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Hexenbote Sonderausgabe - Brunoschneider.ch

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<strong>Hexenbote</strong> <strong>Sonderausgabe</strong> Jul 2010<br />

und Organist über die Witzbolde, die mit Uns<strong>ch</strong>uldsmiene und kräftiger Stimme singen: „Es<br />

ist ein Ross entsprungen, aus Klaus sein Pferdestall...“ (Das ist der waldeckis<strong>ch</strong>e Genitiv und<br />

somit bei uns ri<strong>ch</strong>tig.)<br />

Damit will i<strong>ch</strong> mal die altbekannten deuts<strong>ch</strong>en Weihna<strong>ch</strong>tslieder abs<strong>ch</strong>ließen, denn sonst<br />

wird dieser Artikel frühestens Ostern fertig. Außerdem kennen wir nun vers<strong>ch</strong>iedene<br />

vertonte Versionen der Weihna<strong>ch</strong>tsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te aus dem Neuen Testament. Aber gibt es ni<strong>ch</strong>t<br />

no<strong>ch</strong> andere Methoden, eine Bots<strong>ch</strong>aft wie die Weihna<strong>ch</strong>tsbots<strong>ch</strong>aft, also von Frieden und<br />

Nä<strong>ch</strong>stenliebe, Barmherzigkeit und großer Freude, in Liedern auszudrücken? Wie könnte<br />

das aussehen?<br />

(Ab hier füge i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr die Texte ein, weil wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> viele davon no<strong>ch</strong> unter dem S<strong>ch</strong>utz des<br />

Urheberre<strong>ch</strong>ts stehen. I<strong>ch</strong> reiße sie nur kurz an. Man kann si<strong>ch</strong> aber Texte und gesungene Fassungen<br />

ergoogeln. Ferner habe i<strong>ch</strong> bei den Texten, die im Original englis<strong>ch</strong> gesungen werden, meist nur<br />

sinnstörende Übersetzungen gefunden. I<strong>ch</strong> könnte es zwar wörtli<strong>ch</strong> übertragen, aber dann sind<br />

Silbenzahl, Betonung und Reim völlig dur<strong>ch</strong>einander, man kann das ni<strong>ch</strong>t mehr flüssig lesen und<br />

dabei die Melodie im Kopf haben.)<br />

Zunä<strong>ch</strong>st einmal fällt auf, dass sehr viele neuere Lieder eine Weihna<strong>ch</strong>tsidylle mit S<strong>ch</strong>nee<br />

besingen, mit S<strong>ch</strong>neemännern, S<strong>ch</strong>littenfahrten usw. Dabei haben wir do<strong>ch</strong> in unseren<br />

Breitengeraden eher selten weiße Weihna<strong>ch</strong>ten, meist überwiegt nasses S<strong>ch</strong>muddelwetter.<br />

Aber in uns steckt wohl tief die Sehnsu<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> der Postkartenidylle. Ein Bild vom Nikolaus<br />

oder gar dem Weihna<strong>ch</strong>tsmann im Coca-Cola-Dress stimmt mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t weihna<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>, das ist<br />

für mi<strong>ch</strong> ein Symbol für die Kommerzialisierung. Aber die kleinen Kits<strong>ch</strong>gemälde mit zwei<br />

oder drei Häus<strong>ch</strong>en, ein paar Bäumen und einem Kir<strong>ch</strong>lein, das alles tief vers<strong>ch</strong>neit, haben<br />

s<strong>ch</strong>on eine ganz andere Wirkung. So eine kleine, heile Welt, aller Ärger und Dreck unter der<br />

weißen Decke verborgen, das könnte die wunde Seele wenigstens für ein paar Tage heilen<br />

lassen, gerade na<strong>ch</strong> dem großen Stress der Wo<strong>ch</strong>en vor dem Fest. Die Lieder um S<strong>ch</strong>nee zum<br />

Jahresende zielen in dieselbe Ri<strong>ch</strong>tung. Es ist kein Widerspru<strong>ch</strong> zur Weihna<strong>ch</strong>tsbots<strong>ch</strong>aft,<br />

dass man si<strong>ch</strong> erholen und zur Ruhe kommen darf. Nur in der Ruhe kann man über all das<br />

na<strong>ch</strong>denken, was die Welt verbessern könnte. Und viellei<strong>ch</strong>t etwas davon umsetzen.<br />

I<strong>ch</strong> habe eine Kassette mit modernen Weihna<strong>ch</strong>tsliedern aus der Truckerszene. Diese<br />

Kassette habe i<strong>ch</strong> übrigens s<strong>ch</strong>on viel länger als meinen (S<strong>ch</strong>reibtis<strong>ch</strong>-) Arbeitsplatz bei einer<br />

Spedition. Wenn da tiefe Männerstimmen singen von Einsamkeit, Heimweh, Überstunden<br />

und anderen Widrigkeiten, die den Kapitän der Landstraße am Zusammensein mit der<br />

Familie hindern, dann ist das für mi<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> eine Weihna<strong>ch</strong>tsbots<strong>ch</strong>aft. Natürli<strong>ch</strong> weiß i<strong>ch</strong>,<br />

dass die Fra<strong>ch</strong>ten im letzten Moment vor den Feiertagen nur selten mit Tannenbäumen oder<br />

Ges<strong>ch</strong>enken zu tun haben. Diese Touren sind längst gelaufen, außer man fährt für Post oder<br />

DHL. Aber i<strong>ch</strong> stelle mir au<strong>ch</strong> die Kinder vor, die auf den Papi warten und für die ni<strong>ch</strong>t eher<br />

das Fest der Liebe anfängt, bis er da ist. Es darf aber au<strong>ch</strong> mal lustiger zugehen, etwa wenn<br />

der Weihna<strong>ch</strong>tsmann Cowboystiefel trägt und in einem Saloon in Texas selbst fröhli<strong>ch</strong> feiert.<br />

Warum soll der Arme denn an den Tagen nur Stress und kein Vergnügen haben? Wie weit<br />

wäre es mit der Nä<strong>ch</strong>stenliebe her, wenn wir ihm das ni<strong>ch</strong>t können? Oder lassen wir ihn mit<br />

einem großen Truck voller Ges<strong>ch</strong>enke dur<strong>ch</strong> den Himmel und über die irdis<strong>ch</strong>en<br />

Autobahnen düsen. Viellei<strong>ch</strong>t fährt er au<strong>ch</strong> zum Abs<strong>ch</strong>luss zur Truckerweihna<strong>ch</strong>tsfeier in<br />

der kleinen Kneipe von Oma Hildegard vor, die wie eine warmherzige Mutter für ihre<br />

harten Jungs sorgt und ihnen ein einfa<strong>ch</strong>es, aber s<strong>ch</strong>önes Fest bereitet. Sogar für den<br />

verirrten Fahrer aus südli<strong>ch</strong>en Landen, der mit dem S<strong>ch</strong>nee seine Probleme hat und ni<strong>ch</strong>t<br />

weiter kommt, ko<strong>ch</strong>t sie einen großen, kalten Fuß (ein Eisbein), damit sein Heimweh an<br />

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