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Alles, was Recht ist - Archiv - Personalwirtschaft

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<strong>Personalwirtschaft</strong><br />

Magazin für Human Resources<br />

www.personalwirtschaft.de G 21212 ISSN 07964000<br />

extra<br />

10 2011<br />

Compliance | Urlaubsrecht | AGG | Sozialplangestaltung | Arbeitnehmerüberlassung<br />

Arbeitsrecht<br />

<strong>Alles</strong>, <strong>was</strong> <strong>Recht</strong> <strong>ist</strong>


<strong>Alles</strong>, <strong>was</strong> <strong>Recht</strong> <strong>ist</strong><br />

Impressum<br />

Herausgeber: Jürgen Scholl<br />

Redaktion: Erwin Stickling, Chefredakteur; Sven Frost, Redakteur;<br />

Chr<strong>ist</strong>iane Siemann, freie Mitarbeiterin<br />

Redaktionsanschrift: Wolters Kluwer Deutschland GmbH,<br />

Luxemburger Straße 449, 50939 Köln,<br />

Telefon: 0221/94373-7653, Fax: 0221/94373-7757,<br />

E-Mail: personalwirtschaft@wolterskluwer.de,<br />

www.personalwirtschaft.de<br />

Fachbeiträge aus bereits erschienenen Ausgaben sind<br />

verfügbar unter: www.personalwirtschaft.de<br />

Geschäftsführer: Dr. Ulrich Hermann<br />

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz<br />

(AGG), über Jahre<br />

angesammelte Urlaubsansprüche,<br />

Wh<strong>ist</strong>leblowing und<br />

die Herausforderungen der<br />

Neuen Medien – für die<br />

Unternehmen und damit<br />

auch für die Arbeitsrechtler an ihrer Seite <strong>ist</strong> es<br />

in den vergangenen zwölf Monaten nicht langweilig<br />

geworden. Oder weniger nett: Die <strong>Recht</strong>sprechung<br />

zu genannten Themen hat es gleichsam<br />

für Personaler und Arbeitsrechtler nicht<br />

eben einfacher gemacht.<br />

Stichwort AGG: Die jüngste Entscheidung des<br />

Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg gegen<br />

Sony hat einmal mehr gezeigt, dass transparente<br />

Auswahlverfahren und Equal Pay das Gebot<br />

der Stunde sind. Benachteiligungen wegen Mutterschaft<br />

wie in dem dort entschiedenen Fall sind<br />

leider immer noch Alltag in vielen deutschen<br />

Unternehmen und werden von den Gerichten<br />

scharf geahndet (Seite 26). Die Unternehmen<br />

und ihre HR-Abteilungen sollten sich dessen<br />

bewusst sein und entsprechend handeln. Immerhin:<br />

Die befürchtete Klagewelle <strong>ist</strong> auch im fünften<br />

Jahr des AGG ausgeblieben.<br />

Stichwort Urlaubsansprüche: Die Tragweite des<br />

sogenannten Schultz-Hoff-Urteils des Europäischen<br />

Gerichtshofes lässt sich in Gänze derzeit<br />

noch gar nicht abschätzen. Die Entscheidung der<br />

Luxemburger Richter, dass Mitarbeiter ihren<br />

wegen Krankheit nicht genommenen Urlaub über<br />

Jahre ansammeln können, könnte nämlich letzt-<br />

Anzeigen:<br />

Karin Kamphausen (Anzeigenleitung),<br />

Telefon: 0221/94373-7629,<br />

E-Mail: kkamphausen@wolterskluwer.de<br />

Jörg Walter (Anzeigenverkauf), wanema media,<br />

Telefon: 0931/304699-66, E-Mail: pw@wanema.de<br />

Karin Odening (Anzeigendisposition),<br />

Telefon: 0221/94373-7836,<br />

E-Mail: kodening@wolterskluwer.de<br />

David Klug (Anzeigenmarketing),<br />

Telefon: 0221/94373-7729<br />

E-Mail: dklug@wolterskluwer.de<br />

lich dazu führen, dass solche Mitarbeiter eher entlassen<br />

als über Jahre gehalten werden. Dringende<br />

Empfehlung: Schnellstens die Urlaubsklauseln<br />

anpassen (Seite 25)!<br />

Stichwort Compliance: Die Zahl der in den Medien<br />

berichteten rechtlichen und ethischen Verfehlungen<br />

von Unternehmensleitern und Mitarbeitern<br />

reißt nicht ab. Ganz abgesehen von den<br />

oft immensen monetären Schäden <strong>ist</strong> es vor allem<br />

das Ansehen des jeweiligen Unternehmens, das<br />

möglicherweise über Jahre leidet. Eine Lösung:<br />

die Anstellung eines Compliance-Beauftragten<br />

(Seite 14).<br />

Immerhin: Angesichts der teils weitreichenden<br />

Entscheidungen hatten die Teilnehmer des diesjährigen<br />

– erneut hochkarätig besetzten – Round<br />

Table Arbeitsrecht der „<strong>Personalwirtschaft</strong>“ genügend<br />

Gesprächsstoff für eine angeregte Diskussion<br />

(Seite 8), neben weiteren lesens- und bedenkenswerten<br />

Beiträgen zu finden im vorliegenden<br />

Heft.<br />

Eine anregende und erkenntnisreiche Lektüre<br />

wünscht<br />

Ihr<br />

Sven Frost<br />

Herstellung: Frauke Helene Hille<br />

Gestaltung: Art + Work, Köln, Lars Auhage, Martin Schwarz<br />

ISSN 07964000<br />

Druckerei und Lieferanschrift für Beilagen:<br />

Druckerei Wilhelm & Adam OHG<br />

Werner-von-Siemens-Straße 29,<br />

63150 Heusenstamm<br />

Copyright: Luchterhand, eine Marke von<br />

Wolters Kluwer Deutschland GmbH.<br />

© 2011 Wolters Kluwer Deutschland GmbH, Köln.<br />

EDITORIAL<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de 3


ARBEITSRECHT Inhalt<br />

4<br />

<strong>Personalwirtschaft</strong> Special Arbeitsrecht<br />

8 Round Table<br />

Unberechenbare<br />

Gesetzgebung<br />

Personalkosten steuern, Arbeitszeiten flexibilisieren<br />

und Personalstrukturen anpassen<br />

– auch im zweiten Jahr nach dem Konjunktureinbruch<br />

begleiten Arbeitsrechtler Unternehmen<br />

bei Restrukturierungsmaßnahmen.<br />

Doch inzwischen stehen auch andere Herausforderungen<br />

auf der Agenda. Professorin<br />

Dr. Stephanie Michel diskutierte mit<br />

Arbeitsrechtsexperten unter anderem über<br />

das AGG, Wh<strong>ist</strong>leblowing und Social Media.<br />

14 Compliance<br />

Mehr Ethik für das eigene<br />

Unternehmen<br />

8<br />

Das Thema Compliance gewinnt in Unternehmen<br />

mehr und mehr Bedeutung. Wir<br />

zeigen, wie entsprechende Richtlinien effektiv<br />

eingeführt werden und warum die<br />

Anstellung eines Compliance-Beauftragten<br />

ein wesentliches Element effektiver Compliance<br />

<strong>ist</strong>.<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de<br />

18 Arbeitnehmerüberlassung<br />

Fremdpersonaleinsatz<br />

im Konzern<br />

Eine mögliche Form der Beschäftigung von<br />

Arbeitnehmern für den vertraglichen<br />

Arbeitgeber und daneben für einen weiteren<br />

Betrieb stellt die Arbeitnehmerüberlassung<br />

dar. Was dabei zu beachten <strong>ist</strong>, zeigt dieser<br />

Beitrag.<br />

22 Urlaubsrecht<br />

Urlaubskonto nach langer<br />

Krankheit prall gefüllt<br />

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit<br />

seiner jüngsten <strong>Recht</strong>sprechung für das<br />

deutsche Urlaubsrecht viele neue <strong>Recht</strong>sfragen<br />

aufgeworfen. Das hat für die Unternehmen<br />

erhebliche praktische Auswirkungen.<br />

26 Allgemeines<br />

Gleichbehandlungsgesetz<br />

Diskriminierung von Frauen<br />

kann teuer werden<br />

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz<br />

(AGG) zeigt Wirkung. Die jüngste Entscheidung<br />

des LAG Berlin-Brandenburg gegen<br />

Sony lässt Personaler nachdenklich werden.<br />

Transparente Auswahlverfahren und Equal<br />

Pay sind das Gebot der Stunde. Doch längst<br />

nicht alle Chefs wollen da folgen. Das kann<br />

in Zukunft teuer werden.<br />

30 Sozialplangestaltung<br />

Vorsicht <strong>ist</strong> besser als<br />

Nachsicht<br />

Welche Fallstricke gibt es für Unternehmen<br />

bei der Gestaltung des Sozialplanes? Dieser<br />

Beitrag gibt Antworten und zeigt Lösungen<br />

auf.<br />

34 Interview<br />

„Von amerikanischen<br />

Verhältnissen sind wir<br />

weit entfernt“<br />

Seit fünf Jahren <strong>ist</strong> das Allgemeine<br />

Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft.<br />

Dr. Sören Lagner, Fachanwalt für<br />

Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle,<br />

zieht im Interview eine Bilanz.<br />

Rubriken<br />

3 Editorial <strong>Alles</strong>, <strong>was</strong> <strong>Recht</strong> <strong>ist</strong><br />

3 Impressum<br />

6 News


ARBEITSRECHT News<br />

Chefarzt in katholischer Klinik<br />

Kündigung wegen erneuter Heirat ungültig<br />

Die Wiederverheiratung eines katholischen<br />

Chefarztes an einem katholischen<br />

Krankenhaus rechtfertigt nicht in jedem<br />

Fall seine ordentliche Kündigung, hat das<br />

Bundesarbeitsgericht jetzt entschieden.<br />

Zwar haben Religionsgemeinschaften und<br />

die ihnen zugeordneten Einrichtungen das<br />

verfassungsmäßige <strong>Recht</strong>, von ihren<br />

Beschäftigten ein loyales Verhalten im Sinne<br />

ihres jeweiligen Selbstverständnisses<br />

verlangen zu können. Als Loyalitätsverstoß<br />

kommt auch der Abschluss einer nach<br />

katholischem Verständnis ungültigen Ehe<br />

in Betracht. Eine Kündigung <strong>ist</strong> aber nur<br />

dann gerechtfertigt, wenn der Loyalitätsverstoß<br />

auch bei Abwägung der Interessen<br />

beider Vertragsteile im Einzelfall ein hinreichend<br />

schweres Gewicht hat.<br />

Der Kläger trat im Jahr 2000 als Chefarzt<br />

6<br />

Zu den <strong>Recht</strong>snormen eines Tarifvertrages,<br />

die nach einem Betriebsübergang<br />

kraft gesetzlicher Regelung<br />

Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen<br />

dem Arbeitnehmer und dem<br />

Betriebserwerber werden, gehören<br />

auch die in einer zuvor vereinbarten<br />

Tarifregelung bereits abschließend<br />

festgelegten dynamischen Entwicklungen,<br />

die allein vom Zeitablauf<br />

abhängig sind, so das Bundesarbeitsgericht<br />

(BAG). Lediglich schuldrechtliche<br />

Abreden der Tarifvertragsparteien<br />

werden nicht Inhalt des Arbeitsverhältnisses.<br />

Die Klägerin, Mitglied der Gewerkschaft<br />

Verdi, war seit 1991 bei einem<br />

tarifgebundenen Arbeitgeber beschäftigt.<br />

Der BAT-O in der Fassung der<br />

Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände<br />

galt für ihr Arbeitsverhältnis<br />

kraft Tarifgebundenheit. Der<br />

in die Dienste der Beklagten, die mehrere<br />

Krankenhäuser betreibt. Nach der Scheidung<br />

von seiner ersten Ehefrau heiratete<br />

der Kläger im Jahr 2008 seine jetzige Frau<br />

standesamtlich. Nachdem die Beklagte<br />

hiervon Kenntnis erlangt hatte, kündigte<br />

sie das Arbeitsverhältnis mit Schreiben<br />

vom 30. März 2009 ordentlich zum 30.<br />

September 2009. Die Beklagte beschäftigt<br />

auch nicht katholische, wiederverheiratete<br />

Chefärzte. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht<br />

haben der Klage stattgegeben.<br />

Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts<br />

hat die Revision zurückgewiesen.<br />

Zwar habe sich der Kläger einen Loyalitätsverstoß<br />

zuschulden kommen lassen,<br />

dem mit Rücksicht auf das kirchliche<br />

Selbstbestimmungsrecht beträchtliches<br />

Gewicht zukommt. Insgesamt überwog<br />

Tarifvertragliche Entgeltanpassung Ost/West<br />

Schuldrechtliche Abrede oder Inhaltsnorm<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de<br />

zu Beginn der Jahres 2003 geschlossene<br />

Vergütungstarifvertrag (VTV) Nr. 7 zum<br />

BAT-O sah unter anderem vor, dass „die<br />

Anpassung des Bemessungssatzes“ für<br />

die Vergütung der wie die Klägerin eingruppierten<br />

Angestellten auf das Tarifniveau<br />

„West“ (100 Prozent) „bis zum 31.<br />

Dezember 2007 … abgeschlossen wird“.<br />

Am 1. April 2005 ging ihr Arbeitsverhältnis<br />

infolge eines Betriebsüberganges auf<br />

die nicht tarifgebundene Beklagte über.<br />

Zum 1. Januar 2008 wurde für die betreffenden<br />

Entgeltgruppen der Bemessungssatz<br />

auf 100 Prozent angehoben. Die Klägerin<br />

verlangt nunmehr unter anderem<br />

ein Entgelt und die Vergütung von Mehrarbeitsstunden<br />

nach einem Bemessungssatz<br />

von 100 Prozent auf Basis der Entgelttabellen<br />

zum TVöD.<br />

Die Revision der Klägerin gegen die insoweit<br />

klageabweisenden Entscheidungen<br />

der Vorinstanzen blieb vor dem Vierten<br />

Weitere aktuelle Branchen-Nachrichten, Veranstaltungshinweise oder<br />

Literatur-Tipps finden Sie auch auf unserem Facebook-Profil: goo.gl/EJj5j<br />

jedoch das Interesse des Klägers an der<br />

Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.<br />

Dabei fällt in die Waagschale, dass die<br />

Beklagte selbst sowohl in ihrer Grundordnung<br />

als auch in ihrer Praxis auf ein<br />

durchgehend und ausnahmslos der katholischen<br />

Glaubens- und Sittenlehre verpflichtetes<br />

Lebenszeugnis ihrer leitenden Mitarbeiter<br />

verzichtet. Das zeigt sich sowohl an<br />

der Beschäftigung nichtkatholischer,<br />

wiederverheirateter Ärzte als auch an der<br />

Hinnahme des nach dem Arbeitsvertrag an<br />

sich untersagten Lebens in nichtehelicher<br />

Gemeinschaft von 2006 bis 2008.<br />

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. September<br />

2011 - 2 AZR 543/10 -<br />

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf,<br />

Urteil vom 1. Juli 2010 - 5 Sa 996/09 -)<br />

Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne<br />

Erfolg. Zwar gehört zu den anlässlich<br />

des Betriebsübergangs auf die Beklagte<br />

nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in<br />

das Arbeitsverhältnis übergegangenen<br />

<strong>Recht</strong>en und Pflichten auch eine<br />

von den Tarifvertragsparteien bereits<br />

zuvor abschließend geregelte Entgeltsteigerung.<br />

Bei der im VTV Nr. 7 vorgesehenen<br />

Anpassung auf 100 Prozent<br />

des Tarifniveaus „West“ handelt<br />

es sich jedoch nicht um eine normativ<br />

wirkende Inhaltsnorm, sondern lediglich<br />

um eine schuldrechtliche Abrede<br />

der Tarifvertragsparteien, die nur zwischen<br />

diesen wirkt.<br />

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.<br />

August 2011 - 4 AZR 566/09 - Vorinstanz:<br />

Landesarbeitsgericht Berlin-<br />

Brandenburg, Urteil vom 25. Juni 2009<br />

- 25 Sa 582/09 -)


Eine Kanzlei muss nicht nachträglich die<br />

gele<strong>ist</strong>eten Überstunden eines angestellten<br />

Anwaltes vergüten, wenn diese laut<br />

Arbeitsvertrag bereits mit dem Bruttogehalt<br />

abgegolten sind. Dies hat das Bundesarbeitsgericht<br />

in Erfurt (BAG) entschieden<br />

und damit ein Urteil des Landesarbeitsgerichts<br />

Berlin-Brandenburg<br />

aufgehoben (5 AZR 406/10).<br />

Dieses hatte zuvor eine überörtliche Partnerschaft<br />

von <strong>Recht</strong>sanwälten zur Zahlung<br />

von über 30 000 Euro verurteilt und<br />

Weitere aktuelle und branchennahe Nachrichten finden Sie beim<br />

<strong>Personalwirtschaft</strong>-Twitteraccount unter www.twitter.com/personaler_de<br />

Angestellte <strong>Recht</strong>sanwälte<br />

Überstunden müssen nicht vergütet werden<br />

Sieht ein Tarifvertrag Zuschläge für Feiertagsarbeit<br />

vor, so wird dieser Zuschlag<br />

regelmäßig nur für die Arbeit an gesetzlichen<br />

Feiertagen ausgelöst, hat das Bundesarbeitsgericht<br />

entschieden.<br />

Der Fall: Der Kläger wär als Monteur im<br />

Schichtdienst für die Beklagte in Sachsen-<br />

Anhalt tätig. Auf das Arbeitsverhältnis<br />

findet der Tarifvertrag Versorgungsbetriebe<br />

(TV-V) Anwendung. Nach § 10 Abs. 1<br />

Buchst. d TV-V erhält der Arbeitnehmer<br />

für Feiertagsarbeit einen Zuschlag je<br />

Stunde von 135 Prozent Der tarifliche<br />

Sonntagszuschlag beträgt 25 Prozent.<br />

Der Kläger hat die Feststellung begehrt,<br />

dass für die Arbeit am Oster- und Pfingst-<br />

damit der Klage eines angestellten<br />

Anwalts auf die Vergütung von 900 Überstunden<br />

<strong>Recht</strong> gegeben.<br />

Das BAG hat der Revision der beklagten<br />

Partnerschaft von <strong>Recht</strong>sanwälten, die<br />

wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen<br />

worden war, stattgegeben. Die<br />

Urteilsbegründung liegt noch nicht vor.<br />

Die Kanzlei-Seite wurde vertreten von<br />

Sabine Feindura, Tobias Grambow und<br />

Chr<strong>ist</strong>ian Voigtländer, Arbeitsrechtler der<br />

Berliner Kanzlei Buse Heberer Fromm.<br />

Zuschläge<br />

Zahlung nur für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen<br />

sonntag ein Zeitzuschlag von 135 Prozent<br />

zu zahlen <strong>ist</strong>. Der Zehnte Senat hat wie<br />

die Vorinstanzen die Klage abgewiesen.<br />

Ein tariflicher Anspruch besteht nicht,<br />

weil in Sachsen-Anhalt Ostersonntag und<br />

Pfingstsonntag nach dem Landesrecht<br />

gesetzlich nicht als Feiertage bestimmt<br />

sind. Anhaltspunkte für ein weitergehendes<br />

tarifliches Verständnis des „Feiertags“<br />

nach dem TV-V bestehen nicht.<br />

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.<br />

August 2011 - 10 AZR 347/10 -<br />

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Sachsen-<br />

Anhalt vom 18. Februar 2010 - 3 Sa<br />

186/09 -)<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de 7


ARBEITSRECHT Round Table<br />

Unberechenbare<br />

Gesetzgebung<br />

Personalkosten steuern, Arbeitszeiten flexibilisieren<br />

und Personalstrukturen anpassen – auch im zweiten<br />

Jahr nach dem Konjunktureinbruch begleiten Arbeitsrechtler<br />

Unternehmen bei Restrukturierungsmaßnahmen.<br />

Doch inzwischen stehen auch neue Herausforderungen<br />

auf der Agenda. Professorin Dr. Stephanie Michel<br />

diskutierte mit Arbeitsrechtsexperten unter anderem<br />

über das AGG, Wh<strong>ist</strong>leblowing und Social Media.<br />

A<br />

uch wenn die Krise noch nicht als komplett<br />

überwunden gelten darf und neue<br />

finanzpolitische Notlagen die Wirtschaft<br />

belasten, so lenken viele Unternehmen ihre<br />

Aufmerksamkeit nicht mehr nur auf die Rahmenbedingungen,<br />

sondern wieder mehr auf<br />

die Le<strong>ist</strong>ung des Einzelnen. Das Thema Low<br />

Performer rücke in den Vordergrund ebenso<br />

wie die Herausforderung, die Betriebsräte<br />

auch im kommenden Jahr für dringend<br />

notwendige Anpassungsprozesse zu gewinnen,<br />

sagt Karl Geissler von Tschöpe/ Schipp/<br />

Clemenz. Außerdem hat die Krise Spuren<br />

hinterlassen. Als Folge <strong>ist</strong> eine ganze Branche<br />

– die Finanzindustrie – in den Fokus einer<br />

speziellen arbeitsrechtlichen Regulierung<br />

geraten.<br />

Aufsichtsrechtliche Vorgaben der BaFin zu<br />

Vergütungssystemen und Boni haben ihren<br />

Ursprung nicht im Arbeitsrecht. Sie schaffen<br />

aber gerade dort bei der notwendigen<br />

Umsetzung eine Vielzahl praktischer Probleme,<br />

insbesondere bei der Umgestaltung bislang<br />

bestehender Regelungen oder der Ausgestaltung<br />

von flexibleren Rückforderungsmechanismen<br />

für bereits verdiente Boni,<br />

erläutert Dr. Alexander Lentz, Taylor Wessing.<br />

8<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de<br />

Zudem leiden die Experten unter der Reaktionszeit<br />

des Gesetzgebers. Auch wenn Klagen<br />

über seine Langsamkeit nicht neu sind,<br />

drücken doch akut gerade den Mittelstand<br />

arbeitsrechtliche Fragen, die der gesetzgeberischen<br />

Klärung bedürfen. „Die AGB-Kontrolle<br />

der Gerichte führt dazu, dass immer<br />

mehr Klauseln in Arbeitsverträgen für unwirksam<br />

erklärt werden. Dies betrifft auch Regelungen,<br />

mit denen langjährig gearbeitet wurde,<br />

wie etwa die Flexibilisierung von Vergütungsbestandteilen.<br />

Dabei gilt generell im<br />

Arbeitsrecht: „Der Gesetzgeber kümmert<br />

sich nicht um die Probleme, die uns drücken“,<br />

so Professor Dr. Stefan Lunk von der Sozietät<br />

Latham Watkins. „Wir erleben einen Verlust<br />

an Eckpfeilern, die wir brauchen, um<br />

Mandaten vernünftig beraten zu können.<br />

Das Arbeitsrecht <strong>ist</strong> in weiten Bereichen<br />

unvorhersehbar geworden.“<br />

Doch die Ursachen liegen nicht nur in nationalen<br />

Gegebenheiten. Die Unsicherheit resultiert<br />

auch aus uropäischen Vorgaben oder<br />

der <strong>Recht</strong>sprechung des Europäischen<br />

Gerichtshofes. Insoweit stellt sich in Teilbereichen<br />

die Frage: Was kann der deutsche<br />

Gesetzgeber eigentlich noch rechtsverbindlich<br />

regeln? Für die Praxis wichtige Berei-<br />

che wie Arbeitszeitrecht, der Betriebsübergang<br />

oder der Diskriminierungsschutz werden<br />

faktisch über den Erlass von Richtlinien<br />

oder die <strong>Recht</strong>sprechung des EuGH aus<br />

Brüssel beherrscht.<br />

Als Folge eines Arbeitsrechts, das unberechenbar<br />

geworden <strong>ist</strong>, verlieren ausländische<br />

Mandanten die Lust am Standort Deutschland,<br />

berichtet Michael Magotsch, DLA Piper:<br />

„Es häufen sich BAG-Entscheidungen, die<br />

bislang gültige Aussagen auf den Kopf stellen.<br />

Global agierenden Mandanten können<br />

Moderation: Prof. Dr. Stephanie Michel,<br />

Professorin für Wirtschaftsrecht, Fachhochschule<br />

der Wirtschaft, Hannover, Leiterin des Brüsseler<br />

Büros des Deutschen Notarvereins


wir nur nachdrücklich davon abraten, den<br />

Instanzenweg vor deutschen Arbeitsgerichten<br />

anzutreten, es sei denn, es handelt sich<br />

für das Unternehmen um die Klärung ganz<br />

wesentlicher Kernfragen und den Einzelfall<br />

überschreitende Konflikte.“ Es sei im Regelfall<br />

keinem damit gedient, nach leidvoll<br />

arbeits- und kostenintensiven Jahren beim<br />

BAG ein Urteil zu erstreiten; dies sei me<strong>ist</strong><br />

keine gute wirtschaftliche Lösung. DLA Piper<br />

bemühe sich daher, Mandaten aus deutschen<br />

Arbeitsgerichten herauszuhalten.<br />

Als Standortnachteil mag Dr. Thomas Bezani,<br />

Görg Partnerschaft von <strong>Recht</strong>sanwälten,<br />

die arbeitsrechtlichen Hürden nicht gelten<br />

lassen. Auch wenn Fachanwälte und Arbeitgeber<br />

ein hohes Maß der <strong>Recht</strong>sunsicherheit<br />

erleben und zu <strong>Recht</strong> beklagen, sei im Vergleich<br />

zu anderen Ländern das deutsche<br />

Arbeitsrecht besser als sein Ruf. Zu einem<br />

ähnlichen Urteil kommt Volker Werxhausen,<br />

CBH <strong>Recht</strong>sanwälte Cornelius Bartenbach<br />

Haesemann. Das Arbeitsrecht in<br />

Deutschland sei im europäischen Vergleich<br />

kein wirklicher Standortnachteil. „Allerdings<br />

dauern arbeitsgerichtliche Verfahren zur<br />

Klärung von Streitfällen häufig sehr lang<br />

und sind im Ausgang zum Teil wenig prognosesicher,<br />

sodass vernünftig agierende<br />

Parteien Streitigkeiten überwiegend selbst<br />

lösen, anstatt auf die Gerichte zu warten.“<br />

Anwaltliche Berater seien entsprechend stärker<br />

gefordert, ihren Mandanten Handlungswege<br />

aufzuzeigen.<br />

Neue Aufgaben und alte Hürden<br />

Als neue Herausforderung für Arbeitsrechtler<br />

identifizieren die Experten das Thema<br />

Arbeitgeberattraktivität. Unternehmen wollen<br />

beraten werden in der Frage, welche Mittel<br />

des Arbeitsrechts ihn dabei unterstützen,<br />

Mitarbeiter zu binden. Genutzt werden<br />

Instrumente wie flexible Arbeitszeitmodelle<br />

sowie modulare Vergütungs- und Anreizsysteme<br />

sowohl monetärer als auch nicht<br />

monetärer Art, erläutert Dr. Alexander Insam,<br />

KPMG. Bei flexiblen Arbeitszeitmodellen<br />

beobachtet er, dass sie sich nicht mehr vorrangig<br />

an den Bedürfnissen des Arbeitgebers<br />

ausrichten, sondern an denen der Arbeitnehmer,<br />

um „Employer of Choice“ zu werden.<br />

Neben klassischen Sabbaticals würden größere<br />

Unterbrechungen für Erziehungs- oder<br />

Fortbildungszeiten in den Vordergrund<br />

rücken.<br />

Aktuell drückt die Arbeitsrechtsspezial<strong>ist</strong>en<br />

allerdings auch eine fehlende Abstimmung<br />

des deutschen Arbeitsrechts auf die Organisation<br />

in einer Matrixstruktur. Denn kein<br />

global agierendes Unternehmen kommt ohne<br />

Matrixstrukturen aus, die <strong>Recht</strong>sform- und<br />

länderübergreifend sind. Noch fehlt eine<br />

adäquate Reaktion in deutschen Gesetzen.<br />

Beispielweise beim Arbeitnehmerdatenschutz:<br />

„Das Bundesdatenschutzgesetz<br />

lässt die Unternehmen vollkommen allein,<br />

wenn es darum geht, einerseits in multinationalen<br />

Matrixstrukturen zu arbeiten, andererseits<br />

aber auch den Arbeitnehmerdatenschutz<br />

zu gewährle<strong>ist</strong>en“, so Dr. Thilo Mahnhold,<br />

Justem <strong>Recht</strong>sanwälte. Hier heiße es,<br />

die Realitäten anzuerkennen und endlich<br />

auf nationaler und europäischer Ebene ein<br />

Konzernprivileg für die Datenverarbeitung<br />

im Konzern festzuschreiben. „Es muss ein<br />

Rahmen geschaffen werden, um etwa durch<br />

Datenschutzvereinbarungen im Konzern<br />

sowohl dem unternehmerischen Interesse an<br />

einer länderübergreifenden Zusammenarbeit<br />

und Aufgabenteilung mit anderen Konzerngesellschaften<br />

als auch dem Arbeitnehmerdatenschutz<br />

zu optimaler Geltung zu verhelfen.“<br />

Dem stehe die aktuelle Gesetzeslage entgegen.<br />

Für Kritik an den rechtsprechenden Instan-<br />

„ Der Mittelstand benötigt in besonderem Maße verlässliche<br />

arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen,<br />

weil er im Gegensatz zu Großunternehmen<br />

häufig nicht über die personellen und finanziellen<br />

Ressourcen verfügt, um mit Gesetzgeber und<br />

Gerichten „auf Ballhöhe“ zu bleiben.<br />

„<br />

Prof. Dr. Stefan, Lunk, Latham Watkins<br />

Das Bundesdatenschutzgesetz lässt die<br />

Unternehmen vollkommen allein, wenn es darum<br />

geht, einerseits in multinationalen Matrixstrukturen<br />

zu arbeiten, andererseits aber auch den<br />

Arbeitnehmerdatenschutz zu gewährle<strong>ist</strong>en.<br />

Dr. Thilo Mahnhold, Justem <strong>Recht</strong>sanwälte<br />

zen sorgt folgende Entwicklung. Professor<br />

Dr. Stefan Nägele, Nägele Kanzlei für Arbeitsrecht:<br />

„Die <strong>Recht</strong>sprechung in der Zeitarbeit<br />

sehe ich mit großer Sorge. In der Krise<br />

wurden die Personaldienstle<strong>ist</strong>er dringend<br />

benötigt, die flexiblen Belegschaften sicherten<br />

vielen Betrieben das Überleben. Jetzt<br />

versucht der Gesetzgeber mit Equal Pay und<br />

Equal Treatment der Zeitarbeit das Wasser<br />

abzugraben und verschärft die rechtlichen<br />

Rahmenbedingungen. Zeitarbeit wird stigmatisiert.“<br />

AGG: Karrierestau wegen<br />

Schwangerschaft?<br />

Diskriminierung ja oder nein? Das BAG<br />

musste sich mit der sogenannten Glaubhaftmachung<br />

einer geschlechterspezifischen<br />

Benachteiligung bei einer Stellenbesetzung<br />

befassen: Eine schwangere Arbeitnehmerin<br />

bewarb sich um eine Stelle und der Arbeitgeber,<br />

dem die Schwangerschaft bekannt<br />

<strong>ist</strong>, besetzte diese Stelle mit einem Mann. Man<br />

entschied, dass in diesem Fall die Arbeitnehmerin<br />

eine geschlechtsspezifische Benachteiligung<br />

glaubhaft gemacht hat, da sie außer<br />

der Schwangerschaft weitere Tatsachen vortragen<br />

hat, die eine Benachteiligung wegen<br />

ihres Geschlechts vermuten lassen. In dem<br />

vorliegenden Fall gab der Satz des Vorgesetzten<br />

„Viel Freude mit Ihrem Kind“ den Ausschlag.<br />

„Das Urteil macht einmal mehr deutlich, wie<br />

wichtig auch wiederholte AGG-Schulungen<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de 9


ARBEITSRECHT Round Table<br />

beim Mandanten sind“, betont Michael<br />

Magotsch, DLA Piper. Nach Lektüre der Entscheidung<br />

müsse man als Arbeitgeberanwalt<br />

seinen Mandanten dringend raten, vor<br />

allem seine Führungskräfte regelmäßig darin<br />

zu unterrichten, welche Kommentare möglich<br />

und welche besser zu unterlassen seien.<br />

Auch wenn einige Diskutanten der Auffassung<br />

sind, hier läge ein Einzelfallurteil vor,<br />

bewertet Stefan Nägele, Kanzlei für Arbeitsrecht,<br />

das Urteil anders: „Die Entscheidung<br />

hat praktische Auswirkungen und sollte<br />

nicht auf der Ebene der Einzelfallentscheidung<br />

gelesen werden. Zum einen: die reine<br />

Stat<strong>ist</strong>ikrechnung wird nicht mehr ausreichen,<br />

um Indizien zu belegen, auch nicht im<br />

Rahmen des AGG.“ Zweitens sei zu beachten,<br />

dass das Bündeln von Motiven den<br />

Arbeitgeber nicht aus dem Dilemma rette,<br />

solange ein möglicherweise benachteiligendes<br />

Motiv die Entscheidung beeinflusst habe.<br />

Deshalb sei der Arbeitgeber gut beraten, die<br />

Motive nachvollziehbar zu dokumentieren,<br />

die seine Auswahlentscheidung rechtfertigen.<br />

Sehr kontrovers diskutierten die Teilnehmer<br />

das inzwischen fünf Jahre alte Allgemeine<br />

Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Von<br />

„überflüssig“ bis „notwendig“ reichen die Kommentare.<br />

Thilo Mahnhold, Justem <strong>Recht</strong>sanwälte:<br />

„Die prognostizierte Verfahrenswut<br />

nach der Einführung des AGG <strong>ist</strong> ausgeblieben.<br />

Insgesamt haben die Gerichte maßvolle<br />

Urteile gesprochen.“ Mit Sorge sehe er<br />

allerdings die Vorlage zum EuGH zum Auskunftsanspruch<br />

im Bewerbungsverfahren:<br />

Werde der Auskunftsanspruch Realität, dann<br />

würden die Personalabteilungen vollkommen<br />

überlastet. Zudem werde damit die<br />

Beweislastregelung im AGG ausgehebelt.<br />

Denn noch <strong>ist</strong> es zunächst an dem Bewerber,<br />

Indizien vorzutragen, die eine Benachteiligung<br />

vermuten lassen. „Dieses Korrektiv<br />

wäre hinfällig, wenn ein Bewerber ohne<br />

Weiteres Auskunft verlangen könnte. Europarechtlich<br />

besteht im Übrigen keine Veranlassung,<br />

auf diesen Schutz vor einem Missbrauch<br />

der im AGG eingeräumten <strong>Recht</strong>e zu<br />

verzichten.“<br />

Diversity <strong>ist</strong> politisch und gesellschaftlich ver-<br />

10<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de<br />

nünftig, betont Tobias Neufeld, Allen & Overy<br />

LLP. Sicherlich sei die Kritik an der <strong>Recht</strong>sprechung<br />

berechtigt, ebenso dass Einzelfallentscheidungen<br />

keine größere <strong>Recht</strong>ssicherheit<br />

schaffen. Dagegen müsse allerdings<br />

reg<strong>ist</strong>riert werden, dass in Ländern, die seit<br />

vielen Jahren nach dem AGG agieren, die<br />

Belegschaften multikultureller seien und<br />

auch mehr Frauen vertreten seien. „In diesem<br />

Kontext <strong>ist</strong> das AGG als gesetzgeberisches<br />

Mittel zur Vermeidung von Diskriminierung<br />

im Bereich Beschäftigung und Beruf<br />

zu sehen. Die Entscheidung weitet Arbeitnehmerrechte<br />

bei der Durchsetzung von<br />

AGG-<strong>Recht</strong>en weder grenzenlos aus, noch öffnet<br />

sie Missbrauch Tür und Tor.“<br />

Zeitarbeit und Arbeitsrecht<br />

Eine Entscheidung des BAG vom März 2011<br />

hat Auswirkungen auf die Arbeitsverträge,<br />

die Zeitarbeitsunternehmen auf ihre externen<br />

Mitarbeiter anwenden.<br />

Im entschiedenen Fall übte ein Leiharbeitnehmer<br />

die Tätigkeit eines Entwicklungsingenieurs<br />

aus. Im einschlägigen Manteltarifvertrag<br />

des Zeitarbeitsunternehmens waren<br />

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb<br />

von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit<br />

geltend zu machen.<br />

Nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses<br />

machte der Leiharbeitnehmer gegenüber<br />

dem Entleiherbetrieb geltend, dass dieser<br />

den vergleichbaren eigenen Arbeitnehmern<br />

eine höhere Vergütung gewährt habe<br />

„ Die Entwicklung der <strong>Recht</strong>sprechung in der<br />

Zeitarbeit sehe ich mit großer Sorge. Jetzt versucht<br />

der Gesetzgeber mit Equal Pay und Equal Treatment<br />

der Zeitarbeit das Wasser abzugraben und<br />

verschärft die rechtlichen Rahmenbedingungen.<br />

Prof. Dr. Stefan Nägele, Nägele Kanzlei für Arbeitsrecht<br />

„<br />

Der Aspekt Arbeitszeit und Social Media rückt<br />

auch ins Blickfeld der Betriebsräte, so auch<br />

jüngst mit der ersten Einigungsstelle zum Thema<br />

„Blackberry“. Hier spielen kreative HR-Ansätze<br />

eine ebenso wichtige Rolle wie arbeitsrechtliche.<br />

Dr. Alexander Lentz, Taylor Wessing<br />

als ihm. Er forderte deshalb eine Vergütungsnachzahlung<br />

für mehrere Jahre. Sein Arbeitsvertrag<br />

enthält – anders als der für die Arbeitnehmer<br />

des Entleihers – keine Ausschlussfr<strong>ist</strong><br />

für die Geltendmachung von Ansprüchen.<br />

Das BAG kam zu der Aussage, dass der Mitarbeiter<br />

vom Verleiher die Gewährung der<br />

im Kundenbetrieb geltenden wesentlichen<br />

Arbeitsbedingungen einschließlich des<br />

Arbeitsentgelts verlangen kann, soweit ein<br />

Tarifvertrag nichts anderes vorsieht. Leiharbeitnehmer<br />

sind an die beim Entleiher<br />

geltenden Ausschlussfr<strong>ist</strong>en nicht gebunden.<br />

Ausschlussfr<strong>ist</strong>en selbst vereinbaren<br />

„Zu diesem Ergebnis konnte der 5. Senat<br />

des Bundesarbeitsgerichts nur unter Anwendung<br />

hoher rabul<strong>ist</strong>ischer Kunst gelangen,<br />

weil zwischen Vertrags- und Arbeitsbedingungen<br />

unterschieden wird“, bemerkt Stefan<br />

Nägele. Für die Praxis hat dieses Urteil<br />

insofern Bedeutung, als Leiharbeitnehmer<br />

die Ansprüche aus Equal Pay rückwirkend<br />

bis zur Grenze der Verjährungseinrede geltend<br />

machen können. Seine Empfehlung:<br />

Für die Zukunft werden sich die Verleiher<br />

vor solchen Verfahren nur dadurch schützen<br />

können, indem sie die Arbeitsverträge<br />

mit ihren Leiharbeitnehmern eigenständige<br />

Ausschlussfr<strong>ist</strong>en aufnehmen, die sich auf<br />

sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis<br />

beziehen, auch soweit sie auf einem<br />

Einsatz im Entleiherbetrieb beruhen.


Im Rahmen von entsprechenden Tarifverträgen<br />

für die Leiharbeitsbranche <strong>ist</strong> eine Unterschreitung<br />

des Equal Pay-Prinzips de lege<br />

möglich, aber nicht ohne Risiko, wie letztlich<br />

die Entscheidung des BAG zur fehlenden<br />

Tariffähigkeit der chr<strong>ist</strong>lichen Gewerkschaften<br />

dokumentiert. Volker Werxhausen,<br />

CBH <strong>Recht</strong>sanwälte: „Die Folge war und <strong>ist</strong>,<br />

dass die betreffenden Leiharbeitnehmer die<br />

Gehaltsdifferenzen von ihrem Arbeitgeber,<br />

dem Zeitarbeitsunternehmen, verlangen<br />

können. Dies gilt natürlich auch in allen<br />

anderen Fällen, in denen ein Verleiher einen<br />

Arbeitnehmer unter Verletzung des Equal<br />

Pay-Prinzips an ein anderes Unternehmen<br />

überlasst.“<br />

Für den Personaldienstle<strong>ist</strong>er bedeute dies<br />

ein erhebliches finanzielles Risiko, da er<br />

grundsätzlich damit rechnen müsse, vom<br />

Arbeitnehmer auf eine Gehaltsdifferenz in<br />

Anspruch genommen zu werden. „Wer das<br />

Equal Pay-Prinzip als Verleiher unterschreitet,<br />

muss damit rechnen, vom Arbeitnehmer<br />

auf die Vergütungsdifferenz in Anspruch<br />

genommen zu werden und kann dem Arbeitnehmer<br />

nicht etwaige im Entleiherunternehmen<br />

geltende Ausschlussfr<strong>ist</strong>en entgegenhalten“,<br />

betont Werxhausen. Auch er rät:<br />

Der Personaldienstle<strong>ist</strong>er sollte für den Fall<br />

einer solchen Inanspruchnahme eine Erstattungsregelung<br />

im Vertrag mit dem Entleiher<br />

in Erwägung ziehen und/oder im Arbeitsvertrag<br />

mit dem Leiharbeitnehmer selbst<br />

eine Ausschlussfr<strong>ist</strong> vereinbaren, um das<br />

„ Personaler müssen mit viel Fingerspitzengefühl<br />

die Instituts-Vergütungs-Verordnung (IVV)<br />

umzusetzen, sodass die Mitarbeiter dies verstehen<br />

und akzeptieren.<br />

Dr. Alexander Insam, KPMG <strong>Recht</strong>sanwaltsgesellschaft mbH, Leiter<br />

Practice Group Personaleffizienz, Personalstrategie & Kommunikation<br />

„<br />

Arbeitsgerichtliche Verfahren dauern häufig<br />

sehr lang und sind im Ausgang zum Teil wenig<br />

prognosesicher. Anwaltliche Berater sind<br />

stärker gefordert, ihren Mandanten alternative<br />

Handlungswege aufzuzeigen.<br />

Volker Werxhausen, CBH <strong>Recht</strong>sanwälte Cornelius Bartenbach<br />

Haesemann<br />

Risiko einer nachträglichen finanziellen<br />

Inanspruchnahme zeitlich zu begrenzen.<br />

Zeitarbeit <strong>ist</strong> immer wieder Gegenstand eines<br />

überraschenden Wechselspiels zwischen<br />

Bundesarbeitsgericht und Gesetzgeber, kritisiert<br />

Alexander Lentz, Taylor Wessing. So<br />

habe das Bundesarbeitsgericht jüngst trotz<br />

anderslautenden Wortlauts im Gesetzestext<br />

sachgrundlose Erstbefr<strong>ist</strong>ungen für zulässig<br />

erachtet, auch wenn der Mitarbeiter bereits<br />

zuvor bei demselben Arbeitgeber beschäftigt<br />

war, solange dies zumindest drei Jahre<br />

zurücklag. Lentz kritisiert: „Es hat damit die<br />

Rolle eines Ersatzgesetzgebers übernommen,<br />

über deren rechtliche Zulässigkeit man<br />

sicher streiten kann. Hierfür besteht angesichts<br />

eines politisch seit jeher gelähmten<br />

Arbeitsgesetzgebers aber offensichtlich ein<br />

praktisches Bedürfnis.“<br />

Karl Geißler, Tschöpe/Schipp/Clemenz, beobachtet<br />

mit Sorge, dass Druck auf die Zeitarbeit<br />

von Betriebsräten, unterstützt durch<br />

Gewerkschaften und Teile der Politik, auch<br />

mit dem falschen Argument erzeugt wird,<br />

Zeitarbeit sorge für die Verdrängung von<br />

Stammbelegschaften. Richtig sei allerdings,<br />

dass Zeitarbeit Unternehmen die Flexibilität<br />

gäbe, die notwendig sei, um die Arbeitsplätze<br />

der Stammbelegschaft in Deutschland<br />

zu sichern.<br />

Wichtig für Arbeitgeber <strong>ist</strong> neben dem Equal<br />

Pay-Gebot die gesetzliche Neuregelung, die<br />

vorsieht, dass Leiharbeitnehmern zu den<br />

gleichen Bedingungen Zugang zu Gemein-<br />

schaftseinrichtungen und -diensten zu<br />

gewähren <strong>ist</strong>. Dr. Thomas Bezani, Görg Partnerschaft<br />

von <strong>Recht</strong>sanwälten: „Ein Verstoß<br />

gegen dieses Gebot stellt eine Ordnungswidrigkeit<br />

dar. Die Praxis wird sich daher<br />

darauf einzurichten haben, dass Leiharbeitnehmern<br />

der gleiche Zugang zu Kinderbetreuungseinrichtungen,<br />

Kantinen, Sportmöglichkeiten,<br />

Kultur- und Freizeitangeboten<br />

sowie sogar zu Betriebsausflügen zu<br />

gewähren <strong>ist</strong>.“<br />

Gesammelte Urlaubsansprüche<br />

Ein weiteres Urteil beschäftigt Arbeitgeber:<br />

Gibt es keine abweichenden einzel- oder<br />

tarifvertraglicher Regelungen, verfällt der<br />

am Ende des Urlaubsjahrs nicht genommene<br />

Urlaub, sofern kein Übertragungsgrund<br />

vorliegt. Ein solcher Grund liegt vor, wenn<br />

ein Arbeitnehmer aus von ihm nicht zu vertretenden<br />

Gründen, etwa aufgrund von<br />

Arbeitsunfähigkeit, daran gehindert <strong>ist</strong>, den<br />

Urlaub zu nehmen. Der Senat hat die Frage,<br />

ob und gegebenenfalls in welchem Umfang<br />

Arbeitnehmer Urlaubsansprüche über mehrere<br />

Jahre ansammeln können, offengelassen.<br />

Stefan Lunk, Latham Watkins: „Man <strong>ist</strong> in<br />

der Beratungspraxis seit dem Urteil des<br />

Europäischen Gerichtshofs geneigt, Dauerkranke<br />

nicht mehr im Unternehmen zu belassen,<br />

sondern frühzeitig Beendigungs-Lösungen<br />

zu suchen.“ Denn sammeln Dauerkranke<br />

nach Maßgabe der EuGH-<strong>Recht</strong>sprechung<br />

faktisch unbegrenzt weiter Urlaubsansprüche<br />

an, müssen Unternehmen hierfür Rückstellungen<br />

bilden.<br />

Ähnlich beurteilt auch Thomas Bezani, Görg<br />

Partnerschaft von <strong>Recht</strong>sanwälten, die Sachlage.<br />

Natürlich verschärfe es die Problematik,<br />

wenn man Mitarbeiter beschäftige, die<br />

eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehen<br />

und dabei weitere Urlaubansprüche erwerben<br />

würden: „Es stellt sich dann zwangsläufig<br />

die Frage, ob eine rechtzeitige Trennung<br />

angebracht <strong>ist</strong>. Um die wirtschaftlich völlig<br />

unsinnige und überdies durch kein entsprechendes<br />

Erholungsbedürfnis gerechtfertigte<br />

Entstehung weiterer Urlaubsansprüche<br />

zu vermeiden, werden Arbeitgeber zu der<br />

für sie auch menschlich häufig sehr schwie-<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de 11


ARBEITSRECHT Round Table<br />

rigen Entscheidung gedrängt, das Arbeitsverhältnis<br />

zu beenden.“<br />

Im Juli 2011 hat der Europäische Gerichtshof<br />

für Menschenrechte entschieden, dass<br />

die fr<strong>ist</strong>lose Kündigung einer Arbeitnehmerin<br />

wegen der Veröffentlichung von Missständen<br />

bei ihrem Arbeitgeber gegen die Menschenrechtskonvention<br />

verstößt. Wer seinen<br />

Arbeitgeber wegen gravierender Missstände<br />

im Betrieb anzeigt, dem dürfe deshalb nicht<br />

unbedingt fr<strong>ist</strong>los gekündigt werden. Welche<br />

Folgen hat das Urteil?<br />

Interne Regeln für<br />

Wh<strong>ist</strong>leblowing aufstellen<br />

„Interessant wird sein, wie sich die Entscheidung<br />

des Europäischen Gerichtshofs für<br />

Menschenrechte auswirkt, weil Wh<strong>ist</strong>leblowing<br />

nach wie vor in Deutschland wie auch<br />

anderen europäischen Ländern einen schlechten<br />

Beigeschmack hat“, so Thilo Mahnhold,<br />

Justem <strong>Recht</strong>sanwälte. Wichtig sei festzuhalten,<br />

dass die Entscheidung die bisherigen<br />

Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts<br />

zum Wh<strong>ist</strong>leblowing nicht in Frage stelle.<br />

Danach verdient Denunziantentum, insbesondere<br />

Verdächtigungen wider besseres<br />

Wissen oder leichtfertiges Verdächtigen, keinen<br />

Schutz. Der unternehmensinternen<br />

Klärung von Konflikten <strong>ist</strong> nach wie vor Vorrang<br />

einzuräumen. Dennoch sei zu erwarten,<br />

dass die Instanzgerichte wesentlich vorsichtiger<br />

agieren würden, wenn es gelte, das<br />

berechtigte „Verdächtigen“ vom böswilligen<br />

„Verdächtigen“ abzugrenzen. Mahnhold:<br />

„Wh<strong>ist</strong>leblowing muss als Element moderner<br />

Compliance-Konzepte anerkannt werden<br />

und das nicht nur in multinationalen<br />

Unternehmensgruppen. Deshalb sind Unternehmen<br />

gut beraten, interne Regelungen<br />

zum Wh<strong>ist</strong>leblowing aufzustellen.“<br />

Das Urteil habe keine Auswirkungen auf die<br />

Praxis, denn es stärke weder künftigen Wh<strong>ist</strong>leblowern<br />

den Rücken, noch bedeute es für<br />

Arbeitnehmer oder Arbeitgeber mehr <strong>Recht</strong>ssicherheit<br />

im Umgang mit Wh<strong>ist</strong>leblowing,<br />

prognostiziert Tobias Neufeld, Allen & Overy<br />

LLP. Dazu sei der Sachverhalt zu sehr einzelfallgeprägt.<br />

„Allerdings <strong>ist</strong> die Botschaft<br />

des Gerichts an die beklagte Bundesrepublik<br />

Deutschland deutlich und richtig: Es bedarf<br />

12<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de<br />

eindeutiger gesetzlicher Regeln zum Wh<strong>ist</strong>leblowing,<br />

damit Arbeitgeber und Behörden<br />

auf Arbeitnehmerhinweise im öffentlichen<br />

Interesse adäquat reagieren und diese in<br />

einen geordneten Prozess überführen können,<br />

bei dem zugleich den betroffenen Mitarbeitern<br />

der erforderliche Schutz gewährt<br />

wird.“ Die Zurückhaltung des Gesetzgebers<br />

sei unverständlich und vor dem Hintergrund<br />

der praktischen Notwendigkeit von Wh<strong>ist</strong>leblowing-Regeln<br />

– insbesondere im Rahmen<br />

von Compliance-Systemen – aufzugeben.<br />

Minenfeld Neue Medien<br />

„<br />

Xing, Twitter, Facebook, Wiki, Blogs und weitere<br />

Social-Media Plattformen gehören auch<br />

in der Berufswelt zum Alltag. Recruitment,<br />

Kundenakquise, Kontaktpflege, produktsowie<br />

unternehmensbezogene Meinungsbildung<br />

laufen über soziale Netzwerke. <strong>Recht</strong>lich<br />

<strong>ist</strong> Social Media noch schwer einzuordnen,<br />

spezielle gesetzliche Regeln fehlen.<br />

Schwierig <strong>ist</strong> die rechtliche Beurteilung insbesondere,<br />

weil sich in bisher unbekanntem<br />

Maße berufliche und private Elemente<br />

mischen. Wie weit geht die Meinungsfreiheit<br />

des Arbeitnehmers? Welche <strong>Recht</strong>e hat<br />

der Arbeitgeber?<br />

Tobias Neufeld, Allen & Overy LLP: „Überraschenderweise<br />

hat erst ein geringer Teil<br />

der Unternehmen eine Social Media-Governance,<br />

deren wichtigster Teil Social Media-<br />

Guidelines sind.“ Auch wenn noch ein recht-<br />

Diversitiy <strong>ist</strong> politisch und gesellschaftlich vernünftig.<br />

In diesem Kontext <strong>ist</strong> auch das AGG als gesetzgeberisches<br />

Mittel zur Vermeidung von Diskriminierung<br />

im Bereich Beschäftigung und Beruf zu sehen.<br />

Tobias Neufeld, Allen & Overy LLP<br />

„<br />

Global agierenden Mandanten raten wir nachdrücklich<br />

ab, den Instanzenweg vor deutschen Arbeitsgerichten<br />

anzutreten. Es sei denn, es handelt sich<br />

für das Unternehmen um die Klärung ganz wesentlicher<br />

Kernfragen und den Einzelfall überschreitende<br />

Konflikte.<br />

Michael Magotsch LL.M., DLA Piper<br />

liches Durchsetzbarkeitsrisiko bestehe, gäbe<br />

es für Unternehmen keine Alternative zur<br />

Einführung einer Guideline.<br />

Doch wie weit kommt der Arbeitgeber mit<br />

Social Guidelines? Für HR-Lösungen plädiert<br />

Alexander Lentz, Taylor Wessing: „Kommen<br />

Arbeitgeber in die Situation, dass sie<br />

mit Äußerungen eines Mitarbeiters in sozialen<br />

Netzwerken nicht leben können, bieten<br />

auch noch so ausgefeilte ‚Social Network<br />

Policies‘ rechtlich ohnehin nur bedingt einen<br />

Hebel.“ Sie seien eher als HR-Lösungen zu<br />

sehen und sollten auch so gelebt werden. Wenn<br />

Unternehmen auf dem <strong>Recht</strong>sweg gegen<br />

Mitarbeiter vorgehen würden, riskierten sie,<br />

dass die öffentliche Resonanz möglicherweise<br />

noch schlechter würde und der eigentliche<br />

Schaden oft erst entstehe.<br />

Volker Werxhausen, CBH <strong>Recht</strong>sanwälte,<br />

empfiehlt: nicht auf gesetzgeberische Regelungen<br />

zu warten. Unternehmen würden<br />

zwischen zum Teil archaischen Regelungen<br />

und gesellschaftlichem Konsens, der auch<br />

in den Betrieben gelebt wird, schneller und<br />

kreativer passende Lösungen für den Umgang<br />

mit neuen Medien finden. Hier bestehe ein<br />

immenser Bedarf an rechtlicher Beratung.<br />

Kreative HR-Ansätze und permanente<br />

Erreichbarkeit<br />

Beim Umgang mit Mobile Media drängen sich<br />

nicht nur Datenschutzfragen auf, sondern auch<br />

Fragen zur Arbeitszeit. Laut Europäischem<br />

Gerichtshof, entschieden unter anderem am


Beispiel des ärztlichen Bereitschaftsdiensts,<br />

gibt es nur Freizeit oder Arbeitszeit und<br />

nichts dazwischen. „Arbeitnehmer nutzen<br />

Smartphones, Blackberrys und Laptops beruflich<br />

außerhalb der Arbeitszeit und dies wird<br />

auch vom Arbeitgeber erwartet. Hier muss<br />

eine Regelung gefunden werden, über einen<br />

Tarifvertrag wird man das Problem nicht<br />

lösen können“, mahnt Stefan Lunk, Latham<br />

Watkins.<br />

Der Arbeitszeit-Aspekt rückt auch mehr und<br />

mehr ins Blickfeld der Betriebsräte – so <strong>ist</strong><br />

die erste Einigungsstelle zum Thema „Blackberry“<br />

zu vermelden, berichtet Alexander<br />

Lentz, Taylor Wessing: „Neben spannenden<br />

rechtlichen Fragen zur Arbeitszeit spielen<br />

kreative HR-Ansätze eine mindestens ebenso<br />

wichtige Rolle. Der jüngste Vorstoß bei der<br />

Telekom, zu bestimmten Zeiten das Blackberry<br />

auszustellen, lässt erwarten, dass hier<br />

vielfach auch praktische Lösungen gesucht<br />

werden, um Ruhepausen sicherzustellen.“<br />

Wie erreicht ein Arbeitgeber unterHR-<br />

Gesichtspunkten einen konstruktiven Umgang<br />

mit den neuen Medien? Reicht ein<br />

grober rechtlicher Rahmen, der Orientierung<br />

schafft, nicht aus? Mit dieser Frage leitet<br />

Alexander Insam, KPMG, eine provokante<br />

These ein: Datenschutz könnte ein überholtes<br />

Konzept sein, weil die sekündlich<br />

wachsende Datenmenge sich der praktischen<br />

Kontrollierbarkeit entzieht. Zudem<br />

entäußern Mitarbeiter viele private Daten freiwillig.<br />

„Das <strong>Recht</strong> stößt an seine Grenzen.<br />

„ Es verschärft die Problematik, wenn Mitarbeiter, die<br />

eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehen, weitere<br />

Urlaubansprüche erwerben. Es stellt sich zwangsläufig<br />

die Frage, ob eine rechtzeitige Trennung<br />

angebracht <strong>ist</strong>.<br />

Dr. Thomas Bezani, GÖRG Partnerschaft von <strong>Recht</strong>sanwälten<br />

„<br />

Das Thema Low Performer wird uns in den nächsten<br />

Jahren sicherlich ebenso beschäftigen wie die<br />

Herausforderung, die Betriebsräte auch im kommenden<br />

Jahr für dringend notwendige Anpassungsprozesse<br />

zu gewinnen.<br />

Karl Geißler, Tschöpe/Schipp/Clemenz<br />

Deshalb sollte die jur<strong>ist</strong>ische Frage heutzutage<br />

lauten: Brauchen wir nicht eher ein<br />

minimalinvasives Datenschutzrecht als ein<br />

maximalregulatives?“<br />

Neue Vergütungs- und Bonussysteme<br />

von Banken und Versicherungen<br />

Die Instituts-Vergütungs-Verordnung (IVV)<br />

und die Versicherungs-Vergütungs-Verordnung<br />

(VVV) markieren einen Wendepunkt<br />

im Arbeitsrecht, da hier zum ersten Mal mit<br />

dem Aufsichtsrecht ein anderes <strong>Recht</strong>sgebiet<br />

so massiv in die Vertragsfreiheit eingreift,<br />

dass systematische Regelungswidersprüche<br />

entstehen. Viele aufsichtsrechtliche Neuerungen<br />

erfordern die Änderung von Vorstandsverträgen,<br />

Arbeitsverträgen und Betriebsvereinbarungen.<br />

Beispielsweise wurden ohne<br />

Vertrauensschutz sogenannte Halteprämien<br />

vom einen auf den anderen Tag rechtswidrig.<br />

Banken waren aufgrund des öffentlichen<br />

Interesses und der Finanzkrise unmittelbar<br />

von der Umsetzung betroffen. Alexander<br />

Insam, KPMG: „Hier galt es für Personaler,<br />

die Verordnungen mit viel<br />

Fingerspitzengefühl so umzusetzen, dass<br />

die Mitarbeiter dies verstehen und akzeptieren<br />

konnten und die Institute gleichzeitig<br />

die Anforderungen der IVV und der BaFin<br />

erfüllen konnten.“<br />

Für Arbeitsrechtler sei es hierbei wichtig, Mandanten<br />

mit dem Schnittstellen-know -how zum<br />

Aufsichtsrecht und zur Wirtschaftsprüfung<br />

beraten zu können, da der Wirtschaftsprü-<br />

fer am Ende die ordnungsgemäße Umsetzung<br />

der Verordnungen beurteilen müsse, <strong>was</strong><br />

wiederum von der BaFin kontrolliert werde.<br />

„Nach einer ersten Welle von Prüfungsschwerpunkten<br />

bis hin zu Sonderprüfungen<br />

bei den Banken sehen wir nun, dass<br />

sich das Interesse der BaFin 2012 auch den<br />

Versicherungen zuwendet“, berichtet Alexander<br />

Insam. Zudem drohe bereits die Umsetzung<br />

weiterer Regelungen, wie beispielsweise<br />

der AIFM-Richtlinie (Alternative Investment<br />

Fund Managers Richtlinie), welche die<br />

regulatorischen Anforderungen an die Finanzbranche<br />

zusätzlich verkomplizieren werden.<br />

Arbeitsrecht international<br />

Wie gehen global aufgestellte Unternehmen<br />

und Arbeitsrechtler mit den verschiedenen<br />

Gesetzgebungen einzelner Länder um? Bei<br />

der Betreuung von Unternehmen bei grenzüberschreitenden<br />

Transaktionen innerhalb<br />

oder außerhalb Europas sollte eine fundierte<br />

Vorarbeit rechtzeitig beginnen, rät Michael<br />

Magotsch, DLA Piper. Und zwar sowohl<br />

in Bezug auf die verschiedenen Jurisdiktionen<br />

als auch unter Berücksichtigung der<br />

gesellschafts-, steuer- und arbeitsrechtlichen<br />

Aspekte. Unterschiedliche Kulturen, Herangehensweisen<br />

und <strong>Recht</strong>sfolgen müssten<br />

bedacht werden. Notwendig sei auch eine frühe<br />

Aufklärung darüber, dass das deutsche<br />

Arbeitsrecht und deutsche Arbeitsgerichte<br />

nur schwer – wenn überhaupt – mit in der<br />

heutigen Praxis vorherrschenden Matrixstrukturen<br />

umgehen können. Ein „Local<br />

Manager“ oder „Vice President“ sei noch<br />

lange kein Organ im Sinne deutscher <strong>Recht</strong>sprechung.<br />

Im Ergebnis erfordere die Beratung<br />

globaler Unternehmen in der Praxis weit<br />

mehr als die rein rechtliche Aufarbeitung einzelner<br />

Themen in den jeweiligen Jurisdiktionen.<br />

Unabhängig von Konjunkturzyklen erweitert<br />

sich permanent das Aufgabenspektrum<br />

der Arbeitsrechtler. Social Media, Compliance,<br />

Datenschutz – der Dschungel ungelöster<br />

und unsicherer jur<strong>ist</strong>ischer Fragen wuchert<br />

weiter, vor allen Dingen vor dem Hintergrund<br />

fehlender nationaler Gesetzgebertätigkeit<br />

und reger <strong>Recht</strong>sprechung aus Brüssel.<br />

Chr<strong>ist</strong>iane Siemann, freie Journal<strong>ist</strong>in, Bad Tölz<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de 13


ARBEITSRECHT Compliance<br />

Mehr Ethik für das eigene Unternehmen<br />

Das Thema Compliance gewinnt in Unternehmen mehr und mehr Bedeutung. Wie entsprechende<br />

Richtlinien effektiv eingeführt werden und warum die Anstellung eines Compliance-Beauftragten ein<br />

wesentliches Element effektiver Compliance <strong>ist</strong>, zeigt dieser Beitrag.<br />

D<br />

ie Zahl der in den Medien berichteten<br />

rechtlichen und ethischen Verfehlungen<br />

von Unternehmensleitern und<br />

Mitarbeitern reißt nicht ab. Auch die Personalabteilungen<br />

– originär in einem sehr<br />

regelungs- und pflichtenintensiven Bereich<br />

tätig – geraten verstärkt ins Blickfeld. So<br />

berichtete das Handelsblatt erst kürzlich<br />

über die Bestechlichkeit von Personalleitern<br />

im Zusammenhang mit dem<br />

Abschluss von Verträgen zur betrieblichen<br />

Altersversorgung im Unternehmen.<br />

Personalleiter hätten bei der Einführung<br />

von betrieblicher Altersversorgung in<br />

ihren Unternehmen den Abschluss<br />

bestimmter Verträge befördert und dafür<br />

vom Anbieter der Altersversorgung Vermittlungszahlungen<br />

erhalten oder waren<br />

gar in Nebentätigkeit bei solchen Anbietern<br />

tätig.<br />

Das LAG Rheinland-Pfalz hatte jüngst<br />

über die Kündigung eines Personalleiters<br />

zu entscheiden, der von einem mit dem<br />

Unternehmen geschäftlich verbundenen<br />

14<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de<br />

Personalvermittler ein Geschenk in Form<br />

einer VIP-Eintrittskarte für ein Fußballspiel<br />

entgegengenommen hatte. Dem Personalleiter<br />

oblagen bei einem Leiharbeitnehmerbedarf<br />

die Verhandlungen mit diesem<br />

Personalvermittler und er hatte somit<br />

Einfluss darauf, ob dieses Unternehmen<br />

bei der Vergabe von Leiharbeitsaufträgen<br />

zum Zuge kam und in welchem<br />

Umfang. Darin sah das LAG einen Verstoß<br />

gegen das Schmiergeldverbot und hat die<br />

Kündigung des Personalleiters als wirksam<br />

bestätigt.<br />

Pflichtwidrigkeiten betreffen ferner die<br />

Einhaltung arbeitnehmerrelevanter Vorschriften<br />

(HR Compliance) selbst. Paradebeispiel<br />

<strong>ist</strong> das Online-Bewerbermanagement,<br />

zu dem viele Unternehmen übergegangen<br />

sind. Trotz Einsatz moderner<br />

IT-Lösungen werden die einschlägigen<br />

Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes<br />

oft nicht gewahrt, wie zahlreiche Beispiele<br />

aus den Medien zeigen, in denen<br />

Bewerber ungewollt Zugriff auf die ver-<br />

traulichen Bewerberdaten anderer Kandidaten<br />

erhielten.<br />

Der Datensicherheit gilt oft<br />

erst der zweite Blick<br />

Zugunsten des effizienten Bewerbermanagements<br />

gilt der Datensicherheit oft erst<br />

der zweite Blick. Eine technisch realisierte<br />

Sicherheit kann zudem durch Fehlverhalten<br />

der Mitarbeiter in der Personalabteilung<br />

unterlaufen werden. Die ausgewählten<br />

Beispiele unterstreichen eindrucksvoll,<br />

wie dringend notwendig ein<br />

funktionsfähiges Compliance-System im<br />

Unternehmen <strong>ist</strong>, um schädigendes Fehlverhalten<br />

von vornherein zu unterbinden<br />

und Pflichtverletzungen sachgemäß sanktionieren<br />

zu können. Dabei <strong>ist</strong> das Erfordernis<br />

eines Compliance-Systems längst<br />

von der Unternehmensgröße oder dem<br />

Bestehen eines Konzerns abgekoppelt.<br />

Auch Mittelständler sind von externen<br />

Compliance-Vorgaben wie dem Namensl<strong>ist</strong>enabgleich<br />

(Mitarbeiterdatenscreening)


ARBEITSRECHT Compliance<br />

nach den europäischen Antiterrorismusverordnungen<br />

betroffen. Oftmals bedingen<br />

mittelständische Strukturen ein professionelles<br />

Compliance-System sogar. Der<br />

nachfolgende Beitrag gibt einen praktischen<br />

Überblick zur Einführung vom Compliance-Richtlinien<br />

und der Anstellung<br />

eines Compliance-Beauftragten als wesentliche<br />

Elemente effektiver Compliance.<br />

Bewusstsein für kritische<br />

Sachverhalte schaffen<br />

Compliance-Systeme werden arbeitsrechtlich<br />

in der Regel durch Compliance-Richtlinien<br />

implementiert. Diese Richtlinien<br />

schaffen das Bewusstsein der Mitarbeiter<br />

für kritische Sachverhalte, indem sie eine<br />

Grenzziehung zwischen sozial adäquatem<br />

und verbotenem oder unerwünschtem Verhalten<br />

ermöglichen. In Deutschland gibt<br />

es grundsätzlich keine verbindlichen Vorgaben,<br />

welchen Inhalt Compliance-Richtlinien<br />

haben müssen (Ausnahmen gelten<br />

etwa in der Finanzdienstle<strong>ist</strong>ungsbranche).<br />

In Compliance-Richtlinien kann eine<br />

Vielzahl unterschiedlicher Regelungen enthalten<br />

sein, wobei in der Praxis die Inhalte<br />

von allgemein gehaltenen Aussagen<br />

über das Unternehmen und sein Geschäftsgebaren<br />

bis hin zur detaillierten Einführung<br />

von Wh<strong>ist</strong>leblower-Systemen reichen.<br />

Allgemeine Aussagen zur Unternehmensphilosophie<br />

oder das Unternehmen ohne<br />

Verhaltensanweisungen oder Regelungen<br />

gegenüber dem Arbeitnehmer müssen<br />

nicht arbeitsrechtlich implementiert werden.<br />

Teilweise werden in Compliance-Richtlinien<br />

auch lediglich gesetzliche Pflichten<br />

wiederholt oder in anderen Worten abgebildet<br />

(zum Beispiel Verbot der Diskriminierung<br />

nach dem AGG). Manche Compliance-Richtlinien<br />

konkretisieren rahmenmäßig<br />

bestehende Pflichten des Arbeitnehmers<br />

aus dem Gesetz, aus dem<br />

Arbeitsvertrag oder aus Nebenpflichten<br />

zum Arbeitsverhältnis.<br />

Mithilfe der Compliance-Richtlinien werden<br />

dem Arbeitnehmer dann genaue Vorgaben<br />

zur Einhaltung dieser Pflichten<br />

erteilt, zum Beispiel hinsichtlich der Wertgrenzen<br />

für die Annahme von Geschenken<br />

16<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de<br />

oder den Umgang mit Betriebsmitteln. Im<br />

Gegensatz zu solchen konkretisierenden<br />

Compliance-Richtlinien werden bei pflichtenbegründendenCompliance-Richtlinien<br />

bisher nicht gesetzlich oder vertraglich<br />

festgelegte Pflichten für den Arbeitnehmer<br />

geregelt, zum Beispiel bei der Einführung<br />

von Wh<strong>ist</strong>leblower-Hotlines oder<br />

hinsichtlich des außerdienstlichen Verhaltens<br />

der Mitarbeiter. Je nach Typus der<br />

Compliance-Richtlinie ergeben sich Unterschiede<br />

in der Implementierung.<br />

Compliance-Richtlinien können mittels<br />

Direktionsrecht implementiert werden,<br />

soweit sie den arbeitsvertraglich gesteckten<br />

Rahmen lediglich ausfüllen. Die Implementierung<br />

mittels Direktionsrecht hat<br />

den Vorteil, dass der Arbeitgeber die auf<br />

diese Weise eingeführten Richtlinien jederzeit<br />

einseitig ändern kann. Die Änderung<br />

geschieht zweckmäßigerweise auf dieselbe<br />

Weise wie die Einführung der Richtlinien,<br />

nämlich durch Aushändigung der<br />

geänderten, aktuellen Compliance-Richtlinien<br />

gegen Empfangsbekenntnis beziehungsweise<br />

auf entsprechend sicherem<br />

elektronischem Wege. Die Wiederholung<br />

gesetzlicher Pflichten sowie die Konkretisierung<br />

ex<strong>ist</strong>ierender Pflichten kann im<br />

Wege des Direktionsrechts gestaltet werden.<br />

Eine einseitige Begründung neuer<br />

Pflichten oder die Änderung im Arbeitsvertrag<br />

vereinbarter Pflichten <strong>ist</strong> hingegen<br />

ausgeschlossen. Dies gilt insbesondere für<br />

Compliance-Richtlinien, die ausschließlich<br />

auf das Verhalten im privaten Bereich<br />

abzielen. Der Arbeitgeber kann beispielsweise<br />

seinen Arbeitnehmern nicht per<br />

Direktionsrecht pauschal vorschreiben,<br />

dass diese untereinander keine Liebesbeziehungen<br />

eingehen dürfen. Derartige Weisungen<br />

sind unwirksam.<br />

Arbeitgeber kann Regelungen im<br />

Arbeitsvertrag verankern<br />

Eine Implementierung von Compliance-<br />

Richtlinien durch den Arbeitsvertrag <strong>ist</strong><br />

ebenso möglich. Der Arbeitgeber kann diejenigen<br />

Regelungen, die wegen der Begründung<br />

neuer Pflichten nicht im Wege des<br />

Direktionsrechts einseitig implementiert<br />

werden können, zum Gegenstand einer<br />

arbeitsvertraglichen Vereinbarung machen.<br />

Auch <strong>ist</strong> es denkbar, die gesamte Compliance-Richtlinie<br />

vertraglich zu implementieren.<br />

Inhaltlich können alle genannten<br />

Typen von Compliance-Richtlinien in den<br />

Arbeitsvertrag einbezogen werden. Grenzen<br />

werden jedoch insbesondere durch<br />

das <strong>Recht</strong> der Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />

(AGB) in §§ 305 ff. BGB gesetzt.<br />

Die Richtlinien müssen daher nach dem<br />

für AGB geltenden Transparenzgebot klar<br />

und verständlich formuliert sein.<br />

Die vertragliche Vereinbarung der Compliance-Richtlinien<br />

führt bei Mitarbeitern<br />

gegebenenfalls zu Problemen, mit denen<br />

bereits ein Arbeitsvertrag geschlossen <strong>ist</strong>.<br />

Eine Vertragsänderung kann nur mit<br />

Zustimmung des Mitarbeiters erreicht werden.<br />

Faktisch <strong>ist</strong> es daher sehr schwierig<br />

für den Arbeitgeber, eine Vertragsänderung<br />

durchzusetzen, wenn sich der Arbeitnehmer<br />

weigert.<br />

Mitbestimmungsfreie und mitbestimmungpflichtige<br />

Richtlinien<br />

Besteht im Unternehmen ein Betriebsrat,<br />

so stellt sich die Frage, ob die Einführung<br />

der Compliance-Richtlinien nach dem<br />

Betriebsfassungsgesetz mitbestimmungspflichtig<br />

<strong>ist</strong>. Nicht mitbestimmungspflichtig<br />

<strong>ist</strong> die Wiederholung von gesetzlichen<br />

Pflichten. Bei konkretisierenden und pflichtenbegründendenCompliance-Richtlinien<br />

<strong>ist</strong> der Betriebsrat ebenfalls nicht zu beteiligen,<br />

soweit lediglich Arbeitspflichten<br />

betroffen sind. Sind hingegen Fragen der<br />

Ordnung des Betriebs und des Verhaltens<br />

der Arbeitnehmer sowie die Einführung und<br />

Anwendung von technischen Einrichtungen<br />

betroffen, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht,<br />

zum Beispiel bei einem<br />

Verbot der Annahme von Geschenken, bei<br />

Regelungen zur privaten Internetnutzung<br />

und der Einführung eines standardisierten<br />

Wh<strong>ist</strong>leblower-Verfahrens.<br />

Soweit das private Verhalten des Arbeitnehmers<br />

in der Richtlinie geregelt werden<br />

soll, scheidet ein Mitbestimmungsrecht<br />

per se aus, wenn das geregelte private<br />

Verhalten keinen betrieblichen Bezug


„<br />

Gelebte Compliance senkt die Risiken erheblich.<br />

aufwe<strong>ist</strong>. Eine Compliance-Richtlinie kann<br />

sowohl aus mitbestimmungsfreien als auch<br />

mitbestimmungspflichtigen Teilen bestehen.<br />

Hinsichtlich der mitbestimmungspflichtigen<br />

Compliance-Elemente muss<br />

der Betriebsrat beteiligt werden, da ansonsten<br />

die entsprechende Regelung unwirksam<br />

<strong>ist</strong>. Enthält das Compliance-Regelwerk<br />

auch mitbestimmungsfreie Teile, so<br />

kann die Betriebsvereinbarung über diesen<br />

Teil (freiwillig) geschlossen werden.<br />

Ein Vorteil der Betriebsvereinbarung <strong>ist</strong>,<br />

dass sie zwingend und unmittelbar für<br />

alle Arbeitnehmer im Betrieb gilt. Auch eine<br />

Änderung der Betriebsvereinbarung, die<br />

jederzeit im Einvernehmen mit dem<br />

Betriebsrat möglich <strong>ist</strong>, erfasst alle Arbeitnehmer.<br />

Damit <strong>ist</strong> sichergestellt, dass die<br />

Richtlinien gleichermaßen für alle Arbeitnehmer<br />

Anwendung finden. Darüber hinaus<br />

<strong>ist</strong> die Akzeptanz der Compliance-<br />

Richtlinien bei den Arbeitnehmern erfahrungsgemäß<br />

höher, wenn die Umsetzung<br />

mittels Betriebsvereinbarung erfolgt. Im<br />

Falle der Kündigung der Betriebsvereinbarung<br />

<strong>ist</strong> zwischen mitbestimmungspflichtigen<br />

und mitbestimmungsfreien<br />

Richtlinien zu unterscheiden, soweit die<br />

Betriebsparteien keine vom Gesetz abweichende<br />

Regelung vereinbaren. So wirken<br />

mitbestimmungspflichtige Richtlinien nach,<br />

bis sie durch eine andere Regelung, zum<br />

Beispiel durch einen Zusatz zum Arbeitsvertrag,<br />

ersetzt werden. Mitbestimmungsfreie<br />

Richtlinien hingegen gelten nach dem<br />

Kündigungstermin nicht mehr weiter.<br />

Die bloße Einführung einer Compliance-<br />

Richtlinie genügt zur Implementierung<br />

einer effektiven Compliance jedoch nicht.<br />

Als eine wesentliche Compliance-Maßnahme<br />

zur Risikominimierung gilt die Schaffung<br />

einer eigenen Compliance-Abteilung<br />

(unabhängig von <strong>Recht</strong>s- und Personalabteilung)<br />

unter der Leitung eines Compliance-Officers,<br />

oftmals ein Mitarbeiter des<br />

Unternehmens, der ausschließlich für die<br />

Sicherstellung von Compliance zuständig<br />

<strong>ist</strong>. Der Compliance-Officer <strong>ist</strong> für Compliance-Aufgaben<br />

aufgrund seines Fachwissens<br />

qualifiziert, kennt die typischen Abläufe<br />

im Unternehmen und dessen Geschäftsmodell<br />

aus eigener Anschauung beziehungsweise<br />

wurde entsprechend eingewiesen<br />

und <strong>ist</strong> mit ausreichenden Befugnissen<br />

und kurzen Berichtswegen ausgestattet.<br />

Compliance-Officer kann strafrechtliche<br />

Verantwortung treffen<br />

Mangels gesetzlicher Regelung zu den konkreten<br />

Aufgaben eines Compliance-Officers<br />

bleibt es den Arbeitsvertragsparteien<br />

überlassen, seinen Pflichtenkreis zu<br />

bestimmen, um hierdurch nicht nur Compliance<br />

sicherzustellen, sondern auch die<br />

Geschäftsführung von ihrer Haftung zu<br />

entlasten. Dass es einer konkreten Regelung<br />

bedarf, zeigt eine Entscheidung des<br />

BGH vom 17. Juli 2009, wonach den Compliance-Officer<br />

sogar selbst eine strafrechtliche<br />

Verantwortung treffen kann, wenn<br />

es ihm nicht gelingt, pflichtwidriges Verhalten<br />

im Unternehmen zu verhindern.<br />

In den Arbeitsvertrag des Compliance-<br />

Officers sollte dessen Pflicht zur unaufgeforderten,<br />

regelmäßigen Berichterstattung<br />

gegenüber der Geschäftsführung sowie<br />

zur unverzüglichen Berichterstattung bei<br />

Handlungsbedarf und besonderen Verdachtsmomenten<br />

aufgenommen werden.<br />

Darüber hinaus sollte der Arbeitsvertrag<br />

die Pflicht des Compliance-Officers vorsehen,<br />

sämtliche seiner Maßnahmen vollständig<br />

und aussagekräftig zu dokumentieren.<br />

Auf diese Weise kann die Geschäftsführung<br />

bei Bedarf anhand entsprechender<br />

Unterlagen, die ordnungsgemäße<br />

Aufgabenausführung durch den Compliance-Officer<br />

und dessen Überwachung<br />

nachweisen.<br />

Es <strong>ist</strong> für das Unternehmen elementar,<br />

den konkreten Pflichtenkreis des Compliance-Officers<br />

durch die arbeitsvertragliche<br />

Vereinbarung eindeutig zu bestimmen.<br />

Hierbei kann keine allgemein gültige Aus-<br />

sage zu den Pflichten des Compliance-Officers<br />

getroffen werden, da diese maßgeblich<br />

von Größe und Geschäft sowie Wirkungskreis<br />

des Unternehmens geprägt<br />

sind. In der Praxis werden hinsichtlich<br />

der Compliance-Aufgaben häufig die folgenden<br />

drei Bereiche herausgebildet:<br />

Prävention, Aufdeckung von Pflichtverstößen<br />

und Umgang mit Pflichtverstößen.<br />

Die Aufgaben des Compliance-Officers können<br />

sich auf eine oder mehrere dieser<br />

Bereiche beziehen, abhängig davon, ob<br />

dessen Tätigkeit in Vollzeit oder in Teilzeit<br />

oder im Rahmen einer gemischten Stelle<br />

in der Form erfolgt, dass neben den Compliance-Aufgaben<br />

noch andere Aufgaben<br />

erfüllt werden müssen (zum Beispiel die<br />

Leitung der <strong>Recht</strong>sabteilung). Vor der<br />

Gestaltung des Arbeitsvertrages eines Compliance-Officers<br />

muss daher zunächst eine<br />

Analyse durchgeführt werden, welche Compliance-Aufgaben<br />

in welchem Umfang konkret<br />

anfallen und auf wie viele Köpfe diese<br />

Tätigkeit verteilt werden muss, um effektive<br />

Compliance sicherstellen zu können.<br />

Am wichtigsten <strong>ist</strong> allerdings, dass die Compliance-Struktur<br />

des Unternehmens mit<br />

Leben gefüllt wird und von der Geschäftsleitung<br />

kommuniziert und vorgelebt wird.<br />

Die zu Beginn dieses Beitrags genannten<br />

Medienberichte verdeutlichen zwar, dass<br />

selbst die Strafbarkeit eines Verhaltens<br />

(zum Beispiel Bestechlichkeit im geschäftlichen<br />

Verkehr) einzelne Mitarbeiter nicht<br />

vom Pflichtenverstoß abhält. Allerdings<br />

senkt eine gelebte Compliance solche Risken<br />

erheblich und minimiert dadurch Schäden<br />

des Unternehmens sowohl in materieller<br />

Hinsicht, als auch hinsichtlich der<br />

Reputation. Der Return-On-Investment<br />

(ROI) einer Unternehmens-Compliance <strong>ist</strong><br />

damit in der Regel signifikant.<br />

Autor<br />

Tobias Neufeld,<br />

<strong>Recht</strong>sanwalt, Fachanwalt<br />

für Arbeitsrecht, Partner der<br />

Sozietät Allen & Overy LLP,<br />

Düsseldorf,<br />

tobias.neufeld@allenovery.com<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de 17


ARBEITSRECHT Arbeitnehmerüberlassung<br />

Fremdpersonaleinsatz im Konzern<br />

Eine mögliche Form der Beschäftigung von Arbeitnehmern für den vertraglichen Arbeitgeber und daneben für einen<br />

weiteren Betrieb stellt die Arbeitnehmerüberlassung dar. Was dabei zu beachten <strong>ist</strong>, zeigt der folgende Beitrag.<br />

D<br />

as Bedürfnis nach einer solchen<br />

Beschäftigung kann in vielen Fällen<br />

bestehen: Beispielsweise kann ein punktuell<br />

höherer Beschäftigungsbedarf durch<br />

die kurzfr<strong>ist</strong>ige Beschäftigung von Arbeitnehmern<br />

aus anderen Betrieben ausgeglichen<br />

werden. Ebenso <strong>ist</strong> es denkbar, dass<br />

besondere „Ausbildungsstützpunkte“ in<br />

einzelnen Betrieben konzentriert werden,<br />

in denen sowohl die Ausbildung, als<br />

auch die Weiterbildung und damit verbunden<br />

auch die Einarbeitung erfolgt. Der<br />

nachfolgende Beitrag möchte sich mit dieser<br />

besonderen Beschäftigungsformen<br />

befassen und Voraussetzungen und Folgen<br />

hiervon darstellen.<br />

Kennzeichen der<br />

Arbeitnehmerüberlassung<br />

Die Kennzeichen der Arbeitnehmerüberlassung<br />

wurden maßgeblich durch die<br />

<strong>Recht</strong>sprechung geprägt: Notwendig <strong>ist</strong><br />

grundsätzlich, dass (vertragliche) Arbeitgeber<br />

einem Dritten die Tätigkeit des<br />

18<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de<br />

Arbeitnehmers vorübergehend zur Verfügung<br />

stellen. Der Einsatz des Arbeitnehmers<br />

im entleihenden Betrieb erfolgt<br />

damit nach den Vorgaben dieses Unternehmers.<br />

Zentrales Kriterium <strong>ist</strong> die Ausübung<br />

des Weisungsrechts durch den Entleiher<br />

und gerade nicht mehr durch den<br />

eigentlichen Arbeitgeber.<br />

Aus der Zweierbeziehung wird damit eine<br />

Dreierbeziehung. Der Entleiher übt damit<br />

faktisch partiell die Stellung als Arbeitgeber<br />

aus. Eine vertragliche Beziehung zwischen<br />

dem Entleiher und dem Arbeitnehmer<br />

besteht hingegen weiterhin nicht.<br />

Die zeitweilige Able<strong>ist</strong>ung der vertraglichen<br />

Arbeitspflicht bei Dritten wird damit<br />

– im Regelfall von Beginn an – vereinbart.<br />

Damit wird die Funktion des Arbeitgebers<br />

– nicht aber die Stellung des Arbeitgebers<br />

in dogmatischer Hinsicht – aufgespalten.<br />

Diese Vorgaben lassen es allerdings<br />

offen, wie weit das Direktionsrecht<br />

an den Entleiher übertragen werden muss,<br />

um das Vorliegen einer Arbeitnehmer-<br />

überlassung zu bejahen. Es muss hierbei<br />

genügen, wenn das Weisungsrecht partiell<br />

übertragen wurde.<br />

Üblicherweise wird der Entleiher sowohl<br />

Vorgaben hinsichtlich Ort und Zeit der zu<br />

erfüllende Tätigkeiten vorgeben, es muss<br />

aber auch genügen, wenn der Entleiher<br />

dieses <strong>Recht</strong> nur für bestimmte Tätigkeiten<br />

und in bestimmten Fällen inne hat.<br />

Es kann keinen Unterschied machen, ob<br />

der Entleiher komplett oder nur partiell<br />

eine Stellung als Arbeitgeber einnimmt<br />

– in beiden Fällen hat ein Dritter Kompetenzen,<br />

die sich nicht aus einer vertraglichen<br />

Beziehung zum Arbeitnehmer ergeben.<br />

Letztes Kennzeichen <strong>ist</strong> zudem, dass die<br />

Tätigkeit des Arbeitnehmers auf einer<br />

Vereinbarung zwischen Arbeitgeber (Verleiher)<br />

und Entleiher beruht. Die Übertragung<br />

der Weisungsbefugnis muss auf<br />

einem willentlichen Entschluss der Beteiligten<br />

beruhen. Eine eigenmächtige<br />

Anmaßung dieser Befugnis kann nicht


ARBEITSRECHT Arbeitnehmerüberlassung<br />

genügen – schon begrifflich würde damit<br />

eine Überlassung ausscheiden.<br />

Nicht verwechselt werden darf diese Konstellation<br />

mit dem Abschluss eines Dienstoder<br />

Werkvertrags zwischen Ver- und<br />

Entleiher. Zwar wird auch hier der Arbeitnehmer<br />

für einen Dritten tätig, die Weisungsbefugnis<br />

verbleibt aber bei seinem<br />

vertraglichen Arbeitgeber. Diese Fälle<br />

stellen damit keine Arbeitnehmerüberlassung<br />

dar.<br />

Voraussetzungen der<br />

Arbeitnehmerüberlassung<br />

a) Arbeitsvertragliche Gestaltung –<br />

Abbedingung des § 613 BGB:<br />

Die Überlassung von Arbeitnehmern stellt<br />

gerade eine Abweichung zu der allgemeinen<br />

arbeitsrechtlichen Verpflichtung dar<br />

– im Regelfall gibt das Leitbild des § 611<br />

BGB dem Arbeitnehmer vor, Dienste jeder<br />

Art zu erfüllen. Die Konkretisierung der<br />

Art folgt dann aus dem konkret vereinbarten<br />

Inhalt des Arbeitsvertrags (vergleiche<br />

auch § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 NachwG).<br />

Ausgeübt werden kann das Direktionsrecht<br />

nach diesen Grundsätzen gerade<br />

nur vom vertraglichen Arbeitgeber.<br />

Ergänzend enthält § 613 BGB Vorgaben<br />

hinsichtlich der persönlichen Able<strong>ist</strong>ung<br />

der Arbeit.<br />

Keine Vorgaben macht das Gesetz hingegen<br />

bezüglich einer Tätigkeit für Dritte.<br />

Damit muss auch hinsichtlich dieser Frage<br />

erneut auf den konkret vereinbarten<br />

Inhalt des Arbeitsverhältnisses abgestellt<br />

werden. Darin muss vereinbart werden,<br />

dass für den Zeitraum der Arbeitnehmerüberlassung<br />

die Tätigkeit beim Entleiher<br />

zu erfolgen hat. Dies ermöglicht<br />

aber keine Aussage hinsichtlich der Fragestellung,<br />

ob der Entleiher auch einen<br />

Anspruch auf die Tätigkeit hat. Nach § 613<br />

S. 2 soll dieser Anspruch im Regelfall<br />

nicht übertragbar sein. Abweichendes gilt<br />

aber dann, wenn der Arbeitnehmer der<br />

Abtretung zugestimmt hat oder sich aus<br />

dem Arbeitsverhältnis, insbesondere dem<br />

Arbeitsvertrag, ausdrücklich oder konkludent<br />

ergibt, dass er einem Dritten zur<br />

20<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de<br />

Beschäftigung nach dessen Vorstellungen<br />

und unter dessen Weisungsbefugnis<br />

überlassen werden kann.<br />

b) Erfordernisse des AÜG:<br />

Eine Arbeitnehmerüberlassung nach oben<br />

gezeigter Definition <strong>ist</strong> grundsätzlich<br />

nicht schrankenlos möglich, sondern<br />

unterliegt den Voraussetzungen, die durch<br />

das AÜG begründet werden – für die konzerninterne<br />

Arbeitnehmerüberlassung<br />

gilt freilich eine Privilegierung.<br />

aa) Genehmigungspflichtigkeit<br />

(1) (Noch) Aktuelles <strong>Recht</strong>:<br />

Grundsätzlich bedarf die Arbeitnehmerüberlassung<br />

einer Genehmigung – vgl. §<br />

1 AÜG. Dies gilt gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2<br />

AÜG aber nicht für Konzernunternehmen<br />

im Sinne des § 18 AktG. Weitere Voraussetzung<br />

dafür <strong>ist</strong>, dass die Überlassung<br />

gerade nur vorübergehend erfolgt. Eine<br />

Anwendung des AÜG auf diesen Fall würde<br />

nur eine bürokratische Förmlichkeit<br />

darstellen, die überflüssig wäre, da der<br />

soziale Schutz der Arbeitnehmer nicht<br />

gefährdet <strong>ist</strong> und der konzernweite Einsatz<br />

von Kräften erschwert würde.<br />

Anlass und Zweck der Überlassung sind<br />

überdies unerheblich. Dem natürlichen<br />

Wortsinn nach meint „vorübergehend“<br />

alles, <strong>was</strong> endlich <strong>ist</strong>. Dies kann auch ein<br />

sehr langer Zeitraum sein. Nach der sehr<br />

weiten Auslegung des BAG <strong>ist</strong> damit darunter<br />

jede als nicht endgültig geplante<br />

Überlassung zu verstehen. Dem folgt das<br />

Schrifttum und wertet jede Überlassung<br />

als vorübergehend, die nicht dauerhaft<br />

erfolgt. Eine nicht vorübergehende Überlassung<br />

liegt damit nur bei Bestehen einer<br />

Personalführungsgesellschaft vor. Deren<br />

Merkmal liegt darin, dass Konzerne diese<br />

Gesellschaften gerade mit dem Zweck<br />

bilden, Arbeitnehmer dauerhaft an andere<br />

Konzernunternehmen zu verleihen.<br />

Gerade und nur in diesem Fall bedarf der<br />

Arbeitnehmer eines erhöhten Schutzes,<br />

denn hier besteht die Gefahr einer Absenkung<br />

von sozialen und wirtschaftlichen<br />

Standards.<br />

(2) AÜG ab 01.12.2011:<br />

Der Verzicht auf Erteilung einer Genehmigung<br />

bei konzerninterner Arbeitnehmerüberlassung<br />

wird auch im Gesetz zur<br />

Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes,<br />

welches zum 1. Dezember 2011<br />

Gültigkeit erlangt, beibehalten. Durch die<br />

Neufassung des Gesetzes sollen der missbräuchliche<br />

Einsatz der Arbeitnehmerüberlassung<br />

unterbunden und die Leiharbeitsrechtlinie<br />

umgesetzt werden. Neu<br />

<strong>ist</strong>, dass im Entwurf das Erfordernis der<br />

vorübergehenden Überlassung dadurch<br />

ersetzt wird, dass nunmehr der Arbeitnehmer<br />

„nicht zum Zweck der Überlassung<br />

eingestellt und beschäftigt [werden]“ darf.<br />

Klar bleibt damit, dass weiterhin Personalführungsgesellschaften<br />

von der Anwendung<br />

des Konzernprivilegs ausgeschlossen<br />

bleiben. Weder mit Einstellung, noch<br />

mit der Beschäftigung darf eine Überlassung<br />

bezweckt werden. Durch diese doppelte<br />

Formulierung soll ausdrücklich<br />

sichergestellt werden, dass gerade nicht<br />

nur die Vereinbarungen im Arbeitsvertrag<br />

maßgeblich sind, sondern gerade auch<br />

die tatsächlichen Inhalte der Beschäftigung.<br />

Einer Umgehung der Regelung wird damit<br />

vorgebeugt.<br />

bb) Gewerbsmäßigkeit<br />

Anwendbar wäre das AÜG, auch bei einer<br />

Personalführungsgesellschaft, aber nur<br />

dann, wenn die Überlassung gewerbsmäßig<br />

erfolgt <strong>ist</strong> (§ 1 Abs. 1 S. 1 AÜG).<br />

Maßgeblich <strong>ist</strong> hierfür der gewerberechtliche<br />

Begriff der Gewerbsmäßigkeit. Zentrales<br />

Kriterium <strong>ist</strong> damit die Gewinnerzielungsabsicht<br />

in Form der Erlangung<br />

eines wirtschaftlichen Vorteils. Nach der<br />

gesetzlichen Neuregelung <strong>ist</strong> dieses Kriterium<br />

jetzt nicht mehr erforderlich. Es<br />

reicht hierfür nunmehr die Überlassung<br />

im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit.<br />

Die Gesetzesänderung war nötig<br />

geworden, sieht doch die Richtlinie in<br />

Art. 1 Abs. 2 eine Differenzierung zwischen<br />

gewerblicher und nichtgewerblicher<br />

Arbeitnehmerüberlassung nicht vor.<br />

Aus diesem Grund wurde der Bezug auf


die Gewerbsmäßigkeit durch eine<br />

Beschränkung auf eine Überlassung „im<br />

Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit“<br />

ersetzt.<br />

Folgen der Arbeitnehmerüberlassung<br />

Privilegiert <strong>ist</strong> die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung<br />

allerdings nicht nur<br />

hinsichtlich der Voraussetzungen, sondern<br />

teilweise auch bezüglich der <strong>Recht</strong>sfolgen.<br />

a) Equal Pay-Gebot:<br />

Prinzipiell gilt nach deutschem <strong>Recht</strong><br />

gemäß § 9 Nr. 2 AÜG der Grundsatz des<br />

Equal Pay –dies gilt allerdings nach § 1<br />

Abs. 3 AÜG hingegen gerade nicht für die<br />

konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung.<br />

Das auch mit gutem Grund: Wenn die<br />

oben aufgestellten Vorgaben berücksichtigt<br />

werden, darf der Arbeitnehmer nur<br />

vorübergehend beziehungsweise nicht<br />

zum Zweck der Überlassung beschäftigt<br />

werden. Durch die daraus resultierende<br />

Herausnahme der Personalführungsgesellschaften<br />

wird sichergestellt, dass der<br />

Arbeitnehmer als „ordentlicher“ Arbeitnehmer<br />

eingestellt und beschäftigt wird.<br />

Eine „Vorprägung“ als zu überlassender<br />

Arbeitnehmer <strong>ist</strong> unzulässig.<br />

b) Kündigungsrechtliche Folgen:<br />

Bedeutsam sind hingegen die kündigungsrechtlichen<br />

Folgen, welche sich gerade<br />

nicht aus dem AÜG ergeben. Diese treten<br />

damit auch bei der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung<br />

ein. Gerade bei der<br />

betriebsbedingten Kündigung zeigen sich<br />

hier einige Besonderheiten. Die Vorgaben<br />

für eine solche Kündigung ergeben<br />

sich aus § 1 Abs. 1 1 iVm § 1 Abs. 2 S. 1<br />

Var. 2; Abs. 3 KSchG. Bestehen müssen<br />

dabei „dringende betriebliche Erfordernisse,<br />

die einer Weiterbeschäftigung des<br />

Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen“.<br />

Prinzipiell wird dieses Erfordernis<br />

der Weiterbeschäftigung durch die<br />

<strong>Recht</strong>ssprechung unternehmensbezogen<br />

ausgelegt. Eine solche Anwendung <strong>ist</strong><br />

auch zwingend, hat der Arbeitgeber doch<br />

keine praktische Möglichkeit, den Arbeitnehmer<br />

auf andere Stellen außerhalb des<br />

Unternehmens zu verschieben. Hier gilt<br />

erneut das oben zum Arbeitsvertrag gesagte.<br />

Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit<br />

muss tatsächlich bestehen, um als Alternative<br />

zur Kündigung zu gelten. Ein abweichendes<br />

Ergebnis ergibt sich aber daraus,<br />

wenn – wie im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung<br />

gegeben – eine Möglichkeit<br />

zur Beschäftigung auch außerhalb<br />

des Unternehmens im gesamten Konzern<br />

besteht. Für den Kündigungsschutz <strong>ist</strong><br />

dann eine konzerndimensionale Sichtweise<br />

geboten. Mit dem <strong>Recht</strong> des Arbeitgebers,<br />

den Arbeitnehmer auch in anderen<br />

Konzernbetrieben tätig werden zu<br />

lassen, korrespondiert damit auch die<br />

Pflicht des Arbeitgebers, ihn dahin vorrangig<br />

vor einer betriebsbedingten Kündigung<br />

zu versetzen.<br />

Jedenfalls das erste Kriterium <strong>ist</strong> unproblematisch<br />

erfüllt – bei konzerninterner<br />

Arbeitnehmerüberlassung <strong>ist</strong> die Möglichkeit<br />

der Versetzung innerhalb des<br />

Konzerns gerade immanent. Problematischer<br />

stellt sich das zweite Kriterium dar.<br />

Allerdings <strong>ist</strong> auch hier im Grundsatz<br />

zunächst eine Einflussnahmemöglichkeit<br />

des Arbeitgebers zu bejahen – die Versetzung,<br />

das heißt die Beschäftigung im<br />

anderen Konzernbetrieb, <strong>ist</strong> gerade auch<br />

von der Entscheidung des Arbeitgebers<br />

als Verleiher abhängig. Die Entscheidungen<br />

des BAG zur konzerndimensionalen<br />

Betrachtung können damit auch unproblematisch<br />

auf die Arbeitnehmerüberlassung<br />

übertragen werden.<br />

Allerdings stellt sich die Frage, ob tatsächlich<br />

auch bei nur kurzer Überlassung<br />

oder bei Überlassung nur zur Einarbeitung<br />

die Anwendung ebenso geboten <strong>ist</strong>.<br />

Abhängig <strong>ist</strong> dies von der Ausgestaltung<br />

des Arbeitsvertrages – wenn dieser die<br />

generelle Zulässigkeit der Tätigkeit bei<br />

einem anderen Konzernunternehmen<br />

erlaubt und diese auch zeitlich nicht befr<strong>ist</strong>et,<br />

dann muss hier auch der Kündigungsschutz<br />

konzernbezogen betrachtet<br />

werden.<br />

c) Betriebsverfassungsrechtliche Folgen:<br />

Betriebsverfassungsrechtlich besteht<br />

während des Überlassungszeitraums bei<br />

der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung<br />

faktisch eine doppelte Betriebszugehörigkeit:<br />

Für den verleihenden<br />

Betrieb <strong>ist</strong> dies unproblematisch gegeben,<br />

hier besteht gerade eine arbeitsvertragliche<br />

Verknüpfung. Aber auch im entleihenden<br />

Betrieb hat der Arbeitnehmer<br />

eine Stellung inne, die der der ordentlichen<br />

Arbeitnehmer entspricht. Eine doppelte<br />

Berücksichtigung <strong>ist</strong> aber nach § 14<br />

Abs. 1 AÜG ausgeschlossen.<br />

Auch wenn diese Norm für die konzerninterne<br />

Arbeitnehmerüberlassung nicht<br />

anwendbar <strong>ist</strong>, <strong>ist</strong> auch nach Ansicht des<br />

BAG eine entsprechende Anwendung<br />

geboten. Die Arbeitnehmer bleiben – ausschließlich<br />

– Arbeitnehmer ihres vertraglichen<br />

Arbeitgebers. Dessen ungeachtet<br />

ergibt sich aus § 7 S. 2 BetrVG aber eine<br />

Wahlberechtigung auch im Betrieb des Entleihers,<br />

bei Überlassungen mit einer Dauer<br />

über drei Monate. Ob dazu auch das<br />

Wahlrecht im Betrieb des Arbeitgebers<br />

bestehen bleibt, <strong>ist</strong> umstritten. Dies <strong>ist</strong>,<br />

aufgrund der Unanwendbarkeit des § 14<br />

Abs. 1 AÜG, zu verneinen. Der Arbeitnehmer<br />

gehört betriebsverfassungsrechtlich<br />

nicht mehr dem überlassenden Betrieb<br />

an - dies aber nur, wenn durch die Dauer<br />

der Entleihung der Bezug zum ursprünglichen<br />

Betrieb verloren geht. Dazu muss<br />

die Entleihung in Anlehnung an § 3 abs.<br />

1 Nr. 6 a.F. AÜG mindestens zwölf Monate<br />

betragen. Dem entgegen steht aber die<br />

<strong>Recht</strong>sprechung des BAG, welche die<br />

Zuordnung zum ursprünglichen Betrieb<br />

aufrechterhalten will.<br />

Autor<br />

Professor Dr. Gregor Thüsing,<br />

Institut für Arbeitsrecht<br />

und <strong>Recht</strong> der sozialen<br />

Sicherheit, Bonn,<br />

sekretariat.thuesing@<br />

jura.uni-bonn.de<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de 21


ARBEITSRECHT Urlaubsrecht<br />

Urlaubskonto nach langer Krankheit prall gefüllt<br />

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seiner jüngsten <strong>Recht</strong>sprechung für das deutsche Urlaubsrecht<br />

viele neue <strong>Recht</strong>sfragen aufgeworfen. Das hat für die Unternehmen erhebliche praktische Auswirkungen.<br />

W<br />

as war passiert? Der EuGH hatte<br />

Anfang 2009 in seinem sogenanten<br />

„Schultz-Hoff“-Urteil entschieden,<br />

dass die deutsche Urlaubsrechtspraxis<br />

im Falle längerer Arbeitsunfähigkeit<br />

nicht mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie<br />

vereinbar <strong>ist</strong>. Die Richtlinie sieht vor,<br />

dass der gesetzliche Anspruch auf den<br />

bezahlten Jahresurlaub von mindestens<br />

vier Wochen, das heißt 20 Urlaubstage<br />

bei einer Fünf-Tage-Woche, nicht zeitlich<br />

verfallen dürfe, nur weil der Urlaub<br />

wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit<br />

nicht genommen werden konnte.<br />

22<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de<br />

Für die betriebliche Praxis gilt damit,<br />

dass dauerhaft erkrankte Arbeitnehmer<br />

jährlich zumindest einen Urlaubsanspruch<br />

in der gesetzlich vorgeschriebenen<br />

Mindesthöhe erwerben und dieser<br />

immer weiter zu übertragen <strong>ist</strong>. Kehrt der<br />

Arbeitnehmer nach langanhaltender<br />

Arbeitsunfähigkeit in das Arbeitsverhältnis<br />

zurück oder endet dieses, zum Beispiel<br />

durch Renteneintritt, hat er einen<br />

möglicherweise über Jahre angesammelten<br />

Anspruch auf Urlaub beziehungsweise<br />

Urlaubsabgeltung.<br />

Trotz dieser <strong>Recht</strong>sprechung aus Luxembourg<br />

können Ansprüche aber nicht zeit-<br />

lich völlig unbegrenzt geltend gemacht<br />

werden, wie das Bundesarbeitsgericht<br />

(BAG) kürzlich in zwei Urteilen entschied.<br />

Danach unterliegen Urlaubsabgeltungsansprüche<br />

einzel- und tarifvertraglichen<br />

Ausschlussfr<strong>ist</strong>en. Dies bedeutet eine<br />

Kehrtwende, denn bislang hatte das BAG<br />

die Anwendbarkeit von Ausschlussfr<strong>ist</strong>en<br />

auf Urlaubsabgeltungsansprüche mit<br />

dem Hinweis darauf abgelehnt, dass jene<br />

einen unabdingbaren gesetzlichen Abgeltungsanspruch<br />

nicht erfassen könnten.<br />

Diese <strong>Recht</strong>sprechung hat das BAG infolge<br />

der „Schultz-Hoff“-Entscheidung des<br />

Europäischen Gerichtshofs nun mit zwei


ARBEITSRECHT Urlaubsrecht<br />

„<br />

In welchem Umfang Mitarbeiter Urlaubsansprüche<br />

ansammeln können, hat das BAG nicht beantwortet.<br />

Entscheidungen aufgegeben. Eine Krankenschwester,<br />

die eineinhalb Jahre krankgeschrieben<br />

war, schied Ende März 2008<br />

aus dem Arbeitsverhältnis aus und erhielt<br />

seitdem eine Erwerbsminderungsrente.<br />

Erst im Februar 2009 verlangte sie eine<br />

Abgeltung des ihr aus den Jahren 2007<br />

und 2008 noch zustehenden Urlaubs.<br />

Hiermit wird ein bis zum Ende eines<br />

Arbeitsverhältnisses nicht genommener<br />

Resturlaub in Geld ausbezahlt. Nach der<br />

bisherigen <strong>Recht</strong>sprechung des BAG verfielen<br />

der Urlaubsanspruch und damit<br />

auch der Anspruch auf eine Abgeltung<br />

desselben am Ende eines Kalenderjahres,<br />

spätestens jedoch zum 31. März des<br />

Folgejahres, wenn der Arbeitnehmer den<br />

Urlaub aufgrund von Krankheit nicht<br />

nehmen konnte.<br />

Antrag ging viel zu spät ein<br />

Der Antrag der Krankenschwester ging<br />

bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber im<br />

Februar 2009 und damit viel zu spät ein,<br />

so das BAG in seiner Entscheidung (Urteil<br />

vom 9. August 2011, Az. 9 AZR 352/10).<br />

Als reine Geldforderung unterliege der<br />

Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen<br />

Mindesturlaubs wie andere Ansprüche<br />

aus dem Arbeitsverhältnis auch<br />

den einzel- und tarifvertraglichen Ausschlussfr<strong>ist</strong>en.<br />

Da das Arbeitsverhältnis<br />

der Krankenschwester dem Tarifvertrag<br />

des öffentlichen Dienstes unterlag, lag<br />

sie weit über der sechsmonatigen Ausschlussfr<strong>ist</strong>.<br />

Im zweiten Fall hatte ein wieder genesener<br />

Busfahrer nach dreieinhalb Jahren<br />

Krankheit im zweiten Halbjahr 2008 seinen<br />

30-tägigen Jahresurlaub genommen.<br />

Erst 2009 machte er weitere 90 Urlaubstage<br />

für die Jahre 2005 bis 2007 geltend.<br />

Er begründete dies damit, dass er den<br />

Urlaub während seiner langen Krankheit<br />

nicht habe nehmen können. Auch<br />

24<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de<br />

für ihn hatte das BAG keine erfreuliche<br />

Entscheidung parat. Der neunte Senat entschied,<br />

dass der von dem Busfahrer beantragte<br />

Urlaub für die lange Zeit der Krankheit<br />

spätestens mit Ablauf des 31. Dezember<br />

2008 untergegangen <strong>ist</strong>.<br />

Werde ein zunächst arbeitsunfähiger<br />

Arbeitnehmer so rechtzeitig gesund, dass<br />

er den während seiner Krankheit aufgelaufenen<br />

Urlaub noch nehmen könnte,<br />

erlischt der aus früheren Zeiträumen<br />

stammende Urlaubsanspruch nach dem<br />

Urteil aus Erfurt genauso wie der<br />

Anspruch, der zu Beginn des Urlaubsjahres<br />

neu entstanden <strong>ist</strong> (Urteil vom<br />

09.08.2011, Az. 9 AZR 425/10).<br />

Wer also nach langer Krankheit wieder<br />

seine Arbeit aufnimmt, muss schnell im<br />

selben Jahr den ungenutzten Urlaub<br />

beantragen, damit er nicht verfällt. Endet<br />

der Job, so endet auch der Anspruch auf<br />

den Geldausgleich. Auch der Zusatzurlaub<br />

für Schwerbehinderte muss ebenso<br />

wie der Mindesturlaub nach dem Ende<br />

des Arbeitsverhältnisses abgegolten werden,<br />

wenn der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit<br />

nicht gewährt werden konnte.<br />

Frage nach dem Umfang der<br />

Ansprüche nicht beantwortet<br />

In welchem Umfang Mitarbeiter Urlaubsansprüche<br />

über mehrere Jahre ansammeln<br />

können, hat das Bundesarbeitsgericht<br />

allerdings nicht beantwortet. Auch<br />

hierüber wird das BAG in Zukunft sicher<br />

noch entscheiden müssen. Bedeutend <strong>ist</strong><br />

in diesem Zusammenhang, dass sich<br />

Arbeitgeber in dieser Konstellation regelmäßig<br />

nicht mit Erfolg auf den Vertrauensschutz<br />

berufen können. Bei Langzeitkranken<br />

kann Urlaubsabgeltung<br />

grundsätzlich für Urlaubsansprüche bis<br />

zurück ins Jahr 1996 verlangt werden.<br />

Eine enorme Belastung für Arbeitgeber,<br />

die im Ernstfall heute mit Urlaubsan-<br />

sprüchen aus 15 Jahren konfrontiert wären.<br />

Für eine Begrenzung spricht jedoch, dass<br />

der vom EuGH in der Vorab-Entscheidung<br />

„Schultz-Hoff“ nicht erwähnte Artikel<br />

9 des Abkommens für Internationale<br />

Arbeitsorganisation (IAO) eine Verfallfr<strong>ist</strong><br />

enthält. Diese beträgt spätestens<br />

18 Monate nach Ablauf des Jahres, in<br />

dem der Urlaubsanspruch entstanden<br />

<strong>ist</strong>. Das Landesarbeitsgericht (LAG)<br />

Hamm hat diese Frage dem EuGH im<br />

Rahmen eines Vorab-Entscheidungsersuchens<br />

vorgelegt. Der Ausgang dieser Entscheidung<br />

bleibt abzuwarten.<br />

Auch Abgeltungsansprüche im Zusammenhang<br />

mit dem gesetzlichen Schwerbehindertenurlaub<br />

unterliegen den Ausschlussfr<strong>ist</strong>en,<br />

wenn dieser Urlaub bis<br />

zum Ende des Arbeitsverhältnisses wegen<br />

Arbeitsunfähigkeit nicht angetreten werden<br />

konnte. Soweit (tarif-)vertragliche<br />

Ausschlussfr<strong>ist</strong>en nicht eingreifen, werden<br />

diese Ansprüche von der im Bürgerlichen<br />

Gesetzbuch (BGB) geregelten dreijährigen<br />

Verjährungsfr<strong>ist</strong> erfasst. Arbeitnehmer,<br />

die gut beraten sind, werden<br />

ihre Vorgesetzten auf eine Übertragung<br />

des Urlaubsanspruchs in das Folgejahr<br />

hinweisen, wenn sie ihren Urlaub wegen<br />

Krankheit nicht nehmen konnten, ihnen<br />

der Resturlaub jedoch in der Entgeltabrechnung<br />

gestrichen wurde.<br />

Zu erwarten <strong>ist</strong> auch, dass Betriebsräte<br />

mehr als bisher bei der mitbestimmungspflichtigen<br />

Urlaubsplanung darauf achten,<br />

dass die Urlaubsansprüche langzeiterkrankter<br />

Arbeitnehmer einbezogen<br />

werden. Nach langer Arbeitsunfähigkeit<br />

angemeldete Ansprüche werden von<br />

Arbeitgeberseite me<strong>ist</strong> missmutig gesehen.<br />

Mancher Mitarbeiter dagegen kann<br />

sich, wenn er sich nach seiner Rückkehr<br />

an den Arbeitsplatz beeilt, über eine<br />

finanzielle Abgeltung längst verloren<br />

geglaubter Urlaubstage freuen.


Das LAG Hamm hat im Jahr 2010 entschieden,<br />

dass aus der geänderten <strong>Recht</strong>sprechung<br />

des Bundesarbeitsgerichts zum<br />

Urlaubsabgeltungsanspruch des langandauernd<br />

arbeitsunfähigen Arbeitnehmers<br />

die Vererblichkeit des Abgeltungsanspruchs<br />

bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

durch Tod des Arbeitnehmers<br />

folgt (Urteil vom 22.04.2010, 16 Sa<br />

1502/09). Es <strong>ist</strong> zu erwarten, dass das<br />

Urteil in der Revision durch das BAG<br />

bestätigt werden wird (Az. 9 AZR 416/10).<br />

Hintergrund dafür dürfte sein, dass der<br />

Urlaubsabgeltungsanspruch als schlichte<br />

finanzielle Abfindung zu verstehen<br />

und daher vererbbar <strong>ist</strong>. Allerdings werden<br />

auch auf den finanziellen Anspruch<br />

der Erben etwaig vereinbarte Ausschlussfr<strong>ist</strong>en<br />

im Anstellungsvertrag mit dem<br />

Tod des Arbeitnehmers als dem Zeitpunkt<br />

der Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

und damit des Entstehens des<br />

Urlaubsabgeltungsanspruchs zu laufen<br />

beginnen.<br />

Urlaubsabgeltungsansprüche<br />

sind vererbbar<br />

Seit der „Schultz-Hoff“-Entscheidung des<br />

EuGH und der in der Folge geänderten<br />

<strong>Recht</strong>sprechung des Bundesarbeitsgerichts<br />

müssen Unternehmen stärker als<br />

bisher die wirtschaftlichen Risiken der<br />

Ansprüche von langzeiterkrankten Mitarbeitern<br />

beachten und entscheiden, wie<br />

sie künftig mit „Dauerkranken“ umgehen<br />

sollen. Arbeitgeber können Mitarbeiter<br />

wegen Dauerkrankheit kündigen,<br />

wenn diese zum Zeitpunkt der Kündigung<br />

längere Zeit krankheitsbedingt keine<br />

Arbeitsle<strong>ist</strong>ung erbringen konnten. Weitere<br />

Voraussetzung <strong>ist</strong>, dass das Ende<br />

der Erkrankung nicht absehbar, jedenfalls<br />

aber für einen längeren Zeitraum<br />

ungewiss <strong>ist</strong>, ob die Arbeitsfähigkeit wiedererlangt<br />

werden kann.<br />

„<br />

Arbeitgeber sollten ihre Urlaubsklauseln anpassen,<br />

wenn sie verhindern wollen, mit über viele Jahre angehäuften<br />

Urlaubsansprüchen konfrontiert zu werden.<br />

Bevor der Arbeitgeber einem dauererkrankten<br />

Mitarbeiter kündigen kann, <strong>ist</strong><br />

er verpflichtet verschiedene Maßnahmen<br />

zu prüfen, um die Arbeitsfähigkeit seines<br />

Arbeitnehmers wiederherzustellen<br />

und einer erneuten Erkrankung vorzubeugen,<br />

damit der Arbeitsplatz erhalten<br />

werden kann. Zu den (Wieder-)Eingliederungsmaßnahmen<br />

zählen zum Beispiel<br />

die stufenweise Wiedereingliederung und<br />

eine technische Umgestaltung des Arbeitsplatzes.<br />

Darüber hinaus können Veränderungen<br />

der Arbeitsorganisation, der<br />

Arbeitsumgebung, der Arbeitszeit sowie<br />

Qualifizierungsmaßnahmen und Arbeitsversuche<br />

oder medizinische Rehabilitation<br />

bis zur Grenze der Zumutbarkeit für<br />

den Arbeitgeber erforderlich sein.<br />

Angesichts der finanziellen Risiken der<br />

Urlaubsabgeltung werden sich Arbeitgeber<br />

künftig nachvollziehbarerweise<br />

häufiger für eine möglichst frühzeitige<br />

Kündigung dauerkranker Mitarbeiter<br />

entscheiden. Bisher war es in vielen<br />

Unternehmen üblich, dauerhaft erkrankte<br />

Arbeitnehmer einfach in der „Personalkartei“<br />

zu belassen, bis das Arbeitsverhältnis<br />

durch Pensionierung oder Tod<br />

von alleine endete. Aufgrund der jährlich<br />

steigenden wirtschaftlichen Risiken<br />

aus dem Mindesturlaub werden Unternehmen<br />

leider wieder mehr krankheitsbedingte<br />

Kündigungen aussprechen. Nur<br />

so können sie zukünftigen finanziellen<br />

Risiken durch Urlaubsabgeltung und notwendiger<br />

Bildung entsprechender Rückstellungen<br />

begegnen.<br />

Auf der anderen Seite wird damit den wiedergenesenden<br />

Mitarbeitern häufiger<br />

die Chance genommen werden, ihr<br />

Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Aufgrund<br />

der Risiken, die mit einer krankheitsbedingten<br />

Kündigung verbunden sind, werden<br />

viele Unternehmen ferner dazu übergehen,<br />

Arbeitsverhältnisse mit dauer-<br />

haft erkrankten Arbeitnehmern einvernehmlich<br />

durch Aufhebungsvertrag zu<br />

beenden. Dabei müssen sie darauf achten,<br />

dass Urlaubsabgeltungsansprüche<br />

nicht einzelvertraglich ausgeschlossen<br />

werden können. Es stellt sich die Frage,<br />

wie wahrscheinlich es <strong>ist</strong>, dass Mitarbeiter<br />

nach jahrelanger Arbeitsunfähigkeit<br />

die Urlaubsabgeltungsansprüche<br />

auch geltend machen werden.<br />

Urlaubsklauseln sollten<br />

angepasst werden<br />

Nach der geänderten Auslegung des<br />

Urlaubsrechts sollten Arbeitgeber ihre<br />

arbeitsvertraglichen Urlaubsklauseln<br />

anpassen, wenn sie künftig verhindern<br />

wollen, mit über viele Jahre angehäuften<br />

Urlaubsansprüchen ihrer Mitarbeiter<br />

konfrontiert zu werden. Es empfiehlt<br />

sich im Arbeitsvertrag eindeutig zwischen<br />

gesetzlichem Mindesturlaub und<br />

vertraglichem Mehrurlaub zu differenzieren,<br />

damit bei dauerkranken Mitarbeitern<br />

immerhin der über den Mindesturlaubsanspruch<br />

hinausgehende übergesetzliche<br />

Mehrurlaub verfällt. Außerdem<br />

<strong>ist</strong> es sinnvoll, eine besondere<br />

Ausschlussfr<strong>ist</strong> für die Geltendmachung<br />

des nach neuer <strong>Recht</strong>sprechung übertragenen<br />

Urlaubs zu vereinbaren. Hinsichtlich<br />

der Urlaubsabgeltungsansprüche<br />

gelten hingegen die allgemeinen Ausschlussfr<strong>ist</strong>en.<br />

Enthält der Arbeitsvertrag<br />

keine solche Fr<strong>ist</strong> und findet auch<br />

eine tarifvertragliche Ausschlussfr<strong>ist</strong><br />

keine Anwendung, gilt die gesetzliche<br />

Verjährungsfr<strong>ist</strong> von drei Jahren.<br />

Autor<br />

Hendrik Bourguignon,<br />

Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />

und Partner der Kanzlei<br />

Schmalz <strong>Recht</strong>sanwälte,<br />

Frankfurt, h.bourguignon@<br />

schmalzlegal.com<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de 25


ARBEITSRECHT Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz<br />

Diskriminierung von Frauen<br />

kann teuer werden<br />

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zeigt Wirkung. Die jüngste Entscheidung<br />

des LAG Berlin-Brandenburg gegen Sony lässt Personaler nachdenklich werden.<br />

Transparente Auswahlverfahren und Equal Pay sind das Gebot der Stunde. Doch längst<br />

nicht alle Chefs wollen da folgen. Das kann in Zukunft teuer werden.<br />

M<br />

arina Müller (Name von der<br />

Redaktion geändert) war glücklich<br />

– endlich war sie schwanger. Die<br />

35-jährige Controllerin zögerte nicht,<br />

ihren Vorgesetzten prompt zu unterrichten.<br />

In dem mittelständischen<br />

Unternehmen <strong>ist</strong> viel zu tun und die<br />

werdende Mutter wollte nach dem Mutterschutz<br />

rasch wieder an ihren Arbeitsplatz<br />

zurückkehren. Gratulation und<br />

ermutigende Worte, so erinnert sie sich.<br />

Das kriegen wir schon hin, hieß es.<br />

26<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de<br />

Doch dabei blieb es nicht. Wenige Tage<br />

später drehte sich der Wind, ihre Vorgesetzten<br />

hatten Zweifel, ob sie mit Kind<br />

auch in Zukunft ihren Job bewältigen<br />

würde. Der Streit eskalierte, Müller<br />

fühlte sich massiv unter Druck gesetzt,<br />

ja bedroht. Immer wieder, so schildert<br />

sie, sei sie zu dem Geschäftsführer des<br />

Unternehmens zitiert worden, musste<br />

sich Vorwürfe anhören. Sie sollte sich<br />

nach ihrer Rückkehr mit einer befr<strong>ist</strong>eten<br />

Teilzeitstelle zufrieden geben.<br />

Die Unternehmensleitung beurteilte<br />

die Gespräche anders. Die werdende<br />

Mutter sei selbst skeptisch gewesen,<br />

ob sie ihre Aufgaben bewältigen würde,<br />

wenn erstmal das Kind da sei, nicht<br />

zuletzt, weil umfangreiche Reisetätigkeiten<br />

zu ihrem Job gehören würden.<br />

Die Teilzeitstelle sei im Grunde von ihr<br />

selbst gewünscht worden. Eine Einigung<br />

kam nicht zustande, nun <strong>ist</strong> der<br />

Fall vor Gericht anhängig. Dort machen<br />

Klägerinnen nicht selten die Erfahrung,


ARBEITSRECHT Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz<br />

„ Benachteiligungen wegen Mutterschaft sind<br />

leider der Alltag in deutschen Unternehmen.<br />

dass ein rauer Ton herrscht. Doch auch<br />

bei einer besonnen geführten jur<strong>ist</strong>ischen<br />

Auseinandersetzung stehen die<br />

Klägerinnen vor dem Problem, dass<br />

viele Gespräche mit Vorgesetzten unter<br />

vier Augen geführt werden, diskriminierende<br />

Äußerungen lassen sich kaum<br />

beweisen. Im Fall Marina Müller half<br />

der Klägerin ein grober Schnitzer der<br />

Gegenseite. Der Mittelständler hatte<br />

Müllers unbefr<strong>ist</strong>eten Vertrag in einen<br />

befr<strong>ist</strong>eten verwandelt und zurückdatiert.<br />

In diesem Punkt trat die Gegenseite<br />

lieber gleich den Rückzug an, an<br />

der Umwandlung des unbefr<strong>ist</strong>eten<br />

Arbeitsvertrages in einen befr<strong>ist</strong>eten<br />

wolle man nun nicht mehr festhalten.<br />

Vor Gericht ließ sich nicht plausibel<br />

machen, warum Marina Müller freiwillig<br />

in eine solche Verschlechterung hätte<br />

einwilligen sollen. Hieß es zunächst,<br />

die Controllerin habe das so gewollt,<br />

gelte nun doch wieder der unbefr<strong>ist</strong>ete<br />

Vertrag.<br />

Benachteiligung wegen<br />

Mutterschaft<br />

Während die Klägerin nun auf Entschädigung<br />

und Schmerzensgeld klagt,<br />

we<strong>ist</strong> die Beklagte wie oft in solchen<br />

Fällen diese Ansprüche zurück. Und<br />

Marina Müller will jetzt beweisen, dass<br />

die ihr im Gedächtnis haften gebliebenen<br />

Auftritte des Geschäftsführers sich<br />

wirklich so abgespielt haben, dass sie<br />

tatsächlich bedroht und eingeschüchtert<br />

wurde. Der Fall hat es in sich, und<br />

er <strong>ist</strong> in vielerlei Hinsicht typisch.<br />

Schwangerschaft als Betriebsunfall,<br />

möchte man sagen, so sehen es immer<br />

noch viele Unternehmer. Ganz offensichtlich<br />

war der Mittelständler auf<br />

eine solche Situation nicht vorbereitet,<br />

versucht die Mitarbeiterin mit juris-<br />

28<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de<br />

tisch mehr als fragwürdigen Methoden<br />

loszuwerden. So <strong>was</strong> kann ins Auge<br />

gehen, auch wenn die Klägerin nicht<br />

jeden Satz, der angeblich gesagt wurde,<br />

beweisen kann. Aber wenn Indizien<br />

für eine Diskriminierung sprechen,<br />

stehen die Chancen für die<br />

Klägerinnen nicht schlecht. Wer etwa<br />

trotz guter Zeugnisse nach der Rückkehr<br />

aus der Elternzeit auf eine schlechter<br />

bezahlte und minder anspruchsvolle<br />

Stelle versetzt wird, garniert mit<br />

entsprechenden Erläuterungen, kann<br />

sich zur Klage entschließen. Und wenn<br />

aus einem unbefr<strong>ist</strong>eten Vertrag plötzlich<br />

ein befr<strong>ist</strong>etes Arbeitsverhältnis<br />

wird, kaum das die Mitarbeiterin<br />

schwanger <strong>ist</strong>, dann drohen Schadensersatzansprüche<br />

und Reputationsschaden.<br />

Wer glaubt, hier handele es sich um<br />

wenige schwarze Schafe, der irrt. Das<br />

weiß Chr<strong>ist</strong>ine Lüders, Leiterin der<br />

Antidiskriminierungsstelle beim Bund.<br />

„Bei uns“, sagt sie, „landen zahlreiche<br />

Fälle von Frauendiskriminierung auf<br />

dem Tisch.“ Benachteiligungen wegen<br />

Mutterschaft seien leider der Alltag in<br />

deutschen Unternehmen. Doch längst<br />

nicht jede, die Anlaß zu klagen hätte,<br />

klagt, und das mache sich auch beim<br />

Einkommen der Frauen bemerkbar.<br />

Kinderbedingte Unterbrechung bei<br />

der Vergütung erkennbar<br />

Die Unternehmensberatung Baumgarten<br />

& Partner we<strong>ist</strong> in einer Studie darauf<br />

hin, dass „die kinderbedingte Unterbrechung<br />

des Arbeitsverhältnisses in<br />

jeder Vergütungsstruktur erkennbar“<br />

wird. Nach ihrer Auffassung sei deutlich<br />

zu erkennen, dass die Vergütung<br />

von Frauen bis zum Alter von 30 Jahren<br />

kontinuierlich ansteigt, „ab diesem<br />

Alter aber abrupt abflacht.“ Die Gründe:<br />

„einfachere Stellen nach der Babypause“<br />

und „Gehaltsnachteile auf vorher<br />

besetzten identischen Stellen“. Das<br />

aber sei Diskriminierung, so Baumgarten<br />

& Partner. Und auch hier setzt das<br />

AGG an, zwingt Firmen in Zukunft<br />

genau zu prüfen, ob da womöglich ein<br />

Einfallstor für Schadenersatzansprüche<br />

besteht.<br />

Viele Unternehmen unterschätzen das<br />

AGG an dieser Stelle. Arbeitsrechtler<br />

gehen davon aus, dass Frauen in<br />

Zukunft häufiger erfolgreich klagen<br />

werden. Dann könnten auf Unternehmen<br />

beachtliche finanzielle Forderungen<br />

zukommen. Wurde einer Frau die<br />

Beförderung versagt, etwa weil sie<br />

schwanger war, hat sie Anspruch auf<br />

Schadensersatz. In der Folge blühen<br />

dem Arbeitgeber satte Nachzahlungen,<br />

unter Umständen bis zur Rente.<br />

Keine Beförderung wegen<br />

Schwangerschaft<br />

In der Praxis hat sich gezeigt, dass der<br />

Anwendungsbereich des AGG weit über<br />

den Bereich „Verhinderung der Diskriminierung<br />

bei der Einstellung“, hinausgeht.<br />

Dazu hat auch das häufig<br />

zitierte Sony-Urteil beigetragen. Das<br />

Verfahren erregte große Aufmerksamkeit<br />

und zeigt, dass die obersten Richter<br />

in Sachen AGG keinen Spaß mehr<br />

verstehen.<br />

Der Fall liegt ähnlich wie der Fall Marina<br />

Müller. Lange Jahre hatte die Marketingmanagerin<br />

Beate Hagen (Name<br />

von der Redaktion geändert) für den<br />

Musikkonzern Sony gearbeitet, Guter<br />

Verdienst, sympathischer Chef und<br />

man machte ihr Hoffnungen, dass sie<br />

die Karriereleiter weiter hochklettern<br />

würde. Schließlich hatte sie ihren Chef


„<br />

Es wird teuer für Unternehmen, die in Sachen<br />

AGG nicht auf der Höhe der Zeit sind.<br />

in dem internationalen Konzern schon<br />

etliche Male vertreten, Lob kassiert<br />

und Stolz empfunden. Als ihr Vorgesetzter<br />

befördert wurde, schien alles<br />

klar. Doch dann wurde sie schwanger,<br />

fünf Jahre <strong>ist</strong> das mittlerweile her.<br />

Nicht die werdende Mutter bekam den<br />

Job, sondern ein männlicher Kollege.<br />

Sie sollte sich hingegen doch auf das<br />

Kind freuen, Familie sei doch auch<br />

et<strong>was</strong> schönes. Das wollte sich Hagen<br />

nicht gefallen lassen, sie klagte und es<br />

sollte fünf Jahre dauern, bis sie <strong>Recht</strong><br />

bekam. Ein langer Weg, sechsmal<br />

haben sich die Gerichte mit dem Fall<br />

beschäftigt, dabei zweimal das BAG.<br />

Jetzt <strong>ist</strong> entschieden, dass Beförderungsentscheidungen<br />

transparent und<br />

nachvollziehbar sein müssen, ansonsten<br />

<strong>ist</strong> bei Diskriminierungen die Vergütungsdifferenz<br />

zu erstatten.<br />

Strenge Anforderungen des AGG<br />

Finanziell hat sich die Sache im Hinblick<br />

auf die Verletzung des Persönlichkeitsrechts<br />

nicht gelohnt, gerade<br />

mal 17 000 Euro Entschädigung musste<br />

Sony zahlen, nach der Verabschiedung<br />

des AGG würde die Summe wohl<br />

höher ausfallen. Aber Hagen ging es<br />

nicht ums Geld, sondern um ihr <strong>Recht</strong>.<br />

Am Schluss hat ihr die berühmte<br />

Beweislastumkehr geholfen. Sony musste<br />

beweisen, dass bei der versagten<br />

Beförderung keine Diskriminierung<br />

vorlag – weil eben Hinweise auf eine<br />

solche Benachteiligung vorlagen. Das<br />

aber konnte der Konzern nicht, das<br />

intransparente Auswahlverfahren und<br />

jener fatale Satz wurden dem Konzern<br />

zum Verhängnis.<br />

Es wird teuer für Unternehmen, die in<br />

Sachen AGG nicht auf der Höhe der<br />

Zeit sind. Stichwort Equal Pay: Auch<br />

da hat das AGG strenge Anforderungen.<br />

Einfach eine Stelle anders benennen<br />

oder beschreiben und dann nach<br />

der Rückkehr aus der Elternzeit weniger<br />

bezahlen, das könnte in Zukunft<br />

von den Gerichten als Diskriminierung<br />

gewertet werden.<br />

Der Berliner <strong>Recht</strong>sanwalt Hans Georg<br />

Kluge erhebt nun Verfassungsbeschwerde,<br />

nachdem er mit seiner Klage<br />

in allen drei Instanzen gescheitert<br />

war. Er vertritt die Auffassung, dass<br />

seine Mandantin schon deshalb diskriminiert<br />

wird, weil sie tatsächlich die<br />

gleiche Arbeit le<strong>ist</strong>et wie ihr besser<br />

bezahlter Kollege und bereits die unterschiedliche<br />

Bezeichnung der Stellen<br />

eine Diskriminierung darstellt. Die Klage<br />

geht sehr weit und verspricht Brisanz.<br />

So fragt Kluge, ob unterschiedliche<br />

Einstellungsvoraussetzungen –<br />

etwa eine unterschiedliche Ausbildung<br />

– allein die unterschiedliche Bezahlung<br />

rechtfertigen, zumal dann, wenn<br />

die Ausbildung gar nicht Einstellungsbedingung<br />

war. Da mag es manchem<br />

Personaler grausen, waren doch solche<br />

formalen Abgrenzungen bisher<br />

eine sichere Bank. Er wirft den deutschen<br />

Gerichten vor, bei der Equal Pay-<br />

Problematik hinter EU-<strong>Recht</strong> zurückzufallen.<br />

Auf die Entscheidung des<br />

Bundesverfassungsgerichtes dürfen<br />

alle gespannt sein, ob Personalchef,<br />

Arbeitsrechtler oder Beschäftigter.<br />

Autor<br />

Bernhard Steinkühler,<br />

<strong>Recht</strong>sanwalt, Steinkühler -<br />

Fachanwälte für Arbeitsrecht,<br />

Berlin, kontakt@<br />

steinkuehler-arbeitsrecht.de<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de 29


ARBEITSRECHT Sozialplangestaltung<br />

Vorsicht <strong>ist</strong> besser als Nachsicht<br />

Welche Fallstricke gibt es bei der Gestaltung des Sozialplanes?<br />

Der folgende Beitrag gibt Antworten und zeigt Lösungen auf.<br />

S<br />

ieht sich ein Arbeitgeber zu einer<br />

betriebsändernden Maßnahme wie<br />

etwa der Stilllegung eines Betriebs oder<br />

einzelner Betriebsteile gezwungen, <strong>ist</strong> er<br />

betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet,<br />

mit dem Betriebsrat einen Sozialplan<br />

zu vereinbaren. In diesem Sozialplan müssen<br />

Regelungen über den Ausgleich oder<br />

die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile<br />

enthalten sein, die für die Belegschaft<br />

infolge der geplanten Betriebsänderung<br />

entstehen. Hierdurch sollen die<br />

Folgen für die betroffenen Arbeitnehmer<br />

sozial verträglich gestaltet werden.<br />

Grundsätzlich sind die Betriebsparteien<br />

frei in der Entscheidung, welche Nachteile<br />

sie in welchem Umfang abmildern wollen.<br />

Ihnen steht insoweit bei der Ausgestaltung<br />

eines Sozialplans ein weiter Handlungsspielraum<br />

zu. Gängige Praxis in vielen<br />

Sozialplänen <strong>ist</strong> es bislang, die Höhe<br />

der gewährten Abfindungen nach Altersgruppen<br />

zu staffeln und für ältere Arbeitnehmer,<br />

die rentennahen Jahrgängen<br />

angehören, die Sozialplanle<strong>ist</strong>ungen zu<br />

reduzieren oder ganz auszuschließen.<br />

30<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de<br />

Inwiefern im Lichte der neusten EuGH-<br />

<strong>Recht</strong>sprechung zukünftig derartige am<br />

Alter orientierte Differenzierungen – insbesondere<br />

eine Reduzierung oder gar der<br />

Ausschluss von Sozialplanle<strong>ist</strong>ungen für<br />

rentennahe Arbeitnehmer – zulässig sind,<br />

soll im Folgenden erörtert werden.<br />

Ein Blick auf die deutsche<br />

Sozialplanpraxis<br />

Eine Vielzahl der in Deutschland geschlossenen<br />

Sozialpläne berücksichtigt bei der<br />

Festlegung einer angemessenen Abfindung<br />

das Alter der betroffenen Arbeitnehmer.<br />

Dies geschieht etwa durch die Einbeziehung<br />

des Lebensalters als Berechnungsfaktor<br />

innerhalb der Abfindungsformel<br />

(Abbildung 1). Ebenso finden sich<br />

Regelungen, die für rentenberechtigte<br />

oder rentennahe Arbeitnehmer Reduzierungen<br />

oder gar den Ausschluss der Sozialplanle<strong>ist</strong>ungen<br />

vorsehen (Abbildung 2).<br />

Obwohl diese Praxis eine am Merkmal<br />

Lebensalter anknüpfende Ungleichbehandlung<br />

darstellt, sah man bislang derartige<br />

Regelungen als durch § 10 Satz 3<br />

Nr. 6 AGG gerechtfertigt an. § 10 Satz 3<br />

Nr. 6 AGG sieht nämlich ausdrücklich die<br />

Möglichkeit einer Altersdifferenzierung<br />

bei der Verteilung von Sozialplanle<strong>ist</strong>ungen<br />

vor.<br />

Zum einen können die Betriebsparteien<br />

nach dieser Vorschrift eine nach dem Alter<br />

gestaffelte Abfindungsregelung schaffen,<br />

in der die wesentlich vom Alter abhängenden<br />

Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch<br />

eine verhältnismäßig starke Betonung des<br />

Lebensalters berücksichtigt werden. Zum<br />

anderen können Beschäftigte von Sozialplanle<strong>ist</strong>ungen<br />

ausgeschlossen werden,<br />

die aufgrund ihrer Rentenberechtigung<br />

wirtschaftlich abgesichert sind. Unter<br />

Berufung auf diese Ausnahmeregelungen<br />

bestätigte die <strong>Recht</strong>sprechung bislang<br />

stets Sozialplangestaltung, die nach Alter<br />

gestaffelte Le<strong>ist</strong>ungen vorsahen oder Le<strong>ist</strong>ungseinschränkungen<br />

für ältere Arbeitnehmer<br />

enthielten (vgl. BAG, 12.4.2011 –<br />

1 AZR 764/09, BAG 23.10.2010 – 1 AZR<br />

832/08; BAG 26.5.2009 – 1 AZR 198/08).<br />

Über den reinen Wortlaut von § 10 Satz<br />

3 Nr. 6 AGG hinausgehend hielt das Bun-


ARBEITSRECHT Sozialplangestaltung<br />

desarbeitsgericht eine Kürzung von Sozialplanle<strong>ist</strong>ungen<br />

sogar dann für zulässig,<br />

wenn die betroffenen Arbeitnehmer zwar<br />

nicht unmittelbar nach dem Bezug von<br />

Arbeitslosengeld I rentenberechtigt waren,<br />

jedoch eine Abfindung erhielten, die so<br />

bemessen war, dass sie die wirtschaftlichen<br />

Nachteile ausglich, die der Arbeitnehmer<br />

nach dem Auslaufen des Arbeitslosengeldanspruchs<br />

bis zum frühestmöglichen<br />

Renteneintritt erlitt (BAG 23.3.2010<br />

– 1 AZR 832/08).<br />

Überdies bestätigte das Bundesarbeitsgericht<br />

mehrfach die Unionsrechtskonformität<br />

des § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG. Sowohl<br />

in Bezug auf die Benachteiligung jüngerer<br />

Arbeitnehmer durch gestaffelte Abfindungsregelungen<br />

als auch bezüglich des<br />

Ausschlusses rentennaher Arbeitnehmer<br />

von Sozialplanle<strong>ist</strong>ungen, sah das Bundesarbeitsgericht<br />

eine Vereinbarkeit von § 10<br />

Satz 3 Nr. 6 AGG mit der europäischen<br />

Antidiskriminierungsrichtlinie (1 RL<br />

2000/78/EG) als gegeben an (BAG<br />

26.5.2009 – 1 AZR 198/08). Der deutsche<br />

Gesetzgeber verfolge mit der Regelung<br />

des § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG ein im Allgemeininteresse<br />

stehendes, legitimes sozialpolitisches<br />

Ziel. Ältere Arbeitnehmer<br />

hätten auf dem Arbeitsmarkt typischerweise<br />

größere Schwierigkeiten als jüngere,<br />

<strong>was</strong> eine entsprechend höhere Abfindung<br />

zum Zwecke einer stärkeren wirtschaftlichen<br />

Absicherung rechtfertige.<br />

Andererseits seien die zu erwartenden wirtschaftlichen<br />

Nachteile bei „rentennahen“<br />

Arbeitnehmern wegen der wirtschaftlichen<br />

Absicherung durch die bevorstehende<br />

Altersrente geringer, <strong>was</strong> wiederum die<br />

Kürzung von Sozialplanle<strong>ist</strong>ungen bei<br />

dieser Altersgruppe rechtfertige.<br />

Das Votum des EuGH in der<br />

„Andersen-Entscheidung“<br />

Die Entscheidung des EuGH von 12. Oktober<br />

2010 in der <strong>Recht</strong>ssache Andersen<br />

gibt nunmehr Anlass, die deutsche Sozialplanpraxis<br />

erneut zu überdenken (EuGH<br />

vom 12. Oktober 2010 – C-499/08). Konkret<br />

geht es um die Unionsrechtskonformität<br />

der in § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG vorge-<br />

32<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de<br />

Beispiele für Altersregelungen bei der<br />

Berechnung der Sozialplanabfindung<br />

1. Beispiel (nach BAG 22.09.2009 - 1 AZR 316/08):<br />

Abfindung = Lebensalter x Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsentgelt : 40<br />

2. Beispiel:<br />

Abfindung = Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsverdienst x Faktor X<br />

Faktor X beträgt:<br />

• bis zum 29. Lebensjahr des Mitarbeiters 0,3<br />

• ab dem 30. bis zum 39. Lebensjahr des Mitarbeiters 0,5<br />

• ab dem 40. Lebensjahr des Mitarbeiters 0,7<br />

sehenen Möglichkeit des (pauschalen)<br />

Ausschlusses rentenberechtigter Arbeitnehmer<br />

von Sozialplanle<strong>ist</strong>ungen.<br />

Zum Hintergrund: In der „Andersen-Entscheidung“<br />

lag dem EuGH § 2 a des dänischen<br />

Gesetzes über die <strong>Recht</strong>sverhältnisse<br />

zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern<br />

zur Prüfung vor. Dieser enthielt<br />

Regelungen über vom Arbeitgeber zu le<strong>ist</strong>ende<br />

Abfindungszahlungen im Kündigungsfalle.<br />

Absatz 3 des § 2 a sah für Angestellte,<br />

die bei ihrer Entlassung eine Altersrente<br />

vom Arbeitgeber erhielten und dem<br />

entsprechenden Rentensystem vor Vollendung<br />

des 50. Lebensjahres beigetreten<br />

waren, das Entfallen der Entlassungsabfindung<br />

vor. Über den eigentlichen Wortlaut<br />

hinaus legten die dänischen Gerichte<br />

die Regelungen dahingehend aus, dass<br />

die Entlassungsabfindung bereits dann<br />

entfällt, wenn lediglich ein Anspruch auf<br />

eine (gegebenenfalls gekürzte) Rente<br />

besteht, das heißt eine Entlassungsabfindung<br />

auch dann nicht gezahlt wird, wenn<br />

sich der betroffene Arbeitnehmer trotz<br />

Rentenanspruchs entschließt, diese nicht<br />

in Anspruch zu nehmen, sondern dem<br />

Arbeitsmarkt weiter zur Verfügung zu stehen.<br />

Diese Praxis hielt der EuGH für unvereinbar<br />

mit der Richtlinie 2000/78/EG und<br />

folgte in seiner Entscheidung dem Antrag<br />

der (deutschen) Generalanwältin Kokott.<br />

Die Regelung stelle eine unmittelbare<br />

Ungleichbehandlung wegen des Alters<br />

dar. Diese sei zwar grundsätzlich gerechtfertigt,<br />

soweit sie (nur solche) Arbeitnehmer<br />

vom Bezug der Entlassungsabfindung<br />

ausschließe, die zum Zeitpunkt ihrer<br />

Entlassung auch tatsächlich eine Altersrente<br />

bezögen. Sofern die Vorschrift jedoch<br />

auch Angestellte erfasse, die lediglich<br />

zum Bezug einer solchen Rente berechtigt<br />

seien, jedoch zunächst auf dem Arbeitsmarkt<br />

verbleiben wollten – so auch im Falle<br />

des Herrn Andersen -, sei sie zur Verwirklichung<br />

der verfolgten Ziele nicht<br />

erforderlich. Eine solche Maßnahme<br />

erschwere zum einen der besagten Gruppe<br />

von Arbeitnehmern die Ausübung ihres<br />

<strong>Recht</strong>s zu arbeiten, da sie – im Gegensatz<br />

zu anderen Arbeitnehmern mit gleich<br />

langer Betriebszugehörigkeit – keine<br />

Abfindung erhielten. Zum anderen würden<br />

die betroffenen Arbeitnehmer dazu<br />

gedrängt, eine niedrigere Altersrente<br />

anzunehmen als die, die sie beanspruchen<br />

könnten, wenn sie bis ins höhere Alter<br />

berufstätig blieben, <strong>was</strong> für sie einen auf<br />

lange Sicht erheblichen Vermögensverlust<br />

nach sich zöge. Insgesamt sei die Regelung<br />

damit nicht mit Art. 2 und 6 Abs. 1<br />

der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar.<br />

Die Konsequenzen für die<br />

deutsche Sozialplanpraxis<br />

Abbildung 1<br />

Im Anschluss an die dargestellte Entscheidung<br />

stellt sich nunmehr die Frage nach<br />

den Auswirkungen auf das deutsche <strong>Recht</strong>,<br />

insbesondere auf die in Deutschland bislang<br />

übliche Gestaltung von Sozialplänen.<br />

Bei dieser Frage <strong>ist</strong> vorab noch einmal<br />

herauszustellen, dass der EuGH nicht<br />

grundsätzlich einen mit dem Alter begründeten<br />

Ausschluss der Entlassungsabfindung<br />

verwarf. Nur wenn die bloße<br />

Anspruchsberechtigung bereits zu einem


Entfallen der Abfindung führe, benachteilige<br />

dies den betroffenen Arbeitnehmer<br />

aus den genannten Gründen unangemessen.<br />

Genau an diesem Punkt knüpft aber auch<br />

die parallele Problematik im deutschen<br />

Antidiskriminierungsrecht an. § 10 Satz<br />

3 Nr. 6 AGG setzt – vergleichbar der dänischen<br />

Regelung – ebenfalls nicht voraus,<br />

dass der betroffene Arbeitnehmer tatsächlich<br />

im Anschluss an seine Entlassung die<br />

Rente beansprucht. Vielmehr genügt nach<br />

seinem Wortlaut („rentenberechtigt“) ebenfalls<br />

das bloße Bestehen des Rentenanspruchs,<br />

um eine Kürzung oder gar den<br />

Ausschluss von Sozialplanle<strong>ist</strong>ungen zu<br />

rechtfertigen. Liegt hierin nunmehr nach<br />

„Andersen“ eine ungerechtfertigte Altersdiskriminierung<br />

rentennaher arbeitswilliger<br />

Arbeitnehmer gegenüber jüngeren,<br />

die das Renteneintrittsalter noch nicht<br />

erreicht haben und somit die Sozialplanle<strong>ist</strong>ungen<br />

beanspruchen können?<br />

Bei näherer Betrachtung ergeben sich<br />

ernsthafte Zweifel an der Übertragbarkeit<br />

der Grundsätze auf deutsche Sozialpläne.<br />

Zunächst sei darauf hingewiesen, dass es<br />

im Falle von „Andersen“ nicht um den<br />

(altersbedingten) Ausschluss von Sozialplanle<strong>ist</strong>ungen<br />

ging, sondern um Abfindungszahlungen<br />

für die Entlassung eines<br />

Angestellten aus dem öffentlichen Dienst.<br />

Auch wenn es in beiden Fällen um die<br />

wirtschaftliche Absicherung der betroffenen<br />

Arbeitnehmer während der Suche<br />

nach einem neuen Arbeitsplatz geht, besteht<br />

bei einem Sozialplan die Besonderheit,<br />

dass nur ein begrenztes Volumen zur Verteilung<br />

zur Verfügung steht. Anders als im<br />

dänischen Fall sind die zu verteilenden<br />

Le<strong>ist</strong>ungen bei deutschen Sozialplänen in<br />

ihrer Gesamthöhe begrenzt.<br />

Es geht folglich darum, diese insgesamt<br />

begrenzten Mittel gerecht unter den betroffenen<br />

Arbeitnehmern aufzuteilen. Wäre<br />

man zukünftig bei der Gestaltung von<br />

Sozialplänen daran gehindert, die Le<strong>ist</strong>ungen<br />

für rentenberechtigte Arbeitnehmer<br />

zu kürzen oder auszuschließen, würde<br />

diese „Begünstigung“ älterer rentennaher<br />

Arbeitnehmer zwangsläufig zu<br />

Beispiele für altersbedingte Kürzungen von<br />

Sozialplanle<strong>ist</strong>ungen<br />

Beispiel 1 (nach BAG 23.3.2010 – 1 AZR 832/08):<br />

Abfindung für ältere Mitarbeiter<br />

Die Abfindung vermindert sich für Mitarbeiter nach Vollendung des 60. Lebensjahres für<br />

jeden weiteren Monat um 1/60stel. Stichtag <strong>ist</strong> der letzte Tag des rechtlichen Bestandes<br />

des Arbeitsverhältnisses.<br />

Beispiel 2 (BAG 11. 11. 2008 - 1 AZR 475/07):<br />

Arbeitnehmer, die nach einem in unmittelbarem Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

folgenden Bezug von Arbeitslosengeld nach Maßgabe der §§ 117 ff. SGB III –<br />

sogenanntes Arbeitslosengeld I - Anspruch auf Altersrente haben, erhalten 50% der Abfindung.<br />

einer Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer<br />

führen. Dies <strong>ist</strong> der entscheidende<br />

Unterschied zu „Andersen“. Die Begünstigung<br />

älterer Arbeitnehmer in der Konstellation<br />

„Andersen“ hatte keinerlei Auswirkungen<br />

auf jüngere Arbeitnehmer. Die<br />

zwangsweise Benachteiligung jüngerer<br />

Arbeitnehmer im Rahmen deutscher Sozialpläne<br />

durch „verbesserte“ Le<strong>ist</strong>ungen<br />

an ältere Arbeitnehmer, die durch soziale<br />

Schutzsysteme bereits ausreichend<br />

abgesichert sind, kann nicht als ein von<br />

der Richtlinie verfolgter gerechter Interessenausgleich<br />

im Rahmen der Beschäftigungs-<br />

und Arbeitsmarktpolitik betrachtet<br />

werden.<br />

Vor diesem Hintergrund erscheint eine<br />

Reduzierung oder gar ein Ausschluss rentenberechtigter<br />

Arbeitnehmer von Sozialplanle<strong>ist</strong>ungen<br />

im Sinne des § 10 Satz.<br />

3 Nr. 6 AGG als mit Art. 6 der Richtlinie<br />

2000/78/EG vereinbar. Die Grundsätze der<br />

Andersen-Entscheidung können folglich<br />

nicht ohne Weiteres auf die deutsche Sozialplanpraxis<br />

übertragen werden.<br />

Hinweis für die Praxis<br />

Obwohl eine Anwendung der vom EuGH<br />

in der <strong>Recht</strong>ssache Andersen entwickelten<br />

Grundsätze auf deutsche Sozialpläne<br />

nicht sachgerecht erscheint, kann es freilich<br />

für die Zukunft nicht ausgeschlossen<br />

werden, dass dies die Arbeitsgerichte oder<br />

der EuGH anders beurteilen. Aus Gründen<br />

der Vorsicht kann Unternehmen deshalb<br />

nur angeraten werden, auf Klauseln<br />

zu verzichten, die Arbeitnehmer bereits<br />

Abbildung 2<br />

bei Bestehen des Anspruchs auf Rentenbezug<br />

von Sozialplanle<strong>ist</strong>ungen ausnehmen.<br />

Dies bedeutet freilich von der gesetzlich<br />

vorgesehen Möglichkeit des § 10 Satz<br />

3 Nr. 6 Alternative 2 AGG keinen Gebrauch<br />

zu machen.<br />

Ferner erscheint es riskant, eine Kürzung<br />

von Sozialplanle<strong>ist</strong>ungen bei solchen<br />

Arbeitnehmern vorzunehmen, die nicht<br />

unmittelbar nach dem Bezug von Arbeitslosengeld<br />

I rentenberechtigt sind. Dies<br />

gilt selbst dann, wenn ihnen eine Abfindung<br />

gezahlt wird, die so bemessen <strong>ist</strong>,<br />

dass sie alle wirtschaftlichen Nachteile ausgleicht,<br />

die diese Arbeitnehmer nach dem<br />

Auslaufen des Arbeitslosengeldanspruchs<br />

bis zum frühestmöglichen Renteneintritt<br />

erleiden. Käme die <strong>Recht</strong>sprechung nämlich<br />

aufgrund der oben beschriebenen<br />

Grundsätze zur nachträglichen Unwirksamkeit<br />

der Ausschlussklausel in einem<br />

Sozialplan, so könnten die betroffenen<br />

Arbeitnehmer nachträglich die gesamte<br />

Abfindungssumme einfordern, <strong>was</strong> zu<br />

einer empfindlichen Erhöhung des Sozialplanvolumens<br />

führen kann. Diese Gefahr<br />

sollte bis zum Zeitpunkt der Klärung der<br />

Frage durch die deutschen Arbeitsgerichte<br />

oder besser den EuGH tunlichst vermieden<br />

werden.<br />

Autor<br />

Dr. Thomas Bezani,<br />

<strong>Recht</strong>sanwalt und Partner<br />

bei Görg Partnerschaft<br />

von <strong>Recht</strong>sanwälten, Köln,<br />

tbezani@goerg.de<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de 33


ARBEITSRECHT Interview<br />

„Von amerikanischen Verhältnissen<br />

sind wir weit entfernt“<br />

Am 18. August 2006 trat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft.<br />

Anlässlich des Jubiläums erklärt die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

(BDA), das AGG belaste die deutsche Wirtschaft mit sinnloser Bürokratie<br />

und hohen Kosten. Die jährlichen Ausgaben nur für Bewerbungsverfahren und Einstellungsprozesse<br />

würden über 150 Millionen Euro betragen. Dr. Sören Langner, Fachanwalt<br />

für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle äußert sich im Interview zu fünf Jahren AGG.<br />

<strong>Personalwirtschaft</strong>: Das AGG sei überflüssig<br />

und kein Grund zum Feiern heißt<br />

eine aktuelle Aussage der BDA. Wie <strong>ist</strong> Ihre<br />

Einschätzung?<br />

Langner: Die Grundidee des AGG <strong>ist</strong> von<br />

einem breiten gesellschaftlichen Konsens<br />

getragen. Wir können aber bestätigen, dass<br />

die Umsetzung dieses Gesetzes für die Unternehmen<br />

mit einem erhöhten Bürokratieund<br />

Kostenaufwand verbunden <strong>ist</strong>. Aus Sicht<br />

der BDA und vieler Personalverantwortlichen<br />

sind fünf Jahre AGG aus nachvollziehbaren<br />

Gründen daher kein Grund zum Feiern.<br />

Nach unserer Einschätzung hat sich die<br />

anfängliche Aufregung inzwischen gelegt<br />

und das Gesetz <strong>ist</strong> in der Praxis angekommen.<br />

Künftig gilt es, die Schwachstellen des<br />

Gesetzes zu beseitigen und ausgewogene<br />

Lösungen zu finden. Die geplante Verschärfung<br />

der Antidiskriminierungsrichtlinie dürfte<br />

dies aber erschweren.<br />

Untersuchungen der betrieblichen Einstellungspraxis<br />

haben dazu geführt, dass<br />

anonyme Bewerbungsverfahren getestet<br />

werden. Nun sagt nicht nur die BDA, dass<br />

Vielfalt und die Bekämpfung von Diskriminierung<br />

in den Betrieben in Deutschland<br />

eine Selbstverständlichkeit sei. Können<br />

Sie damit übereinstimmen?<br />

Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung<br />

sind in großen und international agierenden<br />

Unternehmen eine Selbstverständlichkeit.<br />

Das rührt auch daher, dass insbesondere<br />

in den USA das Antidiskriminierungsrecht<br />

eine große Bedeutung mit zum Teil<br />

34<br />

Sonderheft 10 |2011 www.personalwirtschaft.de<br />

erheblichen <strong>Recht</strong>sfolgen hat. In vielen Unternehmen<br />

besteht aber noch Optimierungsbedarf.<br />

In Deutschland hat das AGG insgesamt<br />

sicher zu einer Sensibilisierung in den Betrieben<br />

geführt. Ob anonyme Bewerbungsverfahren<br />

aber einen effektiveren Schutz für<br />

benachteiligte Gruppen bieten, wird man in<br />

den nächsten Jahren untersuchen müssen.<br />

Wie professionell sind die AGG-Beschwerdestellen<br />

in den Betrieben?<br />

Hier besteht noch Nachholbedarf. Unsere<br />

Erfahrungen zeigen, dass die AGG-Beschwerdestellen<br />

in der Regel personell nicht optimal<br />

besetzt sind. Die verantwortlichen Personen<br />

müssen hohen Anforderungen an<br />

Glaubwürdigkeit, Erfahrung, Sensibilität,<br />

Unabhängigkeit und Konfliktlösungskompetenz<br />

gerecht werden. Wir erleben immer<br />

wieder, dass teilweise unerfahrene Mitarbeiter<br />

mit der Beschwerdestelle beauftragt sind.<br />

Wie beurteilen Sie die AGG-<strong>Recht</strong>sprechung?<br />

Das AGG hat entgegen vieler Aussagen nicht<br />

zu einer Klagewelle geführt. Die <strong>Recht</strong>sprechung<br />

der vergangenen Jahre hat Maß gehalten<br />

und <strong>ist</strong> um vernünftige Ergebnisse<br />

bemüht. Von amerikanischen Verhältnissen<br />

mit hohen Entschädigungsansprüchen sind<br />

wir weit entfernt. Trotzdem sind die Auswirkungen<br />

des AGG gerade im Arbeitsrecht<br />

tiefgreifend und werden durch den Europäischen<br />

Gerichtshof (EuGH) künftig auch nachhaltig<br />

beeinflusst werden.<br />

Immer wieder sorgt der EuGH für Unsicherheit,<br />

insbesondere beim Kriterium<br />

Dr. Sören Langner<br />

Alter. So wird der EuGH demnächst zur<br />

Altersgruppenbildung bei der Sozialauswahl<br />

entscheiden. Was <strong>ist</strong> aus Brüssel zu<br />

erwarten?<br />

Der EuGH <strong>ist</strong> immer für Überraschungen gut.<br />

Die letzten Entscheidungen zum Thema Altersgrenzen<br />

deuten aber darauf hin, dass die<br />

Altersgruppenbildung bei der Sozialauswahl<br />

zulässig sein dürfte, um eine ausgewogene<br />

Altersstruktur zu erhalten. Das jüngste Vorlageverfahren<br />

des Arbeitsgerichts Siegburg<br />

hat sich aber durch Vergleich erledigt. Eine<br />

neue Vorlage zu diesem Thema <strong>ist</strong> wahrscheinlich<br />

und eine endgültige Klärung wünschenswert.<br />

Der EuGH gibt der Praxis immer<br />

öfter Steine statt Brot, wie wir jüngst zum<br />

Betriebsübergangsrecht wieder feststellen<br />

mussten. Die europäischen Einflüsse werden<br />

auch zukünftig deutlich zunehmen.<br />

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes<br />

fordert ein Klagerecht für Antidiskriminierungsverbände<br />

und die Antidiskriminierungsstelle.<br />

In den me<strong>ist</strong>en EU-Mitgliedstaaten<br />

haben sie bereits ein Klagerecht,<br />

da nur wenige Menschen sich trauen<br />

würden, gegen den eigenen Arbeitgeber<br />

vor Gericht zu ziehen.<br />

Ein Verbandsklagerecht <strong>ist</strong> nicht erforderlich.<br />

Im Arbeitsrecht besteht wegen des<br />

bereits ex<strong>ist</strong>ierenden Klagerechts von<br />

Betriebsrat und Gewerkschaften dafür<br />

ohnehin kein Bedürfnis. Die Sanktionsmechanismen<br />

des AGG sind ausreichend. Dies<br />

hat die jüngere <strong>Recht</strong>sprechung gezeigt.<br />

Das Interview führte Chr<strong>ist</strong>iane Siemann.

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