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Unterrichtung Umweltgutachten 1978 - Deutscher Bundestag

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Drucksache 8/1938 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 8. Wahlperiode<br />

teilung dieser Stoffe vermitteln. Dies erscheint<br />

nicht zuletzt deswegen notwendig, um Diskussionen<br />

zu diesem Thema die notwendige Basis zu geben<br />

und zur Erleichterung der Urteilsbildung bei<br />

allen umweltpolitisch verantwortlichen Instanzen<br />

sowie in der Öffentlichkeit beizutragen.<br />

1.1.1.2 Definition: Der Begriff Umweltschadstoff<br />

21. Als „Schadstoffe" werden solche in der Umwelt<br />

vorkommenden Stoffe bezeichnet, die das Potential<br />

haben, auf den Menschen, auf andere Lebewesen,<br />

auf Ökosysteme oder auch auf Sachgüter<br />

schädlich zu wirken. Aus Gründen der Stoffbegrenzung<br />

werden in diesem Gutachten nur schädliche<br />

Wirkungen auf den Menschen und auf Ökosysteme<br />

behandelt.<br />

Diejenigen Schadstoffe, die als Folge menschlicher<br />

Aktivitäten in der Umwelt vorhanden sind, werden<br />

auch als „Umweltchemikalien" bezeichnet (Materialien<br />

zum Umweltprogramm der Bundesregierung<br />

1971, S. 73). Da jedoch auch natürlicherweise in der<br />

Umwelt Stoffe vorkommen, die für die Gesundheit<br />

des Menschen oder für andere Lebewesen schädlich<br />

sein können, wird im folgenden der allgemeinere<br />

Begriff „Umweltschadstoffe" verwendet; dieser bezieht<br />

sich auf alle Stoffe, die als Umweltchemikalien<br />

bezeichnet werden und zusätzlich auf diejenigen<br />

Schadstoffe, die natürlicherweise in der Umwelt<br />

vorkommen.<br />

Zu den natürlichen Umweltschadstoffen gehören zum<br />

Beispiel die Schwermetalle, soweit sie ohne menschliches<br />

Zutun in der Umwelt vorhanden sind. Eine andere<br />

Art natürlicher Umweltschadstoffe sind diejenigen<br />

Schadstoffe, die als Metaboliten erst durch Organismen<br />

aufgebaut werden (z. B. die Aflatoxine aus Schimmelpilzen).<br />

Als Umweltschadstoffe werden im folgenden diejenigen<br />

Schadstoffe bezeichnet, denen der einzelne Mensch unfreiwillig<br />

ausgesetzt ist.<br />

Tabakrauch zum Beispiel ist in diesem Sinne — soweit<br />

er freiwillig eingeatmet wird — kein Umweltschadstoff.<br />

Lebensmittelzusätze dagegen werden im folgenden als<br />

potentielle Umweltschadstoffe behandelt. Auch wenn sie -<br />

mit Absicht Lebensmitteln zugesetzt werden, so hat doch<br />

der einzelne Verbraucher im allgemeinen keine Wahl,<br />

sie aufzunehmen oder nicht.<br />

Auch gesundheitsschädliche Stoffe am Arbeitsplatz können,<br />

nach der oben gegebenen Definition, als Umweltschadstoffe<br />

angesehen werden. Derartige Stoffe werden<br />

jedoch in diesem Gutachten nur behandelt, wenn sie<br />

auch von der Allgemeinbevölkerung aufgenommen werden.<br />

1.1.1.3 Schadwirkungen beim Menschen<br />

22. Unter Schadwirkung im menschlichen Individuum<br />

versteht man unerwünschte Störungen physiologischer<br />

Funktionen, die durch einen Schadstoff<br />

oder durch physikalische Faktoren (z. B. energiereiche<br />

Strahlung) ausgelöst werden. Toxizität ist das<br />

Vermögen eines Stoffes oder eines physikalischen<br />

Faktors, eine solche Schädigung zu bewirken, wenn<br />

eine genügend hohe Dosis aufgenommen wird. Unter<br />

Gesundheitsrisiko ist die Wahrscheinlichkeit zu<br />

verstehen, daß bei einem mehr oder weniger gro-<br />

ßen Teil der einem schädlichen Faktor ausgesetzten<br />

Individuen ein Gesundheitsschaden auftritt.<br />

Diese Definitionen stimmen weitgehend mit denjenigen<br />

des Bundes-Immissionsschutzgesetzes i) (§ 3)<br />

überein, das definiert: „Schädliche Umwelteinwirkungen<br />

im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen,<br />

die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind,<br />

Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen<br />

für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft<br />

herbeizuführen". Die Begründung zum Regierungsentwurf<br />

2 ) erläutert dazu: „Schädliche Umwelteinwirkungen<br />

sind Immissionen, die durch eine<br />

bestimmte Störeigenschaft qualifiziert sind. Die potentiellen<br />

Störwirkungen werden als Gefahren,<br />

Nachteile und Belästigungen umschrieben. Unter<br />

Gefahr ist die objektive Möglichkeit eines Schadenseintrittes<br />

zu verstehen. Das bedrohte Rechtsgut<br />

wird in aller Regel die menschliche Ge<br />

s undheit sein, Belästigungen sind Beeinträchtigungen<br />

des körperlichen und seelischen Wohlbefindens<br />

des Menschen. Der Übergang zwischen Belästigungen<br />

und Gesundheitsgefahren ist fließend."<br />

Gleichsinnige Definitionen werden auch von der<br />

WHO und anderen internationalen Gremien gebraucht.<br />

23. Bereits hier sei angemerkt, daß absolute Sicherheit<br />

vor Gesundheitsschäden eine Utopie ist;<br />

Sicherheit kann nur relativ gesehen werden. Alle<br />

Chemikalien wie Wasser, Sauerstoff, Kochsalz, Vitamine<br />

oder Kohlendioxid können unter extremen<br />

Bedingungen giftig oder sogar tödlich sein. Bereits<br />

Paracelsus hat definiert, daß die Dosis das Gift<br />

macht. Eine wesentliche Aufgabe der Toxikologie<br />

ist somit die Feststellung und Festlegung von<br />

Schwellen- oder Grenzwerten. Dies ist bei chronischen<br />

Giftwirkungen und insbesondere bei carcinogenen<br />

und mutagenen Wirkungen mit wissenschaftlichen<br />

Methoden derzeit nur schwer bzw. nicht eindeutig<br />

möglich.<br />

1.1.1.4 Schadstoffgruppen<br />

24. Die Einteilung von Schadstoffen kann unter<br />

folgenden Gesichtspunkten erfolgen:<br />

— Zur toxikologischen Beurteilung ist die Aufteilung<br />

nach chemischen Gesichtspunkten sinnvoll.<br />

Man wird folglich zwischen anorganischen (einschließlich<br />

Elementen) und organischen Stoffen<br />

unterteilen und diese Grobklassifizierung weiterführen,<br />

z. B. Schwermetalle (Pb, Hg, Cd) ; anorganische<br />

Gase wie SO 2, CO, NOx; N-Nitrosoverbindungen;<br />

chlorierte Kohlenwasserstoffe<br />

vom Typ des DDT oder chlorierte niedere Aliphate<br />

vom Typ des Chloroforms. Dieses Einteilungsschema<br />

hat, besonders bei organischen<br />

Schadstoffen, den Vorteil von meist ähnlichen<br />

Schadwirkungen in einer Stoffklasse.<br />

— Eine Einteilung nach besonderen Wirkungstypen<br />

bietet ebenfalls Vorteile bei der toxikologischen<br />

Beurteilung. Man könnte also z. B. carci-<br />

1) BGBl. I, 1974, S. 271.<br />

2) <strong>Bundestag</strong>s-Drucksache 7/179.

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