07.06.2013 Aufrufe

Unterrichtung Umweltgutachten 1978 - Deutscher Bundestag

Unterrichtung Umweltgutachten 1978 - Deutscher Bundestag

Unterrichtung Umweltgutachten 1978 - Deutscher Bundestag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Drucksache 8/1938 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 8. Wahlperiode<br />

reinigung TCDD (Tetrachlordibenzodioxin) als wahrscheinlich<br />

aktivem Wirkungsprinzip. Die Anwendung<br />

in Vietnam soll eine erhöhte Mißbildungsrate<br />

verursacht haben. Weitere Daten werden wahrscheinlich<br />

nach Auswertung des Zwischenfalls von<br />

Seveso erhalten werden. Es wird geschätzt, daß<br />

mindestens 10 % aller Mißbildungen intrauterin verursacht<br />

werden und mindestens 10 % genetisch bedingt<br />

sind, während bei 80 % die Ursache noch unklar<br />

ist. Intrauterin verursachte und genetisch bedingte<br />

Defekte können äußerlich gleich sein (z. B.<br />

angeborene Taubheit).<br />

1.1.4.7 Kombinationseffekte<br />

162. Kombinationseffekte sind Wirkungen, die aus<br />

der gleichzeitigen (kombinatorischen) oder aufeinanderfolgenden<br />

(sequentiellen) Einwirkung mehrerer<br />

oder vieler Umweltchemikalien auf einen Organismus<br />

resultieren. Mögliche Kombinationswirkungen<br />

sind von offensichtlicher Bedeutung in der Beurteilung<br />

der Gesamtbelastung eines Organismus<br />

durch eine Vielzahl potentieller Schadstoffe, wie sie<br />

für die derzeitige Umweltsituation charakteristisch<br />

ist.<br />

Es muß jedoch schon hier betont werden, daß die Beurteilung<br />

dadurch außerordentlich erschwert wird, daß sowohl<br />

qualitative als auch quantitative Zusammensetzung<br />

von Immissionen sowohl räumlich als auch zeitlich wechseln<br />

können.<br />

163. Werden zwei oder mehr Giftstoffe gleichzeitig<br />

aufgenommen, so ist die Folge nicht immer ein<br />

bloßes Nebeneinander der Wirkungen der Einzelstoffe<br />

(rein additive Wirkung). Das Zusammentreffen<br />

der Stoffe im Organismus kann zu einer unerwarteten<br />

Wirkungsverstärkung (synergistische Wirkung)<br />

oder zu einer Wirkungsabschwächung (antagonistische<br />

Wirkung) oder auch zu qualitativ neuen<br />

Wirkungen führen. Schließlich kann es, wenn zwei<br />

Stoffe in jeweils „unterschwelliger" Dosis aufgenommen<br />

werden, zu einer Wirkung kommen, obwohl<br />

jeder der Stoffe allein wirkungslos wäre.<br />

Auch eine reine Addition von Wirkungen wird oft als<br />

„Synergismus" bezeichnet (z. B. ANTWEILER, H., 1973).<br />

Im folgenden wird diese Bezeichnung jedoch vorbehalten<br />

für solche Fälle, wo die Gesamtwirkung gleichzeitig aufgenommener<br />

Schadstoffe über eine bloße Addition der<br />

Wirkungen der Einzelstoffe hinausgeht (vgl. LEE, D.H.K.<br />

und KOTIN, P., 1972).<br />

164. Es sind folglich drei Typen von Kombinationswirkungen<br />

zu unterscheiden:<br />

1. Additive Wirkung: Die Wirkung der Schadstoffkombination<br />

entspricht einem Nebeneinander der<br />

Wirkungen der Einzelstoffe.<br />

2. Synergismus: Die Stoffkombination wirkt stärker,<br />

als es bei einer Addition der Wirkungen der<br />

Einzelstoffe zu erwarten wäre („überadditive"<br />

oder „potenzierende Wirkung").<br />

3. Antagonismus: Die Stoffkombination wirkt<br />

schwächer, als es aufgrund der Wirkungen der<br />

Einzelstoffe zu erwarten wäre („unteradditive<br />

Wirkung").<br />

Die systematische wissenschaftliche Untersuchung von<br />

Kombinationseffekten steht noch aus und ist durch die<br />

offensichtliche Vielfalt von Kombinationsmöglichkeiten<br />

stark erschwert. Die Voraussage von Kombinationseffekten<br />

einer gegebenen Stoff-Kombination ist daher derzeit<br />

unmöglich und ist auch in absehbarer Zukunft nicht zu<br />

erwarten. Die notwendige wissenschaftliche Bearbeitung<br />

der Gebiete müßte von möglichen Mechanismen der<br />

Kombinationswirkung ausgehen (vgl. ANTWEILER, 1973).<br />

— Veränderungen von Aufnahme und/oder Ausscheidung<br />

(z. B. durch Veränderung der normalen Zellmembranfunktion).<br />

— Veränderungen des metabolischen Ab- und Umbaus<br />

durch Steigerung oder Hemmung von Enzymsystemen,<br />

die den Ab- und Umbau von Fremdstoffen bewirken<br />

(vgl. 1.1.5). Diese Beeinflussung von Giftung bzw.<br />

Entgiftung dürfte von großer, wenn nicht entscheidender<br />

Bedeutung für Kombinationseffekte, insbesondere<br />

bei chronischer Toxizität sein.<br />

- Beeinflussung der Wirkungsauslösung am Wirkungsort.<br />

Epidemiologische Untersuchungen von Kombinationswirkungen<br />

fehlen weitgehend. Kombinationswirkungen<br />

sind jedoch nachgewiesen worden bei<br />

starker Belastung mit chemischen Carcinogenen im<br />

Berufsleben und gleichzeitigem starken Rauchen<br />

(stark erhöhtes Lungenkrebsrisiko von rauchenden<br />

Asbest- oder Uranbergbauarbeitern [HOFFMANN<br />

und WYNDER, 1976]) .<br />

165. Aus der Arzneimitteltherapie sind zahlreiche<br />

Beispiele von Wirkungssteigerungen bzw. -hemmungen<br />

bei kombinierter Anwenuung von Pharmaka<br />

bekannt. Es sei hier angemerkt, daß die heute<br />

üblich gewordene weitgehende Medikamentenanwendung<br />

ebenso zusätzliche Kombinationseffekte<br />

mit Umweltchemikalien ermöglicht wie die weite<br />

Verbreitung des Rauchens und die damit verbundene<br />

Belastung mit einer Vielzahl von Rauchinhaltsstoffen.<br />

Auch experimentell sind zahlreiche Einzelbeispiele von<br />

Kombinationseffekten bekannt. Es seien genannt die Verstärkung<br />

der carcinogenen Wirkung von 3,4-Benzpyren<br />

auf die Lunge durch SO2, eine analoge Hemmung aber<br />

durch O3. Zahlreiche chemische Carcinogene wie polycyclische<br />

aromatische Kohlenwasserstoffe oder Nitrosamine<br />

haben bei gleichzeitiger Einwirkung mehrerer Einzelstoffe<br />

zumindest additive Wirkungen, in bestimmten<br />

Kombinationen aber auch hemmende Wirkungen. Eine<br />

Literaturzusammenstellung von Kombinationseffekten bei<br />

Pestiziden verschiedener Stoffklassen (Mitteilung IX der<br />

Kommission für Pflanzenschutz-, Pflanzenbehandlungs-<br />

und Vorratsschutzmittel der DFG 1975) in bezug auf die<br />

Beeinflussung der akuten bzw. subchronischen Toxität<br />

ergab bei Kombination von zwei Stoffen die in Tabelle 5<br />

dargestellten Effekte.<br />

Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß die vorliegenden<br />

Untersuchungen es nicht erlauben, das Risiko für den<br />

Menschen durch Aufnahme von Rückständen über Lebensmittel<br />

mit mehr als nur einem Pestizid abzuschätzen.<br />

Somit ist festzustellen, daß es derzeit wissenschaftlich<br />

nicht möglich ist, vorauszusagen, ob die Gesamtwirkung<br />

eines gegebenen Schadstoffgemisches von<br />

der aufgrund der Wirkungen der Einzelstoffe zu<br />

erwartenden Wirkung abweichen wird.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!