Hexenbote Sonderausgabe - Brunoschneider.ch

Hexenbote Sonderausgabe Jul 2010
einer Handbewegung das Kind, das sein Hund verletzt hat, repariert Spielzeug, erschafft
neue Spielzeuge, dazu Äpfel und Nüsse. Dazu setzt er seine magischen Fähigkeiten ein.
Mutter und Kinder freut es. Dann kommt der Wilde Jäger mit seinem Gefolge in die Hütte
getrampelt, lässt sich die Vorgänge erklären, und da er selbst auf der Suche nach der
Himmlischen Frau ist, erlaubt er Ruprecht, noch zu bleiben, um die zu belohnen, die Dame
aus dem Himmel herbeisingen wollen. Ruprecht erfüllt diesen Auftrag, nimmt sich aber
auch das Recht, Nichtsnutze mit der Rute zu traktieren.
Diese Geschichte gefällt mir persönlich sehr viel besser als die Variante, wie uns Ruprecht
sonst meist begegnet. Denn normalerweise dackelt er ja nur mit dem Geschenkesack auf dem
Buckel und der Rute in der Hand hinter seiner allerchristlichsten Herrschaft her, eine Gestalt
ohne eigene Persönlichkeit, ohne Text und ohne Weiterentwicklung, ein
Sackgassencharakter sozusagen. Eben einfach nur ein treuer Diener des heiligen Nikolaus
oder des noch heiligeren Christkindes. Theodor Storm mag in seinem Gedicht wohl dieses
kindlich-harmlose und bestimmt politisch-korrekte Image auf einen Teilnehmer der Wilden
Jagd projiziert haben, aber konnte er ahnen, wie weit sich dieses Bild ausbreitet? Dass der
Dichter Jahre später in seinem letzten und größten Werk den charismatischen Deichgrafen
als Schimmelreiter auf einem geisterhaften, weißen Gaul auftreten lässt, ist vielleicht kein
Zufall.
© Kerstin
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