Unser Weg und Ziel! - DIR
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d a s sie schenken <strong>und</strong> empfinden wird, reicher,<br />
tiefer <strong>und</strong> dauernder als irgend etwas,<br />
d a s bis nun Glück genannt ward. Viele Züge,<br />
die der heutigen Gattin <strong>und</strong> Mutter eigen sind,<br />
werden wahrscheinlich der Frau des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
fehlen. Diese wird stets Geliebte<br />
bleiben, <strong>und</strong> nur so wird sie Mutter werden.<br />
Der schweren <strong>und</strong> schönen Kunst, Geliebte<br />
<strong>und</strong> Mutter zugleich zu sein, wird sie ihre<br />
vornehmsten <strong>und</strong> stärksten Kräfte widmen: ihr<br />
religiöser Kult wird sein, des Lebens Seligkeit<br />
zu schaffen. Weil sie die physischen <strong>und</strong><br />
die psychischen Voraussetzungen der Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>und</strong> der Schönheit kennt <strong>und</strong> würdigt,<br />
wird sie mit klarerem Blick <strong>und</strong> tieferem<br />
Verantwoitlichkeitsgefühl als jetzt den Vater<br />
ihrer Kinder wählen; sie wird ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />
schöne Menschen gebären <strong>und</strong> erziehen, <strong>und</strong><br />
sie selber wird grösseren Reiz <strong>und</strong> längere<br />
Jugend besitzen als die Frauen der Gegenwart.<br />
Sie wird ihr ganzes Leben gefallen,<br />
weil sie immer das Dasein verschönern wird.<br />
Aber sie wird nur dadurch gefallen, dass sie<br />
in jedem Alter ganz sie selbst ist; <strong>und</strong> ihre<br />
uuvergängliche Jugend, ihre höchste Schönheit<br />
offenbait sie einzig <strong>und</strong> allein an dem, den<br />
sie liebt. Sie weiss, dass der seelische Zauber<br />
der tiefste ist; <strong>und</strong> aus ihres Wesens Fülle<br />
schöpft sie die ewige Erneuerung dieses Zaubers,<br />
stets unerwartete <strong>und</strong> ins Unendliche<br />
nuancierte Äusserungen ihrer individuellen<br />
Grazie. Durch ihre blosse Gegenwart hebt<br />
sie den Zwang der Form <strong>und</strong> der Gewohnheit<br />
auf <strong>und</strong> schafft wechselnde durch ihre<br />
eigene Vornehmheit geadelte Formen des Zusammenlebens<br />
in der Familie, in der Öffentlichkeit<br />
<strong>und</strong> in der Gesellschaft. Sie wird<br />
wahrscheinlich weniger sprechen als die Frau<br />
der Gegenwart, aber ihr Schweigen <strong>und</strong> ihr<br />
Lächeln werden beredter sein. Sie teilt sich<br />
immer unmittelbar <strong>und</strong> immer massvoll mit,<br />
differenziert <strong>und</strong> unveränderlich, spontan <strong>und</strong><br />
auserlesen. Ihr Wesen strömt frei <strong>und</strong> sprudelnd<br />
frisch hervor, wie der Schwall des<br />
Giessbaches, aber gleich diesem von einem<br />
festen, inneren Rhytmus geb<strong>und</strong>en. Wie weit<br />
sie sich auch gehen lässt — im Taumel der<br />
Freude, in der Leidenschaft der Zärtlichkeit,<br />
im Rausch des Glückes oder in der Raserei<br />
des Schmerzes —, sie verliert doch niemals<br />
sich selbst. Sie ist eine Vielheit von Frauen<br />
<strong>und</strong> doch immer eine, mag sie spielen <strong>und</strong><br />
lächeln; mag sie in Ges<strong>und</strong>heit strahlen oder<br />
aus tödlichen W<strong>und</strong>en verbluten; mag Ruhe<br />
<strong>und</strong> Nervenspannung, Jubel oder Tränen, Sonne<br />
oder Nacht, Kühlung oder Glut sie erfüllen<br />
<strong>und</strong> von ihr ausstrahlen.<br />
Die Reiter.<br />
Von L o u i s B e r t r a n d .<br />
(Aus dem Französischen von Clara Hepner).<br />
Drei dunkle Reiter, jeder eine junge Dirne<br />
vor sich im Sattel, klopften an die Klosterpforte.<br />
„Holla! Holla!"<br />
Einer hebt sich im Bügel.<br />
„Holla! Gebt ein Obdach im Sturm!<br />
W a s fürchtet Ihr? Blickt durchs Guckloch.<br />
Sind diese Kleinen, die uns am Halse hängen,<br />
nicht lieblich anzuschauen, die Kleinfüsschen<br />
an unseren Satteln nicht wert, geküsst zu<br />
w e r d e n ? "<br />
Der Pförtner scheint zu schlafen.<br />
„Holla! Holla!"<br />
Der Eine rufts, zitternd vor Frost.<br />
„Gebt uns ein Lager, im Namen der<br />
Mutter Gottes. Wir sind verirrte Pilger. <strong>Unser</strong>e<br />
Reliquien sind durchnässt; vom Rand unserer<br />
Hüte, aus den Fellen unserer Mäntel rieselt<br />
das Wasser. <strong>Unser</strong>e Rosse haben die Eisen<br />
verloren <strong>und</strong> straucheln vor Müdigkeit!"<br />
Eine Helligkeit schimmerte durch die<br />
Ritzen der Pforte:<br />
„Zurück, Geister der Hölle!"<br />
Der Prior ist's <strong>und</strong> seine Mönche in<br />
Prozession, mit Kerzen in den Händen.<br />
„Zurück, Töchter der Lüge! Und seid<br />
ihr Fleisch <strong>und</strong> Bein, so verhüte Gott, dass<br />
wir Heidinnen aufnehmen oder Abtrünnige in<br />
den Frieden unseres Klosters!"<br />
„Hiss!" rufen die kühnen Reiter, „hiss,<br />
hiss!" <strong>und</strong> wirbeln hinweg in den Sturm,<br />
über den Fluss, in den Wald.<br />
* *<br />
*<br />
„Konnten wir nicht die jungen Sünderinnen<br />
zu Reue <strong>und</strong> Gnade führen?" murmelt<br />
ein junger Mönch, blond <strong>und</strong> r<strong>und</strong> wie ein<br />
Cherubin.<br />
„Bruder", flüstert der Abt ihm ins Ohr<br />
„Ihr vergesst Madame Aliénor <strong>und</strong> ihre Nichte,<br />
die uns oben zur Beichte erwarten!"