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Veit Neumann (Alm)
Chefredakteur
Entschleunigung“ wurde Anfang der 90er Jahre in zahlreichen
spirituellen Schriften und Übungen als Gegenbegriff
zur Beschleunigung betont. Alle innerliche Hetze einmal
ablegen, ganz ankommen, ganz da sein, Dinge einfach
von ihrer wesentlichen Seite her betrachten, in die Tiefe gehen
und alles verlangsamen, den Stress rausnehmen, das war und
ist durchaus wichtig, auch wenn es sich bei der Entschleunigung
häufig nur um ein eingängiges Schlagwort handelt(e).
Keine Sorge: Ich werde jetzt nicht die „Schnelllebigkeit unserer
Zeit“ in der Art einer deftig-saftigen Predigt beklagen
oder gar geißeln. „Bei uns ist Fortschritt Tradition.“ Der gute
und klug ersonnene Satz, der für den gesamten Cartellverband
gelten soll und über den ich mir an dieser Stelle schon
einmal Gedanken gemacht habe, kann aber durchaus in
diesem Sinne verstanden werden: im Sinne einer Balance
aus Be- und Entschleunigung; dass man Fortschritt, auch
wenn er manchesmal mit einer Art von Aufwirbelung, von
Ungemütlichkeit daherkommt, innerlich zulässt. Denn, wie
mir jemand vor Jahrzehnten ins Poesiealbum schrieb: Um
gut zu bleiben, muss man immer besser werden wollen.
Dass es in unserer ACADEMIA traditionellerweise einen
ganz erheblichen Fortschritt nicht zuletzt in den Formen gibt,
liegt auf der Hand – auch wenn sie ihrem Wesen nach die-
So unauffällig sind die Amish, dass es schon fast
wieder auffällig ist. Die etwa 250.000 zumeist
US-Ame ri kaner (Ohio und Pennsylvania), teilweise
auch Kanadier führen ein durch die
Landwirtschaft geprägtes Leben und fallen durch
ihre gelebte Friedfertigkeit angenehm auf. Für
diese Friedfertigkeit waren sie in der Ge schichte
immer wieder bereit, erhebliche Nachteile und
Benachteiligungen in Kauf zu nehmen. Ihre
Akzeptanz technischer Innovationen variiert von
Gruppe zu Gruppe. Von Her kunft her sind sie eine
Glau bens gemeinschaft mit Wurzeln in der
reforma torischen Täufer be wegung Mittel euro -
pas. Gut organisiert, kommen sie passabel durch
die Zeiten, nicht zuletzt mit Kutsche und in (aus
unserer Sicht) trachtenmäßig anmutenden Gewandungen.
Ihre Heilshoffnung ist groß. Die
Gewissheit, das Heil zu erlangen, bringen sie vor
allem mit der persönlichen Lebensführung in
Verbindung. Eine Ge sell schaft der Ent schleu -
nigung, zwar nicht unbedingt zur Nachahmung
empfohlen, aber beeindruckend durch: ihre gelebte
Friedfertigkeit.
Foto: KNA
Editorial
selbe bleibt. Vielleicht führt ja der überall
große und wohl noch zunehmende Einfluss
des Internet dazu, dass wir den traditionellen
Wandel immer weniger als Beschleunigung
und immer mehr als Tradition wahrnehmen?
Unsere ACADEMIA zeigt sich nach der Sommerpause auf
den hier unmittelbar folgenden beiden Seiten mit einem neuen
Inhaltsverzeichnis. Wie im Falle anderer Zeitschriften und
Magazine soll es nützlich sein und Lust machen auf die weitere
Lektüre – delectare et prodesse; ganz so, wie die erste Abhandlung
des Journalismus betont: „Zeitungs Lust und Nutz.“
In der Hauptsache dann behandeln erneut verschiedene Autoren
das Thema Schule (Seite 16 bis 30; passend dazu
diesmal auch die „Ansichtssache“ auf Seite 31). Neu hinzugekommen
ist eine thematische Strecke am Ende der Ausgabe,
wie das Titelbild anzeigt: die Titelgeschichte, die sich
mit dem Phänomen „Facebook“ herumschlägt. Auch hier:
Schule als klassisch-traditionelles, „Facebook“ als fortschrittliches
Thema, die sich ja durchaus ergänzen können.
Und wem das alles trotzdem zu beschleunigt sein sollte, der
kann sich der akademischen Wurzeln unserer ACADEMIA
in der letzten Kolumne – ganz auf Latein – versichern.
Entschleunigung im Bild
Titelseite: Titel: Kommunikation Akrobatisch zu überwindet Beginn des Franck 21. Jahrhunderts Ribéry Schalke-Torwart folgt neuen Mustern, Hildebrand wenn – 1:0 auch für die Inhalte, Bayern die (26. wir Februar Menschen 2012). uns Octavius alltäglich conubium zu posten santet haben, syrtes, nicht ut neu gulosus sind.
Was chirographi hat „Facebook“ imputat zu quinquennalis bieten außer suis, anscheinend etiam perspicax schrankenloser catelli fermentet Mitteilsamkeit oratori. (und Befriedigung von Neugier)? [ Foto: [ picture Foto: picture alliance/Pressefoto alliance/Design Ulmer Pics ]
ACADEMIA 5/2012 3