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Hochschule<br />
60 5/2012 ACADEMIA<br />
Demographischer<br />
Der Bildungsbericht zur Gesamtentwicklung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Bildungssystems liegt vor<br />
Das Bildungsniveau in Deutschland ist<br />
weiter angestiegen. Mit dieser Kernaussage<br />
starteten das Bun<strong>de</strong>sministerium<br />
für Bildung und Forschung, die<br />
Kultusministerkonferenz und das Deutsche<br />
Institut für Internationale Pädagogische<br />
Forschung in diesem Sommer die<br />
Vorstellung <strong>de</strong>s rund 350 Seiten starken<br />
nationalen Bildungsberichts 2012.<br />
„MEHR ABITURIENTEN“<br />
IST GLEICH „MEHR<br />
BILDUNGSNIVEAU“<br />
Beson<strong>de</strong>rs freute sich die Politik in einer<br />
Pressekonferenz über das Ergebnis <strong>de</strong>r<br />
Studie, wonach das Bildungsniveau ansteige<br />
und die Zahl <strong>de</strong>r Schulabbrecher weiter<br />
zurückgehe. Als Indikator für <strong>de</strong>n Anstieg<br />
<strong>de</strong>s Bildungsniveaus sieht sie die höhere<br />
Zahl <strong>de</strong>r Abiturienten. Ob <strong>de</strong>r Anstieg <strong>de</strong>r<br />
Schulabgänger mit Hochschulreife (49<br />
Prozent 2010, während es bei <strong>de</strong>n heute<br />
60- bis 65-Jährigen noch 20 Prozent waren)<br />
wirklich auf eine Steigerung <strong>de</strong>s Bildungsniveaus<br />
o<strong>de</strong>r auf ein Absenken <strong>de</strong>s<br />
Anfor<strong>de</strong>rungsniveaus zurückzuführen ist,<br />
wur<strong>de</strong> allerdings nicht untersucht, dieser<br />
Aspekt von <strong>de</strong>r Politik schon gar nicht thematisiert.<br />
Differenzierter <strong>de</strong>r Bildungsbericht<br />
selber: Er weist ausdrücklich darauf<br />
hin, dass Bildungsabschlüsse nur bedingt<br />
DER NATIONALE BILDUNGSBERICHT<br />
Der seit 2006 alle zwei Jahre erscheinen<strong>de</strong> nationale Bildungsbericht gibt eine aktuelle<br />
Bestandsaufnahme zur Entwicklung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Bildungswesens. Erarbeitet wird er durch eine<br />
unabhängige Wissenschaftlergruppe unter Fe<strong>de</strong>rführung <strong>de</strong>s Deutschen Instituts für Internationale<br />
Pädagogische Forschung. Seine Beson<strong>de</strong>rheit liegt darin, dass die verschie<strong>de</strong>nen Bildungs -<br />
bereiche in ihrem Zusammenhang dargestellt und übergreifen<strong>de</strong> Herausfor<strong>de</strong>rungen im <strong>de</strong>utschen<br />
Bildungssystem sichtbar gemacht wer<strong>de</strong>n. Der Bildungsbericht richtet sich an Fachleute <strong>de</strong>s<br />
Bildungswesens und die interessierte Öffentlichkeit. Klaus Weber (St)<br />
Rückschlüsse auf Kompetenzen zulassen.<br />
In diesem Zusammenhang thematisiert er,<br />
dass nach <strong>de</strong>r Hamburger Leo-Studie 14,5<br />
Prozent <strong>de</strong>r Bevölkerung im erwerbsfähigen<br />
Alter von funktionalem Analphabetismus<br />
betroffen sind (siehe hierzu auch<br />
<strong>de</strong>n Essay in ACADEMIA 3/2012). Erfreulich,<br />
dass dieses wichtige Thema –<br />
wenn auch nur kurz – Eingang in <strong>de</strong>n Bildungsbericht<br />
2012 gefun<strong>de</strong>n hat.<br />
RAHMENBEDINGUNGEN<br />
FÜR BILDUNG<br />
VERÄNDERN<br />
SICH WEITER<br />
Nicht überraschend ist die Feststellung,<br />
dass <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mographische Wan<strong>de</strong>l voranschreitet.<br />
Die Geburtenzahl bleibt gering<br />
bei einer gleichzeitig zunehmen<strong>de</strong>n Zahl<br />
älterer Menschen. Bei <strong>de</strong>r Altersstruktur<br />
<strong>de</strong>s Personals an <strong>de</strong>n Bildungseinrichtungen<br />
wird das beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>utlich: Fast die<br />
Hälfte <strong>de</strong>r Lehrkräfte im Schulwesen ist<br />
50 Jahre und älter. Und <strong>de</strong>r Anteil von Personen<br />
mit Migrationshintergrund in <strong>de</strong>r<br />
jüngeren Bevölkerung steigt weiter an.<br />
Das stellt eine Herausfor<strong>de</strong>rung insbeson<strong>de</strong>re<br />
für die vorschulischen Bildungseinrichtungen<br />
dar, zeigt <strong>de</strong>r Bericht doch,<br />
dass Kin<strong>de</strong>r, die mit ihren Eltern zu Hause<br />
nicht Deutsch sprechen, zu einem Drittel<br />
in Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen betreut wer<strong>de</strong>n,<br />
in <strong>de</strong>nen mehr als 50 Prozent <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
ebenfalls eine an<strong>de</strong>re nicht-<strong>de</strong>utsche<br />
Familiensprache haben. Auch nimmt die<br />
Zahl <strong>de</strong>r erwerbstätigen Frauen gegenüber<br />
2006 <strong>de</strong>utlich zu, wenn das jüngste Kind<br />
drei Jahre alt wird und es dann eine Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtung<br />
besucht. Inzwischen<br />
besuchen 94 Prozent <strong>de</strong>r Drei- bis Sechsjährigen<br />
Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen o<strong>de</strong>r<br />
nehmen an einer Kin<strong>de</strong>rtagespflege teil.<br />
Interessant, um nicht zu sagen typisch ist<br />
ein Vergleich <strong>de</strong>r Darstellung <strong>de</strong>s Berichts<br />
zum Anstieg <strong>de</strong>r Bildungsausgaben mit<br />
<strong>de</strong>r Interpretation <strong>de</strong>r Politik: Einig ist man<br />
sich noch bei <strong>de</strong>r Darstellung <strong>de</strong>r Fakten,<br />
dass die Bildungsausgaben von rund 165<br />
Milliar<strong>de</strong>n Euro 2009 auf über 172 Milliar<strong>de</strong>n<br />
Euro im Jahr 2010 angestiegen sind.<br />
Die Verfasser weisen auf die Son<strong>de</strong>reffekte<br />
<strong>de</strong>s Zukunftsinvestitionsgesetzes und<br />
an<strong>de</strong>rer Son<strong>de</strong>rprogramme hin und for<strong>de</strong>rn,<br />
dass die hinreichen<strong>de</strong> Finanzierung<br />
<strong>de</strong>s Bildungswesens auch über die Dauer<br />
<strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rprogramme hinaus gesichert<br />
wer<strong>de</strong>n muss. Die Politik hingegen blen<strong>de</strong>t<br />
diese Son<strong>de</strong>reffekte und <strong>de</strong>ren fehlen<strong>de</strong> finanzielle<br />
Nachhaltigkeit aus und betont,<br />
dass sich die Ausgaben für Bildung trotz<br />
schwieriger ökonomischer Rahmenbedingungen<br />
weiter erhöht haben.<br />
Bemerkenswert ist ein Zuwachs von Bildungseinrichtungen<br />
freier Träger um ein<br />
Viertel. Die Erhöhung <strong>de</strong>r Zahl allgemeinbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />
Schulen in freier Trägerschaft<br />
um fast 1.200, das heißt 53 Prozent <strong>de</strong>s<br />
Bestan<strong>de</strong>s von 1998, ist beachtenswert, bei<br />
Grundschulen ist das Anwachsen um 152<br />
Prozent im selben Zeitraum beson<strong>de</strong>rs augenfällig.<br />
Die Teilnehmerzahlen an diesen<br />
Einrichtungen sind stark anstiegen, im<br />
Hochschulbereich haben sie sich mehr als<br />
verdreifacht. Alles auf niedrigem Niveau,<br />
aber <strong>de</strong>r Trend ist ein<strong>de</strong>utig.