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Riemannsche Geometrie FS 07 - Lehrstuhl für Mathematik III

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<strong>Riemannsche</strong> <strong>Geometrie</strong><br />

<strong>FS</strong> <strong>07</strong><br />

Martin Kilian/Martin U. Schmidt


Inhaltsverzeichnis<br />

1 <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeiten 5<br />

1.1 <strong>Riemannsche</strong> Metrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

1.2 Rahmenbündel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />

1.3 Die kovariante Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

1.4 Lie Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

1.5 Der Zusammenhang in lokalen Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />

2 Die Krümmung 23<br />

2.1 Der Krümmungstensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

2.2 Schnittkrümmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

2.3 Ricci-Krümmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

2.4 Die skalare Krümmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

3 Hyperflächen 35<br />

3.1 Hyperflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />

4 Mannigfaltigkeiten als metrische Räume 43<br />

4.1 Zweite Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />

4.2 Geodäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />

4.3 Die Metrik einer <strong>Riemannsche</strong>n Mannigfaltigkeit . . . . . . . . . . . . . 48<br />

4.4 Die Exponentialabbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />

4.5 Geodätische und Kürzeste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

4.6 Der Satz von Hopf Rinow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />

4.7 Krümmung und Jacobifelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />

4.8 Die zweite Variation und der Satz von Jacobi . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

4.9 Der Schnittort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

3


4 INHALTSVERZEICHNIS


Kapitel 1<br />

<strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeiten<br />

1.1 <strong>Riemannsche</strong> Metrik<br />

Definition 1.1. Eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit ist eine differenzierbare Mannigfaltigkeit<br />

M zusammen mit einem positiv definiten Skalarprodukt g auf allen Fasern<br />

des Tangentialbündels T M. Dieses Skalarprodukt soll zudem glatt sein.<br />

Beispiel 1.2. (i) Der euklidische Raum R n zusammen mit dem euklidischen Skalarprodukt<br />

〈x, y〉 = x1y1 + . . . + xnyn <strong>für</strong> alle xy ∈ R n<br />

macht R n zu einer <strong>Riemannsche</strong>n Mannigfaltigkeiten. Hierbei identifizieren wir<br />

<strong>für</strong> alle x ∈ R n den Tangentialraum TxR n im Punkt x auf die natürliche Weise<br />

mit R n . Dadurch induziert das euklidische Skalarprodukt <strong>für</strong> alle x ∈ R n auf TxR n<br />

ein einduetiges posotiv definites Skalarprodukt, so dass TxR n R n eine Isometrie<br />

ist.<br />

(ii) Die n-dimensionale Späre S n = {x ∈ R n+1 | |x| = 1} ist eine Untermannigfaltigkeit<br />

des euklidischen Raumes. Insbesondere ist <strong>für</strong> alle x ∈ S n der Tangentialraum<br />

TxS n im Punkt x ein Untervektorraum von TxR n+1 . Indem wir das euklidische<br />

Skalarprodukt des R n+1 auf diesen Unterraum einschränken, erhalten wir ein positiv<br />

definites Skalarprodukt auf TxS n . Dadurch wird S n zu einer <strong>Riemannsche</strong>n<br />

Mannigfaltigkeit.<br />

(iii) Sei N eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit und f : M → N eine Immersion, d.h.<br />

f ist eine glatte Abbildung von der differenzierbaren Mannigfaltigkeit M auf die<br />

differenzierbare mannigfaltigkeit N und <strong>für</strong> alle x ∈ M sei die Tangentialabbildung<br />

Txf : TxM → Tf(x)N<br />

5


6 KAPITEL 1. RIEMANNSCHE MANNIGFALTIGKEITEN<br />

injektiv. Dann induziert die <strong>Riemannsche</strong> Metrik von N durch f eine <strong>Riemannsche</strong><br />

Metrik auf M, indem wir das Skalarprodukt von Tf(x)N auf den Bildern der<br />

Tangentialvektoren in TxM unter Txf auswerten.<br />

Übungsaufgabe 1.3. Die stereographische Projektion ist ein Diffeomorphismus von<br />

S n \ {(0, . . . , 0, 1)} mit R n . Zeige, dass die <strong>Riemannsche</strong> Metrik auf S n dadurch eine<br />

<strong>Riemannsche</strong> Metrik auf R n induziert, die gegeben ist durch eine glatten Funktion f :<br />

R n → R + mal der euklidischen Metrik von R n . Berechne diese Funktion f.<br />

Definition 1.4. Eine <strong>Riemannsche</strong> Immersion ist eine glatte Abbildung f : M → N<br />

zwischen den differenzierbaren Mannigfaltigkeiten M und N, so dass f eine Immersion<br />

ist und die <strong>Riemannsche</strong> Metrik von M mit der durch f von der <strong>Riemannsche</strong>n Metrik<br />

von N auf M induzierten Metrik übereinstimmt. Eine <strong>Riemannsche</strong> Untermannigfaltigkeit<br />

M ↩→ N ist eine Untermannigfaltigkeit M von N, zusammen mit der durch die<br />

Immersion M ↩→ N von der <strong>Riemannsche</strong>n Metrik von N induzierten Metrik auf M.<br />

Eine allgemeine Bilinearform auf dem R n läßt sich durch eine n × n Matrix A<br />

beschreiben<br />

〈x, y〉 = x t Ay<br />

wobei x und y Spaltenvektoren in R n sind und x t · A · y das Matrixprodukt von dem<br />

Zeilenvektor x t mit der n × n Matrix A und dem Spaltenvektor y. Diese Bilinearform<br />

ist genau dann symmetrisch, wenn A = A t erfüllt. Die Matrix A heisst positiv (bzw.<br />

nicht negativ), wenn das entsprechende Skalarproduktz positiv definit ist (bzw. positiv<br />

semidefinit). Wenn U ⊂ R n eine offene Untermannigfaltigkeit des R n ist, dann läßt sich<br />

<strong>für</strong> alle x ∈ U der Tangentialraum TxU auf natürliche Art mit dem R n identifizieren.<br />

Deshalb ist die Vorgabe eines positiv definiten Skalarproduktes auf allen Fasern von<br />

T U äquivalent zu der Vorgabe einer Funktion A von U in die positiven symmetrischen<br />

Matrizen. Die Menge der symmetrischen n × n Matrizen ist als Vektorraum offenbar<br />

isomorph zum R n(n−1)<br />

2 . Das Komplement der positiven symmetrischen Matrizen in den<br />

symmetrischen Matrizen besteht offenbar aus allen Matrizen A mit<br />

x t Ax ≤ 0 <strong>für</strong> ein x ∈ S n−1 ⊂ R n .<br />

Weil die Abbildung (A, x) → x t Ax auf dem kartesischen Produkt der symmetrischen<br />

Matrizen mit S n−1 stetig ist, und S n−1 kompakt ist, gibt es <strong>für</strong> jede konvergente Folge<br />

(An)n∈N von nicht positiv definiten Matrizen einen Häufungspunkt x der entsprechenden<br />

Folge (xn)n∈N von Elementen in S n−1 mit x(limn→∞ An)x t = limn→∞ xnAnx t n ≤ 0.<br />

Also sind dann die nicht positiv definiten Matrizen eine abgeschlossene Teilmenge der<br />

symmetrischen Matrizen. Dann bilden die positiven symmetrischen Matrizen eine offene<br />

Untermannigfaltigkeit der symmetrischen Matrizen R n(n−1)<br />

2 . Also ist die Vorgabe


1.1. RIEMANNSCHE METRIK 7<br />

einer <strong>Riemannsche</strong>n Metrik auf U äquivalent zu der Vorgabe einer glatten Funktion A<br />

von U in die positiven symmetrischen Matrizen. Entsprechend wird auf einer differenzierbaren<br />

Mannigfaltigkeit eine <strong>Riemannsche</strong> Metrik angegeben, indem <strong>für</strong> jede Karte<br />

ϕ : U → ϕ[U] ⊂ R n , eine Funktion gϕ von U in die positiven symmetrischen Matrizen<br />

angegeben wird, so dass <strong>für</strong> je zwei Karten ϕ und ψ mit Definitionsbereichen U und V<br />

auf der Schnittmenge der Definitionsbereiche gilt:<br />

gψ(x) = (ϕ ◦ ψ −1 ) ′ (ψ(x) t gϕ(x)(ϕ ◦ ψ −1 ) ′ (ψ(x)) <strong>für</strong> alle x ∈ U ∩ V.<br />

Hierbei bezeichnet (ϕ◦ψ −1 ) ′ (ψ(x)) die Tangentialbildung von ϕ◦ψ −1 im Punkt ψ(x) als<br />

Abbildung von R n Tψ(x)R n nach R n Tϕ(x)R n . In den Koordinaten ϕ = (ϕ 1 , . . . , ϕ n )<br />

können wir diese Metrik auch schreiben als<br />

gϕ = <br />

i,j<br />

gijdϕ i dϕ j .<br />

Hierbei bezeichnet dϕi den Schnitt des Kotangentialbündels T M |U, der durch die 1-<br />

Form dϕi gegeben ist. Dann ist dϕi ⊗ dϕj ein Schnitt von T 2M |U. Weil <strong>Riemannsche</strong><br />

Metriken Schnitte des symmetrischen Tensorproduktes des Kotangentialbündels mit<br />

sich selber sind, bezeichnen wir den entsprechenden symmetrischen Schnitt 1<br />

2 (dϕi ⊗<br />

dϕj + dϕj ⊗ dϕi ) einfach mit dϕidϕj dadurch wird <br />

dϕidϕj genau dann zu einer Rie-<br />

mannschen Metrik auf U, wenn gϕ eine glatte Funktion in die positiven symmetrischen<br />

n × n Matrizen ist.<br />

Bemerkung 1.5. Wir werden einerseits versuchen die mathematischen Objekte und<br />

ihre Beziehungen koordinatenfrei zu beschreiben, so dass sie nicht von der Wahl einer<br />

Karte abhängen. Andererseits lassen sich bei vielen Rechnungen nicht die Wahl eines<br />

Koordinatensystem vermeiden. Um dann diese Objekte in den entsprechenden Koordinaten<br />

auszudrücken, haben sich einige Konventionen als nützlich erwiesen: Obere Indizes<br />

nummerieren Basiselemente von kontravarianten Tensoren (wie 1-Formen) und<br />

untere Indizes nummerieren Basiselemente von kovarianten Tensoren (wie Vektorfel-<br />

der). Eine Basis der 1-Formen in den Koordinaten ϕ bezeichnen wir mit dϕ 1 , . . . , dϕ n<br />

und die duale Basis der Vektorfelder mit ∂<br />

∂ϕn<br />

i,j<br />

, . . . , ∂<br />

∂ϕn oder nur ∂1, . . . , ∂n. Die Sum-<br />

menzeichen über Indizes, die sowohl oben als auch unten vorkommen lassen wir weg<br />

(Einsteinsche Summenkonvention).<br />

Satz 1.6. Jede differenzierbare Mannigfaltigkeit besitzt eine <strong>Riemannsche</strong> Metrik.<br />

Beweis: Wähle einen Atlas und eine dazugehörige glatte Zerlegung der Eins. Jede<br />

Karte ϕ : U → ϕ[U] ist offenbar ein Diffeomorphismus von U auf ϕ[U] ⊂ R n . Die<br />

euklidische Metrik auf dem R n induziert also durch ϕ auf U eine <strong>Riemannsche</strong> Metrik.


8 KAPITEL 1. RIEMANNSCHE MANNIGFALTIGKEITEN<br />

Die Summe dieser Metriken multipliziert mit den Funktionen der Zerlegung der Eins<br />

ergibt eine <strong>Riemannsche</strong> Metrik auf der ganzen Mannigfaltigkeit. q.e.d.<br />

Anstatt von den Skalarprodukten positiv Definitheit zu fordern, kann man auch<br />

nur nicht Entartetheit fordern. Das führt zu den Begriffen der pseudo (oder semi) <strong>Riemannsche</strong><br />

Metrik und Mannigfaltigkeit. Sehr viele Konstruktionen aus dieser Vorlesung<br />

lassen sich auf solche Situationen verallgemeinern.<br />

1.2 Rahmenbündel<br />

Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit der Dimension n. Ein Rahmen an p ∈ M ist eine<br />

geordnete Basis von TpM. Ein begleitendes n − Bein auf einer offenen Menge U ⊂ M<br />

ist ein n-Tupel (Xi, . . . , Xn) von Vektorfeldern auf U, so dass x, (p), . . . , Xn(p) an jedem<br />

p ∈ U ein Rahmen ist. Sei B die menge aller begleitender n-Beine auf M. Definiere die<br />

Projektion<br />

π : B → M, b ↦→ p<br />

wenn b ein Rahmen an p ist. (Fußpunktprojektion)<br />

Sei {(Uα, Xα = }α∈A die Menge aller Paare wobei Uα ⊂ M offene Teilmenge und Xα = (Xα , . . . , X)<br />

ein begleitendes N-Bein auf Uα ist.<br />

Für jedes α ∈ A haben wir eine Abbildung<br />

π −1 (Uα) → Uα × GL(n, R)<br />

b → (π(b), fα(b))<br />

mit fα(b) = (aij wobei b = ( n<br />

ai, Xα i , . . . , n<br />

i=1<br />

rechts wirkt: utb = (b, . . . , bn) und g = (gij), dann<br />

bg = (<br />

ainX<br />

i=1<br />

α i ). Merke, dass GL(u, R) auf B von<br />

n<br />

gi, bi, . . . ,<br />

i=1<br />

wieder Rahmen. Damit lässt sich zeigen:<br />

n<br />

i=1<br />

ginbi)<br />

(bg)li = b(gn), fα(bg) = fα(b)g, b ∈ B, g, h ∈ GL(n, R.<br />

Sei nun Uα ∩ Uβ = φ und betrachte die Abbildung<br />

π −1 (Uα) ∩ π −1 (Uβ) → GL(n, R<br />

b ↦→ fα(b)f −1<br />

β (b)


1.2. RAHMENBÜNDEL 9<br />

und wegen fα(bg)f −1<br />

β<br />

−1<br />

(bg) = fα(b)fβ (b) erhalten wir die Abbildung<br />

fαβ : Uα ∩ Uβ<br />

π(b) ↦→ fα(b)f −1<br />

β (b).<br />

→ GL(u, R)<br />

Mit Hilfe von Koordinaten kann man zeigen, dass die fαβ glatt sind. Sie heissen<br />

Übergangfsfunktionen weil<br />

fα(b) = fαβ(π(b))fβ(b), b ∈ π −1 (Uα) ∩ π −1 (Uβ)<br />

gilt. Desweiteren gelten die Kozykelbedingungen:<br />

fβα(p) = f −1<br />

α,β (p) , p ∈ Uα ∩ Uβ<br />

fαβ(p)fβγ(p)fγα(p) = 1, p ∈ Uα ∩ Uβ ∩ Uγ.<br />

Wir vershen nun B mit der Struktur einer glatten Mannigfaltigkeit:<br />

Proposition 1.7. Es gibt eine eindeutige glatte Struktur auf B, so dass die Abbildungen<br />

π −1 (Uα) → Uα × GL(n, R) Diffeomorphismen sind. Desweiteren gilt<br />

(i) T L ist eine Submersion.<br />

(ii) Die Operation B × GL(n, R) → B ist glatt und frei.<br />

(iii) X ist ein begleitendes n-Bein auf U ⊂ M genau dann, wenn X : U → B glatt mit<br />

π ◦ X = 1n.<br />

Beweis: Sei (Uα, φα) karte auf M. Dann ist<br />

ψ : π −1 (Uα) → R n × R n2<br />

b ↦→ (φα ◦ π(b), (aij)<br />

glatte Karten auf B, wenn bi = aijDj gilt. q.e.d.<br />

Definition 1.8. Mit dieser glatten Struktur heisst B das Rahmenbündel von M, und<br />

wegen (iii) sind begleitende n-Beine Schnitte dieses Bündels. [Das Rahmenbündel ist<br />

ein Beispiel eines Prinzipalbündels].<br />

Ist X = (X, , . . . , Xn) : U → B ein Schnitt und σ = (σ ′ ; . . . , σ n ) der Korahmen, d.h.<br />

die l-Formen so dass σi(Xj) = δij gilt, dann lässt sich eine Metrik schreiben als<br />

g = gijσ ⊕ i σ j<br />

, gij = g(xi, xj).


10 KAPITEL 1. RIEMANNSCHE MANNIGFALTIGKEITEN<br />

Beispiel 1.9. Betrachte folgende Vektorfelder auf dem R 4 :<br />

X1 = X2∂1 − x1, ∂2 + x4∂3 − x3∂4<br />

X2 = x3∂1 − x4, ∂2 − x1∂3 + x2∂4<br />

X3 = x4∂1 + x3, ∂2 − x2∂3 − x1∂4<br />

Eingeschränkt auf S 3 , bilden (X1, X2, X3) an jedem Punkt p ∈ S 3 einen Rahmen:<br />

Korahmen:<br />

Also gilt<br />

⎛<br />

x2 x3 x4 x1<br />

⎜−x1<br />

x4 x3 x2⎟<br />

det ⎜<br />

⎟<br />

⎝ x4 −x1 −x2 x3⎠<br />

= (x21 + x 2 2 + x 2 3 + x 2 4) 2 = 1<br />

x3 x2 −x1 x4<br />

σ 1<br />

σ 2<br />

σ 1<br />

⎞<br />

= x2dx 1 − x1dx 2 + x4dx 3 − x3dx 4<br />

= x3dx 1 − x4dx 2 − x1dx 3 + x2dx 4<br />

= x4dx 1 + x3dx 2 − x2dx 3 − x1dx 4<br />

(dx 1 ) 2 + (dx 2 ) 2 + (dx 3 ) 2 + (dx 4 ) 2 =<br />

3<br />

〈xi, xj〉σ i σ j<br />

Rotationsflächen: Sei ϕ : I → R 2 , t ↦→ (r(t), z(t)), r〉0 Rotation um die z-Achse<br />

gibt eine Rotationsfläche f : (t, θ) ↦→ (r(t) cos θ, r(t) sin θ, z(t)). Die induzierte Metrik<br />

(1.Fundamentalform) ist:<br />

und wegen<br />

ist<br />

und somit<br />

ist ϕ nach Bogenlänge parametrisiert, d.h.<br />

so vereinfacht sich dies zu<br />

i,j=1<br />

g = 〈ft, ft〉dt 2 + 2〈ft, fθ〉dtdθ + 〈fθ, fθ〉dθ 2<br />

ft<br />

fθ<br />

= (i cos θ, ˙r sin θ, ˙z)<br />

= (−r sin θ, r cos θ, 0)<br />

〈ft, ft〉 = ˙r 2 + ˙z 2 , 〈ft, fθ〉 = 0〈fθ, fθ〉 = r 2<br />

g = ( ˙r 2 + ˙z 2 )dt 2 + r 2 dθ 2<br />

〈 ˙ϕ, ˙ϕ〉 = ˙r 2 + ˙z 2 ) = 1,<br />

g = dt 2 + r 2 φθ 2 .


1.3. DIE KOVARIANTE ABLEITUNG 11<br />

1.3 Die kovariante Ableitung<br />

In diesem Abschnitt lernen wir ein Vektorfeld X längs eines anderen Vektorfeldes Y<br />

abzuleiten. Eine solche sogenannte kovariante Ableitung soll aber so definiert werden,<br />

dass ihre Berechnung nicht von der Wahl des Koordinatensystem abhängt. Im euklidischen<br />

Raum R n haben wir ein globales Koordinatensystem, so dass wir die kovariante<br />

Ableitung ∇Y X eines Vektorfeldes X = a i ∂i einfach durch<br />

∇Y X = (∇Y a i )∂i = 〈da i , Y 〉∂i<br />

definieren können. Insbesondere verschwinden also die kovarianten Ableitungen von<br />

allen konstanten Vektorfeldern. Weil aber bei einem Koordinatenwechsel konstante<br />

Vektorfelder im Allgemeinen nicht auf konstante Vektorfelder abgebildet werden, ist<br />

diese Beschreibung nicht invariant unter Koordinatenwechsel. Um eine solche invariante<br />

Beschreibung zu finden führen wir zwei Tensoren ein, die wir aus der Metrix und einem<br />

Vektorfeld X bilden können.<br />

Definition 1.10. Sei (M, g) eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit und X ein Vektorfeld<br />

von M. Dann sei LXg die Lie-Ableitung von g längs dem Vektorfeld X und ϑX die<br />

Einsform iXg, die also <strong>für</strong> alle Vektorfelder Y erfüllt<br />

〈ϑX, Y 〉 = g(X, Y ).<br />

Ein Vektorfeld X heißt Killingvektorfeld, wenn LXg identisch verschwindet.<br />

Sei wieder X = a i ∂i und g die euklidische Metrix g = δijdx i dx j . Dann gilt<br />

LX(δijdx i dx j ) = LXδij + δijLX(dx i )dx j + δijdx i LX(dx j )<br />

= δijd(LX(x i ))dx j + δijdx i d(LX(x j ))<br />

= δijda i dx j + δijdx i da j<br />

= δij(∂ka i )dx k dx j + δijdx i (∂ka j )dx k<br />

= (∂ka i )dx k dx i + (∂ka i )dx i dx k<br />

= (∂ka i + ∂ia k )dx k dx i<br />

Also ist im euklidischen das Vektorfeld genau dann ein Killingfeld, wenn gilt ∂ka i +<br />

∂ia k = 0. Daraus folgt aber ∂j∂ka i = −∂j∂ia k = −∂i∂ja k = ∂i∂ka j = ∂k∂ia j = ∂k∂ja i .<br />

Also muss gelten ∂i∂ka i = 0. Daraus folgt<br />

a i = α i jx j + β i mit α i j = ∂ja i = −∂ia = −α j<br />

i .<br />

Sei A die Matrix mit den Einträgen (α i j), dann sind die entsprechenden Flüsse gegeben<br />

durch<br />

F t (x) = exp(At)x + tβ.<br />

Weil A antisymmetrisch ist, ist exp(At) eine orthogonale Matrix.


12 KAPITEL 1. RIEMANNSCHE MANNIGFALTIGKEITEN<br />

Proposition 1.11. Die kovariante Ableitung des R n ist eindeutig bestimmt durch<br />

2g(∇Y X, Z) = LXg(Y, Z) + dϑX(Y, Z).<br />

Beweis: Offenbar hängen beide Seiten jeweils nur von den Werten der Vektorfelder<br />

an dem jeweiligen Punkt von R n ab. Deshalb genügt es die Aussage <strong>für</strong> Vektorfelder<br />

X = a i ∂i zu zeigen:<br />

LXg(∂k, ∂l) + dϑX(∂k, ∂l) =<br />

= LX(δkl) − g(LX∂k, ∂l) − g(∂k, LX∂l) + ∂kg(X, ∂l) − ∂lg(X, ∂k) − g(X, [∂k, ∂l])<br />

= −g([X, ∂k], ∂l) − g(∂k, [X, ∂l]) + ∂ka l − ∂la k + ∂ka l + ∂la k<br />

= 2∂ka l = 2g((∂ka i )∂i, ∂l) = 2g(∇∂kX, ∂l).<br />

Satz 1.12. (Fundamentalsatz der <strong>Riemannsche</strong>n <strong>Geometrie</strong>) Auf jeder <strong>Riemannsche</strong>n<br />

Mannigfaltigkeit gibt es genau einen kovariante Ableitung ∇Y X eines Vektorfeldes X<br />

längs eines anderen Vektorfeldes Y , die folgende Bedingungen erfüllt:<br />

(i) Die kovariante Ableitung ∇Y X hängt nur linear von den entsprechenden Werten<br />

des Vektorfeldes Y ab.<br />

(ii) Die Abbildung X → ∇Y X ist eine Derivation, d.h. es gilt<br />

∇Y (X1 + X2) = ∇Y X1 + ∇Y X2<br />

∇Y fX = 〈df, Y 〉X + f∇Y X.<br />

(iii) Der offene Zusammenhang ist torsionsfrei, d.h. es gilt<br />

∇XY − ∇Y X − [X, Y ] = 0.<br />

(iv) Der affine Zusammenhang ist ein metrischer Zusammenhang, d.g. es gilt<br />

〈d(g(X, Y )), Z〉 = g(∇ZX, Y ) + g(X, ∇ZY ).<br />

Beweis: Zunächst zeigen wir, dass ein solcher Zusammenhang existiert. Dazu definieren<br />

wir ihn durch<br />

2g(∇Y X, Z) = LXg(Y, Z) + dϑX(Y, Z).<br />

Aufgrund der Definition hat dieser Zusammenhang die Eigenschaft (i). Für die Derivationseigenschaft<br />

berechnen wir zunächst<br />

LfXg = fLXg + df ⊗ ϑX + ϑX ⊗ df.


1.3. DIE KOVARIANTE ABLEITUNG 13<br />

Das folgt aus<br />

LfXY = [fX, Y ] = f[X, Y ] − X〈df, Y 〉.<br />

Dann folgt nämlich wegen der Derivationseigenschaft der Lieableitung<br />

(LfXg)(Y, Z) =<br />

= 〈dg(Y Z), fX〉 − g(LfXY, Z) − g(Y, LfXZ)<br />

= f〈dg(Y, Z), X〉 − g([fX, Y ], Z) − g(Y, [fX, Z])<br />

= f〈dg(Y, Z), X〉 − fg([X, Y ], Z) − fg(Y, [X, Z]) + 〈df, Y 〉g(X, Z) + 〈df, Z〉g(Y, X)<br />

= (fLXg)(Y, Z) + (df ⊗ ϑX)(Y, Z) + (ϑX ⊗ df)(Y, Z).<br />

Daraus folgt dann<br />

LfXg + dϑfX<br />

Deshalb gilt<br />

= fLXg + df ⊗ ϑX + ϑX ⊗ df + d(fϑX)<br />

= fLXg + df ⊗ ϑX + ϑX ⊗ df + dfϑX + fdϑX<br />

= f(LXg + dϑX) + df ⊗ ϑX + ϑX ⊗ df + df ⊗ ϑXϑX ⊗ df<br />

= f(LXg + dϑX) + 2df ⊗ ϑX.<br />

2g(∇Y fX, Z) = f2g(∇Y X, Z) + (2df ⊗ ϑX)(Y, Z)<br />

= 2g(f∇Y X + 〈df, Y 〉X, Z)<br />

= 2g(f∇Y X + 〈df, Y 〉X, Z).<br />

Also folgt auch die Derivationseigenschaft. Um die letzten beiden Eigenschaften herzuleiten<br />

zeigen wir zunächst die sogenannte Koszul Formel:<br />

2g(∇Y X, Z) = (LXg)(Y, Z) + dϑX(Y, Z)<br />

= 〈dg(Y, Z), X〉 − g([X, Y ], Z) − g(Y, [X, Z])<br />

+ 〈d〈ϑX, Z〉 − 〈d〈ϑX, Y 〉, Z〉 − 〈ϑX, [Y, Z]〉<br />

= 〈dg(Y, Z), X〉 − g([X, Y ]) − g(Y, [X, Z])<br />

+ 〈dg(X, Z), Y 〉 − 〈dg(X, Y ), Z〉 − g(X, [Y, Z])<br />

= 〈dg(Y, Z), X〉 + 〈dg(Z, X), Y 〉 − 〈dg(X, Y ), Z〉<br />

− g([X, Y ], Z) − g([Y, Z], X) + g([Z, X], Y ).


14 KAPITEL 1. RIEMANNSCHE MANNIGFALTIGKEITEN<br />

Daraus folgt (iii)<br />

2g(∇XY − ∇Y X, Z) = 〈dg(XZ), Y 〉 + 〈dg(Z, Y ), X〉 − 〈dg(Y, X), Z〉<br />

Und (iv) folgt aus<br />

−〈dg(Y, Z), X〉 − 〈dg(Z, X), Y 〉 + 〈dg(X, Y, Z〉<br />

−g([Y, X], Z) − g([X, Z], Y ) + g([Z, Y ], X)<br />

+g([x, Y ], Z) + g([Y, Z], X) − g([Z, X], Y )<br />

= 2g([X, Y ], Z).<br />

2g(∇ZX, Y ) + 2g(X, ∇ZY ) = 〈dg(Z, Y ), X〉 + 〈dg(Y, X), Z〉 − 〈dg(X, Z), Y 〉<br />

+〈dg(Z, X), Y 〉 + 〈dg(X, Y ), Z〉 − 〈dg(Y, Z), X〉<br />

−g([X, Z], Y ) − g([Z, Y ], X) + g([Y, X], Z)<br />

−g([Y, Z], X) − g([Z, X], Y ) + g([X.Y ], Z)<br />

= 2〈dg(X, Y ), Z〉.<br />

Umgekehrt folgt <strong>für</strong> jeden affinen Zusammenhang ˜ ∇, der die Bedingungen (i)-(iv)<br />

erfüllt aus der Koszulformel<br />

2g(∇Y X, Z) = 〈dg(Y, Z), X〉 + 〈dg(Z, X), Y 〉 − 〈dg(X, Y ), Z〉<br />

−g([X, Y ], Z) − g([Y, Z], X) + g([Z, X], Y )<br />

= g( ˜ ∇XY, Z) + g(Y, ˜ ∇XZ) + g( ˜ ∇Y Z, X) + g(Z, ˜ ∇Y X)<br />

−g( ˜ ∇ZX, Y ) − g(X, ˜ ∇ZY ) + g( ˜ ∇ZX, Y ) + g( ˜ ∇XZ, Y )<br />

−g ˜ ∇XY, Z) + g( ˜ ∇Y X) + g( ˜ ∇ZY, X) = 2g( ˜ ∇Y X, Z).<br />

Also gilt auch <strong>für</strong> jeden solchen affinen Zusammenhang die Koszulformel. q.e.d.<br />

Definition 1.13. Ein Zusammenhang der (i)-(ii) erfüllt heißt affiner Zusammenhang.<br />

Erfüllt er zusätzlich (iii) und (iv) dann heißt er <strong>Riemannsche</strong>r Zusammenhang<br />

oder Levi–Civita–Zusammenhang. Die Torsion eines affinen Zusammenhang ist gegeben<br />

durch<br />

T (X, Y ) = ∇XY − ∇Y X − [X, Y ].<br />

Weil die Lieableitung eines Tensors nach einem Vektorfeld X nur von den Werten<br />

des Tensors auf einer Integralkurve von dem Vektorfeld X abhängt, und die Auswertung<br />

der äußeren Ableitung der Einsform ϑX auf den Vektorfeldern Y und Z durch die<br />

Lieableitung der Einsform Offenbar hängt <strong>für</strong> jeden affinen Zusammenhang die Werte<br />

des Vektorfeldes ∇Y X nur von den Werten des Vektorfeldes X auf einer Integralkurve<br />

von Y ab.


1.3. DIE KOVARIANTE ABLEITUNG 15<br />

Lemma 1.14. Sei (M, g) eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit. Sei X ein glattes Vektorfeld<br />

auf M. Dann gibt es <strong>für</strong> glatten Schnitt S des Bündels T q p M, also des p-fachen<br />

Tensorproduktes des Tangentialbündels von M mit dem p-fachen Tensorprodukt des<br />

Kotangentialbündels von M genau einen glatten Schnit ∇XS des Bündels T q p M, so<br />

dass folgendes gilt:<br />

(i) ∇X(S ⊗ S) = (∇XS) ⊗ S ′ + S ⊗ (∇XS ′ ) <strong>für</strong> Schnitte S ∈ Γ(T p q M) und<br />

S ′ ∈ Γ(T p q M) (Leibnizregel).<br />

(ii) ∇X vertauscht mit allen Verjüngungen i j<br />

1<br />

i = 1, . . . , p, j = 1, . . . , q : i j<br />

i : T q p M → T q−1<br />

p−1 M.<br />

Beweis: Sei S eine Differentialform. Dann folgt aus (i) und (ii)<br />

oder auch<br />

∇X〈S, Y 〉 = 〈∇XS, Y 〉 + 〈S, ∇XY 〉<br />

〈∇XS, Y 〉 = ∇X〈S, Y 〉 − 〈S, ∇XY 〉.<br />

Wegen der Derivationseigenschaft folgt daraus:<br />

Also gilt auch<br />

〈∇XfS, Y 〉 = ∇X(f · 〈S, Y 〉 − f〈S, ∇XY 〉<br />

= f(∇X〈S, Y 〉 − 〈S, ∇XY 〉 + ∇Xf · 〈S, Y 〉<br />

∇Xf · S = 〈df, X〉 · S + f(∇XS)<br />

Jedes Tensorfeld ist aber eine endliche Linearkombination von Tensorprodukten von<br />

Vektorfeldern und 1-Formen. Also folgt die Aussage aus der Derivationseigenschaft von<br />

den kovarianten Ableitungen von Vektorfeldern und 1-Formen. q.e.d.<br />

Definition 1.15. Wegen der Eigenschaft (i) gibt es <strong>für</strong> jeden affinen Zusammenhang<br />

und jeden glatten Schnitt S von T q p M einen glatten Schnitt ∇S von T q+1<br />

p M Schnitt, so<br />

dass <strong>für</strong> jedes glatte Vektorfeld X die Verjüngung von X mit der zusätzlichen kontravarianten<br />

Komponente von ∇S in X ⊗ ∇S genau ∇XS ergibt.<br />

Lemma 1.16. Sei (M, g) eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit mit metrischem Zusammenhang<br />

∇. Dann gilt<br />

(i) ∇g = 0<br />

(ii) Für jede glatte Funktion f ist die kovariante Ableitung von f gleich df, also die<br />

1-Form, so dass <strong>für</strong> alle glatten Vektorfelder X gilt 〈df, X〉 = ∇Xf.


16 KAPITEL 1. RIEMANNSCHE MANNIGFALTIGKEITEN<br />

Beweis:(i) folgt sofort aus dem vorangehenden Lemma und der Eigenschaft (iii).<br />

(ii) folgt aus der Derivationseigenschaft. q.e.d.<br />

Offenbar hängt die Wirkung einer kovarianten Ableitung auf Funktionen nicht von<br />

der Metrik oder allgemeiner von der Wahl des affinen Zusammenhangs ab. Weil wir die<br />

Ableitung einer Funktion als 1-Form schon mit df bezeichnen, werden wir im Folgenden<br />

mit ∇f im Allgemeinen das entsprechende Vektorfeld bezeichnen:<br />

〈df, X〉 = g(∇f, X) <strong>für</strong> alle Vektorfelder X.<br />

Allgemeiner kann man jedes Tensorfeld S ∈ Γ(T q p M) durch Tensorieren mit g und<br />

anschließenden Verjüngungen in ein Tensorfeld i q+1<br />

k (g ⊗ S) ∈ Γ(T q+1<br />

p−1 M) umwandeln.<br />

Wegen der Nichtentartetheit der Metrik ist diese Abbildung Γ(T q p M) → Γ(T q+1<br />

p−1 M)<br />

invertierbar. Die inverse Abbildung können wir auch folgendermaßen beschreiben:<br />

Die identische Abbildung 1T M ∈ T 1 1 M. Wegen der Nichtentartetheit von g gibt es genau<br />

einen symmetrischen Tensor g −1 ∈ Γ(T 0 2 M), so dass die Verjüngung von g ⊗ g −1<br />

gleich 1T M ist. Dann ist ∇f die Verjüngung von g −1 ⊗ df. Aus den beiden vorangehenden<br />

Lemmata folgt sofort, dass auch die kovariante Ableitung von 1T M und g −1<br />

verschwindet (Übungsaufgabe).<br />

Auf <strong>Riemannsche</strong>n Mannigfaltigkeiten können wir also alle Schnitte von T q p M durch<br />

mehrfaches Tensorieren mit g −1 und Verjüngen in Schnitte von Tp+qM umwandeln, wobei<br />

die kovariante Ableitung entsprechend transformiert wird. Analog können wir durch<br />

mehrfaches Tensorieren mit g und Verjüngen die Schnitte von T q p M auch in Schnitte<br />

von T p+q M umwandeln, wobei die kovariante Ableitung entsprechend transformiert<br />

wird.<br />

1.4 Lie Gruppen<br />

Definition 1.17. Eine Lie Gruppe G ist eine Mannigfaltigkeit mit einer glatten Multiplikationsabbildung<br />

µ : G × G → G, (g, h) ↦→ gh<br />

und einer glatten Inversenabbildung<br />

die G zu einer Gruppe machen.<br />

i : G → G, g ↦→ g −1<br />

Ist G eine Lie Gruppe, dann bezeichnen wir Links- und Rechtsmultiplikation mit<br />

einem Element g ∈ G mit Lg bzw. Rg, d.h.<br />

Lg : G → Gh ↦→ gh


1.4. LIE GRUPPEN 17<br />

Rg : G → G, h ↦→ hg<br />

Beide Abbildungen sind Diffeomorphismen mit L −1<br />

g = Lg−1 und R −1<br />

g = Rg−1.<br />

Ein Vektorfeld X : G → T G heißt invariant falls <strong>für</strong> alle g ∈ G gilt:<br />

DnLg(X(h)) = X(gh)<br />

Insbesondere gilt dann auch X(g) = D1LgX(1), also sind linksvariante Vektorfelder<br />

durch ihren Wert an 1 festgelegt. Bezeichne die Menge der linksinvaranten Vektorfelder<br />

mit ΓL(G). Dann ist<br />

ein Vektorraum Isomorphismus.<br />

ΓL(G)<br />

X : g ↦→ D1Lg(v1<br />

∼ = T1G<br />

X ↦→ X(1)<br />

↦→ v1<br />

Da <strong>für</strong> linksinvariante Vektorfelder der Kommutator wieder linksvariant ist (Übung!),<br />

bilden die linksvarianten Vektorfelder einer Liegruppe eine Algebra, die sogenannte<br />

Lie Algebra g .<br />

Das Tangentialbündel einer Lie Gruppe ist trivial:<br />

T G<br />

∼ = G × g<br />

vg ↦→ (g, DgL −1<br />

g (vg))<br />

D1Lg(v) ←↪ (g, v1)<br />

Die (linke)Maurer-Cartan Form ist die g-wertige l-Form g ↦→ θg wobei<br />

θg : T G → g<br />

vg<br />

↦→ DgL −1<br />

g (vg)<br />

Proposition 1.18. Für X ∈ ΓL(G) ist θ(X) konstant.<br />

Beweis:<br />

θg(X(g)) = D − gL −1<br />

g (X(g)) = DgL −1<br />

g (D1LgX(1)) = X(1).<br />

Sind X, Y ∈ ΓL(G) zwei linksinvariante Vektorfelder, dann ist<br />

dθ(X, Y ) = Xθ(Y ) + Y θ(X) − θ([X, Y ]).<br />

q.e.d.


18 KAPITEL 1. RIEMANNSCHE MANNIGFALTIGKEITEN<br />

Weil jedoch θ(X) und θ(Y ) konstant sind, sind Xθ(Y ) und Y θ(X) beide Null. Weil<br />

[X, Y ] wieder linksvariant ist, ist auch θ([X, Y ]) konstant und somit<br />

Also haben wir insgesamt gezeigt<br />

θ([X, Y ]) = [X, Y ](1) = [X(1), Y (1)]<br />

= [θ(X), θ(Y )].<br />

dθ(X, Y ) + [θ(X), θ(Y )] = 0.<br />

Dies ist die Strukturgleichung oder Maurer-Cartan-Gleichung. Wir haben diese Gleichung<br />

<strong>für</strong> 2-Formen, muss also <strong>für</strong> zwei beliebige Tangentialvektoren U, V, ∈ T G gelten,<br />

die Einschränkungen von linksvarianten Vektorfeldern auf G sind. Da sich jedoch<br />

jeder Tangentialvektor zu einem linksinvarianten Vektorfeld fortsetzen lässt, gilt die<br />

Strukturgleichung <strong>für</strong> beliebige Vektorfelder X, Y . Ist M eine Mannigfaltigkeit, und<br />

α, β ∈ Ω ′ (Mg l-Formen auf M mit Werten in einer Lie Algebra g dann definiere eine<br />

g-wertige 2-Form<br />

[α ∧ β](X, Y ) := [α(X), β(Y )] − [α(Y ), β(X)], X, Y ∈ T M<br />

N.B.· [α ∧ β] = [β ∧ α]<br />

·[α ∧ α](X, Y ) = 2[α(X), α(Y )].<br />

Also lässt sich die Strukturgleichung schreiben als<br />

2dθ + [θ ∧ θ] = 0.<br />

Proposition 1.19. Ist f : M → G, α := f ⋆ θ dann gilt<br />

Beweis:<br />

Notation:<br />

2dα + [α ∧ α] = 0<br />

2d/f ⋆ θ) + [f ⋆ θ ∧ f ⋆ θ] = 2f ⋆ dθ + f ⋆ [θ ∧ θ] = f ⋆ (2dθ + [θ ∧ θ]) = 0<br />

f ⋆ θ(X, (p)) = θf(p)Df(X(p)) = Df(p)L −1<br />

f(p) df(X(p))<br />

′ − ′ (f(p)) −1 Df(X(p)).<br />

q.e.d.


1.4. LIE GRUPPEN 19<br />

Also schreibt man<br />

f ⋆ θ = f −1 Df<br />

. Jedes innere Produkt 〈, 〉 auf g induziert eine linksvariante Metrik auf G durch<br />

und wir schreiben kurz<br />

g(X(p), Y (p) := 〈θp(X(p)), θp(Y (p))〉<br />

g = θ ⋆ 〈, 〉.<br />

Beispiel 1.20. Eine der wichtigsten nichtrivialen Lie Gruppen ist<br />

A ∈ su(2) ⇔ A =<br />

su(2) = {A ∈ M2x2(C) det A = 1, Āt = A −1 }<br />

<br />

z w<br />

=<br />

|z|<br />

− ¯w ¯z<br />

2 + |w| 2 <br />

= = S 3<br />

<br />

x + iy u + iv<br />

, x, y, u, v ∈ R mit x<br />

−u + iv x − iy<br />

2 + y 2 , u 2 , v 2 = 1<br />

An der Identität 1 wird der Tangentialraum aufgespannt von Vektoren die senkrecht<br />

zu (1, 0, 0, 0) stehen. Also wird die Lie Algebra<br />

<br />

<br />

iy u + iv<br />

su(2) =<br />

y, u, v ∈ R<br />

−u + iv −iy<br />

erzeugt durch<br />

X1 =<br />

<br />

i 0<br />

x2 =<br />

0 −i<br />

Bezüglich der linksinvarianten Metrik<br />

<br />

0 1<br />

X3 =<br />

−1 0<br />

g(X, Y ) := − 1<br />

Spur XY<br />

2<br />

<br />

0 i<br />

o 0<br />

bilden {X1, X2, X3} eine Orthonormalbasis von su(2). Mittels Linksmultiplikation hat<br />

man somit an jedem Punkt p ∈ S 3 eine ONB von TpS 3 vermöge Xj(p) := DLp(Xj).<br />

Damit ist<br />

T S 3 ∼ = SU(2) × su(2).


20 KAPITEL 1. RIEMANNSCHE MANNIGFALTIGKEITEN<br />

1.5 Der Zusammenhang in lokalen Koordinaten<br />

In lokalen Koordinaten sei die Metrik<br />

g = gijdx i dx j<br />

sind x = a i ∂i und Y = b i ∂j zweier Vektorfelder dann ist<br />

ist ϑXY = g(x, y) so ist<br />

g(x, y) = gija i b j<br />

ϑX = g(x, ·) = gija i dx j<br />

Bezeichnen das Inverse der Matrix (gij)i,j mit g ij , also<br />

(gij) −1 = g ij<br />

ist w = αidx i eine l-Form, dann ist das durch Vektorfeld X definiert durch<br />

d.h.<br />

Daraus folgt<br />

g(X, Y ) = w(Y ) = ϑX(Y )<br />

gija i = αj.<br />

a i = g ij αj<br />

und somit X = g ij αj∂i. Für f ∈ C ∞ (M, R) ist grad f = ∇f das Vektorfeld mit<br />

g(X, ∇f) = Xf <strong>für</strong> alle Vektorfelder X. In lokalen Koordinaten ist<br />

df = ∂ifdx i<br />

∇f = g ij ∂if∂j.<br />

Wir rechnen nun ∇yX in lokalen Koordinaten aus:<br />

∇yX = ∇bi a<br />

∂i<br />

j ∂j − b i ∇∂iaj∂j = b i ∂ia j ∂j + b i a j ∇∂i ∂j.<br />

Entwickeln wir das Vektorfeld ∇∂i ∂j = Γ k ij∂k, so erhalten wir<br />

Nun benutzen wir die Formel<br />

∇yX = b i ∂ia j ∂j + b i a j Γ k ij∂k.<br />

2g(∇yX, Z) = (LXg)(y, z) + dϑX(Y, Z)


1.5. DER ZUSAMMENHANG IN LOKALEN KOORDINATEN 21<br />

um die Funktion Γ k ij näher zu bestimmen: Die linke Seite gibt<br />

2g(∇∂i ∂j, ∂l) = 2g(Γ k ij∂k, ∂l) = 2Γ k ijgkl.<br />

Die rechte Seite liefert mit Koszul’s Formel<br />

Bis jetzt haben wir also<br />

L∂j g (∂i, ∂l) + dϑ∂j (∂i, ∂l)<br />

= ∂jgil + ∂i(ϑ∂j (∂l)) − ∂l(ϑ∂j (∂i))<br />

= ∂jgil + ∂igjl − ∂lgji.<br />

Multiplizieren beider Seiten mit g kl ergibt<br />

Die Funktionen<br />

Γ k ij<br />

2Γ k ijgkl = ∂jgil + ∂igjl − ∂lgji<br />

= 1<br />

2 gkl (∂igil + ∂igjl − ∂lgji)<br />

= 1<br />

2 gkl Γij,l<br />

Γij,k = 1<br />

2 (∂jgik + ∂igjk − ∂kgji)<br />

heißen Christoffel Symbole erster Art, die Funktion Γ k ij heißen Christoffel Symbole zweiter Art.<br />

Die Torsionsfreiheit ∇XY − ∇yX = [X, Y ] in den Koordinatenvektorfeldern liest<br />

und somit<br />

also<br />

Die metrische Eigenschaft<br />

liest sich also<br />

∇∂i ∂j − ∇∂j ∂i = 0<br />

Γ k ij∂k = Γ k ji∂k<br />

Γ k ijΓ k ji.<br />

〈d(g(∂i, ∂j)), ∂k〉 = g(∇∂k ∂i, ∂j) + g(∂i, ∇∂k ∂j)<br />

∂kgij = Γki,j + Γkj,i.


22 KAPITEL 1. RIEMANNSCHE MANNIGFALTIGKEITEN<br />

Die Hess’sche:<br />

Ist X = a i ∂i ein Vektorfeld, so haben wir bereits gesehen, dass <strong>für</strong> die euklidische<br />

Metrik gilt<br />

LXg = (∂ka i + ∂ia k )dx k dx i .<br />

Ist X das Gradientenfeld einer Funktion f : R n → R, also a i = ∂if, dann ist<br />

Erinnere, dass<br />

LXg = (∂k∂if + ∂i∂kf)dx i dx k<br />

= 2(∂i∂kf)dx i dx l<br />

= 2 Hess f<br />

(LXg)(Y, Z) = Xg(Y, Z) − g(LXY, Z) − g(Y LXZ).<br />

In lokalen Koordinaten liest sich die Hess’sche von f:<br />

2 Hess f(∂i, ∂j) = L∇f g(∂i, ∂j)<br />

= ∇fgij − g(L∇f ∂i, ∂j) − g(∂i, L∇f ∂j)<br />

= g kl ∂kf∂lgij − g(L g kl ∂kf∂l ∂i, ∂j) − g(∂i, L g kl ∂kf∂l ∂j)<br />

= g kl ∂kf∂lgij + g(L∂i (gkl ∂kf∂l)∂j + g(∂i, L∂j (gkl ∂k∂l))∂j)<br />

= ∂kfg kl ∂lgij + ∂i(g kl ∂kf)glj + ∂j(g kl (∂kf))gil<br />

= ∂kfg kl ∂lgij + (∂ig kl ∂kf + g kl ∂i∂kf)glj + (∂jg kl ∂kf + g kl ∂j∂kf)gil<br />

= 2∂i∂jf + ∂kf(∂ − ig kl glj + ∂jg kl gil + g kl ∂lgij)<br />

= 2∂i∂jf − 2Γ k ij∂kf<br />

Hess f(∂i, ∂j) = ∂i∂jf − Γ k ij∂kf


Kapitel 2<br />

Die Krümmung<br />

2.1 Der Krümmungstensor<br />

Im Gegensatz zur Richtungsableitung in R n , die der kovarianten Ableitung von der<br />

euklidischen Metrik entspricht, vertauschen die höheren Ableitungen eines affinen Zusammenhanges<br />

nicht. Wir können aber einen Tensor angeben, der den Defekt misst,<br />

also genau dann verschwindet, wenn die höheren Ableitungen vertauschen. Dieser Tensor<br />

heißt Krümmungstensor.<br />

Lemma 2.1. Seien X, Y, Z Vektorfelder auf einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit<br />

mit affinem Zusammenhang ∇. Dann hängen die beiden Tensoren<br />

(i) R(X, Y )Z = ∇ 2 X,Y Z − ∇2 Y,X Z = ∇X∇Y Z − ∇[X,Y ]Z<br />

(ii) T (X, Y ) = ∇XY − ∇Y X − [X, Y ]<br />

nur von den Werten der Vektorfelder X, Y,(und Z) an der jeweiligen Stelle ab.<br />

Beweis:<br />

(i) Wegen der Eigenschaft (i) eines affinen Zusammenhang hängt R(X, Y )Z nur von<br />

den Werten der Vektorfelder X und Y am jeweiligen Punkt ab. Also genügt es<br />

die Aussage <strong>für</strong> das Vektorfeld Z zu zeigen. Offenbar genügt es zu zeigen, dass<br />

<strong>für</strong> alle glatten Funktionen f gilt:<br />

R(X, Y )fZ = fR(X, Y )Z.<br />

23


24 KAPITEL 2. DIE KRÜMMUNG<br />

Dazu berechnen wir mit der Derivationseigenschaft:<br />

∇X∇Y fZ − ∇Y ∇XfZ − ∇[X,Y ]fZ =<br />

= ∇X(〈df, Y 〉Z + f∇Y Z) − ∇Y (〈df, X〉Z + f∇XZ)<br />

− 〈df, [X, Y ]〉Z − f∇[X,Y ]Z =<br />

= 〈d〈df, Y 〉, X〉Z + 〈df, Y 〉∇XZ + 〈df, X〉∇Y Z + f∇X∇Y Z<br />

− 〈d〈df, X〉, Y 〉Z − 〈df, X〉∇Y Z − 〈df, Y 〉∇XZ − f∇Y ∇XZ<br />

− 〈df, [X, Y ]〉Z − f∇[X,Y ]Z =<br />

= f∇X∇Y Z − f∇Y ∇XZ − f∇[X,Y ]Z.<br />

Hier haben wir 〈d〈df, Y 〉X〉−〈d〈df, X〉, Y 〉 = 〈df, [X, Y ]〉 benutzt (eine Definition<br />

von [X, Y ]). Also gilt tatsächlich R(X, Y )fZ = fR(X, Y )Z.<br />

(ii) T (X, Y ) ist offenbar antisymmetrisch in X und Y . Deshalb genügt es T (fX, Y ) =<br />

fT (X, Y ) zu zeigen.<br />

T (fX, Y ) = ∇fXY − ∇Y fX − [fX, Y ]<br />

= f∇XY − 〈df, Y 〉X − f∇Y X + 〈df, Y 〉X − f[X, Y ]<br />

= fT (X, Y ).<br />

Hierhaben wir wieder [fX, Y ] = −〈df, Y 〉X + f[X, Y ] benutzt. q.e.d.<br />

Satz 2.2. Sei (M, g) eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit. Dann ist der <strong>Riemannsche</strong><br />

Krümmungstensor definiert als folgender Schnitt von T 4 M.<br />

Er hat folgende Eigenschaften:<br />

R(X, Y, Z, W ) = g(R(X, Y )Z, W ) :<br />

(i) R ist antisymmetrisch in den ersten beiden und den letzten beiden Einträgen:<br />

R(X, Y, Z, W ) = −R(Y, X, Z, W ) = −R(X, Y, W, Z) = R(Y, X, W, Z).<br />

(ii) R ist symmetrisch unter Vertauschen des ersten Paares mit dem letzten Paar:<br />

R(X, Y, Z, W ) = R(Z, W, X, Y ).<br />

(iii) R verhält sich unter zyklischem Vertauschen der ersten drei Einträge folgendermaßen<br />

(erste Bianchiidentität):<br />

R(X, Y )Z + R(Z, X)Y + R(Y, Z)X = 0.


2.1. DER KRÜMMUNGSTENSOR 25<br />

(iv) Die kovariante Ableitung von R verhält sich unter zyklischem Vertauschen folgendermaßen<br />

(zweite Bianchiidentität):<br />

(∇ZR)(X, Y )W + (∇XR)(Y, Z)W + (∇Y R)(Z, X)W = 0.<br />

Beweis: (i)] Die erste Eigenschaft folgt aus<br />

R(X, Y )Z = ∇X∇Y Z − ∇Y ∇XZ − ∇[X,Y ]Z.<br />

Um die zweite Eigenschaft zu zeigen berechnen wir<br />

g(R(X, Y )Z, Z) = g(∇X∇Y Z, Z) − g(∇Y ∇XZ, Z) − g(∇[X,Y ]Z, Z)<br />

DXg(∇Y Z, Z) − g(∇Y Z, ∇XZ)<br />

−DY g(∇XZ, Z) + g(∇XZ, ∇Y Z) − 1<br />

2 D[X,Y ]g(Z, Z)<br />

= 1<br />

2 DXDY (Z, Z) − 1<br />

2 DY DXg(Z, Z) − 1<br />

2 D[X,Y ]g(Z, Z).<br />

Weil [X, Y ] dadurch definiert ist, dass D[X,Y ] = DXDY −DY DX gilt, folgt g(R(X, Y )Z, Z) =<br />

0. Dann folgt<br />

0 = g(R(X, Y )Z + W, Z + W ) − g(R(X, Y )Z − W, Z − W )<br />

= 2g(R(X, Y )Z, W ) + 2g(R(X, Y )W, Z).<br />

(iii) Im Folgenden bezeichnen wir mit S die Summe über die zyklischen Permutationen<br />

in 3 Vektorfeldern<br />

ST (X, Y, Z) = T (X, Y, Z) + T (Z, X, Y ) + T (Y, Z, X).<br />

Dann gilt wegen der Torsionfreiheit:<br />

SR(X, Y )Z = S∇X∇Y Z − S∇Y ∇XZ − S∇[X,Y ]Z<br />

= S∇Z∇XY − S∇Z∇Y X − ∇[X,Y ]Z<br />

= S∇Z(∇XY − ∇Y X) − S∇[X,Y ]Z<br />

= S∇Z[X, Y ] − S∇[X,Y ]Z<br />

= S[Z[X, Y ]] = 0.<br />

Die letzte Gleichung ist die Jacobiidentität des Kommutators von Vektorfeldern.


26 KAPITEL 2. DIE KRÜMMUNG<br />

(ii) ist eine kombinatorische Folgerung aus (i) und (iii).<br />

R(X, Y, Z, W ) = −R(z, X, Y, W ) − R(Y, Z, X, W )<br />

= R(Z, X, W, Y ) + R(Y, Z, W, X)<br />

= R(W, Z, X, Y ) − R(X, W, Z, Y ) − R(W, Y, Z, X) − R(Z, W, Y, X)<br />

= 2R(Z, W, X, Y ) + R(X, W, Y, Z) + R(W, Y, X, Z)<br />

= 2R(Z, W, X, Y ) − R(X, Y, Z, W )<br />

Daraus folgt sofort R(X, Y, Z, W ) = R(Z, W, X, Y ).<br />

(iv) Aus den Ableitungsregeln <strong>für</strong> Tensoren folgt: (∇ZR)(X, Y )W =<br />

= ∇Z(R(X, Y )W ) − R(∇Z, X, Y )W − R(X, ∇ZY )W − R(X, Y )∇ZW<br />

= [∇Z, R(X, Y )]W − R(∇ZX, Y )W − R(X, ∇ZY )W.<br />

Jetzt benutzen wir wieder die Summe S über die zyklischen Permutationen von X, Y, Z<br />

und erhalten:<br />

S(∇XR)(Y, Z)W = S[∇X, R(Y, Z)]W − SR(∇XY, Z)W − SR(Y, ∇XZ)W<br />

= S[∇X, [∇Y , ∇Z]]W − S[∇X, ∇[Y,Z]]W −<br />

− SR(∇XY, Z)W − SR(Y, ∇XZ)W<br />

= −S[∇X, ∇[Y,Z]]WSR(∇XY, Z)W + SR(∇Y X, Z)W<br />

= −S[∇X, ∇[Y,Z]]W − SR([X, Y ], Z)W<br />

= −S[∇X, ∇[Y,Z]]w − S[∇[X,Y ], ∇Z]W + S∇[[X,Y ],Z]W<br />

= S[∇[X,Y ], ∇Z]W − S[∇[X,Y ], ∇Z]W = 0.<br />

Dabei haben wir mehrmals die Jacobiidentität des Kommutators von Vektorfeldern<br />

benutzt und die Torsionsfreiheit des Zusammenhanges. q.e.d.<br />

Wir bemerken, dass (i) eine Folge davon ist, dass der Zusammenhang metrisch ist<br />

und (iii) eine Folge von der Torsionsfreiheit. Allgemeiner können wir <strong>für</strong> jeden Tensor<br />

S ∈ Γ(T q p M) den entsprechenden Krümmungstensor<br />

R(X, Y )S = ∇ 2 X,Y S − ∇ 2 Y,XS<br />

definierten. Die gleiche Rechnung wie <strong>für</strong> das Vektorfeld Z zeigt dann, dass auch R(·, ·)S<br />

nur von den Werten von X, Y und S an den jeweiligen Stellen abhängt.<br />

Aufbauend auf diesem Krümmungstensor können wir verschiedene andere Krümmungstensoren<br />

definieren. Wir werden durch Verjüngungen aus diesem Krümmungstensor<br />

die Riccikrümmung und die skalare Krümmung herleiten. Aber zunächst wollen wir


2.2. SCHNITTKRÜMMUNG 27<br />

die Eigenschaftn (i)-(iii) aus dem vorangehenden Satz dazu benutzen, den Krümmungsoperator<br />

zu definieren.<br />

Sei 2 M das antisymmetrische Tensorprodukt des Tangentialbündels von M mit<br />

sich selber. Wenn g eine <strong>Riemannsche</strong> Metrik auf M ist, dann definiert<br />

g(X ∧ Y, V ∧ W ) = g(X, V )g(Y, W ) − g(X.W )g(Y, V )<br />

<br />

g(X, V ) g(X, W )<br />

= det<br />

g(Y, V ) g(Y, W )<br />

ein positiv definites Skalrprodukt auf den Fasern von 2 M. Wenn nämlich e1, . . . , en eine<br />

Orthonormalbasis von TpM ist, dann ist (ei∧ej)i


28 KAPITEL 2. DIE KRÜMMUNG<br />

(2) R(v, v2)v3 = k(v, 1v2)v3 <strong>für</strong> alle v1, v2, v3 ∈ TpM.<br />

(3) Rv(w) = k · (w − g(w, v)v ∗ ) = kprv, (w) <strong>für</strong> alle w ∈ TpM, |v| = 1.<br />

(4) R(w) = kw <strong>für</strong> alle w ∈ 1 2 M.<br />

Beweis: (1) ⇒ (2): Sei<br />

T (v1, v2, v3, v4) = g(R(v1, v2)v3, v4) − kg((v1 ∧ v2)v3, v4)<br />

= g(R(v1, v2)v3, v4) − kg(g(v2, v3)v1 − g(v1, v3)v2, v4)<br />

= R(v1, v2, v3, v4) − kg(v2, v3)g(v1, v4) + kg(v1, v3)g(v2, v4)<br />

Dann erfüllt T die gleichen Symmetrieeigenschaften (i), (ii), (iii) wie R(X, Y, Z, W ),<br />

d.h.<br />

(i) T (v1, v2, v3, v4) = −T (v2, v1, v3, v4) etc.<br />

(ii) T (v1, v2, v3, v4) = T (v3, v4, v1, v2)<br />

(iii) 1.Bianchiidentität in v1, v2, v3:<br />

T (v1, v2, v3, v4) +T (v3, v1, v2, v4) + T (v2, v3, v1, v4)<br />

−k(g(v2, v3)g(v1, v4) + g(v1, v2)g(v3, v4) + g(v1, v2)g(v3, v4))<br />

+k(g(v1, v3)g(v2, v4) + g(v2, v1)g(v3, v4) + g(v3, v2)g(v1, v4)<br />

= 0<br />

Ist nun sec = k, so so wollen wir zeigen, dass dann<br />

gilt.<br />

und wegen<br />

folgt<br />

R(v1, v2)v3 = k(v1 ∧ v2)v3 = k(g(v2, v3)v1 − g(v1, v3)v2)<br />

T (w, v, w) = g(R(w, v)v, w) − k(g(v, v)g(w, w) − g(v, w) 2 )<br />

sec(v, w) =<br />

Zerlege v = v1 + v2, dann folgt<br />

g(R(w, v)v, w)<br />

= k<br />

g(v, v)g(w, w) − g(v, w) 2<br />

T (w, v, v, w) = 0 <strong>für</strong> alle v, w ∈ TpM.<br />

0 = T (w, v1 + v2, v1 + v2, w)<br />

= T (w, v1, v2, w) + T (w, v2, v1, w)<br />

= 2T (w, v1, v2, w)<br />

= −2T (w, v1, w, v2)


2.2. SCHNITTKRÜMMUNG 29<br />

Also T (w, v1, v2, w) = −T (w, v1, w, v2). Zerlegt man nun w = w1 + w2, so erhält man<br />

T (w1 + w2, v1, v2, w1 + w2) = T (1, v1v2, w2) + T (w2, v1, v2, w1) = 0<br />

⇒ T (w1, v1, v2, w2) = −T (w2, v1, v2, w)<br />

also ist T alternierend in allen vier Einträgen, und mit der ersten Bianchiidentität.<br />

folgt T = 0, und somit (2).<br />

dann folgt<br />

T (v1, v2, v3, v4) + T (v3, v1, v2, v4) + T (v2, v3, v1, v4) = 0<br />

(2) ⇒ (3)R(v1, v2)v3 = k(g(v2, v3)v1 − g(v1, v3)v2) <strong>für</strong> alle vj ∈ TpM<br />

Rv<br />

= R(w, v)v = k(g(v, v)w − g(w, v)v)<br />

= k(w − g(w, v)v) <strong>für</strong> |v| = 1.<br />

(3) ⇒ (1) : Rv(w) = k(w − g(w, v)v), |v| = 1<br />

g(Rv(w), w) kg(w, w) − kg(v, w)2<br />

⇒ sec(v, w) =<br />

= = k.<br />

g(v, v)g(w, w) − g(v, w) 2 g(w, w) − g(v, w) 2<br />

(2) ⇒ (4): Wähle eine orthonormale Basis {ei} von TpM. Dann ist ei ∧ ej, i ⊂ j eine<br />

Basis von ∧ 2 pM, und mit (2) folgt<br />

und somit R(ei, ej) = kei ∧ ej.<br />

g(R(ei ∧ ej), et ∧ es) = R(ei, ej, et, es)<br />

= g(R(ei, ej)et, es) = kg((ei ∧ ej)et, es)<br />

= kg(ei, es)g(ej, et) − kg(ei, et)g(ej, es)<br />

= kg(ei ∧ ej, et ∧ es)<br />

(4) ⇒ (1): Sind v, w ∈ TpM orthogonale Einheitsvektoren, dann<br />

k = g(R(v ∧ w), v ∧ w) = sec(v, w).<br />

q.e.d.<br />

Eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit (M, g) die eine dieser vier Bedingungen <strong>für</strong><br />

jedes p ∈ M und die gleiche Konstante k <strong>für</strong> alle p ∈ M erfüllt, heißt eine <strong>Riemannsche</strong><br />

Mannigfaltigkeit konstanter Krümmung k.


30 KAPITEL 2. DIE KRÜMMUNG<br />

2.3 Ricci-Krümmung<br />

Ist e1, . . . , en ∈ TpM eine orthonormale Basis, so definiere die Ricci-Krümmung<br />

Ric(v, w) = Spur(x ↦→ R(x, v)w)<br />

n<br />

= g(R(ei, v)w, ei)<br />

=<br />

=<br />

i=1<br />

n<br />

g(R(v, ei)ei, w)<br />

i=1<br />

n<br />

g(R(ei, w)v, ei).<br />

i=1<br />

Also ist Ric eine symmetrische Bilinearform. Genauso kann man Ric auch als (1.1)-<br />

Tensor definieren durch<br />

n<br />

Ric(v) = R(v, ei)ei<br />

i=1<br />

Definition 2.5. Ist (M, g) mit Ric(v) = kv, oder äquivalent Ric(v, w) = kg(v, w),<br />

dann heißt (M, g) Einsteinmannigfaltigkeit mit Einsteinkonstante k.<br />

Ist v ∈ TpM beliebiger Einheitsvektor, und vervollständigen wir ihn zu einer orthonormalen<br />

Basis {v, e2, . . . , en} von TpM, dann gilt<br />

n<br />

Ric(v, v) = g(R(v, v)v, v) + g(R(ei, v)v, ei)<br />

=<br />

n<br />

sec(v, ei)<br />

i=2<br />

Im Falle n = 2 kennt man somit R genau dann, wenn man Ric kennt. Dies gilt auch<br />

wenn n = 3 ist:<br />

Ist {e1, e2, e3} eine orthonormale Basis von TpM, dann ist<br />

i=2<br />

sec(e1, e2) + sec(e1, e3) = Ric(e1, e2)<br />

sec(e1, e2) + sec(e2, e3) = Ric(e2, e2)<br />

sec(e1, e3) + sec(e2, e3) = Ric(e3, e3)<br />

oder in Matrixform:<br />

⎛<br />

1<br />

⎝1<br />

0<br />

1<br />

⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞<br />

1 sec(e1, e2) Ric(e1, e1)<br />

0⎠<br />

⎝sec(e2,<br />

e3) ⎠ = ⎝Ric(e2,<br />

e2) ⎠<br />

0 1 1 sec(e1, e3) Ric(e3, e3)


2.4. DIE SKALARE KRÜMMUNG 31<br />

Weil die Matrix Determinante 2 hat, lassen sich Schnittkrümmungen durch Ric ausrechnen.<br />

Insbesonders gilt das (M 3 , g) Einstein ist genau dann, wenn (M 3 , g) konstante<br />

Schnittkrümmung hat. (Übung!)<br />

2.4 Die skalare Krümmung<br />

Die Spur von der Riccikrümmung oder auch zweimal der Spur von Krümmungsgenerator<br />

heißt skalare Krümmung:<br />

scal = Spur(Ric) = 2 Spur(R.<br />

Sei e1, . . . , en eine Orthonormalbasis von TpM, dann gilt<br />

scal = Spur(Ric)<br />

n<br />

= Ric(ej, ej)<br />

=<br />

=<br />

j=1<br />

n<br />

j=1<br />

n<br />

(R(ei, ej)ej, ei)<br />

i=1<br />

n<br />

g(R(ei ∧ ej)<br />

ijj=1<br />

= 2 <br />

g(R(ei ∧ ej), ei ∧ ej)<br />

i


32 KAPITEL 2. DIE KRÜMMUNG<br />

Beweis: Weil <strong>für</strong> alle Orthonormalbasen e1, . . . , en gilt<br />

Ric(ei, ei) = <br />

sec(ei, ej)<br />

folgt aus (i) auch (ii). Deshalb genügt es zu zeigen, dass aus (ii) die Behauptung folgt.<br />

Dazu benutzen wir folgende Identität, die wir im folgenden Lemma beweisen:<br />

j=i<br />

d scal = 2 div(Ric)<br />

Wir zeigen zunächst, wie daraus die Beheuaptung folgt:<br />

Offenbar folgt aus (ii)<br />

d scal = d Spur(Ric)<br />

= d(n · (n − 1)f)<br />

= n · (n − 1)df<br />

Andererseits gilt <strong>für</strong> eine Orthonormalbasis e1, . . . , en:<br />

2 div(Ric)ei) = 2 <br />

j<br />

∇ej<br />

= 2(h − 1) <br />

Ric(v, ej)<br />

j<br />

∇ei (fg(v, ei))<br />

= 2(n − 1) <br />

〈df, e〉g(v, ei)<br />

= 2(n − 1)〈df, v〉<br />

Dann folgt aus der Identität d scal = 2 div(Ric) ndf = 2df, was f in n = 2df = 0<br />

inpliziert. q.e.d.<br />

Proposition 2.7.<br />

d Spur(Ric) = 2 div(Ric)<br />

Beweis: Sei e1, . . . , en eine Orthonormalbasis von TpM und W ein Vektorfeld, dass<br />

∇W |p = 0 erfüllt. Offenbar gibt es in jedem Punkt eine Basis von solchen Vektorfeldern,<br />

j


2.4. DIE SKALARE KRÜMMUNG 33<br />

wie wir gleich sehen werden. Dann gilt:<br />

<br />

d Spur(Ric)(W )(p) = DW Ric(ei, ei)<br />

i<br />

<br />

= DW (R(ei, ej)ej, ei)<br />

i,j<br />

= <br />

g((∇W (R(ei, ej)ej), ei)<br />

i,j<br />

= <br />

g((∇W R)ei, ej)ej, ei)<br />

i,j<br />

= − <br />

g((∇ejR)(E, ei)ej, ei)<br />

i,j<br />

− <br />

g((∇eiR)ej, W )ej, ei)<br />

i,j<br />

= − <br />

∇ejR)(W, ei, ej, ei) − <br />

(∇eiR)(ej, W, ej, ei)<br />

i,j<br />

i,j<br />

= <br />

∇ejR)(ej, ei, ei)W + <br />

(∇eiR)(ei, , ej, ejW )<br />

= 2 <br />

(∇ejR)(ej, ei, ei, W )<br />

i,j<br />

= 2 <br />

i,j<br />

= 2 <br />

j<br />

dej (R(ej, ei, ei, W ))<br />

Dej Ric(ej, W )<br />

= 2 <br />

(∇ej Ric)(ej, W ) = 2 div(Ric)(W ).<br />

j<br />

Korollar 2.8. Eine n > 2 dimmensionale <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit ist genau<br />

dann eine Einstein Mannigfaltigkeit, wenn folgendes gilt:<br />

Ric = scal<br />

n g.<br />

In lokalen Koordinaten seien die Vektorfelder X = α i , ∂i, Y = β i ∂i und Z = γ i ∂i<br />

gegeben. Dann können wir schreiben:<br />

R(X, Y ) = α i β j γ k R l ijk ∂l<br />

R l ijk ∂l = R(∂i, ∂j)∂k<br />

i,j<br />

i,j


34 KAPITEL 2. DIE KRÜMMUNG<br />

Setzen wir die Definition von R ein, so erhalten wir:<br />

Dadurch erhalten wir<br />

R l ijk ∂l = R(∂i, ∂j)∂k<br />

= ∇∂i ∇∂j ∂k − ∇∂j − ∂k − ∇∂i ∂k<br />

= ∇∂i Γs jk∂s − ∇∂j Γt ik∂t<br />

= ∂i(Γ s jk)∂s + Γ s jk∇∂j ∂s − ∂j(Γ i ik)∂t − Γ i ik∇∂j ∂t<br />

= ∂iΓ l jk∂l − ∂jΓ l ikΓ l is∂l − Γ i ikΓ l jt∂t<br />

= (∂iΓ l jk − ∂jΓ l ik + Γ s jk − Γ l is − Γ s ikΓ l js)∂i<br />

R l ijk∂iΓ l jk − ∂jΓ s ik + Γ s jkΓ l is − Γ s ikΓ l js.<br />

Wir müssen sehen, dass es immer lokale Koordinaten gibt, so dass an einem Punkt<br />

gilt<br />

Γ k ij|p = 0.<br />

Dann gilt an diesem Punkt<br />

R l ijk = ∂iΓ l jk + ∂jΓ l ik.<br />

Wenn wir zwei Tensoren vergleichen wollen genügt es sie auf einer Basis von Vektorfeldern<br />

zu vergleichen. Wenn wir also schon wissen, dass zwei Ausdrücke sich tensoriell<br />

verhalten, dann können wir in ein solches Koordinatensytem gehen, und die beiden<br />

Tensoren in diesen Koordinaten ausrechnen.


Kapitel 3<br />

Hyperflächen<br />

3.1 Hyperflächen<br />

In diesem Abschnitt betrachten wir Untermannigfaltigkeiten von <strong>Riemannsche</strong>n Mannigfaltigkeiten<br />

der Kodimensionen Eins. Die Untersuchung von Flächen im dreidimensionalen<br />

euklidischen Raum stand am Anfang der <strong>Riemannsche</strong>n <strong>Geometrie</strong>. Erst danach<br />

hat sich die entwicklung der intrimischen Differentialgeometrie herausgebildet.<br />

Wir unterscheiden zwischen intrimischen Betrachtungen, die nicht von der Einbettung<br />

in die höherdimensionale <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit abhängen und extrimischen<br />

Betrachtungen, die davon abhängen.<br />

Sei also f : M → N eine Immersion von der differenzierbaren Mannigfaltigkeit M<br />

in die <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit N. Dann induziert die Abbildung<br />

T f : T M → T N<br />

eine Metrik auf T M, so dass die Immersion f die <strong>Riemannsche</strong> Immersion wird. Das<br />

Tangentialbündel T N zerfällt in allen Punkten im Bild von f in eine direkte Summe<br />

f x T N = T M ⊕ T M ⊥<br />

hierbei bezeichnet T M ⊥ das orthogonale. Weil diese Zerlegung nun in allen Punkten<br />

im Bild von f gilt, betrachten wir das zurückgezogene Bündel f ∗ T N auf M. Wenn<br />

M und N beide orientiert sind, dann gibt es in dem Linienbündel T M ⊥ auf M genau<br />

einen globalen Schnitt, der überall die Länge Eins hat und die Orientierung von M<br />

in eine von N überführt. Diesen Schnitt haben wir Normal genannt. Im Fall, dass N<br />

der euklidische Raum R n+1 ist, können wir T R n+1 mit R n+1 × R n+1 identifizieren. Also<br />

induziert die Normale dann eine Abbildung von M nach S n . Sie heißt Gaußabbildung.<br />

35


36 KAPITEL 3. HYPERFLÄCHEN<br />

Da alle folgenden Ergebnisse lokal sind, wird es unsere Natationen vereinfachen,<br />

wenn wir annehmen, dass M ⊂ N eine untermannigfaltigkeit ist. Dann ist<br />

T N = T M ⊕ T M ⊥<br />

und <strong>für</strong> ein Vektorfeld X auf N haben wir die entsprechende Zerlegung<br />

X = X ⊤ + X ⊥ .<br />

Weil Schnitte von T M zu Schnitten von T N fortgesetzt werden können, folgt<br />

∇ M X Y = (∇ N XY ) ⊤<br />

Merke, dass <strong>für</strong> jedes Vektorfeld Y auf M gilt:<br />

(∗)<br />

(∇ N XfY ) ⊥ = (XfY + f∇ N XY ) ⊥ = f(∇ N XY ) ⊥<br />

Also ist s : T M × T M → T M ⊥ definiert durch<br />

wohldefiniert.<br />

S(X, Y ) = (∇ N XY ) ⊥<br />

Proposition 3.1. Der Tensor S ist symmetrisch.<br />

Beweis: Sind X, Y tangentiale Vektorfelder, d.h. X, Y : M → T M dann auch [X, Y ].<br />

Nun gilt mit der Torsionsfreiheit<br />

(∇ N XY ) ⊥ − (∇ N Y X) ⊥ = ((∇ N XY − ∇ N Y X) ⊥ = [X, Y ] ⊥ = 0,<br />

also S(X, Y ) = S(Y ; X). q.e.d.<br />

Kombinieren wir dies mit der obigen Gleichung (∗), so erhalten wir die Gauß’sche<br />

Formel:<br />

∇ N XY ) = ∇ M X Y + S(X, Y )<br />

<strong>für</strong> tangentiale Vektorfelder X, Y .<br />

Satz 3.2. (Theorema Egregium(Gauß)) Sei M ⊂ (N, h) Untermannigfaltigkeit mit<br />

Krümmungen R M und R N . Dann gilt <strong>für</strong> alle Vektorfelder X, Y, Z, W auf M:<br />

h(R n (X, Y )Z, W ) = h(R M (X, Y )Z, W ) + h(S(X, Z), S(Y, W )) − h(S(Y, Z), S(X, W ))


3.1. HYPERFLÄCHEN 37<br />

Beweis: Die Gauß’sche Formel liefert<br />

Genauso erhält man<br />

∇ N X(∇ N Y Z) = ∇ N X((∇ N Y Z) ⊤ + (∇ N Y Z) ⊥ )<br />

= ∇ N X∇ M Y Z + ∇ N XS(Y, Z)<br />

= ∇ M X ∇ M Y Z + S(X, ∇ M Y Z) + ∇ N XS(Y, Z)<br />

(1) ∇N Y (∇NX Z) = ∇MY ∇MX Z + S(Y, ∇MX Z) + ∇NY S(X, Z)<br />

(2) ∇N [X,Y ] Z = ∇M [X,Y ] Z + S([X, Y ], Z)<br />

(4)<br />

Substituiere die Gleichungen (1), (1’) und (2) in die Formel RN (X, Y )Z = ∇N X∇NY Z−<br />

∇N Y ∇NX Z − ∇N [X,Y ] Z und erhalte<br />

Dann ist<br />

R N (X, Y, Z) = ∇ M X ∇ M Y Z + S(X, ∇ M Y Z) + ∇ N XS(Y, Z)<br />

= ∇ M Y ∇ M X Z − S(Y, ∇ M X Z) − ∇ N Y S(X, Z)<br />

= ∇ M [X,Y ]Z − S([X, Y ], Z)<br />

R N (X, Y, Z, W ) = R M (X, Y, Z, W )+h(∇ N XS(Y, Z)−∇ N Y S(X, Z), W ). (3)<br />

leiten wir H(S(Y, Z)W ) = 0 in Richtung X ab, so erhalten wir<br />

0 = Xh(S(Y, Z), W ) = h(∇ N XS(Y, Z), W ) + h(S(Y, Z), ∇ N XW )<br />

= h(∇ N XS(Y, Z), W ) + h(S(Y, Z), ∇ M X W + S(X, W ))<br />

= h(∇ N XS(Y, Z), W ) + h(S(Y, Z), S(X, W ))<br />

mit der Gauß’schen Formel, und da ∇M X W ⊥ S(Y, Z).<br />

Die Behauptung folgt nun indem wir (4) und die analoge Gleichung mit X und Y<br />

vertauscht in (3) substituieren. q.e.d.<br />

Im Folgenden sei nun M eine Untermannigfaltigkeit von N mit Kodimension Eins,<br />

und G : M → Sn die Gaußabbildung. Sind X, Y Vektorfelder auf M, dann folgt aus<br />

h(G, G) = 1 durch Ableiten<br />

Xh(G, G) = 2h(∇ N XG, G) = 0<br />

⇒ ∇ N XG ⊥ G


38 KAPITEL 3. HYPERFLÄCHEN<br />

und weil T M ⊥ eindimensional ist, folgt<br />

∇ N XG ∈ T M.<br />

Aus h(Y, G) = 0 folgen durch Ableiten die Weingartengleichungen<br />

h(∇ N XY, G) = −h(Y, ∇ N XG) = −h(G, S(X, Y ).<br />

Die letzte Gleichung ist eine Konsequenz der Gauß’schen Gleichung und der Tatsache<br />

h(G, ∇M X Y )0 =. Wegen der Symmetrie von S folgt daher<br />

h(∇ N XG, Y ) = h(X, ∇ N Y G)<br />

Die zweite Fundamentalform ist definiert durch<br />

II(X, Y ) = −h(∇ N XG, Y )<br />

<strong>für</strong> zwei Vektorfelder X, Y auf M.<br />

Aus den Weingartengleichungen folgt II(X, Y ) = h(G, S(X, Y )) und somit<br />

S(X, Y ) = II(X, Y )G.<br />

Satz 3.3. (Codazzi-Mainardi-Gleichungen) Sei M ⊂ N eine Hyperfläche mit Gaußabbildung<br />

G. Dann gilt <strong>für</strong> alle Vektorfelder X, Y, Z, W auf M:<br />

Beweis:<br />

R N (X, Y, Z, G) = (∇ M X II)(Y, Z) − (∇ M Y II)(X, Z)<br />

(1’) ∇N Y ∇NX Z = ∇MY ∇M X Z + S(Y, ∇MX Z) + ∇NY S(X, Z)<br />

(1) ∇N X∇NY Z = ∇MX ∇M Y Z + S(X, ∇MY Z) + ∇NX S(Y, Z)<br />

(2) ∇ N [X,Y ] Z = ∇M [X,Y ] Z + S([X, Y ], Z) = ∇M [X,Y ] Z + S(∇XY, Z) − S(∇Y X, Z)<br />

Also ist der normale Anteil von RN (X, Y )Z = ∇N X∇NY Z − ∇NY ∇NX Z − ∇N [X,Y ] Z. gegeben<br />

durch<br />

(3) ∇ N X S(Y, Z) ⊥+ S(X, ∇ M Y Z) − ∇N Y Z) − ∇N Y S(X, S)⊥ − S(Y, ∇ M X Z) + S(∇Y X, Z) −<br />

S(∇XY, Z)


3.1. HYPERFLÄCHEN 39<br />

Aus S(Y, Z) = II(Y, Z)G folgt<br />

und somit<br />

Alles zusammen ergibt sich damit<br />

∇ N XS(Y, Z) = XII(Y, Z)G + II(Y, Z)∇ N XG<br />

h(∇ N XS(Y, Z), G) = XII(Y, Z) (4)<br />

R N (X, Y, Z, G) = h(R N (X, Y )Z, G)<br />

= XII(Y, Z) − II(∇ M X Y, Z) − II(Y, ∇ M X Z)<br />

− (Y II(X, Z) − II(∇ M Y , Z) − II(X, ∇ M Y Z))<br />

Die erste Zeile ist (∇ M X II)(Y, Z), die zweite Zeile ist (∇M Y<br />

II)(X, Z), woraus die Behauptung<br />

folgt. q.e.d.<br />

Korollar 3.4. Hat N konstante Krümmung k, dann ist die Gaußgleichung im Theorema<br />

Egregium:<br />

R(X, Y, Z, W ) + h(S(X, Z), S(Y, W )) − h(S(X, W ), S(Y, Z))<br />

= k(h(X, W )h(Y, Z) − h(X, Z)h(Y, W ))<br />

und ist M Hyperfläche, so sind die Codozzi-Mainardi-Gleichungen<br />

(∇XII)(Y, Z) = (∇Y II)(X, Z)<br />

Beweis: Letztere Gleichung folgt, weil R N (X, Y )Z = k(h(Y, Z)X − h(X, Z)Y ) tangential.<br />

q.e.d.<br />

Satz 3.5. (Hadomard) Sei F : M → R n+1 eine Immersion von einer n-dimensionalen<br />

kompakten Mannigfaltigkeit in dem (n + 1)- dimensionalen euklidischen Raum. Wenn<br />

die zweite Fundamentalform überall nicht entartet ist, dann ist <strong>für</strong> n > 1 M eine<br />

Spähre und F ist eine Einbettung.<br />

Beweis: Sei G : M → S n die entsprechende Gaußabbildung. Wenn die zweite Fundamentalform<br />

überall nicht entartet ist, dann ist G auch eine Immersion von einer<br />

n-dimensionalen Mannigfaltigkeit nach ∼ n . Insbesondere ist G in einer Umgebung jedes<br />

Punktes ein Diffeomorphismus. Also ist G eine Überlagerungsabbildung. Für n > 1<br />

ist S n einfach zusammenhängend. Deshalb ist dann G ein Diffeomorphismus.<br />

Sei jetzt x0 ∈ M. Wir betrachten die reelle Funktion f(x) =< F (x)−F (x0), G(x0) >.<br />

Die Ableitung df von f verschwindet offenbar genau dann, wenn die Tangentialebene<br />

aus M im Punkt x auf G(x0) senkrecht steht, also genau dann, wenn G(x) = ±G(x0).


40 KAPITEL 3. HYPERFLÄCHEN<br />

Also besitzt die Funktion von f genau ein Maximum und ein Minimum, weil sie beschränkt<br />

ist. Also ist f entweder nicht negativ oder nicht positiv. Deshalb ist F auch<br />

injektiv, weil f nur bei x = x0 gleich Null ist. q.e.d.<br />

Bei diesem Satz haben wir vor allem benutzt, dass aus der Nichtentartetheit der<br />

zweiten Fundamentalform folgt, dass die Gaußabbildung ein Diffeomorphismus ist. Allgemeiner<br />

gilt:<br />

Lemma 3.6. Sei F : M → R n+1 eine Immersion einer n-dimensionalen Mannigfaltigkeit<br />

nach R n+1 . Wenn n gerade ist, dann ist die Determinante der Weingartenabbildung<br />

intrimisch. Wenn n ungerade ist, dann ist der Betrag der Determinante der<br />

Weingartenabbildung intrimisch.<br />

Beweis: Sei e1, . . . , en eine Eigenbasis von der Weingartenabbildung, d.h. es gilt<br />

S(ei, ej) = δijλi<br />

wobei λ die Hauptkrümmungen sind. Dann wird der Krümmungsoperator R durch<br />

ei ∧ej diagonalisiert mit Eigenwerten λiλj. Das folgt aus dem Theorem Egregium. Also<br />

ist<br />

det R = <br />

λiλj = (λi . . . λn) n−1 .<br />

i


3.1. HYPERFLÄCHEN 41<br />

Weil beide Seiten intrimische Größen sind, kann man erwarten, dass diese Gleichung<br />

<strong>für</strong> beliebige <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltgkeiten gilt. Das gilt aber nur <strong>für</strong> n = 2 und heißt<br />

dann der Satz von Gauß-Bonnet:<br />

X(M) = 1<br />

2 <br />

<br />

M<br />

sec d vol .<br />

Es gibt aber eine Verallgemeinerung in höheren Dimensionen, dann ist der Integrand<br />

aber komplizierter.


42 KAPITEL 3. HYPERFLÄCHEN


Kapitel 4<br />

<strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeiten als<br />

metrische Räume<br />

4.1 Zweite Ableitungen<br />

In diesem Kapitel untersuchen wir <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeiten als metrische Räume,<br />

d.h. wir definieren den Abstand zwischen zwei Punkten als die Länge des kürzesten<br />

Weges, der beide Punkte miteinander verbindet und betrachten sie dann als metrische<br />

Räume. Solche Wege kürzester Länge heißen Kürzeste. Als Vorbereitung um solche<br />

Kürzesten zu untersuchen, zeigen wir in diesem Abschnitt, dass wir <strong>für</strong> Abbildungen γ<br />

von offenen Gebieten Ω ⊂ R n in eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit (M, g) die zweiten<br />

Ableitungen auch als Element von T M auffassen können. Wenn wir eine glatte Abbildung<br />

f : N → M zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten haben, dann ist die<br />

zweite Ableitung T T f eine Abbildung<br />

T T f : T T N → T T M.<br />

Also liegen die zweiten Ableitungen erstmal im Tangentialraum des Tangentialraumes<br />

von M, also in T T M. Auf den R n können wir aber den Tangentialraum über allen<br />

Punkten mit dem R n identifizieren, so dass auch die zweiten Ableitungen wieder in R n<br />

liegen. Wir wollen jetzt zeigen, dass das auch <strong>für</strong> <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeiten auf<br />

eine Art und Weise möglich ist, die nur von der <strong>Riemannsche</strong> Metrik und nicht von<br />

den Karten abhängt. Dazu parametrisieren wir Ω durch Koordinaten t 1 , . . . , t m und<br />

fordern folgende beiden Bedingungen:<br />

(i)<br />

∂2γ ∂ti∂tj = ∂2γ ∂tj∂t i<br />

43


44 KAPITEL 4. MANNIGFALTIGKEITEN ALS METRISCHE RÄUME<br />

(ii)<br />

<br />

∂ ∂γ ∂γ<br />

g ,<br />

∂tk ∂ti ∂tj 2 ∂ γ<br />

= g<br />

∂tk ∂γ<br />

,<br />

∂ti ∂tj <br />

∂γ<br />

+ g<br />

∂ti , ∂2γ ∂tk∂t j<br />

<br />

Die erste Bedingung ergibt sich einfach aus dem Schwarzen lemma, das besagt, dass<br />

die zweiten partiellen Ableitungen nicht von der Reihenfolge abhängen. Die zweite<br />

Bedingung ist eine Form der Leibnizregel und an die Bedingung, dass ein affiner Zusammenhang<br />

ist metrisch angelehnt. Wir wollen jetzt zeigen, dass <strong>für</strong> Abbildungen<br />

γ : Ω → M immer möglich ist die zweiten Ableitungen auf eindeutige Weise so zu<br />

definieren, dass (i) und (ii) erfüllt sind. Dazu behaupten wir, dass aus (i) und (ii) eine<br />

Koszul-artige Formel folgt:<br />

2g<br />

2 ∂ γ<br />

∂ti ∂γ<br />

,<br />

∂tj ∂tk <br />

= ∂<br />

g<br />

∂ti <br />

∂γ ∂γ<br />

,<br />

∂tj ∂tk <br />

+ ∂<br />

<br />

∂γ ∂γ<br />

g ,<br />

∂tj ∂tk ∂ti <br />

− ∂<br />

<br />

∂γ ∂γ<br />

g ,<br />

∂tk ∂ti ∂tj <br />

Lemma 4.1. Es gibt <strong>für</strong> eine Abbildung γ : Ω → M von einer offenen Teilmenge Ω<br />

den R m in eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit (M, g) folgt aus (i) und (ii) die obige<br />

Koszulartige Formel.<br />

Beweis: Wir zeigen zunächst, dass die Koszul-artige Formel aus (i) und (ii) folgt:<br />

<br />

∂ ∂γ ∂γ<br />

g ,<br />

∂ti ∂tj ∂tk <br />

+ ∂<br />

<br />

∂γ ∂γ<br />

g ,<br />

∂tj ∂tk ∂ti <br />

− ∂<br />

<br />

∂γ ∂γ<br />

g ,<br />

∂tk ∂ti ∂tj <br />

2 ∂ γ<br />

= g<br />

∂ti ∂γ<br />

,<br />

∂tj ∂tk <br />

∂γ<br />

+ g<br />

∂tj , ∂2γ ∂ti∂tj <br />

2 ∂ γ<br />

+ g<br />

∂tj ∂γ<br />

,<br />

∂tk ∂ti <br />

∂γ<br />

+ g<br />

∂tk , ∂2γ ∂tj∂t i<br />

<br />

2 ∂ γ<br />

− g<br />

∂tk ∂γ<br />

,<br />

∂ti ∂tj <br />

∂γ<br />

− g<br />

∂ti , ∂2γ ∂tk∂t j<br />

<br />

2 ∂ γ<br />

= g<br />

∂ti ∂γ<br />

,<br />

∂tj ∂tk <br />

∂γ<br />

+ g<br />

∂tk , ∂2γ ∂tj∂t i<br />

<br />

<br />

∂γ<br />

+ g<br />

∂tj , ∂2γ ∂ti∂tk 2 ∂ γ<br />

− g<br />

∂tk ∂γ<br />

,<br />

∂ti ∂tj <br />

2 ∂ γ<br />

+ g<br />

∂tj ∂γ<br />

,<br />

∂tk ∂ti <br />

∂γ<br />

− g<br />

∂ti , ∂2γ ∂tk∂t j<br />

<br />

2 ∂ γ<br />

= 2g<br />

∂ti ∂γ<br />

,<br />

∂tj ∂tk <br />

q.e.d.


4.1. ZWEITE ABLEITUNGEN 45<br />

Weil die zweiten Ableitungen offenbar nur von den Werten von γ auf einer Umgebung<br />

von dem entsprechenden Punkt in Ω abhängen, können wir annehmen, dass γ die<br />

offene Teilmenge Ω in den Definitionsbereichen U einer Karte abbildet.<br />

Satz 4.2. (Existenz der zweiten Ableitungen) In einem Koordinatensystem ist es möglich<br />

die zweiten Ableitungen so zu definieren, dass (i) und (ii) erfüllt sind.<br />

Beweis: Wir bezeichnen mit γ 1 , . . . , γ n die Koordinaten der Abbildung γ. Wir betrachten<br />

zunächst nur zwei Parameter s und t von Ω, dann gilt<br />

Also folgt<br />

∂ ∂γ<br />

∂t ∂s<br />

∂γ<br />

∂s<br />

= ∂γi<br />

∂s ∂i<br />

i ∂ ∂γ<br />

=<br />

∂t ∂s ∂i<br />

<br />

= ∂ ∂γ<br />

∂t<br />

i<br />

∂s ∂i + ∂γi ∂<br />

∂s ∂t (∂i).<br />

Um ∂<br />

∂t (∂i) zu definieren, setzen wir <strong>für</strong> jedes Vektorfeld X auf M<br />

Dann erhalten wir<br />

Also definieren wir<br />

∂X<br />

∂t<br />

∂ ∂γ<br />

∂t ∂s = ∂2γ k<br />

= ∇γX.<br />

∇ ∂γ ∂i<br />

∂t<br />

∂t∂s ∂k + ∂γi<br />

∂s<br />

= ∂2γ k<br />

∂t∂s ∂k + ∂γi ∂γ<br />

∂s<br />

j<br />

∂t<br />

= ∂2γ k<br />

∂t∂s ∂k + ∂γi<br />

∂s<br />

∂2γ ∂t∂s = ∂2γ k<br />

∂t∂s ∂k + ∂γi∂γ j<br />

=<br />

∇∂j ∂i<br />

∂γ j<br />

∂t Γk ji∂k.<br />

∂s∂t Γkji∂k 2 k ∂ γ<br />

∂t∂s + ∂γi∂γ j<br />

∂s∂t Γji<br />

<br />

∂k<br />

Wegen dem Schwarzschen lemma und weil die Christoffelsymbole symmetrisch in i und<br />

j sind, gilt tatsächlich (i). Um (ii) zu beweisen, benutzen wir die metrische Eigenschaft<br />

der Christoffelsymbole:<br />

∂kgij = Γki,j + Γkj,i.


46 KAPITEL 4. MANNIGFALTIGKEITEN ALS METRISCHE RÄUME<br />

Damit erhalten wir<br />

∂<br />

∂t g<br />

<br />

∂γ ∂γ<br />

, =<br />

∂s ∂u<br />

∂<br />

<br />

gij<br />

∂t<br />

∂γi<br />

∂s<br />

∂γj <br />

∂u<br />

= ∂gij ∂γ<br />

∂t<br />

i ∂γ<br />

∂s<br />

j<br />

∂u + gij ∂2γ i ∂γ<br />

∂t∂s<br />

j ∂γi ∂<br />

+ gij<br />

∂u ∂s<br />

2γj ∂t∂u<br />

2 i ∂ γ ∂γk ∂γ<br />

= gij +<br />

∂t∂s ∂s<br />

l<br />

∂t Γi <br />

j ∂γ ∂γi ∂<br />

kl + gij<br />

∂u ∂s<br />

2γj ∂t∂u<br />

+ ∂gij ∂γ<br />

∂t<br />

i ∂γ<br />

∂s<br />

j ∂γk ∂γ<br />

− gij<br />

∂u ∂s<br />

l ∂γ<br />

∂t<br />

j<br />

2 ∂ γ ∂γ ∂γ<br />

= g , + g<br />

∂t∂s ∂u ∂s , ∂2 <br />

γ<br />

∂t∂u<br />

+ ∂gij ∂γ<br />

∂t<br />

i ∂γ<br />

∂s<br />

j ∂γk ∂γ<br />

−<br />

∂u ∂s<br />

l ∂γ<br />

∂t<br />

j<br />

∂u Γkl,j − ∂γi<br />

∂s<br />

2 ∂ γ ∂γ ∂γ<br />

= g , + g<br />

∂t∂s ∂u ∂s , ∂2 <br />

γ<br />

∂t∂u<br />

∂u Γikl − gij ∂γi<br />

∂s<br />

∂kgij ∂γk ∂γ<br />

∂t<br />

i ∂γ<br />

∂s<br />

j ∂γi ∂γ<br />

−<br />

∂u ∂s<br />

k ∂γ<br />

∂t<br />

j<br />

∂u Γki,j − ∂γi<br />

∂s<br />

2 ∂ γ ∂γ ∂γ<br />

= g , + g<br />

∂t∂s ∂u ∂s , ∂2 <br />

γ<br />

∂t∂u<br />

∂γ k<br />

∂u<br />

∂γ j<br />

∂u<br />

∂γ k<br />

∂u<br />

∂γ l<br />

∂t Γkl,i<br />

∂γk ∂γk<br />

+ +<br />

∂t∂u ∂u<br />

∂γ l<br />

∂t Γj<br />

kl<br />

∂γ k<br />

∂t Γkj,i<br />

∂γl <br />

j<br />

Γ kl<br />

Wenn M ⊂ N eine <strong>Riemannsche</strong> Untermannigfaltigkeit einer <strong>Riemannsche</strong>n Mannigfaltigkeit<br />

N ist, ist es oft nützlich erst die zweiten Ableitungen in N zu berechnen und<br />

sie dann auf M zu projezieren.<br />

Proposition 4.3. Sei (M, g) eine <strong>Riemannsche</strong> Untermannigfaltigkeit der <strong>Riemannsche</strong>n<br />

Mannigfaltigkeit (N, g), und γ : Ω → M ↩→ N eine glatte Abbildung. Dann<br />

gilt<br />

2 ∂ γ<br />

projM ∈ T M<br />

∂t i ∂t j<br />

sind die zweiten Ableitungen von γ als Abbildung von Ω nach M.<br />

Beweis: Folgt sofort aus der Koszul-artigen Formel. q.e.d.


4.2. GEODÄTEN 47<br />

4.2 Geodäten<br />

Wir definieren die Beschleunigung einer Kurve γ : I → M als ¨γ = d2 γ<br />

dt 2 oder in lokalen<br />

Koordinaten<br />

¨γ = d2γk dt2 ∂k + dγi dγ<br />

dt<br />

j<br />

dt Γkij∂k = 0<br />

Definition 4.4. Eine Kurve γ : I → M von einerm offenen Intervall nach M heißt<br />

Geodäte, wenn ¨γ = 0. Dann gilt auch<br />

Also ist die Geschwindigkeit konstant.<br />

d<br />

g( ˙γ, ˙γ) = 2g(¨γ, ˙g) = 0.<br />

dt<br />

In diesem Abschnitt werden wir die lokale Existenz und Eindeutigkeit von Geodäten<br />

beweisen. Die Geodätengleichung ¨γ = 0 können wir umschreiben zu<br />

d2γk dγ<br />

= −dγi<br />

dt2 dt<br />

j<br />

dt Γkij <strong>für</strong> k = 1, . . . , n = dimM.<br />

Das ist ein gewöhnliches Differentialgleichungssystem zweiter Ordnung. Aus dem Satz<br />

von Picard-Lindelöff folgt Satz (Lokale Existenz und Eindeutigkeit von Geodäten). Sei<br />

(M, g) eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit. Dann gibt es <strong>für</strong> jedes p ∈ M und v ∈ TpM<br />

eine Umgebung V ⊂ T M von v und ein ɛ > 0, so dass es <strong>für</strong> alle w ∈ V genau eine<br />

Lösung der Differentialgleichung d2γ dt2 = 0 auf dem Intervall (−ɛ, ɛ) gibt mit γ(0) = π(w)<br />

und ˙γ(0) = w. q.e.d.<br />

Wegen der Translationsinvarianz des Ableitung ist die Geodätengleichung translationsinvariant,<br />

d.h. die Abbildung t ↦→ γ(t) erfüllt genau dann ¨γ = 0, wenn die<br />

Abbildung t → γ(t + s) mit s ∈ R die Gleichung ¨γ = 0 erfüllt. Deshalb stimmt <strong>für</strong><br />

jede Lösung γ : (−ɛ, ɛ) → M <strong>für</strong> jedes s ∈ (−ɛ, ɛ) die Abbildung t ↦→ γ(t + s) mit<br />

der entsprechenden Lösung mit Anfangswerten γ(0 + s) = γ(s) und ˙γ(0 + s) = ˙γ(s)<br />

überein. Deshalb können wir durch geeignete Translationen verschiedene Lösungen zu<br />

einer Lösung mit größerem Definitionsbereich zusammenkleben. Insbesondere können<br />

wir durch Lösungen des Definitionsbereiches unterschiedliche Karten zu einer Lösung<br />

verkleben. Wegen der Translationsinvarianz und der lokalen Eindeutigkeit gibt es <strong>für</strong><br />

jedes p ∈ M und jedes v ∈ M ein maximales offenes Intervall I und eine Lösung des<br />

Anfangswertproblems<br />

γ : I → M, mit γ(0) = p und ˙γ(0) = v<br />

so dass alle Lösungen durch Einschränkung aus dieser Lösung hervorgehen. Aus der<br />

Theorie der gewöhnlichen Differentialgleichung ist bekannt, dass solche maximalen<br />

Lösungen am Rand nur aus drei Gründen nicht fortgesetzt werden können.


48 KAPITEL 4. MANNIGFALTIGKEITEN ALS METRISCHE RÄUME<br />

(i) das Intervall ist unbeschränkt am Rand<br />

(ii) eine Ableitung der gewöhnlichen Differentialgleichung ist am Rand unbeschränkt<br />

(iii) die Lösung verläßt den Definitionsbereich des Differentialgleichungssystems.<br />

Für Geodäten auf Mannigfaltigkeiten folgt daraus, dass die maximale Geodäte γ : I →<br />

M mit γ(0) = p und ˙γ(0) = v alle kompakten Teilmengen von M, die p enthalten bzw.<br />

alle kompakten Teilmengen von T M, die v enthalten, verlassen.<br />

Definition 4.5. Eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit (M, g) heißt geodätisch vollständig,<br />

wenn <strong>für</strong> alle p ∈ M und alle v ∈ TpM der maximale Definitionsbereich der<br />

Geodäte γ mit γ(0) = p und ˙γ(0) = v gleich R ist.<br />

Korollar 4.6. Eine kompakte <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit ist geodätisch vollständig.<br />

Beweis: Wegen der Existenz und Eindeutigkeit gibt es <strong>für</strong> jedes p ∈ M und jedes<br />

v ∈ TpM eine Umgebung v ⊂ T M von v und ein ɛ > 0, so dass <strong>für</strong> alle w ∈ v<br />

die Geodätenγ mit γ(0) = π(w) und ˙γ(0) = w auf (−ɛ, ɛ) definiert sind. Weil der<br />

Einheitsball kompakt ist, gibt es dann auch <strong>für</strong> jedes p ∈ M eine Umgebung U ⊂ M<br />

von p, so dass <strong>für</strong> alle w ∈ π−1 [U] mit g(e, e) < C die Geodäte mit γ(0) = π(w) und<br />

˙γ(0) = w auf (−ɛ, ɛ) definiert ist. Weil <strong>für</strong> die Geodäten gilt d g( ˙γ(t), ˙γ(t)) = 0 bleiben<br />

dt<br />

die Geodäten in den Bällen von Tγ ( i)M mit g( ˙γ(t), ˙γ(t)) < C. Wegen der Kompaktheit<br />

gibt es dann ein ɛ > 0, das nur von C abhängt, so dass alle Geodäten mit γ(0) = p<br />

und ˙γ(0) = v mit |v| < C auf (−ɛ, ɛ) definiert sind. Diese Geodäten können wir dann<br />

zu Geodäten auf ganz R verkleben. q.e.d.<br />

Offenbar <strong>für</strong>gen sich die maximalen Definitionsbereiche zu einer Teilmenge von<br />

R × T M zusammen. Diese ist wegen der lokalen Existenz und Eindeutigkeit offen.<br />

Schließlich bemerken wir noch, dass die Geodätengleichung auch Skaleninvariant ist:<br />

Wenn γ : I → M eine Geodäte mit γ(0) = p ∈ M und ˙γ(0) = v ∈ TpM ist, dann<br />

ist <strong>für</strong> alle λ ∈ Rt → γ(λt) eine Geodäte mit γ(0) = p und ˙γ(0) = λv. Denn aus der<br />

Definition der zweiten Ableitung folgt sofort, dass die zweite Ableitung dieser Kurve<br />

gleich λ2 mal ¨γ ist.<br />

4.3 Die Metrik einer <strong>Riemannsche</strong>n Mannigfaltigkeit<br />

In diesem Abschnitt zeigen wir, dass auf einer zusammenhängenden <strong>Riemannsche</strong>n<br />

Mannigfaltigkeit das Infimum der Längen aller glatten Wege von einem Punkt p zu<br />

einem anderen Punkt g eine Metrik definiert. Dazu definieren wir zunächst die Länge<br />

eines Weges.


4.3. DIE METRIK EINER RIEMANNSCHEN MANNIGFALTIGKEIT 49<br />

Definition 4.7. Sei γ : [a, b] → M ein stetig differenzierbarer Weg in einer <strong>Riemannsche</strong>n<br />

Mannigfaltigkeit (M, g). Dann ist die Länge von γ definiert als<br />

l(γ) =<br />

b<br />

a<br />

| ˙γ(t)|dt =<br />

b<br />

a<br />

g( ˙γ(t), ˙γ(t))dt.<br />

Weil γ stetig differenzierbar ist, ist t ↦→ | ˙γ(t)| auf t ∈ [a, b] stetig und damit auch<br />

integrabel. Außerdem ist die Länge reparametrisierungsinvariant, d.h. <strong>für</strong> jede stetige<br />

differenzierbare bijektive Abbildung ϕ : [c, d] → [a, b], mit ϕ(c) = a und ϕ(d) = b folgt<br />

aus der Kettenregel<br />

l(γ ◦ ϕ) =<br />

d<br />

c<br />

| ˙γ(ϕ(t))|dt =<br />

b<br />

a<br />

| ˙γ(t)|dt = l(γ).<br />

Das gilt aber nicht mehr, wenn ϕ nicht injektiv ist, weil dann alle mehrfach durchlaufenen<br />

Wegstücke von γ mehrfach zur Weglänge von γ ◦ϕ beitragen. Offenbar kann man<br />

jeden Weg so umparametrisieren, dass der Parameter gerade die Bogenlänge des schon<br />

durchlaufenen Weges ist. Setzen wir<br />

s = ϕ(t) =<br />

t<br />

a<br />

| ˙γ(τ)|dτ,<br />

dann ist ϕ offenbar eine stetig differenzierbare bijektive Abbildung<br />

ϕ : [a, b] → [0, l(γ)].<br />

Und γ◦ϕ −1 ist ein durch Bogenlänge parametrisierter Weg. Wenn allerdings | ˙γ(t)| Nullstellen<br />

hat, dann ist ϕ −1 nicht notwendigerweise stetig differenzierbar. Weil eine offene<br />

Teilmenge des R n genau dann zusammenhängend ist, wenn sie wegzusammenhängend<br />

ist, sind die Wegzusammenhangskomponenten einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit<br />

auch zusammenhängend. Umgekehrt ist eine zusammenhängende differenzierbare Mannigfaltigkeit<br />

auch wegzusammenhängend.<br />

Definition 4.8. Sei (M, g) eine zusammenhängende <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit.<br />

Dann definieren wir <strong>für</strong> alle Paare p, q ∈ M den Abstand d(p, q) als das Infimum der<br />

Längen aller glatten Wege von p nach q.<br />

Offenbar ist d symmetrisch und erfüllt die Dreiecksungleichung d(p, r) ≤ d(p, q) +<br />

d(q, r) <strong>für</strong> alle p, q, r ∈ M. Das Infimum lässt sich nicht immer durch einen Weg realisieren.<br />

So lassen sich z.B. die beiden Punkte (−1, 0) und (1, 0) in R 2 \ {(0, 0)} zusammen<br />

mit der euklidischen Metrik nicht durch einen Weg der Länge 2 verbinden. Der Abstand<br />

ist aber wie in R 2 gleich 2.


50 KAPITEL 4. MANNIGFALTIGKEITEN ALS METRISCHE RÄUME<br />

Beispiel 4.9. Sei Rn der euklidische Raum mit der euklidischen Metrik. Offenbar gilt<br />

<strong>für</strong> alle glatten Wege γ<br />

<br />

| ˙γ1(t)| ≤ | ˙γ(t)| = ˙γ 2 1(t) + . . . + ˙γ 2 n(t).<br />

Also ist <strong>für</strong> jeden glatten Weg γ von 0 ∈ R n nach (1, 0, . . . , 0) ∈ R n die Länge von<br />

γ größer oder gleich 1. Die Länge der Verbindungsgeraden hat gerade die Länge 1.<br />

Wegen der Translations- und Rotationsinvarianz un dem Verhalten unter Skalentransformationen<br />

x → λx ist dann <strong>für</strong> alle x, y ∈ R n der Abstand zwischen x und y gerade<br />

gleich dem euklidischen Abstand.<br />

Satz 4.10. Für jede zusammenhängende <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit definiert der<br />

Abstand eine Metrik. Die von dieser Metrik induzierte Topologie stimmt mit der Topologie<br />

der entsprechenden Mannigfaltigkeit überein.<br />

Beweis: Für jeden Punkt p ∈ M gibt es eine Karte, dessen Definitionsbereich p enthält.<br />

In dieser karte ist die <strong>Riemannsche</strong> Metrik gegeben durch eine glatte Funktion in die<br />

symmetrischen positiv definiten n × n Matrizen. Weil S n−1 kompakt ist, gibt es <strong>für</strong><br />

jede symmetrische positiv definite n × n Matrix A zwei Kontanten C1 > 0 und C2 > 0,<br />

so dass gilt<br />

C1 1 ≤ A ≤ C2 1.<br />

Dann gibt es auch ein ɛ > 0, so dass der Definietionsbereich eine Umgebung von p<br />

enthält, dessen Bild unter der Karte einen abgeschlossenen Ball um das Bild von p<br />

enthält. Weil diese Bälle kompakt sind folgt, dass es zwei positive Konstanten C1, C2<br />

gibt, so dass die <strong>Riemannsche</strong> Metrik auf diesem kompakten Ball in dieser Karte nach<br />

unten durch C1mal der euklidischen Metrik und nach oben durch C2mal der euklidischen<br />

Metrik abgeschätzt werden kann. Daraus folgt, dass die Umgebungen von p<br />

bezüglich der von diesem Abstand induzierten Topologie mit den Umgebungen von p<br />

bezüglich der Topologie der differenzierbaren Mannigfaltigkeit übereinstimmt. Wenn g<br />

bezüglich der Karte in diesem Ball liegt, dann kann der Abstand d(p, q) nach unten<br />

durch C1mal dem euklidischen Abstand zwischen p und q abgeschätzt werden und ist<br />

deshalb nur <strong>für</strong> q = p gleich Null. Wenn q bezüglich der Karte nicht in diesem Ball<br />

liegt, dann gibt es <strong>für</strong> jeden Weg von p nach q einen kleinsten Parameterwert, an dem<br />

der Weg nicht mehr im Inneren von dem Ball liegt, also auf dem Rand des Balles ist.<br />

Dann ist der Abstand zwischen p und q größer oder gleich dem kleinsten Abstand von<br />

p zum Rand von dem Ball und damit auch positiv. Also definiert der Abstand eine<br />

Metrik auf M. q.e.d.<br />

Weil jeder kompakte metrische Raum auch vollständig ist folgt sofort:<br />

Korollar 4.11. Jede kompakte <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit ist als metrische Raum<br />

vollständig. q.e.d.


4.4. DIE EXPONENTIALABBILDUNG 51<br />

Definition 4.12. Ein stetig differenzierbarer Weg heißt Segiment, wenn die Länge des<br />

Weges mit dem Abstand zwischen Anfangspunkt und Endpunkt übereinstimmt und er<br />

durch die Bogenlänge parametrisiert ist.<br />

4.4 Die Exponentialabbildung<br />

Definition 4.13. Sei (M, g) eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit. Dann sei <strong>für</strong> jedes<br />

p ∈ M Op die Menge aller Tangentialvektoren v ∈ TpM, <strong>für</strong> die die Geodäte mit<br />

γ(0) = p und ˙γ(0) = v auf dem Intervall [0, 1] existiert. Die Vereinigung aller dieser<br />

Mengen 0 = ∪p∈MOp bildet eine Teilmenge von T M. Dann ist die Exponentialabbildung<br />

im Punkt p ∈ M definiert als expp : Op → M, mit expp(v) = γv(1), wobei γv die<br />

maximale Geodäte mit γv(0) = p und ˙γv(0) = v ist.<br />

Satz 4.14. (i) Die Vereinigung 0 = ∪p∈MOp der Definitionsbereiche der Exponentialabbildung<br />

ist eine offene Teilmenge von T M, die den Nullschnitt enthält.<br />

(ii) Sei E die Abbildung<br />

Dann ist E eine glatte Abbildung.<br />

E : 0 → M × M, v ↦→ (π(v), exp(v))<br />

(iii) Für jedes p ∈ M gibt es eine offene Umgebung der 0 ∈ TpM in Op, so dass<br />

die Einschränkung von expp auf diese Umgebung ein Diffeomorphismus auf eine<br />

offene Umgebung von p ist.<br />

(iv) Es gibt eine offene Umgebung des Nullschnittes von T M in 0, so dass die Einschränkung<br />

von E auf diese offene Umgebung ein Diffeomorphismus auf eine<br />

offene Umgebung der Diagonalen in M × M ist.<br />

Beweis: Wenn γ : (−ɛ, ɛ) → M eine Geodäte in M ist mit γ(0) = p und ˙γ(0) = v,<br />

dann ist <strong>für</strong> alle λ > 0 die Kurve<br />

γλ : (− ɛ<br />

) → M, t ↦→ γ(λt)<br />

λ<br />

eine Geodäte mit γ(0) = p und ˙γ(0) = λv. Deshalb folgt aus der lokalen Existenz und<br />

Eindeutigkeit von Geodäten, dass die expp <strong>für</strong> alle p ∈ M auf einer Umgebung von<br />

0 ∈ TpM definiert ist. Und es folgt auch, dass <strong>für</strong> alle p ∈ M Op eine offene Teilmenge<br />

von TpM ist. Für eine gwöhnliche Differentialgleichung mit glatten Koeffizientenfunktionen<br />

hängen die eindeutigen Lösungen der entsprechenden Anfangswertprobleme


52 KAPITEL 4. MANNIGFALTIGKEITEN ALS METRISCHE RÄUME<br />

glatt von den Anfangswerten ab. Daraus folgt dann, dass 0 = ∪p∈MOp eine offene Teilmenge<br />

von T M ist und die Abbildung E : 0 → M × M eine glatte Abbildung ist.<br />

Zum Beweis von (iii) und (iv) benutzen wir den Satz der inversen Funktion.<br />

Den Tangentialraum aus T M im Punkt 0p ∈ TpM können wir in einer Karte mit<br />

TpM × TpM identifizieren, und den Tangentialraum in M × M in einem Punkt (p, p)<br />

der Diagonale auch mit TpM × TpM. Dann hat die Ableitung von E in einem Punkt<br />

0p ∈ TpM als lineare Abbildung von TpM × TpM nach TpM × TpM die Form<br />

<br />

0<br />

<br />

1TpM<br />

0 1TpM<br />

Dann folgt die Aussage (iv) aus dem Satz der inversen Funktion. Insbesonder hat<br />

die Ableitung von exp p im Punkt 0p ∈ TpM als Ableitung die identische Abbildung von<br />

Sei I0(v) = d<br />

dt (tv)|t=0 der kanonische Isomorphismus<br />

Dann ist<br />

I − 0 : TpM → T0TpM.<br />

D exp p(T0(v)) = d<br />

dt expp(tv)|t=0<br />

= d<br />

dt γtv(1)|t=0<br />

= d<br />

dt γv(t)|t=0<br />

= v.<br />

4.5 Geodätische und Kürzeste<br />

Wir haben schon gesehen, dass im euklidischen Raum die Verbindungsgeraden zwischen<br />

zwei Punkten der kürzeste Weg ist, der die beiden Punkte verbindet. In allgemeinen<br />

<strong>Riemannsche</strong>n Mannigfaltigkeiten sind Geodäten, die ja dadurch definiert sind, das die<br />

Geschwindigkeit konstant ist, die naheliegende Verallgemeinerung von Verbindungsgeraden.<br />

Wir wollen jetzt zeigen, dass auch sie lokal die kürzesten Wege sind, die zwei<br />

Punkte miteinander verbinden.<br />

Definition 4.15. Sei (M, g) eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit und γ : [a, b] → M<br />

ein glatter Weg. Dann heißt eine Fortsetzung der Abbildung γ<br />

γ : [a, b] × (−ɛ, ɛ) → M, (t, τ) ↦→ γ(t, τ) mit γ(t, 0) = γ(t).


4.5. GEODÄTISCHE UND KÜRZESTE 53<br />

Eine Variation des Weges γ. Wenn <strong>für</strong> alle τ ∈ (−ɛ, ɛ) gilt γ(a, τ) = γ(a) und<br />

γ(b, τ) = γ(b) dann heißt γ eine Variation mit festen Endpunkten. Für solche Variation<br />

definieren<br />

X(t, τ) = ∂γ<br />

∂γ<br />

(t, τ) und Y (t, τ) = (t, τ)<br />

∂t ∂τ<br />

zwei Vektorfelder längs der entsprechenden Wege und längs der Variation X wird das<br />

Geschwindigkeitsvektorfeld genannt und Y das Variationsvektorfeld.<br />

Satz 4.16. (Erste Variation der Bogenlänge) Sei γ : [a, b]×(−ɛ, ɛ) → M eine Variation<br />

der nicht konstanten Geodäte γ : [a, b] → M. Für alle τ ∈ (−ɛ, ɛ) sei l(τ) = l(γ(·, τ)) =<br />

b<br />

| ∂γ<br />

|dt. Dann gilt<br />

∂t<br />

a<br />

∂<br />

x<br />

l(0) = g(Y, ) |(b,0)<br />

(a,0) ∂τ |x| .<br />

Hierbei bezeichnet X = ∂γ<br />

∂γ<br />

das Geschwindigkeitsvektorfeld und Y = das Variations-<br />

∂t ∂τ<br />

vektorfeld der Variation γ. Wenn die Geodäte nach Bogenlänge parametrisiert ist gilt<br />

also<br />

∂<br />

l(0) = g(Y, X) |(b,0)<br />

(a,0) ∂τ .<br />

Insbesondere ist <strong>für</strong> jede Variation mit festen Endpunkten<br />

Beweis:<br />

∂ ∂<br />

l(τ) =<br />

∂τ ∂τ<br />

=<br />

b<br />

a<br />

<br />

=<br />

a<br />

b<br />

b<br />

a<br />

∂l(0)<br />

∂τ<br />

= 0.<br />

g( ˙γ(t, τ), ˙γ(t, τ))dt<br />

1 ∂<br />

(g( ˙γ(τ, τ), ˙γ(t, τ)))dt<br />

2| ˙γ(t, τ)| ∂τ<br />

1<br />

|X, (t, τ)| g<br />

2 ∂ γ(t, τ)<br />

,<br />

∂τ∂t<br />

∂γ(t, τ)<br />

<br />

dt.<br />

∂t<br />

Hierbei haben wir die zweiten Ableitungen der Abbildung γ wie im Abschnitt über<br />

die zweiten Ableitungen definiert. Wenn wir die Eigenschaften dieser zweiten Ableitungen<br />

benutzen und dass <strong>für</strong> τ = 0 der Weg γ(·, τ) eine Geodäte ist, dann erhalten<br />

wir


54 KAPITEL 4. MANNIGFALTIGKEITEN ALS METRISCHE RÄUME<br />

d<br />

l(0) =<br />

dτ<br />

<br />

=<br />

a<br />

b<br />

<br />

=<br />

a<br />

b<br />

<br />

=<br />

a<br />

b<br />

b<br />

a<br />

1<br />

|X, (t, 0)| g<br />

2 ∂ γ(t, 0)<br />

,<br />

∂t∂τ<br />

∂γ(t, 0)<br />

1 ∂<br />

|X, (t, 0)| ∂t g<br />

<br />

∂γ(t, 0)<br />

,<br />

∂τ<br />

∂γ(t, 0)<br />

<br />

dt<br />

∂t<br />

<br />

dt<br />

∂t<br />

1<br />

|X, (t, 0)| g<br />

<br />

∂γ(t, 0)<br />

,<br />

∂t<br />

∂2γ(t, 0)<br />

∂t2 <br />

dt<br />

1 ∂<br />

g(Y (t, 0), X(t, 0))dt<br />

|X, (t, 0)| ∂t<br />

1<br />

=<br />

|X(t, 0)|<br />

g(Y (t, 0), X(t, 0)) |(b,0)<br />

(a,c) .<br />

Wir bemerken noch, dass <strong>für</strong> Geodäten |X(t, 0)| konstant ist, wegen<br />

<br />

2 ∂<br />

∂ γ ∂γ<br />

g(X(t, 0), X(t, 0)) = 2g (t, 0), (t, 0)<br />

∂t ∂t2 ∂t<br />

= 0.<br />

Satz 4.17. (Gauß Lemma) Sei (M, g) eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit und p ∈ M.<br />

Dann gilt <strong>für</strong> alle u ∈ Op, v, w ∈ TpM mit v ∈ Ru:<br />

g exp p(u)(Dv exp p(x), Dw exp p(x)) = gp(v, w).<br />

Für hinreichend kleiner δ > 0 werden also die Sphären {u ∈ TpM | |u| = δ}<br />

durch exp p diffeomorph auf Untermannigfaltigkeiten von M abgebildet, die die von p<br />

ausgehenden Geodäten senkrecht schneiden.<br />

Beweis: Für u = 0 folgt die Aussage aus der Berechnung der Ableitung der Exponentialabbildung<br />

im Punkt Null. Sei also u = 0. Dann können wir wegen der Linearität<br />

v = u annehmen. Wir betrachten die Variation γ(t, τ) = exp(t(u cos τ + w sin(τ)))<br />

der Geodäten t ↦→ exp(tu). Das Geschwindigkeitsvektorfeld und Variationsvektorfeld<br />

dieser Variation ist gegeben durch<br />

X(t, 0) = Du exp(tu)<br />

Y (t, 0) = Dtw exp(tu)


4.5. GEODÄTISCHE UND KÜRZESTE 55<br />

Die Längen aller Wege γ(·, τ) dieser Variation sind gegeben durch<br />

Daraus folgt<br />

l(γ(·, τ)) = |u cos τ + w sin τ|.<br />

d<br />

dt l(γ(·, 0) = 2gp(u, w)<br />

2|u|<br />

Einsetzen in die Variantionsformel ergibt<br />

= gp(w, u<br />

|u| ).<br />

gp(w, u<br />

|u| ) = gexp(u)(Dw exp(u), Du exp(u)<br />

).<br />

|u|<br />

Daraus folgt die Behauptung. q.e.d.<br />

Satz 4.18. (Geodätische sind Kürzeste) Sei (M, g) eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit.<br />

Sei p ∈ M und ɛ > 0 so gewählt, dass<br />

Op,ɛ = {v ∈ TpM | |v| < ɛ}<br />

durch die Exponentialabbildung diffeomorph auf eine offene Umgebung von p abgebildet<br />

wird. Dann ist <strong>für</strong> alle v ∈ Op,ɛ<br />

und das Bild<br />

d(p, exp(v)) = |v|<br />

exp p[Op,ɛ] = {q ∈ M | d(p, q) < ɛ}.<br />

Die Kurve t → exp(tv) ist die bis auf monotone Umparametrisierung eindeutig bestimmte<br />

kürzeste Kurve von p nach exp(v).<br />

Beweis: Sei v ∈ Op,ɛ und γ ein Weg von p nach expp(v). Zumindest auf einem Teilstück<br />

von γ gibt es den einen Weg ˜γ in Op,ɛ, so dass gilt γ expp 0˜γ. Sei ˜ R : v → v das radiale<br />

|v|<br />

Einheitsvektorfeld auf Op,ɛ ⊂ TpM und ˜ R das durch expp davon induzierte Vektorfeld


56 KAPITEL 4. MANNIGFALTIGKEITEN ALS METRISCHE RÄUME<br />

auf exp p[Op,ɛ]. Dann gilt<br />

l(γ) =<br />

b<br />

a<br />

| ˙γ(t)|dt ≥<br />

b<br />

a<br />

<br />

=<br />

a<br />

b<br />

<br />

=<br />

a<br />

b<br />

<br />

=<br />

a<br />

b<br />

gγ(t)( ˙γ(t), R)dt<br />

gp(˙˜γ(t), ˜ R)dt<br />

gp<br />

<br />

˙˜γ(t), ˜γ(t)<br />

<br />

dt<br />

˜γ(t)<br />

d<br />

|˜γ(t)|dt = |˜γ(b)| − |˜γ(a)| = |˜γ(b)|.<br />

dt<br />

Gleicheit gilt in der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung nur, wenn ˙γ(t) und R kolinear<br />

sind, wenn also ˙˜γ(t) und ˜ R kolinear sind, also ˜γ eine Umparametrisierung von t ↦→<br />

exp(tv) ist. Dann folgt die Aussage <strong>für</strong> alle v Wege, die in Op,ɛ verbleiben. Alle anderen<br />

Wege müssen aber den Rand von Op,ɛ passieren, so dass sie auch länger als ɛ und damit<br />

als die Länge des dem Endpunkt entsprechenden Elementes in Op,ɛ sein müssen.q.e.d.<br />

Weil die Geodäten alle also lokal Kürzeste sind folgt sofort:<br />

Korollar 4.19. Sei (M, g) eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit. Dann kann man jede<br />

Geodätische in endlich viele Kürzeste zerlegen, d.h. wir können den Definitionsbereich<br />

durch endlich viele Intervalle überdecken, auf denen die Geodätische eine Kürzeste ist.<br />

q.e.d.<br />

Satz 4.20. Jede Kürzeste ist eine Umparametrisierung einer Geodätischen.<br />

Beweis: Sei γ : [a, b] → M eine Kürzeste. Dann ist wegen der Dreiecksungleichung <strong>für</strong><br />

alle s < t ∈ [a, b] auch die Einschränkung von γ auf [s, t] eine Kürzeste. Dann folgt aus<br />

dem Satz, dass der Definitionsbereich von γ durch offene Intervalle überdeckt werden<br />

kann, auf denen γ eine Umparametrisierung einer Geodäte ist. q.e.d.<br />

4.6 Der Satz von Hopf Rinow<br />

Der Satz von Hopf Rinow besagt grob gesprochen, dass alle möglichen Charakterisierungen<br />

von <strong>Riemannsche</strong>n mannigfaltigkeiten als vollständig äquivalent sind.


4.6. DER SATZ VON HOPF RINOW 57<br />

Satz 4.21. (von Hopf Rinow) Sei M, g) eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit. Dann<br />

sind die folgenden Aussagen äquivalent:<br />

(i) Für alle p ∈ M und alle v ∈ TpM existiert die Geodäte γ mit γ(0) = p und<br />

γ ′ (0) = v <strong>für</strong> alle t ∈ R.<br />

(ii) Für ein p ∈ M und alle v ∈ TpM existiert die Geodäte γ und γ(0) = p und<br />

γ ′ (0) = v <strong>für</strong> alle t ∈ R.<br />

(iii) M hat die Heine-Borel Eigenschaft, d.h. jede beschränkte abgeschlossene Menge<br />

ist kompakt.<br />

(iv) M ist als metrischer Raum vollständig.<br />

Beweis: Offenbar folgt (ii) aus (i). Weil <strong>für</strong> jede Cauchyfolge die entsprechende Folge<br />

der Abstände zu einem beliebigen Punkt p ∈ M beschränkt ist, und weil jeder kompakte<br />

metrische Raum auch vollständig ist folgt auch (ii) aus (iii). Wenn (i) nicht gilt, dann<br />

gibt es eine Geodäte γ mit maximalem Definitionsbereeich (a, b) ⊂ R, so dass entweder<br />

−∞ < a oder b < ∞. In beiden Fällen gibt es dann eine Cauchyfolge (γ(tn))n∈N mit<br />

lim<br />

n→∞ tn = a bzw. lim tn = b. Wenn diese Cauchyfolge konvergiert, muss diese Geodäte<br />

n→∞<br />

jede kompakte Umgebung von dem Grenzwert verlassen. Weil die Exponentialabbildung<br />

aber lokal ein Diffeomorphismus ist, besitzt jeder Punkt p ∈ M eine kompakte<br />

Umgebung, also auch der Grenzwert der Cauchyfolge, soblad er existiert. Deshalb folgt<br />

auch (i) aus (iv).<br />

Zuletzt zeigen wir, dass aus (ii) auch (iii) folgt. Weil jede abgeschlossene Menge<br />

einer kompakten Menge beschränkt ist, und weil das Bild jeder kompakten menge unter<br />

der stetigen Exponentialabbildung kompakt ist, gelingt es zu zeigen, dass aus (ii)<br />

folgt, dass <strong>für</strong> alle r > 0 das Bild exp p[B(0, r)] gleich B(p, t) ist. Offenbar besitzen alle<br />

Punkte in exp p[B(0, r)] einen Weg von nach p der Länge ≤ t. Deshalb ist exp p[B(0, r)]<br />

in B(p, r) enthalten. Sei I = {r ∈ R + 0 | exp p[B(0, r)] ⊃ B(p, r)}. Wir wissen bereits,<br />

dass I eine offene Umgebung von =∈ R + 0 enthält. Wir zeigen jetzt, dass I sowohl offen<br />

als auch abgeschlossen ist. Weil alle Intervalle und damit auch R + 0 zusammenhängend<br />

sind, folgt daraus, dass I = R + 0 ist, also (iii) gilt.<br />

Sei (rn)n∈N eine monoton wachsende beschränkte Folge in I, die gegen r konvergiert.<br />

Dann gibt es <strong>für</strong> jedes q ∈ B(p, r) und jedes ɛ > 0 einen Weg von p nach q der Länge<br />

r + ɛ. Also gibt es eine konvergente Folge (qn)n∈N von Punkten, die jeweils in dem<br />

B(p, rn) mit dem gleichen Index liegen, und gegen q konvergiert. Dann gibt es auch<br />

eine Folge (Vn)n∈N von Elementen in TpM, die jeweils in B(0, rn) mit dem gleichen


58 KAPITEL 4. MANNIGFALTIGKEITEN ALS METRISCHE RÄUME<br />

Index liegen, so dass exp p(vn) = qn gilt <strong>für</strong> alle n ∈ N. Weil B(0, r) ⊂ TpM kompakt<br />

ist, konvergiert eine Teilfolge von (Vn)n∈N in TpM gegen ein V ∈ B(0, r) ⊂ TpM. Aus<br />

der Stetigkeit der Exponentalabbildung folgt<br />

Also gilt<br />

exp p(v) = lim<br />

n→∞ exp p(vn) = lim<br />

n→∞ qn = q.<br />

exp p[B(0, r)] ⊃ B(p, r).<br />

Deshalb ist I abgeschlossen.<br />

Sei R ∈ I. Wir zeigen, dass es dann ein ɛ > 0 gibt, so dass auch R + ɛ ∈ I gilt.<br />

Offenbar ist dann B(p, R) = exp p[B(0, R)] kompakt. Weil die Exponentialabbildung<br />

lokal ein Diffeomorphismus ist, besitzt jeder Punkt von M eine Umgebung, dessen<br />

Abschluss kompakt ist. Weil jede offene Überdeckung von B(p, R) durch Umgebung<br />

von allen Punkten von B(p, R) eine endliche Teilüberdeckung besitzt, gibt es dann<br />

auch eine kompakte Teilmenge K ⊂ M, die eine Umgebung von B(p, R) ist. Sei jetzt<br />

ɛ > 0 so gewählt, dass alle Paare von Punkten in K, deren Abstand kleiner als ɛ > 0<br />

ist, durch eine eindeutige Kürzeste verbunden werden können. Jedes q in B(p, R + ɛ),<br />

das nicht in B(p, R) liegt, besitzt <strong>für</strong> jedes n ∈ N einen Weg γn von p nach q der Länge<br />

≤ d(p, q) + 1<br />

n . Sei dann <strong>für</strong> jedes δ > 0 tn der kleinste Parameter von dem Weg γn<br />

der nicht mehr in B(0, R) liegt. Sei B(0, R) \ B(0, R) ein Häufungspunkt der Folge<br />

(γn(tn))n∈N. Dann muss gelten<br />

R + δ(s, q) = d(p, s) + d(s, q) = lim<br />

n→∞ d(p, q) + 1<br />

n<br />

= d(p, q).<br />

Weil δ(s, q) < ɛ ist, lassen sich s und q durch eine eindeutige Kürzeste verbinden.<br />

Die Kombination der Geodäte von p nach s mit dieser Geodäte liefert eine Kürzeste<br />

von p nach q. Weil Kürzeste lokal immer unparametrisierte Geodäten sind, ist diese<br />

Kombination selber eine Geodäte von p nach q. Also liegt q ind exp p[B(0, R + ɛ)].<br />

Deshalb ist I also offen. q.e.d.<br />

Wir haben im Beweis von (ii)⇒(iii) sogar gezeigt, dass <strong>für</strong> alle p ∈ M und alle<br />

r ≥ 0 gilt<br />

exp p[B(0, r)] = B(p, r).<br />

Korollar 4.22. Sei (M, p) eine vollständige <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit. Dann lassen<br />

sich zwei beliebige Punkte p, q ∈ M durch eine Kürzeste verbinden.<br />

q.e.d.<br />

Korollar 4.23. Sei (M, p) eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit, die eine eigentliche<br />

Lipschitzstetige Funktion f : M → R besitzt. Dann ist (M, g) vollständig. Hierbei heißt<br />

eine Funktion eigentlich, wenn das Urbild von kompakten Mengen kompakt ist.


4.7. KRÜMMUNG UND JACOBIFELDER 59<br />

Beweis: Wir zeigen, dass unter den angegebenen Voraussetzungen (M, g) die Heine-<br />

Borel-Eigenschaft hat. Wegen der Lipschitzstetigkeit von f ist das Bild jeder beschränkten<br />

menge von M unter f ebenfalls beschränkt. Deshalb ist jede abgeschlossene und<br />

beschränkte Teilmenge von M eine abgeschlossene Teilmenge einer kompakten Teilmenge,<br />

und damit selber kompakt. q.e.d.<br />

Im Folgenden werden wir uns überwiegend mit vollständigen <strong>Riemannsche</strong>n Mannigfaltigkeiten<br />

beschäftigen.<br />

4.7 Krümmung und Jacobifelder<br />

In diesem Abschnitt wollen wir die Längenverzerrung der Exponentialabbildung ausrechnen.<br />

Sei also (M, p) eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit und p ∈ M. Für zwei<br />

Elemente v, w ∈ TpM definieren wir eine Variation der Geodäte<br />

γ : [0, 1] → M, t ↦→ exp p(tv).<br />

Hierbei setzen wir voraus, dass die Exponentialabbildung auf allen auftretenden Elementen<br />

von TpM definiert ist, was z.B. immer dadurch garantiert werden kann, dass<br />

(M, g) vollständig ist.<br />

γ : [0, 1] × (−ɛ, ɛ) → M, (t, τ) ↦→ exp p(t(v + τw)).<br />

Das entsprechende Variationsvektorfeld Y (t) = Y (t, 0) ist also gegeben durch<br />

Y (t) = ∂<br />

<br />

<br />

γ(t, τ) = D exp<br />

∂τ<br />

p(tv)(tw).<br />

Insbesondere ist Y (0) = 0 und<br />

<br />

<br />

Y (t)<br />

Außerdem gilt<br />

˙Y (0) = ∇ ∂<br />

∂t<br />

t=0<br />

τ=0<br />

= ∂2 γ<br />

∂t∂τ<br />

∇ ∂ ∇ ∂ Y (t, 0) = ∇ ∂ ∇ ∂ X(t, τ) =<br />

∂t ∂t<br />

∂t ∂τ<br />

∇ ∂ ∇ ∂<br />

∂t ∂τ<br />

<br />

<br />

<br />

t=0,τ=0<br />

X(t, τ) − ∇ ∂<br />

∂τ<br />

= R(X(t, τ), Y (t, τ))X(t, τ).<br />

Indem wir auf τ = 0 einschränken erhalten wir<br />

= ∂2 <br />

γ <br />

<br />

∂τ∂t<br />

t=0,τ=0<br />

= w.<br />

∇ ∂ X(t, τ) − ∇ ∂ ∂<br />

[ , ]X(t, τ)<br />

∂t<br />

∂t ∂τ<br />

¨Y (t) = −R(Y (t), X(t))X(t) mit<br />

X(t) = ∂γ<br />

<br />

<br />

<br />

(t, τ) und Y ¨ <br />

(t) = ∇ ∂ ∇ ∂ Y (t, τ)<br />

∂t ∂t ∂t<br />

τ=0<br />

τ=0<br />

.


60 KAPITEL 4. MANNIGFALTIGKEITEN ALS METRISCHE RÄUME<br />

Definition 4.24. Sei γ : I → M eine Geodätische in der <strong>Riemannsche</strong>n Mannigfaltigkeit<br />

(M, g). Ein Vektorfeld Y : I → T M längs γ heißt Jacobifeld, wenn<br />

¨Y + R(Y, X)X = 0<br />

gilt <strong>für</strong> alle t ∈ [0, 1], dabei ist X, (t) = dγ<br />

(t) das Geslchwindigkeitsvektorfeld der<br />

dz<br />

Geodätischen γ.<br />

Bemerkung 4.25. Die Jacobigleichung ist eine lineare Differentialgleichung 2.Ordnung,<br />

so dass der Raum der Jacobifelder längs einer Geodätischen γ die Dimension<br />

2 dim M hat. Wenn Y eine Lösung der Jacobigleichung ist, dann ist auch<br />

Y =<br />

g(Y, X)<br />

g(X, X) X<br />

eine Lösung der Jacobigleichung tangential an die Geodätische.<br />

Aus der obigen Rchnung folgt<br />

Satz 4.26. (Differential der Exponentialabbildung) Seien (M, g) eine <strong>Riemannsche</strong><br />

Mannigfaltigkeit, p ∈ M und v, w ∈ TpM, so dass exp p(v) definiert ist. Dann ist <strong>für</strong><br />

t ∈ [0, 1].<br />

Y (t) = D exp p(tv)(tw)<br />

das eindeutig definierte Jacobifeld längs γ(t) = exp p(tv) mit den Anfangsbedingungen<br />

Y (0) = 0 und ˙ Y (0) = w. q.e.d.<br />

Definition 4.27. Sei (M, g) eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit und γ : [a, b] → M<br />

eine glatte Kurve. Dann heißt ein Schnitt X von dem Vektrobündel γ ∗ T M über [a, b]<br />

Vektorfeld längs γ:<br />

X : [a, b] → T M und π ◦ X = γ.<br />

Ein Vektorfeld längs γ heißt parallel, wenn <strong>für</strong> alle t ∈ [a, b] gilt<br />

∇ ˙γ(t)X(t) = 0.<br />

Satz 4.28. Sei (M, g) eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit und γ : [a, b] → M eine<br />

glatte Kurve. Dann existiert <strong>für</strong> alle v ∈ Tγ(t0)M mit t0 ∈ [a, b] genau ein paralleles<br />

Vektorfold X längs γ mit X(t0) = v.<br />

Beweis: Wir überdecken die kompakte Teilmenge γ[[a, b]] ⊂ M durch die Definitionsbereiche<br />

von endlich vielen Karten. Dann können wir insbesondere [a, b] durch<br />

endlich viele offene Teilintervalle überdecken, so dass γ jedes der Teilintervalle in den<br />

Definitionsbereich einer Karte abbildet. Indem wir offene Teilintervalle gegebenenfalls


4.7. KRÜMMUNG UND JACOBIFELDER 61<br />

weglassen, könen wir erreichen, dass jeder Punkt von [a, b] in höchstens zwei Intervallen<br />

enthalten ist. Indem wir in Schnittmengen von zwei Teilintervallen jeweils einen Punkt<br />

<strong>für</strong> den Kartenwechsel auswählen, erhalten wir auf ganz [a, b] eine stetige stückweise<br />

glatte Basis von γ ∗ T M. Weil GL(n, R) eine offene Teilmenge als reellen n×n Matrizen<br />

eine differenzierbare Mannigfaltigkeit ist, können wir mit einer geeigneten Zerlegung<br />

der Eins die Basis von γ ∗ T M in eine glatte Basis umwandeln. Also ist γ ∗ T M ein triviales<br />

Vektorbündel über [a, b]. In diesem trivialen Vektorbündel wird die Gleichung<br />

∇ ˙γ(t)X(t) = 0 zu einer linearen Differentialgleichung mit glatten Koeffizienten. Die<br />

Bedingung X(t0) = v ergibt ein Anfangswertproblem, dass wegen der Theorie der linearen<br />

gewöhnlichen Differentialgleichungen mit stetigen Koeffizienten auf ganz [a, b]<br />

eine eindeutige Lösung besitzt. q.e.d.<br />

Die Fundamentallösung dieser linearen Differentialgleichung definiert <strong>für</strong> jeden glatten<br />

Weg γ : [a, b] → M mit Anfangswerten in t0 = a durch auswerten bei t = b eine<br />

lineare Abbildung von Tγ(a)M nach Tγ(b)M. Wenn X und Y zwei Vektorfelder längs γ<br />

sind, dann gilt <strong>für</strong> alle t ∈ [a, b]<br />

∇ ˙γ(t)g(X(t), Y (t)) = g(∇ ˙γ(t)X(t), Y (t)) + g(X, (t)∇ ˙γ(t)Y (t)).<br />

Also ist <strong>für</strong> parallele Vektorfelder X und Y das Skalarprodukt g(X(t), Y (t)) längs γ<br />

konstant. Insbesondere ist die obige Abbildung von Tγ(a)M eine bijektive Isometrie<br />

zwischen den beiden Hilberträumen Tγ(a)M und Tγ(b)M.<br />

Definition 4.29. Sei (M, g) eine zusammenhängende <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit.<br />

Dann ist <strong>für</strong> einen Punkt p ∈ M die Holomoniegruppe in p, die abgeschlossene Untergruppe<br />

von den orthogonalen Abbildungen von TpM auf sich selber, die von den<br />

Paralleltransporten längs aller glatten geschlossenen Wege von p nach p erzeugt wird.<br />

Lemma 4.30. Seien (M, g) eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit und γ : [a, b] → M<br />

eine Geodätische in M.<br />

(i) Für alle Variationen γ : [a, b] × (−ɛ, ɛ) → M, (t, τ) ↦→ γ(t, τ) die <strong>für</strong> alle τ ∈<br />

(−ɛ, ɛ) aus Geodätischen besteht, ist das Variationsvektorfeld Y (t) = ∂γ<br />

(t, 0) ein<br />

∂τ<br />

Jacobifeld.<br />

(ii) Jedes Jacobifeld längs einer Geodätischen γ kann man wie in (i) erhalten.<br />

Beweis: (i) In der Rechnung, in der wir die Jacobigleichung hergeleitet haben, haben<br />

wir nur benutzt, dass <strong>für</strong> alle τ ∈ (−ɛ, ɛ) der Weg t ↦→ γ(t, τ) eine Geodätische ist. Also<br />

folgt (i) aus dieser Rechnung.<br />

(ii) Seien X0 = ˙γ(a), Y0 und Y1 Elemente von Tγ(a)M. Dann erweitern wir zunächst<br />

γ(a, τ) auf einen Intervall τ ∈ (−ɛ, ɛ) durch γ(a, τ) = exp γ(a)(τ · Y0). Längs dieser


62 KAPITEL 4. MANNIGFALTIGKEITEN ALS METRISCHE RÄUME<br />

Geodäte gibt es dann parallele Vektorfelder X(τ) und Y (τ) mit X(0) = X0 ∈ Tγ(a)M<br />

und Y (0) = Y1. Dann definieren wir die gesamte Variation γ durch<br />

γ(t, τ) = exp γ(a,τ)(t(X(τ) + τY (τ))).<br />

Offenbar sind <strong>für</strong> alle τ ∈ (−ɛ, ɛ) die Wege t ↦→ γ(t, τ) Geodäten. Wegen (i) ist das<br />

Variationsvektorfeld<br />

∂γ(t, τ)<br />

Y (t, τ) =<br />

∂τ<br />

dann ein Jacobifeld. Für t = a gilt<br />

und<br />

Y (a, 0) =<br />

∂γ(a, 0)<br />

∂τ<br />

= Y0<br />

˙Y (a, 0) = ∇ ˙γ(a,0)Y (a, 0) = ∇ ∂γ<br />

(a,0)X(a, 0)<br />

∂τ<br />

= ∇ ∂γ (a,0)(X(τ) + τY (τ)) = Y (0) = Y1<br />

∂τ<br />

Wegen dem Satz von Picard Lindelöff gibt es <strong>für</strong> die Anfangswerte Y (a) = Y0 und<br />

˙Y (a) = Y1 nur genau ein Jacobifeld. Daraus folgt (ii). q.e.d.<br />

Bemerkung 4.31. Sei γ : [a, b] → M eine Gedätische und Y : [a, b] → γ ∗ T M ein<br />

Jacobifeld. Dann zeigt eine einfache Rechnung, dass auch<br />

Y (t) =<br />

g(Y (t), ˙γ(t))<br />

g( ˙γ(t), ˙γ(t)) ˙γ(t)<br />

ein tangentiales Jacobifeld längs γ ist. Also ist auch Y ⊥ = Y − Y ein Jacobifeld längs<br />

γ, dass orthogonal zum Geschwindigkeitsvektorfeld ˙γ(t) ist. Die Tangentialkomponente<br />

ist immer von der Form<br />

Y (t) = (α + tβ) ˙γ(t)<br />

ist also nicht interessant.<br />

Eine ähnliche Rechnung, wie die Berechnung der Jacobigleichung zeigt, dass die<br />

natürliche Definition der dritten Ableitungen von glatten Abbildungen<br />

nicht mehr kommutativ ist. Definieren wir<br />

∂ 3 γ(s, t, u)<br />

∂u∂t∂s<br />

γ : Ω → M, Ω ⊂ R m<br />

= ∇ ∂γ<br />

∂u (s,t,u)<br />

∂ 2 γ(s, t, u)<br />

∂t∂s


4.8. DIE ZWEITE VARIATION UND DER SATZ VON JACOBI 63<br />

dann gilt<strong>für</strong> drei Parameter s, t, u von Ω ⊂ R m :<br />

∂3γ(s, t, u)<br />

∂u∂t∂s − ∂3γ(s, t, u)<br />

∂t∂u∂s<br />

Dabei benutzen wir wieder<br />

<br />

∂γ(s, t, u)<br />

,<br />

∂u<br />

∂γ(s, t, u)<br />

<br />

∂γ(s, t, u)<br />

= R<br />

,<br />

∂u<br />

∂γ(s, t, u)<br />

<br />

= 0<br />

∂t<br />

und die Definition des <strong>Riemannsche</strong>n Krümmungstensors.<br />

<br />

∂γ(s, t, u)<br />

.<br />

∂t ∂s<br />

4.8 Die zweite Variation und der Satz von Jacobi<br />

Für die Frage, ob Geodätische Kürzeste sind, ist es naheliegend nicht nur die erste<br />

Variation der Länge sondern auch die zweite Variation der Länge auszurechnen. Wir<br />

betrachten also eine Variation<br />

γ : [a, b] × (−ɛ, ɛ) → M<br />

einer Geodätischen und berechnen dann die zweite Ableitung der Länge. Wir bezeichnen<br />

wieder mit X − ˙γ das Geschwindigkeitsvektorfeld und mit Y = ∂ das Variations-<br />

∂τ<br />

vektorfeld der Variation γ(t, τ).<br />

dl(γτ)<br />

dτ =<br />

b<br />

a<br />

∂<br />

|X|dt =<br />

∂τ<br />

b<br />

a<br />

<br />

=<br />

a<br />

b<br />

<br />

=<br />

a<br />

b<br />

1 ∂<br />

g(X, X)dt<br />

2|X| ∂τ<br />

1<br />

|X| g (∇Y X, X) dt<br />

1<br />

|X| g (∇XY, X) dt.


64 KAPITEL 4. MANNIGFALTIGKEITEN ALS METRISCHE RÄUME<br />

Dann folgt<br />

d 2 l(γτ)<br />

d 2 τ<br />

= d<br />

dτ<br />

<br />

= −<br />

a<br />

b<br />

a<br />

b<br />

<br />

= −<br />

a<br />

b<br />

<br />

= −<br />

+<br />

b<br />

a<br />

Für τ = 0 folgt:<br />

a<br />

b<br />

1<br />

|X| g (∇XY, X) dt<br />

1<br />

|X| 3 g2 (∇XY, X) dt +<br />

1<br />

|X| 3 g2 (∇XY, X) dt +<br />

1<br />

|X| 3 g2 (∇XY, X) dt +<br />

g (∇X∇Y Y, X)<br />

dt +<br />

|X|<br />

d2l(γτ) d2 (γτ) = −<br />

τ<br />

1<br />

b<br />

|X|<br />

+ 1<br />

|X|<br />

= 1<br />

|X|<br />

+ 1<br />

|X|<br />

b<br />

a<br />

<br />

a<br />

b<br />

a<br />

b<br />

a<br />

b<br />

a<br />

<br />

a<br />

<br />

a<br />

b<br />

b<br />

1<br />

|X| ∂τg (∇XY, X) dt<br />

g (∇Y ∇XY, X)<br />

dt +<br />

|X|<br />

g<br />

(R(Y, X)Y, X)<br />

dt<br />

|X|<br />

g (∇XY, ∇Y X)<br />

dt.<br />

|X|<br />

1<br />

|X| 2 g2 ( ˙ Y , X)dt + 1<br />

|X|<br />

g (∇X∇Y Y, X) dt + 1<br />

|X|<br />

g( ˙ Y ⊥ , ˙ Y ⊥ )dt + 1<br />

b<br />

|X|<br />

a<br />

Weil γ(t, 0) eine Geoätische ist gilt nämlich<br />

<br />

a<br />

b<br />

∂<br />

∂t Y ⊥ = ∇XY ⊥ = ∇X<br />

b<br />

a<br />

<br />

a<br />

b<br />

b<br />

a<br />

g (∇XY, ∇Y X)<br />

dt<br />

|X|<br />

(R(Y, X)Y, X)dt<br />

g( ˙ Y , ˙ Y )dt<br />

g(R(Y, X)Y, X)dt<br />

(∂tg (∇Y Y, X) − g (∇yY, ∇XX)) dt.<br />

<br />

Y − 1<br />

g(Y, X)X<br />

|X| 2<br />

= ˙ Y − 1<br />

|X| 2 g( ˙ Y , X)Y = ˙ Y ⊥ .


4.8. DIE ZWEITE VARIATION UND DER SATZ VON JACOBI 65<br />

Dann folgt aus den Eigenschaften des <strong>Riemannsche</strong>n Krümmungstensors<br />

g(R(Y, X)Y, X) = −g(R(Y, X)X, Y ) = −g(R(Y, X)X; Y ⊥ ) = −g(R(Y ⊥ , X, Y ⊥ ).<br />

Deshalb erhalten wir<br />

d2l(γτ) 1<br />

=<br />

dτ 2<br />

|X| g (∇Y<br />

<br />

<br />

Y, X) <br />

<br />

(b,c)<br />

(a,0)<br />

+ 1<br />

|X|<br />

b<br />

a<br />

<br />

g( ˙ Y ⊥ , ˙ Y ⊥ ) − g(R(Y ⊥ , X)X, Y ⊥ <br />

) dt<br />

Für Variationen mit festen Endpunkten verschwinden Y und seine τ- Ableitungen an<br />

den Endpunkten. Deshalb verschwindet dann der Randterm.<br />

Definition 4.32. (Indexformel) Sei (M, g) eine <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit und<br />

γ : [a, b] → M eine Geodätische in M mit | ˙γ| > 0. Definiere <strong>für</strong> Vektorfelder Y1, Y2<br />

längs γ · [a, b] → M die Indexformel<br />

I(Y1, Y2) = 1<br />

| ˙γ|<br />

b<br />

a<br />

(g( ˙ Y1, ˙ Y2) − g(R(Y1, ˙γ) ˙γ, Y2))dt.<br />

Das ist offenbar eine symmetrische Bilinearform. Mit ihr erhalten wir<br />

Satz 4.33. (Formel von Synge <strong>für</strong> die zweite Variation) Sei γ[a, b] × (−ɛ, ɛ) → M eine<br />

Variation der Geodätischen γ und | ˙γ| > 0. Dann gilt<br />

d2l(γi) 1<br />

=<br />

dτ 2 | ˙γ| g (∇Y<br />

(b,0)<br />

<br />

y, X) <br />

+ I(Y ⊥ , Y ⊥ ).<br />

Hierbei ist X das Geschwindigkeitsvektorfeld der Geodätischen und Y das Variationsfeld<br />

der Variation γ:<br />

Y (t) = ∂γ<br />

∂τ<br />

(a,0)<br />

∂γ<br />

und X(t) = (t, 0).<br />

∂t<br />

q.e.d.<br />

Definition 4.34. (i) Sei γ : [a, b] → M eine nicht konstante Geodätische in der <strong>Riemannsche</strong>n<br />

Mannigfaltigkeit (M, g). Zwei Parameterwerte t0, t1 ∈ [a, b] heißen<br />

konjugiert, wenn es ein nicht verschwindendes Jacobifeld längs γ gibt, das bei t0<br />

und t1 verschwindet. Man nennt dann auch γ(t0) und γ(t1) zueinander längs γ<br />

konjugiert.<br />

(ii) Ein Element v ∈ TpM im Definitionsbereich der Exponentialabbildung heißt konjugiert,<br />

wenn exp p(v) längs der Geodätischen t ↦→ exp p(tv) zu exp p(0) konjugiert<br />

ist.


66 KAPITEL 4. MANNIGFALTIGKEITEN ALS METRISCHE RÄUME<br />

Satz 4.35. (Jacobi) Sei γ : [a, b] → M eine Geodätische in einer <strong>Riemannsche</strong>n<br />

Mannigfaltigkeit (M, g) und t ∗ ∈ (a, b) längs γ zu a konjugiert. Dann gibt es eine<br />

stückweise glatte Variation γ(t, τ) mit festen Endpunkten, so dass l(γτ) < l(γ) <strong>für</strong> alle<br />

τ = 0. Hier ist γτ <strong>für</strong> jedes τ ∈ (−ɛ, ɛ) der Weg t ↦→ γτ(t). Also ist nach konjugierten<br />

Punkten die Geodätische keine Kürzeste mehr.<br />

Beweis: Seien Y ein nicht triviales Jacobifeld längs γ mit Y (a) = 0 und Y (t ∗ ) = 0.<br />

Dann ist ˙ Y (t ∗ ) = 0, weil sonst das Jacobifeld trivial wäre. Wir definieren<br />

ˆY (t) =<br />

<br />

Y (t) <strong>für</strong> t ∈ [a, t∗]<br />

0 <strong>für</strong> t ∈ [t ∗ , b]<br />

Dann ist ˆ Y ein stetiges, stückweise glattes Vektorfeld längs γ. Wir wählen außerdem<br />

ein normales glattes Vektorfeld X längs γ, das X(a) = 0 = X(b) und g( ˙ Y (t ∗ ), X(t ∗ ) < 0<br />

erfüllt. Dann ist<br />

γ(t, τ) = exp γ(t)( ˆ Y (t) + ɛX(t))<br />

<strong>für</strong> kleine ɛ > 0 eine stückweise glatte Variation von γ(t) mit festen Endpunkten. Für<br />

sie gilt nach der Formel <strong>für</strong> die zweite Variation:<br />

d 2 l(γτ)<br />

dt 2<br />

= I( ˆ Y + ɛX, ˆ Y + ɛX) = I( ˆ Y , ˆ Y ) + 2ɛI( ˆ Y , X) + ɛ 2 I(X, X).<br />

Weil nämlich die tangentiale Komponente eines Jacobifeldes längs einer Geodäte wieder<br />

ein Jacobifeld ist und höchstens eine Nullstelle haben kann, muss jedes Jacobifeld längs<br />

einer Geodäte mit zwei Nullstellen normal sein. Deshalb verschwinden alle Randterme<br />

bei t = a, t = b und bei t = t ∗ in der Formel <strong>für</strong> die zweite Variation. Wir schreiben<br />

jetzt die Indexformel etwas um: Seien Y1 und Y2 glatte Vektorfelder längs der Geodäte<br />

γ. Dann gilt<br />

I(Y1, Y2) = 1<br />

| ˙γ|<br />

= 1<br />

| ˙γ|<br />

b<br />

a<br />

<br />

a<br />

b<br />

= 1<br />

| ˙γ| g( ˙ <br />

<br />

Y1, Y2) <br />

<br />

<br />

g( ˙ Y1, ˙ <br />

Y2) − g(R(Y1, ˙γ) ˙γ, Y2) dt<br />

<br />

d<br />

dt g( ˙ Y1, Y2) − g( ¨ <br />

Y1, Y2) − g(R(Y1, ˙γ) ˙γ, Y2) dt<br />

t=b<br />

t=a<br />

− 1<br />

| ˙γ|<br />

b<br />

a<br />

g( ¨ Y1 + R(Y1, ˙γ) ˙γ, Y2)dt.


4.9. DER SCHNITTORT 67<br />

Wenn also Y1 ein Jacobifeld ist verschwindet die Form I(Y1, Y2) bis auf die Randterme.<br />

Wir erhalten also<br />

d2l(γτ) dτ 2<br />

2ɛ<br />

<br />

˙ˆY ∗<br />

= g (t<br />

| ˙γ|<br />

−), X(t ∗ <br />

˙ˆY<br />

) − g (a+), X(a)<br />

+ 2ɛ<br />

<br />

˙ˆY ˙ˆY ∗<br />

g (b), X, (b) − g (t<br />

| ˙γ|<br />

+), X(t ∗ <br />

) + ɛ 2 I(X, X)<br />

<br />

2<br />

= ɛ<br />

| ˙γ| g( ˙ Y (t ∗ −), X(t ∗ <br />

)) + ɛI(X, X) .<br />

Für hinreichend kleines ɛ ist dieser Ausdruck negativ, und l(γτ) hat bei τ = 0 ein<br />

striktes lokales Maximum. Zu beachten ist noch, dass γ(t, τ) bei t = t ∗ zwar nicht<br />

differenzierbar, aber stetig ist, so dass γτ <strong>für</strong> kleine τ stetige Wege bleiben. q.e.d.<br />

4.9 Der Schnittort<br />

Definition 4.36. Sei (M, g) eine vollständige <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit. Auf dem<br />

Tangentialbündel definieren wir eine Funktions s mit Werten in (0, ∞]:<br />

s(v) = sup{t ∈ R + | d(π(v), exp π(v)(tv)) = t|v|} <strong>für</strong> alle v ∈ T M.<br />

Wir nennen s die Schnittfunktion von M. Offenbar ist <strong>für</strong> alle λ ∈ R + und alle v ∈<br />

T M, die nicht Null sind, die Schnittortfunktion s(λv) an der Stelle λv gleich λ −1 s(v).<br />

Deshalb genügt es die Schnittortfunktion auf dem Einheitstangentialbündel {v ∈ T M |<br />

|v| = 1} zu kennen, um s auf ganz T M zu kennen. Wegen der Stetigkeit von dem<br />

Abstand und der Exponentialfunktion ist <strong>für</strong> alle v ∈ T M mit |v| = 1 die Geodäte<br />

t ↦→ exp π(v) genau bis s(v) eine Kürzeste. Ist p ∈ M und v ∈ TpM, so heißt exp p(s(v)v)<br />

Schnittpunkt längs der Geodätischen t ↦→ exp p(tv). Die Menge<br />

heißt Schnittort von p.<br />

Cut(p) = {exp p(s(v)v) | v ∈ TpM mit |v| = 1}<br />

Im folgenden Satz charakterisieren wir den Schnittort einer vollständigen <strong>Riemannsche</strong>n<br />

Mannigfaltigkeit.<br />

Satz 4.37. Sei (M, g) eine vollständige <strong>Riemannsche</strong> Mannigfaltigkeit. Sei p ∈ M und<br />

v ∈ TpM mit |v| = 1, dann gilt<br />

(i) Für die Geodäte t ↦→ exp p(tv) gilt entweder<br />

(a) t = s(v) ist der erste zu p kunjugierte Punkt auf der Geodäte t ↦→ exp p(tv).


68 KAPITEL 4. MANNIGFALTIGKEITEN ALS METRISCHE RÄUME<br />

(b) Es gibt eine andere Kürzeste von p nach exp p(s(v)v).<br />

(ii) Gilt umgekehrt <strong>für</strong> ein positives t0 eine von den beiden folgenden Bedingungen <strong>für</strong><br />

die Geodäte t ↦→ exp p(tv), dann gilt s(v) ≤ t0.<br />

(a) exp p(t0v) ist längs t ↦→ exp p(tv) zu p konjugiert.<br />

(b) Es gibt eine andere Kürzeste von p nach exp p(t0v).<br />

Beweis:(i) Wegen dem Satz von Hopf Rimow gibt es zu jedem q ∈ M eine Kürzeste von<br />

p nach q. Diese ist wegen der Charakterisierung von Kürzesten eine Geodäte. Deshalb<br />

gibt es <strong>für</strong> jedes ɛ > 0 ein vɛ ∈ TpM mit |vɛ| = 1 und, so dass die Geodäte t ↦→ exp p(tvɛ)<br />

den Punkt exp p((s(v)+ɛ)v) an einen t ∈ [s(v), s(v)+ɛ) trifft. Also gibt es eine Nullfolge<br />

(ɛn)n∈N von positiven Zahlen und eine Folge (vn)n∈N in {w ∈ TpM | |w| = 1} so<br />

dass <strong>für</strong> alle n ∈ N die Geodäte t ↦→ exp(tvn) den Punkt exp p((s(v) + ɛn)v) an einen<br />

tn ∈ [s(v), s(v)+ɛn) trifft. Die Folge (vn)n∈N besitzt dann eine in {we ∈ TpM | |w| = 1}<br />

konvergente Teilfolge mit Grenzwert v∗. Aus Steitgkeitsgründen ist dann t ↦→ exp p(tv∗)<br />

eine Kürzeste von p nach exp p(t∗v∗) mit t∗ = limn→∞ tn = s(v). Wenn v∗ = v gilt ist<br />

also (b) erfüllt.<br />

Wir zeigen jetzt, dass wenn v∗ = v ist (a) erfüllt ist. Weil die Ableitung der Exponentialabbildung<br />

exp p durch Jacobifelder gegeben sind, ist (a) äquivalent dazu, dass<br />

die Exponentialabbildung exp p im Punkt s(v) · v singulär ist, also keine invertierbare<br />

Ableitung besitzt. Wenn sie im Punkt s(v) · v eine invertierbare Ableitung besitzt,<br />

dann ist sie wegen dem Satz der inversen Funktion auf einer Umgebung von s(v) · v ein<br />

Diffeomorphismus. Das wiederspricht aber der Existenz der beiden unterschieldichen<br />

Folgen ((s(v) + ɛn)v)n∈N und (tnvn)n∈N, die <strong>für</strong> jedes n ∈ N durch exp p jeweils auf<br />

die gleichen Punkte abgebildet werden und im Grenzwert n → ∞ beide gegen s(v)v<br />

konvergieren. Also folgt aus v∗ = v die Bedingung (a).<br />

Wenn umgekehrt (a) gilt, folgt aus dem Satz von Jacobi, dass s(v) ≤ t0 gilt.<br />

Wenn (b) gilt, dann gibt es ein v ′ ∈ TpM mit |v ′ | = 1 und exp p(t0v ′ ) = exp p(t0v)<br />

mit v ′ = v. Dann ist <strong>für</strong> kleine ɛ > 0 der Abstand zwischen exp p((t0 + ɛ)v) und<br />

exp p((t0 −ɛ)v ′ ) kleiner als 2ɛ. Sonst wäre der stückweise glatte Weg von exp p((t0 −ɛ)v ′ )<br />

nach exp p((t0 + ɛ)v), der aus zwei Teilstücken der beiden Geodäten t ↦→ exp p(tv)<br />

und t ↦→ exp p(tv ′ ) zusammengesetzt ist eine Kürzeste, und damit eine Geodäte, im<br />

Widerspruch zu der Annahme v = v ′ . Also folgt <strong>für</strong> alle ɛ > 0 auch (t0 + ɛ) ≥ s(v).<br />

Dann gilt auch s(v) ≤ t0. q.e.d.<br />

Korollar 4.38. Ist q Schnittpuntk von p längs der Geodäten γ, dann ist auch p Schnittpunkt<br />

von q längs der umgekehrt durchlaufenen Geodäten. q.e.d.<br />

Beispiel 4.39. (i) Im R n ist der Schnittort leer, also ist die Exponentialabbildung<br />

exp p <strong>für</strong> alle p ∈ R n ein lokal Diffeomorphismus. Sie ist sogar global ein Diffeomorphismus.


4.9. DER SCHNITTORT 69<br />

(ii) Für den hyperbolischen Raum ist der Schnittort auch leer, und <strong>für</strong> alle p ∈ H n die<br />

Exponentialabbildung ein globaler Diffeomorphismus.<br />

(iii) Für die Sphäre S n besteht <strong>für</strong> alle p ∈ S n der Schnittort nur aus der Antipode<br />

von p mit Abstand π. Also wird <strong>für</strong> alle p ∈ S n die Sphähre ∂B(0, π) ⊂ TpS n auf<br />

einen Punkt, nämlich die Antipode von p abgebildet.<br />

Lemma 4.40. Die Schnittortfunktion ist stetig.<br />

Beweis: Wir betrachten eine konvergente Folge (vn)n∈N in {w ∈ T M | |w| = 1} setzen<br />

tn = s(vn) <strong>für</strong> alle n ∈ N Der Grenzwert lim vn bezeichnen wir mit v∗. Wir müssen<br />

n→∞<br />

s(v∗) = lim tn zeigen.<br />

n→∞<br />

Wir zeigen zunächst lim sup tn ≤ t∗ = s(v∗). Wenn t∗ = ∞ ist, ist die Ungleichung<br />

immer erfüllt. Sei ɛ > 0. Wenn tn > t∗ + ɛ gilt, dann ist<br />

d(π(vn), exp π(vn)((t∗ + ɛ)vn)) = t∗ + ɛ.<br />

Wenn es unendlich viele n ∈ N mit tn > t∗ + ɛ gibt, dann folgt<br />

d(π(v∗), exp π(v∗)((t∗ + ɛ)v∗)) = t∗ + ɛ.<br />

was der Definition t∗ = s(v∗) widerspricht. Also gibt es höchstens endlich viele n ∈ N<br />

mit tn > t∗ + ɛ. Weil das <strong>für</strong> alle ɛ > 0 gilt, folgt lim sup tn ≤ t∗.<br />

Als zweites zeigen wir lim inf tn ≥ t∗. Jetzt können wir lim inf tn < ∞ annehmen,<br />

weil sonst die Ungleichung immer erfüllt ist. Indem wir zu einer Teilfolge übergehen,<br />

können wir lim tn = t0 = lim inf tn annehmen. Sind unendliche viele t = tn längs der<br />

n→∞<br />

Geodäten t ↦→ expπ(vn)(tvn) zu t = 0 konjugiert, dann sind die Ableitungen der Exponentialabbildungen<br />

expπ(vn) an den Stellen tnvn nicht invertierbar. Weil die Ableitung<br />

der Exponentialabbildung stetig ist, ist dann auch die Ableitung der Exponentialabbildung<br />

expπ(v∗) im Punkt t0v∗ nicht invertierbar. Also ist dann expπ(v∗)(t0v∗) längs der<br />

Geodäten t ↦→ expπ(v∗)(tv∗) zu π(v∗) konjugiert, so dass dann t0 ≥ t∗ = s(v∗) folgt.<br />

Deshalb können wieder durch Übergang zu einer Teilfolge annehmen, dass keines<br />

der tn zu 0 längs der Geodäten t ↦→ expπ(vn)(tvn) konjugiert ist. Daher gibt es eine<br />

Folge (wn)n∈N, die <strong>für</strong> alle n ∈ N folgendes erfüllt:<br />

wn ∈ Tπ(vn)M \ {vn} mit |wn| = 1 und exp π(vn)(tnwn) = exp π(vn)(tnvn).<br />

Durch Übergang zu einer Teilfolge können wir erreichen, dass (wn)n∈N gegen w∗ konvergiert.<br />

Wenn w∗ = v∗, dann ist wegen der Stetigkeit der Exponentialbbildung<br />

exp π(v∗)(t0w∗) = exp π(v∗)(t0v∗).


70 KAPITEL 4. MANNIGFALTIGKEITEN ALS METRISCHE RÄUME<br />

Aus dem vorangehenden Satz folgt dann t0 ≥ t∗ = s(v∗). Wenn w∗ = v∗ folgt wieder<br />

wie in Beweis von (ii) des vorangehenden Satzes, dass die Ableitung der Exponentialabbildung<br />

exp π(v∗) bei t0v∗ nicht invertierbar ist, also<br />

t0 ≥ t∗ = s(v∗)<br />

gilt. Also sind alle Häufungspunkte der Folge (tn)n∈N gleich t∗ = s(v∗). Dann folgt<br />

lim<br />

n→∞ tn = t∗ = s(v∗). q.e.d.<br />

Korollar 4.41. Der Schnittort Cut(p) ist abgeschlossen.<br />

Beweis: Sei (vn)n∈N eine Folge in {w ∈ TpM | |w| = 1}, so dass exp π(vn)(s(vn)vn) in<br />

M gegen q konvergiert. Durch Übergang zu einer Teilfolge können wir erreichen, dass<br />

(vn)n∈N gegen einen Grenzwert v konvergiert. Offenbar ist lim sup |s(vn)| beschränkt<br />

durch d(π(v), q). Wegen der Stetigkeit von s konvergiert dann auch (s(vn)n∈N und der<br />

Grenzwert ist gleich s(v). Dann gehört auch<br />

q = lim<br />

n→∞ exp π(vn)(s(vn)vn)<br />

zu Cut(p). q.e.d.<br />

Korollar 4.42. Ist M vollständig und zusammenhängend und <strong>für</strong> ein p ∈ M die<br />

Schnittortfunktion auf {w ∈ TpM | |w| = 1} beschränkt, dann ist M kompakt.<br />

Beweis: Das Bild von <br />

<br />

w<br />

w ∈ TpM | |w| ≤ s<br />

|w|<br />

unter der Exponentialabbildung exp p ist wegen dem Satz von Hopf Rinow gleich M.<br />

Wenn s auf<br />

{w ∈ TpM | |w| = 1}<br />

beschränkt ist, ist diese Menge kompakt. Das Bild einer kompakten Menge unter einer<br />

stetigen Abbildung ist kompakt. q.e.d.<br />

Wir haben sogar gezeigt, dass <strong>für</strong> alle p ∈ M die Exponentialabbildung exp p innerhalb<br />

des Schnittortes ein Diffeomorphismus auf M \ Cut(p) ist:<br />

Korollar 4.43. Sei (M, g) vollständig und zusammenhängend. Für ein p ∈ M definieren<br />

wir<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

v<br />

v<br />

Up = v ∈ TpM | |v| < s und Ūp = v ∈ TpM | |v| ≤ s<br />

|v|<br />

|v|<br />

Dann gilt


4.9. DER SCHNITTORT 71<br />

(i) U ist offen und sternförmig bezüglich 0, also diffeomorph zu einer offenen Kugel<br />

und wird durch exp p diffeomorph auf M \ Cut(p) abgebildet.<br />

(ii) exp p[ Ūp] = M. q.e.d.<br />

Satz 4.44. Sei (M, g) vollständig und zusammenhängend und p ∈ M. Sei q ∈ Cut(p)<br />

mit<br />

d(p, q) = inf{d(p, r) | r ∈ Cut(r)}.<br />

Dann gilt eine von den beiden folgenden Bedingungen:<br />

(a) q ist zu p längs einer Kürzesten von p nach q konjugiert.<br />

(b) Es gibt genau zwei nach Bogenlängen parametrisierte Kürzeste γ1, γ2 : [0, b] → M<br />

von p nach q, so dass ˙γ1(b)+ ˙γ2(b) = 0 gilt, d.h. γ1 und γ2 bilden eine geodätische<br />

Schleife von p nach p.<br />

Wir bemerken, dass wegen der Abgeschlossenheit von Cut(p) die Menge {d(p, r) |<br />

r ∈ Cut(p)} ein Minimum besitzt, so dass <strong>für</strong> jeden Punkt p in einer vollständigen<br />

zusammenhängenden <strong>Riemannsche</strong>n Mannigfaltigkeit M, ein q mit den gewünschten<br />

Eigenschaften existiert.<br />

Beweis: Wegen Satz 4.37 gibt es, wenn (a) nicht erfüllt ist, zwei nach Bogenlänge<br />

parametrisierte Kürzeste γ1 und γ2 von p nach q der Länge b > 0. Wenn ˙γ1(b)+ ˙γ2(b) =<br />

0, dann gibt es ein w ∈ TqM mit g(w, ˙γ1(b)) < 0 und g(w, ˙γ2(b)) < 0. Wir wählen eine<br />

Kurve 6 : (−ɛ, ɛ) → M mit<br />

σ(0) = q und ˙σ(0) = w.<br />

Weil (a) nicht erfüllt ist, ist die Exponentialabbildung lokal bei ˙γ10 ˙γ20<br />

und ein Diffeo-<br />

b b<br />

morphismus. Also ist σ das Bild von zwei Kurven σ1 und σ2 in TpM unter expp. Aus<br />

der Variation der Länge von Geodätischen folgt, dass es ein τ ∈ (0, ɛ) gibt, so dass<br />

auch σ(τ) durch zwei Geodätische erreicht werden kann mit einer Länge die kürzer ist<br />

als b. Das steht im Widerspruch zu<br />

d(p, q) = inf{d(p, t) | r ∈ Cut(p)}. q.e.d.

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