wenn<br />
die alternativen Energieträger, z. B. Wind, Biogas, Holzhackschnitzel,<br />
nicht in <strong>de</strong>r Lage sind, Energie ausreichend zu pro -<br />
duzieren, dann fin<strong>de</strong> ich <strong>de</strong>n Versuch ge wagt. Die Frage ist ja<br />
auch: Was will die Gesellschaft in Deutschland überhaupt? 1949<br />
war die Entscheidung klar: Es ging um Wohlstand für alle und<br />
<strong>de</strong>n Aufbau bzw. die Sicherung <strong>de</strong>s Industriestandorts Deutschland.<br />
Dieser Gesellschaftsvertrag ist teilweise überholt, ein<br />
neuer nicht in Sicht. Es wer<strong>de</strong>n isoliert Entscheidungen getroffen,<br />
die mit einem „common sense“ nichts mehr zu tun haben.<br />
Wo siehst Du die Probleme?<br />
Grundsätzlich habe ich <strong>de</strong>n Eindruck, wir bekämpfen in Deutschland<br />
immer nur die Symptome und nicht die Ursachen. Die Ur -<br />
sachen <strong>de</strong>r dramatischen Verschuldung können zum Beispiel nur<br />
durch ein besseres Wirtschaften abgebremst wer<strong>de</strong>n. Darüber hinaus<br />
müssen wir über <strong>de</strong>n Fortbestand <strong>de</strong>s fö<strong>de</strong>ralen Systems diskutieren.<br />
Die Gesellschaft muss sich einig sein, wofür das vorhan<strong>de</strong>ne<br />
Geld ausgegeben wird. Wir müssen uns <strong>de</strong>n Themen<br />
Bildung, Pflege, Gesundheit, Verschuldung <strong>de</strong>r kommunalen<br />
Haushalte stellen. Wer zahlt dafür und wie viel? Wir re<strong>de</strong>n also<br />
10 5/2012 ACADEMIA<br />
auch über staatliche Umverteilung. Für mich steht fest: Wir können<br />
nicht alles haben, also müssen Prioritäten gesetzt wer<strong>de</strong>n. Der<br />
Unternehmer wür<strong>de</strong> sagen: Wir brauchen eine Strategie.<br />
Wie könnte <strong>de</strong>nn ein neuer Generationenvertrag aussehen?<br />
Ich habe die Antwort nicht. Wir müssen neue Wege gehen. Ich<br />
glaube, es ist die Aufgabe meiner Generation, dass wir uns<br />
mit <strong>de</strong>n unterschiedlichen Interessengruppen zusammen setzen –<br />
Unternehmen, Politik, Gewerkschaft, Kirchen und weiteren Stakehol<strong>de</strong>rn.<br />
Dazu müssen wir beantworten, welches Demokratie -<br />
verständnis wir haben. Wollen wir ein Wahlrecht mit 16 Jahren?<br />
Wollen wir Volksabstimmungen wie in <strong>de</strong>r Schweiz? Letzteres<br />
be<strong>de</strong>utet ja, dass je<strong>de</strong>r Abstimmungsbe rechtigte Vorhaben in ihrer<br />
ganzen Tiefe verstehen können muss. Das heißt aber auch, dass<br />
wir dafür ein an<strong>de</strong>res Bildungsniveau benötigen.<br />
Was muss sich Deiner Meinung nach än<strong>de</strong>rn?<br />
Wir müssen uns unter an<strong>de</strong>rem überlegen, ob unser Wahlsystem<br />
noch zeitgemäß ist und auch ob die Parteien, die ja Regierungsverantwortung<br />
übernehmen, dies noch ausreichend tun. Sicher, die<br />
kurzfristigen Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Mediengesellschaft haben das<br />
Regieren verän<strong>de</strong>rt. Aber ist das hilfreich? Wenn eine Regierung<br />
vielleicht maximal zwei Jahre Zeit hat, Reformen o<strong>de</strong>r harte Ein-<br />
Foto: picture alliance/Marco Cristofori/Robert Harding<br />
schnitte umzusetzen und ab <strong>de</strong>m zweiten Regierungsjahr schon<br />
die Wie<strong>de</strong>rwahl in weiteren zwei Jahren sicherzustellen versucht,<br />
dann stimmt etwas nicht. Die Politik agiert mittlerweile nur noch<br />
kurzfristig, und das kann nicht nachhaltig sein – es fehlen Visionen.<br />
Welche Rolle hat für Dich rückblickend die Mitgliedschaft in<br />
<strong>de</strong>r KDStV Aenania in München?<br />
Mein Eintritt in die Aenania war für mich eine logische Konsequenz,<br />
die aus meiner Erziehung und meiner Bildung herrührt.<br />
Für mich war es daher klar, dass ich mich sozial und politisch engagieren<br />
wollte. Außer<strong>de</strong>m bietet die Mitgliedschaft in einer Stu<strong>de</strong>ntenverbindung<br />
neben vielen an<strong>de</strong>ren Dingen auch Einblick<br />
darin, wie eine Gesellschaft funktioniert. Farbe zu bekennen, war
mir vom Beginn <strong>de</strong>s Studiums bis heute im Beruf wichtig. Von<br />
meinem jesuitisch geprägten christlich-katholischen Wertesystem<br />
rücke ich nicht ab. Das schlägt sich unter an<strong>de</strong>rem auch darin nie<strong>de</strong>r,<br />
dass ich versuche, sozialverantwortliche Entscheidungen im<br />
Unternehmen zu treffen.<br />
Wo siehst Du Stärken und Schwächen <strong>de</strong>s CV?<br />
Ich fin<strong>de</strong> es eine Schwäche <strong>de</strong>s CV, dass man nicht mehr so stark<br />
wie früher in <strong>de</strong>r Politik vertreten ist. Es gibt ja einige CVer – auch<br />
in jüngster Vergangenheit –, die Bun<strong>de</strong>sministerposten innehatten<br />
o<strong>de</strong>r als Abgeordnete im Bun<strong>de</strong>stag sitzen. Die interessieren sich<br />
jetzt aber nicht mehr für <strong>de</strong>n CV und engagieren sich <strong>de</strong>mzufolge<br />
auch nicht mehr. Das fin<strong>de</strong> ich scha<strong>de</strong>. Das geht ja sogar soweit,<br />
dass diese ihre jugendliche christlich-katholische Sozialisation<br />
und damit auch ihre Mitgliedschaft im CV verstecken.<br />
Wie beurteilst Du das Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft?<br />
Die Politik müsste mehr von Unternehmen lernen und umge kehrt.<br />
D.h. die Politik muss lernen, nachhaltig für ihre Ent schei dungen<br />
einzutreten. Was können wir von <strong>de</strong>r Politik lernen? Wir müssen<br />
lernen, gesellschaftlicher zu <strong>de</strong>nken. Die För<strong>de</strong>rung von Braunkohle<br />
im Tagebau ist beispielsweise nicht nur ein energie politisches,<br />
Anlagen zur Gewinnung und Weiterleitung von Energie prägen unser Land.<br />
Sie tragen zwar nur selten zur optischen Aufwertung <strong>de</strong>r Landstriche bei,<br />
sind aber für <strong>de</strong>n „Industriestandort D“ absolut überlebenswichtig.<br />
Der Gesprächspartner: Cbr Prof. Dr. Hanns-<br />
Ferdinand Müller (Ae, Gbg), Vorstandssprecher<br />
und Finanzvorstand <strong>de</strong>r RWE Vertrieb<br />
AG, wur<strong>de</strong> 1965 in Trier geboren. Er ist verheira -<br />
tet und hat eine Tochter. 1984 bis 1985 Offiziersausbildung<br />
an <strong>de</strong>r Offiziersschule <strong>de</strong>r Luftwaffe<br />
in Fürstenfeldbruck, 1985 bis 1988 Studium <strong>de</strong>r Wirtschaftswissenschaften<br />
an <strong>de</strong>r Universität <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>swehr Hamburg und <strong>de</strong>r Musik an <strong>de</strong>r<br />
Musikhochschule Hamburg, 1989 bis 1993 Leiter <strong>de</strong>r Materialwirtschaft<br />
<strong>de</strong>s Flughafens Köln/Bonn, 1993 bis 1996 Seniorberater bei <strong>de</strong>r WestLB<br />
in Düsseldorf, 1994 Promotion zum Dr. rer. pol. an <strong>de</strong>r Universität Trier,<br />
1996 bis 2001 Mitglied <strong>de</strong>r Geschäftsleitung <strong>de</strong>r Kienbaum Management<br />
Consultants GmbH in Berlin, 2001 bis 2003 Leiter Privat- und Gewerbekun<strong>de</strong>n/Marketing<br />
bei <strong>de</strong>r RWE Plus AG, 2003 bis 2004 Leiter<br />
Vertrieb Energieversorgungsunternehmen bei <strong>de</strong>r RWE Westfalen-Weser-<br />
Ems AG, 2004 bis 2009 Vorstandsmitglied <strong>de</strong>r RWE Westfalen-Weser-<br />
Ems AG Ressort Vertrieb, seit 2006 Lehrauftrag International School of<br />
Management (ISM), Dortmund; 4/2011 Honorarprofessur, 2009 bis<br />
2010 Konzernbevollmächtigter Kommunen in <strong>de</strong>r RWE AG und Geschäftsführer<br />
<strong>de</strong>r RWE Effizienz GmbH, zuständig für die Bereiche Controlling<br />
und Rechnungswesen in Personalunion, seit 01/2011 Sprecher<br />
<strong>de</strong>s Vorstan<strong>de</strong>s und Finanzvorstand <strong>de</strong>r RWE Vertrieb AG.<br />
son<strong>de</strong>rn ein gesellschafts- und struktur politisches Thema. Wir<br />
Unternehmer müssen daher stärker politisch <strong>de</strong>nken. Die letzten<br />
Jahre waren ja eher von einer ge sellschaftlichen Gegensätzlichkeit<br />
<strong>de</strong>nn von einer Gemeinsamkeit geprägt. Ich fin<strong>de</strong>, zur letzteren<br />
müssen wir wie<strong>de</strong>r hin kommen.<br />
Siehst Du im Kontext <strong>de</strong>r gesellschaftlichen Verän<strong>de</strong>rungen eine<br />
neue Aufgabe für <strong>de</strong>n Cartellverband?<br />
Ja, ich <strong>de</strong>nke, es bedarf einer engeren Verzahnung <strong>de</strong>s CV mit <strong>de</strong>n<br />
gesellschaftlich relevanten Gruppen. Die CVer sollten sich nicht<br />
nur auf <strong>de</strong>n Verbindungshäusern zum Stammtisch treffen, son<strong>de</strong>rn<br />
mehr aktiv gesellschaftspolitisch mitmischen. Ein gutes Beispiel<br />
ist <strong>de</strong>r Eintritt <strong>de</strong>s Profifußballers Christoph Metzel<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n CV.<br />
Der CV verbin<strong>de</strong>t sich mit <strong>de</strong>m Sport und es entsteht ein Miteinan<strong>de</strong>r<br />
und Füreinan<strong>de</strong>r. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite muss ich mich auch<br />
an die eigene Nase fassen. Meine Generation könnte durchaus aktiver<br />
im CV unterwegs sein.<br />
Siehst Du weiteren Än<strong>de</strong>rungsbedarf?<br />
Interview<br />
Wir brauchen an<strong>de</strong>re Programmrezepte im CV, die an die<br />
Arbeitsrealtäten <strong>de</strong>s 21. Jahrhun<strong>de</strong>rts angepasst sind. Außer<strong>de</strong>m<br />
sollte man darüber nach<strong>de</strong>nken, wie man die Familien <strong>de</strong>r CVer<br />
Foto: picture alliance/chromorange<br />
besser ins Verbindungsleben integriert: Das schafft Motivation,<br />
sich mal wie<strong>de</strong>r sehen zu lassen. Das sehe ich als Manager ganz<br />
nüchtern: Wenn ich keine passen<strong>de</strong>n Angebote für meine Kun<strong>de</strong>n<br />
mache, wer<strong>de</strong> ich sie verlieren. Also, es braucht Familienangebote,<br />
Kin<strong>de</strong>rprogramme und Programm zeiten und -abläufe, die auch<br />
für Berufstätige mit Familie geeignet sind. Das heißt nicht, dass<br />
man sich nur noch zusammen mit <strong>de</strong>n Familien trifft – aber auch.<br />
Das müssen vor allem die Verbindungen leisten.<br />
Außer<strong>de</strong>m halte ich <strong>de</strong>n CV für zu komplex organisiert. Je<strong>de</strong><br />
Organisation muss sich die Frage stellen, ob ihre Organisationsform<br />
noch die richtige, also zeitgemäß ist, o<strong>de</strong>r ob Än <strong>de</strong>rungen erfor<strong>de</strong>rlich<br />
sind. Reaktionsschnelligkeit halte ich für <strong>de</strong>n CV in Bezug<br />
auf gesellschaftliche Fragen für dringend erfor<strong>de</strong>rlich.<br />
ACADEMIA 5/2012 11
Essay<br />
Essay von Prof. Dr. Leonid Luks<br />
Dass die seit 1945 offen gebliebene <strong>de</strong>utsche Frage 44 Jahre<br />
später zur allgemeinen Überraschung relativ glimpflich und<br />
friedlich gelöst wer<strong>de</strong>n konnte, stellt eine Art „politisches<br />
Wun<strong>de</strong>r“ dar, <strong>de</strong>ssen Zustan<strong>de</strong>kommen bis heute das <strong>de</strong>utsch-russische<br />
Verhältnis prägt. Man ist sich in Ost und West darüber einig,<br />
dass Michail Gorbatschow <strong>de</strong>r wohl wichtigste Urheber dieses<br />
„Wun<strong>de</strong>rs“ war, worauf seine beispiellose Popularität in Deutschland<br />
basiert. In <strong>de</strong>n sogenannten national-patriotischen Kreisen<br />
Russlands hingegen gilt Gorbatschow als Zerstörer <strong>de</strong>s zweitmächtigsten<br />
Reiches <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>. Er gehört zu <strong>de</strong>n unpopulärsten<br />
Politikern im Lan<strong>de</strong>. Bei <strong>de</strong>n russischen Präsi<strong>de</strong>ntschaftswahlen<br />
im Jahre 1996 erhielt Gorbatschow zum Beispiel 0,5 Prozent <strong>de</strong>r<br />
Stimmen. Diese Ablehnung Gorbatschows <strong>de</strong>hnt sich aber keines -<br />
wegs auf Deutschland aus, also auf das Land, das in erster Linie<br />
<strong>de</strong>m letzten Generalsekretär <strong>de</strong>r KPdSU seine Einheit verdankt.<br />
So hielten zum Beispiel 1990 59 Prozent <strong>de</strong>r befragten Russen die<br />
<strong>de</strong>utsche Wie<strong>de</strong>rvereinigung für rechtmäßig und bei <strong>de</strong>r 16 Jahre<br />
später gestellten Frage, welches Land Russland gegenüber am<br />
freundlichsten gesinnt sei, fand sich Deutschland sogar an zweiter<br />
Stelle wie<strong>de</strong>r … nach Weißrussland. Im gleichen Jahr fragte das<br />
Allrussische Zentrum zur Erforschung <strong>de</strong>r Öffentlichen Meinung<br />
(VCIOM), welches Land als „ewiger Feind Russlands“ bezeichnet<br />
wer<strong>de</strong>n könne. Deutschland wur<strong>de</strong> lediglich von einem Prozent<br />
<strong>de</strong>r Befragten in diese Kategorie eingeordnet. Die USA hingegen,<br />
also ein Land, das nie einen Krieg gegen Russland geführt hatte,<br />
wenn man von <strong>de</strong>r Intervention zugunsten <strong>de</strong>r „weißen“ Armeen<br />
während <strong>de</strong>s russischen Bürgerkrieges absieht, wur<strong>de</strong> von 45 Prozent<br />
<strong>de</strong>r Befragten als <strong>de</strong>r „ewige Feind Russlands“ bezeichnet.<br />
Lauter Paradoxien, die in einem kurzen Beitrag nicht erschöpfend<br />
behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n können. Ich möchte mich <strong>de</strong>shalb nur auf die<br />
Ereignisse von 1989/90 konzentrieren, die im Prozess <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschrussischen<br />
Versöhnung nach <strong>de</strong>m letzten Krieg eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Rolle gespielt haben.<br />
Der Schlüssel für die <strong>de</strong>utsche Einheit war nach 1945 bekanntlich<br />
im Kreml <strong>de</strong>poniert. Warum gab aber die Moskauer Führung diesen<br />
Schlüssel, <strong>de</strong>n sie jahrzehntelang als kostbares Gut gehütet<br />
hatte, letztendlich aus <strong>de</strong>r Hand? Um diese Frage zu beantworten,<br />
muss man sich etwas genauer mit <strong>de</strong>r Person Gorbatschows und<br />
mit seinem Programm, <strong>de</strong>m sogenannten „neuen Denken“, befassen.<br />
Dabei muss man sofort darauf hinweisen, dass dieses „neue<br />
Denken“ we<strong>de</strong>r die <strong>de</strong>utsche Einheit noch die Auflösung <strong>de</strong>s Ostblocks<br />
noch <strong>de</strong>n Verzicht auf die führen<strong>de</strong> Rolle <strong>de</strong>r Kommunistischen<br />
Parteien postulierte. Im Gegenteil, Gorbatschows Ziel war<br />
lediglich die Revitalisierung <strong>de</strong>r kommunistischen Regime in <strong>de</strong>n<br />
12 5/2012 ACADEMIA<br />
Michail Gorbatschow<br />
Das Zeitfenster zur Überwindung <strong>de</strong>r<br />
Utilitas rures praemuniet pessimus bellus suis. Adlaudabilis chirographi<br />
comiter iocari gulosus cathedras, etiam zothecas agnascor plane adlaudabilis<br />
fiducias. Pretosius chirographi<br />
Staaten <strong>de</strong>s Ostblocks – auch in <strong>de</strong>r DDR –, die Anpassung dieser<br />
Regime an die Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne. Als aktiver Staatsmann<br />
blieb Gorbatschow <strong>de</strong>r sogenannten „sozialistischen Wahl“<br />
bis zuletzt treu. Dennoch enthielt das „neue Denken“ <strong>de</strong>s Urhebers<br />
<strong>de</strong>r Perestrojka von Anfang an Elemente, die beinahe zwangsläufig<br />
zu <strong>de</strong>n von Gorbatschow keineswegs gewünschten Folgen führen<br />
mussten.<br />
Dies betraf zum Beispiel <strong>de</strong>n im Grun<strong>de</strong> revolutionären Entschluss<br />
Gorbatschows, direkt an die Öffentlichkeit zu appellieren.<br />
Sie sollte einen permanenten Druck auf <strong>de</strong>n reformunwilligen<br />
Parteiapparat ausüben, ihn kontrollieren. Im Juni 1986 erklärte<br />
<strong>de</strong>r Generalsekretär bei einem Treffen mit <strong>de</strong>n sowjetischen Filmschaffen<strong>de</strong>n:<br />
„Zwischen <strong>de</strong>m Volk, das nach Verän<strong>de</strong>rungen<br />
strebt, das davon träumt, und <strong>de</strong>r Staatsführung befin<strong>de</strong>t sich eine<br />
Schicht <strong>de</strong>r Verwaltung, ... die keine Umgestaltungen will.“
– Revolutionär wi<strong>de</strong>r Willen<br />
<strong>de</strong>utschen und <strong>de</strong>r europäischen Spaltung war nur sehr kurz geöffnet<br />
Michail Gorbatschow und Johannes Paul II. begegnen sich – als figürliche<br />
Karikaturen. 1989 kam es zur leibhaftigen Begegnung (siehe Seite 15).<br />
In einem System, das bis dahin auf <strong>de</strong>r lückenlosen Staatskontrolle<br />
und <strong>de</strong>r Bevormundung <strong>de</strong>r Bürger basierte, wollte Gorbatschow<br />
nun auf einen neuen Typus von Menschen setzen. Diese sollten<br />
keine Befehlsempfänger, son<strong>de</strong>rn „einfallsreiche, klar <strong>de</strong>nken<strong>de</strong><br />
und dynamische Persönlichkeiten sein ..., die imstan<strong>de</strong> sind, eine<br />
Situation selbstkritisch einzuschätzen, sich vom Formalismus und<br />
vom dogmatischen Verhalten bei <strong>de</strong>r Arbeit zu lösen.“<br />
Wie ließen sich aber all diese Konzepte mit <strong>de</strong>m von Gorbatschow<br />
bis En<strong>de</strong> 1989 krampfhaft verteidigten Dogma von <strong>de</strong>r führen<strong>de</strong>n<br />
Rolle <strong>de</strong>r Partei vereinbaren? Mit ähnlichen Wi<strong>de</strong>rsprüchen war<br />
auch <strong>de</strong>r Gorbatschowsche Feldzug gegen das Unfehlbarkeitsdogma<br />
<strong>de</strong>r Partei behaftet, das die Kommunisten bis dahin wie das<br />
kostbarste Gut gehütet hatten. Unantastbare Autoritäten und Tabus<br />
dürfe es nicht mehr geben, verkün<strong>de</strong>te 1987 Gorbatschow und<br />
versetzte dadurch das Land in eine Art Wahrheitsrausch. Dennoch<br />
Foto: KNA<br />
erlag er <strong>de</strong>r naiven Hoffnung, er wer<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Lage sein, <strong>de</strong>n von<br />
ihm ausgelösten Bil<strong>de</strong>rsturm in kontrollierte Bahnen zu lenken.<br />
Die Verfechter <strong>de</strong>r alten Ordnung sahen sehr früh ein, sicher früher<br />
als Gorbatschow, welch katastrophale Folgen für das Regime die<br />
Auflockerung <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n Machtstrukturen, das Abrücken<br />
vom kommunistischen Unfehl barkeitsdogma o<strong>de</strong>r die För<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r gesellschaftlichen Eigeninitiative haben könnten. Die sowjetischen<br />
Medien gäben nur <strong>de</strong>n angriffslustigen Zerstörern die<br />
Möglichkeit, sich zu äußern, beklagte sich im März 1988 <strong>de</strong>r dogmatischgesinnteSchrift-<br />
steller Jurij<br />
B o n d a r e w.<br />
We n n m a n<br />
diesen Kräften<br />
keine neue<br />
Nie<strong>de</strong>rlage à<br />
la Stalingrad<br />
bereiten wür<strong>de</strong>,<br />
wür<strong>de</strong>n sie<br />
das Land in <strong>de</strong>n Abgrund stürzen. Auch in <strong>de</strong>r Parteielite wur<strong>de</strong><br />
immer häufiger die Meinung vertreten, das Reformkonzept Gorbatschows<br />
sei völlig verfehlt. Der sowjetische Botschafter in Warschau,<br />
Wladimir Browi kow, führte im Frühjahr 1989 auf einem<br />
ZK-Plenum aus: Aus einer hochgeachteten Weltmacht habe sich<br />
die Sowjetunion nun in ein Gespött <strong>de</strong>r Völker verwan<strong>de</strong>lt, für <strong>de</strong>n<br />
scha<strong>de</strong>nfrohen Westen sei sie bereits ein Koloss auf tönernen Füßen.<br />
So grenzt es beinahe an ein Wun<strong>de</strong>r, dass die ans Herrschen gewohnte<br />
Parteibürokratie die Etablierung <strong>de</strong>r ersten Ansätze für eine<br />
zivile Gesellschaft im Lan<strong>de</strong>, wenn auch unter heftigen Protesten,<br />
zunächst zuließ. Das an sich geschlossene kommunistische<br />
Gebäu<strong>de</strong> erhielt einen Riss, <strong>de</strong>r im Laufe <strong>de</strong>r Zeit immer tiefer<br />
wur<strong>de</strong>. Dieser Riss führte letztendlich zum Zusammensturz <strong>de</strong>s<br />
gesamten Gebäu<strong>de</strong>s, was natürlich <strong>de</strong>n Intentionen Gorbatschows<br />
gänzlich wi<strong>de</strong>rsprach. Die von ihm initiierten Verän<strong>de</strong>rungen haben<br />
allerdings <strong>de</strong>n Zusammenbruch <strong>de</strong>r kommunistischen Diktaturen<br />
beinahe unumgänglich gemacht.<br />
Ähnliche Folgen hatte das „Neue Denken“ Gorbatschows auch im<br />
Bereich <strong>de</strong>r Beziehungen zwischen Moskau und seinen Vasallenstaaten<br />
im Ostblock. Auch hier löste Gorbatschow Umwälzungen<br />
aus, die von ihm ursprünglich keineswegs beabsichtigt waren. So<br />
z. B. durch die auf <strong>de</strong>r 19. Parteikonferenz vom Juni 1988 verkün<strong>de</strong>te<br />
These, die Völker und Staaten seien bei <strong>de</strong>r Wahl ihres jeweiligen<br />
ACADEMIA 5/2012 13<br />
Essay<br />
Lückenlose<br />
Staatskontrolle<br />
und Bevormundung<br />
<strong>de</strong>r Bürger
Essay<br />
Gesellschaftssystems frei –<br />
dies war ein indirekter Verzicht<br />
auf die Breschnew-Doktrin,<br />
auf das von Moskau usurpierte<br />
Recht, die sozialistischen Regime<br />
in <strong>de</strong>n „Bru<strong>de</strong>rlän<strong>de</strong>rn“<br />
in <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gefahr militärisch<br />
zu unterstützen.<br />
Gorbatschows Ziel war selbstverständlich<br />
nicht die Auflösung,<br />
son<strong>de</strong>rn eine Erneuerung<br />
<strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n Regime<br />
in <strong>de</strong>n Vasallenstaaten Moskaus.<br />
Auf <strong>de</strong>r Sitzung <strong>de</strong>s Politbüros<br />
vom 27. Dezember<br />
1988 sagte er: „Die Sowjet -<br />
union verzichtet nicht auf <strong>de</strong>n<br />
Sozialismus, son<strong>de</strong>rn versucht,<br />
ihn zu retten, so wie seinerzeit<br />
Roosevelt versucht hatte, <strong>de</strong>n<br />
Kapitalismus zu retten.“<br />
Als die friedlichen Revolutionen<br />
von 1989 aber die kommunistischen<br />
Regime an <strong>de</strong>r westli -<br />
chen Peripherie <strong>de</strong>s Ostblocks<br />
hinwegfegten, griff Moskau<br />
nicht ein. Und dieser Umstand<br />
stellte eine <strong>de</strong>r wichtigsten<br />
Voraussetzungen für <strong>de</strong>n Erfolg<br />
dieser Revolutionen dar.<br />
Beson<strong>de</strong>rs heftige Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong> rief das Gorbatschowsche „Neue<br />
Denken“ bei <strong>de</strong>r DDR-Führung hervor, was nicht verwun<strong>de</strong>rlich<br />
war. Als <strong>de</strong>utscher Teilstaat schöpfte die DDR ihre I<strong>de</strong>ntität in ers -<br />
ter Linie aus <strong>de</strong>r sozialistischen I<strong>de</strong>e. Zaghafte Versuche <strong>de</strong>r Ostberliner<br />
Führung, an bestimmte <strong>de</strong>utsch-nationale Traditionen anzuknüpfen,<br />
führten nicht zum gewünschten Erfolg. Je<strong>de</strong><br />
Gefährdung <strong>de</strong>s „real existieren<strong>de</strong>n Sozialismus“ musste zwangsläufig<br />
auch die Staatlichkeit <strong>de</strong>r DDR als solche gefähr<strong>de</strong>n. Nicht<br />
zuletzt <strong>de</strong>shalb reagierte die Führung <strong>de</strong>r DDR mit ungewöhnlicher<br />
Heftigkeit auf alle Versuche, dieses System zu reformieren.<br />
Wie<strong>de</strong>rholt beklagte sich Erich Honecker bei Gorbatschow über<br />
die „allzu lockeren Zügel <strong>de</strong>r sowjetischen Massenmedien“. Bei<br />
seinem Treffen mit Gorbatschow in Moskau im September 1988<br />
führte Honecker aus: „Die Probleme entstehen dadurch, dass Publikationen<br />
erscheinen und über die Westmedien bei uns kolportiert<br />
wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen alle Errungenschaften seit <strong>de</strong>r Oktoberrevolution<br />
in Frage gestellt wer<strong>de</strong>n.“<br />
Der Autor: Prof. Dr. Leonid Luks, geboren<br />
1947 in Swerdlowsk, Inhaber <strong>de</strong>s Lehrstuhls<br />
für Mittel- und Osteuropäische Zeitgeschichte an<br />
<strong>de</strong>r Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt;<br />
Direktor <strong>de</strong>s Zentralinstituts für Mittel- und Osteuro -<br />
pastudien dort. In ACADEMIA 2/2012 schrieb er<br />
einen vielbeachteten Beitrag – über Deutschland aus polnischer Sicht.<br />
14 5/2012 ACADEMIA<br />
Michail Gorbatschow – er dachte keineswegs an die Aufgabe <strong>de</strong>r DDR.<br />
Schlüssel<br />
für die<br />
<strong>de</strong>utsche<br />
Einheit<br />
im Kreml<br />
<strong>de</strong>poniert<br />
In seinen 1992 entstan<strong>de</strong>nen<br />
Moabiter Haftnotizen bezichtigte<br />
Honecker Gorbatschow<br />
<strong>de</strong>s Verrats an <strong>de</strong>r DDR. Er<br />
schrieb: „Hätte <strong>de</strong>r ,große Reformer‘<br />
noch ein Jahr mit <strong>de</strong>m<br />
Verkauf <strong>de</strong>r DDR gewartet,<br />
dann hätte vielleicht mit einer<br />
an<strong>de</strong>ren Regierung in <strong>de</strong>r BRD<br />
die Regierung <strong>de</strong>r DDR die<br />
Zukunft <strong>de</strong>s Volkes <strong>de</strong>r DDR<br />
und <strong>de</strong>r BRD verbin<strong>de</strong>n können.“<br />
In Wirklichkeit dachte<br />
aber Gorbatschow zunächst<br />
keineswegs an eine Aufgabe<br />
<strong>de</strong>r DDR. Am 9. November<br />
1989, am Tag, an <strong>de</strong>m die Berliner<br />
Mauer fiel, nannte <strong>de</strong>r<br />
Sprecher <strong>de</strong>s sowjetischen Außenministeriums, Gerasimow, die<br />
Diskussion über eine mögliche Wie<strong>de</strong>rvereinigung Deutschlands<br />
eine „rein intellektuelle Beschäftigung“.<br />
Fotos: KNA<br />
Einige Wochen später, auf <strong>de</strong>m sowjetisch-amerikanischen Gipfeltreffen<br />
auf Malta, fügte Gorbatschow hinzu: „Die Realität besteht<br />
darin, dass wir heute in Europa zwei <strong>de</strong>utsche Staaten haben<br />
– …, die bei<strong>de</strong> Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Vereinigten Nationen und souveräne<br />
Staaten sind. Die Geschichte hat es so entschie<strong>de</strong>n.“ Man sollte<br />
sich in diesem Zusammenhang an <strong>de</strong>n Satz Gorbatschows erinnern,<br />
<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r französische Staatspräsi<strong>de</strong>nt Mitterand übermittelte:<br />
„Am Tage <strong>de</strong>r Ankündigung einer <strong>de</strong>utschen Wie<strong>de</strong>rvereinigung<br />
wird sich ein Marschall auf meinen Stuhl im Kreml setzen.“<br />
Das 10-Punkte-Programm Helmut Kohls zur Überwindung <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Spaltung vom 28. November 1989 rief großes Unbehagen<br />
in Moskau hervor. Gorbatschow warf Bun<strong>de</strong>saußenminister Genscher<br />
am 5. Dezember 1989 vor, Bonn versuche die Ereignisse zu forcie ren,<br />
ohne seine Partner zu konsultieren: „Je<strong>de</strong> künstliche Beschleunigung<br />
dieser Prozesse wür<strong>de</strong> sowohl <strong>de</strong>n Interessen aller Völker als<br />
auch <strong>de</strong>n Interessen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten wi<strong>de</strong>rsprechen.“<br />
Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass die Be<strong>de</strong>nken<br />
<strong>de</strong>r Moskauer Führung zum damaligen Zeitpunkt auch<br />
von London und von Paris geteilt wur<strong>de</strong>n. Der <strong>de</strong>monstrative Besuch<br />
Mitterands in <strong>de</strong>r sich auflösen<strong>de</strong>n DDR im Dezember 1989<br />
und die Warnungen Margaret Thatchers vor <strong>de</strong>n überhasteten<br />
Schritten in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Frage erweckten <strong>de</strong>n Eindruck, Mos-
kau, Paris und London befän<strong>de</strong>n sich, bei ihrem Versuch, <strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>utschen Einigungsprozess zu verlangsamen, in einem Boot. Erst<br />
En<strong>de</strong> Januar 1990 fand sich Gorbatschow damit ab, dass <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche<br />
Einigungsprozess unumkehrbar sei. Auf einer Politbürositzung<br />
vom 26. Januar erhielt Marschall Achromejew, <strong>de</strong>r engste<br />
Militärberater Gorbatschows, vom Parteichef die Anordnung, <strong>de</strong>n<br />
Abzug <strong>de</strong>r sowjetischen Truppen aus <strong>de</strong>r DDR vorzubereiten.<br />
So blieben die sowjetischen Panzer, ungeachtet <strong>de</strong>r zunehmen<strong>de</strong>n<br />
Auflösungserscheinungen <strong>de</strong>s DDR-Regimes, an<strong>de</strong>rs als am 17.<br />
Juni 1953, in ihren Kasernen, und dieser Sachverhalt stellte die<br />
wohl wichtigste Voraussetzung für die Überwindung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Spaltung dar. Gorbatschow schreibt nachträglich folgen<strong>de</strong>s<br />
hierzu: „Der politische Kurs und die offizielle Propaganda <strong>de</strong>r<br />
,Bru<strong>de</strong>rparteien‘ basierten ... bis dahin auf <strong>de</strong>r These von <strong>de</strong>r führen<strong>de</strong>n<br />
Rolle <strong>de</strong>r KPdSU. Die Reformen aber, die jetzt in <strong>de</strong>r Sowjetunion<br />
eingeleitet wur<strong>de</strong>n, be<strong>de</strong>uteten das En<strong>de</strong> dieses Systems.<br />
Mit sowjetischen Panzern zum Erhalt <strong>de</strong>r politischen Macht<br />
war nicht mehr zu rechnen.“ Die Leistung Gorbatschows bei <strong>de</strong>r<br />
Herbeiführung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Einheit bestand also nicht in erster<br />
Linie darin, was er getan hat, son<strong>de</strong>rn darin, was er nicht getan<br />
hat – in seinem Verzicht auf eine Intervention. Man könnte ihn<br />
<strong>de</strong>shalb als einen „Revolutionär wi<strong>de</strong>r Willen“ o<strong>de</strong>r, wie dies <strong>de</strong>r<br />
ungarische Schriftsteller und Gorbatschow-Biograph György<br />
Dalos formulierte, als einen „Hel<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Rückzugs“ bezeichnen.<br />
Mit Rückzug allein lässt sich allerdings eine <strong>de</strong>r größten Umwälzungen<br />
<strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts, die von Gorbatschow ausgelöst wur<strong>de</strong>,<br />
nicht erklären. Viel wichtiger war in diesem Zusammenhang die<br />
Fähigkeit <strong>de</strong>s Generalsekretärs, eine Zeitlang, wie er dies selbst formulierte,<br />
das „Monster zu zügeln“. Damit meinte er das Streben<br />
Unterwegs zum ACADEMIA-Jubiläum 2013<br />
Vor 25 Jahren, in <strong>de</strong>r ACADEMIA<br />
5/1987, ging es in <strong>de</strong>r Hauptsache<br />
um das Thema Bildung: „Bildung<br />
2000“ lautete <strong>de</strong>r Titel. Der damals<br />
neue Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r West<strong>de</strong>utschen<br />
Rektorenkonferenz, Hinrich Sei<strong>de</strong>l,<br />
wur<strong>de</strong> mit Aussagen über Fragen <strong>de</strong>r<br />
Hochschulentwicklung wie<strong>de</strong>rgegeben:<br />
„Die heutigen Stu<strong>de</strong>nten sind<br />
nach Auffassung Sei<strong>de</strong>ls viel besser<br />
als ihr Ruf. (…) Die jungen Menschen<br />
reagierten ungemein sensibel auf neuere<br />
Entwicklungen in <strong>de</strong>n einzelnen<br />
Disziplinen und verfolgten bei ihrer<br />
Studienfachwahl sehr wohl Wirtschaftsund<br />
Konjunkturentwicklungen“ (S. 213;<br />
Autor Karl-Heinz Reith). Jürgen W.<br />
Möllemann, Bun<strong>de</strong>sminister für Bildung<br />
<strong>de</strong>r Dogmatiker im sowjetischen Parteiapparat nach einer anti<strong>de</strong>mokratischen<br />
Revanche. Die Tatsache, dass es Gorbatschow gelungen<br />
war, <strong>de</strong>n unausweichlichen Putsch <strong>de</strong>r Dogmatiker zu verzögern, lässt<br />
sich wohl als seine größte politische Leistung bezeichnen. Hätte <strong>de</strong>r<br />
sich seit Jahren anbahnen<strong>de</strong> Putsch nicht im August 1991, son<strong>de</strong>rn<br />
etwa zwei Jahre früher stattgefun<strong>de</strong>n, wäre <strong>de</strong>r Weg zur <strong>de</strong>utschen<br />
Einheit bzw. zur Rückkehr <strong>de</strong>r Vasallenstaaten Moskaus nach Europa<br />
viel steiniger gewesen, als er dies in <strong>de</strong>r Realität gewesen war.<br />
So war das Zeitfenster zur Überwindung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen und <strong>de</strong>r<br />
europäischen Spaltung nur sehr kurz geöffnet und lediglich durch<br />
die bröckeln<strong>de</strong> Macht Gorbatschows im sowjetischen Staatsgefüge<br />
garantiert. Wenn man all dies be<strong>de</strong>nkt, so wird die Popularität,<br />
die Gorbatschow bis heute in Deutschland und in vielen euro -<br />
päischen Län<strong>de</strong>rn genießt, durchaus verständlich.<br />
Präsi<strong>de</strong>nt Michail Gorbatschow<br />
am 1. Dezember 1989 zu Besuch<br />
bei Papst Johannes Paul II. im Vatikan.<br />
Was vor 25 Jahren Thema war …<br />
und Wissenschaft, schrieb<br />
zum Thema Hochschulausbau:<br />
„Auch unkonventionelle<br />
Überlegungen dürfen<br />
nicht von vornherein ausgeschlossen<br />
wer<strong>de</strong>n. Dies<br />
gilt etwa für die Frage,<br />
ob zur Verbesserung <strong>de</strong>r<br />
Situation <strong>de</strong>s wissenschaftlichen<br />
Nachwuchses nicht<br />
auch die im öffentlichen<br />
Dienst Beschäftigten einen<br />
Beitrag leisten sollten.<br />
Dies setzt voraus, daß in<br />
Tarifverhandlungen und bei <strong>de</strong>r Besoldungsgesetzgebung<br />
alle be teiligten<br />
Gruppierungen zu Zugeständnissen<br />
bereit sind“ (S. 215). Über die Sauer-<br />
lan<strong>de</strong>n-Reise nach Venetien<br />
wur<strong>de</strong> geschrieben:<br />
„Münster. Rechtzeitig vor<br />
<strong>de</strong>r Verhängung <strong>de</strong>s Numerus<br />
clausus kamen nahezu<br />
100 Sauerlan<strong>de</strong>n<br />
noch senza permissione<br />
im April in die Stadt Venedig<br />
hinein. Nach Rom<br />
und <strong>de</strong>r Tos kana war Venetien<br />
das dritte Ziel <strong>de</strong>r<br />
nunmehr zur Tradition<br />
gewor<strong>de</strong>nen kunsthistorischen<br />
Studienreise <strong>de</strong>r<br />
Sauerlandia. Bun<strong>de</strong>sbrü<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r<br />
ganzen Bun<strong>de</strong>srepublik, von Hannover<br />
bis München, erlebten zehn unvergeßliche<br />
Tage“ (S. 248). AC<br />
ACADEMIA 5/2012 15<br />
Essay
Das ewige Experimentierfeld<br />
Zuviel Reformeifer<br />
scha<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Schule von<br />
Schule 2012, zwei Erlebnisse. Die Einschulung<br />
<strong>de</strong>s Patenneffen: Mehr als<br />
80 i-Dötzchen blinzeln erwartungsfreudig<br />
in die Spätsommer-Sonne, Zweit-<br />
, Dritt- und Viertklässler führen ihnen singend<br />
vor, wie schön Schule ist, die<br />
Schulleiterin und eine Mutter von <strong>de</strong>r<br />
Schulpflegschaft halten kurze, sympathische<br />
Ansprachen. Hier möchte man noch<br />
mal Kind sein! Tags zuvor dagegen, im<br />
Betrieb, hat man mal wie<strong>de</strong>r feststellen<br />
müssen, wie ineffizient unser Schulsystem<br />
sein kann: Ein Praktikant, junger Stu<strong>de</strong>nt<br />
mit „Allgemeiner Hochschulreife“ in <strong>de</strong>r<br />
Tasche, scheitert daran, einfache Erlebnisse<br />
schriftlich in Worte zu fassen, zeigt<br />
gravieren<strong>de</strong> Rechtschreibschwächen, verstreut<br />
die Kommata fast nach Belieben im<br />
Text. Hat er nicht min<strong>de</strong>stens 13 Jahre das<br />
Unterrichtsfach „Deutsch“ gehabt? Wie<br />
kann das sein? Wie ist es möglich, dass<br />
solche Fälle unter Praktikanten zwar nicht<br />
die Regel sind, aber doch frustrierend<br />
häufig vorkommen, inzwischen je<strong>de</strong>nfalls<br />
häufiger als das Gegenteil, das einem<br />
entlockt: „Donnerwetter, was kann <strong>de</strong>r<br />
(o<strong>de</strong>r meistens die) hervorragend formulieren!“?<br />
Wie also? Die Antwort führt uns zunächst<br />
aus <strong>de</strong>r Schule heraus. Die „Rahmenbedingungen“<br />
für die Herausfor<strong>de</strong>rung, Schüler<br />
zum Schulerfolg zu führen, sind schwieriger<br />
gewor<strong>de</strong>n. Familie und Nachbarschaft<br />
la<strong>de</strong>n heute ein gut Teil <strong>de</strong>ssen, was sie früher<br />
an Erziehung leisteten, auf die Institution<br />
Schule ab. Dies trifft nicht auf die gesamte<br />
Gesellschaft zu – gera<strong>de</strong> im wertkonservativen<br />
Bürgertum sind die Vor- und Parallelleistungen<br />
zum „Lebensraum Schule“<br />
in dieser Hinsicht noch immens – , aber<br />
es gilt doch wohl für einen wachsen<strong>de</strong>n<br />
Teil <strong>de</strong>r Gesellschaft. Grund sind instabile<br />
Familienverhältnisse und die zunehmen<strong>de</strong><br />
Erwerbstätigkeit bei<strong>de</strong>r Eltern, aber auch<br />
ein mutwilliges Laisser-faire bei <strong>de</strong>r Erziehung<br />
und Alltagsgestaltung überhaupt.<br />
Wenn schon Neunjährige die Spiele <strong>de</strong>r<br />
Champions League bis zum En<strong>de</strong> gucken<br />
16 5/2012 ACADEMIA<br />
dürfen (Anpfiff: 20.45 Uhr), dann ist wohl<br />
kaum die Schule schuld daran, dass die<br />
Leistungskurve dieser Schüler noch vor<br />
<strong>de</strong>m Mittagsgong steil nach unten geht.<br />
Die Digitale Revolution eröffnet <strong>de</strong>n<br />
Schülern Möglichkeiten <strong>de</strong>r Kommunikation<br />
und Recherche, von <strong>de</strong>nen frühere<br />
Generationen nur träumen konnten. Zugleich<br />
aber la<strong>de</strong>n SMS, <strong>Facebook</strong> und Co.<br />
dazu ein, nicht nur kreativ, son<strong>de</strong>rn auch<br />
oberflächlich und nachlässig mit Sprache<br />
umzugehen. Die Metho<strong>de</strong> „copy and paste“,<br />
das Übertragen frem<strong>de</strong>r Textbausteine<br />
per Mausklick in „eigene“ Arbeiten, för<strong>de</strong>rt<br />
die Denkfaulheit. Die herrschen<strong>de</strong><br />
Spaßgesellschaft ist für eine „Kultur <strong>de</strong>r<br />
Anstrengung“ gera<strong>de</strong>zu Gift, noch dazu,<br />
wenn Jugendlichen suggeriert wird, ihr<br />
Abschlussjahrgang wer<strong>de</strong> aufgrund <strong>de</strong>r<br />
Geburtenschwäche <strong>de</strong>reinst so gefragt<br />
sein, dass die Arbeitgeber gar nicht an<strong>de</strong>rs<br />
könnten, als ihn nahezu komplett in Lohn<br />
und Brot zu bringen – als hinge die Dynamik<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Volkswirtschaft nicht<br />
vom Können <strong>de</strong>s Nachwuchses ab.<br />
Schüler zum Schulerfolg zu führen ist heute<br />
schwieriger <strong>de</strong>nn je. Umso geradliniger<br />
und ausdauern<strong>de</strong>r müsste schulpolitisch<br />
regiert wer<strong>de</strong>n. Doch davon kann in <strong>de</strong>r<br />
Mehrheit <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r keine Re<strong>de</strong><br />
sein. Wie schon die Debatte um die angebliche<br />
„Bildungskatastrophe“ in <strong>de</strong>n sechziger<br />
Jahren hat auch die internationale<br />
Bildungsstudie PISA (erstmals 2000), die<br />
<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn mehrheitlich<br />
ein schlechtes Zeugnis ausstellte, unter<br />
Schulpolitikern einen Reformeifer entfacht,<br />
<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r einmal vom Wesentlichen ablenkt:<br />
von gutem Unterricht. Statt etwa mit<br />
aller Kraft zu gewährleisten, dass kaum<br />
Unterricht ausfällt, glauben die Verantwortlichen<br />
mit Strukturreformen experimentieren<br />
zu müssen. Ganztagsschule und<br />
gemeinsames Lernen, heißt es, garantieren<br />
<strong>de</strong>n Schulerfolg eher, als es Halbtagsschule<br />
und möglichst homogene Leistungsgruppen<br />
in einem geglie<strong>de</strong>rten Schulsystem vermö-<br />
Thomas Gutmann (BuL)<br />
gen. Dabei ist <strong>de</strong>r Trend zum zweigeglie<strong>de</strong>rten<br />
Schulsystem <strong>de</strong>r Demographie geschul<strong>de</strong>t<br />
und die Ganztagsschule vor allem<br />
<strong>de</strong>m Ziel, dass möglichst viele Eltern Fami -<br />
lie und Beruf „vereinbaren“ können. Als<br />
wäre das aber nicht schon genug an Anpassungsleistung,<br />
die man <strong>de</strong>r Schule abverlangt,<br />
ist <strong>de</strong>m Gymnasium auch noch die<br />
For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Wirtschaft nach möglichst<br />
jungen Hochschulabsolventen aufgedrückt<br />
wor<strong>de</strong>n. Kaum eingeführt, wird mancherorts<br />
am „G 8“ schon wie<strong>de</strong>r gerüttelt,<br />
weil Schüler, Lehrer und Eltern über zu<br />
hohen Leistungsdruck klagen. Derweil<br />
wird das nächste Päckchen geschnürt und<br />
<strong>de</strong>r Schule aufgebür<strong>de</strong>t: die Inklusion, das<br />
gemeinsame Lernen von Kin<strong>de</strong>rn mit und<br />
ohne Behin<strong>de</strong>rung. Zugleich wird mit Verwaltungsmo<strong>de</strong>llen<br />
wie „autonomer Schule“<br />
experimentiert, wer<strong>de</strong>n klare Leistungsanfor<strong>de</strong>rungen<br />
zu schwammigen<br />
„Kompetenzen“ umformuliert, sollen<br />
Grundschüler jahrelang so „schreiben, wie<br />
sie sprechen“, ehe sie die richtige Rechtschreibung<br />
lernen. Und und und.<br />
Bei soviel Dies und Das wun<strong>de</strong>rt es einen<br />
nicht, dass unser Schulsystem in viel zu<br />
vielen Fällen verblüffend dürftige Ergebnisse<br />
hervorbringt, dass Schülerleistungen<br />
in Deutschland weit stärker von <strong>de</strong>r Bildung<br />
<strong>de</strong>r Eltern abhängen als in <strong>de</strong>n meisten<br />
vergleichbaren Län<strong>de</strong>rn. Statt <strong>de</strong>n<br />
Schulen ein gesellschaftliches „Bedürfnis“<br />
nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren aufzubür<strong>de</strong>n, sollte<br />
es heißen: „Einfach nur Schule!“ Ausreichen<strong>de</strong><br />
Räumlichkeiten und genug Lehrer<br />
für guten Unterricht! Das hinzukriegen<br />
ist schwierig genug.<br />
Zum Autor: Thomas<br />
Gutmann (BuL) arbeitet<br />
als Redakteur<br />
einer Tageszeitung und<br />
ist Mitglied <strong>de</strong>r ACA-<br />
DEMIA-Redaktion.
Foto: picture alliance/dpa<br />
Schulhund Aila „zu Besuch“ in einer dritten<br />
Grundschulklasse. Die Terrierhündin „begleitet“<br />
je<strong>de</strong> Woche die Klassenlehrerin. Tatsächlich<br />
setzen immer mehr Pädagogen Schulhun<strong>de</strong><br />
im Unterricht ein – bun<strong>de</strong>sweit sind es bereits<br />
mehr als 1000 Hun<strong>de</strong>.<br />
Auf die Lehrer kommt es an<br />
Über Rehabilitierung und Weiterentwicklung <strong>de</strong>r Schulpädagogik<br />
Hun<strong>de</strong>rt entschlossene und tatkräftige<br />
Menschen, sagte man früher, könnten<br />
eine Revolution auslösen. Nun,<br />
manchmal genügen auch weniger. In<br />
Schwe<strong>de</strong>n haben kürzlich acht Lehrer gezeigt,<br />
worauf es in <strong>de</strong>r Schule wirklich ankommt.<br />
Auch im Land <strong>de</strong>r Schären steht<br />
bildungsmäßig nämlich nicht alles zum<br />
Besten. Schwedische Achtklässler können<br />
heute nur noch so viel wie Siebtklässler vor<br />
zehn Jahren, die jüngste PISA-Studie offenbarte<br />
einen Leistungseinbruch bei<br />
Fünfzehnjährigen, Lehrer klagen über<br />
wachsen<strong>de</strong> Disziplinlosigkeit. Aber anscheinend<br />
gibt es Ausnahmen: Der Mathematik -<br />
lehrer Louca etwa gewann mit seinen<br />
Klassen regelmäßig bei internationalen<br />
Mathewettbewerben mit Schülern, von<br />
<strong>de</strong>nen man das ansonsten nicht erwartet<br />
hatte. Da hatte ein Fernsehproduzent eine<br />
I<strong>de</strong>e: Was wür<strong>de</strong> eigentlich passieren, wenn<br />
man einmal die besten Lehrer <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s<br />
zusam mentrommelte – und sie gemeinsam<br />
auf eine schwierige Klasse losließe?<br />
Lan<strong>de</strong>sweit konnten sich nun Lehrer bewerben,<br />
die besten acht wur<strong>de</strong>n ausgewählt<br />
und übernahmen<br />
für sechs<br />
Monate <strong>de</strong>n kompletten<br />
Unterricht<br />
<strong>de</strong>r 9A an <strong>de</strong>r Johannesskola,<br />
einer<br />
Gesamtschule in<br />
Malmö. Viele Schü -<br />
l e r d i e s e r A b -<br />
schluss klasse hatten sich schon lange aufgegeben,<br />
teilweise erschienen sie gar nicht<br />
mehr zum Unterricht. In einer Mischung<br />
aus Zugewandtheit und Zutrauen, Respekt<br />
und Autorität – und weitgehend ohne Strafen<br />
– versuchten die Lehrer, <strong>de</strong>n Neunt-<br />
Es gibt nur guten<br />
o<strong>de</strong>r schlechten<br />
Unterricht<br />
Das ewige Experimentierfeld<br />
von Michael Felten<br />
klässlern <strong>de</strong>n Glauben daran wie<strong>de</strong>rzugeben,<br />
dass sie erfolgreich lernen könnten.<br />
Mathelehrer Louca etwa stellte sich <strong>de</strong>n<br />
Schülern mit folgen<strong>de</strong>n Worten vor: „Ich<br />
bin sehr nett, aber gleichzeitig auch sehr<br />
anspruchsvoll. Wenn ihr mich auf eine<br />
Tasse Kaffee einla<strong>de</strong>t,<br />
kriegt ihr von<br />
mir drei zurück.<br />
Wenn ihr aber<br />
schwierig seid, bin<br />
ich dreimal so<br />
schwierig. Also, es<br />
liegt an euch.“<br />
Nach einem halben<br />
Jahr musste sich die Klasse <strong>de</strong>n üblichen<br />
nationalen Vergleichstests stellen –<br />
und schnitt glänzend ab: Lan<strong>de</strong>sweit erster<br />
Platz in Mathe, Vierter in Schwedisch,<br />
überdurchschnittlich in Englisch. Gute<br />
Lehrer in Schwe<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n seit<strong>de</strong>m auch<br />
ACADEMIA 5/2012 17
Das ewige Experimentierfeld<br />
schon mal „9A-Lehrer“ genannt. Die dreizehnteilige<br />
Bildungsdoku wur<strong>de</strong> übrigens<br />
ein Quotenhit.<br />
Da ist er, <strong>de</strong>r verblüffen<strong>de</strong> Ausweg aus<br />
hohlem Bildungsgere<strong>de</strong> und unsinnigen<br />
Bildungsreformen! Gute Lehrer können<br />
anscheinend schier Unmögliches bewirken:<br />
Sie können negative Entwicklungen<br />
nicht nur stoppen, son<strong>de</strong>rn in ungeahntem<br />
Ausmaß wen<strong>de</strong>n. Ihre Metho<strong>de</strong> klingt einleuchtend,<br />
hat es aber in sich: Man trete<br />
<strong>de</strong>n Schülern mit viel Respekt und Verständnis<br />
entgegen, glaube an ihre Entwicklungsfähigkeit,<br />
gönne ihnen anspruchsvollen<br />
Unterricht und bereite sie<br />
tatkräftig auf die Abschlussprüfungen vor.<br />
Anscheinend kommt es auf die Menschen<br />
an, nicht auf die Strukturen!<br />
Erstaunlich allerdings, dass das Experiment<br />
von Malmö in <strong>de</strong>r hiesigen Bildungsdiskussion<br />
kaum aufgegriffen wur<strong>de</strong> – Reformpädagogen<br />
jedwe<strong>de</strong>r Couleur<br />
verweisen ansonsten nur allzu gerne gen<br />
Nor<strong>de</strong>n! Lei<strong>de</strong>r kein Einzelfall – auch an<strong>de</strong>re<br />
Beispiele, an <strong>de</strong>nen sich die Kraft <strong>de</strong>s<br />
guten Lehrers zeigt, führen ein mediales<br />
Schattendasein. Etwa die amerikanischen<br />
KIPP-Schulen (knowledge is power program):<br />
Unterschichtenkin<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>n Vorstadt-Ghettos<br />
lernen hier unter strengen<br />
Schulregeln, ackern sich durch dickste<br />
Aufgabenpakete und bestehen dann standardisierte<br />
Tests doppelt so häufig wie <strong>de</strong>r<br />
Lan<strong>de</strong>sdurchschnitt. Sie können sich allerdings<br />
auch je<strong>de</strong>rzeit an ihre Lehrer wen<strong>de</strong>n,<br />
sieben Tage die Woche, rund um die<br />
Uhr. Nun, vielleicht ist die weitgehen<strong>de</strong><br />
Ausblendung solcher Fälle kein Wun<strong>de</strong>r:<br />
Eine Rehabilitation <strong>de</strong>r Lehrerpersönlichkeit<br />
wür<strong>de</strong> nämlich manch mo<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Debattenzopf<br />
abschnei<strong>de</strong>n, manch wohlklingen<strong>de</strong>s<br />
Reformpapier in die pädagogische<br />
Rumpelkammer beför<strong>de</strong>rn.<br />
Etwa das Strukturlamento: Seit Jahren<br />
wird uns weisgemacht, nur <strong>de</strong>r gemeinsame<br />
Unterricht in Gesamtschulen – neuerdings:<br />
in Gemeinschaftsschulen – könne<br />
18 5/2012 ACADEMIA<br />
Der erste Schultag, an<br />
<strong>de</strong>m, wie es nicht selten<br />
heißt, <strong>de</strong>r „Ernst <strong>de</strong>s Lebens beginnt“.<br />
Vielleicht ist es ja tatsächlich<br />
so? Es bleiben die Schultüten.<br />
d i e<br />
L e i s -<br />
tungsfähigkeit<br />
<strong>de</strong>r<br />
Kin<strong>de</strong>r steigern<br />
und ihr Sozialverhalten<br />
verbessern, schließlich<br />
hätten die PISA-Sieger doch auch „eine<br />
Schule für alle“. Schulpolitikern wie<br />
Bildungsjournalisten schenken <strong>de</strong>m gerne<br />
Gehör – anscheinend hat <strong>de</strong>r Gedanke <strong>de</strong>s<br />
Einheitlichen etwas Anheimeln<strong>de</strong>s. Dabei<br />
betitelte ein ehemaliger Gesamtschulleiter<br />
seinen beruflichen Rückblick: „Warum ich<br />
meine Kin<strong>de</strong>r heute nicht mehr auf eine<br />
integrierte Gesamtschule schicken wür<strong>de</strong>.“<br />
Und <strong>de</strong>r renommierte Schulforscher<br />
Helmut Fend musste kürzlich seine eigene<br />
Forschung „überrascht und enttäuscht“<br />
wie folgt bilanzieren: „Die Gesamtschule<br />
schafft unterm Strich nicht mehr Bildungsgerechtigkeit<br />
als die Schulen <strong>de</strong>s geglie<strong>de</strong>rten<br />
Schulsystems.“ Die PISA-Forscher<br />
selbst weisen<br />
regelmäßig<br />
Kin<strong>de</strong>r<br />
sind<br />
keine<br />
Rohstoffe<br />
darauf hin,<br />
dass nicht die<br />
Str u k turen<br />
über schulische<br />
Qualität<br />
entschei<strong>de</strong>n,<br />
son<strong>de</strong>rn die<br />
Güte <strong>de</strong>s<br />
Unterrichts.<br />
So ist <strong>de</strong>nn auch die aktuelle Formel „länger<br />
gemeinsam lernen“ in ihren Verheißungen<br />
irreführend: Es gibt einfach kein<br />
bestes Schulsystem – nur guten o<strong>de</strong>r<br />
schlechten Unterricht. An<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r mit<br />
Fotos: KNA und SGW<br />
integriertenSchulsystemen<br />
haben übrigens nur<br />
scheinbar Einheitsschulen: So gehen<br />
in Schwe<strong>de</strong>n zwar 95 Prozent eines Schülerjahrgangs<br />
auf ein Gymnasium, aber diese<br />
unterglie<strong>de</strong>rn sich nach 17 verschie<strong>de</strong>nen<br />
Profilen – von <strong>de</strong>m, was hierzulan<strong>de</strong><br />
eine Brennpunkt-Hauptschule ist, bis zum<br />
Elitegymnasium!<br />
Irreführend auch das Selbständigkeitsgetue:<br />
Kultusbehör<strong>de</strong>n erklären Schulen<br />
neuerdings gerne zu Zonen <strong>de</strong>r Selbständigkeit<br />
– um administrative Kosten zu reduzieren,<br />
um Verantwortung für Schulexperimente<br />
von sich abzuschieben, um <strong>de</strong>m<br />
Unmut über zu große Klassen zu entgehen.<br />
Die Verheißung von Autonomie<br />
schmeichelt zunächst <strong>de</strong>r antihierarchischen<br />
Sehnsucht naiver Gemüter; alsbald<br />
in<strong>de</strong>s dürfen die Kollegen ihre Nachmittage<br />
damit verbringen, in Arbeitsgruppen<br />
Schulprogramme zu formulieren, die<br />
nachher in <strong>de</strong>r Schubla<strong>de</strong> verschwin<strong>de</strong>n,<br />
o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n kommunalen Schulträgern<br />
über Renovierungsfragen und Finanzengpässe<br />
zu rangeln. Zeit, die ihnen natürlich<br />
fehlt für ruhige Gespräche mit Schülern,<br />
sorgfältige Beratungen von Eltern, gründliches<br />
Planen <strong>de</strong>r einzelnen Unterrichtsstun<strong>de</strong>n<br />
– o<strong>de</strong>r auch für kulturelle Aktivitäten.<br />
Selbst die Hoffnung auf Befreiung<br />
von <strong>de</strong>r Aufsichtsbehör<strong>de</strong> wird enttäuscht:<br />
Schließlich muss die überprüfen, ob das<br />
selbständige Schultreiben auch die rich -
tige Richtung<br />
nimmt<br />
– <strong>de</strong>r neuen<br />
Offenheit <strong>de</strong>r<br />
Umstän<strong>de</strong> folgt<br />
eine neue Kontrolliertheit<br />
<strong>de</strong>r Zustän<strong>de</strong>.<br />
Also reisen Schulinspektionsteams<br />
durchs Land (Lehrer-O-Ton:<br />
„Die Qualitätsfuzzis kommen!“), verweilen<br />
in je<strong>de</strong>r Schule drei Tage, besichtigen<br />
je<strong>de</strong>n Lehrer für 20 Minuten, machen tausend<br />
Kreuzchen in dicke Evaluationsbögen<br />
– und empfehlen <strong>de</strong>r Schule hernach<br />
nicht selten „Organisationsentwicklung“,<br />
selbst bei guten Leistungen. Das Skurrile<br />
bei dieser Prozedur: Nicht wenige Lehrer<br />
führen hierbei, obwohl unkündbar verbeamtet,<br />
potemkinschen Unterricht vor, extrem<br />
aufwendige o<strong>de</strong>r überwiegend eigenverantwortliche<br />
Arbeitsformen etwa, die<br />
im Alltag kaum funktionieren wür<strong>de</strong>n – so<br />
groß <strong>de</strong>r Konformismus (Brecht: „Hofintelligenz“),<br />
so gering das berufliche<br />
Selbstbewusstsein.<br />
Überhaupt <strong>de</strong>r Messwahn: Grundsätzlich<br />
spricht ja nichts dagegen, Bildungsprozesse<br />
besser zu überprüfen, das Geschehen<br />
im Klassenzimmer nicht in Gänze <strong>de</strong>m<br />
Belieben <strong>de</strong>s einzelnen<br />
Lehrers zu überlassen.<br />
Wenn aber aus PISA-<br />
Studien nur solche Konsequenzen<br />
gezogen wer<strong>de</strong>n,<br />
die Bildungsausgaben<br />
einsparen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Marotten<br />
eines Kultusministers<br />
folgen o<strong>de</strong>r wirtschaftlich erwünscht<br />
sind; wenn in <strong>de</strong>r<br />
Folge nur noch genau das<br />
gepaukt wird, was Lern -<br />
standsmessungen abfragen<br />
wer<strong>de</strong>n; wenn<br />
banale schulinterne<br />
Befragungen<br />
(„Glaubst du, dass<br />
Sitzenbleiben<br />
hilfreich ist?“)<br />
als Scheinlegitimation<br />
für neue<br />
Schulve rsuche<br />
missbraucht wer<strong>de</strong>n;<br />
dann feiert eine<br />
neue Gläubigkeit fröhliche<br />
Urständ: Evaluation<br />
als sakrosankte Steuerungsform.<br />
Schule und Unterricht missraten<br />
dabei zu einem Gebiet von Daten<br />
und Prozessen, auf <strong>de</strong>m bei geeigneter Justierung<br />
<strong>de</strong>r Variablen alles machbar, ökonomisch<br />
optimal kalkulierbar und auch<br />
politisch kontrollierbar scheint. Solche<br />
„Invasion <strong>de</strong>r Kennziffern“ öffnet <strong>de</strong>n Bildungssektor<br />
natürlich auch für die Interessen<br />
nationaler o<strong>de</strong>r gar global operieren<strong>de</strong>r<br />
Testindustrien und Medienkonzerne.<br />
Aber Bildung ist etwas an<strong>de</strong>res als Warenproduktion,<br />
Kin<strong>de</strong>r sind keine Rohstoffe.<br />
Das ewige Experimentierfeld<br />
Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Defizite unserer Schulen<br />
liegen nicht in Rahmenbedingungen<br />
o<strong>de</strong>r Strukturen, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>n Beziehungen<br />
– genauer gesagt: in einer Verunsicherung<br />
im Pädagogischen sowie einer Vernachlässigung<br />
<strong>de</strong>s Psychologischen. Zitat eines<br />
jungen Leserbriefschreibers <strong>de</strong>r „Zeit“: „Ich<br />
als Schüler behaupte, dass die Lehrer <strong>de</strong>r<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Faktor für eine gelungene<br />
Bildungspolitik sind.“ Primär von ihnen<br />
hängt es ab, ob junge Menschen soli<strong>de</strong> Fachkompetenzen<br />
erwerben, ob sich ihr Weltbewusstsein<br />
weitet, ob sie zu gesellschaftlicher<br />
Teilhabe fähig wer<strong>de</strong>n – gera<strong>de</strong> auch<br />
dann, wenn sie bildungsferneren Schichten<br />
entstammen. Dazu braucht <strong>de</strong>r Lehrer<br />
aber nicht ständig neue Entwicklungsvereinbarungen<br />
o<strong>de</strong>r endlose Struktur<strong>de</strong>batten,<br />
son<strong>de</strong>rn Ruhe und Unterstützung in<br />
seinem Unterrichtsalltag; im beständigen<br />
Ringen um Motivation und Nachhaltigkeit,<br />
bei <strong>de</strong>r täglichen Gratwan<strong>de</strong>rung zwischen<br />
Über- und Unterfor<strong>de</strong>rung seiner<br />
vielen individualisierten Schüler. Wie mache<br />
ich bockigen Schülern Mut, wie meistere<br />
ich schwierige Unterrichtssituationen,<br />
wie for<strong>de</strong>re ich Spitzenschüler wirklich?<br />
Ein Klassenzimmer ist eben zunächst einmal<br />
eine Sphäre <strong>de</strong>s Beziehungshaften, das<br />
Unterrichten primär eine Angelegenheit<br />
zwischen Menschen. Deshalb ist Schule<br />
so entschei<strong>de</strong>nd dadurch geprägt, wie <strong>de</strong>r<br />
Lehrer das Verhältnis zwischen ihm und<br />
seinen menschlichen „Objekten“ sieht und<br />
gestaltet. Alles bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> und erzieherische<br />
Wollen muss er schließlich durch persönliche<br />
Vermittlung, also über die zwischenmenschliche<br />
Beziehung transportieren.<br />
Und <strong>de</strong>shalb wird ein stets ärgerlicher Ge-<br />
Der Autor: Michael Felten ist Gymnasiallehrer an einem Gymnasium in<br />
Köln sowie Lehrbeauftragter an Pädagogischen Hochschulen. Zuletzt erschien<br />
von ihm „Schluss mit <strong>de</strong>m Bildungsgere<strong>de</strong>! Eine Anstiftung zu pädagogischem<br />
Eigensinn“ (2012). Ebenfalls von Michael Felten: „Auf die Lehrer<br />
kommt es an! Für eine Rückkehr <strong>de</strong>r Pädagogik in die Schule“ (2010). Bei<strong>de</strong><br />
Bücher erschienen im Gütersloher Verlagshaus.<br />
ACADEMIA 5/2012 19
Das ewige Experimentierfeld<br />
samtschullehrer in seinen För<strong>de</strong>reffekten<br />
ebenso beschei<strong>de</strong>n abschnei<strong>de</strong>n wie ein<br />
dünkelhafter Studienrat am Gymnasium,<br />
ein engagierter Hauptschullehrer dagegen<br />
bei seinen Schülern manch pädagogisches<br />
Wun<strong>de</strong>r zustan<strong>de</strong> bringen. Dreh- und Angelpunkt<br />
schulischer Bildungsarbeit kann<br />
<strong>de</strong>shalb nur <strong>de</strong>r Mensch sein – einer, <strong>de</strong>r<br />
das zu vermitteln<strong>de</strong> Wissen mit Begeisterung<br />
und Be<strong>de</strong>utsamkeit verkörpert und<br />
die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung damit kunstvoll<br />
inszeniert und souverän einfor<strong>de</strong>rt. Dazu<br />
braucht es aber eine an<strong>de</strong>re Professionalität<br />
als die neuerdings postulierte <strong>de</strong>s kühlen<br />
Lernmanagers – vor allem personale<br />
Zeit und Zuwendung, Kraft und Menschenkenntnis.<br />
Die pädagogische Situation,<br />
sie bleibt eben etwas ganz an<strong>de</strong>res als<br />
die zunehmen<strong>de</strong> Schnellebigkeit unserer<br />
Erwachsenenwelt.<br />
Höchste Zeit also, dass wir uns auf das<br />
Bild <strong>de</strong>s „Schulmeisters“, auf die Kraft <strong>de</strong>r<br />
20 5/2012 ACADEMIA<br />
Lehrerpersönlichkeit – und damit auf die<br />
Be<strong>de</strong>utsamkeit <strong>de</strong>s Erwachsenen in <strong>de</strong>r<br />
Bildungsfrage – wie<strong>de</strong>rbesinnen:<br />
Lehrer müssen Lerngruppen selbstbewusst<br />
und zugewandt führen können.<br />
Nicht kühl-mo<strong>de</strong>rieren<strong>de</strong> Zurückhaltung<br />
ist gefragt, son<strong>de</strong>rn Führungsfreu<strong>de</strong> – ein<br />
unverschämtes Besinnen auf Pädagogik.<br />
Lehrer müssen Lernprozesse sinnvoll<br />
arrangieren und steuern können. Es geht<br />
nicht um Metho<strong>de</strong>nkirmes, son<strong>de</strong>rn um<br />
die lernpsychologisch fundierte Be -<br />
schränkung auf das Wesentliche.<br />
Lehrer müssen Lernschwierigkeiten<br />
auflösen können – nicht durch Er -<br />
mäßigung <strong>de</strong>r Anfor<strong>de</strong>rungen, son<strong>de</strong>rn<br />
durch geschulte Einfühlsamkeit und tatkräftige<br />
Ermutigung. Schüler sind eben<br />
manchmal unlustig, eifersüchtig, mutlos;<br />
dann brauchen sie jeman<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r sie mit-<br />
reißt – o<strong>de</strong>r ihnen zeigt, wie man sich zusammenreißt.<br />
Auf die Lehrer kommt es an! Diese Losung<br />
be<strong>de</strong>utet keine Neuerfindung <strong>de</strong>s Ra<strong>de</strong>s –<br />
eher eine Vergewisserung <strong>de</strong>ssen, dass Rä<strong>de</strong>r<br />
rund und gut gelagert sein müssen,<br />
wenn sie gut rollen sollen. Damit geht aber<br />
auch eine ernste Mahnung an Lehrerausbildung<br />
und Bildungspolitik einher. Nicht<br />
um je<strong>de</strong>n Preis „Die Schule neu <strong>de</strong>nken“<br />
(Hartmut von Hentig) darf die Devise sein,<br />
son<strong>de</strong>rn forschungsbasiert „Schule richtig<br />
<strong>de</strong>nken“ (Hans Maier). Das wäre eine<br />
wirkliche Bildungswen<strong>de</strong>: Vor<strong>de</strong>rgründigen<br />
Reformaktionismus stoppen, die personelle<br />
Ausstattung <strong>de</strong>r Schulen erheblich<br />
verbessern, die psychologische Qualifizierung<br />
<strong>de</strong>r Lehrer ausweiten, das Ansehen<br />
<strong>de</strong>r pädago gischen Zunft steigern. Der Alltag<br />
<strong>de</strong>s Lehrers wäre weiterhin anspruchsvoll<br />
– aber nicht länger auslaugend, son<strong>de</strong>rn<br />
aufbauend.<br />
Bildung: in Zukunft sind weitere<br />
Verän<strong>de</strong>rungen unvermeidlich<br />
Prof. Weishaupt, Sprecher <strong>de</strong>r Autorengruppe<br />
<strong>de</strong>s „Bildungsberichts 2012“: zunehmend freie Schulen<br />
Um das <strong>de</strong>utsche Bildungssystem ist es<br />
nicht so schlecht bestellt, wie manche<br />
öffentlich geführte Debatte vermuten<br />
lassen wür<strong>de</strong>, sagt <strong>de</strong>r Bildungsforscher<br />
Prof. Dr. Horst Weishaupt vom Deutschen<br />
Institut für Internationale Pädagogische<br />
Forschung. Der Sprecher <strong>de</strong>r Autorengrup -<br />
pe <strong>de</strong>s „Bildungsberichts 2012“ sieht aber<br />
auch verstärkte Privatisierungsten<strong>de</strong>nzen im<br />
Bildungswesen, vor allem da, wo das öffent-<br />
WEITERFÜHRENDER LINK<br />
www.bildungsbericht.<strong>de</strong><br />
liche System nicht auf gesellschaftliche<br />
Entwicklungen reagiert, wie er im Interview<br />
mit ACADEMIA-Redakteur Christoph<br />
Herbort-von Loeper (B-S) erläutert.<br />
Herr Prof. Weishaupt, <strong>de</strong>r Bildungsbericht<br />
präsentiert nun schon zum vierten<br />
Mal bereichsübergreifend Fortschritte<br />
und Probleme. Wie steht es um die <strong>de</strong>utsche<br />
Bildung im Jahr 2012?<br />
Insgesamt ist eine <strong>de</strong>utlich positive Entwicklung<br />
erkennbar. Aber es gibt nach wie<br />
vor Problemgruppen, um die die politisch<br />
Verantwortlichen sich intensiv kümmern<br />
müssen: zum Beispiel Migranten, die Probleme<br />
mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Sprache haben,<br />
und <strong>de</strong>utsche Kin<strong>de</strong>r, die in sozial belasteten<br />
Lebenslagen aufwachsen. Aber: Ausbau<br />
<strong>de</strong>r Ganztagsschulen und verstärkte För<strong>de</strong>rmaßnahmen<br />
an <strong>de</strong>n Schulen sind <strong>de</strong>r richtige<br />
Weg. Außer<strong>de</strong>m gibt es noch einiges am<br />
Übergang von <strong>de</strong>r Schule ins Berufsleben zu<br />
verbessern. Wir brauchen dort Anschlüsse<br />
statt Warteschleifen. Die unterstützen<strong>de</strong>n<br />
Maßnahmen sind oft noch zu wenig auf<br />
die Adressaten ausgerichtet und die Berufsorientierung<br />
in <strong>de</strong>n letzten Klassen <strong>de</strong>r<br />
allgemeinbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Schule müsste auch<br />
verbessert wer<strong>de</strong>n. (Fortsetzung nächste Seite)
Foto: picture alliance/ZB<br />
Das ewige Experimentierfeld<br />
Erfahrungen in <strong>de</strong>r Schule, gute wie schlechte,<br />
prägen ein Leben lang – nicht zuletzt das weitere<br />
Sozialverhalten, das allerdings in <strong>de</strong>r Familie<br />
grundgelegt wird. Im Bild: ein Schulmädchen,<br />
das etwas zu sagen hat.
Das ewige Experimentierfeld<br />
Wenn wir einmal die Bildungslebensphasen<br />
durchgehen und im Kin<strong>de</strong>rgarten anfangen.<br />
Laut Bildungsbericht besuchen<br />
in Deutschland 25 Prozent <strong>de</strong>r unter dreijährigen<br />
Kin<strong>de</strong>r und sogar 94 Prozent <strong>de</strong>r<br />
Drei- bis Sechsjährigen eine Betreuungseinrichtung.<br />
Die öffentliche Debatte um<br />
Betreuungsgeld und Rechtsanspruch auf<br />
einen Kin<strong>de</strong>rgartenplatz wird intensiv geführt.<br />
Ab wann macht es Sinn, Bildung<br />
und Lernen außerhalb <strong>de</strong>r Familie zu<br />
institutionalisieren?<br />
Nun, zunächst lässt sich feststellen, dass<br />
frühe Betreuungsangebote international<br />
weit verbreitet sind. In Deutschland haben<br />
wir unterschiedliche Kulturen in Ost und<br />
West; im Osten ist es schon lange Zeit<br />
selbstverständlich, dass Kin<strong>de</strong>r früh in die<br />
Kin<strong>de</strong>rkrippe gehen.<br />
Der wichtigste Punkt zu Ihrer Frage ist<br />
aber die personelle Ausgestaltung <strong>de</strong>r Angebote,<br />
und da lässt sich bei uns feststellen,<br />
dass es in <strong>de</strong>n Krippen gut aussieht.<br />
Es wird nicht auf Masse statt Klasse gesetzt,<br />
wenn das Verhältnis von Personal zu<br />
betreuten Kin<strong>de</strong>rn betrachtet wird.<br />
Die Frauenerwerbsquote in Deutschland<br />
steigt und Familienauszeiten wer<strong>de</strong>n kürzer.<br />
Das ist die Folge <strong>de</strong>r zunehmen<strong>de</strong>n Qualifikation<br />
von Frauen, die <strong>de</strong>n beruflichen Anschluss<br />
auch als Mütter nicht verlieren wollen.<br />
Die bessere Integration junger Mütter in<br />
<strong>de</strong>n Arbeitsmarkt ist ein gesellschaftliches<br />
Anliegen, für das <strong>de</strong>r Ausbau von Krippen<br />
eine wichtige Voraussetzung ist. Ich bin <strong>de</strong>r<br />
Meinung, dass <strong>de</strong>n Familien die Entscheidung<br />
bei <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rbetreuung überlassen<br />
wer<strong>de</strong>n muss; <strong>de</strong>r Gesetzgeber sollte umgekehrt<br />
aber sein selbst gesetztes Ziel hinsichtlich<br />
<strong>de</strong>r Betreuungskapazitäten einhalten.<br />
Wenn wir auf die Schulen schauen, so<br />
dreht sich die öffentliche Debatte dort vor<br />
allem um Probleme o<strong>de</strong>r um umstrittene<br />
Reformen. Nur ein paar Stichworte: PI-<br />
SA, Abschaffung <strong>de</strong>r Hauptschule, acht-<br />
22 5/2012 ACADEMIA<br />
jähriges Gymnasium. Ist das <strong>de</strong>utsche<br />
Bildungssystem eine parteipolitische<br />
Dauerbaustelle o<strong>de</strong>r sehen Sie eine klare<br />
Richtung, in die die Entwicklung geht?<br />
Das dreigliedrige Schulsystem hat nicht<br />
mehr funktioniert und sich ja quasi selbst<br />
aufgelöst, in<strong>de</strong>m die Hauptschule immer<br />
mehr auch für <strong>de</strong>n mittleren Abschluss geöffnet<br />
wur<strong>de</strong>. Da ist es nur konsequent, ein<br />
zweigliedriges Schulsystem einzuführen,<br />
in <strong>de</strong>m neben <strong>de</strong>m Gymnasium eine zweite<br />
Schulart steht, an <strong>de</strong>r unterschiedliche<br />
Schulabschlüsse erworben wer<strong>de</strong>n können<br />
und – was durchaus im Trend liegt – Erst -<br />
abschlüsse durch höherwertige Abschlüsse<br />
ergänzt wer<strong>de</strong>n können. Wir müssen<br />
auch sehen, dass <strong>de</strong>r mittlere Abschluss<br />
zum Standardabschluss für <strong>de</strong>n Arbeitsmarkt<br />
gewor<strong>de</strong>n ist und <strong>de</strong>r Hauptschulabschluss<br />
allein kaum noch berufliche Perspektiven<br />
eröffnet.<br />
Was das achtjährige Gymnasium betrifft,<br />
bin ich persönlich <strong>de</strong>r Meinung, dass es eine<br />
sinnvolle Strategie ist, die Schulbesuchszeiten<br />
zu flexibilisieren und leistungsstarken<br />
Schülern eine verkürzte<br />
Schulzeit zu ermöglichen. Auch das<br />
Nebeneinan<strong>de</strong>r von Ganz- und Halbtagsschulen,<br />
das vor allem <strong>de</strong>n Eltern eine<br />
Wahlmöglichkeit nach ihren Bedürfnissen<br />
gibt, macht langfristig Sinn. Generell zeigt<br />
sich eine Ten<strong>de</strong>nz im Bildungswesen, sich<br />
an verän<strong>de</strong>rte gesellschaftliche Bedingungen<br />
und unterschiedliche Elternerwartungen<br />
anzupassen. Diese Bemühungen<br />
könnten noch verstärkt wer<strong>de</strong>n. Insofern<br />
sind auch in Zukunft weitere Verän<strong>de</strong>rungen<br />
unvermeidlich.<br />
Der Bildungsbericht legt dar, dass die<br />
Zahl <strong>de</strong>r Schulen in freier Trägerschaft<br />
seit 1998 um 53 Prozent gestiegen ist, bei<br />
<strong>de</strong>n Grundschulen beträgt <strong>de</strong>r Zuwachs
Eine ewige Diskussion ist die über <strong>de</strong>n Zusam -<br />
menhang von finanzieller Begüterung und<br />
Bildungschancen. Im Bild zu erkennen die<br />
For<strong>de</strong>rung: „Reiche Eltern für alle“ (links unten).<br />
sogar mehr als 150 Prozent. Drückt sich<br />
darin ein schwin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Vertrauen in das<br />
öffentliche Schulsystem aus?<br />
Bei <strong>de</strong>n freien Grundschulen, die vor allem<br />
in Ost<strong>de</strong>utschland überproportional<br />
entstan<strong>de</strong>n sind, könnte es eventuell sogar<br />
verfassungsrechtliche Probleme geben, da<br />
solche nach Artikel 7 <strong>de</strong>s Grundgesetzes<br />
nur in Ausnahmefällen zu genehmigen<br />
sind. Die Entwicklung bei <strong>de</strong>n freien<br />
Schulen insgesamt spiegelt eine zunehmen<strong>de</strong><br />
Pluralisierung im Bildungssystem<br />
wi<strong>de</strong>r. Eltern suchen sich die Schulen, die<br />
ihren Vorstellungen und Bedürfnissen am<br />
besten entsprechen, zum Beispiel was Betreuungszeiten<br />
o<strong>de</strong>r auch bilinguale Erziehung<br />
angeht. Die öffentliche Schulverwaltung<br />
scheint diese Signale nicht<br />
ausreichend zu erkennen, sodass freie<br />
Schulen diese Marktlücke füllen. Die Entscheidung<br />
<strong>de</strong>r Eltern ist oft kein bewusstes<br />
Foto: picture alliance/Bildagentur Huber<br />
Votum gegen das öffentliche Schulwesen,<br />
son<strong>de</strong>rn eine pragmatische Wahl <strong>de</strong>s passen<strong>de</strong>n<br />
Angebots. Von einem zunehmen<strong>de</strong>n<br />
Vertrauensverlust wür<strong>de</strong> ich <strong>de</strong>shalb<br />
nicht sprechen.<br />
Und wie sieht es mit <strong>de</strong>r Qualität aus?<br />
Sind freie Schulen die besseren, auch<br />
weil sie oft über Schulgel<strong>de</strong>r mehr Mittel<br />
haben?<br />
Was <strong>de</strong>n Lernerfolg <strong>de</strong>r Schüler angeht,<br />
gibt es keine wissenschaftlichen Belege,<br />
dass freie Schulen im Vergleich zu öffentlichen<br />
die besseren sind. Richtig ist, dass<br />
sie oft speziellere Angebote haben als das<br />
im öffentlichen Bereich <strong>de</strong>r Fall ist. Über<br />
die Mittelausstattung gibt es zwischen<br />
freien Schulen und <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn unterschiedliche<br />
Auffassungen.<br />
29 Prozent <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r kommen aus problematischen<br />
Elternhäusern. Ist die<br />
Schule <strong>de</strong>shalb nicht schon längst <strong>de</strong> facto<br />
<strong>de</strong>r Sozialarbeiter <strong>de</strong>r Gesellschaft und<br />
muss Aufgaben übernehmen, für die sie<br />
eigentlich nicht vorgesehen ist?<br />
Auch wenn sich die Situation in <strong>de</strong>n vergangenen<br />
Jahren etwas entspannt hat, ist<br />
es richtig, dass sehr viele Kin<strong>de</strong>r aus Elternhäusern<br />
kommen, die entwe<strong>de</strong>r bildungsfern<br />
sind o<strong>de</strong>r sich in einer sozialen<br />
o<strong>de</strong>r finanziellen Notlage befin<strong>de</strong>n. Es ist<br />
eine schwierige Aufgabe <strong>de</strong>s Schulwesens,<br />
die Startnachteile von Schülern auszugleichen.<br />
Das geschieht zum Beispiel über die<br />
Ganztagsschulen und flankieren<strong>de</strong> sozialpädagogische<br />
Maßnahmen. Es ist aber<br />
wichtig, dass die Schule diese Aufgabe<br />
übernimmt, <strong>de</strong>nn es ist ein zentrales Anliegen<br />
<strong>de</strong>s Bildungswesens zu garantieren,<br />
dass Schüler zu einem Abschluss<br />
kommen und in <strong>de</strong>n Arbeitsmarkt integriert<br />
wer<strong>de</strong>n können. Die Schule hatte<br />
schon immer Bildungs- und Erziehungsaufgaben<br />
zu übernehmen. Durch die Ausweitung<br />
<strong>de</strong>r Betreuungszeiten durch die<br />
Ganztagsschule und an<strong>de</strong>re unterrichtser-<br />
Das ewige Experimentierfeld<br />
gänzen<strong>de</strong> Maßnahmen nimmt die Be<strong>de</strong>utung<br />
<strong>de</strong>r Erziehungsaufgaben zu, ohne die<br />
Aufgaben <strong>de</strong>r Sozialarbeit übernehmen zu<br />
können.<br />
Ich möchte aber auch erwähnen, dass viele<br />
Migranten, die in etwa die Hälfte dieser<br />
Problemgruppe ausmachen, eine hohe Integrationsbereitschaft<br />
aufweisen und gera<strong>de</strong><br />
sie bestrebt sind, über die Bildung ihrer<br />
Kin<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Benachteiligung herauszukommen.<br />
Wachsen<strong>de</strong> Anfor<strong>de</strong>rungen an die Schule<br />
wirken sich auch auf die Lehrer aus. Von<br />
<strong>de</strong>nen sind aber die Hälfte über 50 Jahre<br />
alt. Droht uns ein Lehrernotstand?<br />
Pauschal kann man das sicher nicht sagen,<br />
aber es gibt Entwicklungen, auf die sich<br />
die Schulverwaltungen einstellen müssen.<br />
Aufgrund <strong>de</strong>r Altersstruktur <strong>de</strong>r Lehrerschaft<br />
besteht ein erhöhter Ersatzbedarf an<br />
Lehrkräften. Ich erwarte einen Mangel in<br />
einzelnen Fächern wie etwa in <strong>de</strong>n Naturwissenschaften,<br />
Kunst, Musik o<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n<br />
beruflichen Schulen, aber keinen generellen<br />
Lehrermangel. Allerdings ist eine verstärkte<br />
Ten<strong>de</strong>nz zur Feminisierung <strong>de</strong>s<br />
Lehrerberufs längst nicht mehr nur an <strong>de</strong>n<br />
Grundschulen zu erkennen. Wir müssen<br />
uns als Gesellschaft überlegen, ob das hinnehmbar<br />
ist o<strong>de</strong>r ob nicht gezielt versucht<br />
wer<strong>de</strong>n soll, mehr Männer für <strong>de</strong>n Lehrerberuf<br />
zu begeistern.<br />
Wie kann das gelingen?<br />
Eine Möglichkeit ist zum Beispiel, <strong>de</strong>n<br />
Quereinstieg in <strong>de</strong>n Lehrerberuf zu erleichtern.<br />
Die Lehrerausbildung setzt noch<br />
zu stark auf die klassische Lehrerausbildung<br />
im Anschluss an die Schulzeit an <strong>de</strong>r<br />
Universität. Seiteneinsteigerprogramme<br />
könnten als Qualifizierungsprogramme<br />
ausgebaut wer<strong>de</strong>n, um brachliegen<strong>de</strong> Potenziale<br />
zu erschließen, um „Spätberufene“<br />
als Lehrer zu qualifizieren.<br />
(Fortsetzung nächste Seite)<br />
ACADEMIA 5/2012 23
Das ewige Experimentierfeld<br />
Nach <strong>de</strong>r Schule ist ja nicht alles vorbei<br />
in Sachen Bildung. Lebenslanges Lernen<br />
ist ein beliebtes Schlagwort – fin<strong>de</strong>t sich<br />
das neben Sonntagsre<strong>de</strong>n auch in <strong>de</strong>r realen<br />
Arbeitswelt wie<strong>de</strong>r?<br />
Lei<strong>de</strong>r nur bedingt. Trotz <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mographischen<br />
Entwicklung und <strong>de</strong>r Dynamik <strong>de</strong>s<br />
Arbeitsmarktes beobachten wir eine Stagnation<br />
auf <strong>de</strong>m Feld <strong>de</strong>r beruflichen<br />
Weiterbildung. Das ist eine fatale Entwicklung,<br />
wenn das Ziel erreicht wer<strong>de</strong>n<br />
soll, in <strong>de</strong>n Betrieben gut qualifizierte Arbeitskräfte<br />
bis zum Rentenbeginn zu beschäftigen.<br />
Der Nachqualifizierungsbedarf<br />
ist groß: Die Anzahl <strong>de</strong>r Erwachsenen<br />
ohne abgeschlossene Berufsausbildung ist<br />
weit höher als die Zahl <strong>de</strong>r Anlernjobs.<br />
Hier besteht ein großer Bedarf, Berufsabschlüsse<br />
nachzuholen. Wir haben in<br />
Deutschland aber auch eine doppelt so hohe<br />
Quote von Abiturienten wie von Hochschulabsolventen.<br />
Das heißt, es gibt ein<br />
großes Potenzial von Beschäftigten für eine<br />
aka<strong>de</strong>mische Nachqualifizierung, aber<br />
die Strukturen, es zu nutzen, fehlen.<br />
Woran liegt das?<br />
Die Universitäten haben wegen <strong>de</strong>r Überlast<br />
in <strong>de</strong>n klassischen Studiengängen zurzeit<br />
kein beson<strong>de</strong>res Interesse, sich in <strong>de</strong>r<br />
aka<strong>de</strong>mischen Weiterbildung und Teilzeitstudiengängen<br />
stärker zu engagieren.<br />
Muss die <strong>de</strong>nn an <strong>de</strong>r Universität stattfin<strong>de</strong>n?<br />
Ich bin schon <strong>de</strong>r Meinung, dass Bildungsabschlüsse<br />
im Prinzip von öffentlichen<br />
24 5/2012 ACADEMIA<br />
Bildungseinrichtungen angeboten wer<strong>de</strong>n<br />
sollten. Aber die aktuelle Lage führt auch<br />
hier zu einer starken Privatisierungsten<strong>de</strong>nz,<br />
zum Beispiel in Form privater Fachhochschulen<br />
mit dualen Studiengängen.<br />
Trotz<strong>de</strong>m sehe ich die öffentlichen Hochschulen<br />
wegen <strong>de</strong>r gesellschaftlichen Be<strong>de</strong>utung<br />
<strong>de</strong>r Aufgabe hier in <strong>de</strong>r Pflicht.<br />
For<strong>de</strong>rungen und Empfehlungen wie diese<br />
erheben Sie jetzt als Wissenschaftler.<br />
Umgesetzt wer<strong>de</strong>n müssen sie aber von <strong>de</strong>r<br />
Politik. Wie beurteilen Sie die Rolle <strong>de</strong>r<br />
Bildungsforschung im Gesamtprozess?<br />
In <strong>de</strong>n vergangenen zehn Jahren ist eine<br />
Wen<strong>de</strong> zu einer evi<strong>de</strong>nzbasierten Bildungspolitik<br />
erkennbar, die sich u.a. an <strong>de</strong>r<br />
Teilnahme an <strong>de</strong>n PISA-Studien zeigt.<br />
Durch die wissenschaftliche Dauerbeobachtung<br />
<strong>de</strong>s Bildungssystems erhalten die<br />
Politiker eine verbesserte Datengrundlage<br />
für ihre Entscheidungen – und das wissen<br />
sie durchaus zu schätzen. Die Gesellschaft<br />
erhebt heute auch einen verstärkten Anspruch<br />
an die Politik, politische Entscheidungen<br />
nicht aus <strong>de</strong>m Bauch heraus zu<br />
treffen, son<strong>de</strong>rn auf einer soli<strong>de</strong>n wissenschaftlichen<br />
Basis. In diesem Sinn sind<br />
Instrumente wie <strong>de</strong>r Bildungsbericht Formate<br />
wissenschaftlicher Politikberatung,<br />
aufbereitete Analysen als Handlungs- und<br />
Entscheidungsgrundlage. Sie sollen die<br />
Politik nicht gängeln, son<strong>de</strong>rn unterstützen.<br />
Die Politik braucht solche Grundlagen<br />
für ihre Entscheidungen, aber keine<br />
direkten Handlungsempfehlungen. Die<br />
Verantwortung für politische Entscheidungen<br />
soll und muss bei <strong>de</strong>n legitimierten<br />
Volksvertretern bleiben.<br />
Der Interviewpartner: Prof. Dr. Horst Weishaupt (Jahrgang 1947)<br />
legte nach <strong>de</strong>m Besuch <strong>de</strong>r Realschule 1967 am Pädagogischen Fachinstitut<br />
in Jugenheim/Bergstraße die „Erste Prüfung zum Erwerb <strong>de</strong>r Lehrbefähigung<br />
in musisch-technischen Fächern an öffentlichen Schulen“ mit <strong>de</strong>n Unterrichtsfächern<br />
Musik und Kunsterziehung ab. Nach einer Tätigkeit als Lehrer an einer<br />
Grund-, Haupt- und Realschule in Darmstadt folgte von 1968 bis 1973<br />
das Studium <strong>de</strong>r Pädagogik an <strong>de</strong>r Johann-Wolfgang-Goethe Universität in Frankfurt am Main mit<br />
<strong>de</strong>n Nebenfächern Psychologie, Soziologie, Musikwissenschaft und Evangelische Theologie. Von<br />
1974 bis 1992 war Weishaupt wissenschaftlicher Mitarbeiter in <strong>de</strong>r Abteilung Ökonomie <strong>de</strong>s Deutschen<br />
Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt am Main. In dieser Zeit<br />
schloss er auch seine Promotion in Erziehungswissenschaft ab. Von 1992 bis 2004 hatte er eine<br />
Professur für „Empirische Bildungsforschung“ an <strong>de</strong>r Pädagogischen Hochschule Erfurt/Mühlhausen<br />
(ab 2001 Universität Erfurt) inne, anschließend war er bis 2008 Professor für Empirische Bildungsforschung<br />
an <strong>de</strong>r Bergischen Universität Wuppertal. Seit 1. April 2008 leitet Weishaupt die Arbeitseinheit<br />
„Steuerung und Finanzierung“ am DIPF, einem Institut <strong>de</strong>r Leibniz-Gemeinschaft. Weishaupt<br />
ist verheiratet und Vater dreier erwachsener Kin<strong>de</strong>r.<br />
Foto: KNA<br />
Ohne For<strong>de</strong>rung keine<br />
För<strong>de</strong>rung – eine in<br />
vielerlei Hinsicht<br />
wahre pädagogische<br />
Aussage. Dabei<br />
hilft sportliche<br />
For<strong>de</strong>rung (im Bild),<br />
die For<strong>de</strong>rung nach<br />
ganzheitlicher –<br />
geistiger und körperlicher<br />
– Erziehung<br />
zu verwirklichen.
Freiheit,<br />
Das ewige Experimentierfeld<br />
Erziehungsgemeinschaft,<br />
Begegnung mit Gott<br />
Katholische Schulen und ihr Engagement<br />
für junge Menschen<br />
Mehr als 370.000 Schülerinnen und<br />
Schüler besuchen eine <strong>de</strong>r gut 900<br />
allgemeinbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n und berufsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Katholischen Schulen in freier<br />
Trägerschaft in Deutschland. Die Katholischen<br />
Schulen bil<strong>de</strong>n damit das größte<br />
Segment unter <strong>de</strong>n freien Schulträgern.<br />
Für die über 300 verschie<strong>de</strong>nen kirchlichen<br />
Institutionen – darunter Diözesen<br />
und diözesane Schulstiftungen beziehungsweise<br />
Schulwerke ebenso wie Or<strong>de</strong>n,<br />
Pfarrgemein<strong>de</strong>n, Verbän<strong>de</strong> und Vereine<br />
–, die sich in <strong>de</strong>r Trägerschaft von<br />
Schulen engagieren, ist damit ein hoher<br />
Aufwand verbun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r viele Ressourcen<br />
nicht zuletzt auch finanzieller Art bin<strong>de</strong>t.<br />
Es han<strong>de</strong>lt sich dabei um ein Engagement,<br />
das sich in vielerlei Hinsicht lohnt und genau<br />
an <strong>de</strong>r richtigen Stelle platziert ist.<br />
Aus gesellschaftspolitischer Perspektive<br />
ist die Privatschulfreiheit ein hohes Gut in<br />
unserem freiheitlichen und <strong>de</strong>mokratischen<br />
Staat. Sie ermöglicht die freie Wahl<br />
von Bildungseinrichtungen und verhin<strong>de</strong>rt<br />
ein staatliches Erziehungsmonopol. Für<br />
die Kirche ist es selbstverständlich, sich<br />
dabei mit eigenen Angeboten als freier<br />
Träger einzubringen, kann sie doch im Bereich<br />
<strong>de</strong>r Bildung auf eine zweitausendjährige<br />
Tradition zurückblicken und hat sie<br />
doch bereits jahrhun<strong>de</strong>rtelang Erfahrun-<br />
von Cbr Erzbischof<br />
Hans-Josef Becker (G-S)<br />
gen mit eigenen Schulen gesammelt, noch<br />
bevor <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rne Staat die allgemeine<br />
Schulpflicht einführte und sich selbst in<br />
die Verantwortung für das Schulwesen<br />
nahm.<br />
Fragt man aus einer eher innerkirchlichstrategischen<br />
Perspektive nach Möglichkeiten<br />
<strong>de</strong>r Präsenz <strong>de</strong>r Kirche in <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />
<strong>de</strong>s 21. Jahrhun<strong>de</strong>rts, dann wird<br />
ebenfalls sehr schnell <strong>de</strong>utlich, dass <strong>de</strong>r<br />
Wert <strong>de</strong>r Katholischen Schulen und die mit<br />
ihnen verbun<strong>de</strong>nen Chancen gar nicht<br />
hoch genug eingeschätzt wer<strong>de</strong>n können.<br />
Unsere Schulen erfreuen sich einer hohen<br />
gesellschaftlichen Akzeptanz, und wir stehen<br />
in <strong>de</strong>n Schulen in intensivem Kontakt<br />
mit einer beachtlichen Zahl junger Menschen.<br />
So bieten unsere Schulen nicht nur<br />
<strong>de</strong>n Schülerinnen und Schülern wie auch<br />
<strong>de</strong>n Eltern die Möglichkeit, Kirche zu erfahren<br />
und mit ihr in Kontakt zu stehen,<br />
son<strong>de</strong>rn sie ermöglichen es auch <strong>de</strong>r Kirche,<br />
durch die Bildung und Erziehung junger<br />
Menschen die zukünftige Entwicklung<br />
<strong>de</strong>r Gesellschaft mitzugestalten.<br />
Das stärkste Argument für das Engagement<br />
<strong>de</strong>r Kirche in <strong>de</strong>r Trägerschaft eigener<br />
Schulen besteht für mich allerdings in<br />
<strong>de</strong>m Dienst an <strong>de</strong>n Schülerinnen und<br />
Schülern und ihren Eltern, <strong>de</strong>n die Kirche<br />
ACADEMIA 5/2012 25
Das ewige Experimentierfeld<br />
durch ihr spezifisch christlich geprägtes<br />
Bildungsangebot leistet. Katholische Schulen<br />
zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Erziehungs-<br />
und Bildungskonzept im christlichen<br />
Verständnis vom Menschen und von<br />
<strong>de</strong>r Welt sowie im Glauben <strong>de</strong>r Kirche<br />
grundgelegt ist. Damit setzen Katholische<br />
Schulen auch bildungspolitische Akzente,<br />
die eine Wirkung über <strong>de</strong>n engen Rahmen<br />
Katholischer Schulen hinaus in die Gesamtgesellschaft<br />
hinein entfalten. Worin das be -<br />
son<strong>de</strong>re pädagogische Profil Katholischer<br />
Schulen besteht, kann ich hier nicht in einem<br />
umfassen<strong>de</strong>n Sinn ausführen. Wir haben<br />
dazu als Deutsche Bischofskonferenz<br />
mit <strong>de</strong>m Dokument „Qualitätskriterien für<br />
Katholische Schulen. Ein Orientierungsrahmen“<br />
im Jahr 2009 ausführlich Stellung<br />
genommen. Ich möchte nur auf drei Akzente<br />
hinweisen, die Katholische Schulen<br />
setzen und die mir in <strong>de</strong>n gegenwärtigen<br />
bildungspolitischen Diskussionen eine beson<strong>de</strong>rs<br />
hohe Relevanz zu haben scheinen.<br />
Einen ersten Akzent setzen Katholische<br />
Schulen auf <strong>de</strong>r personalen Freiheit <strong>de</strong>s<br />
Menschen, die mit <strong>de</strong>ssen aus seiner Gott -<br />
ebenbildlichkeit hergeleiteten Wür<strong>de</strong> begrün<strong>de</strong>t<br />
wird. Damit beziehen Katholische<br />
Schulen eine <strong>de</strong>utliche Gegenposition zu<br />
Ten<strong>de</strong>nzen einer funktionalistischen und<br />
ökonomistischen Verzweckung <strong>de</strong>s Menschen.<br />
Nebenbei bemerkt bil<strong>de</strong>t die durch<br />
die UN-Konvention über die Rechte von<br />
Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen angestoßene<br />
bildungspolitische Debatte um Inklusion<br />
hier eine erfreuliche Ausnahme. Der<br />
Leitgedanke <strong>de</strong>r Inklusion setzt beim<br />
Menschen selbst und <strong>de</strong>r ihm eigenen<br />
Wür<strong>de</strong> und eben nicht bei seinem ökonomischen<br />
Zweck und seiner gesellschaft-<br />
26 5/2012 ACADEMIA<br />
Cbr Erzbischof Hans-Josef Becker aus<br />
Pa<strong>de</strong>rborn auf Besuch in einer Grundschule.<br />
Er selbst wirkte einst als Lehrer. 1972 legte er<br />
die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt ab.<br />
lichen Funktionalität an. Wir haben uns als<br />
Kommission für Erziehung und Schule <strong>de</strong>r<br />
Deutschen Bischofskonferenz das Thema<br />
Inklusion daher auch gerne zu eigen gemacht<br />
und uns im Mai dieses Jahres mit<br />
einer entsprechen<strong>de</strong>n Empfehlung an alle<br />
Träger Katholischer Schulen gewandt.<br />
Bei aller Einigkeit über <strong>de</strong>n hohen Stellenwert<br />
von Bildung im Allgemeinen erleben<br />
wir gegenwärtig immer wie<strong>de</strong>r eine Engführung<br />
<strong>de</strong>s Bildungsbegriffs im Sinne einer<br />
Gleichsetzung von Bildung mit <strong>de</strong>m<br />
Erwerb sprachlicher, mathematischer und<br />
naturwissenschaftlicher Kompetenzen.<br />
Nicht selten wird Bildung dabei auch reduziert<br />
auf eine Dienstmagd zur Verfolgung<br />
rein wirtschaftlicher Interessen. Der<br />
Arbeit Katholischer Schulen liegt dagegen<br />
die Grundüberzeugung zugrun<strong>de</strong>, dass eine<br />
<strong>de</strong>m Menschen als Ganzem gerecht wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Bildung wesentlich weiter zu fassen<br />
ist. Bildung in unserem Verständnis zielt<br />
auf die Entwicklung und Entfaltung <strong>de</strong>s<br />
von Gott um seiner selbst Willen geschaffenen<br />
Menschen in seinen persönlichen<br />
Anlagen. Die Ansammlung von Wissen<br />
und Fertigkeiten allein befähigt <strong>de</strong>n Menschen<br />
noch nicht, seinem Wesen und seiner<br />
Wür<strong>de</strong> entsprechend frei zu han<strong>de</strong>ln.<br />
Der Autor: Cbr Hans-Josef Becker (G-S), Erzbischof von Pa<strong>de</strong>rborn,<br />
Lehramtsstudium für Grund- und Hauptschulen, 1972 zweite Staatsprüfung<br />
für das Lehramt, 2000 Bischofsweihe, 2003 Ernennung zum Erzbischof.<br />
Er ist Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kommission VII (Erziehung und Schule) <strong>de</strong>r Deutschen<br />
Bischofskonferenz (DBK) und Mitglied in <strong>de</strong>r Gemeinsamen Konferenz von<br />
DBK und Zentralkomitee <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Katholiken.<br />
Erst das Nach<strong>de</strong>nken, die eigene wertegebun<strong>de</strong>ne<br />
Reflexion über Wissensbestän<strong>de</strong><br />
ermöglicht es, eigene authentische Standpunkte<br />
und Haltungen zu entwickeln. Katholische<br />
Schulen legen <strong>de</strong>shalb großen<br />
Wert darauf, ihre Schülerinnen und Schüler<br />
zu solchem Reflektieren, Hinterfragen<br />
und Bewerten anzuregen.<br />
Ein zweiter Akzent Katholischer Schulen,<br />
<strong>de</strong>n ich gegenwärtig für außeror<strong>de</strong>ntlich<br />
brisant halte, besteht in <strong>de</strong>r grundlegend<br />
positiven Wertschätzung <strong>de</strong>r Eltern und ihrer<br />
Aufgabe im Rahmen <strong>de</strong>s Bildungs- und<br />
Erziehungsprozesses. Ich nehme mit Sorge<br />
wahr, dass die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Eltern für<br />
die Bildung ihrer Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeit vielfach<br />
mit pessimistischen Assoziationen verbun<strong>de</strong>n<br />
wird. So gilt es in <strong>de</strong>r an sich wichtigen<br />
und sehr zu unterstützen<strong>de</strong>n Debatte<br />
um mehr Chancengerechtigkeit im Bildungswesen<br />
inzwischen als weit ver -<br />
breiteter und nicht mehr hinterfragter<br />
Grundkonsens, dass <strong>de</strong>r Einfluss <strong>de</strong>s Elternhauses<br />
auf <strong>de</strong>n Bildungserfolg junger<br />
Menschen soziale Ungleichheit verstärke<br />
und daher ein Übel sei. Daraus wer<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne<br />
Konsequenzen abgeleitet, die<br />
darauf zielen, <strong>de</strong>n Einfluss <strong>de</strong>r Eltern auf<br />
die Erziehung und Bildung ihrer Kin<strong>de</strong>r<br />
zu reduzieren. Konkret wer<strong>de</strong>n solche<br />
Konsequenzen etwa in <strong>de</strong>r Ganztagsschul<strong>de</strong>batte<br />
<strong>de</strong>utlich und – viel gravieren<strong>de</strong>r<br />
noch – in <strong>de</strong>r Debatte um die null- bis<br />
zweijährigen Kin<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>ren Betreuung und<br />
Erziehung durch die Eltern von nicht wenigen<br />
ernst zu nehmen<strong>de</strong>n Politikern und<br />
Wissenschaftlern als ein „Fernhalten von<br />
Bildung“ etikettiert und ein<strong>de</strong>utig negativ<br />
bewertet wird.<br />
Foto: KNA
Zum Selbstverständnis Katholischer<br />
Schulen gehört <strong>de</strong>mgegenüber das Leitbild<br />
<strong>de</strong>r Erziehungsgemeinschaft mit <strong>de</strong>n<br />
Eltern. Dabei versteht die Schule ihre Arbeit<br />
in <strong>de</strong>r Erziehung und Bildung <strong>de</strong>r<br />
Schülerinnen und Schüler als subsidiären<br />
Dienst im Verhältnis zum primären Erziehungsauftrag<br />
<strong>de</strong>r Eltern. Die Perspektive<br />
ist somit eine an<strong>de</strong>re. Bekanntlich gibt es<br />
eine lange Tradition katholischer Internate,<br />
und nicht wenige Katholische Schulen<br />
arbeiten – mitunter seit vielen Jahrzehnten<br />
– mit hervorragen<strong>de</strong>n Ganztagsangeboten.<br />
Nicht zuletzt engagieren sich auch viele<br />
unserer Katholischen Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen<br />
im Bereich <strong>de</strong>r Betreuung <strong>de</strong>r Unter-Dreijährigen.<br />
Immer verstehen sich unsere<br />
Bildungseinrichtungen dabei aber in<br />
einer Unterstützungs- und Ergänzungsfunktion<br />
gegenüber <strong>de</strong>n Eltern. Unsere<br />
Gesellschaft begibt sich auf <strong>de</strong>n Holzweg,<br />
wenn sie familiäre und institutionelle Erziehung<br />
und Bildung gegeneinan<strong>de</strong>r ausspielt<br />
und wenn sie dabei <strong>de</strong>r Institution<br />
grundsätzlich <strong>de</strong>n Vorzug vor <strong>de</strong>r als <strong>de</strong>fizitär<br />
charakterisierten Familie gibt.<br />
Schließlich möchte ich auf einen dritten<br />
Akzent Katholischer Schulen hinweisen,<br />
<strong>de</strong>r wegen seiner zentralen Be<strong>de</strong>utung an<br />
sich vor allem An<strong>de</strong>ren hätte genannt<br />
wer<strong>de</strong>n müssen, nämlich die konsequente<br />
Einbeziehung <strong>de</strong>r religiösen<br />
Dimension <strong>de</strong>s Menschen in das gesamte<br />
Erziehungs- und Bildungskonzept.<br />
Mit dieser eigentlichen differentia<br />
specifica kirchlicher Schulen hängt auch<br />
eine große Herausfor<strong>de</strong>rung zusammen,<br />
die sich uns Bischöfen und Schulträgern<br />
für die Zukunft stellt. Weil unser gesellschaftliches<br />
Umfeld zunehmend säkularer<br />
wird, kommen an unsere Schulen auch vermehrt<br />
Lehrerinnen und Lehrer, die über<br />
keine ausgeprägte kirchliche Sozialisation<br />
verfügen und wenig religiös-theologisches<br />
Vorwissen mitbringen. Deshalb wer<strong>de</strong>n<br />
wir künftig viel stärker als in <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />
Angebote zur religiös-theologischen<br />
Fortbildung und auch zur spirituellen<br />
Begleitung unserer Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter schaffen.<br />
Während staatliche<br />
Schulen zu weltanschaulicherNeutralität<br />
verpflichtet sind,<br />
ist es <strong>de</strong>r Anspruch<br />
Katholischer Schulen,<br />
nicht nur im Religionsunter<br />
richt,<br />
son<strong>de</strong>rn im Unterricht<br />
aller Fächer und im<br />
gesamten Schulleben die<br />
Frage nach Gott wach zu<br />
halten, Gelegenheiten<br />
zur Begegnung mit<br />
Gott zu schaffen<br />
und ein Leben in<br />
Beziehung<br />
mit Gott<br />
zu för<strong>de</strong>rn.<br />
Foto: KNA<br />
D a s<br />
heißt nicht,<br />
dass nur katholische<br />
Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche<br />
eine Katholische Schule besuchen<br />
können. Son<strong>de</strong>rn es geht zunächst um eine<br />
För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Offenheit <strong>de</strong>r Schülerinnen<br />
und Schüler für <strong>de</strong>n religiösen Sinn ihres<br />
Lebens – ausdrücklich im Respekt gegenüber<br />
Angehörigen an<strong>de</strong>rer Konfessionen<br />
und Religionen. Gleichzeitig wollen unsere<br />
Schulen ihren katholischen Schülerinnen<br />
und Schülern helfen, ihren eigenen<br />
Das ewige Experimentierfeld<br />
Wilhelm von Humboldt (1767-1835): Sein<br />
Einfluss auf die Entwicklung <strong>de</strong>r Schule im<br />
19. Jahrhun<strong>de</strong>rt war erheblich. Er vertrat einen<br />
ganzheitlichen Bildungsansatz, <strong>de</strong>r allerdings –<br />
nicht zuletzt zur Stärkung Preußens nach <strong>de</strong>r<br />
Nie<strong>de</strong>rlage gegen Napoleon – auch <strong>de</strong>utlich<br />
zweckorientiert war.<br />
Glauben besser zu verstehen und ihr<br />
Christsein zur Entfaltung zu bringen. Gera<strong>de</strong><br />
in diesem Bereich einer ganzheitlichen,<br />
die religiöse Dimension <strong>de</strong>s Menschen<br />
ausdrücklich mit einbeziehen<strong>de</strong>n<br />
Bildung leisten die Katholischen Schulen<br />
einen einzigartigen Dienst, <strong>de</strong>r an Schulen<br />
staatlicher o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rer Träger nicht <strong>de</strong>legierbar<br />
wäre.<br />
ACADEMIA 5/2012 27
Das ewige Experimentierfeld<br />
Das neue Jahrtausend begann für die<br />
<strong>de</strong>utsche Bildungspolitik mit einem<br />
Paukenschlag. Hatte man sich bislang<br />
nach außen mit einiger Selbstgefälligkeit<br />
als das Land nicht nur <strong>de</strong>r Dichter und<br />
Denker, son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r Musterpädagogen<br />
präsentiert, so för<strong>de</strong>rte die PISA-Studie<br />
die ernüchtern<strong>de</strong> Erkenntnis zutage,<br />
dass sich die <strong>de</strong>utschen Schüler nur im<br />
Mittelfeld bewegten, wogegen Finnland<br />
und Japan in <strong>de</strong>n drei evaluierten Kompetenzfel<strong>de</strong>rn,<br />
Mathematik, Lesefähigkeit<br />
und Naturwissenschaften, die vor<strong>de</strong>rsten<br />
Plätze belegten. Zwar mün<strong>de</strong>te die Diskussion<br />
über das mäßige Abschnei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Schüler bald wie<strong>de</strong>r in die altbekannten<br />
Debatten über die Überlegenheit<br />
<strong>de</strong>r Gesamtschule, wie sie etwa bei <strong>de</strong>n<br />
finnischen PISA-Siegern dominiert, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />
traditionellen dreigliedrigen Schulsystems,<br />
auf das Bayern, das im bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Vergleich<br />
führen<strong>de</strong> Bun<strong>de</strong>sland, seinen Erfolg<br />
zurückführt, aber unabhängig davon setzten<br />
sich die Kultusminister <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r das Ziel,<br />
Deutschland in die PISA-Spitzengruppe zu<br />
führen. Eine sichtbare Konsequenz dieser<br />
Politik war die Definition von Bildungsstandards<br />
für die Unter- und Mittelstufe,<br />
die bun<strong>de</strong>sweite Geltung haben sollten.<br />
Blickt man zwölf Jahre nach <strong>de</strong>r ersten PI-<br />
SA-Studie auf die seither erfolgten Verbesserungen,<br />
dann sind diese nur auf <strong>de</strong>m<br />
Gebiet <strong>de</strong>r Mathematik und <strong>de</strong>r Naturwis-<br />
28 5/2012 ACADEMIA<br />
senschaften, wo sich Deutschland um zehn<br />
bzw. elf Rangplätze verbessern konnte, zu<br />
beobachten. Wesentlich geringer fällt <strong>de</strong>r<br />
Fortschritt im Bereich <strong>de</strong>r Lesefähigkeit,<br />
wo man unter 65 Teilnehmern gera<strong>de</strong> mal<br />
vom 21. auf <strong>de</strong>n 16. Rang kletterte, aus.<br />
Auch wenn man über die methodischen<br />
Unzulänglichkeiten <strong>de</strong>r PISA-Tests lange<br />
streiten kann, trifft sich dieses Ergebnis<br />
mit <strong>de</strong>n Beobachtungen vieler Lehrer. Gespannt<br />
wird man sein, wie Deutschland bei<br />
künftigen Leistungsvergleichen mit sei-<br />
nem Bildungssystem abschnei<strong>de</strong>n wird,<br />
<strong>de</strong>nn inzwischen wur<strong>de</strong> die gymnasiale<br />
Schulzeit in <strong>de</strong>n meisten Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn<br />
um ein Jahr verkürzt. Der Grund dafür<br />
liegt sicher nicht darin, dass man angesichts<br />
eines wenig effizienten Schulsystems<br />
meinte, <strong>de</strong>n Gymnasiasten ein weiteres<br />
Schuljahr guten Gewissens ersparen zu<br />
können. Vielmehr ist die Verkürzung ebenso<br />
wie <strong>de</strong>r Wegfall <strong>de</strong>r Wehrpflicht und die<br />
Einführung <strong>de</strong>s dreijährigen BA-Studiums<br />
eine Folge <strong>de</strong>s <strong>de</strong>mographischen Wan<strong>de</strong>ls,<br />
<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r einen Seite einen früheren Berufseintritt,<br />
auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren eine längere<br />
Lebensarbeitszeit erfor<strong>de</strong>rt. In <strong>de</strong>r Politik<br />
wird fast einhellig die Überzeugung vertreten,<br />
eine Gesellschaft könne es sich<br />
nicht leisten, ihre Elite erst nach 13 Schuljahren,<br />
neun Monaten Wehrpflicht und einem<br />
neun- bis zwölfsemestrigen Studium<br />
im Alter von 25 Jahren in die Berufstätigkeit<br />
zu entlassen. Demgegenüber sollen<br />
nun die Gymnasiastengenerationen mit 17<br />
zum Abitur und mit 20/21 Jahren zum ersten<br />
Studienabschluss geführt wer<strong>de</strong>n. Nur <strong>de</strong>n<br />
besten BA-Absolventen steht noch ein<br />
zweijähriges Master-Studium offen.<br />
So attraktiv eine solche Vorstellung für <strong>de</strong>n<br />
auf möglichst viele Steuerzahler angewiesenen<br />
Staat und die Rentenversicherungsträger<br />
auch sein mag – die künftigen<br />
Berufsanfänger wer<strong>de</strong>n nur dann <strong>de</strong>n<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen in immer anspruchsvolle-<br />
Mit <strong>de</strong>r Bildungsreform in <strong>de</strong>n<br />
Zur „Hochschulreife“ von Schulabsolventen von Prof. Dr. Gerhard Wolf<br />
Der Autor: Prof. Dr. Gerhard Wolf ist Germanistikprofessor an <strong>de</strong>r Universität<br />
Bayreuth. Er war von 2008 bis 2012 <strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Philosophischen<br />
Fakultätentages, <strong>de</strong>r fächerübergreifen<strong>de</strong>n hochschulpolitischen<br />
Vertretung <strong>de</strong>r Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften an 62 <strong>de</strong>utschen<br />
Universitäten.<br />
ren Berufsfel<strong>de</strong>rn gerecht, wenn sie zuvor<br />
in Schule und Universität eine Ausbildung<br />
erhalten haben, die sie genau für dieses<br />
Berufsleben befähigt. Zwar soll gar nicht in<br />
Abre<strong>de</strong> gestellt wer<strong>de</strong>n, dass etwa ein Fünftel<br />
<strong>de</strong>r Gymnasiasten nur acht Jahre für die<br />
Erlangung <strong>de</strong>r Studierfähigkeit benötigt,<br />
aber es zeichnet sich nach <strong>de</strong>n ersten Erfahrungen<br />
mit <strong>de</strong>n neuen G8-Abiturienten<br />
bereits ab, dass das 13. Schuljahr doch<br />
nicht so verzichtbar war, wie von <strong>de</strong>r Bildungspolitik<br />
immer behauptet. Es ist noch<br />
völlig offen, wer die bei <strong>de</strong>n Abiturienten<br />
durch die Verkürzung <strong>de</strong>r Schulzeit entstan<strong>de</strong>nen<br />
Defizite kompensieren soll. Die<br />
Universitäten fühlen sich nicht zuständig,<br />
und als Konsequenz droht – wie in <strong>de</strong>n Naturwissenschaften<br />
jetzt schon zu beobachten<br />
ist – eine allgemeine Zunahme <strong>de</strong>r<br />
Zahl <strong>de</strong>r Studienabbrecher. Auch ist das<br />
Lehrpersonal an <strong>de</strong>n Universitäten in <strong>de</strong>r<br />
Regel nicht auf 17jährige Studieren<strong>de</strong> eingestellt,<br />
die aus einem Schulsystem kommen,<br />
das, ihnen Schwierigkeiten meistens<br />
aus <strong>de</strong>m Weg räumend, ihre Selbstverantwortung<br />
wenig, ihre Infantilisierung umso<br />
mehr begünstigte. Ob die Universitäten<br />
künftig mehr Wert auf die Lehre legen, ist<br />
fraglich, <strong>de</strong>nn in Zeiten einer fortschreiten<strong>de</strong>n<br />
Ökonomisierung ist für sie die Investition<br />
in die Ein<strong>werbung</strong> von Drittmitteln<br />
das wesentlich lukrativere Geschäft.
Das Abitur: bis heute weithin die Eintrittskarte<br />
für die höhere Bildung. Insbeson<strong>de</strong>re die<br />
Wo chen vor und während <strong>de</strong>r Examina<br />
bleiben in Erinnerung, manchmal gibt es auch<br />
Kuriosa dabei (siehe im Bild unten).<br />
Bildungsnotstand?<br />
Man wird aus <strong>de</strong>r PISA-Studie, die ja die<br />
Altersstufe <strong>de</strong>r 15jährigen erfasste, nicht<br />
leichthin auf eine mangelhafte Studierfähigkeit<br />
<strong>de</strong>r Abiturienten schließen dürfen,<br />
aber die <strong>de</strong>utschen Bildungspolitiker<br />
scheinen diese Korrelation zu befürchten.<br />
Zumin<strong>de</strong>st erklärt sich so <strong>de</strong>r Beschluss<br />
<strong>de</strong>r Kultusministerkonferenz (KMK) aus<br />
<strong>de</strong>m Jahr 2007, neben <strong>de</strong>n existieren<strong>de</strong>n<br />
Bildungsstandards für <strong>de</strong>n Primarbereich<br />
auch bun<strong>de</strong>sweite Standards für die Allgemeine<br />
Hochschulreife in Deutsch, Mathematik,<br />
Englisch und Französisch erstellen<br />
zu lassen. In <strong>de</strong>r damit beauftragten Kommission<br />
sitzen neben Erziehungswissenschaftlern<br />
und Didaktikern auch Fachwissenschaftler,<br />
die jenes Bildungsniveau<br />
<strong>de</strong>finieren, das mit <strong>de</strong>m Abitur erreicht<br />
wer<strong>de</strong>n muss und das heute für die Aufnahme<br />
eines erfolgreichen BA-Studiums<br />
die Voraussetzung ist.<br />
Die Initiative <strong>de</strong>r KMK war im Dezember<br />
2011 für <strong>de</strong>n Philosophischen Fakultätentag<br />
(PhFT) <strong>de</strong>r Anlass, sich mit einer Umfrage<br />
an seine Delegierten zu wen<strong>de</strong>n. Im<br />
Einzelnen sollte die Studierfähigkeit <strong>de</strong>r<br />
Abiturienten eingeschätzt, bestehen<strong>de</strong> Defizite<br />
benannt sowie Vorschläge für geeignete<br />
Maßnahmen zur Verbesserung <strong>de</strong>r Situation<br />
gemacht wer<strong>de</strong>n. Die Ergebnisse<br />
lassen sich folgen<strong>de</strong>rmaßen zusammen-<br />
fassen: In erster Linie wur<strong>de</strong> ein <strong>de</strong>utlicher<br />
Rückgang in <strong>de</strong>r Sprach-, Lese- und<br />
Schreibkompetenz <strong>de</strong>r Abiturienten festgestellt,<br />
wobei <strong>de</strong>ren Schwächen im Bereich<br />
<strong>de</strong>r Rechtschreibung, Zeichensetzung<br />
und Grammatik zunähmen, die<br />
Deutlicher Rückgang<br />
<strong>de</strong>r Sprach-, Lese-<br />
und Schreibkompetenz<br />
<strong>de</strong>r Abiturienten<br />
sprachliche Varianz in Wortschatz, Grammatik<br />
und Stil hingegen abnähme. Die unmittelbare<br />
Folge davon sei eine allgemein<br />
zu beobachten<strong>de</strong> Schwierigkeit <strong>de</strong>r Studienanfänger,<br />
die argumentative Struktur<br />
längerer Texte zu erfassen sowie Probleme<br />
und Wi<strong>de</strong>rsprüche in ihnen zu erkennen.<br />
Daraus resultierten das wachsen<strong>de</strong> Unvermögen<br />
zur Abfassung eigener Stellungnahmen<br />
bzw. zur Unterscheidung zwischen<br />
begrün<strong>de</strong>ter Stellungnahme und<br />
beliebiger Meinungsäußerung. Nach Meinung<br />
<strong>de</strong>r Befragten brächten die Abiturienten<br />
auch immer weniger die Befähigung<br />
zum eigenständigen Arbeiten und<br />
Das ewige Experimentierfeld<br />
zum kritischen Argumentieren mit. Dies<br />
schlage sich vorrangig in schriftlichen Seminararbeiten<br />
nie<strong>de</strong>r, wo Studieren<strong>de</strong> oftmals<br />
über lange Passagen hinweg die Sekundärliteratur<br />
zwar korrekt zitierten,<br />
<strong>de</strong>ren Inhalte aber eher schlecht als recht<br />
mit eigenen Worten zusammenfassen<br />
o<strong>de</strong>r sich ar-<br />
gumentativ nur unzureichend<br />
damit auseinan<strong>de</strong>rsetzen<br />
könnten. Dies drücke sich<br />
schon optisch darin aus, dass<br />
längeren Textzitaten oft nur<br />
kurze eigenständige Kommentarpassagen<br />
folgten, in<br />
<strong>de</strong>nen bestenfalls eine emphatischeMeinungsäußerung,<br />
aber keine Argumente enthalten<br />
seien. In diesem Kontext ist auch die Beobachtung<br />
anzusie<strong>de</strong>ln, dass das kritische<br />
Bewusstsein im Umgang mit Internetquellen<br />
weitgehend fehlt. Komplementär dazu<br />
fin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>n Seminararbeiten die<br />
oberflächliche Übernahme von Fachjargons,<br />
<strong>de</strong>ren Be<strong>de</strong>utung nicht erkannt, geschweige<br />
<strong>de</strong>nn kritisch hinterfragt wird.<br />
Im Bereich von Grammatik und Syntax<br />
wer<strong>de</strong> mitunter die differenzielle Be<strong>de</strong>utung<br />
von Präpositionen und Konjunktionen<br />
nicht registriert, wobei es häufig zu missverständlichen<br />
Aussagen käme. Darauf ange-<br />
ACADEMIA 5/2012 29
Das ewige Experimentierfeld<br />
sprochen, fehle <strong>de</strong>n Studieren<strong>de</strong>n dann je<strong>de</strong>s<br />
Mängelbewusstsein. Offenbar sei heute<br />
nicht nur „<strong>de</strong>r Dativ <strong>de</strong>m Genitiv sein Tod“<br />
(Bastian Sick), son<strong>de</strong>rn selbst die Unterscheidung<br />
von Dativ und Akkusativ wer<strong>de</strong><br />
nicht mehr beherrscht. Auch die korrekte<br />
Verbkonjugation („er weißte“) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Unterschied zwischen Indikativ und Konjunktiv<br />
gehöre bei einigen Studieren<strong>de</strong>n nicht<br />
mehr zum Allgemeinwissen. Sofern sich bei<br />
<strong>de</strong>n schriftlichen Arbeiten die Studieren<strong>de</strong>n<br />
eines Rechtschreib-Korrekturprogrammes<br />
bedienten, hielten sich zwar die Orthographiefehler<br />
in Grenzen, aber Klausuren zeigten,<br />
wie wenig sattelfest hier viele sind.<br />
Bei <strong>de</strong>n meisten Studieren<strong>de</strong>n bestün<strong>de</strong><br />
zu<strong>de</strong>m eine grundsätzliche Unsicherheit<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>r korrekten Interpunktion.<br />
Beobachtet wur<strong>de</strong>n ferner eine mangeln<strong>de</strong><br />
Fähigkeit, in Vorlesungen das Gehörte<br />
sinnvoll mitzuschreiben bzw. Texte mit<br />
Verstand zu exzerpieren o<strong>de</strong>r sie zusammenzufassen.<br />
Es sei darüber hinaus<br />
Seminarerfahrung, dass trotz <strong>de</strong>r fundamentalen<br />
Erleichterung <strong>de</strong>r Literaturrecherche<br />
durch die elektronischen Medien<br />
die jeweiligen Texte we<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Bibliothek<br />
noch als Digitalisate gelesen wer<strong>de</strong>n.<br />
In das Bild einer gewissen stu<strong>de</strong>ntischen<br />
Unbedarftheit passt es, dass viele <strong>de</strong>r befragten<br />
Delegierten das mangelhafte Wissen<br />
auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Allgemeinbildung<br />
beklagen. Kritisiert wur<strong>de</strong>n etwa ungenügen<strong>de</strong><br />
Kenntnisse auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r allgemeinen<br />
Geschichte, <strong>de</strong>r Literatur- und<br />
Kunstgeschichte, <strong>de</strong>r Musik o<strong>de</strong>r auch <strong>de</strong>r<br />
Mathematik. Ein Grund dafür wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r<br />
heute gängigen Re<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r geringen<br />
„Halbwertzeit“ <strong>de</strong>s Wissens gesehen. Nun<br />
mag es zwar durchaus sein, dass in manchen<br />
Bereichen das Wissen schnell veraltet,<br />
aber dies trifft sicher nicht auf die Frage<br />
zu, in welchem Jahrhun<strong>de</strong>rt Goethe<br />
gelebt, <strong>de</strong>r Zweite Weltkrieg stattgefun<strong>de</strong>n<br />
hat o<strong>de</strong>r welche Be<strong>de</strong>utung Pfingsten hat.<br />
Wenn Studieren<strong>de</strong> meinen, sie müssten<br />
sich mit <strong>de</strong>rartigen Kenntnissen nicht das<br />
Gedächtnis belasten, weil eine Antwort<br />
mit einigen Klicks im Internet erreichbar<br />
sei, dann offenbaren sie nicht nur ein mangelhaftes<br />
Wissen über die Funktion <strong>de</strong>s<br />
Gedächtnisses, son<strong>de</strong>rn übersehen die soziale<br />
Be<strong>de</strong>utung eines fundierten Allgemeinwissens.<br />
Zwar wird man nicht <strong>de</strong>r zusammenhanglosen<br />
Faktenhuberei das<br />
Wort re<strong>de</strong>n wollen, aber die angeblich geringe<br />
Halbwertzeit <strong>de</strong>s Wissens entpuppt<br />
sich bei näherem Hinsehen als wohlfeile<br />
Ausre<strong>de</strong> für Desinteresse o<strong>de</strong>r Faulheit.<br />
Schließlich beklagen die befragten Kolleginnen<br />
und Kollegen eine geringere Leistungsbereitschaft<br />
und ein nachlassen<strong>de</strong>s<br />
Interesse <strong>de</strong>r Abiturienten an <strong>de</strong>n Fachge -<br />
genstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r von ihnen studierten Fächer.<br />
Viel wich -<br />
tiger sei es<br />
Immer weniger Befähigung<br />
zum kritischen Argumentieren<br />
30 5/2012 ACADEMIA<br />
ihnen, mit<br />
e i n e m<br />
Minimum<br />
a n A u f -<br />
wand ein<br />
Optimum bei <strong>de</strong>n Zensuren zu erreichen.<br />
Die Anfangssemester seien zu<strong>de</strong>m vom<br />
Gymnasium eine großzügige Benotung<br />
gewöhnt und hätten von dort <strong>de</strong>n Eindruck<br />
mitgenommen, Performanz sei wichtiger als<br />
Kompetenz. Diese Entwicklung könne<br />
man freilich <strong>de</strong>n Abiturienten – so betonten<br />
einige Kollegen – kaum anlasten, weil das<br />
Gymnasium letztlich nur ein Spiegelbild<br />
<strong>de</strong>r Gesellschaft sei und man angesichts<br />
einer zunehmen<strong>de</strong>n Fehlertoleranz in <strong>de</strong>r<br />
Öffentlichkeit noch über das aus diesem<br />
Blickwinkel doch erstaunliche Leistungspotenzial<br />
<strong>de</strong>r Studieren<strong>de</strong>n froh sein könne.<br />
Es wäre in diesem Zusammenhang einmal<br />
interessant zu prüfen, inwiefern etwa die<br />
<strong>de</strong>saströse Entwicklung um <strong>de</strong>n neuen<br />
Großflughafen in Berlin mit einem allgemeinen<br />
Sorgfalts<strong>de</strong>fizit und nachlassen<strong>de</strong>r<br />
Lese- und Schreibkompetenz zu tun hat.<br />
Dementsprechend betreffen die dargestellten<br />
Probleme nicht nur die Geisteswissenschaften.<br />
Wie sich aus <strong>de</strong>r großen Resonanz<br />
auf die Umfrage an <strong>de</strong>n PhFT gezeigt<br />
hat, kämpfen auch Ingenieurwissenschaften,<br />
Juristen und Mediziner mit <strong>de</strong>n Folgen<br />
zurückgehen<strong>de</strong>r Sprach-, Lese- und<br />
Schreibkompetenz. Bei <strong>de</strong>n Medizinern<br />
überlegt man sich beispielsweise, welche<br />
Konsequenzen eine mangelhafte Sprach-<br />
und Schreibkompetenz auf das Arzt-Patienten-Gespräch<br />
o<strong>de</strong>r die Erstellung von<br />
Arztberichten haben könnte.<br />
Welche Konsequenzen sind nun aus <strong>de</strong>n<br />
Umfrageergebnissen zu ziehen? Zunächst<br />
muss in <strong>de</strong>r gymnasialen Oberstufe mehr<br />
Wert auf die Vermittlung von Grammatik<br />
und Syntax gelegt wer<strong>de</strong>n und müssen diese<br />
Kompetenzen im für alle verbindlichen<br />
Abiturfach Deutsch abgeprüft wer<strong>de</strong>n.<br />
Nur dann wer<strong>de</strong>n sich die Abiturienten<br />
entsprechend vorbereiten. Die Universitäten<br />
ihrerseits wer<strong>de</strong>n nicht umhin kommen,<br />
fehlen<strong>de</strong> Studienkompetenzen<br />
mittels eines ein- bis zweisemestrigen<br />
Orientierungs- o<strong>de</strong>r Vorschaltstudiums zu<br />
kompensieren. Die gesetzlichen Voraussetzungen<br />
dafür gibt es, und an einigen<br />
Universitäten wird intensiv über solche<br />
Formen nachgedacht. Das be<strong>de</strong>utet nicht,<br />
dass das 13. Schuljahr nun an die Universitäten<br />
verlagert wird, vielmehr können<br />
sich die Studienanfänger hier auch darüber<br />
klar wer<strong>de</strong>n, ob das von ihnen angezielte<br />
Fach ihren Begabungen entspricht.<br />
Es ist längst gesellschaftlicher Konsens,<br />
dass die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands<br />
von Bildung und Ausbildung seiner<br />
Bürger abhängt, und es bedarf keiner weiteren<br />
Diskussion, dass die Beherrschung<br />
<strong>de</strong>r Sprach-, Lese- und Schreibkompetenz<br />
hier Grundlagenfunktion hat. Wahrscheinlich<br />
ist in Folge <strong>de</strong>r digitalen Revolution<br />
diese Erkenntnis etwas in <strong>de</strong>n Hintergrund<br />
geraten, aber wie die Initiative <strong>de</strong>r KMK<br />
zur Definition und Durchsetzung allgemeiner<br />
Abiturstandards zeigt, soll diese<br />
Fehlentwicklung korrigiert wer<strong>de</strong>n. Auch<br />
die Flexibilisierung <strong>de</strong>r Schullaufbahn in<br />
manchen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn, die künftig wie<strong>de</strong>r<br />
einen Abiturabschluss nach neun Jahren<br />
ermöglicht, zeigt, dass man sich hier<br />
allmählich von <strong>de</strong>m Fetisch einer Turboausbildung<br />
abzukehren beginnt. Da in <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Bildungsgeschichte auf Phasen<br />
<strong>de</strong>r „Erleichterungspädagogik“ auch solche<br />
folgten, in <strong>de</strong>nen man wie<strong>de</strong>r vermehrt nach<br />
<strong>de</strong>m eigentlichen Zweck <strong>de</strong>r Bildung fragte<br />
und Standards formulierte und durchsetzte,<br />
besteht begrün<strong>de</strong>te Hoffnung, dass auch<br />
die Beherrschung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Sprache und<br />
die Vermittlung einer soli<strong>de</strong>n Allgemeinbildung<br />
wie<strong>de</strong>r mehr ins Zentrum <strong>de</strong>r gesellschaftlichen<br />
Diskussion rücken wer<strong>de</strong>n.
ANSICHTSSACHE<br />
Cartellbrü<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>ner Berufe und Lebensalter beziehen<br />
in dieser Reihe zu verschie<strong>de</strong>nen selbstgewählten und<br />
zeit aktuellen Themen Stellung. In dieser Ausgabe tut dies<br />
Cbr Stefan Lütkecosmann v/o Dino (Sx).<br />
Mathematik schult <strong>de</strong>n analytischen Blick auf die Welt<br />
Es gibt wohl kein Schulfach, das die Schüler aller Generationen so sehr in zwei<br />
Lager geteilt hat und nach wie vor teilt, wie das Fach Mathematik – nämlich in die<br />
„Mathekönner“ und die „Mathehasser“. Ersteren scheint <strong>de</strong>r zu lernen<strong>de</strong> Stoff gera<strong>de</strong><br />
so zuzufliegen, sie müssen offenbar nicht viel für ihren Erfolg tun und können sich<br />
sogar – für Zweitere völlig unbegreiflich – für mathematische Sachverhalte begeistern.<br />
„Mathehasser“ führen ihren Misserfolg in <strong>de</strong>r Regel darauf zurück, dass sie von<br />
ihren Erbanlagen her schon nicht dafür geschaffen sind, Mathematik zu verstehen und<br />
für sie daher jedwe<strong>de</strong> Bemühung in diese Richtung bereits vergeblich scheint. Diese<br />
Selbstdiagnose wird nicht selten auch noch von Eltern bestätigt und geför<strong>de</strong>rt: „Ach<br />
wissen Sie, Mathe konnte bei uns noch nie jemand. Das liegt bei uns in <strong>de</strong>r Familie.“<br />
Diese Darstellung ist zwar etwas überspitzt, die beschriebenen Grundzüge wer<strong>de</strong>n<br />
aber durch die Lehr-Lern-Forschung bestätigt. Der sogenannte Matthäus-Effekt (frei<br />
nach Mt 25,29: „Denn wer hat, <strong>de</strong>m wird gegeben“) besagt, dass Schüler mit Vorwissen<br />
einen besseren Nutzen aus <strong>de</strong>n im Unterricht bereitgestellten Lernmöglichkeiten<br />
ziehen können als Schüler ohne Vorwissen, und so die Schere zwischen Leistungsstarken<br />
und Leistungsschwachen im Laufe <strong>de</strong>r Schullaufbahn weiter und weiter<br />
auseinan<strong>de</strong>rgeht. Gera<strong>de</strong> im Mathematikunterricht, <strong>de</strong>r immer wie<strong>de</strong>r an zuvor Gelerntes<br />
anknüpft, ist dieser Effekt sehr ausgeprägt.<br />
Der Mathematiklehrer steht vor <strong>de</strong>r Aufgabe, einen Unterricht zu gestalten, <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>rs<br />
auf individuelle För<strong>de</strong>rung eines je<strong>de</strong>n Schülers setzt, die Leis tungsschwachen<br />
mit Geduld und Verständnis für ihre Situation zu motivieren und zu Erfolgserlebnissen<br />
zu führen, ohne die Leistungsstarken auszubremsen, und gleichzeitig <strong>de</strong>n Leistungsstarken<br />
Möglichkeiten zur Entfaltung und Vertiefung zu geben, ohne die Leistungsschwachen<br />
zu verlieren. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die, sofern erfolgreich, äußerst<br />
erfüllend sein kann. Dass Rahmenbedingungen wie große Lerngruppen diese Aufgabe<br />
erschweren, kann man sich vorstellen. Aber auch Reformen in <strong>de</strong>r Schulentwicklung<br />
können in Verbindung mit Symptomen unserer mo<strong>de</strong>rnen Leistungsgesellschaft<br />
die Ergebnisse (nicht nur) <strong>de</strong>s Mathematikunterrichts beeinträchtigen.<br />
Die für Deutschland teilweise verheeren<strong>de</strong>n Ergebnisse <strong>de</strong>r Schulleistungsstudien wie<br />
zum Beispiel PISA und TIMMS haben Politik und Forschung dazu veranlasst, im Bildungsbereich<br />
neue Wege zu gehen. Die Formulierung von Kernkompetenzen und Lern -<br />
standards ermöglicht es jetzt, genauer zu überprüfen, ob die gefor<strong>de</strong>rten Lernziele<br />
erreicht wer<strong>de</strong>n, und die Ergebnisse bun<strong>de</strong>sweit zu vergleichen. Es hat sich also ein<br />
Paradigmenwechsel vollzogen, von <strong>de</strong>r Inputorientierung (was soll gelehrt wer<strong>de</strong>n?)<br />
hin zur Outputorientierung (was soll am En<strong>de</strong> gekonnt wer<strong>de</strong>n?). Mittel <strong>de</strong>r Ergebnisüberprüfung<br />
sind dabei die standardisierten Tests und Vergleichsarbeiten sowie das<br />
Zentralabitur, das mittlerweile auch in einigen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn eingeführt wur<strong>de</strong>. Für die<br />
Erfolgskontrolle <strong>de</strong>s Prozesses <strong>de</strong>r Schulentwicklung sind diese Tests unentbehrlich.<br />
Dieser beson<strong>de</strong>re Fokus auf die Klassenarbeiten und Klausuren birgt aber eine Gefahr:<br />
Der oben genannten Outputorientierung <strong>de</strong>r Schulentwicklung steht auf Schüler- und<br />
Elternseite heute mehr <strong>de</strong>nn je eine an<strong>de</strong>re Outputorientierung gegenüber, ich nenne<br />
Foto: privat<br />
sie an dieser Stelle „Ergebnisorientierung“. Wichtiger als die in <strong>de</strong>r Schullaufbahn<br />
erlangten Kompetenzen scheinen heute die erreichten Noten zu sein, da diese <strong>de</strong>n Zugang<br />
zu erfolgsversprechen<strong>de</strong>n Ausbildungs- und Studienplätzen ermöglichen, aber<br />
auch verwehren können. Das hat zur Folge, dass bei vielen Schülern, oft unterstützt<br />
durch die Eltern, das Lernen nicht mehr als ein nachhaltiges Erlangen von Kompetenzen<br />
verstan<strong>de</strong>n wird, son<strong>de</strong>rn als ein auf <strong>de</strong>n Zeitraum kurz vor <strong>de</strong>r Klausur beschränktes<br />
intensives Training, das dazu führen soll, dass man zum richtigen Zeitpunkt möglichst<br />
gut über die vorgesetzte Hür<strong>de</strong> springt. Auch Lehrer laufen Gefahr, dieser falschen „Outputorientierung“<br />
zu folgen und ihren Unterricht ausschließlich auf die nächste Klassenarbeit<br />
o<strong>de</strong>r Klausur hin auszurichten (bekannt als „teaching-to-the-test“). Das suggeriert<br />
doch, dass das für die Arbeit gelernte danach keine Relevanz mehr hat. Es erschließt<br />
sich von selbst, dass ein nur auf einen Zeitpunkt ausgerichtetes Lernen gera<strong>de</strong> im Fach<br />
Mathematik fatal ist und <strong>de</strong>n oben genannten Matthäus-Effekt weiter verstärkt.<br />
Auch die Schulzeitverkürzung auf zwölf Jahre bis zum Abitur kann diesen Effekt<br />
noch verstärken, in<strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>n Leistungsdruck <strong>de</strong>r Schüler erhöht. Wir müssen<br />
achtgeben, dass das erfolgreiche <strong>de</strong>utsche Bildungssystem nicht durch eine Reduzierung<br />
auf persönliche o<strong>de</strong>r gesellschaftlich wirtschaftliche Interessen an Effektivität<br />
einbüßt. Das Lernen darf nicht bloß auf <strong>de</strong>n kurzfristigen Erfolg ausgerichtet sein,<br />
son<strong>de</strong>rn muss nachhaltig sein.<br />
Ich sehe das Prinzip scientia unseres Cartellverban<strong>de</strong>s sehr eng mit <strong>de</strong>m humanistischen<br />
Bildungsbegriff verbun<strong>de</strong>n. Unser Verband und unsere Verbindungen folgen<br />
also einem Bildungsi<strong>de</strong>al, das nicht nur die Befähigung eines einzelnen für einen<br />
bestimmten Beruf verfolgt, son<strong>de</strong>rn ihn zu einem wertvollen und mitgestalten<strong>de</strong>n<br />
Mitglied <strong>de</strong>r Gesellschaft machen will. Das Fach Mathematik ist in diesem Zusammenhang<br />
nicht nur ein Werkzeug, <strong>de</strong>ssen sich an<strong>de</strong>re wissenschaftliche Disziplinen<br />
bedienen, son<strong>de</strong>rn die Beschäftigung damit schult <strong>de</strong>n analytischen Blick auf<br />
die Welt. Wo dieser Blick mangels Kompetenz fehlt, kann es schwerwiegen<strong>de</strong> Folgen<br />
haben. 1 Der Mathematiklehrer hat also die Aufgabe, seinen Schülern diesen beson<strong>de</strong>ren<br />
Blick zu eröffnen und nachhaltig zu schärfen.<br />
Der Autor: Stefan Lütkecosmann v/o<br />
Dino (Sx), geboren 1982, recipiert WS 2003/<br />
2004, 2003 bis 2009 Studium <strong>de</strong>r Mathematik<br />
und <strong>de</strong>r Katholischen Theo l o gie auf Lehramt<br />
für Gymnasien und Gesamtschulen an <strong>de</strong>r<br />
WWU Münster, 2006/2007 VOP, 2009 bis<br />
2011 Refe rendariat am Freiherr-vom-Stein-<br />
Gymnasium in Recklinghausen. Seit 2011<br />
Studienrat am Schillergymnasium in Münster.<br />
1 Vgl. <strong>de</strong>n Vortrag <strong>de</strong>s Phyikers Prof. A. A. Bartlett (http://www.youtube.com/watch?v=umFnrvcS6AQ).<br />
ACADEMIA 5/2012 31
Cartellverband<br />
Vom Veilchen übers Kreuz zum Spinat<br />
Immer wie<strong>de</strong>r interessant ist es zu erfahren,<br />
welche Wirkung die CV-Na<strong>de</strong>l hervorruft<br />
– im Sinne <strong>de</strong>r Erkennbarkeit, <strong>de</strong>s<br />
Farbe-Bekennens. Ich habe dies wie<strong>de</strong>rholte<br />
Male erfreulich erfahren. Als ich vernahm,<br />
dass für ACADEMIA ein Artikel über <strong>de</strong>n<br />
grünen Anstecker (mit <strong>de</strong>m merkwürdigen<br />
„Vulgo“ „Spinatfleck“) geplant sei, war zu -<br />
nächst unklar, wie dies möglich sein könnte.<br />
Nach einiger Recherche stellte sich heraus,<br />
dass dieses Thema <strong>de</strong>n Umfang eines<br />
üblichen Artikels weit überschreitet. Ausführlicher<br />
soll es daher in <strong>de</strong>r Festschrift<br />
„125 Jahre ACADEMIA“ (siehe Seite 35)<br />
behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Daher die Beschränkung<br />
auf einige wenige Eckpunkte <strong>de</strong>r<br />
Entwicklung <strong>de</strong>r Na<strong>de</strong>l. Durch Hilfe von<br />
Bbr Alfons Brandl (Ae), <strong>de</strong>r mit bewun<strong>de</strong>rnswerter<br />
Geduld und Eifer 45 Jahrgänge<br />
ACADEMIA durchforstet hat, ist es<br />
möglich, einen kurzen Abriss <strong>de</strong>r Entstehung<br />
zu geben – durchaus kurzweilig:<br />
Es gibt, um damit gleich zu beginnen, eine<br />
bedauernswerte Lücke: Über die tatsächliche,<br />
im CV-Handbuch genannte Einführung <strong>de</strong>r<br />
heutigen Form <strong>de</strong>s „Spinatflecks“ schweigt<br />
selbst ACADEMIA und lässt nur durch einige<br />
Randbemerkungen die Einführung auf<br />
<strong>de</strong>r C.V. unter <strong>de</strong>m Vorort Winfridiae er -<br />
ahnen. Das Thema CV-Na<strong>de</strong>l bzw. CV-Erkennungszeichen<br />
war ein Dauerbrenner in<br />
mehr als 100 Jahren ACADEMIA. Die erste<br />
Quelle hierzu befin<strong>de</strong>t sich in einer Ausgabe<br />
vom 13. Januar 1892. Hier heißt es: „Bei<br />
<strong>de</strong>r großen und stetig wachsen<strong>de</strong>n Zahl <strong>de</strong>r<br />
Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s C.V. ist es <strong>de</strong>m einzelnen<br />
schon längst nicht mehr möglich, die übrigen<br />
auch nur <strong>de</strong>m Namen nach zu kennen.<br />
[…] Die Be<strong>de</strong>utung eines alle Mitglie<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s kennzeichnen<strong>de</strong>n Abzeichens<br />
ist von an<strong>de</strong>ren Corporationsverbän<strong>de</strong>n<br />
schon vor geraumer Zeit erkannt<br />
und gewürdigt wor<strong>de</strong>n!“ Bereits<br />
in diesem als erste Quelle bekannten<br />
Text wird neben an<strong>de</strong>ren Vorschlägen<br />
die Form einer Vorsteckna<strong>de</strong>l an <strong>de</strong>r<br />
Krawatte, gemäß <strong>de</strong>r damaligen Mo<strong>de</strong>,<br />
als Zeichen in Erwägung gezogen. Der<br />
Verfasser, ein gewisser Cbr Alba, spricht<br />
sich in <strong>de</strong>r Gestaltung für die Stilisierung<br />
eines Veilchens aus, da er diese Blume als<br />
äußerst geeignet ansieht; die Beweggrün<strong>de</strong><br />
dafür sind recht schleierhaft. Ein weiterer<br />
Cartellbru<strong>de</strong>r schlägt in <strong>de</strong>r unmittel-<br />
32 5/2012 ACADEMIA<br />
bar folgen<strong>de</strong>n Ausgabe <strong>de</strong>r ACADEMIA<br />
einen „Strauß Vergissmeinnicht mit 21<br />
Blüten, für die 21 Cartellverbindungen,<br />
sowie drei Stengeln für die drei Prinzipien<br />
und die drei Län<strong>de</strong>r Deutschland, Österreich<br />
und Schweiz“ vor, gibt allerdings sogleich<br />
zu be<strong>de</strong>nken, dass das Zeichen immer wie<strong>de</strong>r<br />
geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n müsse, sollten sich<br />
neue Verbindungen <strong>de</strong>m Verband anschließen.<br />
Man sollte dankbar sein, dass dieser<br />
Vorschlag nicht verwirklicht wur<strong>de</strong>: eine<br />
Ansteckna<strong>de</strong>l mit 126 Blüten?<br />
Schon eher mit <strong>de</strong>r heutigen Form vergleichbar<br />
ist ein Vorschlag, <strong>de</strong>r 1895 erwähnt wird:<br />
ein Or<strong>de</strong>nskreuz, das die or<strong>de</strong>nsartige Verfassung<br />
<strong>de</strong>r Cartellverbindungen sowie <strong>de</strong>ren<br />
Katholizitätsprinzip wie<strong>de</strong>rgibt. Man hat<br />
diesen Vorschlag in zweierlei Gestalt aufgenommen,<br />
nämlich als Vorsteckna<strong>de</strong>l für<br />
die Krawatte sowie auch als Anhänger für die<br />
Uhrenkette. Dieser Vorschlag wur<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>r<br />
C.V. in Köln 1894 bereits unter Beifall vorgestellt<br />
und ist 1895 in München als eigener<br />
Tagesordnungspunkt protokolliert wor<strong>de</strong>n.<br />
1901 wird im 13. Jahrgang <strong>de</strong>r ACADEMIA<br />
(Nr. 10) das nun geplante „Cartellerkennungszeichen“<br />
vorgestellt. Es han<strong>de</strong>lte sich um<br />
eine silberne, auf Wunsch auch gol<strong>de</strong>ne Na -<br />
<strong>de</strong>l in Kreuzform mit einem grün emaillierten<br />
Lorbeerkranz, in <strong>de</strong>ssen Mitte die Buch -<br />
staben „C“ und „V“ ineinan<strong>de</strong>r geschrie ben<br />
zu er kennen waren. Eine Ähnlichkeit <strong>de</strong>r<br />
Form hierzu<br />
fin <strong>de</strong>t<br />
man heute noch auf<br />
<strong>de</strong>m Banner <strong>de</strong>s Scholaren<br />
im CV-Wappen. Warum<br />
die Na<strong>de</strong>l verbindlich<br />
erst 1924 auf <strong>de</strong>r Cartellversammlung<br />
in Münster eingeführt wur<strong>de</strong>?<br />
Über die Grün<strong>de</strong> darf ein wenig spekuliert<br />
wer<strong>de</strong>n. Die Quellen schweigen<br />
hierzu. Der dazwischen liegen<strong>de</strong><br />
Erste Weltkrieg dürfte dazu beigetragen<br />
haben. In diesem Zusammenhang<br />
ist ein 1918 entworfenes CV-<br />
Kriegs abzeichen zu erwähnen,<br />
welches man im Fel<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Uniform<br />
tragen sollte: eine schlichte<br />
Na<strong>de</strong>l mit einem „C“ und einem<br />
„V“ auf einem quadratischen Grund. O<strong>de</strong>r<br />
war es <strong>de</strong>r energische Wi<strong>de</strong>rspruch eines<br />
Cartellbru<strong>de</strong>rs, <strong>de</strong>r sich in einem offenen<br />
Brief in <strong>de</strong>r ACADEMIA an <strong>de</strong>n Schöpfer<br />
<strong>de</strong>r Na<strong>de</strong>l wen<strong>de</strong>t und lauthals beklagt,<br />
dass er für eine Vorsteckna<strong>de</strong>l keinen Ort<br />
zum Anbringen fän<strong>de</strong>, da er als Geistlicher<br />
schließlich keine Krawatten besäße und an<br />
<strong>de</strong>r Soutanelle kein geeigneter Ort zum<br />
Anstecken zu fin<strong>de</strong>n sei? Die Bekleidungsvorschriften<br />
für Geistliche wur<strong>de</strong>n<br />
damals in lobenswerter Weise beobachtet.<br />
Der Urheber <strong>de</strong>r heutigen Form, <strong>de</strong>s „Spinatflecks“,<br />
mitsamt seiner Anbringungsweise<br />
ist allerdings gänzlich unbekannt. Fragen<br />
über Fragen: Ist das Grün ein Rest <strong>de</strong>s eins -<br />
tigen Lorbeerkranzes o<strong>de</strong>r doch die gemeinsame<br />
Farbe <strong>de</strong>r Gründungsverbindungen<br />
Aenania und Winfridia? Warum ist das<br />
Kreuz verschwun<strong>de</strong>n, wenn doch schließlich<br />
das Katholizitätsprinzip alle liberalen<br />
Strömungen und sogenannte „ökumenische<br />
Aufweichungsversuche“ eisern überlebt<br />
hat? Auch nach gründlicher Recherche<br />
waren bisher keine Quellen zu dieser<br />
Frage auffindbar. Vielleicht weiß <strong>de</strong>r eine<br />
o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Cartellbru<strong>de</strong>r hier weiter?<br />
Auch bei Unbekanntheit <strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Urheber erfüllt die Na<strong>de</strong>l ihren<br />
Zweck. Bedauerlicherweise ist die<br />
CV-Na<strong>de</strong>l nur selten zu sehen. Die<br />
Ausre<strong>de</strong>n hierzu sind vielfältig:<br />
Von angeblichen höheren Verschleißerscheinungen<br />
am Anzug<br />
(die durch einen Stopper ganz<br />
einfach behoben wer<strong>de</strong>n können),<br />
bis hin zu „commenttechnischen<br />
Schwierigkeiten“ in <strong>de</strong>r Urverbindung<br />
gibt es in diesem Bereich vieles zu hören.<br />
Dennoch sollte man zeigen, welchem Verband<br />
man angehört. Otto Ziegler (Ae)
Blick auf die Chargierten <strong>de</strong>s Darmstädter CV – <strong>de</strong>r Nassovia, Rheinpfalz und<br />
Nibelungia – beim Festkommers im Innenhof <strong>de</strong>r Burg Pfalzgrafenstein.<br />
90 Jahre KDStV Rheinpfalz zu Darmstadt<br />
Erstmals seit Jahrzehnten wie<strong>de</strong>r ein Festkommers auf <strong>de</strong>r Burg Pfalzgrafenstein im Rhein<br />
Kaub. Im vergangenen Juni feierte die<br />
KDStV Rheinpfalz im Rahmen <strong>de</strong>s 91.<br />
Stiftungsfestes ihr Bestehen seit 90 Jahren.<br />
Für die anwesen<strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>sbrü<strong>de</strong>r und<br />
Gäste war es ein großes Erlebnis, erstmals<br />
wie<strong>de</strong>r nach rund 50 Jahren einen Festkommers<br />
im Innenhof <strong>de</strong>r Burg Pfalzgrafenstein<br />
bei Kaub feiern zu können.<br />
Burg Pfalzgrafenstein (volkstümlich „Rheinpfalz“)<br />
ist heute ein Wahrzeichen für das<br />
UNESCO-Welterbe „Oberes Mittelrheintal“.<br />
Die stromumflossene Burg mitten im Rhein,<br />
das Wahrzeichen <strong>de</strong>r Verbindung, war und<br />
ist stets lebendiges Symbol <strong>de</strong>r Lebensgemeinschaft<br />
<strong>de</strong>r CV-Verbindung. Als die<br />
KDStV Rheinpfalz vor 90 Jahren gegrün<strong>de</strong>t<br />
wur<strong>de</strong>, war Pfalzgrafenstein das Symbol<br />
<strong>de</strong>s Freistaates Flaschenhals, eines nicht<br />
zugeteilten Gebietes zwischen <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n<br />
Siegermächten besetzten und kreisförmig<br />
begrenzten Besatzungszonen um Koblenz<br />
und Mainz. Die Bewohner dieses Gebietes,<br />
rechtlos und ehrlos, nahmen ihr Geschick<br />
mutig in die Hän<strong>de</strong>, verwalteten sich selbst<br />
und kämpften um Recht und Freiheit. Dies<br />
hat die Grün<strong>de</strong>r, die meist im Rheingebiet<br />
beheimatet waren, motiviert, <strong>de</strong>n Bund<br />
„Rheinpfalz“ zu nennen und ihm <strong>de</strong>n Wahlspruch<br />
„ Deutsche Ehre, <strong>de</strong>utsches Recht“<br />
zu geben. In dieser Zeit ist auch das Rheinpfalz-Bun<strong>de</strong>slied<br />
entstan<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ssen erste<br />
Strophe <strong>de</strong>n Zeitgeist wi<strong>de</strong>rspiegelt, aber<br />
auch heute im übertragenen Sinne Gültigkeit<br />
beanspruchen darf:<br />
„Es steht ein Bau in unserem alten Rhein,<br />
voll Kraft und Kühnheit ragt er in die Welt.<br />
Er soll <strong>de</strong>m Bund ein leuchtend Vorbild sein,<br />
wie er im <strong>de</strong>utschen Strome Wache hält. Wie<br />
jene Burg, so wollen fest wir stehen. Gen<br />
je<strong>de</strong>n Feind im allerschwersten Streit. Mag’s<br />
nun zum Siegen o<strong>de</strong>r Sterben gehen, wir<br />
bleiben eins: Gut Rheinpfalz allezeit.“ Ein<br />
Jahr nach <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rbegründung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<br />
1948 fand erstmals im Sommersemester<br />
1949 ein Stiftungsfest in Kaub mit <strong>de</strong>m Festkommers<br />
im Innenhof <strong>de</strong>r Burg Pfalzgrafenstein<br />
statt. Seit dieser Zeit wer<strong>de</strong>n die<br />
Stiftungsfeste im jährlichen Wechsel in<br />
Darmstadt und am Rhein gefeiert. Ab Mitte<br />
<strong>de</strong>r 60er wur<strong>de</strong> ein Kommers auf <strong>de</strong>m<br />
Pfalzgrafenstein aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Denkmalschutzes<br />
nicht mehr gestattet.<br />
Burg Pfalzgrafenstein im<br />
Rhein, genannt Rheinpfalz.<br />
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von Cbr.(Wiegelmann Sv! & Helbich ArF! Sv!) zu Cbr.<br />
Telefon: 030 / 364 687 52 - 0179 / 43 53 941<br />
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Cartellverband<br />
2012 war es wie<strong>de</strong>r möglich, einen fest -<br />
lichen Kommers auf <strong>de</strong>r Burg im Rhein<br />
zu feiern. Cbr Pater Franziskus Knoll OP<br />
(Rap) hielt die Festre<strong>de</strong>. Er zelebrierte <strong>de</strong>n<br />
Festgottesdienst, <strong>de</strong>r am Sonntag mit <strong>de</strong>r<br />
Pfarrgemein<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Kauber Kirche stattfand.<br />
Ein Neunfang in Kaub ist gemacht.<br />
Eine Schiffsreise zwischen Kaub und<br />
Koblenz, weiterer Höhepunkt, wird in<br />
bester Erinnerung bleiben. Die Burg,<br />
Symbil <strong>de</strong>r Verbindung, soll auch in Zukunft<br />
helfen, junge Menschen für die<br />
Lebens gemeinschaft Rheinpfalz zu gewinnen.<br />
Karl Hans Heil (Rpf)<br />
ACADEMIA 5/2012 33<br />
Fotos: privat
Cartellverband<br />
34 5/2012 ACADEMIA<br />
Spefux<br />
Wir sind zu mehreren<br />
Füxen im Fuxenstall, und<br />
schon an uns kann man erkennen,<br />
wie unterschiedlich die<br />
Bun<strong>de</strong>sbrü<strong>de</strong>r und damit auch unsere<br />
Verbindung ist. Gemeinsam ist uns die<br />
Erfahrung, dass wir an <strong>de</strong>r Uni und in<br />
<strong>de</strong>ren Umfeld, bei Partys o<strong>de</strong>r vor und<br />
nach Seminaren angesprochen wer<strong>de</strong>n,<br />
ob wir rechtsradikal sind. Je<strong>de</strong>r hat sich<br />
seine Worte und Ausführungen zurechtgelegt,<br />
mit <strong>de</strong>nen er dann (re)agiert.<br />
Je<strong>de</strong>r vernunftbegabte Stu<strong>de</strong>nt mit ein<br />
wenig gutem Willen müsste einsehen,<br />
dass <strong>de</strong>r Verband und die Verbindungen,<br />
die sich in ihm zusammengeschlossen<br />
haben, alles an<strong>de</strong>re sind als Deutsch -<br />
tümmler. Die Strategie, die übrigens<br />
keine gute ist: „Wir sind nicht die, die<br />
(…)“, kann man sich da, glaub ich,<br />
sparen. Wir sollten, und das sehen meine<br />
Confüxe genauso, positiv hervorstechen,<br />
mit Aktivitäten an <strong>de</strong>r Uni und in <strong>de</strong>ren<br />
Umfeld. Bei unserer Verbindung wird<br />
jetzt in Ergänzung dazu genau<br />
hingeguckt, welche Bil<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Galerie<br />
auf <strong>de</strong>r Homepage zu sehen sind.<br />
Ich find das erschreckend: Bei nicht wenigen<br />
CV-Verbindungen zieren, o<strong>de</strong>r besser:<br />
verunzieren Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
Internetauftritt, <strong>de</strong>ren Inhalt in keinem<br />
Verhältnis zur betonten gesellschaflichen<br />
Stellung steht. Über Bierausschank, Grill<br />
und eine Mischung aus locker-verkrampft<br />
kommt manches nicht wirklich<br />
hinaus. Wenn sich wenigstens einer die<br />
Mühe machen wür<strong>de</strong>, nur die „besten“<br />
Bil<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong>n<br />
Sammelsurium einzustellen!<br />
Die irgendwie zeitlosen Schnappschüsse<br />
kontrastieren erheblich mit <strong>de</strong>n sonstigen<br />
Formen unserer Verbindungen: als<br />
da sind Zirkel, Wappen usw. Soll hier gezeigt<br />
wer<strong>de</strong>n: Wir sind gar nicht so traditionell,<br />
wie Farben und Zirkel vermuten<br />
lassen? Das wäre scha<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn, wie<br />
schon gesagt: Das „Wir sind nicht die,<br />
die (…)“ o<strong>de</strong>r „Wir sind nicht die, für die<br />
ihr uns (…)“ wäre etwas zu wenig für eine<br />
echte Verbindung im Cartellverband<br />
<strong>de</strong>r katholischen <strong>de</strong>utschen Stu<strong>de</strong>nten -<br />
verbindungen.<br />
Feierlicher Festkommers zur Wie<strong>de</strong>rbegründung <strong>de</strong>r Tuisconia.<br />
Tuisconia ist in Landshut angekommen<br />
Große Unterstützung von <strong>de</strong>r KDStV Vin<strong>de</strong>licia und <strong>de</strong>m CV-Zirkel Landshut<br />
Landshut. In ihrer neuen Heimat feierte die<br />
AV Tuisconia Königsberg zu Landshut ihr<br />
115. Stiftungsfest und etablierte sich damit<br />
nach <strong>de</strong>r Zustimmung <strong>de</strong>r Cartellversammlung<br />
in Freiburg endgültig an ihrem neuen<br />
Standort in Nie<strong>de</strong>rbayern. Sie ist damit die<br />
dritte CV-Verbindung am Standort einer<br />
Hochschule für angewandte Wissenschaften.<br />
Bei ihrem Wechsel vom Rhein an die Isar<br />
konnte sich die Tuisconia über große<br />
Unterstützung an Ort und Stelle freuen.<br />
Alte Herren <strong>de</strong>r Tuisconia lebten bereits in<br />
Bayern, und insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r KDStV<br />
Vin<strong>de</strong>licia in München hatten einige von<br />
ihnen eine neue Heimat gefun<strong>de</strong>n. Diese<br />
Münchner CV-Verbindung regte auch an,<br />
Tuisconia nach Landshut zu verlegen, und<br />
unterstützte mit „Leih-Aktiven“ die Wie<strong>de</strong>rbegründung<br />
<strong>de</strong>r Aktivitas im vergangenen<br />
November. Große Unterstützung kam<br />
auch vom Landshuter CV-Zirkel, <strong>de</strong>ssen<br />
Vorsitzen<strong>de</strong>r Cbr Kurt Geiger (Rup) mittlerweile<br />
auch Philisterconsenior <strong>de</strong>r Tuisconia<br />
ist. Beim Festkommers zum Stiftungsfest<br />
nahmen etliche Alte Herren aus<br />
<strong>de</strong>r bayerischen Umgebung das Band <strong>de</strong>r<br />
AV Tuisconia entgegen. Gleichzeitig erhielt<br />
auch <strong>de</strong>r erste Landshuter Ur-Tuiscone<br />
in diesem feierlichen Rahmen sein Bur -<br />
schen band. Philistersenior Cbr Dr. Hansjörg<br />
Hey zog vor diesem Hintergrund eine<br />
erfreuliche Bilanz <strong>de</strong>s Neustarts.<br />
Dass die Stadt Landshut beim ersten Festkommers<br />
<strong>de</strong>r Tuisconia in <strong>de</strong>r neuen Heimat<br />
durch einen Bürgermeister vertreten<br />
war und die Landshuter Zeitung ausführlich<br />
über das neue aka<strong>de</strong>mische Element<br />
in <strong>de</strong>r Stadt und sein Stiftungsfest berichtete,<br />
spricht für ein öffentliches Interesse<br />
an <strong>de</strong>r Korporation und eine freundliche<br />
Aufnahme am nie<strong>de</strong>rbayerischen Isar-<br />
Strand. Eine Entwicklung, die im vergangenen<br />
Jahr mit <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rgründung <strong>de</strong>r<br />
Aktivitas <strong>de</strong>r Tuisconia in Landshut ihren<br />
Anfang genommen hatte, wur<strong>de</strong> damit erfolgreich<br />
fortgesetzt.<br />
In einer Grußbotschaft sandte Cbr Papst<br />
Benedikt XVI. (Rup) <strong>de</strong>r AV Tuisconia anlässlich<br />
ihrer Wie<strong>de</strong>rgründung und ihres<br />
115. Stiftungsfestes Glück- und Segenswünsche.<br />
„Die Tuisconen haben in ihrer bewegten<br />
Geschichte stets versucht, auf <strong>de</strong>n<br />
Grundlagen <strong>de</strong>s katholischen Glaubens Antworten<br />
auf die Fragen <strong>de</strong>r Zeit zu geben.<br />
Diesem Auftrag wollen sie sich nun mit<br />
neuer Kraft im aka<strong>de</strong>mischen Leben vor<br />
allem an <strong>de</strong>r Hochschule Landshut wie auch<br />
in <strong>de</strong>r Gesellschaft insgesamt widmen. So<br />
mögen die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r AV Tuisconia in<br />
ihren zahlreichen gemeinschaftlichen Aktivitäten<br />
wie auch im persönlichen Leben<br />
dieser Verpflichtung weiterhin gerecht<br />
wer<strong>de</strong>n und in Treue zum Evangelium und<br />
zur Lehre <strong>de</strong>r Kirche an <strong>de</strong>r Zukunft eines<br />
christlichen Europas gestaltend mitwirken.“<br />
Senior Cbr Stephan Pilsinger (Vc, TsK)<br />
betonte in seiner Kommersansprache <strong>de</strong>n<br />
Wert <strong>de</strong>r Freundschaft in <strong>de</strong>r Verbindung<br />
auf <strong>de</strong>r Basis gemeinsamer Werte, <strong>de</strong>s<br />
christlichen Menschenbil<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r Wissenschaft<br />
und <strong>de</strong>r rechtsstaatlichen Ordnung.<br />
Cbr Staatssekretär Bernd Sibler (Ae) vom<br />
Bayerischen Staatsministerium für Unterricht<br />
und Kultus ging in seiner Festre<strong>de</strong> auf<br />
die Frage ein, ob mit <strong>de</strong>m Verlust <strong>de</strong>r traditionellen<br />
Abschlüsse <strong>de</strong>r Hochschulen<br />
im Bologna-Prozess auch Qualität <strong>de</strong>r Abschlüsse<br />
verloren gegangen sei. Bildung<br />
gehe über die reine Anwendbarkeit von<br />
Wissen hinaus, und <strong>de</strong>r Studieren<strong>de</strong> müsse<br />
neben seinem Platz im Beruf auch seinen<br />
Platz in <strong>de</strong>r Gesellschaft fin<strong>de</strong>n. Die Grüße<br />
und Glückwünsche <strong>de</strong>s CV-Rats zur<br />
Wie<strong>de</strong>rgründung überbrachte AHB-Vorstandsmitglied<br />
Cbr Benedikt Kuttenkeuler<br />
(GW). Wolfgang Braun (Bd)
Das ist mir etwas wert: 125 Jahre ACADEMIA<br />
Jetzt Anzeigen buchen!<br />
Anlässlich <strong>de</strong>s Jubiläums „125 Jahre ACADEMIA“ im kommen<strong>de</strong>n Jahr<br />
2013 wird eine Festschrift mit einigem Format erscheinen – die nicht im<br />
Regal verstaubt, son<strong>de</strong>rn Lust macht auf mehr Verbindung und Cartellverband<br />
und obendrein staunen lässt über die Vielfalt <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s. Die<br />
Festschrift, die <strong>de</strong>rzeit entsteht, gibt aufschlussreiche Einblicke in die<br />
Wirklichkeit unseres CV-Organs anno dazumal und heute; und das mit<br />
<strong>de</strong>m Schwerpunkt auf seinen vielen menschlichen Seiten.<br />
Zusammenzusehen ist diese menschliche und institutionelle Vielfalt mit<br />
<strong>de</strong>r gesellschaftlichen Be<strong>de</strong>utung, die ACADEMIA zukommt und noch<br />
mehr zukommen soll. Chefredakteure von ehe<strong>de</strong>m und Redaktionsmitglie<strong>de</strong>r<br />
von heute verfassen diverse Beiträge. Auch Wissenschaftler,<br />
die be<strong>de</strong>utsame Epochen <strong>de</strong>r ACADEMIA untersucht haben, wer<strong>de</strong>n die<br />
Ergebnisse ihrer historischen Studien präsentieren, über <strong>de</strong>nen sie <strong>de</strong>rzeit<br />
noch tüfteln und brüten.<br />
Die Festschrift von Cartellbrü<strong>de</strong>rn für Cartellbrü<strong>de</strong>r und, <strong>de</strong>n Zielen<br />
<strong>de</strong>s CV entsprechend: weit darüber hinaus! Das ist die einmalige Gele -<br />
genheit für Cartellbrü<strong>de</strong>r, sich und ihre Unternehmen in diesem heraus -<br />
ragen<strong>de</strong>n Band zu präsentieren. Ein Bekenntnis zumal: ACADEMIA und<br />
<strong>de</strong>r CV sind mir etwas wert!<br />
Das Platzl Hotel - ausgezeichnet<br />
mit vier Sternen - steht wie kein<br />
an<strong>de</strong>res Haus für persönliches<br />
Flair im Zeichen Münchner<br />
Gastlichkeit.<br />
Unseren Gästen stehen 166<br />
Zimmer und eine Bayerische<br />
Suite, sieben Veranstaltungsräume,<br />
eine Bar sowie zwei<br />
Restaurants zur Verfügung.<br />
Zwischen Marienplatz,<br />
Viktualienmarkt, <strong>de</strong>m Alten<br />
Peter, <strong>de</strong>m Hofbräuhaus und<br />
<strong>de</strong>r Maximilianstrasse gelegen,<br />
ist das Platzl Hotel <strong>de</strong>r i<strong>de</strong>ale<br />
Ausgangspunkt für jegliche Art<br />
von Unternehmungen in<br />
München.<br />
P LATZL HOTEL<br />
Cartellverband<br />
Anzeigenschluss ist <strong>de</strong>r 31. Januar 2013.<br />
Zwei Anzeigenformate wer<strong>de</strong>n für die Ausgabe angeboten: eine<br />
ganze Seite und eine halbe Seite. Die Anzeigenpreise variieren je<br />
nach Placement.<br />
Mit <strong>de</strong>r Bergmoser+Höller Agentur, Aachen, wur<strong>de</strong>n Flatrate-<br />
Ta rife zur Gestaltung von Anzeigen vereinbart. Ansprechpartnerin<br />
ist Frau Lisanne Kappler, Telefon 0241-980998-0, kappler@<br />
buh-agentur.<strong>de</strong>.<br />
Anzeigenpreise und weitere Informationen fin<strong>de</strong>t Ihr unter<br />
www.agentur-ley.<strong>de</strong>. Ansprechpartner ist Cbr Stephan Ley (Alm),<br />
Mitglied <strong>de</strong>r ACADEMIA-Redaktion, Telefon 089-45227022,<br />
aca<strong>de</strong>mia@agentur-ley.<strong>de</strong>.<br />
Ich bitte um Eure großzügige Unterstützung!<br />
Von <strong>de</strong>r Pracht <strong>de</strong>s<br />
Orients fasziniert erwarb König<br />
Ludwig II im Jahr 1876 <strong>de</strong>n<br />
Maurischen Kiosk, <strong>de</strong>n er neun<br />
Jahre zuvor auf <strong>de</strong>r Pariser<br />
Weltausstellung gesehen hatte,<br />
und ließ ihn im Park von<br />
Schloß Lin<strong>de</strong>rhof aufstellen.<br />
Weiterhin ließ <strong>de</strong>r König im<br />
Königshaus am Schachen einen<br />
maurischen Saal in prunkvollem<br />
orientalischem Stil mit prächtiger<br />
innerer Ornamentik und<br />
bunten Glasfenstern errichten.<br />
Nach diesen Vorbil<strong>de</strong>rn ist<br />
<strong>de</strong>r Erholungsbereich in <strong>de</strong>r<br />
5. Etage <strong>de</strong>s Platzl Hotels<br />
eingerichtet.<br />
Platzl Hotel, Sparkassenstraße 10, D-80331 München, Telefon 089 - 23 703 - 0, Fax 089 - 23 703 800, www.platzl.<strong>de</strong><br />
Familie Peter Inselkammer (Rup)<br />
ACADEMIA 5/2012 35
Cartellverband<br />
Cbr Peter Frank<br />
folgt im Vorsitz<br />
<strong>de</strong>r Johannes Denk-<br />
Felix Porsch-Stiftung<br />
Freiburg. Es war ein rühren<strong>de</strong>r Moment, als<br />
Cbr Dr. Klaus Küchenhoff (Wf) während <strong>de</strong>r<br />
Jahresversammlung auf <strong>de</strong>r 126. Cartellversammlung<br />
in Freiburg im vergangenen Juni<br />
seinen Rückzug vom Posten <strong>de</strong>s Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Felix Porsch-Johannes Denk-<br />
Stiftung e.V. bekanntgab. Mit <strong>de</strong>n buchstäblichen<br />
„standing ovations“ zollten ihm die<br />
Stiftungsvereinsmitglie<strong>de</strong>r für ein über 30<br />
Jahre andauern<strong>de</strong>s Lebenswerk Respekt.<br />
Tatsächlich wäre die Stiftung ohne die unermüdliche<br />
und geschickte Arbeit von Cbr Küchenhoff<br />
nicht da, wo sie heute steht. So hin -<br />
tergründig und leise sich die Arbeit von Cbr<br />
Küchenhoff abgespielt haben mag, so erfolgreich<br />
war sie. Er verstand es, mit Hilfe seiner<br />
Vorstandkollegen, <strong>de</strong>m verstorbenen Cbr<br />
Werner Kutscher und Cbr Hans Schrom (Tfs),<br />
aus <strong>de</strong>m Anfangskapital von 30.000 Mark<br />
durch eine kluge und umsichtige Anlagestrategie<br />
ein Vereinsvermögen von nunmehr über<br />
zwei Millionen Euro zu generieren. Mit Hilfe<br />
eines Schulkamera<strong>de</strong>n aus Werl und <strong>de</strong>r AV<br />
Guestfalia Tübingen organisierte Cbr Küchenhoff<br />
für „seinen“ Stiftungsverein noch mehr als<br />
eine Viertelmillion Euro als Abschiedsgeschenk.<br />
Sein Nachfolger in <strong>de</strong>r Funktion <strong>de</strong>s Vorsitzen<strong>de</strong>n<br />
wur<strong>de</strong> das Vorstandsmitglied Cbr<br />
Peter Frank (ChM), <strong>de</strong>r Dr. Klaus Küchenhoffs<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Tätigkeit zum Wohle<br />
<strong>de</strong>s För<strong>de</strong>rzwecks hervorhob. Wie<strong>de</strong>rgewählt<br />
wur<strong>de</strong>n dann die Vorstandsmitglie<strong>de</strong>r<br />
Cbr Hans Schrom (Tfs) und Matthias Ho<strong>de</strong>rlein<br />
(TsM). Stephan Ley (Alm)<br />
36 5/2012 ACADEMIA<br />
INFO<br />
Siehe dazu auch das Interview in <strong>de</strong>r ver -<br />
gan genen ACADEMIA 04/2012,S.6 bis 9.<br />
Cbr Reinhold Bocklet (Tfs): glänzen<strong>de</strong> Re<strong>de</strong><br />
zur bayerisch-pfälzischen Geschichte<br />
Annweiler. 90. Stiftungsfest <strong>de</strong>r KDStV<br />
Trifels – schon <strong>de</strong>r Begrüßungsabend am<br />
Donnerstag war von einer heiteren, festlichen<br />
und ausgesprochen entspannten Stimmung<br />
getragen. In <strong>de</strong>r Pfarrkirche von Annweiler<br />
wur<strong>de</strong> am folgen<strong>de</strong>n Morgen das Requiem<br />
zelebriert. Der Festakt auf <strong>de</strong>r Burg begann<br />
mit einer Ansprache <strong>de</strong>s Philisterseniors,<br />
Matthias Puschnig. Trifels sei eine erfolgreiche<br />
und wachsen<strong>de</strong> Verbindung mit einer<br />
leistungsorientierten Aktivitas und einem<br />
wohlgefüllten Fuxenstall. Der Höhepunkt<br />
für die Trifelser war die Übergabe <strong>de</strong>r<br />
Hun<strong>de</strong>rt semesterbän<strong>de</strong>r an die Alten Herren.<br />
Durch <strong>de</strong>n Erfolg vor fünf Jahren bestärkt,<br />
fand <strong>de</strong>r Festball auch dieses Jahr erneut<br />
im Alten Rathaus von Landau statt. Einen<br />
gelungenen Nachmittag verbrachten die<br />
Teilnehmer <strong>de</strong>s verbindungsin ternen Mentorenprogramms.<br />
Gespannt war man auf <strong>de</strong>n renovierten Hohenstaufensaal;<br />
für Festkommerse ist dies <strong>de</strong>r<br />
perfekte Veranstaltungsort. Der Festredner<br />
war mit Cbr Reinhold Bocklet (Tfs), <strong>de</strong>m<br />
I. Vizepräsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>s Bayerischen Landtags,<br />
sehr glücklich gewählt. Seine erfrischend vorgetragene<br />
Re<strong>de</strong> zur pfälzisch-bayerischen<br />
Ge schichte glänzte durch eine Reihe unbe -<br />
kannter und überraschen<strong>de</strong>r Fakten und Zusammenhänge.<br />
Die heilige Messe feierte Verbindungsseelsorger<br />
Cbr Pater Dr. Wolfgang<br />
H. Spindler OP (F-Rt). Stephan Ley (Alm)<br />
Auf <strong>de</strong>r Trifels stellten sich die Bun<strong>de</strong>sbrü<strong>de</strong>r<br />
Trifelsiae sowie Cartellbrü<strong>de</strong>r zum Gruppenbild.
Das Cheruscerhaus mit <strong>de</strong>m neuen Stu<strong>de</strong>ntenwohnheim (rechts im Bild) – ein gelungenes architektonisches Ensemble.<br />
Cheruscia Würzburg hat ein neues Stu<strong>de</strong>ntenwohnheim<br />
Kurze Entfernungen zum Zentrum wie zur Campus-Uni über <strong>de</strong>r Stadt<br />
Würzburg. Es war nicht das erste Mal,<br />
dass die Verantwortlichen <strong>de</strong>r KDStV<br />
Cheruscia vor einigen Jahren das Thema<br />
Hauserweiterung auf die Tagesordnung<br />
setzten: Bereits 1964 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Anbau eines<br />
Wohntraktes mit mehreren eigenständigen<br />
Appartements diskutiert, und ein Architekturmo<strong>de</strong>ll<br />
im Verbindungsarchiv<br />
zeugt noch von <strong>de</strong>n damals angestellten<br />
Überlegungen. Nun ist das Projekt Wirklichkeit<br />
gewor<strong>de</strong>n: Vom <strong>de</strong>rzeitigen Philistersenior<br />
Dr. Wolfgang Prosch unbeirrbar<br />
betrieben, mit tatkräftiger Unterstützung<br />
zahlreicher Bun<strong>de</strong>sbrü<strong>de</strong>r finanziell ermöglicht<br />
und von <strong>de</strong>m auf Stu<strong>de</strong>ntenappartements<br />
spezialisierten Würzburger Architekturbüro<br />
Hetterich entworfen, wur<strong>de</strong><br />
beim 118. Stiftungsfest En<strong>de</strong> Mai 2011<br />
symbolisch <strong>de</strong>r erste Spatenstich zum geplanten<br />
Anbau gesetzt. Bereits anlässlich<br />
<strong>de</strong>r vorweihnachtlichen Feier im darauffolgen<strong>de</strong>n<br />
Dezember fand mit CV-Seelsorger<br />
Cbr Ulrich Bonin die Einweihung statt.<br />
Der schlichte, aber vornehme zweigeschossige<br />
Trakt erhebt sich an <strong>de</strong>r Südseite<br />
<strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n Gebäu<strong>de</strong>s. In ruhigem<br />
Wohngebiet mit kurzen Entfernungen zum<br />
Zentrum ebenso wie zur Campus-Uni über<br />
<strong>de</strong>r Stadt gelegen, beherbergt er sechs eigenständige<br />
Appartements – darunter ein<br />
behin<strong>de</strong>rtengerechtes – samt Küchenzeile,<br />
Nasszelle und neuester technischer Ausstattung.<br />
Im Inneren mit <strong>de</strong>m ebenfalls bereits<br />
teilsanierten Altbau verbun<strong>de</strong>n, können<br />
die Stu<strong>de</strong>nten ihre Wohnung auch über<br />
einen separaten Außenzugang erreichen.<br />
Ebenso besteht ein unmittelbarer Zugang<br />
zu Terrasse und Garten. Dem Bedürfnis<br />
nach Mobilität ist durch einen Parkplatz<br />
für bis zu drei Autos entsprochen. Weitere<br />
kostenfreie Stellmöglichkeiten gibt es im<br />
unmittelbaren Umfeld.<br />
In Ergänzung zum Altbau, auf <strong>de</strong>m sich<br />
auch weiterhin das eigentliche Verbindungsleben<br />
abspielen wird, dient <strong>de</strong>r Neubau<br />
ausschließlich als Wohntrakt. Das war<br />
immer das Problem am bisherigen Domizil<br />
<strong>de</strong>r Cheruscia: Gebaut 1955/57 als<br />
großzügiges Verbindungshaus mit weitem<br />
Foyer, schwungvollem offenen Treppenhaus<br />
und zwei großen Festsälen, hatte man<br />
in <strong>de</strong>n couleurstu<strong>de</strong>ntischen Glanzzeiten<br />
<strong>de</strong>r Nachkriegszeit auf Stu<strong>de</strong>ntenbu<strong>de</strong>n<br />
verzichtet. Als sich die Keilarbeit in <strong>de</strong>n<br />
1970er Jahren allgemein erschwerte, musste<br />
Cheruscia auf das häufig erfolgver-<br />
Cartellverband<br />
INFO<br />
Auskünfte zur Zimmervermietung erteilt<br />
Damian Zawadka, Telefon 01577-3443264.<br />
sprechen<strong>de</strong> Instrument günstiger Wohnappartements<br />
weitgehend verzichten. Dem<br />
soll <strong>de</strong>r neue Anbau nun Abhilfe schaffen.<br />
Nebenbei kommen auch Kunstfreun<strong>de</strong> auf<br />
ihre Kosten: Zum einen konnten die buntfarbigen<br />
Wappenfenster im Kneipsaal <strong>de</strong>s Erdgeschosses<br />
erhalten und mit einer rückwärtigen<br />
Beleuchtung versehen wer<strong>de</strong>n, zum<br />
an<strong>de</strong>ren ziert die Fassa<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Cheruscerwappen<br />
ein herausragen<strong>de</strong>r Schmuck.<br />
Das handgemeißelte Rotsandsteinrelief ist<br />
das Meisterstück von Cbr Steinmetz Bernhard<br />
Istel (ChW), <strong>de</strong>r es <strong>de</strong>r Verbindung nun<br />
als beson<strong>de</strong>rs generöses Geschenk überlassen<br />
hat. Johannes San<strong>de</strong>r (ChW)<br />
Rolf van Rienen<br />
Couleurartikelversand<br />
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Foto: privat<br />
ACADEMIA 5/2012 37
Die Mehrzahl <strong>de</strong>r Deutschen pflegt ein emotional inniges Verhältnis zu Österreich.<br />
Erfährt <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche Gesprächspartner, dass man Österreicher (und kein Bayer)<br />
ist, dann beginnen bei ihm die Augen <strong>de</strong>utlich zu strahlen, und es wer<strong>de</strong>n reihenweise<br />
alpine Urlaubsorte aufgezählt, die man in <strong>de</strong>n letzten Jahren aufgesucht<br />
hat, vorzugsweise im Winter. Vor nicht allzu langer Zeit wur<strong>de</strong> eine Untersuchung<br />
veröffentlicht, dass Österreich bei <strong>de</strong>n Deutschen nach wie vor an <strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>r<br />
bevorzugten Urlaubsorte rangiert. Hingegen können sich Österreicher kaum vorstellen,<br />
in Deutschland Urlaub zu machen (Ausnahme Kurzreisen zu „bildungsnahen“<br />
Orten). Ein wichtiger, vor allem in Österreich wahrgenommener Faktor <strong>de</strong>r<br />
Beziehung zwischen Deutschland und Österreich ist auch <strong>de</strong>r Fußball. „Sieg“ und<br />
„Schmach“ liegen hier eng beieinan<strong>de</strong>r, und das nicht nur in Cordova 1978. Erinnert<br />
sei in diesem Zusammenhang auch an das Endspiel zur Deutschen Meisterschaft<br />
am 21. Juni 1941 – einen Tag vor <strong>de</strong>m Überfall auf die Sowjetunion! –,<br />
als Rapid Wien in einem Furioso (in <strong>de</strong>r legendären „Rapid-Viertelstun<strong>de</strong>“) Schalke<br />
04 bezwang und Deutscher Meister wur<strong>de</strong>. (Dass am diesjährigen Maria Himmelfahrtstag<br />
in Frankfurt/Main Deutschland Argentinien unterlag, während zeitgleich<br />
in Wien Österreich die Türkei besiegte, tat <strong>de</strong>r österreichischen<br />
Fußballseele gut.) Oft wun<strong>de</strong>rt man sich auch aus österreichischer Sicht, wie<br />
man sich in Deutschland das Leben selber oft schwer macht. Vor einigen Jahren<br />
wur<strong>de</strong> mit einem über-komplizierten System die LKW-Maut eingeführt. Prompt<br />
musste <strong>de</strong>swegen die Einführung verschoben wer<strong>de</strong>n. In Österreich wur<strong>de</strong> ein<br />
weniger aufwendiges, dafür billigeres System installiert, das sofort funktionierte<br />
und es immer noch tut. Weitere Beispiele ließen sich anführen.<br />
Während also <strong>de</strong>r Durchschnitts-Deutsche ein durchaus offenes, freundliches,<br />
vielfach historisch unbelastetes Verhältnis zu seinem südlichen Nachbarn verinnerlicht<br />
hat und bei einer Bewertung, welcher Nachbarstaat für ihn am wichtigsten<br />
ist, Österreich an <strong>de</strong>r Spitze steht, ist das beim offiziellen Deutschland<br />
nicht immer so gewesen. Es sei erinnert, dass die <strong>de</strong>utsche Regierung unter Gerhard<br />
Schrö<strong>de</strong>r Anfang 2000 Vorreiter bei <strong>de</strong>n EU-Maßnahmen gegenüber Österreich<br />
war. Unter einem CDU-Kanzler Helmut Kohl wären solche Beschlüsse nicht<br />
gefasst wor<strong>de</strong>n. Man hat damals kaum Deutsche getroffen, die ernsthaft diesen<br />
Boykott gegen Österreich befürwortet hatten. Wie bereits 1986 nach <strong>de</strong>r Wahl<br />
Kurt Waldheims zum Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nten – er wur<strong>de</strong> erst nach seinem Ausschei<strong>de</strong>n<br />
aus diesem Amt Ehrenmitglied <strong>de</strong>r ÖCV-Verbindung Welfia –, so wur<strong>de</strong> 2000<br />
Österreich aus einem politischen Traumzustand gerissen. Es befand sich nach<br />
1945 bzw. 1955 in einer Vorstellung, etwas Beson<strong>de</strong>res zu sein, eine neutrale<br />
Brücke zwischen West und Ost zu bil<strong>de</strong>n und Hüter eines großen historischen und<br />
kulturellen Erbes zu sein. Das Papstwort Pauls VI. von „Österreich, als <strong>de</strong>r Insel<br />
<strong>de</strong>r Seligen“ hat diese Selbstbefindlichkeit noch verstärkt. Dieser Traumzustand<br />
38 5/2012 ACADEMIA<br />
Was <strong>de</strong>nken Österreicher über Deutsche und umgekehrt?<br />
Diesmal stellt Cbr Dr. Gerhard Hartmann (Baj) interessante Gedanken zum Verhältnis <strong>de</strong>r Genannten zueinan<strong>de</strong>r vor.<br />
Braucht Deutschland Österreich?<br />
ist nach 1990 zu einem guten Teil brüchig gewor<strong>de</strong>n. Der damalige EU-Boykott<br />
gegenüber Österreich hat gezeigt, dass es auch in <strong>de</strong>r EU notwendig ist, langfristige,<br />
von <strong>de</strong>r parteipolitischen Zusammensetzung <strong>de</strong>r jeweiligen Regierungen unabhängige<br />
und stabile Freundschaften zu pflegen. Dass dazu Deutschland vorrangig<br />
zählen muss, war offenbar zumin<strong>de</strong>st damals abhan<strong>de</strong>n gekommen.<br />
Das Dilemma ist also offenkundig: Österreich braucht Deutschland nach wie<br />
vor, vor allem in <strong>de</strong>r Wirtschaft sowie im Frem<strong>de</strong>nverkehr – und gera<strong>de</strong> in<br />
diesen Zeiten <strong>de</strong>r Euro-Krise. Deutschland braucht aber (vor<strong>de</strong>rgründig) Österreich<br />
nicht. Dass in dieser Situation an <strong>de</strong>r falschen Stelle gespart wur<strong>de</strong> und eine<br />
Reihe österreichischer Vertretungsbehör<strong>de</strong>n, Außenhan<strong>de</strong>lsstellen und Büros<br />
<strong>de</strong>r offiziellen Frem<strong>de</strong>nverkehrs<strong>werbung</strong> in Deutschland geschlossen wur<strong>de</strong>n,<br />
mag vielleicht kurzfristig das eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Budget sanieren helfen. Diese<br />
Maßnahmen sind aber höchst kurzsichtig und wer<strong>de</strong>n sich schon in ein paar<br />
Jahren bitter rächen.<br />
Trotz alle<strong>de</strong>m: Es war auch 2012 wie<strong>de</strong>r Ferienzeit. Viele <strong>de</strong>utsche Bun<strong>de</strong>sbürger<br />
kamen nach Österreich. Obwohl nicht zu Hause, fühlen sie sich hier daheim. Viele<br />
kommen seit Jahren ins selbe Hotel, kennen <strong>de</strong>ren Inhaber o<strong>de</strong>r Bedienstete fast<br />
schon freundschaftlich. Vielleicht kommen sie spät abends an <strong>de</strong>r Hotel-Bar ins<br />
Gespräch, ob es dabei immer höchst aka<strong>de</strong>misch zugeht, mag dahingestellt sein.<br />
Und vielfach mussten sie bereits feststellen, dass nicht nur Stu<strong>de</strong>nten zunehmend<br />
ihr Glück in Österreich suchen wollen, son<strong>de</strong>rn auch Bedienstete <strong>de</strong>s Gast- und<br />
Beherbergungsgewerbes – vornehmlich aus <strong>de</strong>n neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn übrigens.<br />
An <strong>de</strong>r positiven Einstellung <strong>de</strong>r Deutschen gegenüber Österreich und <strong>de</strong>n Österreichern<br />
hat sich und wird sich wohl nichts än<strong>de</strong>rn. Es ist das vielleicht die Sehnsucht<br />
nach einer an<strong>de</strong>ren Lebens- und Genusskultur. Dabei stößt man immer wie<strong>de</strong>r<br />
auf das wi<strong>de</strong>rsprüchliche Phänomen, dass die <strong>de</strong>utschen Österreichurlauber<br />
von <strong>de</strong>m herrlichen Essen dort schwärmen. Sind sie zu Hause, gehen sie wie<strong>de</strong>r<br />
zum Griechen, Thailän<strong>de</strong>r etc., und kaum ein österreichisches Restaurant überlebt<br />
länger. Gera<strong>de</strong> bei Besuchern in Wien (aber nicht nur dort) wird nicht nur die<br />
Sehnsucht nach einer an<strong>de</strong>ren Lebenseinstellung, son<strong>de</strong>rn auch nach einem verlorenen<br />
Heimatgefühl geweckt, das man in <strong>de</strong>n vielen durch Bomben und Krieg<br />
zerstörten und nach 1945 rasch wie<strong>de</strong>r aufgebauten und somit lei<strong>de</strong>r geschichtswie<br />
oft gesichtslosen <strong>de</strong>utschen Städten nicht mehr fin<strong>de</strong>t kann. Möglicherweise<br />
braucht Deutschland dann Österreich doch noch.<br />
Priv.-Doz. Dr. Gerhard Hartmann (Baj) lebte aus beruflichen Grün<strong>de</strong>n seit<br />
1982 in Köln, dann, seit 1999 in Kevelaer. Er ist unter an<strong>de</strong>rem Verfasser einiger<br />
Bücher zur Geschichte <strong>de</strong>s (Ö)CV.
Breslau-Krakau-Städtereise <strong>de</strong>r KDStV Alcimonia<br />
Eichstätt/Breslau/Krakau.Vom Montag,<br />
18., bis Sonntag, 24. März 2013, fin<strong>de</strong>t<br />
die erste Breslau-Krakau-Städtereise <strong>de</strong>r<br />
KDStV Alcimonia Eichstätt im Rahmen<br />
<strong>de</strong>r CV-Aka<strong>de</strong>mie statt. Die Kulturfahrt<br />
schließt unter an<strong>de</strong>rem Besuche <strong>de</strong>s<br />
Marienwall fahrts ortes Tschenstochau so-<br />
Seminare CV-Aka<strong>de</strong>mie<br />
22/2012, „Wie verän<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Glaube die eigene Persönlichkeit?“<br />
7. bis 9. Dezember 2012, Seminar <strong>de</strong>r KDStV Bergland,<br />
Vinzenz Forum Pallotti, Vallendar<br />
Anfragen und Seminaranmeldungen bitte richten an das<br />
CV-Sekretariat, Linzer Str. 82, 53604 Bad Honnef, Tel. 02224/96002-0,<br />
Fax 02224/96002-20, aka<strong>de</strong>mie@cartellverband.<strong>de</strong><br />
wie <strong>de</strong>s Gelän<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s Konzentrations -<br />
lagers Auschwitz ein. Auf <strong>de</strong>m Programm<br />
stehen außer<strong>de</strong>m eine Kreuzkneipe mit<br />
<strong>de</strong>r AV Salia-Silesia zu Gleiwitz im CV<br />
sowie eine Begegnung mit Verantwortlichen<br />
<strong>de</strong>r Jagillonen-Universität Krakau,<br />
organisiert vom Alfons-Fleischmann-<br />
<br />
<br />
Cartellverband<br />
Verein Eichstätt (AFV). Die ortskundige<br />
Leitung <strong>de</strong>r Städtetour liegt bei Frau Theodora<br />
Boruszczak, die Teilneh merzahl ist<br />
auf 30 beschränkt. Weitere Informationen<br />
gibt es unter www.alcimonia.<strong>de</strong>, Anmeldun -<br />
gen wer<strong>de</strong>n ab sofort unter staedtereise@<br />
alcimonia.<strong>de</strong> erbeten. AC<br />
Wir sind eine überörtliche Patentanwaltssozietät mit Standorten in Villingen-Schwenningen, München und<br />
Linz. Zu unseren Mandanten zählen kleine und mittelständische Unternehmen aus unterschiedlichen<br />
Technikbereichen sowie international agieren<strong>de</strong> Konzerne. Unsere Tätigkeitsschwerpunkte im<br />
Patentwesen liegen dabei in <strong>de</strong>n Bereichen Elektrotechnik und Maschinenbau.<br />
Für unseren Standort in Villingen-Schwenningen (Ba<strong>de</strong>n-Württemberg) suchen wir zum nächstmöglichen<br />
Zeitpunkt<br />
einen Patentanwaltskandidaten (m/w)<br />
sowie<br />
einen Patentanwalt/European Patent Attorney (m/w)<br />
mit abgeschlossenem Universitätsstudium <strong>de</strong>r Fachrichtungen Elektrotechnik o<strong>de</strong>r Maschinenbau.<br />
Wir bieten sowohl eine exzellente Ausbildung als auch vielfältige und interessante Tätigkeiten in einem<br />
motivierten Team. Wir streben eine langfristige Zusammenarbeit an.<br />
Ihre Be<strong>werbung</strong> richten Sie, gerne auch per E-Mail, an<br />
Cbr. Robert Göhring Va!, Elb! und Cbr. Stephan J. Mixa Va!<br />
Die Schwarze Madonna –<br />
auch zu ihr führt die Reise.<br />
Patentanwälte Westphal, Mussgnug & Partner<br />
Am Riettor 5, 78048 Villingen-Schwenningen, Tel.: 07721 8838-0, mail@wemupat.<strong>de</strong>, www.wemupat.<strong>de</strong><br />
Anzeige<br />
ACADEMIA 5/2012 39
Cartellverband<br />
„Beziehungen“ und „Bu<strong>de</strong>n“ sind die<br />
Lebensa<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s CV und seiner Verbindungen<br />
Ergebnisse <strong>de</strong>r CV-Mitglie<strong>de</strong>rbefragung: Keilempfehlungen aus <strong>de</strong>m Umfeld <strong>de</strong>r Alten Herren,<br />
preiswerte Stu<strong>de</strong>ntenzimmer und Webseiten sind die wichtigsten Quellen für neue Mitglie<strong>de</strong>r<br />
Bad Honnef. CVer studieren im allgemeinen<br />
schneller und erzielen bessere<br />
Abschlüsse; dies war bislang die Annahme<br />
aus älteren, CV-internen Erhebungen.<br />
Seit Juni letzten Jahres haben 156 Aktive<br />
und 110 alte Herren unter 40 Jahren und<br />
mit bis zu acht Jahren Berufspraxis an<br />
<strong>de</strong>n Onlinebefragungen <strong>de</strong>s internationalen<br />
Beratungsunternehmens Universum<br />
(Stockholm/Phila<strong>de</strong>lphia/Köln/Shanghai)<br />
teilgenommen und das höhere Studientempo<br />
klar bestätigt:<br />
Unsere Studieren<strong>de</strong>n im CV sind zwar ca.<br />
ein Jahr älter als <strong>de</strong>r Durchschnitt, mit 6,6<br />
vs. 6,9 von 10 Punkten etwas mittelmäßiger<br />
in ihren Noten und mit jährlich 44.434<br />
Euro um ca. 800 Euro anspruchsvoller in<br />
ihren Gehaltserwartungen. Dafür jedoch<br />
gelingt unseren Cartellbrü<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Berufseinstieg<br />
etwa eineinhalb Jahre früher<br />
als <strong>de</strong>m Durchschnitt. Mit 4,3 Jahren Be-<br />
Zur Methodik<br />
<strong>de</strong>r Online-Befragung<br />
Studieren<strong>de</strong> und Professionals – Aka<strong>de</strong>miker<br />
mit bis zu acht Jahren Berufserfahrung<br />
– wur<strong>de</strong>n unter Zuhilfenahme von Online-<br />
Netzwerken, Alumni-Organisationen und<br />
an<strong>de</strong>ren Partnern per Email zu einer ca.<br />
15-minütigen Online-Befragung eingela<strong>de</strong>n.<br />
Die Einladung enthielt einen Link, mit<br />
<strong>de</strong>m die Teilnehmer auf <strong>de</strong>n Online-Fragebogen<br />
zugreifen konnten. Die Befragten<br />
erfuhren direkt im Anschluss, welcher Karriere-Typ<br />
sie sind und welche Unternehmen<br />
basierend auf ihren Karriereprioritäten gut<br />
zu ihnen passen. Die Ergebnisse <strong>de</strong>r unabhängigen,<br />
nationalen Befragungen wur<strong>de</strong>n<br />
in <strong>de</strong>r Wirtschaftswoche und in <strong>de</strong>r Financial<br />
Times veröffentlicht. Alle Antworten<br />
wer<strong>de</strong>n gemäß <strong>de</strong>n Datenschutzbestimmungen<br />
anonym behan<strong>de</strong>lt. Die nächste<br />
Universum Professional-Studie startet<br />
im Laufe <strong>de</strong>s Juli 2012.<br />
40 5/2012 A ACADEMIA<br />
rufserfahrung verdienen sie durchschnittlich<br />
58.302 Euro jährlich und damit etwa<br />
1.000 Euro weniger als ihre Kollegen,<br />
sind aber auch ca. ein Jahr jünger. Anhand<br />
<strong>de</strong>r Zahlen älterer teilnehmen<strong>de</strong>r Cartellbrü<strong>de</strong>r<br />
wissen wir, dass das Gehaltsniveau<br />
nach durchschnittlich 16,5 Berufsjahren<br />
bei <strong>de</strong>rzeit 88.325 Euro p.a. liegt.<br />
CVER-KARRIEREZIEL:<br />
FÜHRUNGSKRAFT IM<br />
ÖFFENTLICHEN DIENST<br />
Beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>utlich grenzen sich unsere<br />
CVer im Hinblick auf ihre Karriereziele<br />
vom Gros <strong>de</strong>r männlichen Studieren<strong>de</strong>n<br />
bzw. Berufstätigen ab: 47% unserer jungen<br />
Berufstätigen (vs. ø 40% aller männ-<br />
lichen Studienteilnehmer) und sogar 51%<br />
unserer Studieren<strong>de</strong>n (vs. ø 37%) streben<br />
die Übernahme von Führungs- und an<strong>de</strong>ren<br />
verantwortungsvollen Aufgaben an.<br />
65% unserer Aka<strong>de</strong>miker (vs. ø 45%) legen<br />
Wert auf ein intellektuell anspruchs-<br />
<br />
<br />
Bei bei<strong>de</strong>n Gruppen zeigt sich eine klare<br />
Präferenz für die Berufsfel<strong>de</strong>r „Öffentlicher<br />
Dienst / Politik“ und „Forschung &<br />
Lehre“. Die bei männlichen Studieren<strong>de</strong>n<br />
normalerweise mit ca. 30% hoch im Kurs<br />
stehen<strong>de</strong>n Arbeitgeber aus <strong>de</strong>r Automobilindustrie<br />
erreichen bei <strong>de</strong>n CVern allenfalls<br />
beschei<strong>de</strong>ne 18%.<br />
Soweit eine kurze Zusammenfassung zum<br />
<br />
mit bis zu acht Jahren Berufspraxis. In <strong>de</strong>r<br />
Studie wur<strong>de</strong>n aber auch fünf CV-spezi-<br />
<br />
Wie ist <strong>de</strong>r Kontakt zu Deiner CV-Stu<strong>de</strong>ntenverbindung zustan<strong>de</strong> gekommen?
Was war letzten En<strong>de</strong>s Ausschlag gebend dafür, dass Du in Deiner CV-Verbindung aktiv gewor<strong>de</strong>n bist?<br />
tung <strong>de</strong>r Antworten auf diese für Aktivitates<br />
und Altherrenschaften existenziell<br />
wichtigen Fragen lässt unter an<strong>de</strong>rem<br />
folgen<strong>de</strong> Verän<strong>de</strong>rung im Zustan<strong>de</strong>kommen<br />
<strong>de</strong>s Erstkontakts zu Interessenten<br />
erkennen: Während 31% unserer heute<br />
berufstätigen Cartellbrü<strong>de</strong>r auf Empfehlung<br />
hin kontaktiert wor<strong>de</strong>n sind, erfolgte<br />
dies nur noch bei 19% unserer Studieren<strong>de</strong>n.<br />
Dagegen haben 44% unserer Aktiven<br />
im Zuge ihrer Zimmersuche <strong>de</strong>n Weg zur<br />
CV-Verbindung gefun<strong>de</strong>n. Dies be<strong>de</strong>utet<br />
eine Keilungs-Verschiebung weg von <strong>de</strong>r<br />
überzeugten Empfehlung <strong>de</strong>s CV und seiner<br />
Verbindungen hin zum rein pragmatischem<br />
Moment einer Unterkunft in einem<br />
Verbindungshaus. Eine aus zweierlei<br />
Grün<strong>de</strong>n gefährliche Entwicklung:<br />
KEILGÄSTE EMPFEHLEN,<br />
HÄUSER RENOVIEREN<br />
Erstens scheinen sich unsere jüngeren<br />
Alten Herren nicht mehr so intensiv im<br />
Familien- und Bekanntenkreise nach<br />
keilfähigen Studienanfängern umzusehen<br />
und diese ihren Ur- o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
CV-Verbindungen als Keilgäste zu empfehlen.<br />
Zweitens birgt die Keilung von<br />
44% unserer Aktiven über preiswerten<br />
Stu<strong>de</strong>ntenwohnraum die Gefahr, dass<br />
insbeson<strong>de</strong>re CV-Verbindungen mit älteren,<br />
nicht auf mo<strong>de</strong>nem Niveau gehaltenen<br />
Stu<strong>de</strong>ntenzimmern ihr bisheriges<br />
Keilpotenzial verlieren. Dies dürfte sich<br />
spätestens 2020 mit Einknicken <strong>de</strong>r aktu-<br />
ellen Stu<strong>de</strong>ntenschwemme aufgrund <strong>de</strong>s<br />
<strong>de</strong>rzeit vielerorts entstehen<strong>de</strong>n Überangebots<br />
an brandneuen, exzellent ausgestattenen<br />
Appartments à la „Stu<strong>de</strong>ntisches<br />
Wohnen“ massiv bemerkbar machen. Immerhin<br />
such(t)en aber noch 30% unserer<br />
Cartellbrü<strong>de</strong>r unabhängig davon initiativ<br />
<strong>de</strong>n Kontakt zu ihrer Verbindung. Wegen<br />
<strong>de</strong>r zunehmen<strong>de</strong>n Internetpräferenz gera<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r jüngeren Zielgruppen ist in diesem<br />
Zusammenhang die aussagekräftige Darstellung<br />
über eine mo<strong>de</strong>rne Webseite ein<br />
Muss für je<strong>de</strong> CV-Stu<strong>de</strong>ntenverbindung!<br />
Entschei<strong>de</strong>nd für <strong>de</strong>n Rezeptionsantrag<br />
unserer Cartellbrü<strong>de</strong>r war und ist – Wen<br />
wun<strong>de</strong>rt‘s? – die „gute Stimmung auf<br />
<strong>de</strong>m Verbindungshaus“ und die damit<br />
verbun<strong>de</strong>ne „Freundschaft zu einem Bun<strong>de</strong>sbru<strong>de</strong>r“.<br />
Allerdings geben ganze 44%<br />
<strong>de</strong>r studieren<strong>de</strong>n CVer die „Zugehörigkeit<br />
zu einer starken Gemeinschaft“ als ein<br />
Hauptmotiv für ihre Mitgliedschaft an.<br />
Sicherlich eine Aussage, mit <strong>de</strong>nen unsere<br />
Verbindungen und <strong>de</strong>r Cartellverband<br />
selbst in Zukunft expressis verbis intensiver<br />
werben sollten.<br />
Gut 40% nennen das Generationen übergreifen<strong>de</strong><br />
Lebensbundprinzip als Ursache<br />
für ihre Verbindungszugehörigkeit. Allerdings<br />
scheinen „<strong>de</strong>r interdisziplinäre<br />
Austausch im Studium“ und auch „die<br />
Gemeinschaft katholischer Stu<strong>de</strong>nten“ an<br />
Be<strong>de</strong>utung zu verlieren.<br />
Abschließend sei noch ergänzt, dass sich<br />
knapp die Hälfte (49%) unserer Aktiven<br />
vor ihrem Studium als Messdiener und<br />
37% als Jugendgruppenleiter engagiert<br />
Cartellverband<br />
haben. Dies be<strong>de</strong>utet, dass wir unsere<br />
Pfarrgemein<strong>de</strong>n mehr <strong>de</strong>nn je als Keilungsplattformen<br />
wie<strong>de</strong>rent<strong>de</strong>cken müssen.<br />
MEHR WERBUNG IN<br />
DEN PFARRGEMEINDEN<br />
Ergo: Liebe Conphilister, haltet in Euren<br />
Familien und im Freun<strong>de</strong>s- und Bekanntenkreis<br />
gezielt Ausschau nach angehen<strong>de</strong>n<br />
Stu<strong>de</strong>nten und erzählt diesen vom<br />
CV und <strong>de</strong>n Vorteilen <strong>de</strong>s Couleurstu<strong>de</strong>ntentums!<br />
Übermittelt ortsansässigen<br />
CV-Verbindungen frühzeitig <strong>de</strong>ren Kontaktdaten<br />
und fasst nach, ob Eure Empfehlung<br />
auch nachverfolgt wur<strong>de</strong>.<br />
Sprecht die Messdiener und Gruppenleiter<br />
in Euren Pfarrgemein<strong>de</strong>n an und berichtet<br />
ihnen über die Existenz unserer katholischen<br />
Verbindungen und unserer „CV-<br />
Kirche“.<br />
Liebe Hausvereinsvorsitzen<strong>de</strong>, bringt Eure<br />
Stu<strong>de</strong>ntenzimmer und Verbindungshäuser<br />
möglichst kurzfristig auf ein nachhaltig<br />
konkurrenzfähiges Wohnniveau.<br />
Und – last but not least – liebe Aktivitates,<br />
sorgt dafür, dass Eure Websites zeitgemäß<br />
<br />
Dann klappt‘s auch mit <strong>de</strong>r Keilung.<br />
Tom Peters (B-Th)<br />
[Der Autor steht als Ansprechpartner<br />
für Fragen zu <strong>de</strong>n Universum-Studien<br />
und zu <strong>de</strong>n CV-Ergebnissen gern zur<br />
Verfügung: tom.peters@comm-act.<strong>de</strong>]<br />
A ACADEMIA 5/2012 41
Cartellverband<br />
Weihbischof<br />
Manfred<br />
Melzer<br />
Ehrenmitglied<br />
<strong>de</strong>r KDStV<br />
Ripuaria Bonn<br />
Bonn. Ripuaria Bonn hat ein neues Ehren-<br />
mitglied, das sich in die stolze Reihe <strong>de</strong>r<br />
kirchlichen Wür<strong>de</strong>nträger <strong>de</strong>r 1863 gegrün<strong>de</strong>ten<br />
Verbindung einreiht. Vor Weihbischof<br />
Manfred Melzer trugen die Bischöfe<br />
Wilhelm Schnei<strong>de</strong>r (Pa<strong>de</strong>rborn),<br />
Franz Rudolf Bornewasser (Trier), Josef<br />
Müller und Wilhelm Stockums (Köln),<br />
Nuntius Corrado Kardinal Bafile (Rom),<br />
42 5/2012 ACADEMIA<br />
Die Activitas mit <strong>de</strong>m Ehrenmitglied,<br />
das in <strong>de</strong>r Vergangenheit schon häufig mit<br />
Bonner Ripuaren zu tun hatte.<br />
Philistersenior Stephan Bücker und das neue<br />
Ehrenmitglied Weihbischof Manfred Melzer bei<br />
<strong>de</strong>r Überreichung <strong>de</strong>r Urkun<strong>de</strong>.<br />
Abt Il<strong>de</strong>fons Schulte-Strathaus (Michaelsberg<br />
Siegburg) und Joseph Kardinal Höffner<br />
(Köln) das Ripuarenband. Dem Kölner<br />
Weihbischof Melzer, geboren 1944 in Solingen-Ohligs<br />
– ehemals erzbischöflicher<br />
Kaplan und Geheimsekretär unseres Ehrenmitglieds<br />
Joseph Kardinal Höffner –<br />
wur<strong>de</strong> das blau-weiß-rote Band Ripuariae<br />
CV-Zirkel Wiesba<strong>de</strong>n spen<strong>de</strong>te 3.300 Euro<br />
Wiesba<strong>de</strong>n. Der CV-Zirkel Wiesba<strong>de</strong>n übergab Anfang Juli <strong>de</strong>m Hospizverein Auxilium<br />
Wiesba<strong>de</strong>n einen Scheck in Höhe von über 3.300 Euro. Bereits zum siebten Mal schenkten<br />
Alte Herren <strong>de</strong>s Zirkels und ihre Damen Wein und Wasser an die Besucher <strong>de</strong>s Wiesba<strong>de</strong>ner<br />
Pfingstturniers im Schlosspark zu Wiesba<strong>de</strong>n-Biebrich aus, dieses Jahr unterstützt durch<br />
Aktive <strong>de</strong>r Rheno-Palatia Breslau zu Mainz. Auxilium bietet Begleitung für Menschen mit<br />
einer unheilbaren Erkrankung, Begleitung für Sterben<strong>de</strong> und für trauern<strong>de</strong> Menschen. Reingewinn<br />
und Spen<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>n Reihen <strong>de</strong>s Zirkels ergaben diese Summe. Alle Cartellbrü<strong>de</strong>r<br />
und ihre Damen hatten während ihres Dienstes am Stand Gelegenheit, sich von <strong>de</strong>r positiven<br />
Wirkung solcher Wohltätigkeitsaktionen durch Couleurstu<strong>de</strong>nten auf das Bewusstsein <strong>de</strong>r<br />
Öffentlichkeit zu überzeugen. Der Zirkel engagiert sich seit 1995 auf <strong>de</strong>m caritativen Sektor mit<br />
Spen<strong>de</strong>n, die an Kin<strong>de</strong>rgärten, Altenheime, Hospizvereine u.ä. gehen. Theo Krekeler (Nm)<br />
am 2. Mai bei einem Aka<strong>de</strong>mischen Festakt<br />
vor einer großen Corona von Gästen und<br />
Cartell- und Bun<strong>de</strong>sbrü<strong>de</strong>rn verliehen.<br />
Philistersenior Stephan Bücker erklärte,<br />
<strong>de</strong>r Weihbischof lebe das Prinzip religio in<br />
<strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s katholischen Glaubens<br />
und <strong>de</strong>s Verständnisses <strong>de</strong>r christlichen<br />
Konfes sionen untereinan<strong>de</strong>r. Sein bischöflicher<br />
Wahlspruch „Diligendo Deum cognoscere“<br />
belegt die aktive Gestaltung <strong>de</strong>s<br />
eigenen Le bens aus <strong>de</strong>m Glauben in <strong>de</strong>r<br />
Verantwortung vor Gott, <strong>de</strong>n Menschen<br />
und <strong>de</strong>r Schöpfung. Eine beson<strong>de</strong>re Beziehung<br />
zu Ripuaria besteht für Melzer<br />
auch in <strong>de</strong>r Mitgliedschaft <strong>de</strong>r Theologenverbindung<br />
VKTh Burgundia im Konvikt<br />
Albertinum in Bonn, mit <strong>de</strong>r Ri puaria ein<br />
Freundschaftsabkommen pflegt.<br />
Nach <strong>de</strong>r Laudatio nahm <strong>de</strong>r Philistersenior<br />
zusammen mit <strong>de</strong>m Aktivensenior<br />
René van Reimersdahl Manfred Melzer<br />
<strong>de</strong>n Burscheneid ab und verlieh ihm das<br />
Ripuarenband. Zu<strong>de</strong>m überreichte <strong>de</strong>r
Philistersenior <strong>de</strong>m neuen Ehrenmitglied<br />
die Mütze und das Diplom <strong>de</strong>r Verbindung<br />
und begrüßte <strong>de</strong>n Bischof herzlich als neuen<br />
Bun<strong>de</strong>sbru<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bonner Ripuaren.<br />
Cbr Bischof Melzer bedankte sich in einer<br />
Replik für die Laudatio und fand sehr<br />
freundliche Worte über seine Aufnahme bei<br />
<strong>de</strong>n Ripuaren. Er baute sogleich eine weitere<br />
Brücke auf: er hielt ein Werbeblatt <strong>de</strong>r<br />
Ripuaria aus <strong>de</strong>m Wintersemester 1981/82<br />
hoch, auf <strong>de</strong>m in schwarzer Handschrift<br />
auf kardinalsrotem Papier stand: „Das<br />
Gegenwärtigsein <strong>de</strong>r Ripuaria an <strong>de</strong>r Universität<br />
steht nicht unter <strong>de</strong>m Gesetz <strong>de</strong>r<br />
zugeschlossenen Arche, son<strong>de</strong>rn unter<br />
<strong>de</strong>m Zeichen <strong>de</strong>s Sauerteigs, <strong>de</strong>r in das<br />
Mehl gehört, nicht daneben. Köln, Allerheiligen<br />
1981, + Joseph Card. Höffner“.<br />
Sodann zeichnete er <strong>de</strong>n Weg zu seiner<br />
neuen Verbindung in vielen Erlebnissen<br />
nach, die ihn schon zu Studienzeiten auf<br />
das Bonner Ripuarenhaus geführt hatten.<br />
Dort h a t -<br />
aktive<br />
Gestaltung<br />
<strong>de</strong>s eigenen<br />
Lebens<br />
aus <strong>de</strong>m<br />
Glauben<br />
t e e r<br />
nicht nur<br />
als Senior<br />
<strong>de</strong>r Theologenverb<br />
i n d u n g<br />
V K T h<br />
Burgundia<br />
bereits in<br />
<strong>de</strong>n 60-er<br />
Jahren eine<br />
Kneipe<br />
g e s c h l a -<br />
gen, son-<br />
<strong>de</strong>rn auch manche Diskussionen und Dispute<br />
mit Theologen geführt, die auch das<br />
Ripuarenband tragen. Beson<strong>de</strong>rs freute<br />
sich Cbr Bischof Melzer über die stattliche<br />
Activitas und kündigte für das nächste Semester<br />
einen Abend an, <strong>de</strong>r ganz einem intensiven<br />
Gedankenaustausch mit <strong>de</strong>r Activitas<br />
dienen solle.<br />
Nach <strong>de</strong>n Re<strong>de</strong>n versammelte sich die Ripuarenfamilie<br />
mit ihrem neuen Mitglied vor<br />
<strong>de</strong>m Verbindungshaus um eine Papstbank<br />
von <strong>de</strong>r Eucharistiefeier auf <strong>de</strong>m Freiburger<br />
Flugplatzgelän<strong>de</strong> zum Abschluss <strong>de</strong>s<br />
Besuchs von Papst Benedikt XVI. 2011 in<br />
Deutschland; diese Bank wur<strong>de</strong> erst wenige<br />
Tage zuvor von Cbr Hermann-Josef Busen<br />
(RBo) seiner Verbindung gestiftet.<br />
Dr. Ulrich Schnorrenberg (RBo),<br />
Stephan Bücker (RBo)<br />
und Walter Gauer (RBo)<br />
Cartellverband<br />
COMMENTiert<br />
Stolzes Attribut vieler Verbindungshäuser sind die<br />
Ahnengalerien ihrer Alten Herren, am besten fortlaufend<br />
bis zur Gründung. Wie die Gefallenentafeln bei<strong>de</strong>r Weltkriege<br />
sind diese immer wie<strong>de</strong>r Anstoß zum Nach<strong>de</strong>nken über die Einheit<br />
<strong>de</strong>s Lebensbun<strong>de</strong>s, die Brücke <strong>de</strong>r Tradition, die Treue zu <strong>de</strong>n<br />
Prinzipien; <strong>de</strong>r Hel<strong>de</strong>nkult früherer Zeiten ist passé.<br />
Durchaus erinnere ich mich <strong>de</strong>r ersten Chargierfahrten zu<br />
Beerdigungen Alter Herren, die, mir persönlich zwar unbekannt,<br />
ein an<strong>de</strong>res Verständnis weckten für die größere Gemeinschaft<br />
über <strong>de</strong>n Kreis hinaus, in <strong>de</strong>m man als Aktiver sich lebensfroh<br />
bewegte. Im Lauf <strong>de</strong>r Jahre haben sich dann zunehmend auch gute<br />
Freun<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>n Dahingegangenen gereiht, <strong>de</strong>rer zu ge<strong>de</strong>nken in<br />
einer Verbindung Raum ist:<br />
Anlässe sind zunächst Kommerse, bei <strong>de</strong>nen wir nicht nur ein<br />
soundsovieltes Stiftungsfest feiern, son<strong>de</strong>rn in stillem<br />
Totenge<strong>de</strong>nken <strong>de</strong>r Verstorbenen erinnern – Momente, die<br />
nachwirken. Zumin<strong>de</strong>st im süd<strong>de</strong>utschen Raum ist <strong>de</strong>r Gräbergang<br />
zu Allerheiligen fester Bestandteil <strong>de</strong>s Semesterprogramms.<br />
Keineswegs nur die katholischen Korporationen sind dabei<br />
unterwegs, son<strong>de</strong>rn, respektvoll die Mütze voreinan<strong>de</strong>r ziehend,<br />
begegnen sich hier die Vertreter aller Couleur, und manches<br />
Grab ziert hernach ein Kranz mit Farbenschleife. Seltener<br />
scheint die Abhaltung sogenannter Trauerkneipen gewor<strong>de</strong>n zu<br />
sein, die aber schon aus Grün<strong>de</strong>n einer gewissen Praxis jeweils<br />
zum Totensonntag, am besten mit einem vorausgehen<strong>de</strong>n<br />
Ge<strong>de</strong>nkgottesdienst, stattfin<strong>de</strong>n sollten:<br />
Die Trauerkneipe wird vom Präsi<strong>de</strong>n in umflorter Salonwichs<br />
ge schlagen. Je<strong>de</strong>r Teilnehmer erhält ein volles Glas. Der<br />
Kneip saal ist von Kerzenlicht erleuchtet. Die Corona nimmt<br />
schweigend ihre Plätze ein. Der Stuhl zur Rechten <strong>de</strong>s Präsi<strong>de</strong>n<br />
ist leer, die Rückenlehne umflort. Davor brennt eine Kerze,<br />
daneben steht ein volles Glas. Der Präsi<strong>de</strong> nimmt schweigend<br />
seinen Platz ein und legt <strong>de</strong>n Schlä ger ohne Kommando hin. Ein<br />
Trauerlied wird getragen angestimmt, nach kurzer Begrüßung<br />
ist ein „Colloquium triste“ möglich. Nach <strong>de</strong>m nächsten Lied<br />
hält <strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong> die Gedächtnisre<strong>de</strong>, verliest die Namen und<br />
Lebensläufe <strong>de</strong>r Verstorbenen, woran sich eine Ge<strong>de</strong>nkminute<br />
anschließt: „Silentium triste in memoriam!“ Nach <strong>de</strong>m dritten<br />
Lied folgt <strong>de</strong>r Trauersalaman<strong>de</strong>r, für <strong>de</strong>n alle Kerzen bis auf<br />
die vor <strong>de</strong>m leeren Stuhl gelöscht wer<strong>de</strong>n. Der Präsi<strong>de</strong>: „Corona<br />
hoch! Auf un seren Bun<strong>de</strong>sbru<strong>de</strong>r trinken wir <strong>de</strong>n letzten<br />
Schluck.“ Die Gläser wer<strong>de</strong>n leise ausgetrunken. Der Präsi<strong>de</strong>:<br />
„Alle Gläser sind leer, nur eines ist voll. Der es trank, ist<br />
nicht mehr. Höre es, toter Bru<strong>de</strong>r, ich trinke Dir das letzte<br />
Glas. – Wie <strong>de</strong>in Leben zerbrochen ist, so zerbreche dieses<br />
Glas. – Wie Dein Leben verloschen ist, so verlösche die ses<br />
Licht. – Im Rei che <strong>de</strong>s Lichts sehen wir uns wie<strong>de</strong>r. Trauer -<br />
kneipe ex.“ Alle Anwesen<strong>de</strong>n verlassen wortlos Kneipe und Haus.<br />
Im Anschluß verbietet sich je<strong>de</strong>s Exkneipen.<br />
Dr. Bernhard Grün (Mm)<br />
ACADEMIA 5/2012 43
Cartellverband<br />
Teelicht mit <strong>de</strong>m<br />
Logo <strong>de</strong>s CV<br />
Schmallenberg. Das Bekenntnis zum Cartell -<br />
verband und seinen wegweisen<strong>de</strong>n Prinzipien<br />
kennt viele Formen. Eine beson<strong>de</strong>re<br />
Form ist ein durchsichtiges Rundglas, das<br />
zweimal das Logo <strong>de</strong>s Cartellverban<strong>de</strong>s trägt<br />
(siehe Bild untenstehend). Gedacht ist es<br />
für die Aufnahme eines Teelichts. Der CV-<br />
Zirkel Hunau-Wilzenberg hat es anfertigen<br />
lassen. Initiator ist dankenswerterweise<br />
Cbr Herbert Grobbel (Hs). Das Glas ist 11<br />
Zentimeter hoch und hat einen Durchmesser<br />
von 5,5 Zentimetern. Pro Glas liegt <strong>de</strong>r<br />
Preis bei 1,95 Euro, dazu kommen noch die<br />
Kosten für Verpackung und Porto. Die Sendung<br />
enthält zwölf Stück, das heißt zwölf<br />
Gläser. Unschwer vorzustellen, wie sich<br />
das „CV-Teelicht“ für <strong>de</strong>n CV-Kommers, für<br />
Gau- und Zirkelveranstaltungen o<strong>de</strong>r einfach<br />
nur für gemütliche Aben<strong>de</strong> eignet. AC<br />
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44 5/2012 ACADEMIA<br />
Cbr Bischof Dr. Overbeck von Essen:<br />
„Verbindung mit <strong>de</strong>r Verbindung“<br />
Essen. Der Essener Bischof Dr. Franz-Josef<br />
Overbeck ist neues Ehrenmitglied <strong>de</strong>r<br />
KDStV Nordmark Essen. Aufgenommen<br />
wur<strong>de</strong> er im Rahmen <strong>de</strong>s Stiftungsfestes<br />
im ablaufen<strong>de</strong>n Sommersemester. Bischof<br />
Overbeck, <strong>de</strong>ssen Vorgänger Kardinal<br />
Franz Hengsbach (Hr) ein be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r<br />
CVer war, sprach von einer „schönen und<br />
kurzweiligen Feier“. Er gab seiner Hoffnung<br />
Ausdruck, die „Verbindung mit <strong>de</strong>r<br />
Bischof Dr. Overbeck ergriff<br />
das Wort, nach<strong>de</strong>m das Band<br />
<strong>de</strong>r KDStV Nordmark Essen<br />
angelegt wor<strong>de</strong>n war.<br />
Freu<strong>de</strong> über die Aufnahme<br />
<strong>de</strong>s prominenten Geistlichen<br />
als Ehrenmitglied auch<br />
seitens <strong>de</strong>r Activitas.<br />
Verbindung“ in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Jahren<br />
weiter vertiefen zu können. PhilX Cbr<br />
Stefan Kleine-Möllhoff drückte sich erfreut<br />
über die Aufnahme <strong>de</strong>s neuen pro -<br />
minenten Mitglieds aus. Im Rahmen <strong>de</strong>r<br />
Jubel-Cartellversammlung 2011 in Essen<br />
hatte Bischof Oberbeck das Pontifikalamt<br />
im Essener Dom gefeiert. Ein Interview<br />
mit Cbr Dr. Franz-Josef Overbeck (Ndm)<br />
in <strong>de</strong>r ACADEMIA folgt in Kürze. AC
<br />
Warum bezahlt Deutschland seine Professoren so schlecht?<br />
Köln. Seit <strong>de</strong>m Sommersemester 2012 unterrichte ich<br />
als nebenberuflicher Dozent an <strong>de</strong>r Fachhochschule Köln.<br />
Ein Bekannter, <strong>de</strong>m ich davon erzählte, meinte darauf<br />
spontan: „Promovieren Sie doch noch. Dann können Sie ja<br />
Professor wer<strong>de</strong>n.“<br />
Diese Aussage bewog mich dazu, einmal die einschlägigen<br />
Beamtenbesoldungstabellen zu studieren, um zu erfahren,<br />
was Professoren eigentlich verdienen. In meinem Fall<br />
an einer Fachhochschule ist die Besoldungsgruppe W2<br />
einschlägig. Ohne eigenes Verhandlungsgeschick o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
(beschei<strong>de</strong>nen) Finanzlage <strong>de</strong>r Hochschule geschul<strong>de</strong>te<br />
Zulagen entspricht das in Nordrhein-Westfalen einem monatlichen<br />
Bruttobasisgehalt von 4.354 Euro. Das erschien<br />
mir als beurlaubtem Bun<strong>de</strong>sbeamten auf <strong>de</strong>n ersten Blick<br />
nicht wirklich viel Geld zu sein. Ein Blick in die Besoldungs -<br />
tabelle <strong>de</strong>r Besoldungsgruppe A zeigt, dass das <strong>de</strong>m<br />
Gehalt eines Regierungsrates (A13), also <strong>de</strong>m Eingangs -<br />
amt <strong>de</strong>s Höheren Dienstes, mit 17 Jahren Berufs er fah -<br />
rung o<strong>de</strong>r eines Oberstudienrates (A14) mit zehn Jahren<br />
Berufserfahrung entspricht. A15, was einem Regierungs -<br />
direktor entspräche, liegt in je<strong>de</strong>m Falle über W2.<br />
Ich wur<strong>de</strong> nach<strong>de</strong>nklich. Ein gewöhnlicher Gymnasiallehrer<br />
mit zwei Staatsexamina verdient also in aller Regel mehr<br />
als ein promovierter Fachhochschulprofessor. Was be<strong>de</strong>utet<br />
das nun für Universitätsprofessoren? Hier entspricht<br />
<strong>de</strong>ren Basisbezahlung nach W3 wie<strong>de</strong>r am Beispiel Nord -<br />
rhein-Westfalen 5.279 Euro brutto im Monat, was einem<br />
Studiendirektor mit 17 Berufsjahren (A15) entspricht.<br />
Letzterer hat dafür lediglich zwei Staatsexamina abgelegt,<br />
ersterer jedoch geschätzte zehn Jahre in Promotion und<br />
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Habilitation investiert. Ein schlechtes Geschäft für <strong>de</strong>n<br />
Pro fessor? Ich fin<strong>de</strong> ja, <strong>de</strong>nn über seine reguläre Tätigkeit<br />
als Hochschullehrer lassen sich gegenüber einem Gym na si al -<br />
lehrer diese finanziellen Nachteile lediglich durch reguläre<br />
Lehr- und Forschungstätigkeit im Laufe eines Berufs -<br />
lebens nicht mehr aufholen. Erschwerend kommt die<br />
regionale Gleichmacherei hinzu. Ein Bun<strong>de</strong>sbru<strong>de</strong>r von mir,<br />
Universitätsprofessor in Bayreuth, sagte mir, einen Ruf in<br />
das ungleich teurere München hätte er sich nicht leisten<br />
können. Die Besoldung im teuren München entspricht<br />
exakt <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Provinzstädten Bayreuth o<strong>de</strong>r Coburg.<br />
Meines Erachtens ist die Besoldung unserer Hoch schul -<br />
lehrer lächerlich gering. Wenn wir, und als rohstoffarmes<br />
Land sind wir massiv auf die Intelligenz unserer Köpfe angewiesen,<br />
zukünftige Eliten durch beson<strong>de</strong>rs fähige Köpfe<br />
ausbil<strong>de</strong>n lassen wollen, muss dazu auch ein finanzieller<br />
Anreiz geschaffen wer<strong>de</strong>n. Dem A14 o<strong>de</strong>r A15 äquivalente<br />
Gehälter kann man als Lehrer o<strong>de</strong>r Ver waltungsbeamter<br />
ungleich leichter und vermutlich auch schneller <strong>de</strong>nn als<br />
Professor erlangen. Gleichzeitig könnte durch eine höhere<br />
Besoldung <strong>de</strong>r Professoren <strong>de</strong>ren weitverbreiteten Ne ben -<br />
tätigkeiten entgegengewirkt wer<strong>de</strong>n. Mit Blick auf die Be -<br />
zahlung von Hochschullehrern wun<strong>de</strong>rt es mich nicht mehr,<br />
wie viele Professoren nebenbei (o<strong>de</strong>r vielleicht doch eher<br />
hauptsächlich?) als Berater, Gutach ter o<strong>de</strong>r Markt for scher<br />
arbeiten. Eine Eindämmung dieser Ne bentätigkeiten käme<br />
gewiss auch <strong>de</strong>r Ausbildung <strong>de</strong>s aka<strong>de</strong>mischen Nach -<br />
wuchses zu Gute. Wür<strong>de</strong> mir mein eingangs zitierter<br />
Bekannter noch einmal eine Hochschul kar riere empfehlen,<br />
wür<strong>de</strong> ich ihm antworten: „Danke, aber eine Professur<br />
kann ich mir finanziell nicht leisten.“ Marco Ottawa (Hs)<br />
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ACADEMIA 5/2012 45
Cartellverband<br />
Oktober 2012<br />
46 5/2012 ACADEMIA<br />
2012<br />
Samstag, 13. 34. Regionaltag Südost, Dres<strong>de</strong>n<br />
Samstag, 13. 34. Regionaltag Süd, München Vc<br />
Samstag, 20. 34. Regionaltag West, Bochum Si<br />
Samstag, 20. 34. Regionaltag Südwest, Darmstadt Rpf<br />
Samstag, 27. 34. Regionaltag Nord, Braunschweig<br />
Samstag, 27. - Sonntag, 28. 120. Stiftungsfest CVZ Buchonia, Fulda; Samstag: Festkommers<br />
November 2012<br />
Freitag, 2. - Sonntag, 4. 30. Medienseminar mit HSS, Kloster Banz<br />
Samstag, 3. 125. Stiftungsfest CVZ Lippstadt<br />
Dienstag, 6. CV-Empfang Stuttgart<br />
Montag, 12. KKM-Empfang, München<br />
Samstag, 17. 120 Jahre CVZ Landau<br />
Freitag, 23. - Samstag, 24. EINSTIEG Abi München<br />
Freitag, 23. - Sonntag, 25. 90. Stiftungsfest KDStV Elbmark, Duisburg; Samstag: Festkommers<br />
Dezember 2012<br />
Samstag, 1. KVV <strong>de</strong>s EKV, Leoben<br />
Freitag, 14. - Sonntag, 16. Thomastag, Nürnberg; Samstag: Festkommers<br />
2013<br />
März 2013<br />
Samstag, 16. Alcimonia Eichstätt, Symposion zur Zukunft <strong>de</strong>r Katholischen Universität<br />
Mai 2013<br />
Freitag, 3. - Sonntag, 5. 40. Stiftungsfest AV Suebo-Danubia Ulm;<br />
Samstag: Festkommers (Kloster Roggenburg)<br />
Samstag, 4. 125 Jahre ACADEMIA, Festakt im Bayerischen Landtag München<br />
Samstag, 4. 125. Stiftungsfest CV-Zirkel Berlin<br />
Donnerstag, 9. - Sonntag, 12. CVV <strong>de</strong>s ÖCV, Alpbach<br />
Sonntag, 12. - Sonntag, 19. CV-Rhône-Flussschiffs-Reise<br />
Donnerstag, 16. - Montag, 20. 150. Stiftungsfest Ripuaria Bonn; Samstag: Festkommers<br />
Donnerstag, 16. - Montag, 20. 150. Stiftungsfest Saxonia<br />
Freitag, 24. - Sonntag, 26. 150. Stiftungsfest Novesia<br />
Donnerstag, 30. - Sonntag, 2.6. 127. Cartellversammlung in Braunschweig (Fronleichnam)<br />
Juni 2013<br />
Freitag, 14. - Samstag, 15. 50. Stiftungsfest Algovia Augsburg; Samstag: Festkommers<br />
Freitag, 14. - Sonntag, 16. 100. Stiftungsfest Hasso-Nassovia Frankfurt<br />
Freitag, 14. - Sonntag, 16. 100. Stiftungsfest Fre<strong>de</strong>ricia; Samstag: Festkommers<br />
Donnerstag, 27. - Sonntag, 30. 100. Stiftungsfest Rheinland<br />
September 2013<br />
Freitag, 6. - Montag, 9. 167. Generalversammlung <strong>de</strong>s StV, Murten<br />
Wichtige CV-Termine<br />
2014<br />
Juni 2014<br />
Donnerstag, 19. - Sonntag, 22. 128. Cartellversammlung in Aachen (Fronleichnam)
Foto: SGW<br />
Prof. Dr. Friedrich Diedrich (G-<br />
S) wur<strong>de</strong> am 26. Juli 1962 vor<br />
50 Jahren zum Priester geweiht.<br />
Von 1995 bis 2003 (2005)<br />
übernahm <strong>de</strong>r engagierte Cartellbru<strong>de</strong>r<br />
das Amt <strong>de</strong>s CV-Seelsorgers.<br />
Der am 5. Oktober 1935 in<br />
Hannover geborene Jubilar legte<br />
1956 in Hil<strong>de</strong>sheim das Abitur ab<br />
und studierte Katholische Theologie<br />
in Pa<strong>de</strong>rborn, Innsbruck und Bonn. In<br />
Pa<strong>de</strong>rborn empfing er das Sakrament <strong>de</strong>r<br />
Priesterweihe und war anschließend in <strong>de</strong>r<br />
Seelsorge tätig. 1972 wur<strong>de</strong> er Wissenschaftlicher<br />
Assistent am Lehrstuhl für Altes<br />
Testament an <strong>de</strong>r Katholisch-Theologischen<br />
Fakultät <strong>de</strong>r Ruhr-Universität<br />
Bochum. Die Promotion 1975 erfolgte in<br />
Bochum, die Habilitation 1985 in Freiburg.<br />
Von 1984 bis 1988 lehrte er an <strong>de</strong>r Universität<br />
Osnabrück Biblische Theologie-Altes<br />
Testament. 1988 wur<strong>de</strong> er auf <strong>de</strong>n<br />
Lehrstuhl für Alttestamentliche<br />
Wissenschaft an <strong>de</strong>r Theologischen<br />
Fakultät <strong>de</strong>r Katholischen<br />
Universität Eichstätt berufen, <strong>de</strong>r<br />
er zeitweise als Dekan vorstand.<br />
Der Cartellverband gratuliert Cbr<br />
Diedrich sehr herzlich zu seinem<br />
Jubiläum und wünscht ihm noch<br />
viele schöne Jahre im Kreis <strong>de</strong>r<br />
Cartellbrü<strong>de</strong>r.<br />
Auch und vor allem ACADEMIA<br />
ist Cbr Prof. Dr. Diedrich zu Dank<br />
verpflichtet. Seit vielen Jahren engagiert<br />
er sich mit bemerkenswerten<br />
inhaltlichen Beiträgen zu verschie<strong>de</strong>nen,<br />
vor allem theologischen<br />
Fragestellungen. Die Art dieser Beiträge<br />
ist mit <strong>de</strong>n Begriffen <strong>de</strong>r inhaltlichen Ausgewogenheit<br />
und <strong>de</strong>r wissenschaftlich<br />
wünschenswerten Sachlichkeit und Klarheit<br />
zu beschreiben. All das, Ausgewogenheit,<br />
Sachlichkeit und Klarheit, fügt sich<br />
Personen<br />
Prof. Dr. Friedrich Diedrich<br />
feierte Gol<strong>de</strong>nes Priesterjubiläum<br />
nahtlos und ansprechend in <strong>de</strong>n<br />
journalistischen Rahmen unserer<br />
Verbandszeitschrift ein. Ansprechend<br />
ist auch Prof. Diedrichs Wirken<br />
innerhalb <strong>de</strong>r Redaktion, was<br />
sich in Pünktlichkeit und überhaupt<br />
Zuverlässigkeit ausdrückt,<br />
was die Beiträge betrifft. Titelträgerei<br />
und Ämterschmuck liegen<br />
<strong>de</strong>m Jubilar ferne, was bei <strong>de</strong>r traditionellen<br />
Vorstellungsrun<strong>de</strong> zu Beginn<br />
je<strong>de</strong>r Redaktionskonferenz <strong>de</strong>utlich wird.<br />
Während <strong>de</strong>r Konferenzen dann sind seine<br />
Äußerungen wohlüberlegt und durchaus<br />
kritisch. Seine kritische Funktion, nicht<br />
zuletzt seinem aka<strong>de</strong>mischen Anspruch<br />
geschul<strong>de</strong>t, bewegt sich stets innerhalb <strong>de</strong>r<br />
Cartell- und Bun<strong>de</strong>sbrü<strong>de</strong>rlichkeit. In <strong>de</strong>r<br />
praktischen Seelsorge als Priester steht<br />
ihm <strong>de</strong>r Mensch in all seinen Sorgen und<br />
Nöten vor Augen.<br />
Beiträge<br />
inhaltlicher<br />
Ausgewogenheit und<br />
wissenschaftlich<br />
wünschenswerter<br />
Sachlichkeit<br />
und Klarheit<br />
Ich selbst bin Bbr Prof. Diedrich, <strong>de</strong>r mich<br />
vor bald 20 Jahren in Eichstätt die alt -<br />
testamentliche Weisheit lehrte, sehr dankbar,<br />
dass er zur Vielfalt <strong>de</strong>r ACADEMIA<br />
stets beiträgt. Viele Lebensjahre bei guter<br />
Gesundheit sind ihm von Herzen sehr zu<br />
wünschen! Veit Neumann (Alm)<br />
ACADEMIA 5/2012 47
Personen<br />
Ehrenwache am Sarg <strong>de</strong>s Ehrenmitglie<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r<br />
KDStV Chursachsen, Maria Emanuel Prinz von<br />
Sachsen. Rechts im Bild die Chargierten.<br />
KDStV Chursachsen trauert um ihr Ehrenmitglied Prinz von Sachsen<br />
Dres<strong>de</strong>n. Die KDStV Chursachsen Dres<strong>de</strong>n<br />
trauert um ihr Ehrenmitglied, S.K.H.<br />
Maria Emanuel Prinz von Sachsen, <strong>de</strong>r am<br />
23. Juli 2012 im 87. Lebensjahr an seinem<br />
Schweizer Wohnort nach kurzer Krankheit<br />
verstarb. Cbr Maria Emanuel (Markgraf von<br />
Meißen, Herzog zu Sachsen) war als ältester<br />
Enkel <strong>de</strong>s letzten sächsischen Königs seit<br />
1968 Chef <strong>de</strong>s Hauses Wettin Albertinische<br />
Linie, Mitglied <strong>de</strong>s Malteseror<strong>de</strong>ns und<br />
<strong>de</strong>s Or<strong>de</strong>ns vom Gol<strong>de</strong>nen Vlies. Während<br />
48 5/2012 ACADEMIA<br />
seines Berufslebens arbeitete er als aka<strong>de</strong>mischer<br />
Kunstmaler und im Börsenhan<strong>de</strong>l.<br />
Daneben widmete er sich <strong>de</strong>m sächsischen<br />
Kulturerbe und <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sgeschichte. Da<br />
bereits sein Onkel, P. Georg von Sachsen<br />
(Gu, gestorben 1943), Cartellbru<strong>de</strong>r war,<br />
konnte Maria Emanuel zu Anfang <strong>de</strong>r<br />
1990er Jahre als einer <strong>de</strong>r i<strong>de</strong>ellen Grün<strong>de</strong>rväter<br />
<strong>de</strong>r Dresdner CV-Verbindung gewonnen<br />
wer<strong>de</strong>n. Die Ehrenbandverleihung<br />
fand im Juni 1998 statt. Das 20. Stiftungs-<br />
fest im Juni 2012 konnte er aus gesundheitlichen<br />
Grün<strong>de</strong>n nicht mehr besuchen. Gründungssenior<br />
Klaus Schlick (Cpf) und eine<br />
Chargenabordnung aus Dres<strong>de</strong>n wohnten<br />
am 30. Juli <strong>de</strong>n Exsequien in <strong>de</strong>r Königskapelle<br />
nahe Imst (Tirol) bei und erwiesen<br />
<strong>de</strong>m verstorbenen Bun<strong>de</strong>sbru<strong>de</strong>r auch<br />
beim Requiem in <strong>de</strong>r Dres<strong>de</strong>ner Kathedrale<br />
am 3. August die letzte couleurstu<strong>de</strong>ntische<br />
Ehre. Requiescat in pace! Provi<strong>de</strong>ntiae<br />
memor! Albrecht Malcherek (Cs)<br />
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Warum ich CVer gewor<strong>de</strong>n bin<br />
Das war schon eine gleichermaßen berechtigte wie überraschen<strong>de</strong><br />
Anfrage unseres ACADEMIA-Chefredakteurs Dr. Veit<br />
Neumann nach meinen Grün<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Eintritt in <strong>de</strong>n CV.<br />
Ja – warum eigentlich?<br />
Nicht immer erinnert man sich an die Voraussetzungen einer<br />
Entscheidung, die zur Selbstverständlichkeit gewor<strong>de</strong>n<br />
ist. Das Einhun<strong>de</strong>rt-Semester-Band ist längst verliehen<br />
(2008). Die Gedanken gehen also einige Jahrzehnte zurück.<br />
In Erinnerung bringt sich das hartnäckige Werben eines<br />
Staufen, mit <strong>de</strong>m ich gemeinsam das Gymnasium in<br />
Essen besucht hatte. Nach<strong>de</strong>m ich alsdann bei Staufia zu<br />
Gast war und – im Grundsätzlichen wohlinformiert – auf<br />
einen Freun<strong>de</strong>skreis gestoßen bin, <strong>de</strong>ssen Nachhaltigkeit<br />
ich bis heute ungezählte Gespräche und gemeinsame Erlebnisse<br />
verdanke, war meine Entscheidung gleich zu Beginn<br />
meines Studiums gefasst, zumal das Suum cuique als<br />
Leitmotiv <strong>de</strong>r Staufia hinreichend individual-freiheitsorientierte<br />
Entfaltungsmöglichkeit versprach.<br />
Amicitia ist bekanntlich nur eines <strong>de</strong>r konsenstragen<strong>de</strong>n<br />
Prinzipien. Ich bin mir nicht sicher, ob sich bei <strong>de</strong>ren Ergänzung<br />
durch religio und scientia die Gründungsverbindungen<br />
Aenania München und Winfridia Breslau im Jahre<br />
1856 <strong>de</strong>r Fortschrittlichkeit ihrer Gedanken bewusst waren:<br />
mit religiösem Bekenntnis und <strong>de</strong>r Wissenschaftlichkeit<br />
ist keine unauflösbare Antinomie geprägt wor<strong>de</strong>n, wie<br />
immer wie<strong>de</strong>r kritisch angemerkt wird, son<strong>de</strong>rn es wur<strong>de</strong><br />
eine sich ergänzen<strong>de</strong> und wechselseitig beeinflussen<strong>de</strong><br />
Werterkenntnis zusammengebracht. Wenn die Wissenschaft<br />
we<strong>de</strong>r einen zwingen<strong>de</strong>n Nachweis für die Kreationstheorie<br />
noch die Evolutionstheorie zu erbringen vermag,<br />
wobei die neuerliche Feststellung von Hawkings,<br />
dass eben alles immer schon dagewesen sei, zur Problemlösung<br />
angesichts einer offensichtlichen wissenschaftlichen<br />
Resignation nichts wirklich beitragen kann: was<br />
könnte mich veranlassen, bei Akzeptanz eines cogito ergo<br />
sum anzunehmen, dass alles irdische und menschliche<br />
Sein auf Zufall beruht und nicht auf göttlicher Schöpfung?<br />
Warum soll ich bei dieser „einfachen“ Alternative (tertium<br />
non datur!) das Unwahrscheinlichere und Sinnlose glau-<br />
von Cbr Dr. Theodor Schramm (St)<br />
ben? Es hat immerhin fünfzig Jahre gedauert, bis <strong>de</strong>n genannten<br />
Prinzipien im Jahre 1907 patria hinzugefügt wur<strong>de</strong>,<br />
wobei ab initio die Begrifflichkeit nicht ausschließend<br />
und abwehrend interpretiert wur<strong>de</strong>: Von Anfang an wur<strong>de</strong>n<br />
unabhängig von <strong>de</strong>ren Staatsangehörigkeit Neumitglie<strong>de</strong>r<br />
zugelassen, und <strong>de</strong>m Verständnis war eine europäische<br />
Auslegung zugrun<strong>de</strong> gelegt.<br />
Für mich erwies sich im Übrigen bei <strong>de</strong>r Staufia als beson<strong>de</strong>rs<br />
attraktiv, dass die Verbindung in Bonn angesie<strong>de</strong>lt<br />
ist, einer Stadt, die viele Jahre aufgrund <strong>de</strong>r frühen Entscheidung<br />
ihres ersten Kanzlers, Konrad A<strong>de</strong>nauer, zum<br />
Regierungssitz bestimmt wor<strong>de</strong>n war und dies Jahrzehnte<br />
bis zur Wie<strong>de</strong>rvereinigung bleiben sollte. Diese Präsenz<br />
erlaubte ein unmittelbares Erfahren und Miterleben einer<br />
turbulenten politischen Entwicklung bis zur aktuellen<br />
staatlichen Realität, die ich später über Jahrzehnte staatsrechtlich<br />
begleiten konnte. Theodor Schramm (St)<br />
Personen<br />
ACADEMIA 5/2012 49
Personen<br />
Cbr Prof. Dr. Walter Eykmann (ChW) feierte 75. Geburtstag<br />
Würzburg.Am 20. August feierte <strong>de</strong>r vormalige<br />
langjährige Würzburger Direktabgeordnete<br />
für <strong>de</strong>n bayerischen Landtag,<br />
Cbr Prof. Walter Eykmann (ChW), seinen<br />
75. Geburtstag. Er wur<strong>de</strong> als Stu<strong>de</strong>nt für<br />
das Lehramt an Gymnasien am 25. November<br />
1959 bei <strong>de</strong>r KDStV Cheruscia rezipiert.<br />
Über 100 Semester hat er seiner<br />
Verbindung die Treue gehalten.<br />
Seine politische Karriere begann 1972 als<br />
CSU-Stadtrat in Würzburg, 1978 wur<strong>de</strong> er<br />
Landtagsabgeordneter und blieb es 30 Jahre.<br />
Die Übernahme <strong>de</strong>s Kreisvorsitzes <strong>de</strong>r Würzburger<br />
CSU von 1991 bis 1995 betrachtete er<br />
eher als Episo<strong>de</strong>. Er verlegte sich auf das Geschäft<br />
<strong>de</strong>s unabhängigen Volksvertreters, die<br />
Uraufgabe <strong>de</strong>s Parlamentariers. 2004 stimmte<br />
er als einziger CSU-Abgeordneter gegen<br />
das achtjährige Gymnasium. Zu seinen po-<br />
50 5/2012 ACADEMIA<br />
litischen Schwerpunkten entwickelten<br />
sich Kultur, Hochschule und öffentli cher<br />
Dienst. Berühmtheit erlangte er als Vorsitzen<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>s Ausschusses für Fragen <strong>de</strong>s Öffentlichen<br />
Dienstes von 1986 bis 2008, <strong>de</strong>r<br />
kurz „Eykmann-Ausschuss“ genannt wur -<br />
<strong>de</strong>. Sein Einsatz für einen mo<strong>de</strong>rnen leistungsorientierten<br />
Öffentlichen Dienst, <strong>de</strong>r<br />
die soziale Komponente nicht aus <strong>de</strong>m Auge<br />
verliert, schlug sich in verschie <strong>de</strong>nen<br />
Ehrungen (Ehrenkommissar <strong>de</strong>r bayerischen<br />
Polizei o<strong>de</strong>r Gol<strong>de</strong>ne Ehren medaille<br />
<strong>de</strong>s bayerischen Beamtenbun<strong>de</strong>s) nie<strong>de</strong>r.<br />
Einen Namen machte sich Walter Eykmann<br />
als Lobbyist und Überzeugungstäter in allen<br />
Bereichen von Wissenschaft, Bildung und<br />
Pädagogik. Von 1991 bis 2005 war er Bun -<br />
<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Katholischen Elternschaft<br />
Deutschlands (KED). Es seien nur<br />
noch <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>svorsitz <strong>de</strong>s Bayerischen<br />
Bibliotheksverban<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Vorsitz im<br />
Finanzausschuss <strong>de</strong>s Kuratoriums <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie<br />
für Politische Bildung in Tutzing genannt.<br />
Unter <strong>de</strong>n vielen Ehrungen ist Walter<br />
Eykmann beson<strong>de</strong>rs stolz auf seine Ernennung<br />
zum Ehrensenator <strong>de</strong>r Universität<br />
Würzburg 2009. An weiteren wichtigen<br />
Auszeichnungen seien noch <strong>de</strong>r Bayerische<br />
Verdienstor<strong>de</strong>n (1989) und das Bun<strong>de</strong>sverdienstkreuz<br />
1. Klasse (2005) erwähnt.<br />
Als Anerkennung für seine Verdienste im<br />
kirchlichen Bereich wur<strong>de</strong> er 2005 Komtur<br />
<strong>de</strong>s päpstlichen St.-Silvester-Or<strong>de</strong>ns.<br />
Als gläubiger Christ leugnet er nicht die<br />
Begrenztheiten, auch seine eigenen, umso<br />
mehr weiß er sich, zu einem (selbst-)kritischen<br />
und bewussten Dienst an <strong>de</strong>r Welt<br />
herausgefor<strong>de</strong>rt. Wolfgang Weiß (Oe-D)<br />
Bun<strong>de</strong>sverdienstkreuz für Cartellbru<strong>de</strong>r Dr. Alois Becker (Si)<br />
Wesel. Der ehemalige Direktor <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie<br />
Klausenhof, Cbr Dr. Alois Becker<br />
(Si), ist mit <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>sverdienstkreuz am<br />
Ban<strong>de</strong> ausgezeichnet wor<strong>de</strong>n. Landrat<br />
Dr. Ansgar Müller überreichte Cbr Becker,<br />
<strong>de</strong>r im März 2011 in <strong>de</strong>n Ruhestand<br />
Dr. Alois Becker mit Familie (links Sohn Cbr Helmut<br />
Becker (Na) und Landrat Dr. Ansgar Müller, 2.v.l.).<br />
ging, die Auszeichnung im Kreishaus<br />
Wesel. In <strong>de</strong>r Begründung heißt es, dass<br />
Becker als „Motor für zukunftsweisen<strong>de</strong><br />
Entwicklungen“ und mit „großem Sachverstand<br />
und Fachkompetenz“ die beruf -<br />
liche Bildung und berufliche Integration<br />
von Benachteiligten und insbeson<strong>de</strong>re<br />
von jungen Migranten geprägt habe.<br />
Müller nannte beispielhaft verschie<strong>de</strong>ne<br />
Lehrgänge, die <strong>de</strong>r studierte Sozialwissenschaftler<br />
maßgeblich initiiert habe, so etwa<br />
Integrationskurse für koreanisches und<br />
philippinisches Krankenpflegepersonal<br />
Mitte <strong>de</strong>r 70er Jahre, Reintegra tionskurse<br />
für koreanische Bergarbeiter, Schulabschlusskurse<br />
für junge Migranten und<br />
Umschulungskurse für Rehabilitan<strong>de</strong>n. In<br />
seiner Ansprache hob <strong>de</strong>r Landrat das<br />
ehrenamtliche Engagement in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />
Lan<strong>de</strong>s- und Bun<strong>de</strong>sgremien<br />
<strong>de</strong>r katholischen Erwachsenenbildung<br />
hervor. Cbr Becker bedankte sich für die<br />
hohe Auszeichnung und betonte, dass sie<br />
nur zu einem Teil ihm selbst zustehe,<br />
son<strong>de</strong>rn „min <strong>de</strong>stens zur Hälfte“ <strong>de</strong>n<br />
Mitarbeitern und <strong>de</strong>m Leitungsteam <strong>de</strong>r<br />
Aka<strong>de</strong>mie Klausenhof. Cbr Alois Becker<br />
ist <strong>de</strong>rzeit Consenior <strong>de</strong>s CV-Zirkels Ve -<br />
salia Wesel. AC
Päpstliche Ehrung<br />
für Cbr Hans Roland Krichel (Sld)<br />
Völklingen. Ein beson<strong>de</strong>rer Glück- und<br />
Segenswunsch erreichte anlässlich seines<br />
75. Geburtstages Cbr Hans Roland Krichel<br />
(Sld) im saarländischen Völklingen.<br />
Mit einer kalligraphisch bemerkenswer ten<br />
Urkun<strong>de</strong> erteilte Papst Benedikt XVI.<br />
(Rup) <strong>de</strong>m aktiven Katholiken <strong>de</strong>n Apostolischen<br />
Segen und erbat für ihn die Fülle<br />
<strong>de</strong>r göttlichen Gna<strong>de</strong>n. Gewürdigt wur<strong>de</strong><br />
damit Cbr Krichels aktive Beteiligung am<br />
Leben seiner heimatlichen Pfarrgemein<strong>de</strong><br />
St. Michael in Völklingen, <strong>de</strong>r er seit<br />
mehr als 35 Jahren als stellvertreten<strong>de</strong>r<br />
Verwaltungsratsvor sitzen<strong>de</strong>r dient. Daneben<br />
war er fünf Jahre lang als Kirchenrechner<br />
aktiv und initiierte 2008 <strong>de</strong>n preiswerten<br />
Ankauf einer wertvollen Orgel. Als<br />
beson<strong>de</strong>rs glücklichen Umstand sieht er<br />
noch heute an, dass er zwei bis dahin<br />
atheistisch eingestellte Menschen missionierte,<br />
die seit 2006 sehr aktive Mitglie<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r ka tholischen Kirche gewor<strong>de</strong>n sind.<br />
Im CV war <strong>de</strong>r 1937 geborene Jubilar im<br />
Jahr 1961 Mitbegrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r KDStV Saarland,<br />
zu <strong>de</strong>ren Urgestein er seit<strong>de</strong>m gehört.<br />
Ein unvergessliches Erlebnis bleibt ihm,<br />
dass er 1962 als Publikationssenior seiner<br />
jungen Verbindung fungieren durfte. Auch<br />
war er <strong>de</strong>r erste Ur-Saarlan<strong>de</strong> im Amt <strong>de</strong>s<br />
Philisterseniors <strong>de</strong>r Korporation. Im Jahr<br />
2005 betrieb er die Verlegung <strong>de</strong>r KDStV<br />
Saarland von Saarbrücken nach Jena mit,<br />
in <strong>de</strong>ren Rahmen umfangreiche Aufgaben<br />
zu erledigen waren. Als Kassenwart <strong>de</strong>s<br />
Personen<br />
Eigenheim-Vereins seit 2003, als er nach<br />
<strong>de</strong>m urplötzlichen Tod seines Vorgängers<br />
spontan eingesprungen war, kümmerte er<br />
sich um <strong>de</strong>n Verkauf <strong>de</strong>s alten Saarland-<br />
Hauses, <strong>de</strong>n Umzug und die Anmietung<br />
und Einrichtung <strong>de</strong>r neuen Unterkunft in <strong>de</strong>r<br />
neuen Heimat. Für diese Leistung ehrte ihn<br />
die Korporation 2008 mit ihrem Eh ren band.<br />
Als er 2010 aus seinem Amt schied, konnte<br />
er seinem Nachfolger ein in seiner Amtszeit<br />
um 20 Prozent vermehrtes Vermögen <strong>de</strong>s<br />
Eigenheim-Vereins übergeben. wb<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
ACADEMIA 5/2012 51
Personen<br />
Carlo Mulbach (H-RG):<br />
Im Dienste <strong>de</strong>r Steuerzahler Luxemburgs<br />
Bereits während meiner Schulzeit wur<strong>de</strong> mein Interesse für<br />
die wirtschaftlichen Zusammenhänge geweckt. Neben <strong>de</strong>n<br />
klassischen Fächern zählten nämlich Volkswirtschaftslehre,<br />
Buchführung und Steuerwesen zu meinem Fächerkanon. Dadurch<br />
lag es nahe, nach meinem Wirtschaftsabitur ein Studium<br />
<strong>de</strong>r Volkswirtschaftslehre aufzunehmen. Damals gab<br />
es allerdings im Großherzogtum Luxemburg noch keine vollwertige<br />
Universität, so dass ich wie die meisten Gleichaltrigen<br />
zum Studium in ein Nachbarland ging. Während meines<br />
Studiums an <strong>de</strong>r Justus-Liebig-Universität Gießen optierte<br />
ich für das Wahlfach Finanzwissenschaft,<br />
das sich mit <strong>de</strong>n ökonomischen<br />
Aktivitäten <strong>de</strong>s Staates beschäftigt.<br />
Nach <strong>de</strong>m Studium trat ich meine erste<br />
Arbeitsstelle als parlamentarischer<br />
Mitarbeiter einer Parlamentsfraktion<br />
an. Ich begleitete vorwiegend die parlamentarische<br />
Arbeit <strong>de</strong>s Finanzausschusses,<br />
<strong>de</strong>r sich neben <strong>de</strong>n Haushalts-<br />
und Steuerfragen auch mit <strong>de</strong>n<br />
Gesetzentwürfen zur Entwicklung <strong>de</strong>s<br />
Finanzplatzes beschäftigt. So lernte<br />
ich die „Funktionsweise“ <strong>de</strong>s Luxemburger<br />
Staates kennen. Nach fünf Jahren<br />
wechselte ich als Volkswirt in <strong>de</strong>n<br />
öffentlichen Dienst, also in <strong>de</strong>n Dienst<br />
meiner Mitbürger. Ich wur<strong>de</strong> jener<br />
Steuerverwaltung zugewiesen, die primär<br />
für die direkten Steuern (Einkommens-,<br />
Lohn-, Vermögens-, Körperschafts-,<br />
Gewerbe-, Zinsertragssteuer)<br />
zuständig ist. In <strong>de</strong>r volkswirtschaftlichen<br />
Abteilung galt es, einerseits die<br />
Ertragskraft von 60 Prozent <strong>de</strong>r gesamten Staatseinnahmen<br />
zu schätzen, an<strong>de</strong>rerseits die Entwicklung <strong>de</strong>r Steuereinnahmen<br />
zu überwachen und statistisch aufzubereiten.<br />
Kurz vor Weihnachten 2010 wur<strong>de</strong> ich einstimmig von <strong>de</strong>r<br />
Abgeordnetenkammer S.K.H. Großherzog Henri als neues<br />
Mitglied <strong>de</strong>s fünfköpfigen Kollegiums <strong>de</strong>s luxemburgischen<br />
Rechnungshofes vorgeschlagen. Der Rechnungshof prüft die<br />
Rechnungsführung <strong>de</strong>r Organe, Verwaltungen und Dienststellungen<br />
<strong>de</strong>s Staates Luxemburg. Ferner kann <strong>de</strong>r Rechnungshof<br />
die Verwendung öffentlicher Mittel prüfen, die privaten<br />
o<strong>de</strong>r öffentlichen Einrichtungen für einen bestimmten<br />
Zweck gewährt wur<strong>de</strong>n. Als externe Finanzkontrolle prüft<br />
<strong>de</strong>r Rechnungshof nicht nur die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit<br />
<strong>de</strong>r Ausgaben, son<strong>de</strong>rn auch die wirtschaftliche<br />
Haushaltsführung <strong>de</strong>r öffentlichen Mittel. Deshalb prüft<br />
52 5/2012 ACADEMIA<br />
CVer im Ausland<br />
Die ACADEMIA-Redaktion<br />
wird weiter Cartellbrü<strong>de</strong>r<br />
vor stellen, die im Ausland<br />
wir ken. Wer da her Informationen über CVer<br />
im Ausland in beson<strong>de</strong>ren beruflichen<br />
Positionen und Lagen hat, kann diese<br />
gerne an die Redaktion wei ter -<br />
leiten (redaktion@ car tellverband.<strong>de</strong>).<br />
er die Sparsamkeit, die Wirtschaftlichkeit<br />
und die Wirksamkeit <strong>de</strong>r öffentlichen Ausgaben,<br />
ohne dass <strong>de</strong>ren Zweckmäßigkeit beurteilt wird.<br />
Das Gesetz verpflichtet <strong>de</strong>n Rechnungshof zur Vorlage eines<br />
jährlichen Gesamtberichtes über die allgemeine Haus -<br />
haltsführung <strong>de</strong>s Staates. Ferner kann <strong>de</strong>r Rechnungshof<br />
je<strong>de</strong>rzeit entwe<strong>de</strong>r auf Antrag <strong>de</strong>r Abgeordnetenkammer<br />
o<strong>de</strong>r auf eigene Initiative Son<strong>de</strong>rberichte zu bestimmten Bereichen<br />
<strong>de</strong>r öffentlichen Finanzführung vorlegen. Darüber<br />
hinaus prüft <strong>de</strong>r Rechnungshof die<br />
Haushaltsführung <strong>de</strong>s Geheimdienstes<br />
und <strong>de</strong>r politischen Parteien. Schluss -<br />
endlich ist er befugt, Stellung zu<br />
Gesetzentwürfen zu nehmen, die Auswirkungen<br />
auf die staatlichen Mittel sowie<br />
auf die Verwaltung <strong>de</strong>r öffentlichen<br />
Finanzen haben.<br />
Alle Veröffentlichungen, Berichte und<br />
Gerichte wer<strong>de</strong>n einem Son<strong>de</strong>rausschuss<br />
<strong>de</strong>r Abgeordnetenkammer zur<br />
Beratung vorgelegt. Vor <strong>de</strong>r Veröf fent -<br />
lichung <strong>de</strong>r Berichte haben die ge -<br />
prüften Stellen das Recht zu <strong>de</strong>n Fest -<br />
stellungen und Empfehlungen <strong>de</strong>s<br />
Rechnungshofes schriftlich binnen einer<br />
festgelegten Frist Stellung zu nehmen.<br />
Der luxemburgische Rechnungshof<br />
muss allein durch seine Argumente<br />
überzeugen, <strong>de</strong>nn analog zum <strong>de</strong>utschen<br />
Bun<strong>de</strong>srechnungshof besitzt er<br />
keine Exekutivgewalt. Seine Aufgabe<br />
ist es sicherlich nicht, <strong>de</strong>r parlamentarischen Opposition mit<br />
regierungskritischen Berichten zuzuarbeiten. Vielmehr soll<br />
<strong>de</strong>ssen Arbeit als beratend verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, um in<br />
einem kritischen Dialog <strong>de</strong>r Verwaltung Wege zu einer<br />
wirtschaftlichen Verwendung <strong>de</strong>r knappen Haushaltsmittel<br />
aufzuzeigen.<br />
Seit 2003 gibt es im „Ländchen“, wie das Großherzogtum<br />
von <strong>de</strong>n Eingeborenen liebevoll bezeichnet wird, die Universität<br />
von Luxemburg. Diese Hochschule in einem sehr multikulturellen<br />
Umfeld ist sicherlich interessant für ein Auslandssemester.<br />
So beherrschen die Luxemburger nicht nur ihre<br />
Muttersprache Luxemburgisch, son<strong>de</strong>rn sprechen ebenfalls<br />
fließend französisch und <strong>de</strong>utsch. Der hiesige CV-Zirkel, <strong>de</strong>m<br />
ich seit seiner Gründung vorstehe, steht allen interessierten<br />
Cartellbrü<strong>de</strong>rn zur Verfügung.
Dr. Günter Wentzlik erhält das<br />
160-Semester-Band <strong>de</strong>r Rheno-Palatia<br />
Mainz. Cbr Dr. Günter Wentzlik (R-P) ist<br />
<strong>de</strong>r einzige leben<strong>de</strong> in Breslau rezipierte<br />
Rheno-Palate. Die Verbindung dankte ihrem<br />
Bun<strong>de</strong>sbru<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Verleihung <strong>de</strong>s<br />
160-Semester-Ban<strong>de</strong>s durch Philister -<br />
senior Cbr Dr. Thomas Krahwinkel (R-P)<br />
für seine lebenslange Treue und wünschte<br />
ihm und seiner Familie Gottes Segen.<br />
Der Jubi lar wur<strong>de</strong> am 21. Mai 1913 im<br />
oberschlesi schen Kattowitz geboren. Im<br />
SS 1932 schrieb er sich an <strong>de</strong>r Friedrich-<br />
Wilhelm Universität Breslau für das Studium<br />
<strong>de</strong>r Medizin ein und mel<strong>de</strong>te sich<br />
bei e. v. CV-Verbindung Rheno-Palatia<br />
Breslau. Die Rezeption erfolgte am 23.<br />
April 1932.<br />
Als Truppenarzt verschlug es ihn quer<br />
durch Europa: Polen, Frankreich, Slowenien,<br />
Ungarn, Bulgarien und die Ukraine.<br />
An <strong>de</strong>r Ostfront in <strong>de</strong>r Nähe von Charkow<br />
erlitt <strong>de</strong>r junge Mediziner das furchtbare<br />
Schicksal: Nach einem russischen Panzerangriff<br />
am 20. März 1942 musste sein<br />
rechtes Bein amputiert wer<strong>de</strong>n. Seine chirurgische<br />
Laufbahn musste er aufgeben.<br />
Später fand er eine Assistentenstelle bei<br />
<strong>de</strong>r Stadt München im Klinikum „Rechts<br />
<strong>de</strong>r Isar“. Hier spezialisierte er seinen medizinischen<br />
Wirkungsbereich auf die Radiologie.<br />
Nach zehn Jahren im Dienst <strong>de</strong>r<br />
Stadt – mittlerweile längst Oberarzt – eröffnete<br />
er eine eigene Praxis als Radiologe.<br />
Diese führte er in Schwabing bis zu<br />
seinem Ruhestand.<br />
Foto: privat<br />
Der Jubilar Dr. Günter Wentzlik (R-P, vorne) in Kreis einiger Bun<strong>de</strong>sbrü<strong>de</strong>r<br />
und Damen; von links: Wolfgang Speicher und Gattin, Frau Regina Wentzlik,<br />
Philistersenior Dr. Thomas Krahwinkel, Bernhard Walzik (R-P) und Gattin.<br />
1961 heiratete er Frau Regina Sulski. Die<br />
Trauung vollzog Bbr Dr. Münch (R-P), <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r letzte Privatsekretär von Kardinal Bertram<br />
in Breslau war und nach <strong>de</strong>m Krieg<br />
nach München kam. Münch taufte auch die<br />
drei Töchter. Cbr Dr. Günter Wentzlik trägt<br />
in Erinnerung an seine Heimat das Band<br />
<strong>de</strong>r Salia-Silesia Gleiwitz. Ein bun<strong>de</strong>sbrü<strong>de</strong>rlicher<br />
Kontakt blieb ihm wegen <strong>de</strong>r<br />
Entfernung und seines Alters lei<strong>de</strong>r versagt.<br />
Dafür lebte er seine Bun<strong>de</strong>sbrü<strong>de</strong>rlichkeit in<br />
Personen<br />
München bei e. v. KDStV Tuiskonia. Solan -<br />
ge es die Gesundheit zuließ, besuchte er die<br />
Stiftungsfeste seiner Rheno-Palatia in Mainz.<br />
Hier konnte er mit seinen Breslauer Bun <strong>de</strong>s -<br />
brü<strong>de</strong>rn (u.a. mit seinem Leibburschen „h.c.“<br />
Hubert Peterek) sich <strong>de</strong>s Erlebten erinnern.<br />
Seit ihm das Reisen zu beschwerlich<br />
wur<strong>de</strong>, hält er brieflichen und telefonischen<br />
Kontakt zu seiner Urverbindung und<br />
hat für alle Rheno-Palaten in München ein<br />
offenes Haus. Bernhard Walzik (R-P)<br />
ACADEMIA 5/2012 53
Kirche<br />
Innerhalb <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Provinz <strong>de</strong>r Jesuiten<br />
betreut Pater Eberhard von Gemmingen<br />
das Fundraising. Gemmingen,<br />
Jahrgang 1936, leitete zuvor 27 Jahre lang<br />
die <strong>de</strong>utschsprachige Redaktion von Radio<br />
Vatikan und ist darüber hinaus durch eine<br />
Vielzahl von Fernsehinterviews, so auch<br />
mit Cbr Papst Benedikt XVI. (Rup), bekannt<br />
gewor<strong>de</strong>n. Cbr Matthias Lermann<br />
(Th) sprach mit <strong>de</strong>m Jesuitenpater über<br />
seine <strong>de</strong>rzeitige Aufgabe.<br />
Pater von Gemmingen, Sie sind einer <strong>de</strong>r<br />
bekanntesten <strong>de</strong>utschen Jesuiten. Im Fernsehen<br />
wirken Sie auch in gespannten Situationen<br />
professionell und weltoffen.<br />
War das ein Grund, dass Ihr Or<strong>de</strong>n Sie<br />
gebeten hat, die schwierige Aufgabe <strong>de</strong>r<br />
Drittmittelbeschaffung zu übernehmen?<br />
54 5/2012 ACADEMIA<br />
Cbr Matthias Lermann (Th) im Gespräch mit Pater Eberhard Gemmingen SJ (rechts).<br />
Fundraising für einen Or<strong>de</strong>n<br />
Pater von Gemmingen SJ möchte etwas tun, „dass <strong>de</strong>r<br />
Sie überspitzen ein bisschen. Als mein<br />
Vorgänger einen Nachfolger suchte und<br />
ich in Rom frei wur<strong>de</strong>, hat er gesagt: „Der<br />
Gemmingen kann re<strong>de</strong>n, geniert sich nicht<br />
und ist bekannt, <strong>de</strong>n schlage ich mal vor!“<br />
Der Or<strong>de</strong>n hat ja auch nicht so wahnsinnig<br />
viele Leute, dass man eine große Auswahl<br />
hätte – man hat halt einen gebraucht und<br />
mich dann genommen.<br />
Die Jesuiten haben in Deutschland 400<br />
Or<strong>de</strong>nsbrü<strong>de</strong>r und müssen unter an<strong>de</strong>rem<br />
die finanzielle Last von zwei renommierten<br />
Hochschulen schultern. Lei<strong>de</strong>n Sie persönlich<br />
manchmal unter <strong>de</strong>r Last <strong>de</strong>r Verantwortung,<br />
dass das Geld reinkommt?<br />
Nein, darunter lei<strong>de</strong> ich nicht, weil es<br />
nicht vom Tageserfolg abhängt. Nehmen<br />
wir an, ich wür<strong>de</strong> gar kein Geld eintreiben<br />
können, dann müssten wir die bei<strong>de</strong>n<br />
Hochschulen um etwa zehn Prozent <strong>de</strong>r<br />
Ausgaben reduzieren, wir müssten sie aber<br />
nicht gleich schließen. Von allem, was<br />
wir in Deutschland tun, sind 95 Prozent<br />
<strong>de</strong>r Kosten ge<strong>de</strong>ckt und etwa 5 Prozent<br />
müssen durch Fundraising eingebracht<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Sie haben ja nach einem langen und erfolgreichen<br />
Berufsleben <strong>de</strong>m Or<strong>de</strong>n<br />
gegenüber Ihre Pflicht erfüllt. Sie selbst<br />
bekommen kein persönliches Gehalt.<br />
Was motiviert Sie, je<strong>de</strong>n Morgen ins<br />
Büro zu gehen?<br />
(Schmunzeln) Nichts tun wäre langweilig,<br />
die Motivation ist zu helfen, dass wir un-
Glaube nicht untergeht“<br />
sere seelsorgerischen und wissenschaftlichen<br />
Einrichtungen weiterführen können.<br />
Ich bekomme zwar kein persönliches<br />
Gehalt, aber ich bin gut abgesichert, weil<br />
<strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>n mich bis zu meinem Lebensen<strong>de</strong><br />
ernähren kann. Wenn man mir mit 75<br />
gesagt hätte „Du kannst jetzt aufhören und<br />
gehst spazieren!“, dann hätte ich geantwortet,<br />
das sei langweilig, ich will eine<br />
sinnvolle Arbeit haben.<br />
Sie sagen ja gelegentlich, Ihre Seele irre<br />
noch durch die Straßen von Rom …<br />
Ja, das ist richtig. Aber es ist mehr die Nostalgie.<br />
Ich möchte noch etwas tun für die<br />
Kirche, <strong>de</strong>n lieben Gott, das Reich Gottes,<br />
für die Menschen, für <strong>de</strong>n Glauben und dafür,<br />
dass <strong>de</strong>r Glaube nicht untergeht.<br />
Foto: Max Michel (Th)<br />
Sie haben in <strong>de</strong>m einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Gespräch<br />
ganz offen gesagt, um welchen Betrag<br />
es geht, <strong>de</strong>n Sie fundraisen müssen …<br />
… etwa eine Million Euro im Jahr.<br />
Wenn man das pauschalisiert, kann man<br />
sagen, das ist <strong>de</strong>r Gewinn eines größeren<br />
mittelständischen Unternehmens. Solch<br />
ein Unternehmer <strong>de</strong>nkt ja meist darüber<br />
nach, was wird, wenn die eigenen Kräfte<br />
nachlassen. Denken Sie manchmal darüber<br />
nach, ob möglicherweise <strong>de</strong>r Nachfolger<br />
fehlt?<br />
Ich frage mich, welcher an<strong>de</strong>re Jesuit meine<br />
Arbeit übernehmen kann, wenn ich in<br />
ein paar Jahren nicht mehr kann, ob dies<br />
vielleicht ein Laie machen kann, <strong>de</strong>r natürlich<br />
dann gut bezahlt wer<strong>de</strong>n muss und<br />
wesentlich mehr braucht als ich brauche.<br />
Aber die größere Sorge ist die, dass die<br />
Zahl <strong>de</strong>r engagierten katholischen Christen<br />
in Deutschland so rapi<strong>de</strong> zurückgeht,<br />
dass ich mich frage, ob wir in Zukunft<br />
Freun<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>n können, die uns finanziell<br />
unterstützen so wie es jetzt <strong>de</strong>r Fall ist.<br />
Es gibt Or<strong>de</strong>nsgemeinschaften wie die<br />
Benediktiner von Münsterschwarzach,<br />
die <strong>de</strong>cken ihren finanziellen Bedarf mit<br />
20 eigenen Betrieben, mit 300 Angestellten,<br />
mit Unternehmensbeteiligungen, mit<br />
Spekulationen an <strong>de</strong>r Börse und mit <strong>de</strong>n<br />
vielen Büchern von Pater Anselm Grün<br />
OSB. Wäre diese „kapitalistische“ Wirtschaftsweise<br />
für Ihren Or<strong>de</strong>n eine <strong>de</strong>nkbare<br />
Alternative?<br />
Das ist nicht „kapitalistisch“, son<strong>de</strong>rn das<br />
ist unternehmerisch, und wir haben dafür<br />
nicht die Voraussetzungen <strong>de</strong>r Münsterschwarzacher.<br />
Aber wir haben auch Einnahmen<br />
durch Häuser, die wir geerbt haben<br />
und die vermietet sind – in diesem Sinne<br />
haben wir auch unternehmerisches Tun.<br />
Es ist ja so, dass bei Ihrer Arbeit, wie immer<br />
in kirchlicher und sozialer Arbeit,<br />
das Scherflein <strong>de</strong>r Witwe ganz hoch ein-<br />
Kirche<br />
zuschätzen ist. Sie betonen aber auch immer,<br />
dass Sie auf Großspen<strong>de</strong>n von<br />
Unternehmen o<strong>de</strong>r auch Spen<strong>de</strong>n in<br />
Form von Nachlässen angewiesen sind.<br />
Wie fä<strong>de</strong>lt man eine solche Spen<strong>de</strong> ein?<br />
Ich habe die Aufgabe vor zweieinhalb Jahren<br />
übernommen und noch keine großen<br />
Spen<strong>de</strong>n von Unternehmen eingeworben,<br />
vor allem weil wir keine Projekte haben.<br />
Große Unternehmen geben vielleicht einmal<br />
100.000 Euro, wenn man ihnen ein<br />
Projekt präsentiert. Wir brauchen aber die<br />
Deckung laufen<strong>de</strong>r Kosten für unsere bei<strong>de</strong>n<br />
Hochschulen und einiges an<strong>de</strong>re, und<br />
Deckung laufen<strong>de</strong>r Kosten ist etwas sehr<br />
Unangenehmes. Wir haben aber verschie<strong>de</strong>ne<br />
Schienen, wir informieren Leute über<br />
die Notwendigkeit, ein Testament zu machen,<br />
ohne dabei um Erbschaften zu betteln.<br />
Dann gehen wir auf Richter und<br />
Staatsanwälte zu, um Bußgel<strong>de</strong>r zu bekommen.<br />
Das wichtigste ist die Pflege <strong>de</strong>r<br />
Freundschaften zu <strong>de</strong>n paar 1000 Leuten,<br />
die uns dann und wann eine Summe überweisen.<br />
Aber die Freundschaft wird nicht<br />
missbraucht, um Geld zu bekommen.<br />
Wir hatten schon davon gesprochen, dass<br />
Ihr Fundraising etwa eine Million Euro<br />
erbringen sollte. Wie hoch ist <strong>de</strong>r Prozentanteil<br />
bei dieser Summe, mit <strong>de</strong>m Sie<br />
je<strong>de</strong>s Jahr fix rechnen können?<br />
Wir haben im letzten Jahr 700.000 Euro<br />
bekommen und noch einen Son<strong>de</strong>rfall,<br />
nämlich ein Bußgeld über 100.000 Euro.<br />
Also wir sind nicht auf die Million gekommen,<br />
die Million ist sozusagen die Zielsetzung,<br />
wenn es drunter liegt, bricht nicht<br />
gleich alles zusammen. Ich bin nicht <strong>de</strong>r<br />
Ökonom <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>nsprovinz. Wie das Geld<br />
verwaltet und ausgegeben wird, das geht<br />
auch nicht über meinen Schreibtisch.<br />
eberhard.gemmingen@jesuiten.org,<br />
office@matthias-lermann.<strong>de</strong><br />
KONTAKT<br />
ACADEMIA 5/2012 55
Kirche<br />
von Prof. DDr. Reinhard Knittel<br />
Eine bislang ungeschriebene Geschichte<br />
<strong>de</strong>s Zweiten Vatikanischen Konzils?<br />
In Anbetracht <strong>de</strong>r Fülle an Literatur<br />
über das Zweite Vatikanische Konzil mag<br />
<strong>de</strong>r gewählte Untertitel (zum Titel Seite 58<br />
unten) etwas gewagt klingen, ja sogar auf<br />
Sensationsenthüllungen hoffen lassen.<br />
Allerdings ist <strong>de</strong>r Autor <strong>de</strong>s nun in <strong>de</strong>utsche<br />
Sprache übersetzten Werkes zur Geschichte<br />
<strong>de</strong>s letzten ökumenischen Konzils,<br />
R. <strong>de</strong> Mattei, Professor für Geschichte<br />
<strong>de</strong>s Christentums an <strong>de</strong>r Università Europea<br />
di Roma, ein italienischer Historiker<br />
mit wissenschaftlichem Ruf, sicher kein<br />
Sensationsjournalist zweifelhafter Seriosität.<br />
Worin muss die Geschichte <strong>de</strong>s Konzils<br />
also „neu“ geschrieben wer<strong>de</strong>n?<br />
Der Autor, so das von ihm genannte Ziel,<br />
will <strong>de</strong>n Versuch einer neuen historischen<br />
„Rekonstruktion“ und „Interpretation“ <strong>de</strong>s<br />
Konzilsereignisses vorlegen (vgl. S. 30-<br />
32). Es soll hermeneutisch vom Kontext<br />
eines späten Siegs <strong>de</strong>s nie wirklich bewältigten<br />
und aufgearbeiteten innerkirchlichen<br />
Mo<strong>de</strong>rnismus her ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n,<br />
<strong>de</strong>ssen zum Teil ver<strong>de</strong>ckte Präsenz <strong>de</strong>r Autor<br />
während <strong>de</strong>s Pontifikates Papst Pius<br />
XII. anhand vieler konkreter Belege greifbar<br />
macht (vgl. SS. 37-120). Schon von<br />
diesem Deutungsansatz ist eine Hermeneutik<br />
<strong>de</strong>s Bruchs zur vorkonziliaren Lage<br />
<strong>de</strong>r Kirche in <strong>de</strong>r Deutungsweise <strong>de</strong> Matt-<br />
eis vorauszusetzen. Allerdings bezieht sich<br />
diese Sicht primär auf das historische Erscheinungsbild<br />
<strong>de</strong>s Konzilsereignisses,<br />
eingebettet in <strong>de</strong>ssen Vor- und Wirkungs-<br />
56 5/2012 ACADEMIA<br />
Sich mit <strong>de</strong>r Wirklichkeit<br />
neu<br />
geschichte. Theologisch gesehen streift <strong>de</strong><br />
Mattei hingegen die Doktrin <strong>de</strong>r Konzilsdokumente<br />
bloß im Rahmen ihres konziliaren<br />
Wer<strong>de</strong>prozesses. Aber auch diesbezüglich<br />
bleibt <strong>de</strong>r Autor konsequent,<br />
in<strong>de</strong>m er auf <strong>de</strong>r Norm von doch eher positivistisch<br />
vorgetragenen theologischen<br />
Thesen <strong>de</strong>r vorkonziliaren Theologie eine<br />
traditionalistisch-antimo<strong>de</strong>rnistische Konzilskritik<br />
aufbauen will. Dabei kann es<br />
auch vorkommen, dass auch von dieser<br />
Norm abweichen<strong>de</strong> begriffliche Verän<strong>de</strong>rungen<br />
in <strong>de</strong>n Konzilstexten im Licht <strong>de</strong>r<br />
progressistischen Deutung übernommen<br />
und so abgelehnt wer<strong>de</strong>n (hier sei konkret<br />
etwa auf S. 415 verwiesen, wo <strong>de</strong>r Autor<br />
ganz auf traditionalistischer „Parteilinie“<br />
die theologisch irrige Deutung <strong>de</strong>s konziliaren<br />
subsistit in LG 8 im relativieren<strong>de</strong>n<br />
Sinn wie<strong>de</strong>rgibt, die nach <strong>de</strong>n Konzilsakten<br />
allerdings keinerlei Stütze in <strong>de</strong>r mens<br />
Concilii besitzt), ja überhaupt theologische<br />
Neuakzentuierungen in <strong>de</strong>n Konzils -<br />
texten kategorisch in Gegensatz zum vorkonziliaren<br />
Lehramt <strong>de</strong>r Kirche gebracht<br />
wer<strong>de</strong>n müssen, um so die These vom<br />
„späten Sieg <strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>rnismus“ rechtfertigen<br />
zu können (vgl. etwa bei <strong>de</strong>n Themen<br />
<strong>de</strong>r Bischöflichen Kollegialität, <strong>de</strong>ren authentische<br />
traditionelle Verankerung in <strong>de</strong>r<br />
Lehre ausgeblen<strong>de</strong>t wird, o<strong>de</strong>r beim Thema<br />
Religionsfreiheit, wo allein die antiliberalistischen<br />
Festlegungen <strong>de</strong>s Lehramtes<br />
<strong>de</strong>s 19. und beginnen<strong>de</strong>n<br />
20.<br />
Macht in falschem<br />
Sicherheitsgefühl verkannt<br />
Ein Blick auf Roberto <strong>de</strong> Matteis „bislang<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
als Maßstab <strong>de</strong>r<br />
Bewertung herangezogenwer<strong>de</strong>n).<br />
De Mattei spielt jedoch – und dies<br />
sei lobend hervorgehoben – hinsichtlich<br />
seines persönlichen Deutungshintergrunds<br />
mit offenen Karten, wenn er diesen Deu-<br />
tungshintergrund ausdrücklich im katholisch-traditionalistischen<br />
Spektrum verortet<br />
(vgl. S. 32, Fußnote 70).<br />
Die von <strong>de</strong> Mattei geschil<strong>de</strong>rten Hintergrün<strong>de</strong><br />
zur Wahl <strong>de</strong>s ersten Konzilspaps -<br />
tes, zur Beschreibung <strong>de</strong>ssen „unberechenbarer“<br />
Persönlichkeit, die keinem<br />
kirchlichen Lager ein<strong>de</strong>utig zuzugesellen<br />
Konzilsberatungen wie auch liturgische Feiern<br />
während <strong>de</strong>s Zweiten Vatikanischen Konzils<br />
fan<strong>de</strong>n im römischen Petersdom statt.<br />
war, bis hin zum „überraschen<strong>de</strong>n“ Einfall<br />
<strong>de</strong>r Einberufung eines ökumenischen<br />
Konzils im Jahr 1959 bil<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Übergang<br />
zum eigentlichen Corpus <strong>de</strong>r Konzilsgeschichte<br />
<strong>de</strong> Matteis (vgl. S. 121-152).<br />
Die eigentliche Konzilsgeschichte (vgl.<br />
S. 222-588) umfasst zunächst die Vorbereitungsphase<br />
(1959-1962), die <strong>de</strong> Mattei
<strong>de</strong>s Konzils<br />
auseinan<strong>de</strong>rsetzen<br />
ungeschriebene Geschichte“<br />
nur kursorisch streift, hauptsächlich in<br />
Hinblick auf die Formierung <strong>de</strong>r späteren<br />
Konzilslager. Sodann folgen chronologisch<br />
<strong>de</strong>taillierter die Beschreibung <strong>de</strong>r<br />
vier Sitzungsperio<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Konzils (1962-<br />
1965) bis hin zum feierlichen Abschluss<br />
<strong>de</strong>s Konzils (8. Dezember 1965). Der<br />
Blick fällt im Konzilsverlauf nicht nur auf<br />
die „offizielle Bühne“ <strong>de</strong>r Konzilsaula,<br />
son<strong>de</strong>rn auch auf wichtige Vorgänge hinter<br />
<strong>de</strong>n Kulissen <strong>de</strong>s Konzils. Auch diesbezüglich<br />
kommt <strong>de</strong> Mattei zu einer ein<strong>de</strong>utigen<br />
Schlussfolgerung: Die „progressistische“<br />
Richtung <strong>de</strong>r Konzilsteilnehmer<br />
(Bischöfe und Theologen vornehmlich aus<br />
Deutschland, Belgien, Holland und Frankreich),<br />
die aus einem revolutionäreren und<br />
einem gemäßigteren Flügel bestand, sei<br />
bei Konzilsbeginn nur eine Min<strong>de</strong>rheit gewesen.<br />
Es gelang ihr aber bald, nicht zuletzt<br />
durch professionelle Manöver und<br />
gute Vernetzung, aber auch durch die weitgehen<strong>de</strong><br />
Dominanz <strong>de</strong>r an Be<strong>de</strong>utung immensen<br />
medialen Außenwirkung, die Erstellung<br />
<strong>de</strong>r Konzilsdokumente, mehr<br />
noch die euphorische Gesamtatmosphäre<br />
und die Richtung <strong>de</strong>s Konzils schon ab <strong>de</strong>r<br />
ersten Sitzungsperio<strong>de</strong>, in ihrem<br />
Sinn zu beeinflussen.<br />
Die ebenfalls nur eine Min<strong>de</strong>rheit<br />
bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Richtung <strong>de</strong>r<br />
„kurialen“ o<strong>de</strong>r „antimo<strong>de</strong>rnistischen“<br />
Konzilsväter hatte<br />
diese Macht zunächst in falschem Sicherheitsgefühl<br />
verkannt und sich zu spät wirksam<br />
organisiert, ohne jedoch an <strong>de</strong>n Einfluss<br />
<strong>de</strong>r Gegenrichtung heranzukommen.<br />
Gera<strong>de</strong> für diese kuriale Partei wirkte sich<br />
aber auch lähmend aus, dass sich <strong>de</strong>r Konzilspapst<br />
Paul VI., <strong>de</strong>r schon zu Beginn<br />
seines Pontifikates die Leitungsstruktur<br />
<strong>de</strong>s Konzils mit <strong>de</strong>utlicher Gewichtung<br />
zugunsten <strong>de</strong>s progressistischen Lagers<br />
verän<strong>de</strong>rte (Gremium <strong>de</strong>r Konzilsmo<strong>de</strong>ratoren),<br />
in vielen Themenbereichen eher<br />
einer gemäßigt progressistischen Linie<br />
zugehörig fühlte.<br />
Nur vereinzelt also und erst in <strong>de</strong>n letzten<br />
bei<strong>de</strong>n Sitzungsperio<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Konzils<br />
(1964-1965), als endlich eine eigene Organisation<br />
aufgebaut war, konnte diese<br />
Richtung Einfluss auf die konziliaren Abstimmungen<br />
gewinnen, so aber vielleicht<br />
auch – um einen wichtigen Punkt herauszugreifen<br />
– einen formellen Bruch in <strong>de</strong>r<br />
konziliaren Lehrvorlage zur Kirchenverfassung<br />
verhin<strong>de</strong>rn, wo die Wahrung <strong>de</strong>r<br />
primatialen Rechte <strong>de</strong>s Papstes in <strong>de</strong>r Kirchenleitung<br />
gegenüber einem „episkopa-<br />
Kirche<br />
listischen“ Verständnis von bischöflicher<br />
Kollegialität im dritten Kapitel von LG gelang.<br />
Nicht einseitig von <strong>de</strong>n „Siegern“ her will<br />
<strong>de</strong> Mattei also das Konzil <strong>de</strong>uten, im<br />
Gegenteil. Dementsprechend wer<strong>de</strong>n<br />
Quellen berücksichtigt – auch darin besteht<br />
eine gewisse neue Sicht dieser Kon-<br />
Parteikämpfe,<br />
Intrigen und Manöver<br />
zilsgeschichte –, die bisher entwe<strong>de</strong>r unbekannt<br />
o<strong>de</strong>r noch unveröffentlicht waren<br />
(etwa private Tagebücher von Konzilsteilnehmern)<br />
o<strong>de</strong>r doch meist in einer platten<br />
Konzilsgeschichte <strong>de</strong>r „Sieger“ einfach<br />
übergangen wor<strong>de</strong>n sind (eine Ausnahme<br />
bil<strong>de</strong>t die bekannte „Konzilsgeschichte“<br />
<strong>de</strong>s als Konzilsjournalisten tätigen P. R.<br />
Wiltgen, The Rhine flows into the Tiber:<br />
The unknown Council. New York, 1967,<br />
die schon viele Fakten und Deutungsversuche<br />
von <strong>de</strong> Mattei vorweggenommen hat).<br />
Allerdings fällt auf, dass mit Vorliebe jene<br />
Konzilsteilnehmer o<strong>de</strong>r Stellungnahmen<br />
außerhalb <strong>de</strong>r Konzilsaula ausführlich zu<br />
Wort kommen, die zum „antimo<strong>de</strong>rnistischen“<br />
Lager zu rechnen sind. Diese Wahl<br />
mag von <strong>de</strong>r obgenannten persönlichen<br />
Sichtweise her nachvollziehbar sein, ist aber<br />
sicher einseitig. In diese Linie fällt auch die<br />
von <strong>de</strong> Mattei mehrfach vorgetragene Ana -<br />
logie zwischen <strong>de</strong>m Konzil und Vorgängen<br />
<strong>de</strong>r französischen Revolution (vgl. u. a.<br />
S. 136, 153, 364, 369, 487), die, wenn<br />
überhaupt, nur als äußerst schwache Analogie<br />
gelten kann. (Fortsetzung nächste Seite)<br />
ACADEMIA 5/2012 57
Kirche<br />
Der Wirkungsgeschichte <strong>de</strong>s Konzilsereignisses<br />
auf das praktische Leben <strong>de</strong>r Kirche,<br />
die historisch nicht vom Konzil selbst zu trennen<br />
ist, geht <strong>de</strong>r Autor dann in <strong>de</strong>r sogenannten<br />
„Konzilsepoche“ (1965-1978) nach (vgl.<br />
SS. 589-659), in <strong>de</strong>r sich anstelle <strong>de</strong>s euphorisch<br />
erwarteten „Frühlings <strong>de</strong>s Glaubens“,<br />
durchaus folgerichtig zum konziliar erhobenen<br />
„Primat <strong>de</strong>r Pastoral“, eine Art „kulturelle<br />
Revolution“ <strong>de</strong>r traditionellen katholischen<br />
Mentalität mit vielen Krisenphänomenen<br />
abspielte, die in gewisser Analogie zur zeitgleichen<br />
neomarxistischen Stu<strong>de</strong>ntenrevolution<br />
<strong>de</strong>r 68er Generation zu sehen sei. Auch<br />
darin bestätigt sich also, <strong>de</strong>m Autor zufolge,<br />
post eventum eine Deutung <strong>de</strong>s Konzilsereig -<br />
nisses als Revolution im kirchlichen Leben.<br />
In <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschsprachigen Ausgabe darf als<br />
erleichternd für die Lektüre hervorgehoben<br />
wer<strong>de</strong>n, dass alle im Text genannten<br />
Persönlichkeiten mit einem kurzen biographischen<br />
Abriss in <strong>de</strong>n Fußnoten versehen<br />
wer<strong>de</strong>n. Demgegenüber bil<strong>de</strong>t das Fehlen<br />
eines ausführlichen und genauen Namensund<br />
Themenregisters, sonst üblicher Standard,<br />
sicher kein Diensten am Leser.<br />
Der Konzilshistoriker darf und muss entgegen<br />
aller Versuche einer Glorifizierung o<strong>de</strong>r<br />
Spiritualisierung <strong>de</strong>r Abläufe vor und hinter<br />
<strong>de</strong>n Kulissen <strong>de</strong>s Konzils auch <strong>de</strong>n menschlichen<br />
Koeffizienten bis hinein in die Abgrün<strong>de</strong><br />
von Parteienkämpfen, Intrigen und<br />
Manövern auf<strong>de</strong>cken. Auch in diesem Faktum<br />
unterschei<strong>de</strong>t sich das Zweite Vatikanische<br />
Konzil ja nicht von <strong>de</strong>n meisten an<strong>de</strong>ren<br />
Konzilien <strong>de</strong>r Kirchengeschichte. Das vorliegen<strong>de</strong><br />
Werk weist dies in vielen neuen und<br />
überzeugen<strong>de</strong>n Facetten nach. So aber gibt<br />
<strong>de</strong> Mattei eine im Ganzen durchaus stichhaltige<br />
Antwort auf die Frage, woher und warum<br />
sich die selbstauflöserischen Ten<strong>de</strong>nzen <strong>de</strong>r<br />
traditionellen katholischen Kirchlichkeit auf<br />
<strong>de</strong>m Konzil und nach <strong>de</strong>m Konzil so effizient<br />
ausbreiten konnten. Gera<strong>de</strong> im Jahr eines<br />
Konzilsjubiläums eine durchaus notwendige<br />
und heilsame Herausfor<strong>de</strong>rung, sich mit <strong>de</strong>r<br />
Wirklichkeit <strong>de</strong>s Konzils neu und unbefangener<br />
als bisher auseinan<strong>de</strong>rzusetzen,<br />
allerdings auch ohne schablonenhafte Vereinfachungen<br />
von links und von rechts.<br />
58 5/2012 ACADEMIA<br />
LITERATUR<br />
Roberto <strong>de</strong> Mattei, Das Zweite Vatikanische<br />
Konzil: Eine bislang ungeschriebene<br />
Geschichte. Edition Kirchliche Umschau<br />
1 2011, 667 Seiten.<br />
Deutsch-Vatikanische Gesellschaft geht mit<br />
einer neuen Führung in die nächsten Jahre<br />
Berlin. Die Deutsch-Vatikanische Gesellschaft<br />
(DVG) hat auf ihrer Mitglie<strong>de</strong>r -<br />
versammlung in Berlin eine neue Spitze<br />
gewählt. Zum Nachfolger <strong>de</strong>s DVG-Gründungspräsi<strong>de</strong>nten<br />
Diethelm Lütze, <strong>de</strong>r<br />
sein Amt aus Altersgrün<strong>de</strong>n zur Verfügung<br />
stellte, wählten die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
Stuttgarter Rechtsanwalt und Unternehmensberater<br />
Joachim Stau<strong>de</strong>nmaier. Als<br />
sein Stellvertreter fungiert Hans-Werner<br />
Carlhoff (Stuttgart), Ministerialreferent im<br />
Ba<strong>de</strong>n-Württembergischen Kultusministerium.<br />
Die Konfessionszugehörigkeit <strong>de</strong>s<br />
neuen Führungsduos ver<strong>de</strong>utlicht die ökumenische<br />
Ausrichtung <strong>de</strong>r DVG: Stau<strong>de</strong>nmaier<br />
ist Katholik, während Carlhoff <strong>de</strong>r<br />
Evangelisch-Lutherischen Kirche angehört.<br />
Der bisherige Vizepräsi<strong>de</strong>nt Cbr Dr.<br />
Veit Neumann (Alm) (Regensburg) wechselt<br />
auf die Position <strong>de</strong>s Delegaten <strong>de</strong>r<br />
DVG beim Freistaat Bayern. Zum Medienreferenten<br />
berief das Präsidium Ulrich<br />
Heisterkamp (Min traching/Oberpfalz).<br />
Zum Dank für seine Verdienste um die<br />
Gründung und <strong>de</strong>n Aufbau <strong>de</strong>r Vereins -<br />
aktivitäten wur<strong>de</strong> Diethelm Lütze zum<br />
Ehrenmitglied ernannt. Zum Abschluss <strong>de</strong>r<br />
Mitglie<strong>de</strong>rversammlung hielt Karlfried<br />
Bergner, Referatsleiter Sü<strong>de</strong>uropa im Aus-<br />
wärtigen Amt, einen Vortrag zu <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschvatikanischen<br />
Beziehungen aus <strong>de</strong>r Pers -<br />
pektive <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Außenministeriums.<br />
Bereits am Vortag hatte Ministerialdirigent<br />
Claus-Peter Clostermeyer, Vertreter <strong>de</strong>s<br />
Hausherrn in <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>svertretung Ba<strong>de</strong>n-<br />
Württemberg, in Anwesenheit <strong>de</strong>s Aposto -<br />
lischen Nuntius in Deutschland, Erzbischof<br />
Dr. Jean-Clau<strong>de</strong> Périsset, die von <strong>de</strong>r DVG<br />
unterstützte Ausstellung „Zeichen <strong>de</strong>r Anerkennung<br />
und <strong>de</strong>s Dankes – Die Verdienstund<br />
Ritteror<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Heiligen Stuhles und <strong>de</strong>r<br />
Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland“ eröffnet.<br />
Nuntius Dr. Périsset hatte die Schirmherrschaft<br />
übernommen. Ehe die mehr als 300<br />
Gäste, darunter zahlreiche Diplomaten aus<br />
aller Welt, die wertvollen Originalexponate<br />
bestaunen konnten, führte <strong>de</strong>r Theologe Michael<br />
Autengruber aus Konstanz mit einem<br />
Vortrag in die Ausstellung ein. Die DVG<br />
wur<strong>de</strong> im Jahr 2006 als überkonfessioneller<br />
Verein gegrün<strong>de</strong>t und hat ihren Sitz in Stuttgart.<br />
Ziel ist die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r religiösen und<br />
kulturellen bilateralen Beziehungen zwischen<br />
<strong>de</strong>m Vatikan (Staat <strong>de</strong>r Vatikanstadt und Heiliger<br />
Stuhl) und <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland.<br />
Derzeit gehören <strong>de</strong>r DVG rund 80<br />
Personen an. Ulrich Heisterkamp<br />
Ein anregen<strong>de</strong>r Gesprächsabend mit<br />
Cbr Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann<br />
Speyer. Im Ägidienhaus in Speyer konnten<br />
Frau Heidi Ackermann (ND-Speyer),<br />
Klaus Pfeifer (Vg) (CV-Zirkel Speyer) und<br />
Hans Hin<strong>de</strong>rberger (KV-Zirkel Speyer)<br />
Cbr Bischof Dr. Karl-Heinz Wiese mann<br />
(G-S) zu einem Gesprächsabend begrüßen.<br />
Nach <strong>de</strong>r Vorstellung <strong>de</strong>r drei Verbän<strong>de</strong><br />
entwickelte sich im voll besetzten kleinen<br />
Saal <strong>de</strong>s Ägidienhauses ein reger<br />
Gedankenaustausch. Neben <strong>de</strong>r pastoralen<br />
Umgestaltung wur<strong>de</strong> auch die Stellung <strong>de</strong>r<br />
Frau in <strong>de</strong>r katholischen Kirche und die<br />
Frage nach <strong>de</strong>m Diakonat für Frauen ausführlich<br />
erörtert. Cbr Bischof Dr. Karl-<br />
Heinz Wiesemann unterstrich, dass die<br />
Gläubigen in <strong>de</strong>n Großpfarreien zur akti-<br />
ven Mitarbeit aufgefor<strong>de</strong>rt seien. In diesen<br />
wer<strong>de</strong>n auch die Frauen zur größeren und<br />
aktiveren Mitarbeit als Pastoralreferentinnen<br />
zum Einsatz kommen. Der Erhalt <strong>de</strong>r<br />
Kin<strong>de</strong>rtagesstätten und Kin<strong>de</strong>rgärten in<br />
kirchlicher Leitung wer<strong>de</strong> trotz finanzieller<br />
Engpässe nicht in Frage gestellt. Wenn<br />
auch nicht alle anstehen<strong>de</strong>n Fragen zur<br />
vollen Zufrie<strong>de</strong>nheit gelöst wer<strong>de</strong>n konnten,<br />
zeigte <strong>de</strong>r Gesprächsabend, dass Cbr<br />
Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann an <strong>de</strong>r<br />
Mitarbeit von CV, KV und ND sehr interessiert<br />
ist. Die Kontakte sollen weiter<br />
gepflegt wer<strong>de</strong>n. Der Kita <strong>de</strong>r Pfarrei St.<br />
Josef konnte eine Spen<strong>de</strong> von 175 Euro<br />
übermittelt wer<strong>de</strong>n. Karl Dann (Vg)
Aka<strong>de</strong>miker und Kirche: Zeit fürs Apostolat!<br />
Kirche<br />
In <strong>de</strong>n Jahren nach 1965 fand in Deutschlands katholischen<br />
Kreisen ein reges Aka<strong>de</strong>mie-Leben statt. Beinahe<br />
je<strong>de</strong>s Bistum legte sich ein Bildungshaus zu: Bildung überall<br />
und an je<strong>de</strong>r Ecke. Wur<strong>de</strong> – sofern kein Neubau entstand<br />
– eine Immobilie einem an<strong>de</strong>ren Zweck zugeführt,<br />
dann nicht selten <strong>de</strong>r Aus-, Weiter- o<strong>de</strong>r Fortbildung. Für<br />
Zentren dieser Art stellten Bischöfe bereitwillig finanzielle<br />
Mittel zur Verfügung. Sie maßen ihnen die Aufgabe bei,<br />
<strong>de</strong>m aka<strong>de</strong>mischen Teil <strong>de</strong>s Bistumsvolkes eine Heimstätte<br />
zu bieten, die seinem intellektuellen Anspruch mit universitärem<br />
Niveau entgegenkommt; dass neben Themen<br />
(Fortsetzung links unten)<br />
&<br />
Der Aka<strong>de</strong>miker Katholik<br />
wie „Verantwortung von Laien in <strong>de</strong>r Gesellschaft“ auch<br />
über die Kirche nachgedacht wur<strong>de</strong>, versteht sich von<br />
selbst. Mitunter massive Kritik an <strong>de</strong>ren hierarchischer<br />
Verfasstheit im Kontrast zu einer – wie naiv! – vermeintlich<br />
heileren Rest-Welt gehörte zum guten Ton solcher<br />
Häuser. Der heftige weltanschauliche Umschwung, <strong>de</strong>r seit<br />
<strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1960er Jahre bezeichnend war, ereignete<br />
sich für das binnenkatholische Milieu parallel an diesen<br />
Institutionen.<br />
Die Situation heute: Diözesen schließen Aka<strong>de</strong>mien – teils<br />
aus Geldsorgen, teils aus fehlen<strong>de</strong>m Interesse am Angebot<br />
dieser einst florieren<strong>de</strong>n Einrichtungen. Aus Trutzburgen<br />
<strong>de</strong>s <strong>de</strong>utsch-katholischen Establishments wur<strong>de</strong>n gähnend<br />
leere Säle, Flure und Foyers. Die Hoffnung, die Kirche<br />
wer<strong>de</strong> von hier aus grundlegend an<strong>de</strong>rs, erfüllte sich<br />
nicht. Zahlreiche Katholiken, die voller Elan und Tatendrang<br />
die Kirche in ein neues Zeitalter führen wollten,<br />
stehen nun da und müssen einsehen: Die ganze Kritik,<br />
die eher ein Lamentieren o<strong>de</strong>r Herumnörgeln, und weniger<br />
ein konzises Unterschei<strong>de</strong>n von Gutem und Schlechtem<br />
an <strong>de</strong>r Kirche war, hat sie selbst ausgehöhlt. Schlimmer<br />
noch: Die Welt um sie herum wur<strong>de</strong> bei aller<br />
Nabelschau irgendwie vergessen, für die sie immerhin<br />
„Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit<br />
Gott wie für die Einheit <strong>de</strong>r ganzen Menschheit“ (LG 1)<br />
sein wollte.<br />
Dieser Schwund am ursprünglichen Publikum lässt sich<br />
u.a. festmachen am stillen Exodus <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>miker aus<br />
von Björn Wagner (Tfs)<br />
<strong>de</strong>n ehemals imposanten Hallen <strong>de</strong>s Geistes. Die Kirche<br />
hat ein massives Problem: Sie droht in unseren Breiten<br />
eine langweilige Mittelschicht-Veranstaltung zu wer<strong>de</strong>n,<br />
ohne Welt-Lust und trist wie ein ausgewaschenes Hemd.<br />
Der Arbeiter o<strong>de</strong>r Beschäftige am unteren Einkommensrand,<br />
<strong>de</strong>r Wohlhaben<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r intellektuelle Überflieger<br />
fin<strong>de</strong>t in ihr nur schwer Heimat, fühlt sich bei ihr kaum<br />
richtig o<strong>de</strong>r von ihr vertreten, ernst genommen, verstan<strong>de</strong>n,<br />
provokant herausgefor<strong>de</strong>rt. Der studierte Laie, <strong>de</strong>r<br />
sich in <strong>de</strong>r Unterscheidung geschult hat, ist als Getaufter<br />
jetzt in <strong>de</strong>r Pflicht: sich und seine Kirche zu einer Aka<strong>de</strong>mie,<br />
einer Wan<strong>de</strong>lhalle <strong>de</strong>s gesun<strong>de</strong>n Menschenverstands<br />
zu machen, die endlich für die „Welt“ da ist, kantig mit<br />
ihr streitet und ein eigenes Apostolat in Angriff nimmt,<br />
das „die Durchdringung und Vervollkommnung <strong>de</strong>r<br />
zeitlichen Ordnung mit <strong>de</strong>m Geist <strong>de</strong>s Evangeliums“<br />
(AA 2) zum Ziel hat.<br />
Der Autor: Cbr Björn Wagner (Tfs) arbeitet zurzeit in München<br />
an einer theologischen Dissertation.<br />
ACADEMIA 5/2012 59
Hochschule<br />
60 5/2012 ACADEMIA<br />
Demographischer<br />
Der Bildungsbericht zur Gesamtentwicklung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Bildungssystems liegt vor<br />
Das Bildungsniveau in Deutschland ist<br />
weiter angestiegen. Mit dieser Kernaussage<br />
starteten das Bun<strong>de</strong>sministerium<br />
für Bildung und Forschung, die<br />
Kultusministerkonferenz und das Deutsche<br />
Institut für Internationale Pädagogische<br />
Forschung in diesem Sommer die<br />
Vorstellung <strong>de</strong>s rund 350 Seiten starken<br />
nationalen Bildungsberichts 2012.<br />
„MEHR ABITURIENTEN“<br />
IST GLEICH „MEHR<br />
BILDUNGSNIVEAU“<br />
Beson<strong>de</strong>rs freute sich die Politik in einer<br />
Pressekonferenz über das Ergebnis <strong>de</strong>r<br />
Studie, wonach das Bildungsniveau ansteige<br />
und die Zahl <strong>de</strong>r Schulabbrecher weiter<br />
zurückgehe. Als Indikator für <strong>de</strong>n Anstieg<br />
<strong>de</strong>s Bildungsniveaus sieht sie die höhere<br />
Zahl <strong>de</strong>r Abiturienten. Ob <strong>de</strong>r Anstieg <strong>de</strong>r<br />
Schulabgänger mit Hochschulreife (49<br />
Prozent 2010, während es bei <strong>de</strong>n heute<br />
60- bis 65-Jährigen noch 20 Prozent waren)<br />
wirklich auf eine Steigerung <strong>de</strong>s Bildungsniveaus<br />
o<strong>de</strong>r auf ein Absenken <strong>de</strong>s<br />
Anfor<strong>de</strong>rungsniveaus zurückzuführen ist,<br />
wur<strong>de</strong> allerdings nicht untersucht, dieser<br />
Aspekt von <strong>de</strong>r Politik schon gar nicht thematisiert.<br />
Differenzierter <strong>de</strong>r Bildungsbericht<br />
selber: Er weist ausdrücklich darauf<br />
hin, dass Bildungsabschlüsse nur bedingt<br />
DER NATIONALE BILDUNGSBERICHT<br />
Der seit 2006 alle zwei Jahre erscheinen<strong>de</strong> nationale Bildungsbericht gibt eine aktuelle<br />
Bestandsaufnahme zur Entwicklung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Bildungswesens. Erarbeitet wird er durch eine<br />
unabhängige Wissenschaftlergruppe unter Fe<strong>de</strong>rführung <strong>de</strong>s Deutschen Instituts für Internationale<br />
Pädagogische Forschung. Seine Beson<strong>de</strong>rheit liegt darin, dass die verschie<strong>de</strong>nen Bildungs -<br />
bereiche in ihrem Zusammenhang dargestellt und übergreifen<strong>de</strong> Herausfor<strong>de</strong>rungen im <strong>de</strong>utschen<br />
Bildungssystem sichtbar gemacht wer<strong>de</strong>n. Der Bildungsbericht richtet sich an Fachleute <strong>de</strong>s<br />
Bildungswesens und die interessierte Öffentlichkeit. Klaus Weber (St)<br />
Rückschlüsse auf Kompetenzen zulassen.<br />
In diesem Zusammenhang thematisiert er,<br />
dass nach <strong>de</strong>r Hamburger Leo-Studie 14,5<br />
Prozent <strong>de</strong>r Bevölkerung im erwerbsfähigen<br />
Alter von funktionalem Analphabetismus<br />
betroffen sind (siehe hierzu auch<br />
<strong>de</strong>n Essay in ACADEMIA 3/2012). Erfreulich,<br />
dass dieses wichtige Thema –<br />
wenn auch nur kurz – Eingang in <strong>de</strong>n Bildungsbericht<br />
2012 gefun<strong>de</strong>n hat.<br />
RAHMENBEDINGUNGEN<br />
FÜR BILDUNG<br />
VERÄNDERN<br />
SICH WEITER<br />
Nicht überraschend ist die Feststellung,<br />
dass <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mographische Wan<strong>de</strong>l voranschreitet.<br />
Die Geburtenzahl bleibt gering<br />
bei einer gleichzeitig zunehmen<strong>de</strong>n Zahl<br />
älterer Menschen. Bei <strong>de</strong>r Altersstruktur<br />
<strong>de</strong>s Personals an <strong>de</strong>n Bildungseinrichtungen<br />
wird das beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>utlich: Fast die<br />
Hälfte <strong>de</strong>r Lehrkräfte im Schulwesen ist<br />
50 Jahre und älter. Und <strong>de</strong>r Anteil von Personen<br />
mit Migrationshintergrund in <strong>de</strong>r<br />
jüngeren Bevölkerung steigt weiter an.<br />
Das stellt eine Herausfor<strong>de</strong>rung insbeson<strong>de</strong>re<br />
für die vorschulischen Bildungseinrichtungen<br />
dar, zeigt <strong>de</strong>r Bericht doch,<br />
dass Kin<strong>de</strong>r, die mit ihren Eltern zu Hause<br />
nicht Deutsch sprechen, zu einem Drittel<br />
in Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen betreut wer<strong>de</strong>n,<br />
in <strong>de</strong>nen mehr als 50 Prozent <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
ebenfalls eine an<strong>de</strong>re nicht-<strong>de</strong>utsche<br />
Familiensprache haben. Auch nimmt die<br />
Zahl <strong>de</strong>r erwerbstätigen Frauen gegenüber<br />
2006 <strong>de</strong>utlich zu, wenn das jüngste Kind<br />
drei Jahre alt wird und es dann eine Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtung<br />
besucht. Inzwischen<br />
besuchen 94 Prozent <strong>de</strong>r Drei- bis Sechsjährigen<br />
Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen o<strong>de</strong>r<br />
nehmen an einer Kin<strong>de</strong>rtagespflege teil.<br />
Interessant, um nicht zu sagen typisch ist<br />
ein Vergleich <strong>de</strong>r Darstellung <strong>de</strong>s Berichts<br />
zum Anstieg <strong>de</strong>r Bildungsausgaben mit<br />
<strong>de</strong>r Interpretation <strong>de</strong>r Politik: Einig ist man<br />
sich noch bei <strong>de</strong>r Darstellung <strong>de</strong>r Fakten,<br />
dass die Bildungsausgaben von rund 165<br />
Milliar<strong>de</strong>n Euro 2009 auf über 172 Milliar<strong>de</strong>n<br />
Euro im Jahr 2010 angestiegen sind.<br />
Die Verfasser weisen auf die Son<strong>de</strong>reffekte<br />
<strong>de</strong>s Zukunftsinvestitionsgesetzes und<br />
an<strong>de</strong>rer Son<strong>de</strong>rprogramme hin und for<strong>de</strong>rn,<br />
dass die hinreichen<strong>de</strong> Finanzierung<br />
<strong>de</strong>s Bildungswesens auch über die Dauer<br />
<strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rprogramme hinaus gesichert<br />
wer<strong>de</strong>n muss. Die Politik hingegen blen<strong>de</strong>t<br />
diese Son<strong>de</strong>reffekte und <strong>de</strong>ren fehlen<strong>de</strong> finanzielle<br />
Nachhaltigkeit aus und betont,<br />
dass sich die Ausgaben für Bildung trotz<br />
schwieriger ökonomischer Rahmenbedingungen<br />
weiter erhöht haben.<br />
Bemerkenswert ist ein Zuwachs von Bildungseinrichtungen<br />
freier Träger um ein<br />
Viertel. Die Erhöhung <strong>de</strong>r Zahl allgemeinbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />
Schulen in freier Trägerschaft<br />
um fast 1.200, das heißt 53 Prozent <strong>de</strong>s<br />
Bestan<strong>de</strong>s von 1998, ist beachtenswert, bei<br />
Grundschulen ist das Anwachsen um 152<br />
Prozent im selben Zeitraum beson<strong>de</strong>rs augenfällig.<br />
Die Teilnehmerzahlen an diesen<br />
Einrichtungen sind stark anstiegen, im<br />
Hochschulbereich haben sie sich mehr als<br />
verdreifacht. Alles auf niedrigem Niveau,<br />
aber <strong>de</strong>r Trend ist ein<strong>de</strong>utig.
Wan<strong>de</strong>l schreitet voran<br />
Bedingt durch die doppelten Abiturjahrgänge<br />
und die Aussetzung von Wehr- und<br />
Zivildienst ist die Studienanfängerquote<br />
sehr hoch. Es wird eine Stabilisierung <strong>de</strong>r<br />
Zahl <strong>de</strong>r Studienanfänger auf hohem Niveau<br />
erwartet.<br />
ZAHL DER<br />
GRUNDSCHULEN IN<br />
FREIER TRÄGERSCHAFT<br />
ERHÖHTE SICH<br />
UM 152 PROZENT<br />
Beson<strong>de</strong>rs fällt die Erkenntnis auf, dass das<br />
Durchschnittsalter bei Eintritt in eine vollqualifizieren<strong>de</strong><br />
Ausbildung auf über 19<br />
Jahre angestiegen ist. Man ist versucht, dies<br />
auf die steigen<strong>de</strong> Zahl von Schulabsolventen<br />
mit Hochschulreife zu schieben. Diese<br />
Vermutung trifft aber nicht zu. Der Grund –<br />
so die Studie – liegt in erster Linie darin, dass<br />
Jugendliche ohne und mit Hauptschulabschluss<br />
erst spät in Ausbildung kommen.<br />
Bestätigt wird in <strong>de</strong>r Untersuchung auch,<br />
dass Aka<strong>de</strong>miker am kürzesten arbeitslos<br />
<br />
von Klaus Weber (St), Leiter <strong>de</strong>s CV-Hochschulamtes<br />
sind und Hochschulabsolventen die besten<br />
Aussichten auf <strong>de</strong>m Arbeitsmarkt genießen.<br />
Die ACADEMIA berichtete hierüber<br />
bereits in an<strong>de</strong>rem Zusammenhang in <strong>de</strong>r<br />
Ausgabe 1/2011. Der Bericht bleibt aber<br />
seriös und gibt zu, dass noch offen ist, ob<br />
man mit Bachelorabschluss im Beschäftigungssystem<br />
ähnliche Positionen fin<strong>de</strong>t<br />
wie mit einem <strong>de</strong>r traditionellen Abschlüsse.<br />
Das korrespondiere damit, dass <strong>de</strong>r Arbeitsmarktwert<br />
<strong>de</strong>s Bachelors für viele<br />
Stu<strong>de</strong>nten noch zweifelhaft sei. An<strong>de</strong>rs die<br />
Bun<strong>de</strong>svereinigung <strong>de</strong>r Deutschen Arbeitgeberverbän<strong>de</strong><br />
(BDA), für die sich <strong>de</strong>r Bachelor<br />
bereits am Arbeitsmarkt etabliert<br />
hat, so wie es BDA-Hauptgeschäftsführer<br />
Dr. Reinhard Göhner in <strong>de</strong>r ACADEMIA<br />
5/2011 formulierte.<br />
SCHWERPUNKTTHEMA<br />
AUF „ELFENBEIN -<br />
TURMERISCH“<br />
Wie in <strong>de</strong>n Vorjahren enthält <strong>de</strong>r Bericht<br />
ein Schwerpunktthema, dieses Mal zum<br />
Thema „Kulturelle/musisch-ästhetische<br />
Bildung im Lebenslauf“. Interessant, aber<br />
nicht immer leicht zu verstehen. Da er sich<br />
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Hochschule<br />
in erster Linie an ein Fachpublikum richtet,<br />
ist auch nichts dagegen einzuwen<strong>de</strong>n.<br />
Scha<strong>de</strong> ist es trotz<strong>de</strong>m, <strong>de</strong>nn wäre er in verständlicher<br />
Sprache und nicht – wie weite<br />
Teile <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Kapitel – auf „elfenbeinturmerisch“<br />
formuliert, könnten auch<br />
Nichtexperten von <strong>de</strong>n Erkenntnissen profitieren.<br />
So sollen nahezu alle Eltern schon<br />
in <strong>de</strong>r frühen Kindheit über gemeinsame<br />
Aktivitäten mit unterschiedlicher Intensität<br />
und Schwerpunktsetzung die kulturelle/<br />
musisch-ästhetische Bildung ihrer Kin<strong>de</strong>r<br />
anregen und nahezu 90 Prozent <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
und Jugendlichen musisch-ästhetisch aktiv<br />
sein. Schwer zu glauben. Es be<strong>de</strong>utet aber<br />
nicht, dass nahezu alle Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche<br />
ein Musikinstrument lernen, in die<br />
Oper o<strong>de</strong>r das Theater gehen und im Chor<br />
singen. Denn die Begriffsbestimmung ist<br />
sehr weit gefasst und „versucht, <strong>de</strong>r Breite<br />
<strong>de</strong>s Bereichs Rechnung zu tragen, ohne einem<br />
spezifischen Konzept von kultureller<br />
Bildung zu folgen“. Provozierend könnte<br />
man formulieren: Eltern regen die kulturelle/musisch-ästhetische<br />
Bildung ihrer<br />
Kin<strong>de</strong>r bereits dann an, wenn sie regelmäßig<br />
mit ihnen in ein Fastfood-Restaurant<br />
gehen und sie motivieren, die dort erworbenen<br />
Bastelhefte zu bearbeiten. Ein<br />
Schelm, <strong>de</strong>r Schlechtes dabei <strong>de</strong>nkt.<br />
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ACADEMIA 5/2012 61
Hochschule<br />
Das Image <strong>de</strong>r linken Ka<strong>de</strong>rschmie<strong>de</strong> abgestreift<br />
Über lange Jahre galt sie als eine linke<br />
Ka<strong>de</strong>rschmie<strong>de</strong>, von <strong>de</strong>ren Absolventen<br />
viele in Wirtschaft, Wissenschaft<br />
und Verwaltung nicht viel wissen<br />
wollten. Die Universität Bremen war mehr<br />
ein Politikum, als dass sie als Hort <strong>de</strong>r<br />
Wissenschaft galt. Inzwischen haben sich<br />
die Diskussionen über die Hochschule an<br />
<strong>de</strong>r Weser beruhigt. Universität und Realität<br />
sind näher zusammengerückt.<br />
Zusammenhängen dürfte das einstige Image<br />
<strong>de</strong>r Bremer Universität mit <strong>de</strong>m Datum<br />
ihrer Gründung. 1971 war die 68er Stu<strong>de</strong>nten-Revolte<br />
noch in vollem Gange, und<br />
62 5/2012 ACADEMIA<br />
dieses Erbe prägte zunächst die Entwicklung.<br />
Die Bremer Universität wur<strong>de</strong> damals<br />
als Reform-Universität gegrün<strong>de</strong>t, an<br />
<strong>de</strong>r mit neuen Konzepten experimentiert<br />
wur<strong>de</strong>, und davon war die gesamte Hochschule<br />
mit ihrem Bildungsi<strong>de</strong>al geprägt.<br />
Und dieses „Bremer Mo<strong>de</strong>ll“, ergänzt um<br />
die Leitziele <strong>de</strong>r Interdisziplina-<br />
rität und <strong>de</strong>s forschen<strong>de</strong>n Lernens<br />
in Projekten, entsprach<br />
nicht unbedingt <strong>de</strong>m traditionellen<br />
Bild universitärer Lehre. In<br />
<strong>de</strong>n achtziger Jahren fand sie<br />
dann aber ihren neuen Weg, <strong>de</strong>r nach<br />
Auffassung von Kennern <strong>de</strong>r Hochschullandschaft<br />
an <strong>de</strong>r Weser <strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>l hin<br />
zu einem anerkannten Mitglied <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Hochschullandschaft initiiert hat.<br />
Eine innovative Öffnung für neue naturund<br />
ingenieurwissenschaftliche Fachbereiche<br />
stellte neue Weichen, und in <strong>de</strong>r<br />
Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m Alfred-Wegener-Institut<br />
für Polar- und Meeresforschung<br />
in Bremerhaven verbün<strong>de</strong>te sich<br />
die Universität mit einem Partner, <strong>de</strong>r<br />
ihrem Image nur zuträglich sein konnte.<br />
Mit <strong>de</strong>r Aufnahme in die Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />
1986 setzten Erfolge<br />
bei <strong>de</strong>r Einrichtung von Son<strong>de</strong>rforschungsbereichen<br />
ein, und die Forschungsarbeit<br />
fand immer stärker überregionale Anerkennung.<br />
Nicht ohne Be<strong>de</strong>utung für diese Erfolge<br />
ist die Zusammenarbeit mit zahlreichen<br />
Forschungsinstituten auf <strong>de</strong>m Campus, neben<br />
<strong>de</strong>m Alfred-Wegener-Institut unter an<strong>de</strong>rem<br />
das Max-Planck-Institut für Marine<br />
Blick auf die Dächer <strong>de</strong>r Universität Bremen.<br />
An <strong>de</strong>r Institution sind 19.000 Stu<strong>de</strong>nten eingeschrieben.<br />
Mikrobiologie und das Fraunhofer-Institut<br />
für Fertigungstechnik und Angewandte<br />
Materialforschung. Die gesellschaftswissenschaftlichen<br />
Fächer rückten im Zuge<br />
dieses Wan<strong>de</strong>ls stärker in <strong>de</strong>n Hintergrund.<br />
Und auch <strong>de</strong>r Generationenwechsel im<br />
Lehrkörper dürfte seinen Beitrag zur Neu-<br />
Weiterbildung<br />
eigener Schwerpunkt<br />
orientierung geleistet haben. Aktuell verfügt<br />
die Universität Bremen mit 19.000<br />
Studieren<strong>de</strong>n über vier Son<strong>de</strong>rforschungsbereiche,<br />
einen Exzellenzcluster und zwei<br />
Graduiertenschulen.<br />
Einen eigenen Schwerpunkt legt die Hochschule<br />
an <strong>de</strong>r Weser auf die Weiterbildung.<br />
Hier stehen spezielle Programme für<br />
Logistik & IT, Lehrkompetenz für die<br />
Erwachsenenbildung, „Digitale Medien<br />
für Frauen“, IT-Recht für Unternehmen<br />
und Weiterbildung für ältere Erwachsene<br />
zu Buche. Mit einem Inhouse-Angebot<br />
geht die Universität darüber hinaus mit<br />
maßgeschnei<strong>de</strong>rten Angeboten auf Un -<br />
ternehmen und Institutionen zu, die speziell<br />
für von diesen gebil<strong>de</strong>te Teams durchgeführt<br />
wer<strong>de</strong>n. Die Hochschule ist damit<br />
in eine neue Experimentierphase einge -<br />
treten, die aber im Gegensatz zu <strong>de</strong>n Experimenten<br />
<strong>de</strong>r Frühphase ihr Standing<br />
eher stärkt und <strong>de</strong>n Absolventen beim<br />
Einstieg ins Berufsleben eher behilflich<br />
sein kann. Wolfgang Braun (Bd)
Für die Uni - wichtig!<br />
Mehr Studienabbrecher<br />
Das Hochschul-Informations-System (HIS) hat zum sechsten Mal eine Untersuchung zu <strong>de</strong>n<br />
Studienabbruchquoten an <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Hochschulen vorgelegt. Ergebnis: Die Quote nimmt zu.<br />
Beson<strong>de</strong>rs augenfällig wird das an <strong>de</strong>n Zahlen für die Universitäten. Während an Fachhochschulen<br />
lediglich ein Studienabbruch von 19 Prozent <strong>de</strong>r Studienanfänger festzustellen ist, liegt sie bei <strong>de</strong>n<br />
Universitäten bei 35 Prozent. Damit hat sich die Studienabbruchquote bei <strong>de</strong>n Bachelorstudieren<strong>de</strong>n im<br />
Vergleich zu <strong>de</strong>n Studienanfängern 2004/2005 um drei Prozent erhöht. Aus <strong>de</strong>r nicht empirisch belegbaren<br />
Einschätzung <strong>de</strong>r HIS-Studie, dass sich hinter <strong>de</strong>m vergleichsweise hohen Wert die Übergangs- und<br />
Anpassungsprobleme bei <strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>r gestuften Studiengänge verbergen, macht das<br />
Bun<strong>de</strong>sministerium für Bildung und Forschung die Schlagzeile „Studienabbrecher in Zeiten von Bologna:<br />
Langfristig geht die Kurve <strong>de</strong>utlich zurück“.<br />
Wechsel an <strong>de</strong>r Spitze wichtiger Wissenschaftsorganisationen in Deutschland<br />
2012 ist das Jahr wichtiger Wahlen und Wechsel an <strong>de</strong>n Köpfen be<strong>de</strong>utsamer wissenschaftlicher<br />
Einrichtungen. Deren Leitungen wechseln nicht im Jahresrhythmus, son<strong>de</strong>rn prägen über einen längeren<br />
Zeitraum die Geschicke ihrer Organisation und <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wissenschaftsszene. So ist Prof. Dr. Horst<br />
Hippler, vorher Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Karlsruher Instituts für Technologie, seit Mai neuer Chef <strong>de</strong>r<br />
Hochschulrektorenkonferenz, <strong>de</strong>m freiwilligen Zusammenschluss <strong>de</strong>r staatlichen und staatlich anerkannten<br />
Universitäten und Hochschulen in Deutschland, in <strong>de</strong>nen über 94 Prozent aller Studieren<strong>de</strong>n in Deutschland<br />
immatrikuliert sind.<br />
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft dient <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wissenschaft durch die finanzielle Unterstützung<br />
von Forschungsaufgaben und durch die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Zusammenarbeit unter <strong>de</strong>n Forschern. Mit einem<br />
Gesamtbudget von fast 2,5 Milliar<strong>de</strong>n Euro hat sie großen Einfluss. Ab 1. Januar 2013 wird sie von <strong>de</strong>m<br />
Germanisten Professor Dr. Peter Strohschnei<strong>de</strong>r geführt.<br />
Die Fraunhofer-Gesellschaft, Europas größte Wissenschaftsorganisation für angewandte Forschung, wird ab<br />
1. Oktober von <strong>de</strong>m Maschinenbauprofessor Dr. Reimund Neugebauer geleitet.<br />
Bereits 2011 gewählt, hatte Prof. Dr. Margret Wintermantel am 1. Januar 2012 ihren Dienstantritt beim<br />
Deutschen Aka<strong>de</strong>mischen Austauschdienst (DAAD). Der DAAD ist die weltweit größte För<strong>de</strong>rorganisation für<br />
<strong>de</strong>n internationalen Austausch von Studieren<strong>de</strong>n und Wissenschaftlern.<br />
Nach<strong>de</strong>m bereits 2011 <strong>de</strong>r Wissenschaftsrat mit Professor Dr.-Ing. Wolfgang Marquardt einen neuen<br />
Vorsitzen<strong>de</strong>n bekam, sind nunmehr zahlreiche herausragen<strong>de</strong> Funktionen innerhalb kurzer Zeit neu besetzt<br />
wor<strong>de</strong>n, die für die Hochschulen große Be<strong>de</strong>utung haben.<br />
Anteil <strong>de</strong>r Nichtabiturienten an <strong>de</strong>n Studienanfängern verdoppelt<br />
Das Centrum für Hochschulentwicklung teilt in einer in diesem Sommer veröffentlichten Studie mit, dass sich<br />
<strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r Nichtabiturienten zwischen 2007 und 2010 auf 2,1 Prozent verdoppelt hat. In Nordrhein-<br />
Westfalen ist <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r Studienanfänger ohne Abitur mit 4,2 Prozent am höchsten, im Saarland mit 0,4<br />
Prozent am niedrigsten. In <strong>de</strong>n vergangenen drei Jahren haben 14 von 16 Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn ihre<br />
Zugangsbedingungen zum Studium ohne Abitur verbessert. Als Hür<strong>de</strong> für die Studienaufnahme bleiben jedoch<br />
– so die Studie – die zahlreichen Detail- und Ausnahmeregelungen bestehen. Studierwillige ohne Abitur<br />
müssen sich entsprechend intensiv durch <strong>de</strong>n Verordnungsdschungel kämpfen. Die Fernuniversität Hagen ist<br />
beim Studieren ohne Abitur mit 2502 Studienanfängern beson<strong>de</strong>rs nachgefragt, Berlin mit 433 Erstsemestern<br />
steht an zweiter Stelle. Das dürfte auch die Spitzenposition von Nordrhein-Westfalen begrün<strong>de</strong>n, weil Hagen<br />
in diesem Bun<strong>de</strong>sland liegt. Klaus Weber (St), Leiter <strong>de</strong>s CV-Hochschulamtes<br />
Hochschule<br />
ACADEMIA 5/2012 63
Hochschule<br />
Neue Bologna-Studiengänge – <strong>de</strong>r Weg ins Abseits?<br />
Neue berufliche Chance o<strong>de</strong>r Schmalspurbahn<br />
ins berufliche Abseits?<br />
Neue Bachelor-Studiengänge sind<br />
kein Kennzeichen <strong>de</strong>s Bologna-Prozesses,<br />
son<strong>de</strong>rn eine Begleiterscheinung, die nicht<br />
selten eher eine Frucht <strong>de</strong>r Verschulung<br />
<strong>de</strong>s Studiums und <strong>de</strong>s Wettbewerbs zwischen<br />
Hochschulen als das Ergebnis<br />
eines zielstrebigen Bildungskonzepts zu<br />
sein scheint. Ein Beispiel dafür sind<br />
Studiengänge wie <strong>de</strong>r „Unternehmensjurist“<br />
in Mannheim o<strong>de</strong>r auch „Law and<br />
Economics“ in Bonn. Die von <strong>de</strong>n Befürwortern<br />
betonten Vorteile <strong>de</strong>rartiger Studiengänge<br />
zeigen mehr als <strong>de</strong>utlich, welche<br />
aka<strong>de</strong>mischen Errungenschaften die<br />
Universitäten mit <strong>de</strong>m Bachelor-Prozess<br />
verloren haben.<br />
„Wer in Mannheim die erste Staatsprüfung<br />
nicht schafft, hat immerhin einen Bachelor<br />
in <strong>de</strong>r Tasche. Wer in Hei<strong>de</strong>lberg, Köln<br />
o<strong>de</strong>r Bonn nach Jahren <strong>de</strong>s Studiums<br />
mehrmals durch das Examen fällt, steht<br />
hingegen vor <strong>de</strong>m Nichts.“ So schil<strong>de</strong>rt eine<br />
große Tageszeitung <strong>de</strong>n angeblichen<br />
Vorteil <strong>de</strong>s Mannheimer Unternehmensjuristen.<br />
Was aber ist dieser Bachelor tatsächlich<br />
wert? Er stellt <strong>de</strong>n Absolventen<br />
kaum über <strong>de</strong>n juristischen Studienabbre-<br />
cher, <strong>de</strong>r früher schon in zahlreichen Berufen<br />
dank eines gewissen Kenntnisstan<strong>de</strong>s<br />
und einer erlernten Denkweise durchaus<br />
seinen Platz fin<strong>de</strong>n konnte. Als<br />
Bachelor mit einer Wissensmischung aus<br />
Recht und Betriebswirtschaft steht <strong>de</strong>r Absolvent<br />
vielleicht ein wenig, viel besser<br />
allerdings nicht da. Insi<strong>de</strong>r sprechen sogar<br />
von einem Zertifikat für ein gescheitertes<br />
Studium und sehen auch in <strong>de</strong>r Wirtschaft<br />
entsprechen<strong>de</strong> Reaktionen. Für die<br />
Rechtsabteilung eines Unternehmens<br />
reicht <strong>de</strong>r so erworbene Bachelor nicht<br />
aus, da hier ein umfassend ausgebil<strong>de</strong>ter<br />
Volljurist gefragt ist, <strong>de</strong>r alle Rechtsgebiete<br />
und damit alle Eventualitäten ab<strong>de</strong>ckt.<br />
In <strong>de</strong>r Vertragsvorbereitung beispielsweise,<br />
wo <strong>de</strong>r Bachelor im Unternehmen<br />
sein spezialisiertes Wissen ausspielen<br />
kann, konkurriert ein Unternehmensjurist<br />
mit universitärem Bachelor-Abschluss sicherlich<br />
nicht selten mit gut ausgebil<strong>de</strong>ten<br />
Kaufleuten o<strong>de</strong>r Betriebswirten von Hochschulen<br />
für angewandte Wissenschaften.<br />
Der universitäre Bachelor-Abschluss kann<br />
so schnell zur beruflichen Sackgasse ohne<br />
Perspektive wer<strong>de</strong>n.<br />
Wenig logisch ist gleichzeitig, dass die<br />
neuen Bologna-Studiengänge das, was<br />
DHV-Präsi<strong>de</strong>nt Kempen:<br />
Wissenschaftsbetrug ist kriminell<br />
Bonn. Für die Schaffung eines Straftatbestan<strong>de</strong>s Wissenschaftsbetrug spricht sich <strong>de</strong>r Deutsche<br />
Hochschulverband (DHV) aus. Er zielt damit auf die Branche <strong>de</strong>r so genannten Promotionsberater,<br />
die im dringen<strong>de</strong>n Verdacht stehe, für vermeintliche Promoven<strong>de</strong>n kommerziell Dissertationen,<br />
darüber hinaus aber auch Bachelor- und Masterabschlussarbeiten für Studieren<strong>de</strong> zu<br />
verfassen. Schätzungen zufolge wer<strong>de</strong>n laut DHV bis zu zwei Prozent aller Dissertationen<br />
unter tatkräftiger Mitwirkung von Promotionsberatern abgefasst, und in <strong>de</strong>n Fachbereichen<br />
Jura und Wirtschaftswissenschaften gehen Experten laut dpa sogar von je<strong>de</strong>r dritten Doktorarbeit<br />
als Fremdleistung aus. DHV-Präsi<strong>de</strong>nt Cbr Professor Bernhard Kempen (Mm): „Ghostwriter<br />
bringen die aka<strong>de</strong>mischen Gra<strong>de</strong> und die Hochschulen, die sie verleihen, in Verruf. Das<br />
geht zu Lasten <strong>de</strong>r großen Mehrzahl <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>miker, die ihre aka<strong>de</strong>mischen Gra<strong>de</strong> durch Leistung<br />
erworben haben.“ Um <strong>de</strong>m einen Riegel vorzuschieben, müssten die Abschreckungsinstrumente<br />
geschärft wer<strong>de</strong>n. „Wissenschaftsbetrug“, so Kempen, „ist kein Kavaliers<strong>de</strong>likt, son<strong>de</strong>rn<br />
kriminell.“ In diesem Sinne for<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r DHV sowohl für <strong>de</strong>n Fremdautor als auch für <strong>de</strong>n<br />
Nutznießer, <strong>de</strong>r diese Arbeit als seine eigene ausgibt, die strafrechtliche Ahndung mit einem<br />
Strafrahmen von einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren o<strong>de</strong>r Geldstrafe. wb<br />
64 5/2012 ACADEMIA<br />
früher <strong>de</strong>m Stu<strong>de</strong>nten freigestellt war,<br />
durch die Verschulung <strong>de</strong>s Studiums zunächst<br />
unmöglich gemacht haben, nämlich<br />
neben einem Hauptstudienfach über <strong>de</strong>n<br />
Tellerrand hinweg auch in ein weiteres<br />
Fach zu riechen und dort Kenntnisse zu<br />
erwerben, die man mit erhöhtem Enga -<br />
gement mit Zwischenprüfungen o<strong>de</strong>r sogar<br />
<strong>de</strong>m vollen<strong>de</strong>ten Abschluss als Zu -<br />
satzqualifikation krönen konnte. Genau<br />
das in einem engen Korsett neu aufleben<br />
zu lassen, feiern die Hochschulen jetzt<br />
als kreative Leistung. Was dabei aber weitgehend<br />
auf <strong>de</strong>r Strecke bleiben dürfte, ist<br />
die eigene Neugier<strong>de</strong> als Basis <strong>de</strong>r neuen<br />
Fächerkombination. So bereitet man von<br />
Anfang an gekappte Laufbahnen, aber<br />
keine herausragen<strong>de</strong>n Leistungen vor. Die<br />
bleiben nach wie vor <strong>de</strong>m Studieren<strong>de</strong>n<br />
selbst überlassen, wobei ihm die Mög -<br />
lichkeiten dazu aber durch die Formalisierung<br />
und Verschulung drastisch beschnitten<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Dass Bachelor-Abschlüsse gleichzeitig<br />
als Etappenprüfung auf <strong>de</strong>m Weg zum<br />
ersten juristischen Staatsexamen aus -<br />
gestaltet sind und <strong>de</strong>r Absolvent die<br />
Möglichkeit hat, dieses Staatexamen<br />
nach weiteren Semestern abzulegen, gibt<br />
<strong>de</strong>mjenigen, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Studiengang „Un -<br />
ternehmensjurist“ o<strong>de</strong>r „Law and Eco -<br />
nomics“ erfolgreich absolviert, wenigs -<br />
tens noch die Chance auf eine vollwertige<br />
aka<strong>de</strong>mische Ausbildung, die auch von<br />
<strong>de</strong>n meisten Stu<strong>de</strong>nten genutzt wird. Wer<br />
aber auch am Bachelor scheitert, muss<br />
sich ebenso mit <strong>de</strong>m Nichts abfin<strong>de</strong>n<br />
wie ein mehrfach gescheiterter Examenskandidat<br />
in <strong>de</strong>r klassischen Juristenaus -<br />
bildung.<br />
Man sollte daraus <strong>de</strong>n Schluss ziehen,<br />
dass eine Reduzierung <strong>de</strong>r Qualifika -<br />
tionsmarke gegenüber <strong>de</strong>n herkömmlichen<br />
Studienabschlüssen nicht <strong>de</strong>r Sinn<br />
<strong>de</strong>s zweistufigen Studiums sein kann.<br />
Vielmehr sollte die Basis im Bachelor-<br />
Studium so gelegt wer<strong>de</strong>n, dass sie <strong>de</strong>n<br />
grundlegen<strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen an die<br />
herkömmlichen Berufsqualifikationen gerecht<br />
wird, auch wenn dafür etwas mehr<br />
Zeit erfor<strong>de</strong>rlich ist. Der Master kann<br />
dann eine zusätzliche Qualifikation verbun<strong>de</strong>n<br />
mit einer Schwerpunktbildung<br />
bringen. Wolfgang Braun (Bd)
Gesicht <strong>de</strong>r Hochschulen immer internationaler<br />
Bonn/Hannover. Die Stu<strong>de</strong>ntenschaft an Deutschlands Hochschulen wird internationaler: 70.000<br />
ausländische Studieren<strong>de</strong> und damit zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor nahmen 2008 ein Studium<br />
an einer <strong>de</strong>utschen Hochschule auf. Stärkste nationale Gruppe waren dabei Studienanfänger aus<br />
China, gefolgt von Neuimmatrikulierten aus <strong>de</strong>r Türkei, aus Frankreich, Polen, Russland und <strong>de</strong>n USA.<br />
Mit 18.000 ausländischen Doktoran<strong>de</strong>n schrieben sich 2009 doppelt so viele an <strong>de</strong>utschen Universitäten<br />
ein wie im Jahr 2000. Das be<strong>de</strong>utet, dass mittlerweile je<strong>de</strong>r fünfte Doktorand aus <strong>de</strong>m Ausland<br />
kommt, und zwar insbeson<strong>de</strong>re aus asiatischen und mittelost- sowie osteuropäischen Län<strong>de</strong>rn.<br />
An <strong>de</strong>r Spitze steht auch hier China zusammen mit Indien, gefolgt von Russland und Polen. Als Grund<br />
für ihre Entscheidung, zur Promotion nach Deutschland zu kommen, führen die meisten Doktoran<strong>de</strong>n<br />
an, dass sie vom guten Ruf und <strong>de</strong>r fachlichen Qualität <strong>de</strong>r Wissenschaft in ihrem Gastland<br />
überzeugt seien. Auch fühlten sie sich an <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Hochschulen gut betreut. Dies geht aus<br />
<strong>de</strong>r aktuellen Studie „Wissenschaft weltoffen“ <strong>de</strong>s Deutschen Aka<strong>de</strong>mischen Austauschdienstes<br />
(DAAD) und <strong>de</strong>r HIS Hochschul-Informations-System GmbH hervor, die jährlich erstellt wird.<br />
Die Internationalisierung <strong>de</strong>r Hochschulen in Deutschland entspricht dabei einem weltweiten Trend.<br />
Rund drei Millionen Studieren<strong>de</strong> rund um <strong>de</strong>n Globus sind an Hochschulen außerhalb ihres Heimatlan<strong>de</strong>s<br />
immatrikuliert. Dabei zählt Deutschland nach <strong>de</strong>n USA und Großbritannien zu <strong>de</strong>n wichtigsten Gastlän -<br />
<strong>de</strong>rn. Insgesamt 240.000 ausländische Studieren<strong>de</strong> waren 2009 an <strong>de</strong>utschen Universitäten und Fachhochschulen<br />
eingeschrieben. Das waren erneut 6000 mehr als im Jahr zuvor und be<strong>de</strong>utet, dass etwa<br />
je<strong>de</strong>r achte Studieren<strong>de</strong> in Deutschland einen ausländischen Pass besitzt. Bei dieser Gesamtzahl liegen<br />
nach nationaler Herkunft China sowie die osteuropäischen Län<strong>de</strong>r Russland, Polen und Bulgarien vorn.<br />
Dem weltweiten Trend folgen zunehmend auch <strong>de</strong>utsche Studieren<strong>de</strong>. 90.000 von ihnen und damit<br />
acht Prozent mehr als im Vorjahr waren 2007 an einer ausländischen Hochschule eingeschrieben,<br />
bevorzugt in <strong>de</strong>n Nachbarlän<strong>de</strong>rn Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>, Österreich, Großbritannien und <strong>de</strong>r Schweiz. wb<br />
Reformbaustelle Hochschule:<br />
das Thema Durchlässigkeit<br />
Bonn/Berlin. Im Kontext <strong>de</strong>r Entwicklung<br />
eines Deutschen Qualifikationsrahmens,<br />
<strong>de</strong>ssen Ziel es ist, auch die Gleichwertigkeit<br />
zwischen aka<strong>de</strong>mischem Studium und beruflicher<br />
Ausbildung abzubil<strong>de</strong>n, drängen<br />
insbeson<strong>de</strong>re die Interessenvertreter <strong>de</strong>r Sozialpartner<br />
darauf, auch die Durchlässigkeit<br />
zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Bildungsbereichen zu<br />
verbessern. Der soziale Aufstieg soll für<br />
<strong>de</strong>n Einzelnen nicht an <strong>de</strong>n Türen <strong>de</strong>r Fachhochschulen<br />
und Universitäten en<strong>de</strong>n.<br />
Gera<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>s zunehmend<br />
auch in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit thematisierten<br />
und erwarteten Fachkräftemangels<br />
wer<strong>de</strong>n diese Aufstiegskarrieren<br />
auch für <strong>de</strong>n Erhalt <strong>de</strong>s Wohlstandsniveaus<br />
in Deutschland be<strong>de</strong>utsamer. Die zentrale<br />
Frage – insbeson<strong>de</strong>re an Universitäten –<br />
ist, wie es gelingt, die aus <strong>de</strong>r beruflichen<br />
Bildung in das Studium hineinwachsen<strong>de</strong>n<br />
Studieren<strong>de</strong>n so auf das Studium vorzubereiten,<br />
dass sie es auch ohne Niveauverlust<br />
erfolgreich abschließen können.<br />
Die Übergänge wer<strong>de</strong>n über <strong>de</strong>n Beschluss<br />
<strong>de</strong>r Kultusministerkonferenz zum Hochschulzugang<br />
für beruflich Qualifizierte<br />
vom März 2009 ausgebaut. Nach diesem<br />
Beschluss haben Meister, Techniker und<br />
gleichwertig Qualifizierte einen allgemeinen<br />
Hochschulzugang. Inhaber von Abschlüssen<br />
<strong>de</strong>r dualen Ausbildung benötigen<br />
eine berufliche Erfahrungszeit von<br />
zwei Jahren, um sich in einem ihrer Ausbildung<br />
affinen Studiengang einschreiben<br />
zu können. Darüber hinaus gibt es das Ins -<br />
trument <strong>de</strong>r Eignungsfeststellung.<br />
Das Centrum für Hochschulentwicklung<br />
hat nun im Juli 2012 die Entwicklung <strong>de</strong>s<br />
Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte<br />
entlang <strong>de</strong>r lan<strong>de</strong>sspezifischen Regelungen<br />
analysiert. Sichtbar wird, dass<br />
die einzelnen Län<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n neuen Möglichkeiten<br />
sehr unterschiedlich umgegangen<br />
sind. Zum Teil ist die Umsetzung in<br />
laufen<strong>de</strong> Novellen <strong>de</strong>r Hochschulgesetze<br />
eingebun<strong>de</strong>n und steht vor <strong>de</strong>m Abschluss.<br />
Hochschule<br />
Während Nordrhein-Westfalen unter seinen<br />
Studienanfängern 2010 immerhin<br />
4,23 Prozent Studieren<strong>de</strong> hatten, die aus<br />
<strong>de</strong>r beruflichen Qualifizierung gekommen<br />
sind, waren es im Saarland lediglich 0,38<br />
Prozent. Auch Berlin (3,68 Prozent) und<br />
Mecklenburg-Vorpommern haben ihre<br />
Hochschulen <strong>de</strong>utlich geöffnet.<br />
Generell kann diese Öffnung positiv wirken.<br />
Sie öffnet in zahlreichen beruflichen Fel<strong>de</strong>rn<br />
jungen engagierten Arbeitnehmern<br />
neue Karrieremöglichkeiten. Die Unternehmen<br />
können durch gezielte För<strong>de</strong>rung<br />
von dualen, Teilzeit- o<strong>de</strong>r berufsbegleiten<strong>de</strong><br />
Studien Fachkräfte bin<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n neuen<br />
Län<strong>de</strong>rn eröffnet sich für Universitäten<br />
und Fachhochschulen gera<strong>de</strong> im Kontext<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>mographisch bedingten Rückgänge<br />
<strong>de</strong>r Erstsemester in wenigen Jahren die<br />
Möglichkeit, über gezielte weiterbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Studienangebote neue Wege in <strong>de</strong>r aka<strong>de</strong>mischen<br />
Bildung einzuschlagen.<br />
Auch die Anerkennung von beruflichen<br />
Qualifikationen, die auf ein Studium angerechnet<br />
wer<strong>de</strong>n kann, ist heute schon großzügig<br />
geregelt. Bis zu 50 Prozent eines Studiums<br />
können von beruflich Qualifizierten<br />
durch Leistungen <strong>de</strong>r bisherigen Bildungsgänge<br />
ersetzt wer<strong>de</strong>n. Dies ist insbeson<strong>de</strong>re<br />
für jene mit beruflichen Fortbildungsqualifikationen<br />
interessant, die zwar nicht<br />
die breite eines klassischen Studiums erreichen,<br />
aber in einem bestimmten Segment<br />
hohe Qualifikationen erreicht haben.<br />
Die „Expertenkommission Forschung und<br />
Innovation“ hat in diesem Jahr Bund und<br />
Län<strong>de</strong>r aufgefor<strong>de</strong>rt, die Bildungspolitik<br />
stärker auf die vertikale und horizontale<br />
Durchlässigkeit hin auszurichten. „Eine<br />
zukunftsweisen<strong>de</strong> Bildungspolitik für<br />
Deutschland darf nicht ausschließlich darauf<br />
abzielen, eine hohe Zahl an Aka<strong>de</strong>mikern<br />
zu gewährleisten, son<strong>de</strong>rn muss auf möglichst<br />
hochwertige Ausbildungsgänge auf<br />
allen Stufen und auf eine maximale Durchlässigkeit<br />
zwischen beruflichen rund aka<strong>de</strong>mischen<br />
Bildungsgängen Wert legen. Das<br />
duale Berufsbildungssystem und das Hochschulsystem<br />
müssen gleichzeitig gestärkt<br />
wer<strong>de</strong>n.“ Damit sind die zentralen Eckpunkte<br />
auch benannt. Es darf nicht dazu kommen,<br />
dass Universitäten und Fachhochschulen<br />
das Niveau ihrer Bildungsgänge absenken,<br />
um beruflich Qualifizierte nach politischer<br />
Zielsetzung durch ein Studium zu bringen.<br />
Es darf keine Studieren<strong>de</strong>n zweier Leistungsklassen<br />
geben. Klaus Oidtmann (TsK)<br />
ACADEMIA 5/2012 65
St. Gothardus schmückt die Kanal<strong>de</strong>ckel<br />
Ein Blick ins geschichtsgesättigte Gotha<br />
Der Stadtpatron mit Mitra und Bischofsstab schmückt nicht<br />
nur <strong>de</strong>n wun<strong>de</strong>rschön restaurierten Renaissancegiebel<br />
<strong>de</strong>s Rathauses, sein Bild mit <strong>de</strong>m lateinischen Namen<br />
befin<strong>de</strong>t sich sogar auf <strong>de</strong>n Kanal<strong>de</strong>ckeln: St. Gothardus.<br />
Obwohl die rührige Stadtverwaltung mit ihm auf ihren<br />
Prospekten wirbt, scheint vielen Gothaern ihre christliche<br />
Wurzel nicht bewusst zu sein. Gothardus o<strong>de</strong>r St. Go<strong>de</strong>hard<br />
war bis 1020 Abt <strong>de</strong>s Benediktinerklosters Hersfeld,<br />
<strong>de</strong>m Gotha Steuern zahlen musste. Von dort aus ging er<br />
als Bischof nach Hil<strong>de</strong>sheim.<br />
Auch wenn <strong>de</strong>r aktive Glaube wie in vielen an<strong>de</strong>ren Städten<br />
<strong>de</strong>r neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r manchmal verdunstet zu sein<br />
scheint, ist das Stadtbild von Gotha von ihm geprägt. Hinweisschil<strong>de</strong>r<br />
an allen wichtigen Punkten weisen auf die<br />
dreischiffige spätgotische Margarethenkirche hin, die nach<br />
ihrer Zerstörung 1944 in alter Schönheit wie<strong>de</strong>rhergestellt<br />
wur<strong>de</strong>. 40 bis 100 Gottesdienstbesucher sollen es am<br />
Sonntag sein. Die älteste Margarethenkirche an dieser Stel -<br />
le hatte 1290 <strong>de</strong>r Deutsche Or<strong>de</strong>n übernommen.<br />
Luther und Bach sind allgegenwärtig, auch<br />
wenn die Orgeln nicht ganz so<br />
berühmt sind wie die im<br />
nahen Arnstadt.<br />
66 5/2012 ACADEMIA<br />
Das Gothaer Rathaus im Zentrum<br />
<strong>de</strong>s Hauptmarkes. Baubeginn: 1567.<br />
Das aktive evangelische Leben pulsiert im ehemaligen<br />
Augustinerkloster, in <strong>de</strong>m Luther viermal gepredigt hat.<br />
Er war von Gotha so beeindruckt, dass er <strong>de</strong>n Wunsch<br />
äußerte, dort begraben zu wer<strong>de</strong>n. Es kam an<strong>de</strong>rs. Heute<br />
ist das Augustinerkloster eine Begegnungsstätte mit<br />
einer „Herberge“ von 17 Zimmern. Die Bibliothek mit<br />
rund 5000 Bän<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>n früheren evangelischen<br />
Gemein<strong>de</strong>n Gothas zusammengetragen. Das älteste<br />
Buch ist eine lateinische Lutherausgabe von 1564.<br />
Aus <strong>de</strong>m einstigen Kapitelsaal wur<strong>de</strong> ein Café. Von hier<br />
aus kommt <strong>de</strong>r Besucher in <strong>de</strong>n Kreuzgang, auch hier Tische<br />
für die Gäste. Im Übrigen: Christentum zum Anfassen.<br />
1989 waren Kloster und Kirche Zentrum <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>nsgebete<br />
und Ausgangsort <strong>de</strong>r friedlichen<br />
Demonstrationen. Heute gibt es im Sommer hin und<br />
wie<strong>de</strong>r Gottesdienste vor <strong>de</strong>r Klosterkirche,<br />
um <strong>de</strong>n Glauben öffentlich<br />
zu bekennen.<br />
Foto: picture alliance/Bildagentur Huber<br />
Immer wie<strong>de</strong>r wird in <strong>de</strong>r Stadt<br />
auch auf die katholische Bonifatiuskirche<br />
hingewiesen. Mit einem<br />
mo<strong>de</strong>rnen Gemein<strong>de</strong>haus<br />
liegt sie auf einem<br />
kleinen Hügel. 3500 Katholiken<br />
gibt es hier, darunter<br />
zwei CVer. Im Gegensatz zu<br />
<strong>de</strong>n evangelischen Gotteshäusern<br />
ist die Kirche verschlossen.<br />
Ist das im Sinne<br />
<strong>de</strong>s Erbauers, <strong>de</strong>s Bonif<br />
a t i u s w e r k e s ?<br />
Ansicht <strong>de</strong>s Rathauses um die Jahrhun<strong>de</strong>rtwen<strong>de</strong>.<br />
Foto: picture alliance/akg-images
B L Ü H E N D E L A N D S C H AFTE N<br />
Zwar gibt es einen Hinweis, wo <strong>de</strong>r Schlüssel zu holen ist,<br />
aber wer tut das schon, um sich kurz vor <strong>de</strong>m Tabernakel<br />
im Gebet zu sammeln? Dann kann man auch <strong>de</strong>n<br />
„Raum <strong>de</strong>r Stille“ im Augustinerkloster aufsuchen. Ist die<br />
katholische Kirche zu, weil keine Beter kommen o<strong>de</strong>r ist<br />
es nicht umgekehrt?<br />
Seit <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> hat Gotha mit heute rund 45.000 Einwohnern<br />
etwa 10.000 Bürger verloren. Waren das die<br />
rührigsten? Die Stadt wirkt ruhig, manchmal leer. Fragt<br />
man, warum das so ist, heißt es,<br />
die Gothaer seien keine geselli-<br />
gen Thüringer, sie blieben lieber<br />
daheim. So gehört das malerische<br />
und ansprechen<strong>de</strong> Stadtbild<br />
oft allein <strong>de</strong>n Touristen. Sie<br />
wer<strong>de</strong>n abends von einem<br />
„Nachtwächter“ und tagsüber<br />
manchmal von einem „Mönch“<br />
im schwarzen Benediktinerhabit<br />
geführt. Noch etwas: In vier Tagen<br />
sahen wir kein einziges muslimisches Kopftuch. Die<br />
Vietnamesen, die zu DDR-Zeiten kamen, sind integriert.<br />
Fragt man nach <strong>de</strong>utscher Küche, erfährt man zunächst:<br />
„Hier haben wir nur italienische und asiatische Restaurants.“<br />
Auf <strong>de</strong>n ersten Blick stimmt das. Hinzugefügt wer<strong>de</strong>n muss,<br />
dass selbst <strong>de</strong>r Ratskeller fest in italienischer Hand ist, jedoch<br />
wie auch an<strong>de</strong>re Italiener thüringische Spezialitäten<br />
anbietet. Und das mit umwerfen<strong>de</strong>r Freundlichkeit.<br />
Hier verlobte sich<br />
Kaiser Wilhelm II.<br />
mit Auguste Viktoria<br />
– heimlich<br />
Foto: Thomas Grundner<br />
Foto: ramu<br />
Englischer und Orangeriegarten, <strong>de</strong>r nahe Thüringerwald<br />
sind etwas für Naturliebhaber. Der Historiker ist fasziniert<br />
von <strong>de</strong>n Galerien <strong>de</strong>s europäischen A<strong>de</strong>ls. Das<br />
Herzogshaus von Sachsen-Gotha verheiratete seine Söhne<br />
und Töchter an viele Fürstenhöfe. So haben fast alle<br />
europäischen Monarchien ihre Wurzeln in Gotha. „Königskin<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Weltgeschichte“ – ihre Porträts schmücken<br />
Wän<strong>de</strong> im Schloss. „Gotha a<strong>de</strong>lt“ heißt es auf Prospekten.<br />
Die Forschungsbibliothek lockt mit wissenschaftlichen<br />
Tagungen, aber auch gängigen Vorträgen ins Schloss<br />
und hütet <strong>de</strong>n Schatz von 3000<br />
evangelischen Gesangbüchern.<br />
Die Parteiengeschichte? 1875<br />
vereinigten sich in Gotha die Sozial<strong>de</strong>mokratischeArbeiterpartei<br />
(Bebel) und <strong>de</strong>r Allgemeine<br />
Deutsche Arbeiterverein (Lassalle)<br />
zur Sozial<strong>de</strong>mokratischen Arbeiterpartei<br />
Deutschlands. 1917<br />
wur<strong>de</strong> dort die Unabhängige<br />
Sozial<strong>de</strong>mokratische Partei Deutschlands gegrün<strong>de</strong>t,<br />
und 1946 vereinigten sich in <strong>de</strong>m geschichtsträchtigen<br />
Gotha KPD und SPD zur SED. Die Urne <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>nsnobelpreisträgerin<br />
Bertha von Suttner, Autorin von „Die Waffen<br />
nie<strong>de</strong>r“, befin<strong>de</strong>t sich auf <strong>de</strong>m Hauptfriedhof.<br />
Schon im Bun<strong>de</strong>sbahnmagazin „Mobil“ mel<strong>de</strong>t sich die<br />
Die Versicherungen? Es gibt das lei<strong>de</strong>r nur an einem Tag<br />
in <strong>de</strong>r Woche geöffnete Versicherungsmuseum Ernst Wilhelm<br />
Arnoldi. Er grün<strong>de</strong>te 1820 die „Gothaer Feuerversicherungsbank<br />
für <strong>de</strong>n Deutschen Han<strong>de</strong>lsstand“. Die<br />
Stadtverwaltung mit einer ganzseitigen Anzeige: „Ein Gothaer Versicherungen sind nach <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> nicht zu-<br />
Märchenschloss im Nahen Osten.“ Gemeint Blick von <strong>de</strong>r ist Seebrücke das die aus rückgekehrt, auf das Seeheilbad son<strong>de</strong>rn Heiligendamm. in Köln geblieben. Bis 1967 wur-<br />
Stadt überragen<strong>de</strong> und in einem großen Park gelegene <strong>de</strong>n in Gotha Straßenbahnwagen hergestellt. Einige von<br />
Schloss Frie<strong>de</strong>nstein. Hervorragend restauriert ist es die ihnen – mit <strong>de</strong>r Beschriftung Gotha – laufen noch heute<br />
größte frühbarocke Schlossanlage Deutschlands. Barock,<br />
Rokoko und Klassizismus sind zu bewun<strong>de</strong>rn, einiges Mo-<br />
in Istanbul und auf <strong>de</strong>r Krim.<br />
biliar <strong>de</strong>r Herzöge von Sachsen-Gotha ist erhalten. Dazu Eine blühen<strong>de</strong> Stadt inmitten blühen<strong>de</strong>r Landschaf-<br />
kommen in <strong>de</strong>n drei Museen Gemäl<strong>de</strong> von Lucas Craten? Gotha gehört unbedingt dazu! Bis hin zur Wartburg<br />
nach (er heiratete die Tochter eines Ratsherrn, das Haus reicht ihr Einfluss – nicht zuletzt durch <strong>de</strong>n bei Gothaers<br />
befin<strong>de</strong>t sich am Markt), Rubens, van Dyck und Caspar Seebergen gebrochenen Sandstein, aus <strong>de</strong>m die Burg<br />
David Friedrich. Ein beson<strong>de</strong>rer Anziehungspunkt: das <strong>de</strong>r heiligen Elisabeth besteht. Auch auf <strong>de</strong>r Wartburg<br />
„Gothaer Liebespaar“. Das Gemäl<strong>de</strong> regte das Hotel zeigt sich das bevorstehen<strong>de</strong> Lutherjahr 2017 mit einer<br />
am Schlosspark zu einem eigenen Menü an. Schon Kai- Gemäl<strong>de</strong>ausstellung über <strong>de</strong>n Reformator an. Das<br />
ser Wilhelm II., <strong>de</strong>r sich dort heimlich mit Auguste Viktoria Stadtbild von Gotha ist nach <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> mit Erfolg<br />
verlobte, mag es genossen haben. In <strong>de</strong>r Schatzkam- wie<strong>de</strong>r „aufgehübscht“. Was wird aus <strong>de</strong>r Natur? Blickt<br />
mer <strong>de</strong>s Schlosses erfreuen 2009 Pretiosen. Das noch man von <strong>de</strong>r Wasserkunst in die Weite, sieht man<br />
bespielte Ekhof- Theater ist das älteste Schlosstheater <strong>de</strong>r nicht <strong>de</strong>n Thüringer Wald, son<strong>de</strong>rn Windrä<strong>de</strong>r. Schaut<br />
Welt mit noch funktionieren<strong>de</strong>r Bühnentechnik aus <strong>de</strong>m man aus <strong>de</strong>m Fenster <strong>de</strong>r Wartburg o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m <strong>de</strong>s<br />
17. Jahrhun<strong>de</strong>rt. „Gotha – die Stadt im Grünen“ eine 2011 eröffneten Fünf-Sterne-Hotels: viel Wald und<br />
Stadt <strong>de</strong>r Superlative zu nennen, ist nicht übertrieben. Windrä<strong>de</strong>r. Norbert Matern (TsK)<br />
ACADEMIA 5/2012 67
Verbum peto<br />
spielcasino zu schließen? Wie könnten institutionellen Anlegern<br />
<br />
<br />
<br />
–<br />
im Blick auf die Altersvorsorge insbeson<strong>de</strong>re Versicherungen –<br />
<br />
Möglichkeiten rentierlicher Anlagen im realwirtschaftlichen Be-<br />
<br />
<br />
reich, national und international und damit sinnvolle Alternativen<br />
<br />
zur reinen, zur Zeit wenig rentierlichen Finanzanlage eröffnet wer<strong>de</strong>n?<br />
Solche und viele an<strong>de</strong>re Fragen lässt <strong>de</strong>r <strong>de</strong>nnoch lesenswerte<br />
Artikel offen. Hans-Günter Pfeifer (Sld)<br />
Keine Wege zum Abbau<br />
<strong>de</strong>r Staatsschul<strong>de</strong>n<br />
Zu <strong>de</strong>m Essay „Was hinter <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>nkrise steht: Zu viel Geld ist das Problem,<br />
nicht zu wenig“ in <strong>de</strong>r ACADEMIA Nr. 04/2012, Seite 10 ff.:<br />
Die Analyse von Hans Joachim Vieweger ist gelungen! Köstlich<br />
sein Satz: „ Zu niedrige Zinsen wegen zu vielen Gel<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Notenbanken<br />
(und damit <strong>de</strong>r Investoren) haben eben zu viel Unsinn<br />
im Han<strong>de</strong>ln von Politikern zur Folge.“ Lei<strong>de</strong>r treiben auch Inves -<br />
toren Unsinn mit einem Zuviel <strong>de</strong>s billigen Gel<strong>de</strong>s, zum Beispiel<br />
gerne im Immobiliensektor. Fehlallokation von Ressourcen heißt<br />
das im Ökonomen-Jargon.<br />
Die Sün<strong>de</strong>nfälle <strong>de</strong>r Notenbanken, sprich die nahezu ungebremste<br />
Ausweitung <strong>de</strong>r Geldmenge, sind lei<strong>de</strong>r systemimmanent, seit<br />
darauf verzichtet wur<strong>de</strong>, die Refinanzierung <strong>de</strong>r Banken, wie bei<br />
<strong>de</strong>r Deutschen Bun<strong>de</strong>sbank lei<strong>de</strong>r auch in allzu ferner Vergangenheit,<br />
(nahezu ausschließlich) durch „gute Han<strong>de</strong>lswechsel“, einem<br />
Finanzierungsinstrument mit realwirtschaftlichem Hintergrund,<br />
zu besichern.<br />
Die Lösungsvorschläge Viewegers greifen bedauerlicherweise zu<br />
kurz. Sie sind womöglich geeignet, einer weiteren Eskalation <strong>de</strong>r<br />
Schul<strong>de</strong>nproblematik vorzubeugen, zeigen jedoch – neben <strong>de</strong>r Erwähnung<br />
<strong>de</strong>s EU-Fiskalpakts, <strong>de</strong>ssen Inkrafttreten zum 1. Januar<br />
2013 noch fraglich ist – keine Wege zum Abbau <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n<br />
Staatsschul<strong>de</strong>n. Es wäre interessant gewesen zu erfahren, was <strong>de</strong>r<br />
Autor beispielsweise von einer Finanztransaktionsabgabe hielte,<br />
<strong>de</strong>ren Aufkommen zwingend zum Altschul<strong>de</strong>nabbau eingesetzt<br />
wür<strong>de</strong>. Deshalb auch „Finanztransaktionsabgabe“ und nicht<br />
„-steuer“. Welche Vorschläge hätte er, das internationale Finanz-<br />
Erfahrener<br />
Lektor / Korrektor<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
68 5/2012 ACADEMIA<br />
<br />
Kontakt:<br />
Dr.<br />
Andreas Frangenber<br />
g (RBo)<br />
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Telefon:<br />
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Nicht benei<strong>de</strong>nswert,<br />
da nicht vorhan<strong>de</strong>n<br />
Zu <strong>de</strong>m Beitrag „Von CV und ÖCV“ in <strong>de</strong>r ACADEMIA Nr. 04/2012, Seite 44:<br />
Die Kolumne lese ich stets gerne. Zu <strong>de</strong>m Beitrag in <strong>de</strong>r vergangenen<br />
Ausgabe möchte ich bemerken: Pennalien haben in Österreich<br />
einen ganz an<strong>de</strong>ren Stellenwert als die Schülerverbindungen in<br />
Deutschland. Den ÖCV muss man auch nicht „um die Mittelschulverbindungen<br />
benei<strong>de</strong>n“. Er hat nämlich keine. Die bil<strong>de</strong>n einen<br />
eigenen Verband, <strong>de</strong>n Mittelschüler-Kartell-Verband (MKV), mit<br />
heute 164 Korporationen, <strong>de</strong>ren älteste 1876 gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>.<br />
Bei<strong>de</strong> Verbän<strong>de</strong> sind seit <strong>de</strong>r unmittelbaren Nachkriegszeit durch<br />
ein Freundsschaftabkommen verbun<strong>de</strong>n und pflegen in mehreren<br />
Bereichen eine enge Zusammenarbeit o<strong>de</strong>r Abstimmung – aber<br />
nicht mehr. Die Initiative zur Gründung <strong>de</strong>s EKV ging vom MKV<br />
aus, wenn ein Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nt, ein EU-Kommissar, mehrere Minister,<br />
ein Caritas-Chef usw. „nur“ Ur-MKVer sind, sagt das doch<br />
eine ganze Menge. Sie alle wur<strong>de</strong>n übrigens nach Amtsantritt sehr<br />
rasch auch mit <strong>de</strong>m Band einer ÖCV-Verbindung beehrt. Die<br />
Doppelmitgliedschaften machen in bei<strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong>n etwa an die<br />
25 Prozent aus. Dr. Peter Krause (Rt-D)<br />
In <strong>de</strong>n verdienten<br />
Mittelpunkt gerückt<br />
Zu <strong>de</strong>m Bild mit <strong>de</strong>m damaligen Prof. Joseph Ratzinger<br />
und (vermeintlich) Kardinal Frings in <strong>de</strong>r ACADEMIA Nr. 03/2012, Seite 29:<br />
Auf <strong>de</strong>m Bild ist zwar rechts zweifelsfrei Joseph Ratzinger zu sehen,<br />
sein Gesprächspartner ist aber auf keinen Fall <strong>de</strong>r Kölner<br />
Kardinal Frings. In meiner Zeit als Messdiener am Bonner Müns -<br />
ter En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r vierziger, Anfang <strong>de</strong>r fünfziger Jahre <strong>de</strong>s vergangenen<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rts hatte ich häufig Gelegenheit, Kardinal Frings<br />
aus nächster Nähe zu sehen, fan<strong>de</strong>n doch dort aus staatlichen Anlässen<br />
immer wie<strong>de</strong>r Pontifikalämter statt – tempora mutantur.<br />
Darüber hinaus bin ich 1944 von Frings persönlich gefirmt wor<strong>de</strong>n,<br />
kann mir also wohl ein Urteil über sein Aussehen erlauben,<br />
das im Übrigen ja auch gut dokumentiert ist. Auf <strong>de</strong>m Bild könnte<br />
es sich eher um <strong>de</strong>n Wiener Kardinal König han<strong>de</strong>ln [Anmerkung<br />
<strong>de</strong>r Redaktion: Es ist Kardinal Franz König]. Dessen bin ich mir<br />
aber nicht sicher. Zu <strong>de</strong>r ausführlichen Konzilsdokumentation<br />
möchte ich <strong>de</strong>r ACADEMIA ausdrücklich gratulieren, rückt sie<br />
doch ein vielen jüngeren Cartellbrü<strong>de</strong>rn schon ferngerücktes Ereignis<br />
in <strong>de</strong>n verdienten Mittelpunkt – auch wenn man nicht mit<br />
allen Artikeln einverstan<strong>de</strong>n ist. Heinzgeorg Pütz (Nv)
Starke Lieferantenbasis<br />
Bräkling Elmar (Wk), Oidtmann, Klaus (TsK):<br />
Power in Procurement. Erfolgreich einkaufen –<br />
Wettbewerbsvorteile sichern – Gewinne steigern,<br />
Wiesba<strong>de</strong>n 2012, 432 Seiten, 34,95 Euro, ISBN<br />
978-3-8349-2698-2.<br />
Um sich auf <strong>de</strong>n Weltmärkten erfolgreich<br />
positionieren zu können, agieren mo<strong>de</strong>rne<br />
Industrie- und Han<strong>de</strong>lsbetriebe in<br />
dynamischen Wertschöpfungsnetzwerken.<br />
Ihre Fähigkeit, unterschiedliche<br />
Kernkompetenzen verbin<strong>de</strong>n und in<br />
Produktangebote mit Mehrwert integrieren zu können, macht sie<br />
im Wettbewerb stark. Der Procurement-Funktion kommt dabei<br />
mit ihrer Kernaufgabe – <strong>de</strong>r Fremdversorgung <strong>de</strong>s Unternehmens<br />
– eine Schlüsselrolle zu.<br />
Die Zeiten einer vorwiegend administrativen Abwicklungs- und<br />
Dienstleistungsfunktion sind vorbei. Vielmehr geht es zukünftig<br />
darum, mit <strong>de</strong>r Procurement-Funktion die Potenziale <strong>de</strong>r Weltmärk -<br />
te für die eigene Wertschöpfung zu aktivieren. Auf <strong>de</strong>n Beschaffungsmärkten<br />
hat sie das magische Viereck aus Kosten, Qualität,<br />
Zeit und Innovationen so zu steuern, dass die Wettbewerbsfähigkeit<br />
<strong>de</strong>s eigenen Unternehmens durch eine starke Lieferantenbasis<br />
verbessert wird. Die Aufgaben <strong>de</strong>s Procurement sind umfassend<br />
und komplex gewor<strong>de</strong>n. Dafür ist ein professionelles Management<br />
<strong>de</strong>r Procurement-Funktion erfor<strong>de</strong>rlich. Dieses Buch zeigt anhand<br />
zahlreicher Beispiele, wie Einkaufsorganisationen erfolgreich gestaltet,<br />
operationalisiert und gesteuert wer<strong>de</strong>n können. Nach <strong>de</strong>r<br />
Darstellung <strong>de</strong>r Grundlagen geht es um die Themen Procurement-<br />
Planning, Procurement-Operations und Procurement-Controlling<br />
sowie um Resultate in <strong>de</strong>r Praxis.<br />
Cbr Prof. Bräkling lehrt ABWL, insbeson<strong>de</strong>re Beschaffung und<br />
Logistik an <strong>de</strong>r FH Koblenz, Cbr Klaus Oidtmann ist Referent im<br />
Wissenschaftsministerium Sachsen. AC<br />
Nur in einer kleinen Gruppe<br />
Mayr, Jeremia Josef M.: Glaubensweitergabe in<br />
paulinischen Gemein<strong>de</strong>n, Regensburg 2012, 160<br />
Seiten, 20,60 Euro, ISBN 978-3-7917-2466-9.<br />
Bisher wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r Glaubensweitergabe<br />
vor allem aus pastoraltheo -<br />
logischer und religionspädagogischer<br />
Sicht aufgegriffen. Nun setzt sich eine<br />
Arbeit aus <strong>de</strong>r Exegese mit <strong>de</strong>m Thema<br />
auseinan<strong>de</strong>r. Jeremia Josef M. Mayr,<br />
Novize im Stift Schlägl, hat in <strong>de</strong>n<br />
Schriften <strong>de</strong>r Philosophisch-Theologischen<br />
Hochschule St. Pölten (hrsgg. von Josef Kreiml (FlP),<br />
Thomas H. Stark (Vc) und Michael Stickelbroeck) eine facettenreiche<br />
Darstellung <strong>de</strong>s Prozesses <strong>de</strong>r Glaubensweitergabe in <strong>de</strong>n<br />
paulinischen Gemein<strong>de</strong>n vorgelegt. Weitergabe <strong>de</strong>s Glaubens<br />
be<strong>de</strong>utet für <strong>de</strong>n Autor alle Aspekte <strong>de</strong>s Lebens und <strong>de</strong>s Sterbens<br />
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Euro. Zi/Tag mit reichhaltigem Frühstück – Eberhard Gold (Hr.)<br />
Bücher<br />
<strong>de</strong>r Gläubigen. Er grenzt <strong>de</strong>n Begriff gegen <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Mission ab.<br />
Paulus richtet sich in seinen Briefen nicht an Menschen, die gera<strong>de</strong><br />
eine erste Berührung mit <strong>de</strong>m Christusglauben hatten, son<strong>de</strong>rn er<br />
schreibt an getaufte Christen. Er reagiert in seinen Briefen auf aktuelle<br />
Anfragen und Probleme seiner Gemein<strong>de</strong>n. So entsteht ein<br />
realistisches Bild <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n: „Die Menschen dieser Gemein<strong>de</strong>n<br />
nahmen das Wagnis <strong>de</strong>s Glaubens auf sich und versuchten,<br />
auf neue Art zu leben.“ Wo sie zu scheitern drohten, habe Paulus<br />
sie sowie sie sich gegenseitig ermahnt: „Wo sie fehlten, sprach er<br />
ihnen Mut zu und wies <strong>de</strong>n Weg, wie es besser gemacht wer<strong>de</strong>n<br />
könnte.“ Zugleich habe er sich selbst als Trostbedürftiger verstan<strong>de</strong>n.<br />
Eine Glaubens weitergabe, wie sie hier zur Sprache kommt,<br />
lasse sich aber nur in einer kleinen Gruppe verwirklichen. AC<br />
Konfrontation mit <strong>de</strong>r Sterblichkeit<br />
Wehrens, Hans Georg (RBo): Der Totentanz im<br />
alemannischen Sprachraum, Regensburg<br />
2012, 288 Seiten, 39,95 Euro, ISBN 978-3-<br />
7954-2563-0.<br />
Die keineswegs geringe Literatur<br />
zum Totentanz ist durch ein grandioses<br />
Werk erweitert wor<strong>de</strong>n. Hans Georg<br />
Wehrens (RBo), seit Jahren auf<br />
diesem Gebiet forschend, hat einen<br />
Band mit monumentalen und graphischen<br />
Totentänzen vom späten Mittelalter<br />
bis in die Neuzeit vorgelegt. Behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n die Totentanzdarstellungen<br />
<strong>de</strong>r Region, wo sich die dichteste Ansammlung<br />
befin<strong>de</strong>t: in <strong>de</strong>n „historischen Landschaften“ Elsass, Breisgau, Oberrhein,<br />
Hochrhein, Bo<strong>de</strong>nsee und Schwaben sowie im Schweizer<br />
Mittelland und im Tiroler Reutte – ein Gebiet, das sich mit <strong>de</strong>m<br />
alemannischen Sprachraum <strong>de</strong>ckt. (Fortsetzung nächste Seite)<br />
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ACADEMIA 5/2012 69
Bücher<br />
Über 50 Darstellungen <strong>de</strong>r Totentänze im alemannischen Sprachraum<br />
plus die Darstellungen <strong>de</strong>r Totenlegen<strong>de</strong>n in dieser Region<br />
von <strong>de</strong>n „Drei Leben<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n drei Toten“ und <strong>de</strong>n „Dankbaren<br />
Toten“ (insgesamt 14) beschreibt <strong>de</strong>r Autor in faszinieren<strong>de</strong>r<br />
Weise und liefert die Übersetzungen <strong>de</strong>r frühmittelalterlichen<br />
und lateinischen Texte dazu. Darüber hinaus ist <strong>de</strong>r Band mit<br />
78 Farbabbildungen und 29 Schwarzweiß-Abbildungen illustriert.<br />
In einer außeror<strong>de</strong>ntlich informativen Einleitung zu <strong>de</strong>m gesamten<br />
Themenkomplex wird auch die Frage nach Vorläufern und Vor -<br />
bil<strong>de</strong>rn sowie nach <strong>de</strong>r Entstehung <strong>de</strong>r Totentänze behan<strong>de</strong>lt.<br />
Und es wird auch auf das wahrscheinlich älteste überlieferte<br />
Wandgemäl<strong>de</strong> eines Totentanzes „La Danse macabre <strong>de</strong> Paris“<br />
(1424) und auf „La Danse macabre <strong>de</strong> La Chaise-Dieu“ (1410-<br />
1425) eingegangen.<br />
„Die Totentänze in Dichtung und bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Kunst spiegeln<br />
eine Lebenshaltung wi<strong>de</strong>r, in <strong>de</strong>r die Beschäftigung mit <strong>de</strong>m<br />
Sterben als Teil eines ‚gelingen<strong>de</strong>n Lebens‘ angesehen wur<strong>de</strong>.<br />
In ihrer Buchform waren die Bil<strong>de</strong>r Bestandteil <strong>de</strong>r Kultur<br />
<strong>de</strong>r A<strong>de</strong>ligen und Gebil<strong>de</strong>ten.“ Einem größeren Kreis waren<br />
die Dar stellungen aber auch zugänglich, da sie sehr häufig<br />
an Fried hofsmauern und in Beinhäusern angebracht waren.<br />
An zahl reichen Beispielen wird aufgezeigt, in welcher Form<br />
<strong>de</strong>r Totentanz dargestellt wur<strong>de</strong>, so „tanzt <strong>de</strong>r Tod anfangs<br />
(etwa um 1440) in einem Reigen, in einem Paartanz o<strong>de</strong>r<br />
Gruppentanz mit <strong>de</strong>n nach Stan<strong>de</strong>skategorien geordneten<br />
Menschen“.<br />
Seit <strong>de</strong>n 1520er Jahren än<strong>de</strong>rt sich das: „Der individualisierte<br />
Tod nähert sich einer Einzelperson und überrascht sie bei einer<br />
typischen Beschäftigung in ihrem alltäglichen Leben.“ Wehrens<br />
hat eine Vielzahl von Fakten in jahrelanger Forschung zusammengetragen<br />
und ein Standardwerk zum Thema Totentanz geschaffen.<br />
Walter Gauer (RBo)<br />
Verwaltung, Sicherheit und –<br />
Mitmenschlichkeit<br />
Hilgendorf, Eric, Eckert, Frank (Hrsgg.): Subsidiarität,<br />
Sicherheit, Solidarität. Festgabe für Franz-<br />
Ludwig Knemeyer zum 75. Geburtstag, Würzburg<br />
2012, 857 Seiten, 89 Euro, ISBN 978-3-89-<br />
913889-4.<br />
Unter <strong>de</strong>n Leitbegriffen <strong>de</strong>s Haupttitels<br />
wird das Wirken von Cbr Prof.<br />
Franz-Ludwig Knemeyer (Mm) in<br />
einer umfassen<strong>de</strong>n Festgabe gewürdigt.<br />
Die Herausgeber beschreiben <strong>de</strong>n Jubilar<br />
als einen <strong>de</strong>r „herausragen<strong>de</strong>n Wissenschaftler<br />
und Hochschullehrer im Bereich <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Verwaltungsrechts,<br />
insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>s Kommunal- und <strong>de</strong>s<br />
Polizeirechts“. Diese Beschreibung macht <strong>de</strong>utlich, wie vielfältig<br />
die Themen <strong>de</strong>r Festgabe zu sein haben: sie reichen von <strong>de</strong>r juristischen<br />
Grundlagenforschung über das internationale Privatrecht,<br />
weiter über das Kommunalrecht und das Straf- und Sicherheitsrecht<br />
bis hin zum Kirchenrecht.<br />
70 5/2012 ACADEMIA<br />
Die Begriffe <strong>de</strong>s Titels sind auch Prinzipien und Grundsätze, die<br />
auf das Tätigkeitsfeld und Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>s Jubilars hinweisen: Der<br />
Subsidiaritätsgedanke, <strong>de</strong>r das Denken Knemeyers prägt, bün<strong>de</strong>lt<br />
sein Interesse insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>r Selbstverwaltung im Kommunal-<br />
und Hochschulbereich. Fragen <strong>de</strong>r Sicherheit, die stets an<br />
erster Stelle stehen, gehören sowohl in formeller als auch in materieller<br />
Hinsicht in je<strong>de</strong>s Forschungsgebiet. Bei Prof. Knemeyer<br />
umfassen sie selbstverständlich das Sicherheitsrecht und Polizeirecht,<br />
vor allem aber ver<strong>de</strong>utlicht er die Fragen in seinen Beiträgen<br />
zur Kommunalen Kriminalprävention. Das dritte „S-Prinzip“, die<br />
Solidarität, gehört auf die Ebene <strong>de</strong>r Mitmenschlichkeit und <strong>de</strong>s<br />
persönlichen Engagements <strong>de</strong>s Jubilars.<br />
Dies alles würdigten sowohl viele Kollegen <strong>de</strong>r Juristischen Fakultäten<br />
Würzburg, Bayreuth, Augsburg, Regensburg und Osnabrück,<br />
als auch aus <strong>de</strong>r juristischen Praxis, wie unter an<strong>de</strong>rem Prof.<br />
Dr. Udo Steiner, ehemaliger Richter am Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht,<br />
welcher <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Solidarität als Rechtsbegriff <strong>de</strong>r sozialen<br />
Sicherheit subsumiert. Aus <strong>de</strong>r Praxis <strong>de</strong>s Kommunalrechts<br />
und <strong>de</strong>s Verwaltungsrechts trugen Prof. Heinz Fischer-Hei<strong>de</strong>lberger,<br />
Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Bayerischen Obersten Rechnungshofes, sowie<br />
Monika Motyl, Vorsitzen<strong>de</strong> Richterin <strong>de</strong>s Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes,<br />
bei, umrahmt von vielen Beiträgen ihrer Kollegen,<br />
welche wie sie mit Cbr Knemeyer verbun<strong>de</strong>n sind.<br />
Im ersten Teil fin<strong>de</strong>n sich „Beiträge aus <strong>de</strong>r Wissenschaft und Praxis“,<br />
während im zweiten Teil persönliche Beiträge und Erinnerungen<br />
ihren Platz haben. Die „Beiträge aus <strong>de</strong>r Wissenschaft und<br />
Praxis“ behan<strong>de</strong>ln Fragen, die rund um die Forschung angesie<strong>de</strong>lt<br />
sind und würdigen in fünf Kapitelüberschriften das breite Spektrum<br />
<strong>de</strong>s Wirkens von Prof. Knemeyer. Die ersten bei<strong>de</strong>n Kapitelüberschriften<br />
ordnen die Themen nach <strong>de</strong>n Forschungsschwerpunkten<br />
ein: „Subsidiarität-Selbstverwaltung-Kommunalrecht“<br />
und „Sicherheit-Polizeirecht-Strafrecht“. Ersteres wird nach einer<br />
ausgiebigen Definition aus kanonistischer Sicht und <strong>de</strong>r Verwaltungspraxis<br />
anhand von Problemstellungen aus <strong>de</strong>r Kommune sowie<br />
überörtlichen Institutionen beleuchtet, während <strong>de</strong>r Themenblock<br />
<strong>de</strong>r „Sicherheit“ nicht nur auf die Frage, was eigentlich<br />
„sicher“ sei, eingeht, son<strong>de</strong>rn auch auf Themen wie internationalen<br />
Terrorismus, organisierte Kriminalität und Prävention, aber<br />
auch die polizei- und strafrechtlichen Konsequenzen aufzeigt. In<br />
einem dritten Kapitel wird <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r Solidarität in eine Gruppe<br />
mit Gesundheit und Sozialem gefasst, wobei die Überschriften<br />
auf aktuelle Themen wie die Gesundheitsreform 2011, das Recht<br />
auf Gesundheit und die <strong>de</strong>mographische Entwicklung eingehen.<br />
Der letzte Block fasst „Aktuelles-Historisches-Internationales“<br />
zusammen. Gegenstand sind hier unter an<strong>de</strong>rem <strong>de</strong>r „Bologna-<br />
Prozess an juristischen Fakultäten“, Google Street View, „Die<br />
Deutsche Bahn AG – das staatsferne Staatsunternehmen“, rechtliche<br />
Fragen in Angelegenheiten <strong>de</strong>r Europäischen Union und<br />
„Whistleblowing“. Hinter einem Wissenschaftler steht auch<br />
eine Persönlichkeit, <strong>de</strong>swegen darf in einer Festschrift <strong>de</strong>r persönliche<br />
Teil, bestehend aus Beiträgen, Anekdoten und Erinnerungen<br />
nicht fehlen.<br />
Die Festgabe spiegelt das weite Spektrum <strong>de</strong>s Jubilars und seine<br />
vielschichtige und verdienstvolle Arbeit wi<strong>de</strong>r. Der umfang reiche<br />
Band würdigt sowohl <strong>de</strong>n Hochschullehrer und Forscher, zeigt<br />
seine Verbun<strong>de</strong>nheit mit <strong>de</strong>m Thema und nicht zuletzt sein enormes<br />
Engagement. Theodora Boruszczak
Aus Schreien wur<strong>de</strong> Vertrauen<br />
Heumann, Hans-Dieter: Hans-Dietrich Genscher.<br />
Die Biographie, Pa<strong>de</strong>rborn 2011, 346 Seiten,<br />
24,90 Euro, ISBN 978-3-50-677037-0.<br />
„Genscher hatte seinen engsten und langjährigen<br />
Mitarbeiter Kinkel von Anfang<br />
an als seinen Nachfolger ausersehen.“ So<br />
<strong>de</strong>r Diplomat Hans-Dieter Heumann, <strong>de</strong>r<br />
sein Buch über <strong>de</strong>n Menschen, Politiker<br />
und Staatsmann Hans-Dietrich Genscher<br />
selbstbewusst „die“ Biographie <strong>de</strong>s Ministers<br />
nennt, <strong>de</strong>r seit Gründung <strong>de</strong>s Auswärtigen<br />
Amtes 1871 mit einer Dienstzeit von 18 Jahren das Haus<br />
am längsten geführt hat.<br />
Das bis heute andauern<strong>de</strong> Vertrauensverhältnis zwischen Genscher<br />
und Cbr Klaus Kinkel (Gu) begann mit einem handfesten<br />
Streit: Der damalige Referatsleiter im Innenministerium hatte das<br />
Schreien seines Ministers genauso lautstark beantwortet. Das imponierte<br />
Genscher und Kinkel wur<strong>de</strong> Leiter <strong>de</strong>s Ministerbüros.<br />
Ein Foto zeigt die bei<strong>de</strong>n am Schreibtisch. Auf Bitten Genschers<br />
kam Kinkel auch 1972 während <strong>de</strong>r dramatischen Ereignisse bei<br />
<strong>de</strong>r Olympia<strong>de</strong> nach München. Genscher bot sich an Stelle <strong>de</strong>r<br />
israelischen Sportler als Geisel an. Kinkel: „Ich hatte ihm gesagt…<br />
es könnte sein En<strong>de</strong> sein, wirklich“ (S.135).<br />
Später holte Genscher Klaus Kinkel als Leiter <strong>de</strong>s Planungsstabes ins<br />
Auswärtige Amt nach. 1982 „will Kinkel Genscher zur Beendigung<br />
<strong>de</strong>r Koalition (von Schmidt zu Kohl) getrieben haben, sehr stark sogar“<br />
(S.125). Kinkel beriet seinen früheren Minister nicht zuletzt<br />
bei <strong>de</strong>n intensiven Verhandlungen über die <strong>de</strong>utsche Einigung, die<br />
Genscher bis hin zu gesundheitlichen Störungen belasteten.<br />
„… es könnte<br />
sein En<strong>de</strong> sein,<br />
wirklich“<br />
Dass Genschers Rolle<br />
dabei bis heute nicht genügend<br />
wahrgenommen<br />
wird, liegt nach Meinung<br />
Heumanns an <strong>de</strong>r folgenschweren<br />
Entscheidung<br />
<strong>de</strong>s „damaligen Außenministers<br />
und seines<br />
Nachfolgers Kinkel, das Archivgesetz zu respektieren und die Akten<br />
<strong>de</strong>s Auswärtigen Amtes nicht zugänglich zu machen“ (S.225).<br />
Helmut Kohl und das Bun<strong>de</strong>skanzleramt verhielten sich an<strong>de</strong>rs.<br />
Cbr Klaus Kinkel gehörte zu <strong>de</strong>n über 30 in- und ausländischen Zeitzeugen,<br />
die Heumann in längeren Interviews über Leben und Wirken<br />
<strong>de</strong>s langjährigen Außenministers befragte. Herangezogen wur<strong>de</strong> u.a.<br />
auch die von Kinkel herausgegebene Festschrift zu Genschers 70.<br />
Geburtstag. Etwas salopp gesagt, stellt Heumann – einst Referent bei<br />
<strong>de</strong>r FDP-Fraktion – Helmut Kohl in <strong>de</strong>n Schatten Hans-Dietrich<br />
Genschers, <strong>de</strong>r schon nach seiner Flucht aus Mittel<strong>de</strong>utschland 1952<br />
die Wie<strong>de</strong>rvereinigung stets fest im Blick gehabt habe. Michail Gorbatschow<br />
dazu am 30. September 2009 im Gespräch mit Autor Heu -<br />
mann: Genscher hat bei <strong>de</strong>r Entwicklung unserer Beziehungen „eine<br />
gewaltige Rolle gespielt“ (S.188). Am Ran<strong>de</strong> sei noch vermerkt, dass<br />
Thomas Gottschalk (TsM) – wie es in <strong>de</strong>m Buch heißt – zu <strong>de</strong>n ganz<br />
wenigen Duzfreun<strong>de</strong>n Genschers gehört. Norbert Matern (TsK)<br />
Welterkundung als Passion<br />
Bücher<br />
Mühlen, Alexan<strong>de</strong>r (BvBo): Jenseits von A<strong>de</strong>n,<br />
Dreilin<strong>de</strong>n Verlag Berlin 2012, 320 S., 19,90 Euro,<br />
portofrei unter bestellung@dreilin<strong>de</strong>n-verlag.<strong>de</strong>.<br />
„Eine offensichtlich positive Lebenshaltung<br />
<strong>de</strong>r Menschen“, die im Kontrast<br />
zum nicht überall ansprechen<strong>de</strong>n Umfeld<br />
in <strong>de</strong>r Stadt Ghaza stehe, so schätzt<br />
<strong>de</strong>r Diplomat Alexan<strong>de</strong>r Mühlen (BvBo)<br />
anlässlich einer Dienstreise 1995 die<br />
Lage ein. Und vertieft sich im Gespräch<br />
mit Palästinensern über die Infrastruktur<br />
und <strong>de</strong>utsche Wirtschaftshilfe. Ein multinationales Seminar,<br />
wozu im Diplomatengepäck auch eine Vi<strong>de</strong>oausrüstung komplizierte<br />
Grenzabfertigungen passieren musste, war <strong>de</strong>r Reiseanlass.<br />
Noch im Rückblick Jahre später vermag <strong>de</strong>r Autor in seinen Erinnerungen<br />
„Jenseits von A<strong>de</strong>n. Als Diplomat um die Welt“ darzulegen,<br />
dass seine Analysen ihre bisweilen traurige Aktualität bis<br />
heute bewahrt haben. Was auch für <strong>de</strong>n Jemen, einem frühen Posten,<br />
gilt. Nicht alle Versetzungen führen an <strong>de</strong>n Traumstrand, <strong>de</strong>r<br />
Beruf <strong>de</strong>s Gesandten führt regelmäßig auf „Härteposten“.<br />
Diplomat Mühlen hatte immer seine Frau zur Seite. Sie or -<br />
ganisierte das Familienleben, <strong>de</strong>ssen „normaler Alltag“ oft neu<br />
ausgehan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n musste. Diplomatischer Glamour, <strong>de</strong>r für<br />
Außenstehen<strong>de</strong> mit Begegnungen und Begebenheiten in Ver -<br />
bindung gebracht wird, hat aus <strong>de</strong>r Innensicht etwas Nüchternes:<br />
Selbst eine geheime Mission ist eine Dienstsache, die gewitzt<br />
und mit nötiger Diziplin abgewickelt wird. Für die Begleitung<br />
einer Delegation von Bun<strong>de</strong>stagsabgeordneten nach Mittelasien<br />
konnte dann während sieben Tagen aus reicher Erfahrung<br />
geschöpft wer<strong>de</strong>n. Seine Überschau und Routine, davon reicht<br />
Mühlen nach seinem Eintritt in <strong>de</strong>n Ruhestand weiter: In einem<br />
Programm für Jungdiplomaten aus Afrika. Im weiten Bogen<br />
von 315 Seiten wer<strong>de</strong>n offizielle Mission und private Welter -<br />
kundung ausgebreitet. is<br />
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ACADEMIA 5/2012 71
Titel<br />
Die „Bücher <strong>de</strong>r Chronik“ <strong>de</strong>s<br />
„<strong>Facebook</strong>“ baut um und nötigt die User<br />
zu einer „Geschichte von Beginn an“.<br />
Das ist mehr als nur Kosmetik im social network!<br />
Die Entwickler <strong>de</strong>s bisher erfolgreichs -<br />
ten sozialen Netzwerks „<strong>Facebook</strong>“<br />
haben eine erhebliche Neuerung eingeführt.<br />
Im Zentrum <strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rungen<br />
steht vor allem die „Timeline“. Im <strong>de</strong>utschen<br />
Sprachraum wird sie „Chronik“ genannt. Es<br />
geht um ein Profiltagebuch, das nun ästhetisch<br />
ansprechen<strong>de</strong>r und gleichzeitig auch<br />
persönlicher gestaltet wer<strong>de</strong>n kann. Der bisherige<br />
Kasten, <strong>de</strong>r die eigenen Meldungen<br />
und Nachrichten enthält, ist in ein umfassen<strong>de</strong>s<br />
Online-Tagebuch verwan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n<br />
und ähnelt damit einem Blog. Die Umstellung<br />
bei <strong>de</strong>n einzelnen Usern ist bereits in<br />
vollem Gange. Entziehen kann man sich ihr<br />
nicht. Spätestens im Herbst, teilt „<strong>Facebook</strong>“<br />
mit, wer<strong>de</strong>n alle Profilansichten<br />
umgestellt sein. Geworben wur<strong>de</strong> für die<br />
Chronik schon lange Zeit im voraus: „Erzähle<br />
<strong>de</strong>ine Lebensgeschichte mit einem<br />
neuartigen Profil.“ Solche und ähnliche Slogans<br />
erreichten die Nutzer unaufgefor<strong>de</strong>rt.<br />
Die Auffor<strong>de</strong>rung ist klar: „Teile die wichtigsten<br />
Beiträge, Fotos und Lebensereignis -<br />
se in <strong>de</strong>iner Chronik. Hier kannst du <strong>de</strong>ine<br />
Geschichte von Beginn bis jetzt erzählen.“<br />
Wozu überhaupt Mitglied in „<strong>Facebook</strong>“<br />
sein? Je<strong>de</strong>r sucht auf seine Weise neue Bekanntschaften<br />
und ist neugierig zu erfahren,<br />
was Bekannte und Freun<strong>de</strong> tun. Die<br />
perfekte Selbstdarstellung ist eine weitere<br />
Motivation, sich zu präsentieren und im<br />
Falle von „Freundschaftsanfragen“ auf<br />
„Hinzufügen“ zu klicken. Hauptsächlich<br />
teilt man aber die beschriebenen „wichtigen<br />
Geschehnisse“ als „Lebensereignisse“,<br />
um nicht als „<strong>Facebook</strong>-Ghost“ zu<br />
en<strong>de</strong>n – das wäre die Konsequenz, wenn<br />
dauerhaft keine Neuigkeiten eingestellt<br />
72 5/2012 ACADEMIA<br />
wer<strong>de</strong>n. Man wünscht sich ja eher ein<br />
„Hingucker-Profil“ und möchte seine „virtuellen<br />
Freun<strong>de</strong>“ in <strong>de</strong>n Bann ziehen.<br />
Die beschriebene Umstellung auf die „Chronik“<br />
hat einiges Aufsehen erregt. Dass sich<br />
Computer-Bild und ähnliche Magazine<br />
mit <strong>de</strong>m Thema „<strong>Facebook</strong>-Timeline“ befassen,<br />
ist verständlich. Doch auch die<br />
„Süd<strong>de</strong>utsche Zeitung“ und die „Frankfurter<br />
Allgemeine Zeitung“ (FAZ) sowie viele<br />
an<strong>de</strong>re Zeitungen und Zeitschriften möchten<br />
<strong>de</strong>n Lesern, unter <strong>de</strong>nen viele User<br />
sind, bei <strong>de</strong>r Umstellung helfen. Mehr als<br />
20 Millionen Deutsche haben sich <strong>de</strong>rzeit<br />
bei „<strong>Facebook</strong>“ angemel<strong>de</strong>t. Wie bei<br />
manch an<strong>de</strong>ren zunächst unbekannten<br />
Dingen, so gibt es auch bei <strong>de</strong>r Einführung<br />
<strong>de</strong>r „Chronik“ Wi<strong>de</strong>rstand. Viele <strong>de</strong>r Nutzer<br />
lehnen sie schlichtweg ab. Sie sei unübersichtlich<br />
und schwierig zu verwalten.<br />
Das neue Design <strong>de</strong>r Chronik bringt zwei<br />
große Verän<strong>de</strong>rungen. Mit <strong>de</strong>m neuen Profilbild<br />
vermittelt man einen persönlichen Gruß.<br />
Insgesamt sind es 850x315 Pixel, die die<br />
Möglichkeit bieten, stilvoll und persönlich,<br />
mit einem künstlerischen o<strong>de</strong>r lustigen Foto<br />
neben seinem Profilbild „Hallo“ zu sagen.<br />
Das übergroße „Titelbild“ ist öffentlich sichtbar,<br />
das heißt über die Gruppe <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r<br />
eigenen Seite zugelassenen User hinaus.<br />
Auch bei <strong>de</strong>n Statusmeldungen hat sich etwas<br />
verän<strong>de</strong>rt: nicht nur, dass es nun zwei<br />
Spalten für sie gibt. Es ist nun auch möglich,<br />
spezielle Bil<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Texte hervorzuheben.<br />
Inhalte, die vor längerer Zeit gepostet wur<strong>de</strong>n,<br />
können nun in <strong>de</strong>r Zeitleiste leicht gefun<strong>de</strong>n<br />
o<strong>de</strong>r sogar hinzugefügt wer<strong>de</strong>n.<br />
Somit ist das eigene Profil nicht mehr<br />
Auf <strong>de</strong>r Website von „<strong>Facebook</strong>“ erscheint die<br />
Welt <strong>de</strong>r Beziehungsinformationen und Infor -<br />
mationsbeziehungen wohlgeordnet in Bil<strong>de</strong>rn,<br />
Bildchen und Textchen.<br />
schnellebig und auf einen kurzen Augenblick<br />
bezogen, son<strong>de</strong>rn eben eine Art Blog.<br />
Mittlerweile wur<strong>de</strong> die Marktlücke geschlossen,<br />
die Gestaltung <strong>de</strong>r Chronik zu<br />
übernehmen. Auf eigenen Websites wer<strong>de</strong>n<br />
komplette Designvorschläge zur Personalisierung<br />
angeboten: „Der Stilberater<br />
für ihr virtuelles Profil.“ Man darf fragen,<br />
ob dies wirklich nötig ist.<br />
Sicher ist, dass sich „<strong>Facebook</strong>“ zu mehr als<br />
nur zu einem sozialen Netzwerk wie „studiVZ“<br />
entwickelt hat. Angefangen hat alles<br />
mit „facemash.com“ 2004, das Informatikund<br />
Psychologiestu<strong>de</strong>nten an <strong>de</strong>r Universität<br />
Harvard entwickelten. Mit Unterstützung<br />
von Kommilitonen entwickelte Mark<br />
Zuckerberg „<strong>Facebook</strong>“ nach anfängli chen<br />
Pannen bei Fragen <strong>de</strong>r Sicherheit und <strong>de</strong>r<br />
Wahrung von Persönlichkeitsrechten. Anfangs<br />
war es nur für Stu<strong>de</strong>nten gedacht; es<br />
wur<strong>de</strong> schnell beliebt und die Klientel erweitert.<br />
Später wur<strong>de</strong> die Website für an<strong>de</strong>re<br />
aus aller Welt freigegeben. 2008 wur<strong>de</strong>n 77<br />
Sprachen freigeschaltet. Schließlich kün-
21. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
digte <strong>Facebook</strong> im Februar 2012 <strong>de</strong>n Börsengang<br />
an. Ob dieser so medial beworbene<br />
Schritt in wirtschaftlicher Hinsicht auch das<br />
hält, was er zunächst zu versprechen schien,<br />
darüber kann <strong>de</strong>rzeit spekuliert wer<strong>de</strong>n, wie<br />
auch über die Frage, auf welche Art mit<br />
„<strong>Facebook</strong>“ Geld gemacht wer<strong>de</strong>n könnte.<br />
Lebt ein User tatsächlich gänzlich in <strong>de</strong>r<br />
virtuellen Welt, dann könnte man Prof.<br />
Ernst Pöppel, Professor für Medizinische<br />
Psychologie, durchaus rechtgeben, <strong>de</strong>r in<br />
<strong>de</strong>r „FAZ“ über „<strong>Facebook</strong>, Öffentlichkeitswahn<br />
und Intimität“ spricht und „<strong>Facebook</strong>“<br />
als „Selbstprostitution“ bezeichnet.<br />
Die Begründung: „Man öffnet sich nicht<br />
wirklich, will sich aber zeigen.“ <strong>Facebook</strong><br />
betrifft viele Lebensbereiche. Damit beschäftigen<br />
sich nicht nur Informatiker, son<strong>de</strong>rn<br />
vom Psychologen bis zum Wirtschaftswissenschaftler<br />
eine ganze Bandbreite von<br />
Fachleuten. Eine amüsante Feststellung<br />
machte <strong>de</strong>r „<strong>Facebook</strong>“-Beziehungsseismograph<br />
von David McCandless, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />
„Wirtschaftswoche“ veröffentlicht wird:<br />
Bei einer Analyse von 10.000 Statusmeldun-<br />
gen auf „<strong>Facebook</strong>“ wur<strong>de</strong> aufgezeichnet,<br />
dass die Plattform nicht nur ein Ort ist, wo<br />
„virtuelle Beziehungen“ gesucht und schnell<br />
aufgenommen, son<strong>de</strong>rn gleichzeitig durch<br />
einen simplen Klick genauso schnell been <strong>de</strong>t<br />
wer<strong>de</strong>n können. Bei „Freundschaften“ ist es<br />
ein einfaches „Blockieren“ o<strong>de</strong>r gar „Löschen“.<br />
Der Beziehungsstatus kann wechseln:<br />
von „In einer Beziehung“ etwa zu „Es<br />
ist kompliziert“ o<strong>de</strong>r einfach nur „Single“.<br />
Wozu also eigentlich re<strong>de</strong>n, wenn es mit<br />
einem Mausklick kurz und schmerzlos geht?<br />
Vielleicht waren all diese Beobachtungen<br />
auch Anreiz für einen nie<strong>de</strong>rländischen<br />
Kurzfilm „Farewell <strong>Facebook</strong>“, einem stu<strong>de</strong>ntischen<br />
Projekt von Joep van Osch und<br />
Casper Eskes. In elf Minuten stellt sich <strong>de</strong>r<br />
Protagonist auf humoristische Weise <strong>de</strong>r<br />
Frage nach <strong>de</strong>m Sinn von „<strong>Facebook</strong>“. Van<br />
Osch sagte in einem „Spiegel online“-<br />
Interview, eine ganze Menge Leute hätten<br />
sich bei ihm daraufhin gemel<strong>de</strong>t mit <strong>de</strong>r<br />
Aussage, sie hätten sich in ihrem „<strong>Facebook</strong>“-Verhalten<br />
„ertappt und ein wenig<br />
beschämt“ gefühlt. Botschaft <strong>de</strong>s Films:<br />
Zielloses herumsurfen und Frem<strong>de</strong> beobachten,<br />
Profile von Freun<strong>de</strong>n besuchen,<br />
um sich über sie zu informieren, ohne mit<br />
ihnen sprechen zu müssen, die Freun<strong>de</strong>sliste<br />
pushen, sein Profil brav <strong>de</strong>m Trend<br />
anpassen, fleißig Statusmeldungen aktualisieren<br />
– all das wird einen Menschen<br />
nicht glücklicher machen.<br />
Die Möglichkeiten <strong>de</strong>r Kommunikation und<br />
<strong>de</strong>s Informationsaustauschs mit Freun<strong>de</strong>n<br />
und <strong>de</strong>r Familie weltweit können durchaus<br />
sinnvoll sein. Was aber, wenn man die virtuelle<br />
Kommunikation, als „digitaler Komfort“<br />
verbrämt, zur Befriedigung <strong>de</strong>s wachsen<strong>de</strong>n<br />
Neuigkeitsbedürfnisses for<strong>de</strong>rt?<br />
Damit das eigene Wahrnehmungsbild nicht<br />
allzu verzerrt wird, ist im Sommer ein Besuch<br />
im Biergarten mit „<strong>Facebook</strong>“-Freun<strong>de</strong>n<br />
und im Winter ein geselliger Spiele abend<br />
im warmen Wohnzimmer ein Beweis dafür,<br />
dass die Kommunikation nicht nur virtuell<br />
funktioniert und man tatsächlich in Verbindung<br />
bleibt. Theodora Boruszczak<br />
ACADEMIA 5/2012 73<br />
Foto: picture alliance/dpa
Titel<br />
Auf einer Konferenz im Wien <strong>de</strong>s Jahres<br />
2011 zum Thema Jugendarbeit<br />
brachte es ein erfahrener Teilnehmer<br />
und Vertreter <strong>de</strong>r professionellen Arbeit mit<br />
Jugendlichen auf <strong>de</strong>n Punkt: Vielleicht sollte<br />
man, wenn es um „<strong>Facebook</strong>“ und seine<br />
Möglichkeiten <strong>de</strong>s Kontaktens geht, für<br />
diesmal etwas weniger euphorisch an das<br />
Thema rangehen als dies in <strong>de</strong>n vergangenen<br />
Jahren bei neuaufkommen<strong>de</strong>n Internetmöglichkeiten<br />
<strong>de</strong>r Fall war. Seit <strong>de</strong>n 90ern<br />
habe man nämlich etwa im Ein- o<strong>de</strong>r Zweijahrestakt<br />
immer wie<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n jeweils<br />
neuesten und angeblich zukunftsträchtigen<br />
Entwicklungen zu tun bekommen, die allerdings<br />
fast so schnell, wie sie als Sterne am<br />
Himmel großes Aufsehen erregten, dann<br />
74 5/2012 ACADEMIA<br />
Zwischenmenschliche<br />
Beziehungsmechanik<br />
Welcher Stier wird nach „<strong>Facebook</strong>“ als nächstes<br />
durchs virtuelle Global village getrieben?<br />
auch wie<strong>de</strong>r verblassten wie die Sternschnuppen.<br />
Begonnen habe es seinerzeit mit<br />
<strong>de</strong>r Möglichkeit, E-Mails zu versen<strong>de</strong>n. Ir -<br />
gendwann sei man nach diversen Zwischenstationen<br />
bei „studiVZ“ angekommen. Zu<br />
dieser Zeit dann war auch „Xing“ in gewissen<br />
Kreisen <strong>de</strong>r Hit (vor <strong>de</strong>ssen Son<strong>de</strong>rangeboten<br />
man sich seit Monaten nicht mehr<br />
retten kann), bis schließlich vor knapp zwei<br />
Jahren „<strong>Facebook</strong>“ als das angeblich ultimativste<br />
Instrument <strong>de</strong>r Kommunikation<br />
großmächtig am Himmel erschienen sei.<br />
Skepsis sei am Platze. „LinkedIn“ und weitere<br />
Plattformen riefen heute kaum mehr<br />
als ein mü<strong>de</strong>s Lächeln hervor. Von ihnen<br />
habe es noch vor gar nicht so langer Zeit<br />
geheißen, ohne sie gehe es <strong>de</strong>finitiv nicht.<br />
Recht hatte <strong>de</strong>r professionelle Jugendarbeiter<br />
mit seiner Skepsis. Man kann sich<br />
auch heute <strong>de</strong>s Eindrucks nicht erwehren,<br />
dass innerhalb kurzer Fristen immer wie<strong>de</strong>r<br />
ein neuer Stier (übrigens das Symbol für die<br />
Vergötzung <strong>de</strong>s Geldbeutels) durchs Dorf<br />
getrieben wird. Als großer Shootingstar war<br />
„<strong>Facebook</strong>“ <strong>de</strong>nn auch am 18. Mai laufen<strong>de</strong>n<br />
Jahres mit 38 Dollar je Anteilsschein am<br />
Nasdaq in New York angetreten. Seither<br />
haben das Wissen um die zu hohe Anfangsbewertung<br />
und <strong>de</strong>r Ausstieg bekannter<br />
Mitarbeiter, aber auch Missmanagement<br />
bei <strong>de</strong>r Ausgabe <strong>de</strong>n Kurs für die Plattform<br />
<strong>de</strong>s sozialen Netzwerks massiv einbrechen<br />
lassen. Dabei geht es um viel Geld. Das<br />
Hauptproblem, das zum allmählichen Verblassen<br />
<strong>de</strong>s gelobten „<strong>Facebook</strong>“ führt,<br />
dürften allerdings die trüben Wachstumsaussichten<br />
sein. Sie sind limitiert und hängen<br />
nicht zuletzt vom Neuigkeitswert ab,<br />
<strong>de</strong>r seit einiger Zeit, was „<strong>Facebook</strong>“ betrifft,<br />
gen Null tendiert. Der Neuigkeitswert<br />
ist traditionell von Be<strong>de</strong>utung für die<br />
Motivation, dabei zu sein. Es gibt einen<br />
„bandwaggon effect <strong>de</strong>s Internets“, <strong>de</strong>r<br />
sich irgendwann ins Gegenteil verkehrt.<br />
Womöglich vollzieht sich die Ausbreitung<br />
solcher kommunikativer Angebote, die<br />
schier unendliche Möglichkeiten, ja die<br />
Befreiung von allen bisherigen Kommunikationshemmnissen<br />
vorgaukeln, im Sinne<br />
eines Schneeballsystems – mit <strong>de</strong>r be-<br />
Die „<strong>Facebook</strong>“-Seite enthält weitere Unterseiten,<br />
die ebenfalls Kontaktmöglichkeiten und vor allem<br />
Infos über sogenannte Freun<strong>de</strong> enthalten, die<br />
man per Mouseclick „bestätigen“ kann.
Foto: picture alliance/landov<br />
Foto: picture alliance/Photoshot<br />
kannten unvermeidbaren Deckelung: <strong>de</strong>r<br />
Wirklichkeit. Zwar geben sich <strong>de</strong>r 28 Jahre<br />
alte Mark Zuckerberg, vormalig Hoffnungsträger<br />
aus <strong>de</strong>m kalifornischen Palo<br />
Alto, und sein Imperium be<strong>de</strong>ckt, was<br />
Zahlen und vor allem Informationen über<br />
das Verhalten <strong>de</strong>r User betrifft. Es hat sich<br />
aber in <strong>de</strong>r Branche herumgesprochen,<br />
dass bei weitem nicht je<strong>de</strong>r gemel<strong>de</strong>te<br />
User auch ein aktiver, ein guter User ist.<br />
Man erinnere sich an Definitionen bei <strong>de</strong>r<br />
Untersuchung <strong>de</strong>r Reichweiten von Zeitungen:<br />
Als „Leser“ gilt in solchen Untersuchungen<br />
schon mal, wer einmal einen<br />
Artikel auf einer Seite in einer Zeitung<br />
„sieht“. Die Zahl <strong>de</strong>r Auflage wird dann<br />
„<strong>Facebook</strong>“-Initiator Mark Zuckerberg<br />
2004 an <strong>de</strong>r Harvard University in Cambridge<br />
nicht selten mal drei genommen, um die<br />
Zahl <strong>de</strong>r Leser (<strong>de</strong>r potentiellen) zu ermitteln,<br />
weil mehrere Personen eine Zeitung<br />
in die Hand nehmen können.<br />
In methodischer Hinsicht ist auch bei „<strong>Facebook</strong>“<br />
Vorsicht geboten: In Deutschland<br />
sind 20 Millionen „User“ registriert; weltweit<br />
angeblich beinahe eine Milliar<strong>de</strong>.<br />
Allerdings ist die Zahl <strong>de</strong>r Ausprobierer<br />
groß. Es gibt Personen, die nach ersten<br />
Versuchen einen weiteren Account anlegen,<br />
<strong>de</strong>r dann eine Zeitlang in Schwung<br />
kommt, während das frühere Konto ein<br />
Schattendasein fristet, bis es abgesetzt<br />
wird (o<strong>de</strong>r auch nicht). Das Löschen eines<br />
alten Accounts durch <strong>de</strong>n User ist nicht so<br />
einfach. Zur Wirklichkeit <strong>de</strong>s Arbeitslebens<br />
gehört auch in Deutschland, dass Vorge-<br />
ACADEMIA 5/2012 75<br />
Titel
Foto: picture alliance/ZUMAPRESS.com<br />
Titel<br />
76 ACADEMIA 5/2012 ACADEMIA<br />
setzte ihre Mitarbeiter auffor<strong>de</strong>rn, sich ins<br />
Schöne Neue <strong>Facebook</strong> zu begeben, um die<br />
Firma auf diese Art zu unterstützen. Das<br />
ist keine nachhaltige Motivation. Und<br />
schließlich machen viele, was <strong>de</strong>n „<strong>Facebook</strong>“-Freun<strong>de</strong>skreis<br />
betrifft, die Erfahrung,<br />
dass es kaum möglich ist, über einschlägige<br />
Kreise hinaus Welten zu erschließen. Wie<br />
sollte es auch an<strong>de</strong>rs sein? Interessen und<br />
Weltanschauungen verschie<strong>de</strong>ner Menschen<br />
sind eben an<strong>de</strong>rs gelagert und <strong>de</strong>r<br />
Ten<strong>de</strong>nz nach trennend. Wer wollte mit<br />
frem<strong>de</strong>n Typen auf <strong>de</strong>r Straße Hobbys,<br />
Interessen, das Leben teilen? Warum dann<br />
gera<strong>de</strong> über eine anonyme und unergründliche<br />
Maschine? Die „<strong>Facebook</strong>“-Anonymität<br />
mag helfen, Barrieren zu überwin<strong>de</strong>n.<br />
Aber je<strong>de</strong> echte menschliche Begegnung,<br />
ob via PC o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Straße, ist anspruchsvoll<br />
und häufig anstrengend. Sind<br />
nicht genug Menschen mit ihren real-life-<br />
Freun<strong>de</strong>n und -Bekannten ohnehin genug<br />
beschäftigt, nicht selten überfor<strong>de</strong>rt?<br />
Durchaus nett ist es, wenn man in <strong>de</strong>r Anfangszeit<br />
zu hören bekommt: „Du bist ja<br />
auch schon auf <strong>Facebook</strong>!“ Das System lebt<br />
von zwei Strebungen, die mehr o<strong>de</strong>r weniger<br />
stark ausgeprägt sind: von Neugier und<br />
einem gewissen Exhibitionismus. Was da so<br />
alles an Mitteilungen steht, kann eine Zeitlang<br />
interessant und aufschlussreich, gelegentlich<br />
auch kurios sein. Menschliche Probleme<br />
und Formen <strong>de</strong>r Lebensgestaltung, die<br />
sich im Bekanntenkreis beobachten lassen,<br />
wie<strong>de</strong>rholen sich in „<strong>Facebook</strong>“. Und so<br />
ist es am En<strong>de</strong> eines „<strong>Facebook</strong>“-Abends<br />
oft zu ärgerlich, unfruchtbar Zeit verbracht<br />
zu haben. Die Erkenntnis lautet immer<br />
wie<strong>de</strong>r: Man braucht kein social network,<br />
nur um mittelmäßige Bil<strong>de</strong>r zu betrachten<br />
und unüberlegt geschriebene Texte zu lesen.<br />
Seien wir gespannt, welcher „Stier“ als<br />
nächster öffentlichkeitswirksam durchs<br />
virtuelle Global village getrieben wird. Es<br />
ist unmöglich, echte zwischenmenschliche<br />
Beziehungen über Klicken, Liken o<strong>de</strong>r<br />
ein Daumen hoch/runter zu <strong>de</strong>finieren, das<br />
an die Publikumsäußerungen am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
römischen Gladiatorenkampfes erinnert.<br />
Eines allerdings führt uns „<strong>Facebook</strong>“, das<br />
Unternehmen mit <strong>de</strong>m holprigen Kunst -<br />
namen „Gesichtsbuch“, durch die Zahl<br />
<strong>de</strong>r User <strong>de</strong>utlich vor Augen: Gesucht wird<br />
weiterhin nach Beziehungen, um die Einsamkeit<br />
zu überwin<strong>de</strong>n. Aber mit einem<br />
echten Gesicht und einem echten Buch<br />
gelingt das erfahrungsgemäß zehnmal<br />
besser. Veit Neumann (Alm)<br />
Foto: picture alliance/dpa<br />
Große Freu<strong>de</strong>, als „<strong>Facebook</strong>“ an die Börse geht.<br />
Im Vor<strong>de</strong>rgrund Mr. Zuckerberg, <strong>de</strong>r einen Knopf drückt.
Beispiel Spen<strong>de</strong>n: Wie „<strong>Facebook</strong>“ die Wirklichkeit verän<strong>de</strong>rt<br />
Das Spen<strong>de</strong>nsammeln mit Hilfe digitaler Medien revolutioniert<br />
<strong>de</strong>n Spen<strong>de</strong>nmarkt. Verstärkt wird <strong>de</strong>r Trend durch die Durchdringung<br />
nachwachsen<strong>de</strong>r gesellschaftlicher Milieus durch soziale<br />
Netzwerke wie „<strong>Facebook</strong>“. Denn seit<strong>de</strong>m „<strong>Facebook</strong>“<br />
in vieler Mun<strong>de</strong> ist, wird auch dort kräftig um i<strong>de</strong>elle und<br />
finanzielle Unterstützung geworben.<br />
„Überweisungsträger für eine Spen<strong>de</strong> ausfüllen? Hab ich noch<br />
nie gemacht! Seit<strong>de</strong>m ich <strong>de</strong>nken kann, spen<strong>de</strong> ich online.“ Das<br />
sagte unlängst ein engagierter berufstätiger Mann in seinen<br />
besten Lebensjahren. Kleinstbeträge o<strong>de</strong>r größere Spen<strong>de</strong>n:<br />
Kreditkartendaten o<strong>de</strong>r Kontodaten ins Formular auf <strong>de</strong>r<br />
Website <strong>de</strong>r Hilfsorganisation eintragen, Zahlung bestätigen<br />
– fertig. Bis heute ist das Spen<strong>de</strong>nverhalten sehr ge ne -<br />
rationentypisch geprägt: „Die Elterngeneration liebt es klassisch:<br />
Überweisungsträger ausfüllen und ab zur Bank in <strong>de</strong>n<br />
Briefkasten.“<br />
Eine Online-Spen<strong>de</strong> ist Spen<strong>de</strong>n über digitale Angebote von<br />
gemeinnützi gen Organisationen. Dies ist über <strong>de</strong>ren Website<br />
möglich o<strong>de</strong>r mit Hilfe eines Weblinks in einem E-Mail-Newsletter,<br />
<strong>de</strong>r auf die Website führt. Fünf bis zehn Prozent <strong>de</strong>r<br />
Spen<strong>de</strong>n lan<strong>de</strong>n auf diesem Weg bereits auf <strong>de</strong>n Spen<strong>de</strong>nkonten.<br />
Neue Möglichkeiten erschließt das Spen<strong>de</strong>nsammeln über<br />
Angebote im Bereich <strong>de</strong>r Social Media. Was aber macht<br />
„<strong>Facebook</strong>“ so beson<strong>de</strong>rs? Es bietet je<strong>de</strong>m die Möglichkeit,<br />
sich zu präsentieren, von seinem Leben, Wünschen und Träumen<br />
<strong>de</strong>r ganzen Welt zu berichten. Unternehmen und Organisationen<br />
können über spezielle Seiten, „Fanpages“, eine direkte<br />
Live-Kommunikation zur Öffentlichkeit und somit zu<br />
potentiellen Spen<strong>de</strong>rn aufbauen. Statt <strong>de</strong>s Monologs <strong>de</strong>s<br />
elektronischen Newsletters o<strong>de</strong>r bestenfalls <strong>de</strong>s Dialoges per<br />
E-Mail, wie er zunächst üblich war, tritt mit Hilfe <strong>de</strong>r sozialen<br />
Medien bzw. Netzwerke die Kommunikation von vielen mit<br />
vielen in <strong>de</strong>n Mittelpunkt.<br />
Wettbewerb auf <strong>de</strong>m Fundraisingmarkt<br />
zwingt zum Um<strong>de</strong>nken<br />
Gemeinnützige Organisationen befin<strong>de</strong>n sich ebenso wie nach<br />
Gewinn streben<strong>de</strong> Unternehmen im Wettbewerb zueinan<strong>de</strong>r.<br />
Die jährliche Spen<strong>de</strong>nsumme stagniert in Deutschland auf<br />
hohem Niveau. Für 2011 weist die Statistik, die „Bilanz <strong>de</strong>s<br />
Helfens“, ein Volumen von 4,262 Milliar<strong>de</strong>n Euro aus. Der<br />
<strong>de</strong>utsche Fundraisingmarkt ist zu<strong>de</strong>m von einem Polypol<br />
großer, teils international tätiger Organisationen geprägt,<br />
wie beispielsweise Unicef, Rotes Kreuz, Greenpeace, WWF,<br />
Ärzte ohne Grenzen, Care, Oxfam, Worldvision o<strong>de</strong>r SOS-Kin<strong>de</strong>rdörfer.<br />
Die Anzahl <strong>de</strong>r Spen<strong>de</strong>r geht zurück, auch wenn sie<br />
häufiger spen<strong>de</strong>n. Der Wettbewerb um die Gunst <strong>de</strong>r Spen<strong>de</strong>r<br />
wird sich weiter verschärfen. Die Frage ist also nicht wann,<br />
son<strong>de</strong>rn wie man neue Spen<strong>de</strong>r gewinnt und bestehen<strong>de</strong><br />
Spen<strong>de</strong>r bin<strong>de</strong>n kann. Social Media wie „<strong>Facebook</strong>“ sind dabei<br />
keine Wun<strong>de</strong>rwaffen, können aber sehr hilfreich sein.<br />
Online-Fundraising, Spen<strong>de</strong>nsammeln übers Internet, senkt<br />
Werbungs- und Marketingkosten, da Druck und Versand größtenteils<br />
eingespart wer<strong>de</strong>n.<br />
Online ist die Zukunft <strong>de</strong>s Fundraisings<br />
Das Internet mit seinen Möglichkeiten, aber auch die Smartphones,<br />
Mobiltelefone mit eingebauten Minicomputern, wer<strong>de</strong>n<br />
die Weiterentwicklung <strong>de</strong>r Kommunikation, <strong>de</strong>n Einkauf<br />
von Waren und Dienstleistungen, in Zukunft bestimmen.<br />
Glaubt man <strong>de</strong>n Auguren, so kann man bald auch auf <strong>de</strong>n<br />
Fanpages bei „<strong>Facebook</strong>“ digital einkaufen. Über die Website<br />
einer Organisation zu spen<strong>de</strong>n ist letztendlich nichts an<strong>de</strong>res<br />
als im Internet einkaufen zu gehen. Man bekommt einen immateriellen<br />
Gegenwert: Gutes getan zu haben. Das die Zukunft<br />
<strong>de</strong>s Fundraisings im online-Bereich liegt, <strong>de</strong>ssen waren<br />
sich die Branchenprofis auf <strong>de</strong>m Fundraising-Kongress 2012<br />
in Berlin sicher. Jedoch statt „nur“ o<strong>de</strong>r „ausschließlich“<br />
braucht es „und“ sowie „auch“: Die klassische, analoge Form<br />
<strong>de</strong>r Spen<strong>de</strong> wird genauso wenig verdrängt wer<strong>de</strong>n wie gedruckte<br />
Zeitungen durch das Internet.<br />
Der Spen<strong>de</strong>r bestimmt die Art <strong>de</strong>r Kommunikation<br />
Der Spen<strong>de</strong>r kann die Art und Weise <strong>de</strong>r Kommunikation<br />
wählen, mit <strong>de</strong>r er mit einer gemeinnützigen Organisation in<br />
Kontakt treten möchte. Dadurch wird <strong>de</strong>r Kontakt intensiver<br />
und spart Geld zum Nutzen <strong>de</strong>r operativen Tätigkeit, <strong>de</strong>s Kerngeschäftes<br />
<strong>de</strong>r Organisation. „<strong>Facebook</strong>“ etwa bietet neue<br />
Kommunikationsformen: Spen<strong>de</strong>r können über die dortige<br />
„Fanpage“ miteinan<strong>de</strong>r in Kontakt treten o<strong>de</strong>r die Orga -<br />
nisation durch interaktive Informationen wie Kurzfilme,<br />
Podcasts (kurze Radiobeiträge) sowie Fotos kennenlernen.<br />
Die Organisation kann die Netzwerke nutzen, um das Zusammengehörigkeitsgefühl<br />
<strong>de</strong>r Spen<strong>de</strong>r zu stärken und per<br />
Interaktion die Spen<strong>de</strong>n zu erhöhen. Die durchschnittliche Online-Spen<strong>de</strong><br />
liegt mit 86 Euro drei mal höher als die klassische<br />
analoge Spen<strong>de</strong>. Wird eine Online-Spen<strong>de</strong> über die organisationseigene<br />
Website abgewickelt, ist sie zu<strong>de</strong>m um gut 330<br />
Prozent höher als auf einem Spen<strong>de</strong>nportal wie beispielsweise<br />
www.betterplace.<strong>de</strong>.<br />
Dass eine erste Spen<strong>de</strong> online getätigt wur<strong>de</strong>, heißt nicht,<br />
dass <strong>de</strong>r Spen<strong>de</strong>r keinen Wert auf persönlichen Kontakt legt<br />
und die klassischen Fundraising-Wahrheiten damit außer Kraft<br />
gesetzt wür<strong>de</strong>n. Organisationen sollten jetzt investieren und<br />
ihren Online- und Social-Media- Bereich auf- und o<strong>de</strong>r ausbauen.<br />
Heute kann Online-Fundraising mit <strong>de</strong>r richti gen Strategie<br />
profitabel sein, in fünf bis zehn Jahren wird es fester Be stand -<br />
teil je<strong>de</strong>r Organisation sein. Stephan Ley (Alm)<br />
www.agentur-ley.<strong>de</strong><br />
WEITERFÜHRENDER LINK<br />
ACADEMIA 5/2012 77
columna quaedam<br />
a Ioanne Eusebio Min. composita<br />
De asinis coronatis<br />
Rex illitteratus est quasi asinus coronatus, Fri<strong>de</strong>ricus ille<br />
Barbarossa dixisse fertur. Sed litteratus quis sit et quomodo<br />
fiat, quidam iure interroget. Litterati, respon<strong>de</strong>t ei Johannes<br />
Saresberiensis, sunt illi, qui auctores legerunt, auctores<br />
dumtaxat Latinos, ut Terentium, Ciceronem, Horatium.<br />
Quantum coniectura suspicari licet, non multum legerit ex<br />
corpore scriptorum antiquorum verbi gratia Carolus<br />
Magnus, qui inscius fuit artis scribendi. Sed vim certe<br />
litterarum et intellexit et auxit. Favebat enim hominibus<br />
litteratis, exempli gratia Alcuino Eboracensi, cui<br />
institutionem aulicam commendavit. Utut est, in Europa sine<br />
ulla dubitatione omnes optimarum studiis artium eruditi, etsi<br />
non omnes reges, et legebant hos auctores et scribebant ac<br />
loquebantur latine per tot saecula in scholis, in monasteriis,<br />
in universitatibus. Hodiernis autem diebus universitatum<br />
tirones saepe ne intellegere qui<strong>de</strong>m possunt verba auctorum<br />
antiquorum in scriptis latine laudata, vixdum compendium<br />
illum mirum litteris c. t. notatum. Praeterea homines, qui<br />
nunc sunt, legere vel latine loqui posse dicunt omnes asinos.<br />
Sed hos asinos non iam esse multos, se <strong>de</strong>fendit rerum<br />
litterarumque veterum peritus, et eo magis conservandos.<br />
Quod attinet ad res oeconomicas opus non sit asinis<br />
litterisque Latinis, licet magno emolumento sint, atqui<br />
perlegendae ac perscrutandae sunt in studiis saltem ad<br />
litteras, ad liberales artes, ad veritatem cognoscendam<br />
pertinentiis. Saepe qui<strong>de</strong>m in actis diurnis commentarii<br />
inveniri possunt <strong>de</strong> praecipiti universitatum festinatione,<br />
quae privet discipulos libertate atque otio. Recte monent,<br />
sed nonne coniunctum est otium amissum cum amissa<br />
Latinitate? Sed finem petam huius, ut ita dicam, columnae,<br />
ne vi<strong>de</strong>ar laudator temporis acti, ut ait Horatius. Quod<br />
valet in reges, valeat multo magis in mortales:<br />
Legamus igitur auctores, ne simus asini sine corona.<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Cartellverband <strong>de</strong>r katholischen <strong>de</strong>utschen<br />
Stu<strong>de</strong>ntenverbindungen (CV)<br />
Redaktionsleitung:<br />
Dr. Veit Neumann (Alm), Domplatz 7, 93047 Regensburg,<br />
E-Mail redaktion@cartellverband.<strong>de</strong><br />
Redaktion:<br />
Wolfgang Braun (Bd), St. Ingbert; Thomas Gutmann (BuL),<br />
Düsseldorf; Christoph Herbort-von Loeper (B-S), Berlin;<br />
Stephan Ley (Alm), München; Dr. Norbert Matern (TsK),<br />
München; Norbert A. Sklorz (Gbg), Köln;<br />
Christoph Wüllner (Wf), Münster<br />
Redaktionsschluss:<br />
Ausgabe 6/2012: 5. Oktober 2012<br />
Ausgabe 1/2013: 7. Dezember 2012<br />
Web-Adresse:<br />
www.cartellverband.<strong>de</strong><br />
Vertrieb:<br />
CV-Sekretariat, Linzer Straße 82, 53604 Bad Honnef,<br />
Telefon 02224 960020, Fax 02224 9600220<br />
78 5/2012 ACADEMIA<br />
Für die mit vollem Namen gekennzeichneten Beiträge ist <strong>de</strong>r<br />
jeweilige Verfasser verantwortlich; sie stellen nicht ohne weiteres<br />
die Meinung <strong>de</strong>r Redaktion dar.<br />
Für unverlangt eingesandte Manus kripte und Bil<strong>de</strong>r (Fotoabzüge,<br />
Dias, Negative) kann keine Gewähr übernommen wer<strong>de</strong>n.<br />
Nachdruck und Vervielfältigung je<strong>de</strong>r Art sind nur mit<br />
Genehmigung <strong>de</strong>r Redaktionsleitung zulässig.<br />
Anzeigenberatung und -verkauf:<br />
elbbüro, Stefanie Hoffmann,<br />
Telefon 040 33420712, Telefax 040 33420713,<br />
sh@elbbuero.com<br />
Anzeigenschluss:<br />
Ausgabe 6/2012: 23. Oktober 2012<br />
Ausgabe 1/2013: 27. Dezember 2012<br />
Erscheinungsweise:<br />
Einmal in zwei Monaten.<br />
Der Bezugspreis ist im Mit gliedsbeitrag enthalten.<br />
Inland: Jahres abonnement EUR 12,50 / Einzel heft EUR 2,05<br />
Ausland: Jahres abonnement EUR 14,– / Einzelheft EUR 2,35<br />
(incl. Versand)<br />
Eine Zeitschrift, die <strong>de</strong>n schönen und anspruchsvollen<br />
Namen ACADEMIA führt, sollte die<br />
Altphilologen unter <strong>de</strong>n Cartellbrü<strong>de</strong>rn nicht aus<br />
<strong>de</strong>m Auge verlieren. Daher die „Columna quaedam“<br />
(eine Art Säule/Kolumne), mit <strong>de</strong>r uns <strong>de</strong>r<br />
Stu<strong>de</strong>nt und Latein-Meister Johannes Isépy aus<br />
Augsburg versieht. Der erste Teil <strong>de</strong>s vorliegen<strong>de</strong>n<br />
lateinischen Textes führt geschichtlich – Karl<br />
<strong>de</strong>r Große – auf das Hauptthema hin. Im zweiten<br />
Teil geht es um <strong>de</strong>n „aka<strong>de</strong>mischen Betrieb heute<br />
und das Latein“. Dieses Thema ist recht allgemein<br />
gehalten; verwiesen wird zum Beispiel auf<br />
das „otium“, das an <strong>de</strong>n Uni versi tä ten zusammen<br />
mit <strong>de</strong>m Latein verschwun<strong>de</strong>n ist, o<strong>de</strong>r auf<br />
die Fächer, die unbedingt das Latein benötigen.<br />
Den Rahmen <strong>de</strong>s Textes bil<strong>de</strong>t ein im Mittelalter<br />
bekanntes Zitat, wonach ein ungebil<strong>de</strong>ter König<br />
wie ein gekrönter Esel sei (daher <strong>de</strong>r Titel „De<br />
asinis coronatis“). Demgegenüber steht in <strong>de</strong>r<br />
Mitte <strong>de</strong>r „Säule“ die Aussage <strong>de</strong>r heutigen<br />
Menschen, dass doch je<strong>de</strong>r Esel Latein könne,<br />
und am En<strong>de</strong> die Auffor<strong>de</strong>rung, die lateinischen<br />
Autoren zu lesen. Ermunterung und Ermutigung<br />
an alle Cartellbrü<strong>de</strong>r, sich einmal mehr mit <strong>de</strong>n<br />
Grundlagen unserer Kultur zu beschäftigen. AC<br />
ACADEMIA 5/2012 – 105. Jahrgang B 2788<br />
Layout / Bildbearbeitung:<br />
SGW-Studio für Grafik und Werbung, Schulstraße 13,<br />
82131 Gauting, Telefon 089 85662050, Fax 089 85662051,<br />
munzert@s-g-w.<strong>de</strong>, www.s-g-w.<strong>de</strong><br />
Bildnachweis:<br />
dpa Picture-Alliance; KNA-Bild; Fotografia Felici;<br />
GRAPHICmeetsDESIGN; CV und privat<br />
Herstellung:<br />
Möller Druck und Verlag GmbH, Zeppelinstraße 6,<br />
16356 Ahrensfel<strong>de</strong> OT Blumberg,<br />
Telefon 030 419090, Telefax 030 41909299<br />
Verbreitete Auflage:<br />
28.239/II/2012 Exemplare<br />
Der gesamten Auflage liegen Prospekte <strong>de</strong>r Firmen Frölich&Kaufmann<br />
Verlags und Versand GmbH, RSD Reise Service Deutschland,<br />
Stiftung JA ZUM LEBEN und Verlag Her<strong>de</strong>r GmbH bei.<br />
Einem Teil <strong>de</strong>r Auflage liegt ein Prospekt <strong>de</strong>r Firma Hanseatisches Wein und<br />
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