07.06.2013 Aufrufe

Unterrichtung Umweltgutachten 1978 - Deutscher Bundestag

Unterrichtung Umweltgutachten 1978 - Deutscher Bundestag

Unterrichtung Umweltgutachten 1978 - Deutscher Bundestag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Drucksache 8/1938 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 8. Wahlperiode<br />

biensystems, z. B. wird in stark strömenden Gewässern<br />

verhältnismäßig viel Sauerstoff von außen eingetragen,<br />

so daß ein besseres Sauerstoffangebot vorliegt<br />

als in einem gleich belasteten langsam strömenden<br />

oder stehenden Gewässer; die Folge davon<br />

ist ein deutlicher Unterschied im Organismenbesatz<br />

und entsprechend eine verschiedene Bewertung der<br />

Güte.<br />

109. Eine ausführliche Diskussion des Saprobiensystems<br />

kann hier aus Raumgründen nicht erfolgen<br />

(siehe dazu ELSTER 1966, SLÁDE ĆEK 1973) ; wesentlich<br />

ist aber die Feststellung, daß heute neben<br />

den der biologischen Selbstreinigung leicht zugänglichen<br />

Fäkalien und stoffmäßig verwandten Substanzen<br />

zahlreiche andere Verbindungen mit Abwässern<br />

in Gewässer gelangen und überdies durch<br />

Abwärmezufuhr auch das Temperaturregime verändert<br />

wird. Der Rat hat im Rheingutachten diesem<br />

Tatbestand Rechnung getragen durch die Aufstellung<br />

der fünf Belastungsgruppen:<br />

1. leicht abbaubare Stoffe<br />

2. schwer abbaubare Stoffe<br />

3. Salze<br />

4. Schwermetallverbindungen<br />

5. Abwärme<br />

Es ist zu fragen, ob und in welcher Weise Bio<br />

indikatoren bei der Feststellung von Schadwir<br />

kungen dieser Belastungen anwendbar sind (Tab. 4).<br />

110. Im Rückblick ist zunächst festzustellen (BICK 1963),<br />

daß verschiedene Autoren sich mit diesem Fragenkomplex<br />

befaßt haben. LIEBMANN (1962) z. B. erweiterte das<br />

Saprobiensystem zum Wassergütesystem, indem er zusätzlich<br />

zur Bewertung der Indikatororganismen Kenndaten<br />

des Sauerstoff- und Stickstoffhaushaltes heranzog<br />

und Vernichtungs- und Verödungszonen, d. h. Gewässerabschnitte<br />

mit mehr oder weniger stark giftig wirkenden<br />

Konzentrationen von Abwasserinhaltsstoffen, abgrenzte<br />

und in der Gütekarte des Gewässers sichtbar machte.<br />

Hier dient die im Vergleich zu unbelasteten Kontrollstandorten<br />

verminderte Arten- und Individuenzahl als<br />

-<br />

Indiz für den toxischen Effekt.<br />

111. Die Schwierigkeit oder oft auch Unmöglichkeit,<br />

eine im Gewässer beobachtete Minderung der Artenzahl<br />

einer Abwassereinleitung oder gar einem bestimmten<br />

Abwassergift zuzuordnen, führte zur Einführung toxikologischer<br />

Tests, wobei typische Glieder der Gewässerlebensgemeinschaft<br />

als Testorganismen Verwendung finden<br />

(siehe die zusammenfassende Darstellungen von<br />

BICK 1963, HUECK u. HUECK-van der PLAS 1976 sowie<br />

„Deutsche Einheitsverfahren" und „Ausgewählte Methoden<br />

der Wasseruntersuchung"). In diesem Zusammenhang<br />

wichtig ist der Versuch von HAMM (1969), über ein<br />

Nomogramm die Resultate der verschiedenen Parameter<br />

des Sauerstoffhaushaltes mit der Intensität der toxischen<br />

Hemmung der Selbstreinigung und dem Gütestatus aus<br />

dem Saprobiensystem zu einem Mittelwert zu verknüpfen.<br />

112. Neben toxikologischen Tests wurden außerdem<br />

noch Verfahren entwickelt zur Bestimmung der biochemischen<br />

Aktivität von Mikroorganismen („Abbauleistung"),<br />

zur Kennzeichnung der biologischen Wirksam<br />

keit der im Wasesr gelösten mineralischen Nährstoffe<br />

(„eutrophierende Stoffe") und zur Erfassung weiterer wesentlicher<br />

Teile des Stoffkreislaufes im Gewässer (siehe<br />

z. B. BRINGMANN u. KÜHN 1966).<br />

113. SLÁDE ĆEK (1973) schlug ein modifiziertes Wassergütesystem<br />

vor, das getrennte Bewertungen nach den Bereichen<br />

„leicht abbaubare Stoffe", „toxisch wirkende<br />

Stoffe" und „radioaktive Stoffe" erlaubt. Von besonderem<br />

Interesse ist dabei die Einführung eines Toxizitätssystems<br />

(analog dem Saprobiensystem) mit abgestuften<br />

Schadwirkungen auf den Organismenbestand. Die verschiedenen<br />

Schadenshöhen könnten nach Vorstellung des<br />

Autors in eine Gesamtbeurteilung der Gewässergüte einfließen.<br />

Es dürfte aber besser sein, toxische Effekte getrennt<br />

von den übrigen Befunden auszuweisen, da nicht<br />

alle in giftig wirkenden Konzentrationen im Wasser enthaltenen<br />

Substanzen abbaubar sind, d. h. potentielle Gefahren<br />

auch dann weiterbestehen, z. B. infolge von Bioakkumulation,<br />

wenn die Giftwirkung infolge Verdünnung<br />

verschwunden ist. Auf diese Problematik wird später<br />

zurückzukommen sein.<br />

114. Die insgesamt sehr große Zahl von Arbeiten zum<br />

Gesamtkomplex Bioindikatoren in Gewässern kann hier<br />

nicht weiter diskutiert werden; der Bereich wird erschlossen<br />

durch die zusammenfassenden oder referierenden<br />

Publikationen von BICK (1963), WARREN (1971), SLÁ-<br />

DEČEK (1973), CAIRNS u. DICKSON (1973), HART u.<br />

FULLER (1974). Wesentliche Ergebnisse fließen in die<br />

folgende Diskusion ein.<br />

115. Bei der Suche nach Bioindikatoren für die fünf<br />

genannten Belastungsgruppen sind einige Vorüberlegungen<br />

nötig: Das Konzept geht von der Annahme<br />

aus, daß die Belastung entweder 1. verhältnismäßig<br />

schnell, d. h. leicht durch Organismen abgebaut<br />

wird, wobei starker Sauerstoffbedarf besteht,<br />

oder 2. sehr langsam, d. h. schwer abgebaut wird,<br />

oder 3. gar nicht durch Organismen abgebaut wird<br />

(Salze, Schwermetalle, Abwärme). Ökologisch wesentlich<br />

ist, daß der schnelle Abbau hohen Sauerstoffverbrauch<br />

bedeutet und Sauerstoffmangel als<br />

schädliche, oft tödliche Belastung für viele Organismen<br />

auftritt. Verödung einer Lebensgemeinschaft<br />

ist deshalb häufig die Folge einer starken<br />

Belastung des Sauerstoffhaushaltes, ohne daß eine<br />

Wirkung toxischer Substanzen im engeren Sinne<br />

vorliegt. Ferner treten Zwischen- und Kuppelprodukte<br />

des Abbaus auf (H2S, NH3 u. a.), die giftige<br />

Konzentrationen erreichen können. Schließlich stellen<br />

die Mineralisationsendprodukte des Abbaus<br />

(Phosphat, Ammonium, Nitrat) Pfl an zennähr<br />

salze dar, d. h. fördern das Pflanzenwachstum,<br />

führen dadurch zu „Sekundärverunreinigungsprozessen"<br />

durch Ablagerung von abbaubarem, „sauerstoffzehrendem"<br />

Pflanzenmaterial. Sowohl aus der<br />

Primär- als aus der Sekundärverunreinigung fallen<br />

erhebliche Sinkstoffmengen an, d. h. organische,<br />

noch nicht voll abgebaute Partikel, die als<br />

„Schlammablagerungen" die Ökologie des Gewässerbodens<br />

wesentlich beeinflussen. Ferner fallen<br />

beim Abbau der leicht abbaubaren Stoffe Produkte<br />

an, deren weitere Zerlegung extrem langsam abläuft<br />

(Huminstoffe) ; diese stellen eine Komponente<br />

innerhalb der Belastungsgruppe 2 (schwer abbaubare<br />

Stoffe) dar.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!