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Das ewige Experimentierfeld<br />
Das neue Jahrtausend begann für die<br />
<strong>de</strong>utsche Bildungspolitik mit einem<br />
Paukenschlag. Hatte man sich bislang<br />
nach außen mit einiger Selbstgefälligkeit<br />
als das Land nicht nur <strong>de</strong>r Dichter und<br />
Denker, son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r Musterpädagogen<br />
präsentiert, so för<strong>de</strong>rte die PISA-Studie<br />
die ernüchtern<strong>de</strong> Erkenntnis zutage,<br />
dass sich die <strong>de</strong>utschen Schüler nur im<br />
Mittelfeld bewegten, wogegen Finnland<br />
und Japan in <strong>de</strong>n drei evaluierten Kompetenzfel<strong>de</strong>rn,<br />
Mathematik, Lesefähigkeit<br />
und Naturwissenschaften, die vor<strong>de</strong>rsten<br />
Plätze belegten. Zwar mün<strong>de</strong>te die Diskussion<br />
über das mäßige Abschnei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Schüler bald wie<strong>de</strong>r in die altbekannten<br />
Debatten über die Überlegenheit<br />
<strong>de</strong>r Gesamtschule, wie sie etwa bei <strong>de</strong>n<br />
finnischen PISA-Siegern dominiert, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />
traditionellen dreigliedrigen Schulsystems,<br />
auf das Bayern, das im bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Vergleich<br />
führen<strong>de</strong> Bun<strong>de</strong>sland, seinen Erfolg<br />
zurückführt, aber unabhängig davon setzten<br />
sich die Kultusminister <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r das Ziel,<br />
Deutschland in die PISA-Spitzengruppe zu<br />
führen. Eine sichtbare Konsequenz dieser<br />
Politik war die Definition von Bildungsstandards<br />
für die Unter- und Mittelstufe,<br />
die bun<strong>de</strong>sweite Geltung haben sollten.<br />
Blickt man zwölf Jahre nach <strong>de</strong>r ersten PI-<br />
SA-Studie auf die seither erfolgten Verbesserungen,<br />
dann sind diese nur auf <strong>de</strong>m<br />
Gebiet <strong>de</strong>r Mathematik und <strong>de</strong>r Naturwis-<br />
28 5/2012 ACADEMIA<br />
senschaften, wo sich Deutschland um zehn<br />
bzw. elf Rangplätze verbessern konnte, zu<br />
beobachten. Wesentlich geringer fällt <strong>de</strong>r<br />
Fortschritt im Bereich <strong>de</strong>r Lesefähigkeit,<br />
wo man unter 65 Teilnehmern gera<strong>de</strong> mal<br />
vom 21. auf <strong>de</strong>n 16. Rang kletterte, aus.<br />
Auch wenn man über die methodischen<br />
Unzulänglichkeiten <strong>de</strong>r PISA-Tests lange<br />
streiten kann, trifft sich dieses Ergebnis<br />
mit <strong>de</strong>n Beobachtungen vieler Lehrer. Gespannt<br />
wird man sein, wie Deutschland bei<br />
künftigen Leistungsvergleichen mit sei-<br />
nem Bildungssystem abschnei<strong>de</strong>n wird,<br />
<strong>de</strong>nn inzwischen wur<strong>de</strong> die gymnasiale<br />
Schulzeit in <strong>de</strong>n meisten Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn<br />
um ein Jahr verkürzt. Der Grund dafür<br />
liegt sicher nicht darin, dass man angesichts<br />
eines wenig effizienten Schulsystems<br />
meinte, <strong>de</strong>n Gymnasiasten ein weiteres<br />
Schuljahr guten Gewissens ersparen zu<br />
können. Vielmehr ist die Verkürzung ebenso<br />
wie <strong>de</strong>r Wegfall <strong>de</strong>r Wehrpflicht und die<br />
Einführung <strong>de</strong>s dreijährigen BA-Studiums<br />
eine Folge <strong>de</strong>s <strong>de</strong>mographischen Wan<strong>de</strong>ls,<br />
<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r einen Seite einen früheren Berufseintritt,<br />
auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren eine längere<br />
Lebensarbeitszeit erfor<strong>de</strong>rt. In <strong>de</strong>r Politik<br />
wird fast einhellig die Überzeugung vertreten,<br />
eine Gesellschaft könne es sich<br />
nicht leisten, ihre Elite erst nach 13 Schuljahren,<br />
neun Monaten Wehrpflicht und einem<br />
neun- bis zwölfsemestrigen Studium<br />
im Alter von 25 Jahren in die Berufstätigkeit<br />
zu entlassen. Demgegenüber sollen<br />
nun die Gymnasiastengenerationen mit 17<br />
zum Abitur und mit 20/21 Jahren zum ersten<br />
Studienabschluss geführt wer<strong>de</strong>n. Nur <strong>de</strong>n<br />
besten BA-Absolventen steht noch ein<br />
zweijähriges Master-Studium offen.<br />
So attraktiv eine solche Vorstellung für <strong>de</strong>n<br />
auf möglichst viele Steuerzahler angewiesenen<br />
Staat und die Rentenversicherungsträger<br />
auch sein mag – die künftigen<br />
Berufsanfänger wer<strong>de</strong>n nur dann <strong>de</strong>n<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen in immer anspruchsvolle-<br />
Mit <strong>de</strong>r Bildungsreform in <strong>de</strong>n<br />
Zur „Hochschulreife“ von Schulabsolventen von Prof. Dr. Gerhard Wolf<br />
Der Autor: Prof. Dr. Gerhard Wolf ist Germanistikprofessor an <strong>de</strong>r Universität<br />
Bayreuth. Er war von 2008 bis 2012 <strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Philosophischen<br />
Fakultätentages, <strong>de</strong>r fächerübergreifen<strong>de</strong>n hochschulpolitischen<br />
Vertretung <strong>de</strong>r Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften an 62 <strong>de</strong>utschen<br />
Universitäten.<br />
ren Berufsfel<strong>de</strong>rn gerecht, wenn sie zuvor<br />
in Schule und Universität eine Ausbildung<br />
erhalten haben, die sie genau für dieses<br />
Berufsleben befähigt. Zwar soll gar nicht in<br />
Abre<strong>de</strong> gestellt wer<strong>de</strong>n, dass etwa ein Fünftel<br />
<strong>de</strong>r Gymnasiasten nur acht Jahre für die<br />
Erlangung <strong>de</strong>r Studierfähigkeit benötigt,<br />
aber es zeichnet sich nach <strong>de</strong>n ersten Erfahrungen<br />
mit <strong>de</strong>n neuen G8-Abiturienten<br />
bereits ab, dass das 13. Schuljahr doch<br />
nicht so verzichtbar war, wie von <strong>de</strong>r Bildungspolitik<br />
immer behauptet. Es ist noch<br />
völlig offen, wer die bei <strong>de</strong>n Abiturienten<br />
durch die Verkürzung <strong>de</strong>r Schulzeit entstan<strong>de</strong>nen<br />
Defizite kompensieren soll. Die<br />
Universitäten fühlen sich nicht zuständig,<br />
und als Konsequenz droht – wie in <strong>de</strong>n Naturwissenschaften<br />
jetzt schon zu beobachten<br />
ist – eine allgemeine Zunahme <strong>de</strong>r<br />
Zahl <strong>de</strong>r Studienabbrecher. Auch ist das<br />
Lehrpersonal an <strong>de</strong>n Universitäten in <strong>de</strong>r<br />
Regel nicht auf 17jährige Studieren<strong>de</strong> eingestellt,<br />
die aus einem Schulsystem kommen,<br />
das, ihnen Schwierigkeiten meistens<br />
aus <strong>de</strong>m Weg räumend, ihre Selbstverantwortung<br />
wenig, ihre Infantilisierung umso<br />
mehr begünstigte. Ob die Universitäten<br />
künftig mehr Wert auf die Lehre legen, ist<br />
fraglich, <strong>de</strong>nn in Zeiten einer fortschreiten<strong>de</strong>n<br />
Ökonomisierung ist für sie die Investition<br />
in die Ein<strong>werbung</strong> von Drittmitteln<br />
das wesentlich lukrativere Geschäft.