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Leipziger Kulinarische Antiquitäten (Folge 49) - Internationaler ...

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<strong>Leipziger</strong> <strong>Kulinarische</strong> <strong>Antiquitäten</strong> (<strong>Folge</strong> <strong>49</strong>)<br />

Beilage zur <strong>Leipziger</strong> Köchepost, Ausgabe September 2009<br />

Herbert Pilz:<br />

Die Glanzzeit des Internationalen Kochkunstvereins vor dem 1. Weltkrieg<br />

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Leipzig eine erfolgreiche Stadt des Aufbruchs. Die Wirtschaft<br />

blühte, das Ortsbild veränderte sich zur modernen Großstadt, die zu den führenden<br />

Deutschlands und international beachteten zählte. Manche liebenswerte Erinnerung an die<br />

„alte gute Zeit“ musste modernen Neubauten weichen. Es entstanden neue zeitgemäße große<br />

Geschäfts- und Messehäuser. Viele davon sind heute schon wieder Geschichte. Besonders bei<br />

den Bombenangriffen im 2. Weltkrieg erfuhr das Zentrum große Gebäudeverluste. Manches<br />

blieb uns, wie der repräsentative Bau des Neuen Rathauses, das 1905 eingeweiht wurde. Der<br />

Ratskeller hatte allerdings schon ein Jahr vorher die ersten Gäste empfangen. An den damaligen<br />

Aufschwung erinnert auch das Messehaus Handelshof in der Grimmaischen Straße, eingeweiht<br />

1909, in dem der traditionsreiche Burgkeller wieder Platz fand. Die repräsentative<br />

Mädlerpassage mit dem wieder erstandenen Auerbachs Keller eröffnete 1913. Leipzig war<br />

erfolgreich auf den Weg zu einer Weltmetropole.<br />

Gute Zeiten für die Stadt waren ebenfalls gut für die Gastronomie. Der geschäftige Messeund<br />

Handelsstandort, das Wissenschafts- und Kulturzentrum, vielfältige Industrie- und Gewerbe<br />

sowie die vielbesuchte Einkaufsstadt boten viele Standbeine. Deshalb vollzog sich ein<br />

Übergang zu gastronomischen Großbetrieben und einer starken Spezialisierung. Die Mitglieder<br />

des Internationalen Kochkunstvereins waren dabei nicht nur in der Küche aktiv.<br />

Einige von ihnen prägten als Wirte großer Betriebe das Niveau der <strong>Leipziger</strong> Gastlichkeit.<br />

Der langjährige Vorsitzende Jean Steppler übernahm nach seinem erfolgreichen Wirken als<br />

Stadtkoch den „Felsenkeller“. Am 31. 3. 1906 war in der <strong>Leipziger</strong> Abendzeitung zu lesen:<br />

Einem geehrten Publikum zur gefl. Kenntnisnahme, dass ich mit dem 1. April 1906 die<br />

Bewirtschaftung des Etablissements „Felsenkeller“, L.-Plagwitz, an Herrn Jean Steppler,<br />

früher Stadtkoch, käuflich abgetreten habe. Gleichzeitig ist es mir ein Bedürfnis, für das mir<br />

stets entgegen gebrachte Wohlwollen und Vertrauen verbindlich zu danken und zu bitten,<br />

dasselbe auf meinen Nachfolger gütigst zu übertragen. Hochachtungsvoll Wilhelm Canitz<br />

Jean Steppler stieg gleich zur Eröffnung voll ein, wie seine Anzeige in der <strong>Leipziger</strong> Abendzeitung<br />

dokumentiert:<br />

Morgen Sonntag, den 1. April ½ 4 Uhr nachmittags:<br />

Großes Eröffnungskonzert des gesamten <strong>Leipziger</strong> Tonkünstler-Orchester (42 Mann) unter<br />

persönlicher Leitung des Musikdirektors Herrn Günter Coblenz. Entree 30 Pfg.<br />

Extra-Programm Vorzugskarten gültig.<br />

Abends ½ 8 Uhr. Großer Theater-Abend des Männer-Turnvereins L.-Lindenau.<br />

Im Felsenkeller konnte 1909 mit großem Erfolg der 25. Jahrestag des Kochkunstvereins<br />

gefeiert werden. Jean Steppler ließ es sich nicht nehmen dazu Herausragendes zu bieten.<br />

Ein anderer bekannter Koch, Obermeister der Köche-Innung, Hugo Agsten war Wirt im<br />

Fürstenberg-Bräu-Keller, Grimmaische Straße. Er inserierte im Frühjahr 1903 für sein Lokal:<br />

Familienrestaurant I. Ranges – Gewählte Frühstücks- und Abendkarte<br />

Vorzüglicher Mittagstisch - Extra-Zimmer für Diners<br />

Heute Mittag und Abend: Allerlei von jungen Gemüsen<br />

Täglich: Frischer Spargel - Bier unübertroffen Hugo Agsten<br />

Weithin beachtete Großereignisse, wie das 500jährige Universitätsjubiläum 1909 führten<br />

viele Gäste in die Stadt und brachten der Gastronomie weiter Auftrieb. 1913 häuften sich die<br />

Ereignisse. Herausragend war die Einweihung des Völkerschlachtdenkmals im Oktober.<br />

- 1 -


Der sächsische König gab zu diesem Anlass für die hohen Ehrengäste, darunter den deutschen<br />

Kaiser, ein Festessen im Neuen Concerthaus (Gewandhaus):<br />

Speisenfolge anlässlich der Einweihung des Völkerschlachtdenkmals<br />

Römische Suppe<br />

Pasteten nach Metternich<br />

Rheinlachs kalt<br />

Masthühner Chipolata<br />

Getrüffelte Gänseleber<br />

Wildrücken – Salat – Früchte<br />

Ananas nach Wellington<br />

Käsegericht<br />

Nachtisch<br />

Gute zusätzliche Umsätze brachten die Internationale Baufach-Ausstellung, der 18. Deutsche<br />

Reichsfeuerwehrtag, die 54. Hauptversammlung des Vereins deutscher Ingenieur und weitere<br />

Großveranstaltungen und Kongresse das ganze Jahr über.<br />

Die <strong>Leipziger</strong> Löwenjagd in der Nacht vom 19. zum 20. Oktober 1913 (1) regte die <strong>Leipziger</strong><br />

Gastronomen zu besonderen Angeboten an. Der Wirt Otto Berg im erst kurz zuvor wiedereröffneten<br />

Auerbachs Keller in der neu errichteten Mädlerpassage ließ extra dazu eine<br />

„Löwen-Speisen-Karte“ auflegen mit folgenden Angeboten:<br />

Kalte Speisen<br />

Löwenmaulsalat 0.70<br />

Löwenschinken mit Butter, Brot u. Nilwasser 2.20<br />

Warme Speisen<br />

Löwenschwanzsuppe mit Krokodilstränen 0.40<br />

Löwenpfefferpothast mit Abessin. Gurke 1.60<br />

Löwenkeule in Indischer Pfeffertunke 1.60<br />

Löwenschnitzel mit Mähne 1.60<br />

Löwenkotelett mit Steppengras 1.60<br />

Löwenlendchen wie’s der Teufel liebt 1.70<br />

Löwenzunge geback. mit Bambusstangen 1.75<br />

Löwenpranke mit Wüstensand u. Steppengras 1.80<br />

Als Nachtisch<br />

Großwildjägerbombe „Polly“ -.60<br />

Mit dem 1. Weltkrieg setzte der wirtschaftliche Abstieg Leipzigs ein. Gastronomische Großbetriebe<br />

mussten ihre Säle für militärische Zwecke als Unterkünfte, Lazarette oder Lager zur<br />

Verfügung stellen. Dazu gehörten Räume der Zoo-Gastronomie, Munkelts Konzert- und<br />

Ballhaus, Drachenfels, Felsenkeller.<br />

In den ersten Kriegsjahren kamen zwar noch einige, bereits vorher geplante, das Stadtbild<br />

prägende Bauten zur Vollendung. Dazu zählte das Messehaus „Drei Könige“ mit seinem<br />

dekorativen, reich geschmückten Erker. Zu Programm gehörte ein großes elegantes Konzertcafé<br />

in den beiden unteren Geschossen mit großen in den Fußboden versenkbaren Fenstern<br />

im Erdgeschoss. Das Kaffeehaus wurde 1916 durch das bekannte <strong>Leipziger</strong><br />

Konditoreiunternehmen Ziesing & Co in Betrieb genommen. Auch das Messehaus Stenzlers<br />

Hof und das Hotel Astoria, Eröffnung 5. 12. 1915, entstanden in dieser Zeit. Herausragend<br />

war die Fertigstellung des Hauptbahnhofs, einen Tag vorher, nämlich am 4. 12. 1915.<br />

(1) Siehe <strong>Leipziger</strong> <strong>Kulinarische</strong> <strong>Antiquitäten</strong> (<strong>Folge</strong> 13) in der Information Nr. 5/1998<br />

des IKL<br />

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