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Das ewige Experimentierfeld<br />
durch ihr spezifisch christlich geprägtes<br />
Bildungsangebot leistet. Katholische Schulen<br />
zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Erziehungs-<br />
und Bildungskonzept im christlichen<br />
Verständnis vom Menschen und von<br />
<strong>de</strong>r Welt sowie im Glauben <strong>de</strong>r Kirche<br />
grundgelegt ist. Damit setzen Katholische<br />
Schulen auch bildungspolitische Akzente,<br />
die eine Wirkung über <strong>de</strong>n engen Rahmen<br />
Katholischer Schulen hinaus in die Gesamtgesellschaft<br />
hinein entfalten. Worin das be -<br />
son<strong>de</strong>re pädagogische Profil Katholischer<br />
Schulen besteht, kann ich hier nicht in einem<br />
umfassen<strong>de</strong>n Sinn ausführen. Wir haben<br />
dazu als Deutsche Bischofskonferenz<br />
mit <strong>de</strong>m Dokument „Qualitätskriterien für<br />
Katholische Schulen. Ein Orientierungsrahmen“<br />
im Jahr 2009 ausführlich Stellung<br />
genommen. Ich möchte nur auf drei Akzente<br />
hinweisen, die Katholische Schulen<br />
setzen und die mir in <strong>de</strong>n gegenwärtigen<br />
bildungspolitischen Diskussionen eine beson<strong>de</strong>rs<br />
hohe Relevanz zu haben scheinen.<br />
Einen ersten Akzent setzen Katholische<br />
Schulen auf <strong>de</strong>r personalen Freiheit <strong>de</strong>s<br />
Menschen, die mit <strong>de</strong>ssen aus seiner Gott -<br />
ebenbildlichkeit hergeleiteten Wür<strong>de</strong> begrün<strong>de</strong>t<br />
wird. Damit beziehen Katholische<br />
Schulen eine <strong>de</strong>utliche Gegenposition zu<br />
Ten<strong>de</strong>nzen einer funktionalistischen und<br />
ökonomistischen Verzweckung <strong>de</strong>s Menschen.<br />
Nebenbei bemerkt bil<strong>de</strong>t die durch<br />
die UN-Konvention über die Rechte von<br />
Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen angestoßene<br />
bildungspolitische Debatte um Inklusion<br />
hier eine erfreuliche Ausnahme. Der<br />
Leitgedanke <strong>de</strong>r Inklusion setzt beim<br />
Menschen selbst und <strong>de</strong>r ihm eigenen<br />
Wür<strong>de</strong> und eben nicht bei seinem ökonomischen<br />
Zweck und seiner gesellschaft-<br />
26 5/2012 ACADEMIA<br />
Cbr Erzbischof Hans-Josef Becker aus<br />
Pa<strong>de</strong>rborn auf Besuch in einer Grundschule.<br />
Er selbst wirkte einst als Lehrer. 1972 legte er<br />
die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt ab.<br />
lichen Funktionalität an. Wir haben uns als<br />
Kommission für Erziehung und Schule <strong>de</strong>r<br />
Deutschen Bischofskonferenz das Thema<br />
Inklusion daher auch gerne zu eigen gemacht<br />
und uns im Mai dieses Jahres mit<br />
einer entsprechen<strong>de</strong>n Empfehlung an alle<br />
Träger Katholischer Schulen gewandt.<br />
Bei aller Einigkeit über <strong>de</strong>n hohen Stellenwert<br />
von Bildung im Allgemeinen erleben<br />
wir gegenwärtig immer wie<strong>de</strong>r eine Engführung<br />
<strong>de</strong>s Bildungsbegriffs im Sinne einer<br />
Gleichsetzung von Bildung mit <strong>de</strong>m<br />
Erwerb sprachlicher, mathematischer und<br />
naturwissenschaftlicher Kompetenzen.<br />
Nicht selten wird Bildung dabei auch reduziert<br />
auf eine Dienstmagd zur Verfolgung<br />
rein wirtschaftlicher Interessen. Der<br />
Arbeit Katholischer Schulen liegt dagegen<br />
die Grundüberzeugung zugrun<strong>de</strong>, dass eine<br />
<strong>de</strong>m Menschen als Ganzem gerecht wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Bildung wesentlich weiter zu fassen<br />
ist. Bildung in unserem Verständnis zielt<br />
auf die Entwicklung und Entfaltung <strong>de</strong>s<br />
von Gott um seiner selbst Willen geschaffenen<br />
Menschen in seinen persönlichen<br />
Anlagen. Die Ansammlung von Wissen<br />
und Fertigkeiten allein befähigt <strong>de</strong>n Menschen<br />
noch nicht, seinem Wesen und seiner<br />
Wür<strong>de</strong> entsprechend frei zu han<strong>de</strong>ln.<br />
Der Autor: Cbr Hans-Josef Becker (G-S), Erzbischof von Pa<strong>de</strong>rborn,<br />
Lehramtsstudium für Grund- und Hauptschulen, 1972 zweite Staatsprüfung<br />
für das Lehramt, 2000 Bischofsweihe, 2003 Ernennung zum Erzbischof.<br />
Er ist Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kommission VII (Erziehung und Schule) <strong>de</strong>r Deutschen<br />
Bischofskonferenz (DBK) und Mitglied in <strong>de</strong>r Gemeinsamen Konferenz von<br />
DBK und Zentralkomitee <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Katholiken.<br />
Erst das Nach<strong>de</strong>nken, die eigene wertegebun<strong>de</strong>ne<br />
Reflexion über Wissensbestän<strong>de</strong><br />
ermöglicht es, eigene authentische Standpunkte<br />
und Haltungen zu entwickeln. Katholische<br />
Schulen legen <strong>de</strong>shalb großen<br />
Wert darauf, ihre Schülerinnen und Schüler<br />
zu solchem Reflektieren, Hinterfragen<br />
und Bewerten anzuregen.<br />
Ein zweiter Akzent Katholischer Schulen,<br />
<strong>de</strong>n ich gegenwärtig für außeror<strong>de</strong>ntlich<br />
brisant halte, besteht in <strong>de</strong>r grundlegend<br />
positiven Wertschätzung <strong>de</strong>r Eltern und ihrer<br />
Aufgabe im Rahmen <strong>de</strong>s Bildungs- und<br />
Erziehungsprozesses. Ich nehme mit Sorge<br />
wahr, dass die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Eltern für<br />
die Bildung ihrer Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeit vielfach<br />
mit pessimistischen Assoziationen verbun<strong>de</strong>n<br />
wird. So gilt es in <strong>de</strong>r an sich wichtigen<br />
und sehr zu unterstützen<strong>de</strong>n Debatte<br />
um mehr Chancengerechtigkeit im Bildungswesen<br />
inzwischen als weit ver -<br />
breiteter und nicht mehr hinterfragter<br />
Grundkonsens, dass <strong>de</strong>r Einfluss <strong>de</strong>s Elternhauses<br />
auf <strong>de</strong>n Bildungserfolg junger<br />
Menschen soziale Ungleichheit verstärke<br />
und daher ein Übel sei. Daraus wer<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne<br />
Konsequenzen abgeleitet, die<br />
darauf zielen, <strong>de</strong>n Einfluss <strong>de</strong>r Eltern auf<br />
die Erziehung und Bildung ihrer Kin<strong>de</strong>r<br />
zu reduzieren. Konkret wer<strong>de</strong>n solche<br />
Konsequenzen etwa in <strong>de</strong>r Ganztagsschul<strong>de</strong>batte<br />
<strong>de</strong>utlich und – viel gravieren<strong>de</strong>r<br />
noch – in <strong>de</strong>r Debatte um die null- bis<br />
zweijährigen Kin<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>ren Betreuung und<br />
Erziehung durch die Eltern von nicht wenigen<br />
ernst zu nehmen<strong>de</strong>n Politikern und<br />
Wissenschaftlern als ein „Fernhalten von<br />
Bildung“ etikettiert und ein<strong>de</strong>utig negativ<br />
bewertet wird.<br />
Foto: KNA