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Das ewige Experimentierfeld<br />
Zuviel Reformeifer<br />
scha<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Schule von<br />
Schule 2012, zwei Erlebnisse. Die Einschulung<br />
<strong>de</strong>s Patenneffen: Mehr als<br />
80 i-Dötzchen blinzeln erwartungsfreudig<br />
in die Spätsommer-Sonne, Zweit-<br />
, Dritt- und Viertklässler führen ihnen singend<br />
vor, wie schön Schule ist, die<br />
Schulleiterin und eine Mutter von <strong>de</strong>r<br />
Schulpflegschaft halten kurze, sympathische<br />
Ansprachen. Hier möchte man noch<br />
mal Kind sein! Tags zuvor dagegen, im<br />
Betrieb, hat man mal wie<strong>de</strong>r feststellen<br />
müssen, wie ineffizient unser Schulsystem<br />
sein kann: Ein Praktikant, junger Stu<strong>de</strong>nt<br />
mit „Allgemeiner Hochschulreife“ in <strong>de</strong>r<br />
Tasche, scheitert daran, einfache Erlebnisse<br />
schriftlich in Worte zu fassen, zeigt<br />
gravieren<strong>de</strong> Rechtschreibschwächen, verstreut<br />
die Kommata fast nach Belieben im<br />
Text. Hat er nicht min<strong>de</strong>stens 13 Jahre das<br />
Unterrichtsfach „Deutsch“ gehabt? Wie<br />
kann das sein? Wie ist es möglich, dass<br />
solche Fälle unter Praktikanten zwar nicht<br />
die Regel sind, aber doch frustrierend<br />
häufig vorkommen, inzwischen je<strong>de</strong>nfalls<br />
häufiger als das Gegenteil, das einem<br />
entlockt: „Donnerwetter, was kann <strong>de</strong>r<br />
(o<strong>de</strong>r meistens die) hervorragend formulieren!“?<br />
Wie also? Die Antwort führt uns zunächst<br />
aus <strong>de</strong>r Schule heraus. Die „Rahmenbedingungen“<br />
für die Herausfor<strong>de</strong>rung, Schüler<br />
zum Schulerfolg zu führen, sind schwieriger<br />
gewor<strong>de</strong>n. Familie und Nachbarschaft<br />
la<strong>de</strong>n heute ein gut Teil <strong>de</strong>ssen, was sie früher<br />
an Erziehung leisteten, auf die Institution<br />
Schule ab. Dies trifft nicht auf die gesamte<br />
Gesellschaft zu – gera<strong>de</strong> im wertkonservativen<br />
Bürgertum sind die Vor- und Parallelleistungen<br />
zum „Lebensraum Schule“<br />
in dieser Hinsicht noch immens – , aber<br />
es gilt doch wohl für einen wachsen<strong>de</strong>n<br />
Teil <strong>de</strong>r Gesellschaft. Grund sind instabile<br />
Familienverhältnisse und die zunehmen<strong>de</strong><br />
Erwerbstätigkeit bei<strong>de</strong>r Eltern, aber auch<br />
ein mutwilliges Laisser-faire bei <strong>de</strong>r Erziehung<br />
und Alltagsgestaltung überhaupt.<br />
Wenn schon Neunjährige die Spiele <strong>de</strong>r<br />
Champions League bis zum En<strong>de</strong> gucken<br />
16 5/2012 ACADEMIA<br />
dürfen (Anpfiff: 20.45 Uhr), dann ist wohl<br />
kaum die Schule schuld daran, dass die<br />
Leistungskurve dieser Schüler noch vor<br />
<strong>de</strong>m Mittagsgong steil nach unten geht.<br />
Die Digitale Revolution eröffnet <strong>de</strong>n<br />
Schülern Möglichkeiten <strong>de</strong>r Kommunikation<br />
und Recherche, von <strong>de</strong>nen frühere<br />
Generationen nur träumen konnten. Zugleich<br />
aber la<strong>de</strong>n SMS, <strong>Facebook</strong> und Co.<br />
dazu ein, nicht nur kreativ, son<strong>de</strong>rn auch<br />
oberflächlich und nachlässig mit Sprache<br />
umzugehen. Die Metho<strong>de</strong> „copy and paste“,<br />
das Übertragen frem<strong>de</strong>r Textbausteine<br />
per Mausklick in „eigene“ Arbeiten, för<strong>de</strong>rt<br />
die Denkfaulheit. Die herrschen<strong>de</strong><br />
Spaßgesellschaft ist für eine „Kultur <strong>de</strong>r<br />
Anstrengung“ gera<strong>de</strong>zu Gift, noch dazu,<br />
wenn Jugendlichen suggeriert wird, ihr<br />
Abschlussjahrgang wer<strong>de</strong> aufgrund <strong>de</strong>r<br />
Geburtenschwäche <strong>de</strong>reinst so gefragt<br />
sein, dass die Arbeitgeber gar nicht an<strong>de</strong>rs<br />
könnten, als ihn nahezu komplett in Lohn<br />
und Brot zu bringen – als hinge die Dynamik<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Volkswirtschaft nicht<br />
vom Können <strong>de</strong>s Nachwuchses ab.<br />
Schüler zum Schulerfolg zu führen ist heute<br />
schwieriger <strong>de</strong>nn je. Umso geradliniger<br />
und ausdauern<strong>de</strong>r müsste schulpolitisch<br />
regiert wer<strong>de</strong>n. Doch davon kann in <strong>de</strong>r<br />
Mehrheit <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r keine Re<strong>de</strong><br />
sein. Wie schon die Debatte um die angebliche<br />
„Bildungskatastrophe“ in <strong>de</strong>n sechziger<br />
Jahren hat auch die internationale<br />
Bildungsstudie PISA (erstmals 2000), die<br />
<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn mehrheitlich<br />
ein schlechtes Zeugnis ausstellte, unter<br />
Schulpolitikern einen Reformeifer entfacht,<br />
<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r einmal vom Wesentlichen ablenkt:<br />
von gutem Unterricht. Statt etwa mit<br />
aller Kraft zu gewährleisten, dass kaum<br />
Unterricht ausfällt, glauben die Verantwortlichen<br />
mit Strukturreformen experimentieren<br />
zu müssen. Ganztagsschule und<br />
gemeinsames Lernen, heißt es, garantieren<br />
<strong>de</strong>n Schulerfolg eher, als es Halbtagsschule<br />
und möglichst homogene Leistungsgruppen<br />
in einem geglie<strong>de</strong>rten Schulsystem vermö-<br />
Thomas Gutmann (BuL)<br />
gen. Dabei ist <strong>de</strong>r Trend zum zweigeglie<strong>de</strong>rten<br />
Schulsystem <strong>de</strong>r Demographie geschul<strong>de</strong>t<br />
und die Ganztagsschule vor allem<br />
<strong>de</strong>m Ziel, dass möglichst viele Eltern Fami -<br />
lie und Beruf „vereinbaren“ können. Als<br />
wäre das aber nicht schon genug an Anpassungsleistung,<br />
die man <strong>de</strong>r Schule abverlangt,<br />
ist <strong>de</strong>m Gymnasium auch noch die<br />
For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Wirtschaft nach möglichst<br />
jungen Hochschulabsolventen aufgedrückt<br />
wor<strong>de</strong>n. Kaum eingeführt, wird mancherorts<br />
am „G 8“ schon wie<strong>de</strong>r gerüttelt,<br />
weil Schüler, Lehrer und Eltern über zu<br />
hohen Leistungsdruck klagen. Derweil<br />
wird das nächste Päckchen geschnürt und<br />
<strong>de</strong>r Schule aufgebür<strong>de</strong>t: die Inklusion, das<br />
gemeinsame Lernen von Kin<strong>de</strong>rn mit und<br />
ohne Behin<strong>de</strong>rung. Zugleich wird mit Verwaltungsmo<strong>de</strong>llen<br />
wie „autonomer Schule“<br />
experimentiert, wer<strong>de</strong>n klare Leistungsanfor<strong>de</strong>rungen<br />
zu schwammigen<br />
„Kompetenzen“ umformuliert, sollen<br />
Grundschüler jahrelang so „schreiben, wie<br />
sie sprechen“, ehe sie die richtige Rechtschreibung<br />
lernen. Und und und.<br />
Bei soviel Dies und Das wun<strong>de</strong>rt es einen<br />
nicht, dass unser Schulsystem in viel zu<br />
vielen Fällen verblüffend dürftige Ergebnisse<br />
hervorbringt, dass Schülerleistungen<br />
in Deutschland weit stärker von <strong>de</strong>r Bildung<br />
<strong>de</strong>r Eltern abhängen als in <strong>de</strong>n meisten<br />
vergleichbaren Län<strong>de</strong>rn. Statt <strong>de</strong>n<br />
Schulen ein gesellschaftliches „Bedürfnis“<br />
nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren aufzubür<strong>de</strong>n, sollte<br />
es heißen: „Einfach nur Schule!“ Ausreichen<strong>de</strong><br />
Räumlichkeiten und genug Lehrer<br />
für guten Unterricht! Das hinzukriegen<br />
ist schwierig genug.<br />
Zum Autor: Thomas<br />
Gutmann (BuL) arbeitet<br />
als Redakteur<br />
einer Tageszeitung und<br />
ist Mitglied <strong>de</strong>r ACA-<br />
DEMIA-Redaktion.