Unser Weg und Ziel! - DIR
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Parlamentarismus, Syndikalismus<br />
<strong>und</strong> Generalstreik.<br />
Schon dadurch fügt der Parlamentarismus<br />
dem Proletariate einen grossen Schaden bei:<br />
An Stelle von Selbsttätigkeit gibt er den<br />
Massen nur die Möglichkeit, alle zwei, drei<br />
oder mehr Jahre zur Wahlurne zu gehen,<br />
um durch verschiedenartige Papierchen <strong>und</strong><br />
Wahlzeichen einen Parlamentären Mischmasch<br />
zu kochen, der mit dem Namen „sociale<br />
Reformen" bezeichnet wird! In allem übrigen<br />
muss die Masse sich auf ihre Abgeordnete<br />
v e r l a s s e n . Auf solche Art <strong>und</strong> Weise erscheinen<br />
diese eifrigen Gegner der Theorie<br />
von der „Rolle des Individuums in der Geschichte",<br />
in der Praxis als die eifrigsten<br />
Gegner der „Rolle der Massen in der G e -<br />
schichte".<br />
W a s i s t s o m i t d e r P a r l a m e n -<br />
t a r i s m u s ?<br />
Der Parlamentarismus ist die Einschläferung<br />
der Arbeiter, die Unterdrückung jeder<br />
revolutionären Bewegung des Proletariats, das<br />
Vorausbestimmen der Massen zur socialen<br />
Untätigkeit.<br />
Parlamentarismus bedeutet, die Sache<br />
des Proletariats in die Hände der politischen<br />
Gaukler zu legen, die heuchlerisch sich Revolutionäre<br />
nennen, aber jeder revolutionären<br />
Bewegung feindselig sind.<br />
Der Parlamentarismus ist der hinterlistige<br />
schlaue Mechanismus der Bourgeoisie, das<br />
Proletariat in politische Tändeleien hineinzuziehen,<br />
damit sie gegenüber seinen Versuchen,<br />
sich zu befreien, leicht siegen kann.<br />
Der Parlamentarismus bedeutet, das<br />
Klassenbewusstsein des Proletariats zu verdunkeln,<br />
die Klassengegensätze gegenüber<br />
der Bourgeoisie zu verwischen; was erreicht<br />
wird durch die von Fall zu Fall in den Abstimmungen<br />
herbeigeführte Vereinigung mit<br />
den liberalen usw. Bourgeoisieparteien, ohne<br />
die der Parlamentarismus nicht bestehen kann.<br />
W a s i s t d e r S y n d i k a l i s m u s ?<br />
Der Syndikalismus ist die Anfeuerung<br />
der Arbeiter zur Selbstätigkeit. Letzterer wird<br />
dargestellt durch die revolutionären Organisationen<br />
des Proletariats; durch deren Anerkennung<br />
der anarchistischen Ideen des Antimilitarismus<br />
<strong>und</strong> Antipatriotismus.<br />
Der Syndikalismus ist die Wiederbelebung<br />
des Prinzips der alten Internationale:<br />
„Die Befreiung der Arbeiterklasse muss das<br />
Werk der Arbeiter selbst sein".<br />
Der Syndikalismus ist ein echt proletarisches<br />
Kampfesmittel, das aus dem Innern<br />
der Arbeiterklasse entstanden <strong>und</strong> sich entwickelt<br />
hat zum proletarischen Klassenkampfmittel;<br />
als solches kann es nicht für bourgeoise<br />
<strong>Ziel</strong>e des Parlamentarismus dienen,<br />
weil das Mittel dem <strong>Ziel</strong>e <strong>und</strong> umgekehrt<br />
widerspricht.<br />
Der Syndikalismus, der den revolutionären<br />
Generalstreik als Mittel zur Befreiung<br />
des Proletariats anerkennt, drückt damit die<br />
Klassengegensätze des Proletariats gegenüber<br />
allen übrigen herrschenden Klassen deutlich<br />
aus <strong>und</strong> entwickelt folglich das Klassenbewusstsein<br />
des Proletariats im eminentesten<br />
Masse.<br />
Wie ist unsere, der kommunistischen<br />
Anarchisten, Stellung zu dem revolutionären<br />
Gewerkschaftskampf?<br />
Überall, wo es nur möglich, wenn auch<br />
schon zentralistische Gewerkschaften vorhanden<br />
sind, müssen wir von revolutionären<br />
Ideen getragene Syndikate gründen. Ausserdem<br />
müssen wir jede Gelegenheit ausnützen,<br />
unsere Agitatoren <strong>und</strong> Propagandisten in<br />
Versammlungen der sozialdemokratisch beeinflussten<br />
Gewerkschaften auftreten zu lassen,<br />
um den Schaden des zentralistischen Prinzips<br />
in der Arbeiterorganisation <strong>und</strong> den Schaden<br />
des Parlamentarismus aufzudecken.<br />
Wo es schon neutrale d. h. unparteiische<br />
Gewerkschaften gibt <strong>und</strong> wo es noch unmöglich<br />
ist, eigene zu gründen, dort müssen<br />
wir in die schon existierenden Gewerkschaften<br />
eintreten; es wird uns so leichter sein, unsere<br />
Ideen zu propagieren <strong>und</strong> Einfluss zu gewinnen.<br />
In jedem alltaglichen Kampfe zwischen<br />
Kapital <strong>und</strong> Arbeit müssen die Anarchisten<br />
in den ersten Reihen stehen <strong>und</strong> damit beweisen,<br />
wie man kämpfen muss. Aber indem<br />
wir an dem täglichen Klassenkampfe Anteil<br />
nehmen, dürfen wir nicht den Arbeitern die<br />
kleinen Forderungen vor Augen steilen, sondern,<br />
den Enthusiasmus des Kampfes ausnützend,<br />
ihnen verstehen zu geben, dass nicht<br />
diese kleinen Verbesserungen sie befreien<br />
können, dass nur durch die Abschaffung des<br />
Kapitalismus <strong>und</strong> des Staates die Menschheit<br />
sich befreien kann.<br />
Sollten aber die in den Kampf eintretenden<br />
Proletarier zu diesem noch nicht reif<br />
genug sein, so müssen wir als Anarchisten<br />
uns hauptsächlich der geistig revolutionierenden<br />
Erziehung der Arbeiter widmen.<br />
Kurz, im alltäglichen Kampfe des Proletariats<br />
für die Verbesserung seiner ökonomischen<br />
Lage müssen die Anarchisten den<br />
revolutionären Geist erwecken.<br />
Obzwar die Socialdemokratie uns dafür,<br />
unter dem wohlwollenden Schweigen ihres<br />
ganzen Parteitages, „Feinde des Proletariats"<br />
nennen wird, wollen wir dennoch lieber solche<br />
„Feinde" sein, als solche kühne Socialisten"<br />
wie die Bebel, die Adler; solche ordentliche<br />
Bürger, wie der deutsche Socialdemokrat<br />
David, der als Verteidiger das Proletariats,<br />
einem Fürsten zur Geburt eines Sohnes Glück<br />
wünschte, eines Sohnes der vielleicht ein<br />
ausgesprochener Feind der Arbeiter sein wird.<br />
Keine theoretische oder praktische Frage<br />
wurde in letzter Zeit soviel behandelt <strong>und</strong><br />
rief so viele Meinungsverschiedenheiten hervor,<br />
als diejenigen des Generalstreiks. Alle socialistischen<br />
Parteien behandelten ihn in ihren<br />
Zeitungen, eine ganze Reihe socialistischer<br />
Kongresse aller Länder widmeten ihm Zeit.<br />
Warum erregt der Generalstreik ein solches<br />
Interesse? Weil er nicht nur eine praktische<br />
Bedeutung hat, sondern auch ein theoretisches<br />
Problem ist. Dies beweist der Umstand,<br />
dass nicht nur verschiedene Parteien<br />
ganz gemäss ihren Weltanschauungen, den<br />
Generalstreik verschiendenartig betrachten;<br />
nein, sogar innerhalb der socialistischen Parteien<br />
selbst existieren auch verschiedene Richtungen<br />
gegenüber dieser idee, abhängig von<br />
ihren besonderen Anschauungen über die<br />
Entwicklung der Arbeiterbewegung <strong>und</strong> des<br />
Klassenkampfes.<br />
Die Auffassung des Generalstreiks ist so<br />
mannigfaltig, dass man viele Begriffe mit<br />
ihm verbindet. Ich werde hier nicht die einzelnen<br />
Formen des Generalstreiks erläutern,<br />
wie ihn verschiedene Theoretiker der verschiedenen<br />
Parteien verstehen. Mich interessiert<br />
hier nur e i n e Form des Generalstreiks<br />
nämlich der revolutionäre, auf wirtschaftliche<br />
<strong>Ziel</strong>e gerichtete Generalstreik, <strong>und</strong> inwieferne<br />
es das auserwählte Thema betrifft, werde ich<br />
auch andere Formen des Generalstreiks betrachten.<br />
Rolland-Holst*) bietet vier Arten von<br />
Generalstreik: I. den „Solidaritätsstreik", der<br />
*) „Der Generalstreik <strong>und</strong> die Socialdemokratie"<br />
in Italien, Frankreich <strong>und</strong> Spanien sehr populär<br />
ist; 2. den revolutionären socialen Generalstreik,<br />
der von den Anarchisten <strong>und</strong><br />
revolutionären Socialisten propagiert wird ;<br />
3. den ökonomischen Streik mit politischer<br />
Bedeutung <strong>und</strong> 4. den politischen Massenstreik,<br />
der von den linksstehenden Socialdemokraten<br />
propagiert wird.<br />
In ihrer Analyse macht sie dadurch einen<br />
unverzeihlichen theoretischen Fehler, dass sie<br />
den „Solidaritätsstreik" von dem wirtschaftlichen<br />
Generalstreik trennnt. Dieser Generalstreik<br />
ist nur die weitere Entwicklung des<br />
Solidaritätsstreiks <strong>und</strong> dieser ist ein durchaus<br />
notwendiges Attribut des sich auf sociale<br />
<strong>Ziel</strong>e stützenden Generalstreiks. Dieselben<br />
antiparlamentarischen Gewerkschaften <strong>und</strong><br />
revolutionäre Syndikate, die sich unter dem<br />
Einfluss der Anarchisten befinden <strong>und</strong> Anhänger<br />
des social-wirtschaftlichen Generalstreiks<br />
sind, gebrauchen in allen möglichen<br />
Fällen den kleineren Solidaritätsstreik <strong>und</strong><br />
zwar aus folgenden Gründen : Sie sehen in<br />
ihm eine erzieherische <strong>und</strong> agitatorische Bedeutung<br />
für den revolutionären Generalstreik<br />
<strong>und</strong> die Möglichkeit, ihn zum Bahnbrecher<br />
der socialen Revolution zu entwickeln.<br />
Die Arbeiter greifen gewöhnlich zum<br />
Streik, als zu derjenigen Waffe gegen die<br />
Unternehmer, um die Verbesserung ihrer Lage<br />
herbeizuführen oder um die Verschlechterung<br />
derselben zu verhindern. Instinktiv fühlten sie<br />
es stets, dass einzig <strong>und</strong> allein von ihnen<br />
die Produktion abhängt. Sie wissen, dass sie<br />
nur zu w o l l e n brauchen <strong>und</strong> nur mit der<br />
V e r w e i g e r u n g der Erfüllung ihrer<br />
Pflichten, die das moderne Gesellschaftssystem<br />
ihnen auferlegt, können sie das ökonomische<br />
<strong>und</strong> sociale Getriebe der Gesellsch;ii";<br />
desorganisieren <strong>und</strong> vieles erreichen.<br />
Die fatalistische Anschauung, dass der<br />
Kapitaiismus sich s e l b e r zu seiner Verneinung<br />
entwickelt, dass er in einem gewissen<br />
historischen Moment der kapitalistischen Entwicklung<br />
s e l b e r den Socialismus gebären<br />
muss; diese fatalistische Theorie, die der<br />
Freiheit, dem Wollen <strong>und</strong> d e r initiative der<br />
Persönlichkeit <strong>und</strong> Klassen nur einen unbedeutenden,<br />
wiederum von ökonomischen Verhältnissen<br />
abhängenden Raum gewährt, diese<br />
fatalistische Theorie verliert allmählich ihren<br />
Reiz <strong>und</strong> kommt immer mehr in Gegensatz<br />
zu den lebendigen Interessen des Proletariats.<br />
Die Lehre von der „Eroberung der politischen<br />
Macht" auf g e s e t z l i c h e m B o -<br />
d e n verliert immer mehr Anhängerschaft<br />
unter den bewussten Arbeitern; nicht etwa<br />
darum, weil, wie A. Roller sagte*), „es zu<br />
lang dauert" sondern darum, weil diese Lehre<br />
zu u t o p i s t i s c h ist. Keine Regierung, kein<br />
Staat werden sich je zurückhalten, um ihre<br />
„Gleichheit" mit Füssen zu treten, wenn sie<br />
es für sich für vorteilhaft erachten. Niemals<br />
wird sich eine Regierung zurückhalten, das<br />
Parlament zu „verjagen", wenn die Abgeordneten<br />
ihr nicht passen, wie es vor etwas über<br />
Jahresfrist die Junkerbande in Deutschland<br />
tat. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e schwindet unsere<br />
Zeit immer mehr, in der der Proletarier ohne<br />
Nachdenken, jedem Politiker nachläuft. W ä h -<br />
rend verschiedene „socialistische" Politikanten<br />
im Parlamente sich scheinbar damit beschäftigen,<br />
Reförmchen zu drechseln, fängt das Proletariat<br />
zu verstehen an, dass es eine stärkere<br />
<strong>und</strong> revolutionäre Waffe hat, dass es durch<br />
diese sich von der ganzen kapitalistischen<br />
Gesellschaft befreien <strong>und</strong> die Produktionsmittel<br />
wie auch die Produktion selbst ge-<br />
*) „Der Generalstreik <strong>und</strong> die sociale Revolution"<br />
von A. Roller.