18.07.2013 Aufrufe

Leipziger Kulinarische Antiquitäten (Folge 46) - Internationaler ...

Leipziger Kulinarische Antiquitäten (Folge 46) - Internationaler ...

Leipziger Kulinarische Antiquitäten (Folge 46) - Internationaler ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Leipziger</strong> <strong>Kulinarische</strong> <strong>Antiquitäten</strong> (<strong>Folge</strong> <strong>46</strong>)<br />

Beilage zur <strong>Leipziger</strong> Köchepost, Ausgabe September 2008<br />

Herbert Pilz:<br />

Leipzig vor 25 Jahren: Höchstleistungen durch die Gastronomie<br />

Die Zeitläufe haben es mit sich gebracht, dass Leipzigs Gastronomie, bedingt vor allem durch<br />

die Messen und viele, auch internationale, Großveranstaltungen auf Höchstleistungen sowohl<br />

in Qualität wie auch in Menge eingerichtet war. Das Jahr 1983 brachte jedoch als besondere<br />

Herausforderung das VII. Turn- und Sportfest, verbunden mit der IX. Kinder- und<br />

Jugendspartakiade vom 23. – 31. Juli. Die lange vorher beginnenden Planungen sahen vor, zu<br />

diesem Fest etwa 60 000 Aktive sowie mehr als eine halbe Million Besucher zu versorgen.<br />

Für die Aktiven waren eine Ganztagsverpflegung und die Unterbringung in zeitweiligen<br />

Beherbergungseinrichtungen vorgesehen. Damit war selbst die mit Erfahrung für Großereignisse<br />

gewappnete <strong>Leipziger</strong> Gastronomie überfordert. Deshalb war von vornherein<br />

umfassende Hilfe von außerhalb geplant.<br />

Das in zentralen Arbeitsstäben und Leipzig erarbeitete Versorgungskonzept sah vor, dass<br />

andere Bezirke in der Sportfeststadt zeitweilige Gaststätten errichten sollten. Bereits im<br />

Frühjahr 1982 knüpften die dafür Verantwortlichen aus anderen Bezirken die Verbindung zu<br />

ihren <strong>Leipziger</strong> Partnern. Insgesamt waren 12 derartige Freiluftgaststätten vorgesehen, die<br />

von verschiedenen HO-Bezirksdirektionen, der Nationalen Volksarmee (NVA) und vom<br />

Deutschen Roten Kreuz bewirtschaftet werden sollten.<br />

Zum Jahresanfang 1983 gab es dann erste sichtbare Zeichen. In einer durch Kriegsschäden<br />

entstandenen Baulücke in der Petersstraße begannen Mitarbeiter des Autobahnbaukombinats<br />

die Fundamente für die erste Freiluftgaststätte zu gießen (dort steht jetzt der Petersbogen).<br />

Das sollte die Gaststätte „Lips“ der HO-Bezirksdirektion Leipzig werden. Sie war von<br />

vornherein für längere Zeit vorgesehen und war noch bis in die 90er Jahre in Betrieb. Auch in<br />

<strong>Leipziger</strong> Gaststätten wurde fleißig gewerkelt, so im Felsenkeller Plagwitz oder im Haus<br />

Auensee, das Versorgungsstützpunkt der SV Dynamo werden sollte. Schrittweise entstanden<br />

unter Regie der beauftragten Bezirke bzw. anderen Träger, die auch die erforderlichen<br />

Baukapazitäten, Materialien und Ausrüstungen sowie das für die Versorgung notwendige<br />

Personal bereitstellten, die geplanten Freiluftgaststätten:<br />

Hallesche Perle der HO-Bezirksdirektion Halle am Wilhelm-Leuschner-Platz mit 1500<br />

wettergeschützten Sitzplätzen;<br />

Lips der HO-Bezirksdirektion Leipzig in der Petersstraße mit 1020 überdachten Sitzplätzen;<br />

Geraer Sportlertreff der HO-Bezirksdirektion Gera in der Leplaystraße mit 960 überdachten<br />

Sitzplätzen und 100 Freiplätzen;<br />

Sportlertreff Frankfurt/Oder der HO-Bezirksdirektion Frankfurt/Oder in der Messehalle 18<br />

auf dem Gelände der Alten Messe mit 500 Plätzen;<br />

Sportlertreff Karl-Marx-Stadt der HO-Bezirksdirektion Karl-Marx-Stadt auf der Freifläche<br />

am Bayrischen Bahnhof mit 1000 überdachten Plätzen;<br />

Schweriner Sportgarten der HO-Bezirksdirektion Schwerin auf der Freifläche am Westplatz<br />

mit 800 überdachten Sitzplätzen und 200 Freisitzplätzen;<br />

Magdeburger Elbgarten der HO-Bezirksdirektion Magdeburg hinter dem Rosental am<br />

Mückenschlößchen mit 750 überdachten Sitzplätzen;<br />

Erfurter Blumengarten der HO-Bezirksdirektion Erfurt am Zoo (dort wo sich jetzt das<br />

große Parkhaus und der Parkplatz befinden) mit 1300 überdachten Plätzen;<br />

Dresden-Treff der HO-Bezirksdirektion Dresden auf einer Freifläche am Dittrichring/Ecke<br />

Gottschedstraße mit 644 überdachten Sitzplätzen;


Havelgarten der HO-Bezirksdirektion Potsdam in der Mozartstraße (hinter dem jetzigen<br />

Bundesverwaltungsgericht) mit einer Kapazität von 1000 Plätzen.<br />

Die Freiluftgaststätten der NVA am Palmengarten an der Jahn-Allee und des DRK in<br />

Gohlis an der Max-Liebermann-Straße boten weitere Versorgungsleistungen (beispielsweise<br />

für die Übungsverbände der Armee und zur Versorgung der DRK-Kräfte).<br />

Die Verantwortlichen legten Wert darauf, dass auch von der Gestaltung her jede dieser Freiluftgaststätten<br />

einen besonderen, regionalbezogenen Eindruck vermittelte. Sie dienten täglich<br />

bis 15 Uhr der Verpflegung der Aktiven des Turn- und Sportfestes, danach standen sie den<br />

<strong>Leipziger</strong>n und anderen Besuchern zur Verfügung. Neben der einheitlichen, zentral geplanten<br />

und festgelegten Verpflegung der verschiedenen Übungsverbände der Sportler boten sie noch<br />

ein Sortiment an bezirkstypischen regionalen Spezialitäten. Beispielsweise offerierten die<br />

Geraer original Thüringer Rostbratwurst vom Holzkohlengrill, frische gebackene Krapfen,<br />

aber auch Quarkkeulchen. Die Schweriner boten aus ihrer Region u. a. Mecklenburger Kartoffelsuppe,<br />

Schweriner Klopse, Hagenower Käsestulle und die Erfurter natürlich ebenso Thüringer<br />

Rostbratwurst, aber auch Schmandkuchen und Thüringer Wurstspezialitäten an. Außerdem<br />

gab es in jeder der Freiluftgaststätten spezielle Freizeitangebote. Bei den Karl-Marx-<br />

Städtern gab es Freizeit- und Bade-Modeschauen, Diskothek oder Ruder- und Skiwedeltrainer<br />

zur Selbstbetätigung. Bei den Schwerinern spielte eine „Tüften-Disco“, es gab eine<br />

Kegelbahn, Tischtennisplatten und Torwandschießen. Dadurch wurden zugleich für die<br />

<strong>Leipziger</strong> zeitweise andere farbige Tupfer im Erscheinungsbild der Gastronomie gesetzt.<br />

Unter Regie des Arbeitsstabes Sonderveranstaltungen des Verbands der Konsumgenossenschaften<br />

der DDR wurden täglich etwa 60 000 Beutel Kaltverpflegung für Aktive gepackt.<br />

Nach Abschluss der Aktion konnte auf die stolze Zahl von 685 000 abgepackten Beuteln verwiesen<br />

werden. Dazu waren 450 Studenten der Fachschulen des Bezirks Leipzigs tätig. Der<br />

VEB Großküche der Stadt Leipzig kochte täglich 25 000 Liter Tee in 25-Liter Behältern.<br />

Ebenso kamen große Mengen aus der Großküche der HO-Bauarbeiterversorgung und den<br />

Feldküchen der NVA. Der VEB Großküche versorgte auch den Übungsverband der<br />

Vorschulkinder, kochte in der Schulküche in Lößnig und in der Messehalle 21 zusätzlich für<br />

die Sportler und lieferte den größten Teil der geschälten Kartoffeln für die Freiluftgaststätten.<br />

In die Versorgung direkt einbezogen waren 35 HO-Gaststätten, 5 Interhotels und dazu<br />

435 ambulante Versorgungseinrichtungen. Davon befanden sich 145 im Stadtzentrum. Die<br />

Hotels waren für führende Funktionäre aus der DDR und dem Ausland, vor allem aus sog.<br />

„sozialistischen Bruderländern“ reserviert, die dort eine gute Betreuung erfuhren. Für die<br />

Unterbringung der Sportler und die vielen auswärtigen Helfer waren in Schulen und<br />

Studentenheimen Behelfsquartiere eingerichtet worden. Außerdem boten viele <strong>Leipziger</strong>, wie<br />

dass auch zu den Messen üblich war, Übernachtung in ihrer Wohnung als sogenannte<br />

Privatquartiere an. Sie bewiesen damit wieder einmal die traditionelle Gastfreundschaft und<br />

die Bereitschaft zu helfen.<br />

Es gelang, eine gute Versorgung sowohl der Aktiven wie der vielen Besucher aus nah uns<br />

fern zu diesem Großereignis zu gewährleisten. Damit konnte ein Höhepunkt im Leben der<br />

Stadt und der Republik zu einer bleibenden Erinnerung werden. Für die <strong>Leipziger</strong><br />

Gastronomen und ihre vielen Helfer waren es harte Tage, auf die sie aber mit Stolz auf das<br />

Geleistete zurückblicken können. Das sehr warme Wetter erschwerte zudem die Arbeit, trieb<br />

immer wieder den Schweiß heraus. Mit 32° C war der 27. Juli der heißeste Tag. Bei der<br />

Bewertung dieser Großversorgung ist ferner zu berücksichtigen, dass heute übliche<br />

Technologien und Technik für eine solche logistische Herausforderung noch gar nicht oder in<br />

nur bescheidenem Umfang zur Verfügung standen. Neben hoher Einsatzbereitschaft waren<br />

Improvisationen und Findigkeit alltäglich gefragt. Aber solche Eigenschaften wie<br />

Improvisationstalent und die Fähigkeit sich rasch auf neue Ereignisse einstellen zu können,<br />

gehörten damals ohnehin zu den Grundeigenschaften erfolgreicher Gastronomen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!