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ANSICHTSSACHE<br />

Cartellbrü<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>ner Berufe und Lebensalter beziehen<br />

in dieser Reihe zu verschie<strong>de</strong>nen selbstgewählten und<br />

zeit aktuellen Themen Stellung. In dieser Ausgabe tut dies<br />

Cbr Stefan Lütkecosmann v/o Dino (Sx).<br />

Mathematik schult <strong>de</strong>n analytischen Blick auf die Welt<br />

Es gibt wohl kein Schulfach, das die Schüler aller Generationen so sehr in zwei<br />

Lager geteilt hat und nach wie vor teilt, wie das Fach Mathematik – nämlich in die<br />

„Mathekönner“ und die „Mathehasser“. Ersteren scheint <strong>de</strong>r zu lernen<strong>de</strong> Stoff gera<strong>de</strong><br />

so zuzufliegen, sie müssen offenbar nicht viel für ihren Erfolg tun und können sich<br />

sogar – für Zweitere völlig unbegreiflich – für mathematische Sachverhalte begeistern.<br />

„Mathehasser“ führen ihren Misserfolg in <strong>de</strong>r Regel darauf zurück, dass sie von<br />

ihren Erbanlagen her schon nicht dafür geschaffen sind, Mathematik zu verstehen und<br />

für sie daher jedwe<strong>de</strong> Bemühung in diese Richtung bereits vergeblich scheint. Diese<br />

Selbstdiagnose wird nicht selten auch noch von Eltern bestätigt und geför<strong>de</strong>rt: „Ach<br />

wissen Sie, Mathe konnte bei uns noch nie jemand. Das liegt bei uns in <strong>de</strong>r Familie.“<br />

Diese Darstellung ist zwar etwas überspitzt, die beschriebenen Grundzüge wer<strong>de</strong>n<br />

aber durch die Lehr-Lern-Forschung bestätigt. Der sogenannte Matthäus-Effekt (frei<br />

nach Mt 25,29: „Denn wer hat, <strong>de</strong>m wird gegeben“) besagt, dass Schüler mit Vorwissen<br />

einen besseren Nutzen aus <strong>de</strong>n im Unterricht bereitgestellten Lernmöglichkeiten<br />

ziehen können als Schüler ohne Vorwissen, und so die Schere zwischen Leistungsstarken<br />

und Leistungsschwachen im Laufe <strong>de</strong>r Schullaufbahn weiter und weiter<br />

auseinan<strong>de</strong>rgeht. Gera<strong>de</strong> im Mathematikunterricht, <strong>de</strong>r immer wie<strong>de</strong>r an zuvor Gelerntes<br />

anknüpft, ist dieser Effekt sehr ausgeprägt.<br />

Der Mathematiklehrer steht vor <strong>de</strong>r Aufgabe, einen Unterricht zu gestalten, <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>rs<br />

auf individuelle För<strong>de</strong>rung eines je<strong>de</strong>n Schülers setzt, die Leis tungsschwachen<br />

mit Geduld und Verständnis für ihre Situation zu motivieren und zu Erfolgserlebnissen<br />

zu führen, ohne die Leistungsstarken auszubremsen, und gleichzeitig <strong>de</strong>n Leistungsstarken<br />

Möglichkeiten zur Entfaltung und Vertiefung zu geben, ohne die Leistungsschwachen<br />

zu verlieren. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die, sofern erfolgreich, äußerst<br />

erfüllend sein kann. Dass Rahmenbedingungen wie große Lerngruppen diese Aufgabe<br />

erschweren, kann man sich vorstellen. Aber auch Reformen in <strong>de</strong>r Schulentwicklung<br />

können in Verbindung mit Symptomen unserer mo<strong>de</strong>rnen Leistungsgesellschaft<br />

die Ergebnisse (nicht nur) <strong>de</strong>s Mathematikunterrichts beeinträchtigen.<br />

Die für Deutschland teilweise verheeren<strong>de</strong>n Ergebnisse <strong>de</strong>r Schulleistungsstudien wie<br />

zum Beispiel PISA und TIMMS haben Politik und Forschung dazu veranlasst, im Bildungsbereich<br />

neue Wege zu gehen. Die Formulierung von Kernkompetenzen und Lern -<br />

standards ermöglicht es jetzt, genauer zu überprüfen, ob die gefor<strong>de</strong>rten Lernziele<br />

erreicht wer<strong>de</strong>n, und die Ergebnisse bun<strong>de</strong>sweit zu vergleichen. Es hat sich also ein<br />

Paradigmenwechsel vollzogen, von <strong>de</strong>r Inputorientierung (was soll gelehrt wer<strong>de</strong>n?)<br />

hin zur Outputorientierung (was soll am En<strong>de</strong> gekonnt wer<strong>de</strong>n?). Mittel <strong>de</strong>r Ergebnisüberprüfung<br />

sind dabei die standardisierten Tests und Vergleichsarbeiten sowie das<br />

Zentralabitur, das mittlerweile auch in einigen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn eingeführt wur<strong>de</strong>. Für die<br />

Erfolgskontrolle <strong>de</strong>s Prozesses <strong>de</strong>r Schulentwicklung sind diese Tests unentbehrlich.<br />

Dieser beson<strong>de</strong>re Fokus auf die Klassenarbeiten und Klausuren birgt aber eine Gefahr:<br />

Der oben genannten Outputorientierung <strong>de</strong>r Schulentwicklung steht auf Schüler- und<br />

Elternseite heute mehr <strong>de</strong>nn je eine an<strong>de</strong>re Outputorientierung gegenüber, ich nenne<br />

Foto: privat<br />

sie an dieser Stelle „Ergebnisorientierung“. Wichtiger als die in <strong>de</strong>r Schullaufbahn<br />

erlangten Kompetenzen scheinen heute die erreichten Noten zu sein, da diese <strong>de</strong>n Zugang<br />

zu erfolgsversprechen<strong>de</strong>n Ausbildungs- und Studienplätzen ermöglichen, aber<br />

auch verwehren können. Das hat zur Folge, dass bei vielen Schülern, oft unterstützt<br />

durch die Eltern, das Lernen nicht mehr als ein nachhaltiges Erlangen von Kompetenzen<br />

verstan<strong>de</strong>n wird, son<strong>de</strong>rn als ein auf <strong>de</strong>n Zeitraum kurz vor <strong>de</strong>r Klausur beschränktes<br />

intensives Training, das dazu führen soll, dass man zum richtigen Zeitpunkt möglichst<br />

gut über die vorgesetzte Hür<strong>de</strong> springt. Auch Lehrer laufen Gefahr, dieser falschen „Outputorientierung“<br />

zu folgen und ihren Unterricht ausschließlich auf die nächste Klassenarbeit<br />

o<strong>de</strong>r Klausur hin auszurichten (bekannt als „teaching-to-the-test“). Das suggeriert<br />

doch, dass das für die Arbeit gelernte danach keine Relevanz mehr hat. Es erschließt<br />

sich von selbst, dass ein nur auf einen Zeitpunkt ausgerichtetes Lernen gera<strong>de</strong> im Fach<br />

Mathematik fatal ist und <strong>de</strong>n oben genannten Matthäus-Effekt weiter verstärkt.<br />

Auch die Schulzeitverkürzung auf zwölf Jahre bis zum Abitur kann diesen Effekt<br />

noch verstärken, in<strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>n Leistungsdruck <strong>de</strong>r Schüler erhöht. Wir müssen<br />

achtgeben, dass das erfolgreiche <strong>de</strong>utsche Bildungssystem nicht durch eine Reduzierung<br />

auf persönliche o<strong>de</strong>r gesellschaftlich wirtschaftliche Interessen an Effektivität<br />

einbüßt. Das Lernen darf nicht bloß auf <strong>de</strong>n kurzfristigen Erfolg ausgerichtet sein,<br />

son<strong>de</strong>rn muss nachhaltig sein.<br />

Ich sehe das Prinzip scientia unseres Cartellverban<strong>de</strong>s sehr eng mit <strong>de</strong>m humanistischen<br />

Bildungsbegriff verbun<strong>de</strong>n. Unser Verband und unsere Verbindungen folgen<br />

also einem Bildungsi<strong>de</strong>al, das nicht nur die Befähigung eines einzelnen für einen<br />

bestimmten Beruf verfolgt, son<strong>de</strong>rn ihn zu einem wertvollen und mitgestalten<strong>de</strong>n<br />

Mitglied <strong>de</strong>r Gesellschaft machen will. Das Fach Mathematik ist in diesem Zusammenhang<br />

nicht nur ein Werkzeug, <strong>de</strong>ssen sich an<strong>de</strong>re wissenschaftliche Disziplinen<br />

bedienen, son<strong>de</strong>rn die Beschäftigung damit schult <strong>de</strong>n analytischen Blick auf<br />

die Welt. Wo dieser Blick mangels Kompetenz fehlt, kann es schwerwiegen<strong>de</strong> Folgen<br />

haben. 1 Der Mathematiklehrer hat also die Aufgabe, seinen Schülern diesen beson<strong>de</strong>ren<br />

Blick zu eröffnen und nachhaltig zu schärfen.<br />

Der Autor: Stefan Lütkecosmann v/o<br />

Dino (Sx), geboren 1982, recipiert WS 2003/<br />

2004, 2003 bis 2009 Studium <strong>de</strong>r Mathematik<br />

und <strong>de</strong>r Katholischen Theo l o gie auf Lehramt<br />

für Gymnasien und Gesamtschulen an <strong>de</strong>r<br />

WWU Münster, 2006/2007 VOP, 2009 bis<br />

2011 Refe rendariat am Freiherr-vom-Stein-<br />

Gymnasium in Recklinghausen. Seit 2011<br />

Studienrat am Schillergymnasium in Münster.<br />

1 Vgl. <strong>de</strong>n Vortrag <strong>de</strong>s Phyikers Prof. A. A. Bartlett (http://www.youtube.com/watch?v=umFnrvcS6AQ).<br />

ACADEMIA 5/2012 31

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