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Das ewige Experimentierfeld<br />
Nach <strong>de</strong>r Schule ist ja nicht alles vorbei<br />
in Sachen Bildung. Lebenslanges Lernen<br />
ist ein beliebtes Schlagwort – fin<strong>de</strong>t sich<br />
das neben Sonntagsre<strong>de</strong>n auch in <strong>de</strong>r realen<br />
Arbeitswelt wie<strong>de</strong>r?<br />
Lei<strong>de</strong>r nur bedingt. Trotz <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mographischen<br />
Entwicklung und <strong>de</strong>r Dynamik <strong>de</strong>s<br />
Arbeitsmarktes beobachten wir eine Stagnation<br />
auf <strong>de</strong>m Feld <strong>de</strong>r beruflichen<br />
Weiterbildung. Das ist eine fatale Entwicklung,<br />
wenn das Ziel erreicht wer<strong>de</strong>n<br />
soll, in <strong>de</strong>n Betrieben gut qualifizierte Arbeitskräfte<br />
bis zum Rentenbeginn zu beschäftigen.<br />
Der Nachqualifizierungsbedarf<br />
ist groß: Die Anzahl <strong>de</strong>r Erwachsenen<br />
ohne abgeschlossene Berufsausbildung ist<br />
weit höher als die Zahl <strong>de</strong>r Anlernjobs.<br />
Hier besteht ein großer Bedarf, Berufsabschlüsse<br />
nachzuholen. Wir haben in<br />
Deutschland aber auch eine doppelt so hohe<br />
Quote von Abiturienten wie von Hochschulabsolventen.<br />
Das heißt, es gibt ein<br />
großes Potenzial von Beschäftigten für eine<br />
aka<strong>de</strong>mische Nachqualifizierung, aber<br />
die Strukturen, es zu nutzen, fehlen.<br />
Woran liegt das?<br />
Die Universitäten haben wegen <strong>de</strong>r Überlast<br />
in <strong>de</strong>n klassischen Studiengängen zurzeit<br />
kein beson<strong>de</strong>res Interesse, sich in <strong>de</strong>r<br />
aka<strong>de</strong>mischen Weiterbildung und Teilzeitstudiengängen<br />
stärker zu engagieren.<br />
Muss die <strong>de</strong>nn an <strong>de</strong>r Universität stattfin<strong>de</strong>n?<br />
Ich bin schon <strong>de</strong>r Meinung, dass Bildungsabschlüsse<br />
im Prinzip von öffentlichen<br />
24 5/2012 ACADEMIA<br />
Bildungseinrichtungen angeboten wer<strong>de</strong>n<br />
sollten. Aber die aktuelle Lage führt auch<br />
hier zu einer starken Privatisierungsten<strong>de</strong>nz,<br />
zum Beispiel in Form privater Fachhochschulen<br />
mit dualen Studiengängen.<br />
Trotz<strong>de</strong>m sehe ich die öffentlichen Hochschulen<br />
wegen <strong>de</strong>r gesellschaftlichen Be<strong>de</strong>utung<br />
<strong>de</strong>r Aufgabe hier in <strong>de</strong>r Pflicht.<br />
For<strong>de</strong>rungen und Empfehlungen wie diese<br />
erheben Sie jetzt als Wissenschaftler.<br />
Umgesetzt wer<strong>de</strong>n müssen sie aber von <strong>de</strong>r<br />
Politik. Wie beurteilen Sie die Rolle <strong>de</strong>r<br />
Bildungsforschung im Gesamtprozess?<br />
In <strong>de</strong>n vergangenen zehn Jahren ist eine<br />
Wen<strong>de</strong> zu einer evi<strong>de</strong>nzbasierten Bildungspolitik<br />
erkennbar, die sich u.a. an <strong>de</strong>r<br />
Teilnahme an <strong>de</strong>n PISA-Studien zeigt.<br />
Durch die wissenschaftliche Dauerbeobachtung<br />
<strong>de</strong>s Bildungssystems erhalten die<br />
Politiker eine verbesserte Datengrundlage<br />
für ihre Entscheidungen – und das wissen<br />
sie durchaus zu schätzen. Die Gesellschaft<br />
erhebt heute auch einen verstärkten Anspruch<br />
an die Politik, politische Entscheidungen<br />
nicht aus <strong>de</strong>m Bauch heraus zu<br />
treffen, son<strong>de</strong>rn auf einer soli<strong>de</strong>n wissenschaftlichen<br />
Basis. In diesem Sinn sind<br />
Instrumente wie <strong>de</strong>r Bildungsbericht Formate<br />
wissenschaftlicher Politikberatung,<br />
aufbereitete Analysen als Handlungs- und<br />
Entscheidungsgrundlage. Sie sollen die<br />
Politik nicht gängeln, son<strong>de</strong>rn unterstützen.<br />
Die Politik braucht solche Grundlagen<br />
für ihre Entscheidungen, aber keine<br />
direkten Handlungsempfehlungen. Die<br />
Verantwortung für politische Entscheidungen<br />
soll und muss bei <strong>de</strong>n legitimierten<br />
Volksvertretern bleiben.<br />
Der Interviewpartner: Prof. Dr. Horst Weishaupt (Jahrgang 1947)<br />
legte nach <strong>de</strong>m Besuch <strong>de</strong>r Realschule 1967 am Pädagogischen Fachinstitut<br />
in Jugenheim/Bergstraße die „Erste Prüfung zum Erwerb <strong>de</strong>r Lehrbefähigung<br />
in musisch-technischen Fächern an öffentlichen Schulen“ mit <strong>de</strong>n Unterrichtsfächern<br />
Musik und Kunsterziehung ab. Nach einer Tätigkeit als Lehrer an einer<br />
Grund-, Haupt- und Realschule in Darmstadt folgte von 1968 bis 1973<br />
das Studium <strong>de</strong>r Pädagogik an <strong>de</strong>r Johann-Wolfgang-Goethe Universität in Frankfurt am Main mit<br />
<strong>de</strong>n Nebenfächern Psychologie, Soziologie, Musikwissenschaft und Evangelische Theologie. Von<br />
1974 bis 1992 war Weishaupt wissenschaftlicher Mitarbeiter in <strong>de</strong>r Abteilung Ökonomie <strong>de</strong>s Deutschen<br />
Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt am Main. In dieser Zeit<br />
schloss er auch seine Promotion in Erziehungswissenschaft ab. Von 1992 bis 2004 hatte er eine<br />
Professur für „Empirische Bildungsforschung“ an <strong>de</strong>r Pädagogischen Hochschule Erfurt/Mühlhausen<br />
(ab 2001 Universität Erfurt) inne, anschließend war er bis 2008 Professor für Empirische Bildungsforschung<br />
an <strong>de</strong>r Bergischen Universität Wuppertal. Seit 1. April 2008 leitet Weishaupt die Arbeitseinheit<br />
„Steuerung und Finanzierung“ am DIPF, einem Institut <strong>de</strong>r Leibniz-Gemeinschaft. Weishaupt<br />
ist verheiratet und Vater dreier erwachsener Kin<strong>de</strong>r.<br />
Foto: KNA<br />
Ohne For<strong>de</strong>rung keine<br />
För<strong>de</strong>rung – eine in<br />
vielerlei Hinsicht<br />
wahre pädagogische<br />
Aussage. Dabei<br />
hilft sportliche<br />
For<strong>de</strong>rung (im Bild),<br />
die For<strong>de</strong>rung nach<br />
ganzheitlicher –<br />
geistiger und körperlicher<br />
– Erziehung<br />
zu verwirklichen.