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Nr. 03/09-02-2004<br />
Seite 23 GESUNDES LEBEN<br />
Mutmärchen &<br />
Bachblüten<br />
Wenn die ersten Sonnenstrahlen<br />
unser Gesicht erwärmen,<br />
sehnen wir mit all unseren<br />
Sinnen den Frühling herbei – oft<br />
viel zu schnell.<br />
Das Nimm-Dir-Zeit<br />
Märchen<br />
In einem Garten waren einmal<br />
eine Tulpenzwiebel und<br />
eine Märzenbecherzwiebel gut<br />
im Schutz des Erddaches eingegraben.<br />
Als die ersten Sonnenstrahlen<br />
des Frühlings die Seelen<br />
der beiden Naturwesen erwärmten,<br />
konnte es der Märzenbecher<br />
kaum erwarten, seinen<br />
Kopf aus der Erde zu<br />
strecken. Die Tulpe aber war<br />
geduldsam und folgte ihrer inneren<br />
Stimme. „Worauf soll ich<br />
warten?“ dachte sich der Märzenbecher<br />
und durchbrach die<br />
Erddecke. Nun kam es aber,<br />
dass eines Nachts der Winterzurückkehrte.<br />
Da erfror der<br />
junge Märzenbecher. Die Tulpe<br />
aber genoss den Schutz des<br />
warmen Erddaches und entfaltete<br />
ein paar Tage später ihr<br />
herrliches Blütenkleid. Seither<br />
nehmen sich die Frühlingsblüher<br />
die Zeit, die sie brauchen,<br />
um sich in aller Ruhe und<br />
gefahrlos zu entfalten.<br />
Bachblüten-Tipps:<br />
von REINHARD MUT<br />
für Dich: IMPATIENS (drüsentragendes<br />
Springkraut) Das<br />
drüsentragende Springkraut<br />
hilft den Ungeduldigen, denen<br />
alles nicht rasch genug geht<br />
und die daher öfters gereizt auf<br />
ihre Umwelt reagieren, ihre goldene<br />
Mitte zu finden: „Ich habe<br />
viel Zeit, unendlich viel Zeit“<br />
für Hunde und Katzen: OAK<br />
(Eiche). Als alter Katzenpapa<br />
weiß ich, dass Katzen selbst in<br />
schwierigsten und hoffnungslosesten<br />
Zeiten Dank ihres „Bockkopfs“<br />
nicht aufgeben – zum<br />
Unterschied von Hunden, die<br />
sich viel zu sehr auf den Menschen<br />
verlassen. Die Eiche hilft<br />
besonders der Katzenseele, solche<br />
Lebenskrisen verstärkt zu<br />
meistern.<br />
Bei Fragen schreiben Sie<br />
bitte unter KW „Mutmärchen &<br />
Bachblüten“ an: Reinhard Mut,<br />
Postfach 13, 1096 Wien.<br />
E-Mail: i.steiger@ihr-einkauf.at<br />
1. Teil<br />
von Dr. Ruediger Dahlke<br />
Zum Thema<br />
Angst<br />
Die Angst gehört zum Menschsein. Jedes Kind kennt sie<br />
von Anfang an – auch ohne Erklärung. Doch auch sie hat<br />
ihre zwei Seiten – wie alles. Wo aber wäre die andere,<br />
positive Seite der Angst? Ganz ohne Angst zu leben mag<br />
der Traum ängstlicher Menschen sein, doch er wäre lebensgefährlich.<br />
Ohne natürliche Angst vor<br />
physisch stärkeren Tieren<br />
hätte die frühe Menschheit<br />
sicher nicht überlebt, ohne Angst<br />
vor Autos könnte der späte<br />
Mensch das Leben in einer Großstadt<br />
kaum überstehen. Angst ist<br />
also durchaus lebenswichtig.<br />
Diese Art von Angst ist allerdings<br />
– etwa im Gegensatz zur sogenannten<br />
neurotischen Angst –<br />
kein wirkliches Problem in der<br />
medizinischen Praxis.<br />
Angst hat sogar eine faszinierende<br />
Seite, wenn man an all die<br />
Horror- und Aktionfilme denkt,<br />
die ganz offen mit der nackten<br />
Angst kokettieren. Hinter solch<br />
(ver-) lockender Angst steckt das<br />
uralte Bedürfnis vor allem junger<br />
Menschen, die zu allen Zeiten<br />
auszogen, das Fürchten zu lernen.<br />
In modernen Gesellschaften, die<br />
immer weniger Pubertätsersatzrituale<br />
anbieten, übernehmen<br />
Filmindustrie und Fernsehen hier<br />
eine Art Ersatzfunktion, die allerdings<br />
zu keinem guten Ziel und<br />
jedenfalls nicht zum Erwachsenwerden<br />
führt. Solche Ängste sind<br />
im Buch „Lebenskrisen als Entwicklungschancen“<br />
beschrieben.<br />
Die Bearbeitung des<br />
Geburtstraumas<br />
Die neurotische Angst zeichnet<br />
sich dadurch aus, dass sie der Situation<br />
nicht adäquat ist. Sie<br />
stammt meist aus früheren Situationen,<br />
die heute gar keine Rolle<br />
mehr spielen müssten. Insofern<br />
ist sie in der falschen Zeit gelandet.<br />
Aus den Erfahrungen mit der<br />
Reinkarnationstherapie ergab<br />
sich, dass das Erlebnis der Enge<br />
bei der eigenen Geburt die<br />
Grundlage vieler später auftauchender<br />
Ängste ist. Umgekehrt<br />
hat sich auch die Bewusstmachung<br />
und Bearbeitung solch<br />
eines Geburtstraumas als sehr<br />
hilfreich bei der psychotherapeutischen<br />
Behandlung von Angstsyndromen<br />
ergeben. Natürlich<br />
könnte es auch schon vorher –<br />
etwa bei gescheiterten Abtreibungsversuchen<br />
– eng für das<br />
Kind geworden sein, die Geburt<br />
bringt aber auf alle Fälle und<br />
praktisch für jeden eine gewisse<br />
Angst ins Spiel des Lebens. Jedes<br />
Kind muss das Schlaraffenland<br />
der frühen und mittleren Schwan-<br />
gerschaftsmonate hinter sich lassen,<br />
in denen es in grenzenloser<br />
Weite Urvertrauen gewinnen und<br />
das Leben vor allem genießen<br />
konnte. Was es zum Wachsen<br />
nötig hatte, floss ihm via Nabelschnur<br />
in der Regel<br />
reichlich und<br />
immer gerade zur<br />
rechten Zeit zu. Das<br />
Nahen der Geburt<br />
wandelt dann<br />
zwangsläufig die<br />
Weite in zunehmendbeklemmende<br />
Enge. Die Senkwehen<br />
beenden<br />
die Freiheit und<br />
nehmen das Kind<br />
in die Mangel. Der<br />
Kopf verliert<br />
schließlich alle Bewegungsfreiheit<br />
und landet im engen Gefängnis<br />
des kleinen Beckens der Mutter,<br />
was wie das Gefühl, in einem<br />
Schraubstock zu stecken, beschrieben<br />
wird. In der Reinkarnationstherapie<br />
erleben die Patienten<br />
diese Phase als meist entsetzliche<br />
Einengung, die fürchterliche<br />
Angst aufkommen lässt. Während<br />
die Wehen der Mutter jetzt keinerlei<br />
Fortschritt im Sinne von<br />
Raumgewinn für das Kind bringen,<br />
sondern lediglich der Eröffnung<br />
des Gebärmuttermundes<br />
dienen, erlebt sich das Kind in<br />
einer völlig aussichtslosen Situation.<br />
Es kann noch keinerlei Licht<br />
am Ende des Tunnels erkennen.<br />
In solch einer Lage entsteht<br />
natürlicherweise Angst, schon aus<br />
dem extremen Engegefühl heraus,<br />
das sich vor allem am Köpfchen<br />
manifestiert, das, selbst von<br />
allen Seiten unter Druck gesetzt,<br />
wie ein Rammbock gegen das<br />
Hindernis des Gebärmuttermundes<br />
vorangepresst wird. Aus solcher<br />
Enge ergibt sich die Urangst<br />
des Menschen. Noch in der Sprache<br />
zeigt es sich, wo im Lateinischen<br />
angustus einerseits eng bedeutet<br />
und andererseits den Ursprung<br />
des deutschen Wortes<br />
Angst liefert.<br />
An dieser ersten Angst, die sich<br />
aus der Urenge ergibt, trägt offenbar<br />
niemand Schuld. Daraus lässt<br />
sich schließen, dass diese Angst<br />
zum Leben gehört und damit sozusagen<br />
natürlich ist. Sie bezieht<br />
sich offenbar auf die Vorstellung,<br />
vollends erdrückt zu werden. Alle<br />
Die Überwindung von Enge<br />
und Angst sind uns von<br />
Anfang an Aufgabe.<br />
Gelingt das schon bei der<br />
Geburt nicht ausreichend,<br />
wird das Engethema<br />
weiterhin eine beherrschende<br />
Rolle spielen, und<br />
mit ihm die Angst.<br />
späteren Situationen des Lebens,<br />
die es auf der einen oder anderen<br />
Ebene eng werden lassen, können<br />
diese ursprüngliche Angst<br />
nicht nur wiederbeleben, sondern<br />
speisen sich energetisch auch aus<br />
ihr. Bei der Angst,<br />
erdrückt zu wer-<br />
den, handelt es<br />
sich letztlich natürlich<br />
um Todesangst.<br />
Diese Angst<br />
auszuhalten und<br />
überwinden zu lernen,<br />
ist eine Aufgabe<br />
jeden Lebens.<br />
Somit ist das ganze<br />
Leben ein mehr<br />
oder weniger bewusster<br />
Kampf<br />
gegen den Tod. Eigentlich<br />
müssen wir uns ständig<br />
gegen dieses heute mit<br />
Schrecken verbundene und deshalb<br />
engagiert verdrängte Ziel des<br />
Lebens wehren. Wer sich nicht<br />
bewegt, müsste sterben, ebenso<br />
wer nicht atmet, nicht trinkt und<br />
nicht isst, sich nicht entspannt,<br />
nicht aufpasst usw. Also entspannen<br />
wir uns, passen auf, essen,<br />
trinken, atmen und bewegen uns<br />
– letztlich ein stetiger Abwehrkampf<br />
gegen das Sterben. Krankheitsbilder,<br />
die uns wie Angst und<br />
Enge ständig daran erinnern, dass<br />
wir sterblich sind, würden wir am<br />
liebsten aus unserem Leben verbannen.<br />
Dieser beständige Kampf<br />
gegen den drohenden Tod und<br />
die Angst davor ist nicht leicht zu<br />
ertragen, zumal jeder Übergang<br />
im Leben wieder daran erinnern<br />
kann. Alle Lebenskrisen werden<br />
so zu potentiellen Angstquellen,<br />
können sie doch das Leben eng<br />
und bedrohlich machen. Mit der<br />
Geburt muss das Schlaraffenland<br />
des Fruchtwasserreiches sterben,<br />
mit der Pubertät das unbeschwerte<br />
Kind usw. Folglich<br />
braucht es viel Mut und die Kraft,<br />
immer wieder die Angst vor<br />
neuen und noch unbekannten<br />
Herausforderungen zu überwinden.<br />
Wie die Pubertät kann es<br />
jeder Wechsel im übertragenen<br />
Sinn wieder eng werden lassen<br />
und noch einmal eine schwere<br />
Geburt darstellen.<br />
Teil 2 „Angst, Depression und<br />
Tod“ erscheint in einer unserer<br />
nächsten Ausgaben.