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Hexenbote Sonderausgabe - Brunoschneider.ch

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<strong>Hexenbote</strong> <strong>Sonderausgabe</strong> Jul 2010<br />

Der Stern der Weihna<strong>ch</strong>t<br />

Der Klang unzähliger Glocken erfüllte die s<strong>ch</strong>neidend kalte Luft, die Straßen waren hell<br />

erleu<strong>ch</strong>tet von tausend Kerzen, die hinter den Fenstern brannten. Am heiligen Abend war<br />

die Stadt still und verlassen; nur eine einsame Gestalt wanderte dur<strong>ch</strong> die Gassen. Er hatte<br />

niemanden mehr, mit dem er Weihna<strong>ch</strong>ten feiern konnte. Den Glauben an Gott hatte er<br />

s<strong>ch</strong>on vor langer Zeit verloren.<br />

Hinter den Fenstern sah er Weihna<strong>ch</strong>tsbäume, liebevoll ges<strong>ch</strong>mückt, rot, golden, blau und<br />

silbern leu<strong>ch</strong>ten. Hörte das La<strong>ch</strong>en der Kinder, die die Ges<strong>ch</strong>enke des Christkinds öffneten.<br />

An diesen s<strong>ch</strong>önen Traum konnte er si<strong>ch</strong> aus seiner Kinderzeit erinnern, do<strong>ch</strong> er war<br />

verblasst, unwirkli<strong>ch</strong>. „Träume sind S<strong>ch</strong>äume, es lohnt si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, ihnen na<strong>ch</strong>zuhängen“<br />

...und do<strong>ch</strong> träumte er.<br />

S<strong>ch</strong>nee bedeckte die Wege und Häuser, weiße Weihna<strong>ch</strong>t; von Kindern gebaute<br />

S<strong>ch</strong>neemänner säumten seinen Weg, kleine S<strong>ch</strong>neemänner, große S<strong>ch</strong>neemänner,<br />

S<strong>ch</strong>neehasen, S<strong>ch</strong>neebären, liebevoll gekleidete und ges<strong>ch</strong>mückte Kinderträume. Vor langer<br />

Zeit hatte au<strong>ch</strong> er S<strong>ch</strong>neemänner gebaut, mit seinen Freunden. Do<strong>ch</strong> das war lange vorbei, es<br />

ers<strong>ch</strong>ien ihm fast wie ein Traum, ein s<strong>ch</strong>öner Traum, der aber nie wirkli<strong>ch</strong> gewesen war.<br />

Die Sterne leu<strong>ch</strong>teten an einem s<strong>ch</strong>warzen Himmel, wie kleine Li<strong>ch</strong>ter, die den Weg weisen,<br />

Milliarden von Kerzen, die die Dunkelheit erleu<strong>ch</strong>ten. Hatte ni<strong>ch</strong>t einst ein Stern jemandem<br />

den Weg gewiesen? Er erinnerte si<strong>ch</strong> vage an ein Mär<strong>ch</strong>en, das eine sol<strong>ch</strong>e Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

erzählte. Könnte ihm ni<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> ein Stern den ri<strong>ch</strong>tigen Weg zeigen? Angestrengt sah er<br />

hinauf zu dem s<strong>ch</strong>warzen Himmel, den Milliarden von Sternen, su<strong>ch</strong>te na<strong>ch</strong> einem<br />

besonders hellen Li<strong>ch</strong>t. Do<strong>ch</strong> er konnte keins entdecken. Einsam und verlassen stand er in<br />

der kalten Stadt und wieder einmal wurde ihm bewusst, dass Träume sinnlos waren. Wut<br />

und Traurigkeit wallten in ihm auf.<br />

Plötzli<strong>ch</strong> stieß er gegen etwas und landete im kalten S<strong>ch</strong>nee. Ein S<strong>ch</strong>neemann war unter ihm<br />

zerbro<strong>ch</strong>en, ein Kindertraum. Verwirrt blickte er auf, in die Augen eines alten Mannes, die<br />

vergnügt auf ihn herab lä<strong>ch</strong>elten.<br />

„Sie haben wohl mit ihren Gedanken in den Sternen gehangen, was?“, fragte dieser.<br />

Er ri<strong>ch</strong>tete si<strong>ch</strong> auf und klopfte si<strong>ch</strong> den S<strong>ch</strong>nee vom Mantel.<br />

„Nein, i<strong>ch</strong> habe nur gerade in eine andere Ri<strong>ch</strong>tung ges<strong>ch</strong>aut. Ents<strong>ch</strong>uldigung.“, antwortete<br />

er.<br />

„Etwa die vielen s<strong>ch</strong>önen S<strong>ch</strong>neemänner betra<strong>ch</strong>tet?“<br />

„Nein, i<strong>ch</strong> mag S<strong>ch</strong>neemänner ni<strong>ch</strong>t besonders.“<br />

„Aha, dann haben sie si<strong>ch</strong>er dur<strong>ch</strong> die Fenster ges<strong>ch</strong>aut und die s<strong>ch</strong>önen rot, golden, blau<br />

und silbern leu<strong>ch</strong>tenden Weihna<strong>ch</strong>tsbäume bewundert.“<br />

„I<strong>ch</strong> mag au<strong>ch</strong> keine Weihna<strong>ch</strong>tsbäume. I<strong>ch</strong> mag keine Weihna<strong>ch</strong>tsges<strong>ch</strong>enke, i<strong>ch</strong> mag das<br />

Christkind ni<strong>ch</strong>t und i<strong>ch</strong> mag das Läuten der Glocken ni<strong>ch</strong>t.“<br />

Der Alte ging ihm langsam auf die Nerven, er wollte ihn so s<strong>ch</strong>nell wie mögli<strong>ch</strong> wieder<br />

loswerden.<br />

„Es s<strong>ch</strong>eint, als würden sie Weihna<strong>ch</strong>ten ni<strong>ch</strong>t besonders mögen.“, sagte dieser nun.<br />

„Nein, i<strong>ch</strong> mag Weihna<strong>ch</strong>ten ni<strong>ch</strong>t. I<strong>ch</strong> verabs<strong>ch</strong>eue es.“<br />

„Oh. Das ist aber s<strong>ch</strong>ade. Aber warum mögen sie Weihna<strong>ch</strong>ten ni<strong>ch</strong>t?“<br />

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